60 Jahre Tischtennisbezirk Ulm - SSV Ulm 1846
60 Jahre Tischtennisbezirk Ulm - SSV Ulm 1846
60 Jahre Tischtennisbezirk Ulm - SSV Ulm 1846
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Schon wieder ein Jubiläum?<br />
<strong>60</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Tischtennisbezirk</strong> <strong>Ulm</strong><br />
Jubiläum?!? „Das hatten wir doch erst vor kurzem“, wird sich jetzt sicher der ein oder andere<br />
Leser dieser Zeilen denken, womit Er oder Sie nicht ganz unrecht hat. Denn mittlerweile ist<br />
seit dem Jahr 1996, als der <strong>Ulm</strong>er TT-Bezirk im großen Rahmen sein 50-jähriges Bestehen<br />
feierte, schon wieder eine Dekade – rückblickend scheinbar wie im Flug – vergangen.<br />
Gewiss, eine <strong>60</strong>-Jahrfeier stellt keinen Vergleich zu einem echten „runden“ <strong>Jahre</strong>stag dar.<br />
Dennoch wollen wir die Gelegenheit nutzen, um zumindest mit den nachfolgenden Seiten die<br />
letzten Jahrzehnte und ihre Ereignisse noch einmal Revue passieren zu lassen.<br />
Denn die vergangenen Zeiten samt ihren Errungenschaften in unserem Heimatbezirk sind<br />
einfach viel zu schade, um mit der Zeit mehr oder weniger vergessen zu werden. Daher<br />
haben wir uns vor etwa einem halben Jahr entschlossen, die Informationen darüber<br />
zusammenzutragen und im Zuge des diesjährigen Jubeljahres in diesem <strong>Jahre</strong>sberichtsheft<br />
zu veröffentlichen.<br />
Die Recherche zu den vergangenen <strong>Jahre</strong>n war allemal interessant, wenn auch nicht immer<br />
ganz so einfach. Viel halfen uns dabei die seit 1981 jährlich erscheinenden <strong>Jahre</strong>shefte des<br />
Bezirks, die sich im Inhalt durch die letzten Jahrzehnte kaum verändert haben und seit jeher<br />
den zahlreichen Spielerinnen und Spielern im Bezirk die Abschlusstabellen und -berichte<br />
gesammelt präsentieren.<br />
Daneben gaben viele aktuelle und vergangene „Macher“ im direkten Gespräch ihre<br />
Erinnerungen an vergangene Zeiten preis, und auch aus den ein oder anderen persönlichen<br />
Unterlagen konnte verwertbares Material gesichtet werden.<br />
Jedoch können die nachfolgenden Seiten bei weitem keinen Anspruch auf Vollständigkeit<br />
haben. Dazu übersteigt schlichtweg die Zahl der berichtenswerten Ereignisse den Rahmen<br />
dieses <strong>Jahre</strong>sheftes bei weitem.<br />
Die folgenden Berichte sollen bei den „Älteren“ Miterlebtes wieder auffrischen und vor allem<br />
den interessierten Jüngeren einen groben Überblick über die letzten erfolgreichen Jahrzehnte<br />
des Tischtennissports in <strong>Ulm</strong> und um <strong>Ulm</strong> herum bieten.<br />
Nun aber genug des Vorworts. Wir hoffen, dass euch das Lesen der folgenden Seiten ebenso<br />
viel Freude bereitet, wie wir mit der Zusammenstellung eben dieser hatten.<br />
Bis demnächst in irgendeiner Sporthalle!<br />
Florian Timmermann & Joscha Brunner
Von damals bis heute<br />
Eine Kurzchronik über die ersten <strong>60</strong> <strong>Jahre</strong> Tischtennis des TT-Bezirk <strong>Ulm</strong><br />
Das erste Jahrzehnt: 1946 – 1955<br />
< Die <strong>Jahre</strong> des Aufbaus ><br />
Der Startschuss für Tischtennis im Bezirk <strong>Ulm</strong><br />
erfolgt bereits ein Jahr nach dem zweiten<br />
Weltkrieg. Die neu gegründeten<br />
Tischtennisvereine TSV Neu-<strong>Ulm</strong> und <strong>SSV</strong> <strong>Ulm</strong><br />
schließen sich sofort zum <strong>Tischtennisbezirk</strong><br />
<strong>Ulm</strong> zusammen. Bald kommen die Vereine<br />
TSV Blaubeuren, TSV Erbach und TSV<br />
Illertissen hinzu. Die Spielbedingungen sind<br />
damals nicht gerade einfach: man hat in den<br />
Spielstätten nur wenig Freiraum für ausholende<br />
Schläge, die Beschaffung von Spielmaterial ist<br />
oft mit großen Mühen verbunden. Das hindert<br />
die Sportler allerdings nicht an herausragenden<br />
Erfolgen.<br />
Es dominiert der <strong>SSV</strong> <strong>Ulm</strong>, der die meisten<br />
Bezirksmeister stellt und in der<br />
württembergischen Oberliga spielt. Die Damen<br />
werden gar dreimal württembergischer<br />
Mannschaftsmeister. 1950 verzeichnen die<br />
Bezirke <strong>Ulm</strong>, Illertal und Geislingen zusammen<br />
bereits 27 Vereine.<br />
Das zweite Jahrzehnt: 1956 – 1965<br />
< Das unbekannte Jahrzehnt ><br />
Im Zuge des Wirtschaftswunders in<br />
Deutschland wächst auch der<br />
Artikel aus der Südwestpresse vom 15. Juli 1956<br />
<strong>Tischtennisbezirk</strong> <strong>Ulm</strong>. 1964 nehmen bereits<br />
zwei Dutzend Vereine aktiv am Spielbetrieb im<br />
<strong>Ulm</strong>er Bezirk teil. Allerdings ist man zu dieser Zeit von einem regulierten Spielbetrieb in der<br />
Form wie wir ihn heute kennen noch weit entfernt. Desweiteren gibt es kaum Quellen aus<br />
diesen <strong>Jahre</strong>n: <strong>Jahre</strong>sberichte kennt zu dieser Zeit noch niemand.
Das dritte Jahrzehnt: 1966 – 1975<br />
< Stabilisierung in turbulenten Zeiten ><br />
Mit der Wahl von Josef John zum Bezirksvorsitzenden<br />
wird die dritte Dekade der Bezirksgeschichte eröffnet.<br />
Das größte sportliche Aufsehen erregt 1969 die Fusion<br />
von TTC <strong>Ulm</strong> und <strong>SSV</strong> <strong>Ulm</strong>. Der Zusammenschluss<br />
verläuft erfolgreich – bereits ein Jahr später wird der<br />
<strong>SSV</strong> <strong>Ulm</strong> <strong>1846</strong> Zweiter in der zweiten Liga.<br />
Sowohl als Spieler beim <strong>SSV</strong> als auch als Funktionär<br />
greift fortan Otto Rößner als aktiver Gestalter ins<br />
Bezirksgeschehen ein. Mit 37-jähriger Amtszeit als<br />
Pressewart hält er zugleich den Rekord als<br />
dienstältester Bezirksmitarbeiter.<br />
Um die Finanzen des Bezirks ist es ebenfalls prächtig<br />
bestellt. 1972 stehen 3.850 DM an Ausgaben noch<br />
4.500 DM an Einnahmen gegenüber. Nahezu ein<br />
Zwanzigstel des heutigen <strong>Jahre</strong>setats.<br />
Viele Spieler, die heute zu den Großen des Bezirks<br />
gehören, halten dieser Tage zum ersten Mal den<br />
Schläger in der Hand. Vereine mit großen<br />
Jugendabteilungen wie Neu-<strong>Ulm</strong>, Holzheim oder Illertissen sorgen dafür, dass auch auf der<br />
Jugend- und Schülerebene ein Ligenbetrieb aufgebaut werden kann.<br />
Zudem wird mit mehreren Leistungszentren (Pfuhl, Weißenhorn, Reutti) zielstrebig am<br />
sportlichen Erfolg der Jugendlichen gearbeitet.<br />
In der Weltpolitik geht es dieser Tage hoch her, man denke nur an die 68er-Revolution, den<br />
Vietnam-Krieg oder die Watergate-Affäre. Im <strong>Ulm</strong>er <strong>Tischtennisbezirk</strong> dagegen sieht die<br />
Situation ganz anders aus. Eine <strong>Ulm</strong>er Tageszeitung bringt die Lage auf den Punkt: „Im<br />
Tischtennis ist alles im Lot.“<br />
Das vierte Jahrzehnt: 1976 – 1985<br />
< Auf dem richtigen Weg ><br />
Ein Barna-Schläger aus vergangener Zeit –<br />
damit spielten die Aktiven am liebsten<br />
Deutschland geht es gut, das bekommen auch die Kommunen zu spüren. Der Neubau von<br />
Sporthallen selbst in den kleinsten Gemeinden begünstigt das Vereinsleben im allgemeinen<br />
spürbar. Im Zuge dessen steigt die Anzahl der Tischtennisabteilungen in diesen zehn <strong>Jahre</strong>n<br />
von 45 auf 69, der Breitensport freut sich über regen Zuwachs. Doch auch in der<br />
Leistungsspitze hat der Bezirk einiges zu bieten: Rudi Stumpers Talentschmiede macht den<br />
<strong>SSV</strong> <strong>Ulm</strong> in ganz Süddeutschland bekannt, man denke nur an Jürgen Gramer oder Klaus<br />
Rolletschke.
Ein wichtiger Schritt zur Dokumentation der vergangenen Spielzeiten ist die Erstauflage der<br />
<strong>Jahre</strong>sberichtshefte. 1981 von Bezirksfachwart Reinhold Beck ins Leben gerufen, gehören<br />
die nun von Manfred Lehner erstellten <strong>Jahre</strong>shefte zum festen Bestand jeder<br />
Tischtennissaison.<br />
Eine interessante Änderung der Wettspielordnung sieht vor, dass ab 1984 nur noch Beläge in<br />
Rot und Schwarz zum Spiel eingesetzt werden dürfen.<br />
Der positive Trend der vergangenen <strong>Jahre</strong> setzt sich weitestgehend fort. Ökonomisch<br />
gesehen könnte man diese Epoche mit „gesundem Wachstum“ umschreiben.<br />
Das fünfte Jahrzehnt: 1986 – 1996<br />
< Tischtennis auf dem Höhepunkt ><br />
So könnte man mit einer Schlagzeile die Entwicklung des Tischtennissports während dieses<br />
Jahrzehnts beschreiben. Denn 1993/94 melden die 74 Vereine 433 Mannschaften zum<br />
Spielbetrieb an: der absolute Höhepunkt in der Bezirksgeschichte. Auch die Leistung im<br />
Spitzensport stimmt: Der TSV Weißenhorn erreicht unter der Leitung von Harald Gaus die<br />
Oberliga und steigt zum erfolgreichsten Herrenverein des Bezirkes <strong>Ulm</strong> auf.<br />
Ebenso unvergessen sind die <strong>Jahre</strong> von Holzheim in der zweiten Bundesliga der Frauen.<br />
Auch in der Verbandsliga tummeln sich <strong>Ulm</strong>er Mannschaften, wie beispielsweise die<br />
Witzighausener Damen um Gertrud Preiß oder bei den Männern der TSV Illertissen.<br />
Die Einführung der Verbandsklasse 1994 beendet den umfangreichen Prozess einer<br />
Umstrukturierung im TTVWH. Sie sieht auch eine Neueinteilung der Bezirke Mitte der 80er<br />
vor, im Zuge derer der <strong>Ulm</strong>er Gau unter anderem den späteren Erstligisten TTF<br />
Ochsenhausen an den Bezirk Donau abtreten muss.<br />
Doch zurück zu den sportlichen Erfolgen. Dort ist das Aushängeschild des Bezirkes der<br />
damals noch für Mähringen aufschlagende Thomas Kurfeß, der sich regelmäßig Medaillen<br />
bei den Paralympics erspielen kann.<br />
Die Dekade beschließt im Herbst 1996 die vom Bezirksvorsitzenden Helmuth Junger<br />
organisierte Jubiläumsfeier anlässlich des 50-jährigen Bezirksbestehens, welche im Kreis der<br />
Vereine und Mitarbeiter in Senden stattfindet.<br />
Das sechste Jahrzehnt: 1997 – 2006<br />
< Tischtennis im neuen Jahrtausend ><br />
Das letzte Jahrzehnt ist das der großen Neuerungen. Im Millenniumsjahr 2000 soll der 40mm-<br />
Ball die Zuschauerfreundlichkeit des Tischtennissports steigern, ein Jahr später zählt man<br />
aus eben diesem Grund nur noch bis 11.<br />
Sportlich geht´s auch zur Sache: die Damen des TSV Herrlingen setzen ihre Erfolgsserie bis<br />
in die Regionalliga fort und lösen den TSV Holzheim als führende Damenabteilung des<br />
Bezirks ab. Im Leistungsbereich der Herren müssen Weißenhorn, Ehingen und Illertissen,
die immerhin seit 34 <strong>Jahre</strong>n mindestens in der Landesliga gespielt haben, ihre besten<br />
Mannschaften zurückziehen. Dafür etablieren sich Staig und Witzighausen in der<br />
Verbandsklasse der Herren, junge Teams mit Potential für die Zukunft.<br />
Ein leichter Schwund ist bei der Anzahl der Vereine im Bezirk zu verzeichnen. So nimmt die<br />
Zahl in zehn <strong>Jahre</strong>n von 71 im <strong>Jahre</strong> 1996 auf 62 ab, wenngleich Neulinge wie der SV<br />
Suppingen dazu beitragen, dass der Rückgang nicht allzu drastisch ausfällt.<br />
Große Erfolge feiern Alt und Jung auf überregionaler Ebene. Man denke nur an Linglan He´s<br />
deutschen Jugendmeistertitel, oder Michael Landrock, dem dasselbe bei den Senioren<br />
gelingt.<br />
In der Nationalmannschaft verdrängt Timo Boll die „alten Hasen“, bei den<br />
Bezirksmeisterschaften hingegen ist der Dauertitelträger Andreas Brandt mittlerweile selbst<br />
ein solcher.<br />
Umbrüche finden im Team der Bezirksmitarbeiter statt. Langgediente Mitarbeiter wie Otto<br />
Rößner, Erich Pollak und Bernhard Beck geben ihre Ämter an Jüngere ab.<br />
Das Zeitgeschehen ist geprägt von der New Economy Blase, Milleniumshype, den<br />
Anschlägen des 11. September 2001 und den daraus resultierenden weltweiten Konflikten.<br />
Rasant wie die politischen Verhältnisse verhält sich auch der technische Fortschritt. Im<br />
Vergleich zu den altgedienten Noppengummis, mit denen zu Zeiten der Gründung<br />
aufgeschlagen wurde, sind die heutigen Beläge wahre Technikwunder.<br />
Gleichzeitig macht auch der Siegeszug des Internets vor dem Tischennissport nicht Halt. Eine<br />
kleine Revolution war 2004 der Einstieg in die Online-Ergebniserfassung – nachdem man<br />
zuvor mehr als 50 <strong>Jahre</strong> den gesamten Spielbetrieb über den Postweg abgewickelt hat, und<br />
selbst in den letzten <strong>Jahre</strong>n manch ein Klassenleiter seine Bilanzen noch von Hand schrieb.<br />
2005 ersetzt schließlich das professionelle click-tt den Vorgänger tt-liga, der jedoch als<br />
Wegbereiter des digitalen Ergebnisdienstes zu sehen ist. Das Internet erweist sich ohnehin<br />
als ideale Informationsplattform: neben Ergebnisdienst und Bezirkshomepage sorgt auch das<br />
Bezirksforum als weiteres Glied für zahlreiche Klicks im Internet und genügend<br />
Diskussionsstoff für das gesellige Zusammensitzen nach Training oder Punktspiel.<br />
Vieles hat sich verändert in den letzten Jahrzehnten, dennoch ist eines gleich geblieben, was<br />
die Männer und Frauen, die anno dazumal den Bezirk aufgebaut haben mit dem heutigen<br />
zwölfjährigen Jugendspieler verbindet: Die Passion für unseren Sport.<br />
Egal ob C-Klassenspieler oder Regionalligaballkünstlerin, egal ob man nun dreimal in der<br />
Woche Training schiebt oder nur gelegentlich den Schläger schwingt. Die alljährliche<br />
Vorfreude nach langer Sommerpause, die Gemeinschaft im Verein, das Engagement der<br />
zahlreichen Ehrenamtlichen in Verein und Bezirk, die vielen altersübergreifenden<br />
Freundschaften. Dies alles gehört seit jeher zu den Merkmalen, die unseren <strong>Ulm</strong>er<br />
<strong>Tischtennisbezirk</strong> auszeichnen.<br />
All dies sind die maßgeblichen Garanten für den Erfolg. So lasst uns diese Tradition auch in<br />
den nächsten <strong>60</strong> <strong>Jahre</strong>n weiterführen.
Früher war alles besser?<br />
Die Gründungsjahre der Tischtennisabteilung des <strong>SSV</strong> <strong>Ulm</strong><br />
„<strong>SSV</strong> <strong>Ulm</strong> <strong>1846</strong> e. V.“ lautet heutzutage der offizielle Name des größten Sportvereins in der<br />
<strong>Ulm</strong>er Region. Unzählige Sportarten beheimatet der Großverein aus der Donaustadt. Das war<br />
jedoch nicht immer so. Noch unter dem Namen „1. <strong>SSV</strong> <strong>Ulm</strong> e. V.“ frönte man in der<br />
damaligen Zeit meist dem Fußballspiel, dem Schwimmen und dem Turnen. Es folgte der<br />
zweite Weltkrieg, bis sich vor genau <strong>60</strong> <strong>Jahre</strong>n der Tischtennissport dazugesellte.<br />
Dreißig überwiegend junge Leute, Männer und Frauen, Sportbegeisterte, Weltverbesserer,<br />
fanden sich am 11. November 1946 im Geschäftszimmer des <strong>SSV</strong> <strong>Ulm</strong> zusammen und<br />
unterschrieben mit der Gründungsurkunde der Tischtennisabteilung das Dokument, mit dem<br />
ein neues Kapitel in der Geschichte des Sportes in <strong>Ulm</strong> begann.<br />
Mittlerweile ist Tischtennis von hier nicht mehr wegzudenken, doch für den Startschuss in den<br />
Gründerjahren war einiges an Aufwand nötig, der von den Verantwortlichen mit großem<br />
Einsatz gerne aufgebracht wurde. Mit Tischtennis kamen Jugendliche aus der Donaustadt<br />
bereits vor dem Krieg in Berührung. Im Schwimmbad des Hauptvereins sammelte die Jugend<br />
bereits erste Erfahrungen mit der Sportart, die blitzartige Reaktionen fordert.<br />
Schließlich waren es vor allem die jungen Mitglieder des <strong>SSV</strong> <strong>Ulm</strong> aus den unterschiedlichen<br />
Abteilungen, welche die Gründung vorantrieben. „Wenn ihr die benötigte Ausrüstung selbst<br />
bezahlt, steht der Hauptverein hinter euch.“,<br />
verkündete <strong>SSV</strong>-Vorstand Frey im Sommer<br />
1946.<br />
So machten sich die optimistischen Sportler an<br />
die Arbeit. Herausfordernd war dabei die<br />
Beschaffung der damals noch seltenen und<br />
wertvollen Zelluloidbälle. Während heutzutage<br />
in den Vereinen der Region Hunderte der<br />
runden Bälle zur Verfügung stehen, musste<br />
damals jeder Spieler seine Bälle selbst<br />
bezahlen und zum Training mitbringen.<br />
Organisieren ließen sich die Zelluloidkugeln bei<br />
Tischtennisfreund Mielstein, einem Händler aus<br />
Heidenheim, und bei den amerikanischen<br />
Besatzern. Der Preis dafür war hoch – fünf<br />
Reichsmark musste man für einen<br />
Tischtennisball hinblättern.
Daher wurden die Bälle bei Gebrauch sorgsam behandelt. Niemand demolierte einen Ball<br />
absichtlich. Bekam der Ball einen Riss, wurde dieser in liebevoller Detailarbeit mit Aceton<br />
geflickt, Dellen wurden mit einem brennenden Streichholz wieder rundgemacht.<br />
Eine fest zusammengeschweißte Gemeinschaft waren sie, die Tischtennisspieler.<br />
Regelmäßig trafen sie sich zum Training in der <strong>SSV</strong>-Gaststätte auf der <strong>Ulm</strong>er Gänswiese<br />
(beim Fußballstadion). Statt mit dem Auto kam man damals per Fahrrad, zu Fuß oder mit der<br />
Straßenbahn.<br />
Groß war die <strong>SSV</strong>-Gaststätte nicht. Zwei Platten konnten aufgestellt werden. Eine in der<br />
Gaststätte selbst und eine im Nebenzimmer. Jeder musste in regelmäßigen Abständen<br />
Brennholz mitbringen, damit die Spieler im Winter nicht erfroren.<br />
Den ganzen Abend über spielte<br />
hauptsächlich das erste Herrenteam, die<br />
Damen und die Jugend. Dabei musste jedes<br />
Mitglied der ersten Herrenmannschaft<br />
fünfzehn Minuten lang mit einer Dame oder<br />
einem Jugendlichen spielen. Die anderen<br />
Abteilungsmitglieder kamen ebenfalls<br />
regelmäßig in die Gaststätte. Diese Abende<br />
waren schließlich jedes Mal sehr gesellig,<br />
Gemeinschaft war großgeschrieben. Statt<br />
Kino, TV und Computer war Tischtennis die<br />
Nummer 1.<br />
Mannschaftsspiele gab es schon früh.<br />
Schon im ersten Jahr nach der Gründung<br />
meldete <strong>Ulm</strong> sechs Herrenteams, ein<br />
Damenteam und zwei Jugendmannschaften.<br />
Kurze Strecken zum Gegner legte man mit<br />
dem Fahrrad zurück, längere Strecken mit<br />
dem Holzgaser oder mit dem Zug. Das erste<br />
Herrenteam hatte dabei die längsten Wege:<br />
mehrere <strong>Jahre</strong> lang war das erfolgreiche<br />
<strong>Ulm</strong>er Sextett in der höchsten Liga, der<br />
württembergischen Oberliga, vertreten. Auf die Reisen nach Stuttgart, Reutlingen, Esslingen<br />
und Neckarsulm freute man sich ganz besonders. Denn neben den Tischtennisspielen waren<br />
die <strong>Ulm</strong>er bei den Gegnern als Übernachtungsgäste gern gesehen, man sang und feierte bis<br />
tief in die Nacht.<br />
Zu Turnieren fuhren die Donaustädter geschlossen als gesamte Abteilung. Am beliebtesten<br />
war das Turnier im österreichischen Innsbruck – dort warf man besonders auf die asiatischen<br />
Spieler ein Auge, die mit ihrem in Europa unbekannten Penholdergriff die Massen
egeisterten. Viele nutzten auch die Gelegenheit, sich mit neuem Schlägermaterial<br />
einzudecken. Als Beläge benutzte man damals fast ausschließlich dünne Noppengummis.<br />
Ab 1948 wuchs der <strong>Tischtennisbezirk</strong> zu beachtlicher Größe heran. Die Tischtennisabteilung<br />
des TSV Neu-<strong>Ulm</strong> war bereits gegründet, TTC <strong>Ulm</strong>, TSV Erbach, TSV Blaubeuren und TSV<br />
Illertissen kamen hinzu.<br />
Die Spieler beim <strong>SSV</strong> <strong>Ulm</strong> konnten neuerdings in einer Baracke hinter den Kabinen auf der<br />
Gänswiese trainieren, die ganztägig verfügbar war. Allmählich taten sich alle Sportler im<br />
<strong>Ulm</strong>er Bezirk immer leichter, Tischtennis zu spielen. Bälle konnten offiziell gekauft werden,<br />
die Vereine unterstützten sich gegenseitig,<br />
man konnte mit dem Auto zu<br />
Mannschaftsspielen fahren.<br />
Drei Karikaturen von <strong>SSV</strong>-Spielern aus den 50er <strong>Jahre</strong>n<br />
Und so nahm die Geschichte des<br />
Tischtennissports ihren Lauf. Heute gibt es im<br />
Bezirk <strong>Ulm</strong> 62 Vereine, etwa 2800 Sportler<br />
sowie Zelluloidbälle und Tischtennisplatten in<br />
Hülle und Fülle. Ohne die Motivation und den<br />
Einsatz der jungen Männer und Frauen in den<br />
40er <strong>Jahre</strong>n wäre es möglicherweise nie so<br />
weit gekommen.<br />
Ob Tischtennis nun in einer bestimmten<br />
Epoche „besser“ war als in einer anderen, ist<br />
eine Frage, um die wir Sportler uns<br />
glücklicherweise keine Gedanken machen<br />
müssen. Auch wenn gelegentlich die Senioren<br />
über die unüberschaubare Vielfalt von neuen<br />
Belägen schimpfen, und die Jugendlichen<br />
bemerken, dass die Ballwechsel damals nicht<br />
so spektakulär waren wie in Timo-Boll-Spielen:<br />
jede Generation hat Spaß am Tischtennis –<br />
und diese Freude war in den letzten <strong>60</strong> <strong>Jahre</strong>n<br />
immer gleich.
Von Anfang an dabei<br />
<strong>60</strong> <strong>Jahre</strong> Höhen und Tiefen des <strong>SSV</strong> <strong>Ulm</strong><br />
Nicht nur in den Anfängen trat der <strong>SSV</strong> <strong>Ulm</strong> in Erscheinung. Die Tischtennisabteilung des<br />
Großvereins hat den <strong>Tischtennisbezirk</strong> in sportlicher Hinsicht wie kaum eine andere geprägt.<br />
Am Rande des Nellinger Seniorenfest skizzierte uns das <strong>Ulm</strong>er Urgestein Helmut Näter die<br />
wichtigsten Stationen der letzten 50 <strong>Jahre</strong>. Außerdem konnte uns Rudi Stumper, welcher<br />
heute nicht zuletzt durch seine Tochter Laura bundesweit bekannt sein dürfte, einige<br />
Auskünfte erteilen.<br />
Nach der Gründung am 11. November 1946 geht es mit dem <strong>SSV</strong> <strong>Ulm</strong> schnell bergauf. Neun<br />
Tischtennismannschaften melden die Donaustädter bereits im Gründungsjahr. Das erste<br />
Herrenteam ist mehrere <strong>Jahre</strong> lang in der württembergischen Oberliga vertreten und mit<br />
großem Engagement und Ehrgeiz bei der Sache. Da die <strong>SSV</strong>-Spieler bald in der Baracke<br />
hinter den Kabinen auf der Gänswiese ganztägig trainieren können, ist der <strong>Ulm</strong>er Großverein<br />
ein wahres Schlaraffenland für Tischtennissportler. Ganze Nachmittage verbringt <strong>Ulm</strong>s<br />
Jugend mit dem Schläger in der Hand. Der Erfolg zeigt sich schnell. So sind <strong>Ulm</strong>s Damen<br />
dreimaliger württembergischer Mannschaftsmeister, die Bezirksmeisterschaften sind in den<br />
Händen der <strong>SSV</strong>-Spieler.<br />
Nach vielen <strong>Jahre</strong>n, die der <strong>SSV</strong> <strong>Ulm</strong> durchgängig mit konstant guten Ergebnissen im<br />
Leistungs- und Breitensport durchlebt, ist es in den Fünfziger <strong>Jahre</strong>n Zeit für das erste<br />
Jubiläum. Im Jahr 1956 feiert der Großverein aus der Donaustadt das zehnjährige<br />
Abteilungsjubiläum mit einem großen Tischtennisturnier in der Donauhalle. Dreihundert<br />
Tischtennisspieler gehen dabei an den Start.<br />
In den Sechziger <strong>Jahre</strong>n zeigt der <strong>SSV</strong> <strong>Ulm</strong> ebenfalls konstante Leistungen. Für zusätzliche<br />
sportliche Leckerbissen ist gesorgt: im Jahr 1969 gelingt es, die in Europa äußerst<br />
erfolgreiche Mannschaft des GSTK Zagreb nach <strong>Ulm</strong> zu holen. Tischtennis-Insider können<br />
bereits sehen, dass es zwischen dem <strong>SSV</strong> <strong>Ulm</strong> und Stadtrivalen TTC <strong>Ulm</strong> funkt. Gemeinsam<br />
treten die beiden Vereine als Stadtauswahl gegen den jugoslawischen Verein an, der seine<br />
Weltmeisterschaftsteilnehmer Dragutin Surbek und Zlatko Cordas aufbietet.<br />
Nur kurze Zeit später fusionieren die beiden <strong>Ulm</strong>er Vereine <strong>SSV</strong> und TTC. Sogleich stellt sich<br />
der gewünschte Erfolg ein. Bereits ein Jahr später kann das Team die Meisterschaft in der<br />
zweiten Liga erringen und erneut in der süddeutschen Oberliga angreifen, die damals die<br />
höchste deutsche Spielklasse darstellt. Die Mannschaft kann dort gut mitspielen - es sind<br />
Spieler wie Michael Landrock, Wolfgang Fetscher und Gerhard Fuhrmann, die die<br />
Donaustädter im süddeutschen Raum bekannt machen.
Doch die jungen Männer können<br />
den guten Angeboten von<br />
außerhalb nicht widerstehen und<br />
so rutscht der <strong>SSV</strong><br />
zwischenzeitlich wieder um<br />
einige Klassen nach unten ab.<br />
Das Blatt wendet sich abrupt, als<br />
1978 der ehemalige rumänische<br />
Jugendmeister Rudi Stumper als<br />
20-jähriger zum <strong>Ulm</strong>er<br />
Großverein stößt. Stumper, der<br />
sechs <strong>Jahre</strong> zuvor mit seinen<br />
Eltern nach Deutschland zog,<br />
hatte dort den Schläger beiseite<br />
gelegt, da es in seinem<br />
damaligen Wohnort Singen kein<br />
höherklassiges Tischtennis gibt.<br />
Der GSTK Zagreb, der im Jahr 1969 gegen eine <strong>Ulm</strong>er Stadtauswahl antritt<br />
Seine Abordnung zur<br />
Bundeswehr schließlich beschert<br />
Näter und Co. diesen glücklichen Umstand. Denn Stumper bringt frischen Wind in die Truppe<br />
und macht sich nicht nur als Spieler sondern vielmehr als Trainer verdient. Innerhalb der vier<br />
<strong>Jahre</strong>, die Stumper bei den Donaustädtern aktiv ist, sind es mit Markus Bulka, Peter Harrer,<br />
Wolfgang Scheck, Jürgen Gramer und dem Ehinger Peter Beck fünf Jungtalente, die Stumper<br />
auf höchstem Niveau trainiert.<br />
So gelingt es dem <strong>SSV</strong>, wieder eine schlagkräftige und vor allem junge Mannschaft in der<br />
baden-württembergischen Oberliga, der zu diesem Zeitpunkt dritthöchsten Spielklasse<br />
Deutschlands, zu stellen. Stumper selbst zieht es 1982 nach Esslingen und später nach<br />
Reutlingen, wo er an der Seite von Peter Stellwag und Mikael Appelgren in der Bundesliga<br />
angreift.<br />
Dem <strong>SSV</strong> hingegen steht ein weiteres Schicksalsjahr bevor: nach der Saison 84/85 verlassen<br />
die meisten der jungen Wilden allesamt ihren Heimatverein und verstreuen sich in ganz<br />
Süddeutschland. „Das war natürlich schon sehr bedauerlich“ erzählt Näter, „aber bei den<br />
anderen Vereinen konnten die Jungs mehr verdienen. Damit konnten wir nicht mithalten.“<br />
Denn entgegen aller Vorurteile in und außerhalb des Bezirks geht es der Tischtennisabteilung<br />
des <strong>SSV</strong> zwar finanziell nicht schlecht, dennoch ist man nie in der Lage, den Spielern die<br />
Gagen zu bieten, die sie woanders einstreichen können. So sind es aus den hochklassigen<br />
Mannschaften nur Helmut Näter und Markus Bulka, die 1985 dem Verein die Treue halten.<br />
Die Mannschaft beginnt mit dem Neuanfang in der Bezirksklasse und erringt dort ein Jahr<br />
später die Meisterschaft. Es geht wieder aufwärts mit dem <strong>SSV</strong>, nachdem ihn Kritiker bereits<br />
für tot erklärt hatten. Im Folgejahr kehrt Wolfgang Scheck an die Donau zurück, und auch die<br />
Bezirksligameisterschaft ist in trockenen Tüchern.
Die erste Herrenmannschaft des <strong>SSV</strong> <strong>Ulm</strong> im Jahr 1986<br />
(v.l.n.r.: Scheck, Bulka, Näter, Weinmann, Waller, Petschinka)<br />
Nach einigen <strong>Jahre</strong>n in der<br />
Landesliga gelingt in der Saison<br />
1992/93 der Sprung in die<br />
Verbandsliga. Zu dieser Zeit<br />
finden sich in der Mannschaft mit<br />
Roland Kurfeß, Martin Fritsche<br />
und dem ehemaligen Illertisser<br />
Manfred Seibold bereits einige<br />
Spieler, die auch heute noch das<br />
<strong>Ulm</strong>er Trikot tragen. Doch die<br />
klare Nummer Eins im Bezirk<br />
bleibt der Oberligist Weißenhorn.<br />
Die Fuggerstädter haben mit<br />
Geldgeber Gaus einen Mäzen,<br />
wie er den Donaustädtern fehlt.<br />
Dafür steht die Jugendarbeit in den 90ern wieder auf soliden Füßen. Der Straßer Kai Müller,<br />
heutiger Regionalligaspieler im Westen der Republik, ist ein beispielsweise ein Schüler des<br />
neuen Jugendtrainers Junker. Daneben sind es junge Spieler wie Armin Prohaska oder<br />
Marcus Swoboda, die mittelfristig das neue Team I bilden sollen. Die Abteilungsleitung hat<br />
mittlerweile Markus Bulka von Helmut Näter übernommen, der sich nach über 40-jähriger<br />
verantwortungsvoller Tätigkeit beim <strong>SSV</strong> zurückzieht. Während der restlichen 90er <strong>Jahre</strong><br />
zieht es immer mehr ehemalige <strong>SSV</strong>-ler wie Klaus Rolletschke, Roland Rabel oder Michael<br />
Landrock zu ihrer alten Wirkungsstätte zurück, welche in Verbandsliga bzw. Verbandsklasse<br />
auf Punktejagd gehen. Zur Jahrtausendwende nimmt man sich an der Donau wieder großes<br />
vor: so holt Bulka Jürgen Gramer und Andreas Brandt vomTSV Pfuhl nach <strong>Ulm</strong>.<br />
Nicht von ungefähr fällt im Saisonvorbereitungsheft, welches die Abteilung zum ersten Mal<br />
herausgibt, das Wort „Oberliga“ – wenn auch mehr oder weniger im nicht ganz ernst<br />
gemeinten Kontext. Dass dies jedoch zu jener Zeit nicht unmöglich ist, zeigt der dritte Platz,<br />
den sich die <strong>Ulm</strong>er 2001 in der Verbandsliga erspielen können. Doch in den folgenden<br />
Monaten beginnt es wieder zu kriseln. Sowohl innerhalb der Abteilung als auch gegenüber<br />
dem Hauptverein, der nur noch Augen für die Fußballer hat, die damals in Richtung<br />
Bundesliga marschieren, kommt es zu Differenzen, die den engagierten Abteilungsleiter<br />
Bulka zum gänzlichem Rückzug aus dem Verein veranlassen. Der <strong>SSV</strong> muss seine zweite<br />
Mannschaft aus der Verbandsklasse abmelden und steigt mit der ersten in eben diese Klasse<br />
ab, in der die Donaustädter sich bis heute trotz teilweise latentem Personalmangel gut<br />
behaupten können.<br />
Man darf gespannt sein, wie sich der <strong>SSV</strong> <strong>Ulm</strong> in den nächsten <strong>Jahre</strong>n weiterentwickeln wird.<br />
Denn so oft wie die Tischtennisabteilung bereits abgeschrieben war, so oft konnte sie die<br />
große Anzahl der Kritiker eines besseren belehren.<br />
Als einziger Großverein war es der <strong>SSV</strong>, der von Anfang an dabei war und die letzten <strong>60</strong><br />
<strong>Jahre</strong> im <strong>Tischtennisbezirk</strong> geprägt hat wie kein anderer.