DAS BUCH DER UNRUHE - Linz 2009

AUS DEM BUCH DER UNRUHE
Heute spürte ich mit jeder Faser meines Körpers jene alte
Angst, die bisweilen übermächtig wird, und konnte in
dem Restaurant, dessen erster Stock mir die Grundlage
für mein Weiterleben bietet, weder ordentlich essen noch
wie gewöhnlich trinken. Als der Ober bei meinem Fortge-
hen bemerkte, dass ich die Weinflasche nur halb geleert
hatte, drehte er sich nach mir um und sagte: „Bis bald,
Herr Soares, und gute Besserung!“
Mein Traum, in dem ich ein Major außer Dienst bin, der
in einem Hotel in der Provinz nach dem Abendessen mit
dem einen oder anderen etwas nüchterneren Tischge-
nossen als er selbst träge und grundlos zusammensitzt.
Und allein mit mir, begann ich, Papierschiffchen aus der
Lüge zu falten, die man mir aufgetischt hatte. Niemand
wollte an mich glauben, nicht einmal als Lügner, und kein
See war da, um meine Glaubwürdigkeit unter Beweis zu
stellen.
Nutzlose Landschaften, wie diejenigen auf chinesischen Teetassen, sie beginnen an der einen Seite
des Henkels und enden unvermittelt an der anderen. Diese Tassen sind immer so klein. Wohin und auf
welchem Porzellan würde diese Landschaft reichen, reichte sie über den Tassenhenkel hinaus?
Während meiner ersten Zeit in Lissabon erklangen aus der Etage
über uns ständig Tonleitern auf einem Klavier, das eintönige Üben
eines Mädchens, das ich nie zu Gesicht bekam.
Und immer wieder erklingen mit einer Beständigkeit, die aus der
Tiefe der Welt kommt, mit einer Hartnäckigkeit, die metaphysisch
übt, die Tonleitern der Klavierschülerin in der Wirbelsäule meiner
Erinnerung.
Ich werfe die leere Streichholzschachtel in den Abgrund der Straße, über das Sims meines balkonlosen
Fensters.
Aus: DAS BUCH DER UNRUHE von Fernando Pessoa, Ammann Verlag, Zürich 2006.
Komposition und Regie Michel van der Aa
Schauspiel Klaus Maria Brandauer
Dirigent Dennis Russell Davies
Orchester Bruckner Orchester Linz
Fado-Sängerin Ana Moura (Film)
Bühne Marc Warning
Licht Gé Wegman
Double A player Marko Ciciliani
Ton Clare Gallagher
Produzent Frank van der Weij
Dramaturgie David Tushingham
Bühnenbau Martin Mulder
Quirijn Smits
Bühnentechnik Simon Snel
Armin Steiner
Videoassistenz Ingo Kelp
Regieassistenz Stephanie Höltschl
Assistenz
Klaus Maria Brandauer Andrea Janauschek
Konzertmeister Mario Seriakov
1. Geige Piotr Gladki
2. Geigen Tajana Novosel-Weitzer
Sonja Hollerweger
Bratsche Laura-Maria Jungwirth
Thomas Koslowsky
Joachim Brandl
Violoncello Elisabeth Bauer
Susanne Lissy
Kontrabass Andreas Reckenzain
Flöte Christian Landsmann
Klarinette Josef Fahrnberger
Fagott Johannes Platzer
Trompete Werner Steinmetz
Schlagwerk Manuel Hofstätter
Assistenz
Dennis Russell Davies Takeshi Moriuchi
Uraufführung am 2. Jänner 2009, 20.00 Uhr
in der Hafenhalle09
weitere Vorstellungen am 3. Jänner, 20.00 Uhr
und 4. Jänner, 11.00 Uhr
Keine Pause