MINISTERIUM FÜR WISSENSCHAFT ... - Edith Sitzmann
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M I N I S T E R I U M F Ü R W I S S E N S C H A F T ,<br />
F O R S C H U N G<br />
U N D K U N S T B A D E N - W Ü R T T E M B E R G<br />
Herrn Präsidenten<br />
des Landtags von Baden-Württemberg<br />
Peter Straub MdL<br />
Haus des Landtags<br />
Konrad-Adenauer-Str. 3<br />
70173 Stuttgart<br />
nachrichtlich – ohne Anlagen –<br />
Staatsministerium<br />
Postfach 10 34 53 70029 Stuttgart<br />
E-Mail: poststelle@mwk.bwl.de<br />
FAX: 0711 279-3080<br />
Stuttgart<br />
Durchwahl 0711 279-<br />
Name<br />
Aktenzeichen<br />
22. Oktober 2009<br />
3109<br />
Herr Bockstadt/Frau Dr. Schüfer<br />
13-752.212/187<br />
(Bitte bei Antwort angeben)<br />
Antrag der Fraktion GRÜNE<br />
� Rückforderungsansprüche des Landes gegen den ehemaligen Freiburger<br />
Unfallchirurgen<br />
� Drucksache 14/5184<br />
Ihr Schreiben vom 1. Oktober 2009 Az.: I/2.5<br />
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,<br />
das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst nimmt in Abstimmung mit dem<br />
Finanzministerium zu dem Antrag der Fraktion GRÜNE wie folgt Stellung:<br />
Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen zu berichten,<br />
1. wann genau und auf welchem Wege das Wissenschaftsministerium von der ungeneh-<br />
migten Wohnsitzverlagerung des ehemaligen Freiburger Unfallchirurgen nach Kanada<br />
erfahren hat;
- 2 -<br />
2. ob, wann und in welcher Form sie der bereits jahrelang in der Öffentlichkeit dargestellten<br />
Vermutung, dass der ehemalige Freiburger Unfallchirurg seinen Wohnsitz nach Kanada<br />
verlegt hat, nachgegangen ist;<br />
3. wann und in welcher Form nach Bekanntwerden dieser Wohnsitzverlagerung das Wis-<br />
senschaftsministerium als oberste Dienstbehörde Kontakt mit dem ehemaligen Freibur-<br />
ger Unfallchirurgen bzw. dessen Rechtsvertretern aufgenommen und ihn mit dieser un-<br />
genehmigten Wohnsitzverlagerung und den sich daraus ergebenden Konsequenzen<br />
konfrontiert hat;<br />
4. ob der Landesregierung bekannt ist, dass nach § 41 Absatz 1 Satz 4 Landesbeamten-<br />
gesetz (LBG) ein Beamter, der ohne Genehmigung seinen Wohnsitz oder dauernden<br />
Aufenthalt in ein Land außerhalb des Geltungsbereiches des Vertrages über die Euro-<br />
päische Union und des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum verlegt,<br />
von der obersten Dienstbehörde, also dem Wissenschaftsministerium, per Verfügung<br />
entlassen werden muss;<br />
Das Universitätsklinikum Freiburg teilte mit Schreiben vom 3. Februar 2009 dem Wis-<br />
senschaftsministerium mit, dass Herr Dr. Friedl sein Haus in Umkirch verkauft habe, er<br />
nach Kenntnis seines Rechtsanwalts jedoch noch eine Wohnung unter der bislang be-<br />
kannten Adresse habe und der Anwalt dem nachgehen werde. In einem weiteren<br />
Schreiben gab der Rechtsanwalt von Herrn Dr. Friedl dann eine Postfachadresse in<br />
Umkirch an. Weitere Informationen enthielt dieses Schreiben, das vom Universitätsklini-<br />
kum am 5. Februar 2009 an das Wissenschaftsministerium übermittelt wurde, nicht. Da<br />
eine weitere Aufklärung durch den Rechtsanwalt von Herrn Dr. Friedl nicht erfolgte, gin-<br />
gen das Universitätsklinikum Freiburg und das Wissenschaftsministerium davon aus,<br />
dass Dr. Friedl keinen Wohnsitz mehr in Umkirch hatte.<br />
Weder dem Wissenschaftsministerium noch dem Universitätsklinikum Freiburg wurde<br />
eine Wohnsitzverlegung von Dr. Friedl ins Ausland angezeigt. Das Wissenschaftsminis-<br />
terium erhielt allerdings im Jahre 2006 Hinweise darauf, dass Dr. Friedl sich in Kanada<br />
aufhalte. Diese Hinweise hat das Wissenschaftsministerium umgehend aufgegriffen und<br />
verschiedene Ermittlungen über den Aufenthaltsort von Dr. Friedl angestellt. Es hat ver-<br />
trauliche Informationen über einen Aufenthaltsort von Dr. Friedl in Kanada zum Anlass<br />
genommen, Herrn Dr. Friedl und seine anwaltschaftlichen Vertreter hierzu anzuhören. In<br />
dem Schreiben vom 17. Oktober 2006 wurde darauf hingewiesen, dass das Wissen-<br />
schaftsministerium beabsichtige, Herrn Dr. Friedl wegen unerlaubter Wohnsitzverlegung<br />
ins Ausland gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 4 Landesbeamtengesetz (LBG) ohne Antrag aus<br />
dem Beamtenverhältnis zu entlassen. Herr Dr. Friedl erhielt Gelegenheit, sich zu diesen
- 3 -<br />
Vorwürfen zu äußern. Die anwaltschaftlichen Vertreter von Dr. Friedl haben daraufhin<br />
mit Schreiben vom 28. November 2006 umfassende Akteneinsicht beantragt. Da das<br />
Wissenschaftsministerium seinen Informanten Vertraulichkeit zugesagt hatte, konnte es<br />
diesem Anliegen nicht entsprechen. In der Folge unterblieb eine Äußerung der anwalt-<br />
schaftlichen Vertreter von Dr. Friedl zur Frage der Wohnsitzverlegung ins Ausland.<br />
Die weitere intensive Prüfung im MWK ergab schließlich, dass eine Verfügung, die eine<br />
Entlassung von Dr. Friedl aus dem Beamtenverhältnis gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 4 LBG<br />
zum Ziel gehabt hätte, aus zwei Gründen nicht möglich war: Zum einen lagen Voraus-<br />
setzungen für eine Entlassung nicht nachweisbar vor. Der Beamte war seinerzeit mit<br />
Wohnsitz in Umkirch in Deutschland ordnungsgemäß gemeldet und hat anstehende<br />
Termine im Disziplinarverfahren im Wesentlichen wahrgenommen. Voraussetzung für<br />
eine Entlassung nach § 41 Abs. 1 LBG war nach damaliger Rechtslage eine dauerhafte<br />
Beendigung des Wohnsitzes im Inland mit dem Willen, diesen Wohnsitz unbedingt auf-<br />
zugeben. Zum anderen hätte das Wissenschaftsministerium einem Antrag auf Wohn-<br />
sitzverlegung stattgeben müssen, da der damalige Beamte nach § 89 Landesdiszipli-<br />
narordnung seit dem Herbst des Jahres 2000 vom Dienst suspendiert war und damit ei-<br />
ne eventuelle Wohnsitznahme in Kanada die Wahrnehmung des Dienstes nicht beein-<br />
trächtigt hätte. Dem Beamten dürfen nur solche beschränkende Maßnahmen auferlegt<br />
werden, die mit der Erfüllung der Dienstpflicht zu begründen sind. Einem suspendierten<br />
Beamten kann eine Wohnsitznahme im Ausland nicht verwehrt werden, wenn er sich für<br />
die Ermittlungshandlungen verfügbar hält und bei Aufhebung der Suspendierung zur<br />
Rückkehr bereit ist.<br />
Im Übrigen gilt seit 1. April 2009 der am 17. Juni 2008 verabschiedete § 23 Beamtensta-<br />
tusgesetz mit der Folge, dass eine Entlassung wegen Wohnsitznahme im Ausland nach<br />
Landesrecht (§ 41 Abs. 1 Nr. 4 LBG) rechtlich nicht mehr zulässig ist. Der Zeitraum von<br />
Februar bis 1. April 2009 hätte für die Durchführung der behördlichen Verfahrens zur<br />
Entlassung nicht ausgereicht.<br />
5. aus welchen Gründen das Wissenschaftsministerium den ehemaligen Freiburger Unfall-<br />
chirurgen dann nicht unverzüglich entlassen hat;<br />
Eine Entlassung des damaligen Beamten nach § 41 Abs. 1 Nr. 4 LBG war nach dem<br />
Gesagten aus Rechts- und Beweislastgründen nicht möglich.
- 4 -<br />
6. wie es weiter zu erklären ist, dass das Wissenschaftsministerium in Kenntnis dieser<br />
Sachlage am 20.02.2009 einen Vergleich mit dem ehemaligen Freiburger Unfallchirur-<br />
gen abgeschlossen hat anstatt ihn unverzüglich zu entlassen;<br />
Da eine Entlassung von Dr. Friedl aus disziplinarrechtlichen Gründen aller Voraussicht<br />
nach nicht erfolgreich gewesen wäre und auch rechtliche Gründe nach den obigen Dar-<br />
legungen eine Entlassung nach § 41 Abs. 1 LBG ebenso wenig haltbar erscheinen lie-<br />
ßen, wurde der seinerzeitige Vergleich geschlossen.<br />
7. mit welcher Begründung das Wissenschaftsministerium den Vergleich am 06.07.2009<br />
angefochten hat und welchen Stellenwert hierbei der Beschluss des Verwaltungsge-<br />
richtshofs Baden-Württemberg vom 24.04.2009 einnimmt;<br />
Das Wissenschaftsministerium hat den Vergleich angefochten, weil durch ein Urteil des<br />
Supreme Court of British Columbia Umstände bekannt wurden, bei deren Kenntnis das<br />
Wissenschaftsministerium den Vergleich in der vorliegenenden Form nicht abgeschlos-<br />
sen hätte. So konnte der Sachverhaltsdarstellung des Urteils zum Beispiel entnommen<br />
werden, dass Herr Dr. Friedl über dem Wissenschaftsministerium nicht bekannte Ein-<br />
nahmen verfügte, die bei Kenntnis in die Berechnung der Vergleichssumme eingeflos-<br />
sen wären. Der genannte Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs war unerheblich für<br />
die Frage der Anfechtung des Vergleichsvertrags.<br />
8. welche Rückforderungsansprüche des Landes gegen den ehemaligen Freiburger Un-<br />
fallchirurgen vom Landesamt für Besoldung und Versorgung geprüft wurden bzw. wer-<br />
den, insbesondere in welcher Höhe;<br />
9. ob bei diesen Rückforderungsansprüchen des Landes auch die ungenehmigten Neben-<br />
einkünfte des ehemaligen Freiburger Unfallchirurgen beinhaltet sind;<br />
Die Prüfung, ob und in welcher Höhe eventuell Bezügeanteile zu Unrecht gezahlt wur-<br />
den, konnte nach Auskunft des Finanzministeriums vom Landesamt für Besoldung und<br />
Versorgung noch nicht abgeschlossen werden, weil der ehemalige Freiburger Unfallchi-<br />
rurg bzw. seine Bevollmächtigten bisher Ihren Mitwirkungspflichten noch nicht nachge-<br />
kommen sind.
- 5 -<br />
10.inwieweit die ungenehmigten Nebeneinkünfte rückwirkend auf die beamtenrechtliche<br />
II.<br />
Besoldung des ehemaligen Freiburger Unfallchirurgen angerechnet bzw. vom Land<br />
rückgefordert werden;<br />
Bei Beamten, die für eine Zeit Anspruch auf Besoldung haben, in der sie nicht zur<br />
Dienstleistung verpflichtet waren, kann nach Maßgabe des § 9 a Abs. 1 Bundesbesol-<br />
dungsgesetz ein infolge der unterbliebenen Dienstleistung für diesen Zeitraum erzieltes<br />
anderes Einkommen auf die Besoldung angerechnet werden. Dies gilt jedoch nicht in<br />
den Fällen einer vorläufigen Dienstenthebung auf Grund eines Disziplinarverfahrens. In-<br />
soweit gelten die besonderen Vorschriften des Disziplinarrechts. Hiernach kommt bei<br />
dem ehemaligen Freiburger Unfallchirurgen, der durch Verfügung des Wissenschaftsmi-<br />
nisteriums vom 24. Oktober 2000 nach § 89 Landesdisziplinarordnung vorläufig des<br />
Dienstes enthoben wurde, eine rückwirkende Anrechnung ungenehmigter Nebenein-<br />
künfte auf die Besoldung nicht in Betracht.<br />
1. unverzüglich sämtliche zivilrechtlichen Rückforderungsansprüche des Landes gegen-<br />
über dem ehemaligen Freiburger Unfallchirurgen geltend zu machen und gegebenen-<br />
falls einzuklagen;<br />
Ansprüche wegen überzahlter Bezüge wird ggfs. das Landesamt für Besoldung und<br />
Versorgung nach Abschluss der Prüfung geltend machen. Zivilrechtliche Rückforde-<br />
rungsansprüche des Landes sind derzeit nicht ersichtlich.<br />
2. die Vorgänge der ungenehmigten Wohnsitzverlagerung ins Ausland sowie der unge-<br />
nehmigten Nebeneinkünfte des ehemaligen Freiburger Unfallchirurgen der Staatsan-<br />
waltschaft zur Prüfung zu übergeben.<br />
Weder die ungenehmigte Wohnsitzverlagerung in das Ausland noch ungenehmigte<br />
Nebentätigkeiten noch das Verschweigen von Wohnsitzverlagerung oder Nebeneinkünf-<br />
ten/-tätigkeiten stellen eine strafbare Handlung dar. Eine Betrugsstrafbarkeit nach § 263<br />
StGB scheitert daran, dass dem Land kein Vermögensschaden entstanden ist, der zu<br />
einem etwaigen erstrebten Vermögensvorteil des ehemaligen Freiburger Unfallchirurgen<br />
stoffgleich ist. Die Stoffgleichheit zwischen angestrebtem Vermögensvorteil des Täters<br />
und erlittenem Vermögensschaden des Opfers ist ein zwingendes Tatbestandsmerkmal
- 6 -<br />
des Betrugs. Das Wissenschaftsministerium hat deshalb davon abgesehen, die Vorgän-<br />
ge der Staatsanwaltschaft zur Prüfung zu übergeben.<br />
Mit freundlichen Grüßen<br />
gez.<br />
Dr. Dietrich Birk MdL<br />
Staatssekretär