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21__LB173.pdf - Lübeckische Blätter

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L Ü B E C K I S C H E<br />

B L Ä T T E R<br />

27. Dezember 2008 · Heft <strong>21</strong> · 173. Jahrgang · Zeitschrift der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit<br />

Evolution und Schöpfung – Die Naturwissenschaft<br />

ist ihrem Jugendstadium entwachsen<br />

Von Hanna Schuldt<br />

Rechtzeitig zur Vorweihnacht, wenn<br />

die Gemüter wieder weich werden für<br />

transzendente Botschaften und die Museen<br />

leerer, meldet sich das Naturkundemuseum<br />

mit einer bemerkenswerten Veranstaltung,<br />

die dem Glauben gewidmet<br />

ist. Überraschend war indessen, was die<br />

Teilnehmer, die aus allen Lagern in den<br />

Tempel der Naturwissenschaften strömten,<br />

geboten bekamen – waren doch kaum<br />

ein paar Tage vergangen nach dem enttäuschenden<br />

„Salon Glauben“ in St. Petri.<br />

Geladen hatte Dr. Wolfram Eckloff<br />

am 4. Dezember zu einer Erörterung der<br />

Schöpfungsgeschichte, wie sie, natürlich<br />

biologisch orientiert, im<br />

Geologiesaal des Museums<br />

dargestellt ist. Es ist<br />

das zurzeit wohl brisanteste<br />

Thema im Reich des<br />

Glaubens, seitdem fundamentalistische<br />

Christen in<br />

Amerika mit dem „Intelligent<br />

Design“ den alten naiven<br />

Bibelglauben wieder<br />

salonfähig zu machen versuchen.<br />

Eckloff: „Die Lage<br />

ist ernster als viele Menschen<br />

glauben – stellen<br />

Sie sich vor, die Mehrheit<br />

des Volkes fühlt sich durch<br />

die biologischen Theorien<br />

bedroht und verlangt vom<br />

Staat die Einsetzung der<br />

Genesis als Biologiebuch<br />

an unseren Schulen. Es ist<br />

leicht nachzuvollziehen,<br />

welche Rolle dann Vernunft<br />

und Forschung noch<br />

spielen werden und wohin „Forschungsgelder“<br />

dann zu fließen haben.“<br />

Eckloff erläutert die Selbstorganisation<br />

der Materie durch die chemische<br />

Evolution und beschreibt die Entstehung<br />

des Lebens und seine Entfaltung zu faszinierender<br />

Vielfalt. Diese findet sich im<br />

Museum geordnet auf einer farbenfrohen<br />

Stammbaumgrafik. Neben den dominant<br />

dargestellten Insekten, Weichtieren und<br />

Fischen nehmen sich die Gruppen der Vögel<br />

und Säugetiere nahezu bescheiden aus.<br />

„Was macht denn der Mensch da oben auf<br />

dem Ast?“ ruft ein Teilnehmer. „Der sägt<br />

an seinem Ast!“, antwort ein anderer. Eck-<br />

Ausschnitt aus der Schöpfungsdarstellung auf dem Umschlag dieses<br />

Heftes. In einem Wohnraum im Obergeschoss des Seitenflügels ließ ein<br />

Brauer um 1570 Szenen aus einer illustrierten Bibel, gestochen von Virgil<br />

Solis, ringsum an den Wänden anbringen. (Foto: Helmut Gerlitz)<br />

loff versteht es, mit Humor den Ernst der<br />

Zusammenhänge zu vertiefen.<br />

Im Vortragssaal des Hauses folgt der<br />

zweite Teil des Abends, in dem zunächst<br />

noch einige zentrale Fragen zur Evolution<br />

beantwortet werden. Museumsleiter Dr.<br />

Eckloff betont: „‚Geist‘ und ‚Materie‘ sind<br />

keine unabhängigen kosmischen Größen,<br />

sondern komplementäre Eigenschaften jener<br />

Sternenstäubchen, aus denen wir – wie<br />

alle Lebewesen – gemacht sind.“<br />

Die Naturwissenschaft ist ihrem mechanistischen<br />

Jugendstadium offenbar<br />

längst entwachsen.<br />

Am meisten bannte die Zuhörer wohl<br />

der Exkurs zur Frage „Warum<br />

stehen sich Schöpfungsglaube<br />

und Evolutionstheorie<br />

seit 200 Jahren<br />

scheinbar unversöhnlich<br />

gegenüber?“ Der Vortragende<br />

fand hierzu eine<br />

einfache und überzeugende<br />

Antwort, indem er den<br />

Begriff des Glaubens auf<br />

seinen Ursprung in der<br />

Umgangssprache zurückführte.<br />

Danach bedeutet<br />

Glauben Vertrauen haben<br />

in die Gültigkeit einer Botschaft.<br />

Die Wissenschaftskultur<br />

legt großen Wert darauf,<br />

diese Gültigkeit durch<br />

faktische oder vernünftige<br />

Belege zu untermauern.<br />

Die traditionelle Kultur<br />

mit der Religion versucht<br />

dies durch die Autorität<br />

ihrer Quellen zu erreichen.<br />

Abbildung auf der Titelseite: Die Erschaffung der Welt. Wandmalerei im Haus Wahmstraße 33 aus der Zeit um 1570. Freigelegt und restauriert von Linde und Karl-<br />

Heinz Saß. (Foto: Helmut Gerlitz)<br />

<strong>Lübeckische</strong> <strong>Blätter</strong> 2008/<strong>21</strong> 377

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