ZUM STEUER- UND WIRTSCHAFTSSTRAFRECHT - Derra, Meyer ...
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<strong>ZUM</strong> <strong>STEUER</strong>- <strong>UND</strong> <strong>WIRTSCHAFTSSTRAFRECHT</strong><br />
INHALT<br />
Newsletter spezial zur strafbefreienden Selbstanzeige<br />
I. Selbstanzeige bei<br />
Steuerhinterziehung<br />
Am 28.04.2011 trat die Neufassung<br />
des § 371 AO in Kraft. Hierbei wurden<br />
vom Gesetzgeber verschiedene Ent -<br />
wick lungen der höchstrichterlichen<br />
Rechtsprechung aufgenommen und<br />
das Institut der Selbstanzeige in vielen<br />
Punkten konkretisiert, aber auch enger<br />
gefasst.<br />
Im Einzelnen muss eine wirksame, zu<br />
Straffreiheit führende Selbstanzeige die<br />
folgenden Voraussetzungen erfüllen:<br />
I.<br />
Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung<br />
II.<br />
Selbstanzeige im Unternehmen<br />
III.<br />
Umsatzsteuervoranmeldungen<br />
IV.<br />
Was ist „geringfügig“? –<br />
Der Beschluss des BGH<br />
vom 25.7.2011<br />
V.<br />
Folgen trotz Strafbefreiung<br />
Ihre Ansprechpartner:<br />
RA Prof. Dr. Jürgen <strong>Meyer</strong><br />
RA Konrad Menz<br />
RA Oliver Bauer<br />
RA Ralph E. Walker<br />
RA Andreas Dippe<br />
RA Oskar Gostomski<br />
Themenvorschau:<br />
– Beraterhaftung<br />
– Strafzumessung bei hohem Schaden<br />
– Grundsätze der strafrechtlichen<br />
Schadensberechnung<br />
1) vollständige Berichtigung, Ergänzung<br />
oder Nachholung falscher<br />
oder unterlassener Angaben zu<br />
strafrechtlich unverjährten Steuerstraftaten<br />
einer Steuerart;<br />
2) keine Kenntnis von bevorstehender<br />
Prüfung;<br />
3) hinterzogener Betrag übersteigt<br />
nicht den Betrag von € 50.000,00;<br />
4) Entrichtung bereits eingetretener<br />
Steuerverkürzungen bzw. -vorteile.<br />
Der vom Gesetzgeber geforderte „reine<br />
Tisch“ bei der mit dem Ziel der Straffreiheit<br />
abgegebenen Nacherklärung<br />
bezieht sich auf sämtliche (zu mög -<br />
lichen geringfügigen Abweichungen<br />
vgl. unten, IV.) im Zeitpunkt der Erklä -<br />
rung noch strafbefangenen Zeiträumen<br />
einer Steuerart. Erfolgt also bspw. eine<br />
vollständige und zutreffende Nach -<br />
erklä rung strafrechtlich unverjährter<br />
einkommensteuerrelevanter Einkünfte,<br />
tritt insoweit Straffreiheit ein, auch wenn<br />
hinsichtlich einer anderen Steuerart,<br />
z.B. der Umsatzsteuer, eine weitere<br />
Steuerhinterziehung begangen wurde<br />
und hierzu keine Selbstanzeige erfolgt.<br />
Hinsichtlich der Verjährung ist zu<br />
beachten, dass in Fällen besonders<br />
schwerer Steuerhinterziehung i.S.d.<br />
§ 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 bis 5 AO für alle<br />
am 25.12.2008 noch nicht abgelaufenen<br />
Verjährungsfristen die Verjährungsfrist<br />
zehn Jahre beträgt.<br />
Soweit bis zur Neuregelung des § 371<br />
AO maßgeblicher Regelfall für die<br />
Kenntnis des Steuerpflichtigen von<br />
einer Steuerprüfung und damit für<br />
den Eintritt der Sperrwirkung für eine<br />
strafbefreiende Selbstanzeige das<br />
Erscheinen des Prüfers war, genügt<br />
nunmehr bereits die Bekanntgabe der<br />
Prüfungsanordnung im Sinne des<br />
§ 196 AO.<br />
Der neu eingeführte Sperrgrund,<br />
wonach Straffreiheit bei einem ungerechtfertigten<br />
Steuervorteil von über<br />
€ 50.000,00 nicht erlangt werden kann,<br />
bezieht sich auf eine einzelne Tat.<br />
Hier ist der steuerstrafrechtliche Tatbegriff<br />
zugrund zu legen, der bestimmt<br />
wird durch Steuerart und Veranlagungszeitraum.<br />
Anzumerken ist, dass<br />
die Versagung der Straffreiheit übrige<br />
nacherklärte, geringere ungerechtfertigte<br />
Steuervorteile nicht umfasst und<br />
Straffreiheit insoweit dennoch eintreten<br />
kann.<br />
Weiterhin besteht nach § 398a AO<br />
die Möglichkeit, bei einem den Betrag<br />
von € 50.000,00 übersteigenden<br />
Hinter zieh ungs betrag neben der Nach -<br />
entrichtung der hinterzogenen Steuer<br />
zusätzlich einen Geldbetrag in Höhe<br />
von 5 % der hinterzogenen Steuer<br />
zu Gunsten der Staatskasse zu<br />
zah len, wonach von „der Verfolgung<br />
einer Steuerstraftat abgesehen“ wird.<br />
Aller dings führt eine solche Verfahrens<br />
beendigung des strafrechtlichen<br />
Er mit tlungsverfahrens nicht zum Strafklage<br />
verbrauch.<br />
II. Selbstanzeige im<br />
Unternehmen<br />
Strafrechtliche Verantwortlichkeit kennt<br />
das deutsche Strafrecht nur für natürliche<br />
Personen. Die Verantwortlichkeit<br />
der für juristische Personen Handelnden<br />
ergibt sich aus § 14 StGB.<br />
Die Selbstanzeige nach § 371 AO ist<br />
als persönlicher Strafaufhebungsgrund<br />
ausgestaltet. Daher wird nur derjenige<br />
vor strafrechtlicher Verfolgung<br />
geschützt, in dessen Namen die Selbst -<br />
anzeige abgegeben wird.<br />
Kein<br />
Unternehmensstrafrecht<br />
Die strafrechtliche Verantwortlichkeit<br />
trifft dabei hauptsächlich diejenigen,<br />
die unrichtige oder unvollständige<br />
Erklärungen des Unternehmens abge-<br />
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geben haben. Mit der Selbstanzeige zu<br />
erfassen sind folglich zwingend die<br />
gesetzlichen Vertreter des Unternehmens<br />
gem. §§ 34, 35 AO.<br />
Nicht unüblich ist es jedoch, dass der<br />
Kreis der Personen, gegen den die<br />
Strafverfolgungsbehörden – zumindest<br />
anfänglich – ermitteln, über die<br />
gesetzlichen Vertreter hinausgeht.<br />
Einbezogen werden bspw. Mitarbeiter<br />
der Steuer- oder Rechtsabteilung.<br />
Denkbar wäre es demnach, in der<br />
Selbstanzeige auch alle potentiell mit<br />
einem Fehlverhalten bei der unrichtigen<br />
oder unvollständigen Erklärung<br />
befassten Mitarbeiter ausdrücklich zu<br />
benennen.<br />
Kein Verdacht ohne Not<br />
Dies erscheint jedoch deshalb wenig<br />
attraktiv und praktikabel, weil hierdurch<br />
ggf. Mitarbeiter, bei denen letztlich<br />
häufig ein Fehlverhalten überhaupt<br />
nicht vorliegt, allein aus Vorsichts<br />
gesichtspunkten in das Licht der<br />
Ermittlungen gerückt werden.<br />
Diese unerwünschte Folge kann da -<br />
durch vermieden werden, dass potentiell<br />
gefährdete Mitarbeiter gegenüber<br />
der Geschäftsleitung oder den von<br />
diesen beauftragten Dritten (Rechtsanwalt,<br />
Steuerberater) – quasi im<br />
Innenverhältnis des Unternehmens –<br />
eine schriftliche Anschlusserklärung<br />
dahingehend abgeben, dass die<br />
Selbstanzeige auch in ihrem Namen<br />
erfolgt. Diese bevollmächtigende<br />
Erklärung bleibt zunächst „verdeckt“<br />
und kann bei Bedarf gegenüber der<br />
Finanzbehörde offen gelegt werden,<br />
wodurch der Nachweis gelingt, dass die<br />
Selbstanzeige auch im Namen des<br />
jeweiligen Mitarbeiters abgegeben<br />
wurde.<br />
§ 371 Abs. 3 AO, wonach Straffreiheit<br />
nur für denjenigen eintritt, der verkürzte<br />
oder hinterzogene Steuern nachentrichtet,<br />
steht dieser Vorgehensweise<br />
nicht entgegen. Die Steuer wird auf<br />
der Ebene des Unternehmens verkürzt,<br />
weshalb Steuerschuldner das<br />
Unternehmen und nicht der jeweili ge<br />
Mitarbeiter ist.<br />
Für die schriftliche Anschlusserklärung<br />
ist zu beachten, dass sich aus dieser<br />
ergeben muss, dass der sich erklärende<br />
Mitarbeiter vor Abgabe der Berich ti -<br />
gungserklärung (§ 153 AO) bzw.<br />
Selbstanzeige vollständige Kenntnis<br />
von deren Inhalt hat. Eine nachträg -<br />
liche Genehmigung der Selbstanzeige<br />
durch den Mitarbeiter ist nicht wirksam<br />
und führt damit nicht zu einer<br />
Straf aufhebung.<br />
III. Umsatzsteuervoranmeldungen<br />
Die gesetzlichen Neuerungen bei der<br />
strafbefreienden Selbstanzeige bergen<br />
in Bezug auf die verspätete Abgabe von<br />
Umsatzsteuervoranmeldungen und im<br />
Falle der Notwendigkeit einer späteren<br />
Korrektur von Umsatzsteuervoranmeldungen<br />
Risiken.<br />
Eine Umsatzsteuervoranmeldung steht<br />
nach § 168 AO einer Steuerfestsetzung<br />
unter dem Vorbehalt der Nachprüfung<br />
gleich. Damit erfüllt eine nicht rechtzeitig<br />
bis zum 10. Tag des Folgemonats<br />
oder eine zwar rechtzeitig aber inhaltlich<br />
unzutreffend abgegebene Umsatzsteuervoranmeldung<br />
den Tatbestand<br />
der Steuerhinterziehung nach § 370<br />
AO, sofern der Täter vorsätzlich handelt<br />
(bedingter Vorsatz genügt).<br />
Nachholen = Selbstanzeige<br />
Damit ist das Nachholen einer – vorsätzlich<br />
– nicht rechtzeitig abgegebenen<br />
oder die Korrektur einer – vorsätzlich<br />
– unzutreffend abgegebenen<br />
Um satzsteuervoranmeldung als Selbstanzeige<br />
nach § 371 AO zu werten.<br />
Entsprechend der neuen Rechtslage<br />
hat diese für ihre Wirksamkeit dem<br />
Vollständigkeitserfordernis sowie den<br />
erweiterten Sperrgründen zu genügen.<br />
Hinzu kommt, dass die Finanzämter<br />
nunmehr im Rahmen der Neuregelung<br />
der Anweisungen für das Straf- und<br />
Bußgeldverfahren dazu angehalten<br />
sind, grundsätzlich Selbstanzeigen der<br />
Straf- und Bußgeldsachenstelle vorzulegen.<br />
In Nr. 132 AStBV (St) 2012<br />
wurde nämlich der bisherige Satz „von<br />
der Vorlage verspäteter Steueranmeldungen<br />
kann ebenfalls abgesehen<br />
werden“ ersatzlos gestrichen. In Fällen<br />
verspäteter Umsatzsteuervoranmeldungen<br />
kann damit nicht mehr – wie<br />
bislang – von der Vorlagepflicht abgesehen<br />
werden.<br />
Insbesondere die strenge Rechtsprechung<br />
des Bundesgerichtshofes<br />
(Beschl. v. 20.5.2010 – 1 StR 577/09)<br />
erfordert bei der Abgabe bzw. der<br />
Kor rektur von Umsatzsteuer voran -<br />
mel d ungen zwingend die Beachtung<br />
folgender Gesichtspunkte:<br />
(1) Vorbeugen gegen Vorsatz<br />
Bestehen bereits im Zeitpunkt der fristgemäßen<br />
Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldung<br />
Zweifel an deren<br />
Richtigkeit und Vollständigkeit, sollte<br />
zur Vermeidung der Annahme vorsätzlichen<br />
Verhaltens die Finanzverwaltung<br />
in einem Begleitschreiben über den<br />
Sachverhalt, der zu einer vorübergehenden<br />
Unvollständigkeit der Voranmeldung<br />
führt, informiert und zudem<br />
Ausführungen zur geschätzten Höhe<br />
der tatsächlich zu erwartenden Um -<br />
sätze gemacht werden. Die Benennung<br />
eines Sicherheitszuschlages beugt der<br />
vorsätzlichen Unrichtigkeit vor, sofern<br />
dieser so gewählt wird, dass die tatsächlich<br />
steuerbaren Umsätze in voller<br />
Höhe abgedeckt sind. Eine Korrektur<br />
dieser überhöhten Umsatzsteuer vor -<br />
anmeldung erfolgt sodann im Rahmen<br />
der Umsatzsteuerjahreserklärung.<br />
(2) Rechtzeitigkeit<br />
Ist erkennbar, dass die Umsatzsteuervoranmeldung<br />
nicht fristgemäß übermittelt<br />
werden kann, so ist nach § 109<br />
AO rechtzeitig ein Antrag auf Fristverlängerung<br />
zu stellen. Hierdurch wird –<br />
bei antragsgemäßer Fristverlängerung –<br />
vermieden, dass eine verspätet eingereichte<br />
Umsatzsteuervoranmeldung<br />
bereits als Selbstanzeige durch die<br />
Finanzbehörde gewertet wird.<br />
(3) Sicherheitszuschlag<br />
Liegt bereits eine unrichtige Umsatzsteuervoranmeldung<br />
vor, ist diese durch<br />
eine Selbstanzeige zu korrigieren. Die<br />
Selbstanzeige hat dabei, um dem<br />
Vollständigkeitserfordernis nach § 371<br />
Abs. 1 AO zu genügen, sämtliche vorsätzliche<br />
Unrichtigkeiten hinsichtlich<br />
der Umsatzsteuer im strafbefangenen<br />
Zeitraum zu erfassen. Liegt eine<br />
Steuerverkürzung in großem Ausmaß<br />
nach § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO vor,<br />
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so ist zu bedenken, dass sich die<br />
Verjährungsfrist gem. § 376 Abs. 1 AO<br />
auf zehn Jahre verlängert. Besteht<br />
Unsicherheit hinsichtlich der in der<br />
Voranmeldung zu beziffernden Beträge,<br />
ist vorsorglich ein Sicherheitszuschlag<br />
in Ansatz zu bringen. Es ist zu gewährleisten,<br />
dass vorsätzliche umsatzsteuerliche<br />
Unrichtigkeiten in voller Höhe<br />
erfasst werden. Sollte nämlich eine<br />
zweite Korrektur der Voranmeldung<br />
erforderlich sein, so droht die Unwirksamkeit<br />
beider Korrekturen.<br />
IV. Was ist „geringfügig“?<br />
Der Beschluss des BGH<br />
vom 25.7.2011<br />
Durch die Neuregelungen im Schwarzgeldbekämpfungsgesetz<br />
kommt einer<br />
Selbstanzeige – neben anderen Voraussetzungen<br />
– nur dann die gewünschte<br />
strafbefreiende Wirkung zu, wenn<br />
gegenüber der Finanzbehörde zu allen<br />
unverjährten Steuerstraftaten einer<br />
Steuerart „in vollem Umfang“ die<br />
unrichtigen Angaben berichtigt, die<br />
unvollständigen Angaben ergänzt oder<br />
die unterlassenen Angaben nachgeholt<br />
werden.<br />
Reiner Tisch!<br />
Bereits vor der Änderung durch das<br />
Schwarzgeldbekämpfungsgesetz vom<br />
28.04.2011 setzte eine wirksame<br />
Selbstanzeige i.S.d. § 371 AO voraus,<br />
dass eine vollständige Rückkehr zur<br />
Steuerehrlichkeit durch die Selbstanzeige<br />
erfolgte. War dies nicht der Fall<br />
und lagen Abweichungen in der Berichtigung<br />
oder Nacherklärung vom<br />
geforderten Inhalt der Selbstanzeige vor<br />
– sogenannte Teilselbstanzeigen –, so<br />
hat dies in der bis zum 28.04.2011<br />
geltenden Fassung des § 371 AO dazu<br />
geführt, dass jedenfalls im Umfang der<br />
gegenüber der zuständigen Finanzbehörde<br />
berichtigten, ergänzten und<br />
nachgeholten Angaben Straffreiheit<br />
eintrat, Artikel 97 § 24 EGAO. Der<br />
nicht erklärte Teil führte dann jedoch<br />
zur Strafbarkeit. Waren derartige Abweichungen<br />
daher schon vor der<br />
Gesetzesänderung durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz<br />
von erheb-<br />
licher Bedeutung, so sind Abwei -<br />
chungen in Selbstanzeigen nach dem<br />
28.04.2011 ungleich bedeutender, da<br />
diese dazu führen können, dass der<br />
gesamten Selbstanzeige die strafbefreiende<br />
Wirkung genommen ist.<br />
Für Mandanten und ihre rechts- und<br />
steuerberatenden Berufsträger war<br />
daher auch schon vor dem 28.04.2011<br />
wichtig, wann auch kleinere Bagatellabweichungen<br />
in der Selbstanzeige zur<br />
Strafbarkeit führen, weil nach der<br />
Rechtsprechung des BGH eine Selbstanzeige<br />
auch dann zur vollständigen<br />
Strafaufhebung führte, wenn diese nur<br />
geringfügig vom geforderten Inhalt<br />
abwich (BGH, Beschl. v. 13.10.1998 –<br />
5 StR 392/98).<br />
Keine Unwirksamkeit bei<br />
Bagatellabweichungen<br />
Der BGH hat in dem Beschluss vom<br />
25.07.2011 (1 StR 631/10) zunächst<br />
klargestellt, dass diese Rechtsprechung<br />
zur Wirksamkeit der Selbstanzeige bei<br />
„geringfügigen“ Abweichungen weiterhin<br />
gilt und auch in den Gesetzesmaterialien<br />
zum Schwarzgeldbekämpfungsgesetz<br />
aufgegriffen wurde. Bis zum<br />
Beschluss des BGH vom 25.07.2011<br />
herrschte jedoch sowohl in der Rechtsprechung<br />
als auch in der Literatur<br />
Unsicherheit, wann diese „Geringfügigkeitsgrenze“<br />
erreicht ist. Der BGH hatte<br />
sich bislang nicht dazu geäußert, bis<br />
zu welcher Höhe Abweichungen noch<br />
als geringfügig anzusehen seien. In<br />
Literatur und Instanz-Rechtsprechung<br />
wurde jedoch darauf hingewiesen, dass<br />
Abweichungen von 6% bis teilweise<br />
sogar 10% von der Finanzverwaltung<br />
toleriert und noch als „geringfügig“ an -<br />
ge sehen wurden (Jäger in: Klein, Ab ga -<br />
benordnung, 11. Auflage 2012, Rn 27).<br />
In dem Beschluss vom 25.07.2011 hat<br />
der BGH jetzt grundsätzlich festgelegt,<br />
dass eine Abweichung mit einer Auswirkung<br />
von mehr als 5% vom Verkürzungsbetrag<br />
i.S.d. § 370 Abs. 4 AO<br />
nicht mehr geringfügig ist. Der Senat<br />
führt hierzu in der genannten Entscheidung<br />
aus, wenn bspw. im Rahmen<br />
einer Steuerhinterziehung Steuern im<br />
Umfang von € 100.000,00 verkürzt<br />
wurden, die Abweichungen in einer<br />
sich auf diese Tat beziehenden<br />
Selbstanzeige jedenfalls dann nicht<br />
mehr geringfügig wären, wenn durch<br />
die Selbstanzeige lediglich eine vorsätzliche<br />
Verkürzung von weniger als<br />
€ 95.000,00 aufgedeckt würden.<br />
5% keine starre Grenze –<br />
auch weniger kann<br />
zuviel sein!<br />
Der BGH versteht diese Maximalabweichung<br />
von 5% allerdings nicht als<br />
starre Grenze. Auch Abweichungen<br />
unterhalb dieser „Geringfügigkeitsgrenze“<br />
von 5% können demnach bei<br />
Gesamtwürdigung der Umstände eine<br />
Versagung der Strafbefreiung rechtfertigen.<br />
In diese Gesamtbetrachtung seien<br />
sowohl der Umfang der Abweichung<br />
als auch die Umstände mit einzubeziehen,<br />
die zu den Abweichungen geführt<br />
haben. Insbesondere bei bewusst vorgenommenen<br />
Abweichungen in der<br />
Selbstanzeige („dolose Teilselbstanzeige“)<br />
sei nicht mehr von dem Willen<br />
zur vollständigen Rückkehr zur Steuerehrlichkeit<br />
auszugehen – was zur gänzlichen<br />
Versagung der Strafbefreiung<br />
führe.<br />
Ungeklärt für die Frage der Geringfügigkeit<br />
ist auch weiterhin, welcher<br />
Anknüpfungspunkt für die Erlangung<br />
der Straffreiheit gilt, wenn bei mehreren<br />
Taten einer Steuerart Selbstanzeigen<br />
abzugeben waren. Hierzu hat sich der<br />
BGH bislang nicht ausdrücklich geäußert<br />
(Jäger in: Klein, Abgabenordnung,<br />
11. Auflage 2012, Rn. 28a). Ob – wie<br />
bisher im Schrifttum vertreten – eine<br />
Gesamtbewertung für alle (unverjährten)<br />
Taten einer Steuersparte abzugebenden<br />
Selbstanzeigen angelegt<br />
werden kann mit der Möglichkeit einer<br />
„Saldierung“ bzw. „Verrechnung“, oder<br />
ob entsprechend der Gesetzessystematik<br />
von einer tatbezogenen Betrach -<br />
tung im Sinne eines materiellen<br />
Tatbegriffes auszugehen ist, bleibt der<br />
Klärung durch die weitere Rechtsprechung<br />
des BGH vorbehalten. Die<br />
letztgenannte Variante klingt bereits im<br />
Beschluss vom 25.07.2011 an und es<br />
kann erwartet werden, dass die restriktive<br />
Tendenz zur Selbstanzeige und den<br />
damit verbundenen „Erschwernissen“<br />
ihren Fortgang in den Entscheidungen<br />
des BGH finden wird.<br />
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Unklare Sachlage:<br />
Sicherheitszuschläge!<br />
Im Ergebnis bedeutet dies für die<br />
Selbstanzeigenberatung, dass bei un -<br />
kla rer Sachlage und unvollständigem<br />
Zahlenmaterial in jeder Selbstanzeige,<br />
zu jeder einzelnen (materiellen) Tat und<br />
für jede Steuerart erforderlichenfalls<br />
ausreichend hohe Sicherheitszuschläge<br />
mitberücksichtigt werden müssen.<br />
An derenfalls besteht die Gefahr, dass<br />
der gesamten Selbstanzeige die strafbefreiende<br />
Wirkung genommen wird. Dies<br />
bedeutet in der Konsequenz auch ein<br />
nicht zu unterschätzendes Haf tungs -<br />
risiko bei der Selbstanzei gen beratung.<br />
V. Folgen trotz<br />
Strafbefreiung<br />
(1) Finanzielle Folgen<br />
Neben dem Umstand, dass die Entrichtung<br />
hinterzogener bzw. verkürzter<br />
Steuern bereits objektive Bedingung für<br />
die Straffreiheit nach § 371 Abs. 3 AO<br />
ist, postuliert § 71 AO eine Haftung<br />
von Tätern und Teilnehmern einer<br />
Steuerstraftat für den durch die<br />
Hinterziehungshandlung verursachten<br />
Vermögensschaden des Fiskus. Dieser<br />
kann wegen der von § 71 AO umfassten<br />
Zinsen höher ausfallen als der<br />
Nominalbetrag der hinterzogenen<br />
Steuern, deren Begleichung aber gem.<br />
§ 371 Abs. 3 AO für eine strafbefreiende<br />
Selbstanzeige ausreicht. Die Haf -<br />
tung nach § 71 AO trifft zudem nicht<br />
den Steuerpflichtigen selbst, sondern<br />
beispielsweise Angestellte des Steuer -<br />
pflichtigen oder Steuerberater – eine<br />
tatbestandsmäßige Begehungsweise<br />
jeweils vorausgesetzt.<br />
Verspätungszuschläge<br />
Für den Steuerpflichtigen muss mangels<br />
bislang hierzu ergangener höchst -<br />
richterlicher Rechtsprechung zudem<br />
davon ausgegangen werden, dass auch<br />
nach einer strafbefreienden Selbst -<br />
anzeige Verspätungszuschläge auf die<br />
verkürzten Steuern zu leisten sind,<br />
zumindest soweit die fragliche Steuer -<br />
erklärung erstmals abgegeben, bislang<br />
also unterlassen wurde. Wurde hingegen<br />
in der Vergangenheit lediglich eine<br />
lückenhafte oder falsche Steuer erklä -<br />
rung eingereicht, die nun im Rahmen<br />
einer Selbstanzeige korrigiert wird, fallen<br />
grundsätzlich keine Verspä tungs -<br />
zuschläge an (BFH, Urt. v. 6.11.1966 –<br />
IV 249/64). Dies gilt allerdings nur,<br />
wenn die frühere Erklärung nicht völlig<br />
unzureichend war und die Finanz be -<br />
hörde auf deren Grundlage zumindest<br />
in den Stand versetzt wurde, ein Fest -<br />
setzungsverfahren in Gang zu setzen.<br />
(2) Berufsrechtliche Folgen<br />
Da nach allgemeiner Auffassung eine<br />
strafbefreiende Selbstanzeige ein persönlicher<br />
Strafaufhebungsgrund ist,<br />
entfallen in deren Folge weder Tatbestandsmäßigkeit<br />
noch Rechtswidrigkeit<br />
der Steuerhinterziehung – selbige<br />
bleibt eine rechtswidrige Tat i.S.d. § 11<br />
Abs. 1 Nr. 5 StGB. Aus diesem Grund<br />
kann auch ein im Wege der Einstellung<br />
beendetes Strafverfahren oder das<br />
Absehen der Verfolgung i.S.d. § 371 AO<br />
in Folge einer strafbefreienden Selbstanzeige<br />
grundsätzlich berufsrechtliche<br />
Folgen auslösen.<br />
Disziplinar- und<br />
Standesrecht<br />
Solche richten sich für Richter, Beamte<br />
und Soldaten jeweils nach den entsprechenden<br />
disziplinarrechtlichen<br />
Vorschriften, wonach auch ein außerdienstliches<br />
Verhalten ein Dienstvergehen<br />
darstellen kann, wenn es nach<br />
den Umständen des Einzelfalles geeignet<br />
ist, Achtung und Vertrauen in<br />
einer für das Amt oder das Ansehen<br />
bedeutsamen Weise zu beeinträchtigten<br />
(vgl. § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG, § 39<br />
DRiG). Vergleichbare Regelungen und<br />
entsprechende Sanktionsmöglichkeiten<br />
enthalten die Berufsordnungen der<br />
beratenden Berufe (§ 89 Abs. 2 StBerG,<br />
§ 113 BRAO).<br />
Allerdings ist es im Fall eines Absehens<br />
von der Strafverfolgung nach einer<br />
strafbefreienden Selbstanzeige nicht<br />
ohne Weiteres möglich, dass Dienstherren<br />
oder Kammern der freien<br />
Berufe von der Steuerstraftat erfahren.<br />
Zum einen sehen die einschlägigen<br />
Vorschriften der „MiStra“ – der Anord -<br />
nung über die Mitteilungen in Straf -<br />
sachen – eine Mitteilungspflicht bspw.<br />
bei Rechtsanwälten und Steuerberatern<br />
nur vor, wenn ein Ermittlungsverfahren<br />
zumindest zur Erhebung der öffent -<br />
lichen Klage geführt hat. Nur bei<br />
Rechts anwälten ist in besonderen Aus -<br />
nahmefällen auch eine Mitteilung bei<br />
Einleitung eines Ermittlungsverfahrens<br />
vorgesehen.<br />
Unabhängig davon wird in aller Regel<br />
das Steuergeheimnis des § 30 AO einer<br />
Mitteilung durch die Finanzbehörde im<br />
Wege stehen.<br />
Steuergeheimnis kann<br />
schützen<br />
Zwar kennt § 30 AO auch Ausnahme -<br />
regelungen; diese kommen im Fall<br />
einer strafbefreienden Selbstanzeige<br />
aber entweder tatbestandsmäßig nicht<br />
in Betracht oder abergreifen im Licht<br />
der Rückkehr des Täters zur Steuer -<br />
ehrlichkeit nicht durch, da ein zwingendes<br />
öffentliches Interesse bzw. ein<br />
schwerer Nachteil für das Allgemein -<br />
wohl gerade wegen der Rückkehr zur<br />
Steuerehrlichkeit nicht gegeben sein<br />
wird und damit eine Durchbrechung<br />
des Steuergeheimnisses nicht gerechtfertigt<br />
werden kann. Wegen der Aus -<br />
legungsfähigkeit dieser Ausnahme -<br />
tatbestände ist es aber in jedem Fall<br />
ratsam, das Vorgehen der Behörde zu<br />
hinterfragen und auf die Beachtung des<br />
Steuergeheimnisses zu drängen.<br />
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Konrad Menz, Rechtsanwalt<br />
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