Kunsthandel Dr. Holz - Meissen Classic Antique 1750
Kunsthandel Dr. Holz - Meissen Classic Antique 1750
Kunsthandel Dr. Holz - Meissen Classic Antique 1750
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<strong>Kunsthandel</strong> <strong>Dr</strong>. <strong>Holz</strong><br />
HEINTZE und das > ENDE eines SCHIFFES < oder die "RÜCKKEHR der PEST<br />
von 1720 nach MARSEILLE.”<br />
Hat der <strong>Meissen</strong>er Maler Heintze die "Rückkehr der Pest nach Marseille" (1720) gemalt ?<br />
Vor kurzem erwarben wir ein frühes <strong>Meissen</strong> Teilservice aus den 30iger Jahren des 18.<br />
Jahrhunderts, bestehend aus vier Tassen und zugehörigen Untertassen, einer Zuckerdose,<br />
einem Heißwasserkännchen, Teedose, Teekännchen und Schokoladenkanne.<br />
Als Maler der darauf abgebildeten Kauffahrteiszenen kam nur Johann George Heintze<br />
(<strong>Dr</strong>esden 1706/07 - nach <strong>1750</strong>, für die <strong>Meissen</strong>manufaktur tätig 1720 - <strong>1750</strong>) in<br />
Frage, der durch seine virtuose Landschaftsarchitektur mit hohen, schlanken Stelen, meist<br />
noch datiert und gelegentlich mit Kurschwertern dekoriert, seine Visitenkarte hinterläßt.<br />
Zudem ist er der <strong>Meissen</strong>er Maler, dessen Farbpalette ohne Ausnahme mit der des Raffael<br />
sowohl in Farbrichtung als auch in Farbtönung übereinstimmt. Besonders augenfällig bei der<br />
Farbgebung für Wasser, Luftstimmung, Gelb und Brauntönung. Für die Festlegung der<br />
Farbtöne bei den von ihm in der Sixtinischen Kapelle gemalten Supraporten hätte es<br />
vielleicht nicht jahrelanger Farbanalysen bedurft. Die Übertragung der alters- und<br />
smogresistenten Farben, die man in <strong>Meissen</strong> auf Porzellan gemalt und eingebrannt hat, hätte<br />
das Problem gelöst.
<strong>Kunsthandel</strong> <strong>Dr</strong>. <strong>Holz</strong><br />
Bei der genauen Betrachtung der detailreichen Darstellung der belebten Uferszenen mit freiem<br />
Blick auf die offene See mit vielen kleinen Booten und vielmastigen Hochseeseglern wurden<br />
wir zuerst bei dem Heißwasserkännchen, dann bei der Schokoladenkanne und der<br />
Zuckerdose auf eine Besonderheit aufmerksam.<br />
Seit Jahren fahnden wir danach, was in damaliger Zeit in den üblicherweise am Ufer als<br />
Schiffsladung deponierten Schnürballen, aber besonders, was alles in den Fässern<br />
transportiert wurde. Es gehört nicht viel Phantasie zur Vermutung, daß in den Ballen Wolle<br />
oder einfache Gewebe aller Art transportiert wurden, die eines nur geringen Schutzes<br />
bedurften. Für den Inhalt der Fässer,<br />
die bis dahin von uns niemals auf <strong>Meissen</strong>-Porzellan<br />
geöffnet abgebildet gefunden wurden, gab es in der Literatur Hinweise, daß teuerste Wolle<br />
und kostbare Bücher und aus Afrika Zuckerhüte aus Rohrzucker quasi in Containern<br />
verschickt worden sein sollen. Einen Beweis für den geheimnisvollen Inhalt fanden wir nicht.<br />
Auf diesem Service jedoch waren erstmals große und kleine Fässer abgebildet und sichtbar<br />
teure, dicke, mit kostbarem Purpur gefärbte Stoffe quollen heraus oder waren schon auf<br />
Steinen und anderwärts ausgebreitet.
<strong>Kunsthandel</strong> <strong>Dr</strong>. <strong>Holz</strong><br />
Unser Interesse wurde aber noch erheblich gesteigert. Bei weiterer Betrachtung fielen bei<br />
mehreren Objekten gutgekleidete Reiter auf. Reiter gehören bei Kauffahrteiszenen üblicherweise<br />
ins Bild.<br />
Bei diesen Darstellungen jedoch, die Heintzes sonstige Malerei an Esprit und Virtuosität<br />
übertrifft, fiel die Qualität der dressurmäßig gerittenen, kandaregezäumten Pferde auf. Die<br />
üblicherweise von Kaufleuten genutzten Pferde werden auf dem Niveau von Packpferden<br />
dargestellt, ein weiteres oft von einem Burschen an der Hand geführt oder mit<br />
Verbindungsleine zum Hauptpferd. Es sind eben sehr robuste Reitpferde.<br />
Die hier vorgestellten Tiere sind von edelster Rasse und erkennbar ausgebildete<br />
<strong>Dr</strong>essurpferde und die darauf sitzenden Reiter tragen nicht die bei Kaufleuten übliche,<br />
orientalisch beeinflußte Luxuskleidung. Zudem sind Kaufleute meistens am Ufer stehend im<br />
Gespräch dargestellt. Die dressurmäßig gezäumten Pferde sind ein deutlicher Hinweis, daß<br />
diese Pferde aus einem Elitestall kommen, der ganz in der Nähe liegt. Man reitet mit Kandare<br />
keine langen Strecken, wie jeder Reitersmann weiß. Auf dem Kopf tragen die Reiter eine<br />
auffällige, schwarze, aus hartem Material hergestellte Uniformkappe mit goldener<br />
Betressung. Es konnte sich daher, so die Vermutung, um Personen des öffentlichen Rechts<br />
handeln, die mit Exekutivaufgaben unterwegs sind.
Hier fing das Rätselraten an.<br />
<strong>Kunsthandel</strong> <strong>Dr</strong>. <strong>Holz</strong><br />
Da wir zu Weihnachten des vergangenen Jahres von A. Manzoni das Buch "Die Verlobten"<br />
geschenkt bekommen hatten, in dem es vor dem Hintergrund der Pest in Mailand 1629/30<br />
um das Schicksal von Menschen in extremen Ausnahmesituationen geht, waren wir für das<br />
Thema Pest und ihre Historie sensibilisiert und hatten anschließend das Buch " Pest- Die<br />
Geschichte eines Menschheitstraumas " von Mischa Meier, Klett-Verlag, gelesen. Beide<br />
Bücher legt man nicht aus der Hand, ohne ein anderer Mensch geworden zu sein.<br />
Nach langen Wochen des Grübelns über die Identität der zu allem Überfluß in Begleitung von<br />
bewaffneten Soldaten (Heißwasserkännchen, Schokoladenkanne) auftretenden<br />
Uniformierten kam die erste Vermutung auf, es handele sich um erstmals in Italien<br />
(Mailand), dann Frankreich installierte Vertreter der ersten europäischen Gesundheits- oder<br />
damals so genannten Pestpolizei.
<strong>Kunsthandel</strong> <strong>Dr</strong>. <strong>Holz</strong><br />
Das macht Sinn, da diese Polizei die Waren und Personen begutachtete. In diesem Fall die<br />
erkennbar kostbaren Stoffe, die in den Fässern waren und sichtbar am Strand verteilt lagen.<br />
Leichte Zweifel schlichen sich ein. Die Miene, das Auftreten der Uniformierten war nicht sehr<br />
martialisch und wollte nicht recht passen zu den furchtbaren Tätigkeiten der Pestpolizei, die<br />
die Aufgabe hatte, den zum Schutz der Städte im Pestfall errichteten " cordon sanitaire " aufzubauen<br />
bzw. zu sichern. Hier stand zumindest die Softvariante von Exekutivbeamten vor<br />
uns bzw. die Personen machten den Eindruck, nicht aktuell Gewalt ausüben zu wollen. Die<br />
Begleitsoldaten hatten die Schwerter nicht in den Händen. Auf dem Rücken der Reiter zeigen<br />
sich keine Gewehre, sondern Papprollen, in denen sich ggfl. eine obrigkeitliche Verfügung<br />
befindet.
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Es ging über geraume Zeit nicht vorwärts, so lange, bis wir bei unseren Recherchen auf den<br />
Uniform tragenden, aus merowingischer Zeit übergekommenen "scabinus, mhd. Scheppe,<br />
hochdeutsch Schöffe, frz. Echevin " stießen.<br />
Es scheint so, als liege hier des Rätsels Lösung.<br />
Bei Eingabe ins Internet mit den Suchbegriffen " Echevin, Pest, Gesundheitspolizei " gab es<br />
auf der Internetseite "www.herodote.net" die gesuchte sinnvolle Erklärung. Es wurde<br />
verwiesen auf ein Schiff, eine holländische (franz. Flute, ein <strong>Dr</strong>eimaster), das 1719<br />
von Marseille nach Tripolis auslief, dort für 100.000,-- Ecus (ein Arbeiter verdiente pro Monat<br />
einen Ecu) teuerste Stoffe lud und leider einen “blinden Passagier”, den Pesterreger, an Bord<br />
nahm und nach Marseille einschleppte.<br />
Auf dem Schiff, (dargestellt auf der Zuckerdose vor Anker, seiner Besegelung beraubt )<br />
starben nach wenigen Tagen auf dem Rückweg nach Marseille sieben Besatzungsmitglieder<br />
und der Schiffschirurg.<br />
Das <strong>Dr</strong>ama nimmt nun, sich zu einem Inferno steigernd, seinen Lauf. Der Kapitän des Schiffes,<br />
Jean-Baptiste Chataud, wird mit der mildesten Variante der Quarantäne (quarantaine<br />
duce) belegt und aufgefordert, nach Livorno zu segeln und sich dort ein < patente nette >,<br />
also wohl eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausstellen zu lassen. Diese wurde ihm in<br />
Höchstgeschwindigkeit zugestellt. Man wollte den gefährlichen Besucher schleunigst weg<br />
haben.
<strong>Kunsthandel</strong> <strong>Dr</strong>. <strong>Holz</strong><br />
Zurück in Marseille wurde dem Schiff auf Grund der hochgestellten Persönlickeit des Schiffsreeders<br />
am 4. Juni 1720 gestattet, die Passagiere und Waren an Land zu bringen. Schließlich<br />
wurde das Schiff an der Ile Jarre am 27. Juni in Quarantaine gelegt.
<strong>Kunsthandel</strong> <strong>Dr</strong>. <strong>Holz</strong><br />
Nach kürzester Zeit gibt es 1000 Pesttote in Marseille<br />
Sein eigenes Leben Gott und den Menschen weihend ist der Bischof Monseigneur Belsunce<br />
auf den Straßen der Stadt, um den Kranken und Sterbenden Trost und Hilfe zu sein.<br />
Um die inzwischen zu Tausenden herumliegenden Toten einzusammeln und vor die Stadtmauer<br />
zu bringen, holt der Chevalier Roze 200 Zuchthäusler aus dem Stadtgefängnis. Nach<br />
fünf Tagen leben von diesen noch 12.<br />
Inzwischen waren 50 000 Pesttote zu beklagen, d.h. die Hälfte der Bevölkerung der Stadt<br />
Marseille.<br />
Insgesamt starben in der ganzen Region 220 000 Menschen an dieser Epidemie.<br />
Am 28 Juli 1720 befiehlt der Regent Philippe d`Orleans, das Schiff und seinen Inhalt zu<br />
verbrennen. Der Befehl wird aber erst am 25. September umgesetzt. Der einflußreiche<br />
Reeder wird wohl versucht haben, noch irgendwie einzugreifen.<br />
Das Schiff wurde von Marinetauchern im Jahre 1978 im Hafenbecken entdeckt, gehoben und<br />
nach Konservierungsmaßnahmen im Museum Hopital Caroline ausgestellt.<br />
Nun stellt sich die Frage, wer die dargestellten Personen mit den goldbetressten Mützen sind.<br />
Es ist zu vermuten, daß Heintze auf dem Service die Schöffen dargestellt hat, die vom Magistrat<br />
der Stadt Marseille zum Hafen geschickt wurden, um die zu Anfang verhängte "weiche<br />
Quarantaine" zu verkünden.<br />
Es gibt allerdings ein Gemälde, gemalt von Michel Serre. Auf diesem ist der Chevalier Roze<br />
inmitten des Tumultes, der auf den Straßen von Marseille herrschte, dargestellt. Er reitet,<br />
wie von Heintze<br />
dargestellt, ein teures, kandaregezäumtes <strong>Dr</strong>essurpferd und hat die<br />
gleiche schwarze, goldbetresste Kappe auf dem Kopf.
<strong>Kunsthandel</strong> <strong>Dr</strong>. <strong>Holz</strong><br />
Dieses Bild, "SCÈNE de la peste de 1720. L´ÉPISODE de la TOURETTE" , hängt zur Zeit<br />
im Museum ATGET in Montpellier.<br />
Es ist nicht ausgeschlossen, daß Heintze<br />
eine Kopie dieses Gemäldes vorlag und er die<br />
zum damaligen Zeitpunkt höchst aktuelle Pestdarstellung in künstlerischer Weise zu einer<br />
Bildgeschichte verarbeitet hat.
<strong>Kunsthandel</strong> <strong>Dr</strong>. <strong>Holz</strong><br />
Deutlicher Endpunkt der Geschichte ist auf der Zuckerdose zu sehen. Der stolze<br />
<strong>Dr</strong>eimaster ist seiner Segelausstattung beraubt (abgetakelt). Der Maler zeigt in höchster<br />
Kunstfertigkeit und Deutlichkeit das kommende Ende des Schiffes. Es ist senkrecht von<br />
Achtern der Spiegel (das Heck des Schiffes), also das < Schiffsende > gemalt.
“SCÈNE de la peste à la tourette”, Michel Serre (1658-1733)<br />
Musée ATGET in Montpellier<br />
Flûte hollandaise
<strong>Kunsthandel</strong> <strong>Dr</strong>. <strong>Holz</strong><br />
Blick auf den antiken Hafen von Marseille<br />
Im Rothsiefen 17<br />
53639 Königswinter<br />
Tel.: 02244 - 1212<br />
Mobil 171 - 8156071