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BGH, Urteil vom 17.09.2001 - II ZR 178 - Ja-Aktuell

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Studenten<br />

<strong>II</strong>. Ansprüche der Kl aus eigenem Recht<br />

1. Schadensersatzanspruch wegen unrichtiger Darstellung<br />

der Gesellschaftsverhältnisse in der HV (§ 823<br />

<strong>II</strong> BGB iVm § 400 I 1 Nr 1 AktG)<br />

Die Kl hatte nicht vorgetragen, dass sie Kenntnis von<br />

den Ausführungen in der Hauptversammlung hatte.<br />

Da insoweit keine Vermutung zu Gunsten der Kl eingriff,<br />

schied der Anspruch aus.<br />

2. Schadenersatzanspruch wegen Untreue (§ 823 <strong>II</strong><br />

BGB iVm § 266 I Alt 2 StGB)<br />

Der Senat verneint eine treuwidrige Verwendung der<br />

öffentlichen Fördermittel durch den BVV, da allein die<br />

Zuwendung der Subventionen nicht dazu führe, dass<br />

der Empfänger Vermögensinteressen der öffentlichen<br />

Hand wahrzunehmen hat. Die zweckgerichtete Verwendung<br />

der Subventionsmittel war im konkreten<br />

Fall auch nicht wesentliche Pflicht aus dem mit der<br />

THA geschlossenen Vertrag.<br />

3. Schadenersatz gem § 823 <strong>II</strong> BGB iVm § 263 StGB<br />

Wie bereits oben unter I.3 sieht der <strong>BGH</strong> eine Täuschung<br />

durch Unterlassen gegeben, weil dem BVV die<br />

Verpflichtung oblag, MTW auf eine Verschlechterung<br />

der Vermögens- und Liquiditätslage des Konzerns<br />

hinzuweisen. Die gleiche Aufklärungspflicht bestand<br />

gegenüber der Kl, weil diese über die Freigabe der<br />

Investitionsbeihilfemittel zu befinden hatte. Anders<br />

als das OLG Bremen bejaht der <strong>BGH</strong> eine Vermögensverfügung<br />

der Kl<br />

»Diese hatte veranlasst, dass die Beihilfebeträge<br />

auf einem Treuhandkonto verwaltet wurden. Die<br />

Auszahlung durch die Treuhänder durfte nur dann<br />

vorgenommen werden, wenn nach Eingang der Zustimmung<br />

der EG die Kl die Freigabe erklärt hatte,<br />

die in Kenntnis der wirklichen wirtschaftlichen<br />

Lage des BVV Konzerns nicht erfolgt wäre. In der<br />

Freigabe ist eine Verfügung über den Selbsthilfebetrag<br />

zu Gunsten von MTW zu sehen.«<br />

Der Schaden besteht darin, dass staatliche Gelder<br />

fehlgeleitet und dem mit ihnen verfolgten öffentlichen<br />

Zweck entzogen worden sind. Die öffentliche Hand<br />

musste erneut Mittel in dem getätigten Umfang aufwenden,<br />

um den verfehlten Zweck zu erreichen. Der<br />

<strong>BGH</strong> stellt allerdings klar, dass die Kl Schadensersatz<br />

nur einmal, also entweder aus abgetretenem Recht<br />

der MTW oder aus eigenem Recht, verlangen kann.<br />

Ergänzende Hinweise<br />

1. Die Bremer-Vulkan Entscheidung nimmt endgültig<br />

Abschied von der Verankerung der Haftung des Alleingesellschafters<br />

wegen der Schädigung einer abhängigen<br />

GmbH in §§ 291 ff AktG. 16 Auf das Vorliegen<br />

Gesellschaftsrecht z Zivilrecht Rechtsprechung<br />

einer Konzernlage iSd. §§ 15 ff AktG nicht an. Die dogmatische<br />

Basis für diese sog Bestandsschutz- oder<br />

Eingriffshaftung des Alleingesellschafters 17 lässt der<br />

<strong>BGH</strong> offen. Die Meinungslage in der Lit ist kontrovers.<br />

Der Ansatz, den GmbH-Gesellschafter, der zum Nachteil<br />

der GmbH eigene Interessen verfolgt, als »Quasi-<br />

Fremdgeschäftsführer« analog § 93 V 2 und 3 AktG<br />

haften zu lassen, 18 hat sich nicht durchsetzen können.<br />

Die überwiegende Ansicht geht eher dahin, entweder<br />

einen tatbestandlich besonders ausgestalteten Fall<br />

einer Durchgriffshaftung 19 anzunehmen oder die Haftung<br />

auf die Verletzung der Pflichten aus der Sonderverbindung<br />

zur GmbH zu stützen 20 (vgl künftig §§ 241<br />

<strong>II</strong>, 280 I BGB nF).<br />

2. Anspruchsinhaberin ist – dies stellt die Entscheidung<br />

klar – die abhängige GmbH. Anspruchsvoraussetzung<br />

ist in objektiver Hinsicht ein existenzgefährdender<br />

Eingriff ohne angemessene Rücksichtnahme<br />

auf ihre Eigenbelange<br />

mit der Folge der<br />

Insolvenz. Wie im<br />

vorliegenden Fall<br />

wird es dabei häufig<br />

um Situationen gehen,<br />

bei denen Mittel<br />

innerhalb eines<br />

Konzernverbundes<br />

umverteilt wurden.<br />

Die konzernrechtliche<br />

Verbindung<br />

führt zu Beweiserleichterungen,<br />

da<br />

der herrschende<br />

Das Wichtigste<br />

Der Alleingesellschafter haftet gegenüber<br />

der abhängigen GmbH, wenn diese<br />

durch einen unter Außerachtlassung<br />

ihrer Eigenbelange veranlassten Eingriff,<br />

der nicht durch Kapitalerhaltungsregeln<br />

kompensiert werden kann, insolvent<br />

wird. Auf das Vorliegen einer<br />

Konzernlage kommt es nicht an.<br />

Gesellschafter beweisen muss, das Leitungsmaßnahmen<br />

für die Nachteilszufügung nicht kausal waren. 21<br />

Wie bisher darf der zugefügte Nachteil nicht isolierbar<br />

und damit durch Einzelmaßnahmen (zB Schadensersatzansprüche<br />

nach § 826 BGB) ausgleichbar sein. Das<br />

Verschulden hat der Alleingesellschafter analog § 282<br />

BGB bzw § 280 I 2 BGB nF auszuräumen.<br />

16 In diesem Sinne war bereits die TBB-Entscheidung von einem Teil der<br />

Lit interpretiert worden vgl insb Karsten Schmidt AG 1994, 189, 195;<br />

ders Festschrift Lutter (2000) S 1167, 1182 f; anders dagegen die bisherige<br />

hM vgl Zöllner in: Baumbach/Hueck 17. Aufl, Schlussanhang I<br />

Rn 86<br />

17 Die BVV hielt 98 % an der MTW über die Vulkan Schiffbau Verbund<br />

GmbH und weitere 2 % direkt<br />

18 Grdl J. Wilhelm Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person<br />

(1981), 285 f; Karsten Schmidt Gesellschaftsrecht, 3. Aufl, 1174 f mwN;<br />

neuerdings wieder Altmeppen ZIP 2001, 1837, 1841<br />

19 Diesen Ansatz deutet Röhricht Festschrift 50 <strong>Ja</strong>hre <strong>BGH</strong>, 83 f, 114 f an;<br />

vgl auch Goette DStR 2001, 1857<br />

20 Ulmer ZIP 2001, 2021, 2026; vgl zu Treuepflichten statt vieler Flume<br />

ZIP 1996, 161. In <strong>BGH</strong>Z 119, 257, 262 hat sich der <strong>BGH</strong> gegen Treuepflichten<br />

des Alleingesellschafters gegenüber der GmbH ausgesprochen.<br />

21 Zusammenfassend Emmerich/Habersack Aktien- und GmbH-Konzernrecht,<br />

2. Aufl, § 318 Rn 26, 27 mwN<br />

3 358 n n JA 2002 Heft 5

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