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INHALT<br />

I.<br />

Hinterziehungszinsen bei geschätzter<br />

Besteuerungsgrundlage<br />

II.<br />

Hinweis zu Selbstanzeigen<br />

III.<br />

Strenge Anforderungen<br />

an wirksame Selbstanzeige<br />

IV.<br />

Angst vor<br />

Telekommunikationsüberwachung<br />

Ihre Ansprechpartner:<br />

RA Prof. Dr. Jürgen <strong>Meyer</strong> – Berlin<br />

RA Konrad Menz – Ulm/Stuttgart<br />

RA Andreas Dippe – Berlin/Leipzig<br />

RA Karsten Hinz – Dresden/Chemnitz<br />

RA Oskar Gostomski – Berlin/Warschau<br />

RA Oliver Bauer – Ulm<br />

Themenvorschau:<br />

– Durchsuchung beim Steuerberater<br />

– Beweismittel aus „Datendiebstahl“<br />

– Beschlagnahme von Buchhaltungsunterlagen<br />

beim Steuerberater<br />

ZUM STEUER- UND<br />

WIRTSCHAFTSSTRAFRECHT<br />

I. Hinterziehungszinsen<br />

bei geschätzter<br />

Besteuerungsgrundlage<br />

Das Finanzgericht München (Urt.<br />

v. 8.10.20<strong>09</strong> - 15 K 1779/06) hatte sich<br />

mit der Frage der Rechtmäßigkeit eines<br />

Zinsbescheides zu befassen, mit dem<br />

die Finanzbehörde Hinterziehungszinsen<br />

für hinterzogene Steuer, die<br />

anhand einer geschätzten Besteuerungsgrundlage<br />

ermittelt wurde, festgesetzt<br />

hatte. Das Gericht führt insoweit<br />

aus, dass in denjenigen Fällen, in<br />

denen eine strafrechtliche Vorfrage für<br />

die Rechtmäßigkeit eines Bescheides<br />

zu klären ist, an das Schätzungsverfahren<br />

deutlich erhöhte Anforderungen<br />

zu stellen sind.<br />

Zwar seien die Finanzbehörden<br />

nach § 162 Abs. 1 Satz 1 AO grundsätzlich<br />

befugt, die Besteuerungsgrundlagen<br />

zu schätzen, wenn diese<br />

nicht zu ermitteln oder zu berechnen<br />

sind. Die Schätzung habe aber so zu<br />

erfolgen, dass der Betrag der auf jeden<br />

Fall hinterzogenen Steuern mit der<br />

Gewissheit strafrichterlicher Überzeugung<br />

feststeht. Hinsichtlich des Beweisgrades<br />

gelte insoweit der strafverfahrensrechtliche<br />

Grundsatz „in dubio pro<br />

reo”. Dies gelte auch dann, wenn der<br />

Steuerschuldner nicht in dem für das<br />

Besteuerungsverfahren zu fordernden<br />

Umfang bei der Sachverhaltsaufklärung<br />

mitwirkt.<br />

in dubio pro reo<br />

Diese Ausführungen sind dahingehend<br />

zu verstehen, dass für den<br />

Maßstab der richterlichen Überzeugung<br />

im finanzgerichtlichen Verfahren<br />

nicht die Regeln der StPO gelten, sondern<br />

weiterhin § 96 FGO Maßstab ist.<br />

Zum Ausdruck kommt aber, dass der<br />

Finanzrichter bei der Beurteilung der<br />

Höhe hinterzogener Steuern für die Festsetzung<br />

von Hinterziehungszinsen bei<br />

verbleibenden Zweifeln – ebenso wenig<br />

wie der Strafrichter – an eine finanzamtliche<br />

Schätzung gebunden ist.<br />

II. Hinweis zu<br />

Selbstanzeigen<br />

Durch die Entscheidung der<br />

Bundesregierung sowie vereinzelter<br />

Landesregierungen, Daten von Kunden<br />

Schweizer Banken zu erwerben, stellte<br />

sich für in Deutschland steuerpflichtige<br />

Kapitalanleger im Hinblick auf eine<br />

strafbefreiende Selbstanzeige nach<br />

§ 371 AO die Problematik, dass diese –<br />

die Bereitschaft zu einer Selbstanzeige<br />

unterstellt – zwar den Willen zur<br />

Selbstanzeige hatten, ihnen jedoch<br />

detaillierte Angaben zu den Besteuerungsgrundlagen<br />

nicht möglich sind,<br />

da ihnen die entsprechenden Schriftstücke<br />

und Unterlagen des Schweizer<br />

Kreditinstitutes nicht vorliegen und<br />

auch nicht unverzüglich besorgt<br />

werden können.<br />

Fehlende Schweizer<br />

Bankunterlagen<br />

Grundsätzlich gilt, dass von der<br />

Rechtsprechung auch die strafbefreiende<br />

Wirkung einer sogenannten „gestuften<br />

Selbstanzeige“ anerkannt ist (BGH,<br />

Urt. v. 2.12.2008 - 1 StR 344/08).<br />

Darunter ist zu verstehen, dass in<br />

Fällen, in denen der Steuerpflichtige die<br />

Besteuerungsgrundlagen nicht sofort<br />

liefern kann, eine Selbstanzeige „dem<br />

Grunde nach“ gegenüber der Finanzbehörde<br />

verbunden mit der Bitte<br />

erfolgt, eine Frist zur Nachreichung<br />

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der genauen Angaben zu gewähren.<br />

Allerdings müssen auch in diesem Fall<br />

zu den Besteuerungsgrundlagen Angaben<br />

erfolgen, da nach der Vorschrift<br />

des § 371 Abs. 1 AO die Straffreiheit<br />

nur „insoweit“ eintritt, das heißt im<br />

Rahmen der bei Erstattung der<br />

Selbstanzeige benannten Besteuerungsgrundlagen.<br />

Auch für die gestufte<br />

Selbstanzeige gilt, dass Straffreiheit<br />

nur bei vollständigen und wahrheitsgemäßen<br />

Angaben gewährt wird. Der<br />

Sachverhalt ist insgesamt und vollumfänglich<br />

offen zu legen, da nur dem<br />

uneingeschränkt in die Steuerehrlichkeit<br />

Zurückkehrenden die Straffreiheit<br />

zugestanden werden soll. Deutlich hat<br />

dies zuletzt nochmals der BGH<br />

(Beschl. v. 20.5.2010 - 1 StR 577/<strong>09</strong>)<br />

klargestellt. Der Inhalt dieser Entscheidung<br />

wird in diesem <strong>Newsletter</strong><br />

gesondert dargestellt.<br />

Notfalls:<br />

Schätzbetrag angeben<br />

Die unverzügliche Mitteilung eines<br />

Schätzbetrages ist deshalb unverzichtbar,<br />

weil die Finanzbehörden durch<br />

Verwaltungsanweisungen zwischenzeitlich<br />

gehalten sind, auch bei denjenigen<br />

Nacherklärungen sofort ein steuerstrafrechtliches<br />

Ermittlungsverfahren gegen<br />

den Selbstanzeigeerstatter einzuleiten<br />

und diesem bekanntzugeben, der nicht<br />

in der Lage ist, Beträge für eine<br />

Steuerfestsetzung genau zu beziffern.<br />

Nach § 371 Abs. 2 Nr. 1 b AO kann<br />

jedoch eine strafbefreiende Wirkung<br />

für all jenes nicht mehr eintreten, was<br />

nach der Bekanntgabe der Einleitung<br />

des Ermittlungsverfahrens gegenüber<br />

dem Selbstanzeigeerstatter offenbart<br />

wird. Hieraus leitet sich zugleich ab,<br />

dass sich eine großzügige Schätzung<br />

empfiehlt, damit die Straffreiheit gewährleistet<br />

ist. Die Korrektur der sich<br />

hieraus ergebenden – mitunter zu<br />

hohen – Steuernachzahlungen erfolgt,<br />

indem gegen den durch die<br />

Finanzbehörde erlassenen und auf<br />

§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützten<br />

Änderungsbescheid Einspruch eingelegt<br />

und dieser mit dem Bekanntwerden<br />

der die tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen<br />

ausweisenden<br />

Unterlagen begründet wird. Möglich ist<br />

auch, dass der Bescheid nach § 164<br />

AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung<br />

ergeht. Dieser Verfahrensweise<br />

muss der Steuerpflichtige jedoch<br />

zustimmen, sofern der Ursprungsbescheid<br />

ohne eine solche Vorbehaltsfestsetzung<br />

erfolgt war.<br />

Ausschluss durch<br />

Tatentdeckung<br />

Eine weitere sich im Zusammenhang<br />

mit dem Ankauf einer Vielzahl<br />

von Bankdaten ergebende Frage ist, ab<br />

wann die strafbefreiende Selbstanzeige<br />

ausgeschlossen ist, weil gemäß § 371<br />

Abs. 2 Nr. 2 AO von einer Tatentdeckung<br />

ausgegangen werden muss.<br />

Für die Annahme einer Tatentdeckung<br />

im Sinne der Vorschrift müssen zwei<br />

Voraussetzungen erfüllt sein: Zum<br />

einen muss die Tat im Zeitpunkt der<br />

Selbstanzeige bereits objektiv ganz oder<br />

zum Teil entdeckt sein, zum anderen<br />

muss der Täter dies gewusst haben<br />

oder mit der Tatentdeckung bei einer<br />

verständigen Würdigung der Sachlage<br />

rechnen müssen.<br />

Für die Beurteilung, wann eine<br />

Entdeckung der Tat vorliegt, wurde<br />

bislang auf die Anforderungen an<br />

die Annahme eines hinreichenden<br />

Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 1 StPO<br />

abgestellt. Diesem Ansatz hat der<br />

BGH in seiner Entscheidung vom<br />

20.05.2010 eine Absage erteilt, indem<br />

er feststellte, dass es sich bei dem<br />

Begriff der „Tatentdeckung“ um ein<br />

Tatbestandsmerkmal mit einem eigenständigen<br />

Bedeutungsgehalt handelt,<br />

auf welches die üblichen strafprozessualen<br />

Verdachtsgrade gerade keine<br />

Anwendung finden. Zu den Einzelheiten<br />

wird auf die gesonderte<br />

Abhandlung dieser wichtigen Entscheidung<br />

im vorliegenden <strong>Newsletter</strong><br />

verwiesen.<br />

Bislang ging man davon aus, dass<br />

als Voraussetzung einer Tatentdeckung<br />

„die Wahrscheinlichkeit einer verurteilenden<br />

Erkenntnis“ zu bejahen sein<br />

muss. Es wurde gefordert, dass von der<br />

Finanzbehörde der Täter, die Steuerart,<br />

der Besteuerungszeitraum sowie die<br />

Höhe der hinterzogenen Steuern<br />

benannt werden können, um vom<br />

Vorliegen einer Tatentdeckung ausgehen<br />

zu können. Hieraus wurde gefordert,<br />

dass zumindest solange keine<br />

die strafbefreiende Selbstanzeige ausschließende<br />

Tatentdeckung anzunehmen<br />

war, wie ein Abgleich mit den<br />

Steuerakten des Betroffenen noch nicht<br />

erfolgte. Man ging davon aus, dass nur<br />

durch einen Vergleich der erklärten<br />

Einkünfte eines Steuerpflichtigen mit<br />

etwaigen Erkenntnissen aus den Daten<br />

der ausländischen Bank seitens der<br />

Finanzbehörde die erforderliche „Wahrscheinlichkeit<br />

einer verurteilenden<br />

Erkenntnis“ erlangt werden kann. Diese<br />

Anforderungen sind seit der Entscheidung<br />

des BGH vom 20.05.2010<br />

niedriger anzusetzten.<br />

Für die subjektive Voraussetzung<br />

der Tatentdeckung, also ab wann der<br />

Täter die Tatentdeckung gewusst haben<br />

muss oder sie bei verständiger<br />

Würdigung der Sachlage hätte kennen<br />

müssen, gilt bislang weiterhin, dass<br />

alleine die umfassende Medienberichterstattung<br />

hierfür nicht ausreicht.<br />

Etwas anderes wird erst ab dem<br />

Zeitpunkt anzunehmen sein, in dem<br />

das betroffene ausländische Kreditinstitut<br />

seine Anleger darüber informiert,<br />

dass die persönlichen Daten<br />

möglicherweise weitergegeben wurden.<br />

Allerdings plant der Gesetzgeber in<br />

seinen Änderungen zur gesetzlichen<br />

Regelung der Selbstanzeige, die subjektiven<br />

Voraussetzungen insgesamt entfallen<br />

zu lassen (vgl. Beitrag „Strenge<br />

Anforderungen an wirksame Selbstanzeige“).<br />

Gesetzesänderung<br />

geplant<br />

Nicht zuletzt ist für die Beratung<br />

eines Mandanten hinsichtlich der<br />

Möglichkeit einer Selbstanzeige auch<br />

daran zu denken, dass eine strafbefreiende<br />

Wirkung nur dann eintritt,<br />

wenn der Steuerpflichtige gemäß § 371<br />

Abs. 3 AO die zu seinen Gunsten<br />

hinterzogenen Steuern innerhalb einer<br />

ihm von der Finanzbehörde bestimmten<br />

angemessenen Frist entrichtet.<br />

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III. Strenge<br />

Anforderungen an<br />

wirksame Selbstanzeige<br />

Die konservative und strenge<br />

Rechtsprechung des für Steuerstraftaten<br />

zuständigen 1. Strafsenats des<br />

Bundesgerichtshofes geht weiter. In<br />

einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung<br />

(BGH, Beschl. v. 20.5.2010 -<br />

1 StR 577/<strong>09</strong>) hat der Senat entschieden,<br />

dass die strafbefreiende Wirkung<br />

einer Selbstanzeige im Sinne des § 371<br />

Abs. 1 AO nur bei vollständigen und<br />

richtigen Angaben eintrittt. Gefordert<br />

wird insoweit eine vollständige Rückkehr<br />

des Steuerpflichtigen zur Steuerehrlichkeit.<br />

Zudem hat der BGH ausgeführt,<br />

dass es der Ausnahmecharakter<br />

der Strafbefreiungsvorschrift nach<br />

§ 371 AO gebietet, diese restriktiv anzuwenden,<br />

was auch Auswirkungen auf<br />

die künftige Auslegung der einzelnen<br />

Sperrgründe des § 371 Abs. 2 AO hat.<br />

Mit dem Schlagwort vom „reinen<br />

Tisch“ stellt der BGH fest, dass eine<br />

Rückkehr zur Steuerehrlichkeit erst<br />

dann anzunehmen ist, wenn der Täter<br />

nunmehr vollständige und richtige<br />

Angaben – eben einen „reinen Tisch“ –<br />

macht. Nur dann liege eine strafbefreiende<br />

Selbstanzeige nach § 371<br />

Abs. 1 AO vor. Damit gibt der BGH<br />

ein weiteres Mal mit dem Ziel einer<br />

Strafschärfung im Steuerstrafrecht<br />

seine bisherige Rechtsprechung unter<br />

dem liberaleren 5. Senat auf. Bislang<br />

hielt der BGH in Anlehnung an den<br />

Wortlaut „insoweit“ in § 371 Abs. 1 AO<br />

eine Teil-Selbstanzeige für wirksam<br />

(BGH, Beschl. v. 13.10.1998 - 5 StR<br />

392/98). Es war bisher davon ausgegangen<br />

worden, dass eine strafbefreiende<br />

Wirkung auch für einzelne Teil-<br />

Sachverhalte eintreten kann, wenn nur<br />

für diese eine Nachholung bislang<br />

fehlender zutreffender Angaben erfolgt.<br />

Nunmehr stellt der BGH klar, dass<br />

beispielsweise eine nicht ausreichende<br />

Teil-Selbstanzeige dann gegeben ist,<br />

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„Reiner Tisch“<br />

Keine Strafbefreiung<br />

für Teil-Selbstanzeige<br />

wenn ein Steuerpflichtiger seine unvollständige<br />

Einkommensteuererklärung<br />

dahin „berichtigt“, dass er von bislang<br />

gänzlich verschwiegenen Zinseinkünften<br />

nunmehr nur diejenigen eines<br />

Kontos angibt, aber immer noch<br />

weitere Konten verschweigt, weil er<br />

insoweit keine Entdeckung durch<br />

die Finanzbehören befürchtet. Diese<br />

sogenannte „dolose (vorsätzliche)<br />

Selbstanzeige“ stellt künftig keine<br />

wirksame Selbstanzeige mehr dar.<br />

Seine Abkehr von der bisherigen<br />

Rechtsprechung begründet der BGH<br />

damit, dass der bislang im Vordergrund<br />

stehende fiskalische Zweck der strafbefreienden<br />

Selbstanzeige, noch unbekannte<br />

Steuerquellen zu erschließen,<br />

angesichts der heute bestehenden<br />

Ermittlungsmöglichkeiten und der verbesserten<br />

internationalen Zusammenarbeit<br />

zunehmend an Bedeutung verloren<br />

habe, weshalb der weitere Zweck,<br />

eine vollständige Rückkehr zur Steuerehrlichkeit,<br />

ein zusätzliches Gewicht<br />

erhalte.<br />

Seine Entscheidung nimmt der<br />

BGH zum Anlass, zugleich zu den<br />

Sperrgründen des § 371 Abs. 2 AO<br />

folgendes auszuführen:<br />

Erweiterte Sperrwirkung<br />

Nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a, 2. Alt.<br />

AO tritt Straffreiheit nicht ein, wenn<br />

ein Amtsträger der Finanzbehörde zur<br />

Ermittlung einer Steuerstraftat oder<br />

einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen<br />

ist. Bereits bislang war es ständige<br />

Rechtsprechung, dass dieser Sperrgrund<br />

nicht nur solche Taten betrifft,<br />

die vom Ermittlungswillen des erschienenen<br />

Amtsträgers erfasst sind, sondern<br />

sich auch auf solche Taten<br />

erstreckt, die mit dem bisherigen<br />

Ermittlungsgegenstand in sachlichem<br />

Zusammenhang stehen (BGH, Urt. v.<br />

5.5.2004 - 5 StR 548/03). Nach der<br />

nunmehrigen Entscheidung ist die<br />

Sperrwirkung der Vorschrift unter<br />

Beachtung des Normzweckes, bisher<br />

unbekannte Steuerquellen zu erschließen,<br />

noch weitergehender auszulegen.<br />

Danach soll die Sperrwirkung des<br />

§ 371 Abs. 2 Nr. 1a, 2. Alt. AO sich<br />

auch auf solche steuerlichen Sachver-<br />

halte erstrecken, bei denen – soweit<br />

sie nicht bereits von dem bisherigen<br />

Ermittlungswillen des Amtsträgers<br />

erfasst sind – unter Berücksichtigung<br />

des bisherigen Überprüfungsziels einerseits<br />

und den steuerlichen Gegebenheiten<br />

des beschuldigten Steuerpflichtigen<br />

andererseits bei üblichem Gang<br />

des Ermittlungsverfahrens zu erwarten<br />

ist, dass sie ohnehin in die Überprüfung<br />

einbezogen würden. Dies sei in<br />

jedem Fall dann anzunehmen, wenn<br />

sich die neuen Tatvorwürfe lediglich<br />

auf weitere Besteuerungszeiträume hinsichtlich<br />

derselben Steuerarten bei<br />

identischen Einkunftsquellen erstrecken.<br />

In diesem Falle sei anzunehmen, dass<br />

der Amtsträger auch zur Ermittlung mit<br />

dem bisherigen Kenntnisstand zusammenhängender<br />

Taten erscheine.<br />

Tatentdeckung –<br />

zweistufige Prognose<br />

Daneben setzt sich der BGH mit<br />

dem Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 2<br />

AO auseinander, bei dem eine strafbefreiende<br />

Wirkung nicht eintritt, wenn<br />

die Tat ganz oder zum Teil bereits entdeckt<br />

war. Bei dem Begriff der<br />

„Tatentdeckung“ handle es sich um ein<br />

Tatbestandsmerkmal mit einem eigenständigen<br />

Bedeutungsgehalt, auf welches<br />

die üblichen strafprozessualen<br />

Verdachtsgrade – ein hinreichender<br />

Tatverdacht nach § 170 Abs. 1 StPO,<br />

§ 203 StPO – gerade nicht gefordert<br />

werden kann. Bereits in der bisherigen<br />

Rechtsprechung (BGH, Beschl. v.<br />

5.4.2000 - 5 StR 226/99) war im<br />

Hinblick auf die Tatentdeckung davon<br />

ausgegangen worden, dass diese vorliegt,<br />

wenn bei einer vorläufigen<br />

Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit<br />

eines verurteilenden Erkenntnisses gegeben<br />

ist. Demnach liegt der Annahme<br />

der Tatentdeckung eine doppelte, zweistufige<br />

Prognose zugrunde. In einem<br />

ersten Schritt ist auf Grundlage der<br />

vorhandenen, regelmäßig noch unvollständigen<br />

Informationen die Verdachtslage<br />

– vorläufig – zu bewerten. In einem<br />

zweiten Schritt ist aufbauend auf dieser<br />

vorläufigen Bewertung der Sachverhalt,<br />

auf den sich der Verdacht bezieht, daraufhin<br />

zu prüfen, ob er rechtlich geeignet<br />

ist, eine Verurteilung wegen einer<br />

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Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit<br />

zu rechtfertigen. Dafür genügt, dass<br />

konkrete Anhaltspunkte für die Tat als<br />

solche bekannt sind. Der BGH fordert<br />

für eine Tatentdeckung nicht, dass der<br />

Täter der Steuerhinterziehung bereits<br />

ermittelt ist. Andererseits stelle die<br />

Kenntniserlangung von einer Steuerquelle<br />

für sich allein noch keine<br />

Tatentdeckung dar, jedoch sei in der<br />

Regel eine Tatentdeckung bereits dann<br />

anzunehmen, wenn unter Berücksichtigung<br />

der zur Steuerquelle oder zum<br />

Auffinden der Steuerquelle bekannten<br />

weiteren Umstände nach allgemeiner<br />

kriminalistischer Erfahrung eine<br />

Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit<br />

naheliegt. Eine Tatentdeckung sei stets<br />

gegeben, wenn ein Abgleich mit den<br />

Steuererklärungen des Steuerpflichtigen<br />

ergebe, dass die Steuerquelle nicht<br />

oder unvollständig angegeben wurde.<br />

Strenger Maßstab bei<br />

gestufter Selbstanzeige<br />

Schließlich nimmt der BGH seine<br />

Entscheidung zum Anlass, generelle<br />

Ausführungen zur „gestuften Selbstanzeige“<br />

zu machen. Hier sei, um<br />

eine Umgehung der Sperrwirkung nach<br />

§ 371 Abs. 2 AO durch die Wahl einer<br />

„gestuften Selbstanzeige“ zu verhindern,<br />

vom Steuerpflichtigen, der aufgrund<br />

unzureichender Buchhaltung oder<br />

wegen fehlender Belege eine genau<br />

bezifferte Selbstanzeige noch nicht vornehmen<br />

kann, zu fordern, dass dieser<br />

von Anfang an – also bereits auf der<br />

ersten Stufe der Selbstanzeige – alle<br />

erforderlichen Angaben über die steuerlich<br />

erheblichen Tatsachen zu berichtigen,<br />

zu ergänzen oder nachzuholen<br />

hat – notfalls auf der Basis einer<br />

Schätzung anhand der ihm bekannten<br />

Informationen. Nach der Auffassung<br />

des Senats müssen die Angaben dabei<br />

in jedem Fall so geartet sein, dass die<br />

Finanzbehörde auf ihrer Grundlage in<br />

der Lage ist, ohne langwierige Nachforschungen<br />

den Sachverhalt vollständig<br />

aufzuklären und die Steuer richtig<br />

festzusetzen. Hierbei sei ein strenger<br />

Maßstab anzulegen. Genügten die<br />

Angaben – bereits auf der ersten Stufe<br />

der Selbstanzeige – diesen Anforderungen<br />

nicht, liege keine wirksame<br />

Selbstanzeige, sondern vielmehr lediglich<br />

die Ankündigung einer Selbstanzeige<br />

vor.<br />

Gesetzgeber plant<br />

Verschärfung<br />

Im Zusammenhang mit der dargestellten<br />

Entscheidung des BGH ist<br />

darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber<br />

derzeit in den zuständigen<br />

Ausschüssen zwar nicht über die<br />

Abschaffung, wohl aber über eine<br />

Verschärfung der Voraussetzungen für<br />

die Selbstanzeige berät. Nach derzeitigem<br />

Kenntnisstand zeichnet sich ab,<br />

dass zum einen der Gesetzeswortlaut<br />

klarstellen wird, dass eine Teil-<br />

Selbstanzeige künftig per Gesetz ausgeschlossen<br />

ist. Daneben soll im Rahmen<br />

einer Neufassung der Sperrgründe<br />

nach § 371 Abs. 2 AO künftig auf subjektive<br />

Elemente gänzlich verzichtet<br />

werden. Dies bedeutet, dass zum einen<br />

bereits das Absenden einer Prüfungsanordnung<br />

nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a<br />

AO und andererseits die Einleitung<br />

eines Strafverfahrens nach § 371 Abs. 2<br />

Nr. 1c AO ausreichen. Auf den bislang<br />

maßgeblichen Prüfungsbeginn bzw. die<br />

Bekanntgabe der Einleitung eines<br />

Strafverfahrens gegenüber dem Täter<br />

soll es nicht mehr ankommen. Im<br />

Rahmen der künftigen Änderungen in<br />

§ 371 Abs. 2 Nr. 1d AO wird im<br />

Rahmen der Tatentdeckung ebenfalls<br />

auf das subjektive Element beim Täter<br />

(Wissen oder Rechnen-müssen mit der<br />

Tatentdeckung) vollständig verzichtet.<br />

IV. Angst vor<br />

Telekommunikationsüberwachung<br />

Häufig stellt der wegen eines steuerstrafrechtlich<br />

möglicherweise relevanten<br />

Sachverhalts ratsuchende<br />

Mandant gegenüber dem Steuerberater<br />

oder Rechtsanwalt die Frage, in wie<br />

weit er eine Überwachung seines<br />

Telefons zu befürchten habe.<br />

Rechtlich handelt es sich bei<br />

der gefürchteten Telefonüberwachung<br />

um eine Maßnahme der Telekommunikationsüberwachung<br />

(TKÜ), welche in<br />

das verfassungsrechtlich geschützte<br />

Post- und Fernmeldegeheimnis eingreift<br />

und deshalb nur unter den<br />

besonderen Voraussetzungen der<br />

Regelung des § 100a StPO zulässig ist.<br />

Unter anderem ist einschränkende<br />

Voraussetzung für das Abhören und<br />

Aufzeichnen von Telefonaten ohne<br />

Wissen des Betroffenen, dass wegen<br />

einer sogenannten „Katalogtat“ nach<br />

§ 100a Abs. 2 StPO ermittelt wird. Für<br />

den Bereich der Steuerstraftaten finden<br />

sich in § 100a Abs. 2 Nr. 2 StPO<br />

derzeit nur der besonders schwere Fall<br />

der Steuerhinterziehung nach § 370<br />

Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 AO, der gewerbsmäßige,<br />

gewaltsame und bandenmäßige<br />

Schmuggel nach § 373 AO<br />

sowie die gewerbs- oder bandenmäßige<br />

Steuerhehlerei nach § 374 Abs. 2 AO.<br />

Hieraus ergibt sich, dass sich die<br />

Möglichkeit einer Telefonüberwachung<br />

für die Ermittlungsbehörden auf den<br />

Bereich der schweren Steuerkriminalität<br />

beschränkt, unter die ein steuerstrafrechtliches<br />

Ermittlungsverfahren<br />

wegen Hinterziehung von Einkommensteuer<br />

nicht fällt. Außerhalb der organisierten<br />

Kriminalität hat ein Mandant<br />

damit eine Maßnahme der Telekommunikationsüberwachung,insbesondere<br />

auch das Abhören und<br />

Aufzeichnen von Telefongesprächen,<br />

nicht zu befürchten, da eine solche<br />

unzulässig wäre.<br />

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