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Eine Verletzung folgte bei Frank Busemann der nächsten. Jetzt hat ...

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„<br />

INTERVIEW <strong>Frank</strong> <strong>Busemann</strong><br />

„Höre<br />

nur<br />

noch<br />

auf mein<br />

Gefühl“<br />

Foto: Imago<br />

Interview: Norbert Hensen und Joël Kruse<br />

<strong>Eine</strong> <strong>Verletzung</strong><br />

<strong>folgte</strong> <strong>bei</strong> <strong>Frank</strong><br />

<strong>Busemann</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>nächsten</strong>. <strong>Jetzt</strong> <strong>hat</strong><br />

<strong>der</strong> Zehnkämpfer<br />

seine Einstellung<br />

zum Sport geän<strong>der</strong>t<br />

Leichtathletik magazin: Sie humpeln<br />

nicht, Sie tragen keinen Verband, Sie<br />

sehen gesund aus…<br />

<strong>Frank</strong> <strong>Busemann</strong>: Sagen wir mal, ich<br />

bin nicht so kaputt, dass es mich beeinträchtigen<br />

würde. Ganz gesund zu sein,<br />

das habe ich mir abgeschminkt. Irgendwo<br />

zwickt´s immer, und damit komme<br />

ich auch ganz gut klar.<br />

Was zwickt denn?<br />

Der Fuß <strong>hat</strong> nach meiner Sprunggelenksverletzung<br />

vom vergangenen<br />

Jahr in Ratingen<br />

natürlich sehr lange<br />

gebraucht bis<br />

er wie<strong>der</strong> einigermaßen<br />

belastbar<br />

war. Sprungspezifische<br />

Übungen<br />

waren lange Zeit<br />

überhaupt nicht möglich, da taste ich<br />

mich jetzt vorsichtig wie<strong>der</strong> ran. Noch<br />

bin ich aber nicht <strong>bei</strong> 100 Prozent.<br />

Sind Sie in Dauerbehandlung?<br />

Nein, nicht mehr. Beim Arzt war ich<br />

ungefähr ein halbes Jahr lang nicht<br />

mehr. Ich will das auch nicht mehr. Ich<br />

versuche mittlerweile, meine Schwachstellen<br />

durch gezieltes Training zu stärken.<br />

Ihr Saisonauftakt <strong>bei</strong> den Kreismeisterschaften<br />

in Remscheid war nicht allzu<br />

berauschend. 14,13 Meter mit <strong>der</strong><br />

Kugel, 39,69 Meter mit dem Diskus,<br />

22,61 Sekunden über 200 Meter. Beunruhigend?<br />

Ehrlich gesagt, das ist mir vollkommen<br />

egal, wenn ich das hier mal so sagen<br />

darf. Ich habe einen Wettkampf<br />

gemacht, ich <strong>hat</strong>te Spaß da<strong>bei</strong>, ich habe<br />

mit an<strong>der</strong>en Sport betrieben und bin<br />

gesund nach Hause gefahren. Das war<br />

für mich wichtig.<br />

„Ich habe meine<br />

Ansprüche relativiert.<br />

Ich erwarte keine<br />

9000 Punkte mehr“<br />

Sie sind kurz zuvor aus dem Trainingslager<br />

aus Lanzarote wie<strong>der</strong>gekehrt, hätten<br />

Sie da nicht etwas mehr erwartet?<br />

Es gibt ein Phänomen <strong>bei</strong> mir. Wenn ich<br />

aus Lanzarote wie<strong>der</strong>komme, dann<br />

kann man mich drei Wochen erstmal<br />

vergessen. Das war in den vergangenen<br />

Jahren auch immer so. Früher bin ich<br />

immer nervös geworden. Ich habe<br />

gedacht: Das kann doch nicht wahr<br />

sein, im Trainingslager lief das doch<br />

super, ich muss doch viel schneller sein.<br />

<strong>Jetzt</strong> sehe ich das entspannter. Es ist<br />

einfach so.<br />

Seit wann sind Sie wie<strong>der</strong> richtig im<br />

Training?<br />

Seit März. Bis dahin habe ich nur<br />

gelernt, bin Fahrrad gefahren und habe<br />

ein bisschen Krafttraining gemacht.<br />

Und wie sieht Ihr Training seit März<br />

2003 aus?<br />

Ich habe wie<strong>der</strong> Spikes an und mache<br />

Übungen, die wie-<br />

<strong>der</strong> ein bisschen<br />

mit Leichtathletik<br />

zu tun haben.<br />

Das hört sich alles<br />

nicht gerade nach<br />

großen Erwartungen<br />

an…<br />

Sagen wir es so:<br />

Ich habe meine Ansprüche relativiert.<br />

Ich erwarte nicht mehr von mir, 9000<br />

Punkte im Zehnkampf zu machen.<br />

Früher kannte man nur den super-ehrgeizigen<br />

<strong>Frank</strong> <strong>Busemann</strong>. Erleben wir<br />

2003 den neuen <strong>Frank</strong> <strong>Busemann</strong>?<br />

Ich habe im Winter viel Zeit zum Nachdenken<br />

gehabt. Und ich glaube, dass<br />

ich eine Entwicklung durchgemacht<br />

habe, die zwar viel Kraft gekostet <strong>hat</strong>,<br />

aber hoffentlich gut für mich sein könnte.<br />

Ich sehe jetzt viele Dinge gelassener<br />

als früher. Wie ein Opa, <strong>der</strong> alles erlebt<br />

<strong>hat</strong>, <strong>der</strong> mit dem Leben abgeschlossen<br />

<strong>hat</strong> (lacht). Alles, was jetzt noch kommt,<br />

ist Zugabe. Wenn nichts mehr kommt,<br />

habe ich auch so schöne Erlebnisse<br />

gehabt. Diese Einstellung <strong>hat</strong> aber<br />

nichts mit meiner Motivation zu tun.<br />

Ist Ihr Traum, die Bestleistung von<br />

Atlanta 1996 nochmals zu verbessern,<br />

damit begraben?<br />

Der Traum flackert noch ein bisschen.<br />

Leichtathletik magazin - 63


Fotos: Imago (3), Chai (2)<br />

„<br />

<strong>Frank</strong> <strong>Busemann</strong><br />

Aber davon bin ich momentan ziemlich<br />

weit entfernt. Natürlich mache ich den<br />

Sport, weil ich besser werden will. Ich<br />

mache das ja nicht, weil ich gegen den<br />

Verfall ankämpfen möchte. Ich möchte<br />

sehen, dass es noch was bringt, wenn<br />

ich mich auf den Sportplatz stelle.<br />

Sie haben also den Traum verdrängt,<br />

Atlanta vielleicht eines Tages wie<strong>der</strong>holen<br />

zu können?<br />

Mit Verdrängung <strong>hat</strong> das nichts zu tun.<br />

Ich habe mich lange und intensiv mit<br />

<strong>der</strong> Sache beschäftigt. Ich musste mit<br />

mir auch erst ins Reine darüber kommen,<br />

welche Perspektiven ich überhaupt<br />

noch habe, und was ich eigentlich<br />

will.<br />

Und was wollen Sie?<br />

Vor zwei Jahren <strong>hat</strong>te ich die Angst,<br />

dass ich irgendwann aufhören muss,<br />

ohne das erreicht zu haben, was ich mir<br />

mit 21 Jahren als Ziel gesteckt <strong>hat</strong>te.<br />

Damals wollte ich natürlich noch mal<br />

besser sein als in Atlanta, die 9000<br />

Punkte spukten im Kopf herum. Dann<br />

<strong>hat</strong> mir Roman Sebrle geholfen. Bis zu<br />

den 9000 Punkten <strong>hat</strong>te ich keine Zeit.<br />

Sebrle <strong>hat</strong> 9000 Punkte gemacht, und<br />

mir da<strong>bei</strong> gezeigt, dass <strong>der</strong> Sport nicht<br />

aus 9000 Punkten besteht, son<strong>der</strong>n aus<br />

zehn Disziplinen, die unheimlich schön<br />

sein können. Da habe ich begonnen,<br />

mich wie<strong>der</strong> mehr auf den Sport an<br />

sich zu konzentrieren und nicht mehr<br />

nur darauf, möglichst viele Punkte zu<br />

machen. Ich <strong>hat</strong>te wie<strong>der</strong> Zeit.<br />

Hat Ihnen noch jemand geholfen, diese<br />

Erkenntnis zu finden?<br />

Ich habe ziemlich viel mit mir selbst<br />

geredet. Ich habe versucht mir Pakete<br />

zu packen, die ich auch greifen kann.<br />

Meine Freundin Katrin <strong>hat</strong> mir sehr<br />

da<strong>bei</strong> geholfen. Auch Freunde, die vielleicht<br />

nur einmal die Woche Sport<br />

machen. Sie alle haben versucht zu verstehen,<br />

was mir <strong>der</strong> Sport bedeutet. Sie<br />

haben mir viel geholfen.<br />

Sind Sie kein Zehnkampf-Junkie mehr,<br />

wie Sie <strong>der</strong> Fernseh-Journalist Friedrich<br />

Bohnenkamp in einer seiner Reportagen<br />

einmal bezeichnet <strong>hat</strong>?<br />

Oh, doch. Einmal Zehnkämpfer, immer<br />

Zehnkämpfer. Ich brauche die Tempoläufe,<br />

ich muss mich auspowern. Ich<br />

habe mir für dieses Jahr zum Beispiel<br />

64 - Leichtathletik magazin<br />

„Ich habe begonnen,<br />

mich wie<strong>der</strong> mehr<br />

auf den Sport an sich<br />

zu konzentrieren“<br />

eine neue Bestleistung über 400 Meter<br />

zum Ziel gesetzt.<br />

Sie müssen schließlich ihre Speerwurf-<br />

Leistung kompensieren. Nach <strong>der</strong> Ellenbogen-<strong>Verletzung</strong><br />

2001 in Ratingen<br />

können Sie nicht mehr mit Ihrem starken<br />

linken Arm werfen. Wieviel kostet<br />

die Umstellung auf den rechten Arm?<br />

Ich gehe davon aus, dass es 10 bis 15<br />

Meter weniger werden. Da rechnet man<br />

natürlich schon ein bisschen hin und<br />

her. Es gibt aber zum Glück neun an<strong>der</strong>e<br />

Disziplinen, in denen man etwas gut<br />

machen kann. Grundsätzlich habe ich<br />

mir aber das Punktezählen abgewöhnt.<br />

Ich habe früher vor jedem Wettkampf<br />

durchgerechnet, wie viele Punkte möglich<br />

sind. Es ist nie das eingetreten, was<br />

ich mir vorher zusammengerechnet<br />

<strong>hat</strong>te.<br />

Sie haben zwischenzeitlich auch als<br />

Weitspringer geglänzt. In Berlin 2001<br />

haben Sie nur knapp gegen Ivan Pedroso<br />

verloren und sind 8,04 Meter weit<br />

gesprungen. Warum lehnen Sie eine<br />

neue Karriere als Weitspringer ab?<br />

Weil man da keine 400 Meter laufen<br />

darf. Da steigt man nach 45 Metern<br />

Anlauf aus <strong>der</strong> Grube als hätte man<br />

überhaupt keinen Sport gemacht – nur<br />

ein bisschen dreckiger. Das Gedankenspiel<br />

<strong>hat</strong> es schon gegeben. Aber meine<br />

Fußverletzung habe ich mir <strong>bei</strong>m Weitsprung<br />

zugezogen, da macht es wenig<br />

Sinn, ganz auf die Karte Weitsprung zu<br />

setzen, da ich dann auch wie ein Weitspringer<br />

trainieren müsste – das wäre<br />

<strong>der</strong> sichere Untergang.<br />

Sie hätten nicht einmal den Trainer<br />

wechseln müssen. Bernd Knut ist ein<br />

hervorragen<strong>der</strong> Weitsprung-Coach…<br />

Ja, das stimmt. Das ist aber kein Thema<br />

mehr. Bernd Knut war aber ausschlaggebend<br />

für meinen Wechsel nach<br />

Leverkusen. Er war für mich und meinen<br />

Vater <strong>der</strong> einzige Trainer, <strong>der</strong> so viel<br />

Sensibilität mitbringt, dass er es mit mir<br />

aufnehmen konnte. Mein Vater <strong>hat</strong> den<br />

Schritt ja eingeleitet, als er die Entscheidung<br />

getroffen <strong>hat</strong>, nicht mehr für mein<br />

Training verantwortlich sein zu wollen.<br />

Es ist ja nicht so leicht, einen wie mich<br />

ins Nest gesetzt zu bekommen. Wir<br />

mussten erst mal jemanden finden, <strong>der</strong><br />

die Aufgabe übernehmen wollte.<br />

Macht Bernd Knut vieles an<strong>der</strong>s als ihr<br />

Vater?<br />

Im Großen und Ganzen ähnelt sich das<br />

Training. Ich mache vielleicht minimal<br />

mehr Krafttraining und etwas weniger<br />

Ausdauer. Das sind aber nur Nuancen.<br />

Bernd Knut ist genauso einfühlsam wie<br />

mein Vater. Er gesteht mir – wie auch<br />

mein Vater das getan <strong>hat</strong> – sehr viel<br />

Eigenverantwortung zu. Beide akzeptie-<br />

Seine zahlreichen<br />

<strong>Verletzung</strong>en<br />

haben den<br />

Menschen und<br />

den Sportler<br />

<strong>Frank</strong> <strong>Busemann</strong><br />

verän<strong>der</strong>t<br />

ren meine Meinung. Mitte Mai habe ich<br />

mich entschieden, im Juni in Wien <strong>bei</strong><br />

einem 100-Minuten-Zehnkampf zu starten.<br />

Eigentlich ist das total hirnverbrannt,<br />

aber ich möchte das gerne<br />

machen. Da <strong>hat</strong> Bernd gesagt: ,Okay,<br />

wenn du das unbedingt möchtest, dann<br />

machen wir das.’ Ihm ist es sehr wichtig,<br />

dass sich <strong>der</strong> Athlet wohl fühlt.<br />

Freundin Katrin ist<br />

<strong>Frank</strong> <strong>Busemann</strong>s großer<br />

Rückhalt in guten und<br />

schlechten Zeiten<br />

Hat die Auflösung des „Systems <strong>Busemann</strong>/<strong>Busemann</strong>“<br />

die Beziehung zu<br />

Ihrem Vater verän<strong>der</strong>t?<br />

Eher gestärkt. Ich habe ihm das hoch<br />

angerechnet, dass er diesen Schritt<br />

gemacht <strong>hat</strong>. Dass er den Mumm <strong>hat</strong>te,<br />

zu sagen, es ist das Beste, jetzt aufzuhören.<br />

Die Entscheidung zu treffen,<br />

dass er mir nicht mehr weiterhelfen<br />

Für das beson<strong>der</strong>e<br />

Glücksgefühl im<br />

Wettkampf lohnt<br />

es sich für <strong>Frank</strong><br />

<strong>Busemann</strong> weiter<br />

zu kämpfen<br />

kann, nicht zu klammern, <strong>hat</strong> <strong>bei</strong> mir<br />

Hochachtung ausgelöst.<br />

Und seitdem war Ihr Vater nicht mehr<br />

<strong>bei</strong> einem Wettkampf da<strong>bei</strong>.<br />

Das <strong>hat</strong>te aber nicht nur mit dem Ende<br />

meiner Betreuung zu tun. Es sind auch<br />

an<strong>der</strong>e Dinge passiert, die ihm sauer<br />

aufgestoßen sind. Seit Februar <strong>hat</strong> er<br />

aber wie<strong>der</strong> einen jungen Athleten und<br />

steht schon wie<strong>der</strong> dreimal die Woche<br />

auf dem Platz.<br />

Sie sind Mitglied im Zehnkampf-Team,<br />

das in den 90er-Jahren mit ambitionierten<br />

Zielen gestartet ist. Man hört in<br />

letzter Zeit wenig vom Team.<br />

Ich habe mich da etwas distanziert,<br />

nachdem ich zu Beginn meiner Laufbahn<br />

als Zehnkämpfer sehr euphorisch<br />

war. Ich <strong>hat</strong>te da wirklich meine Heimat<br />

gefunden. Dann gab es einen Vorfall,<br />

<strong>der</strong> mich vor allem menschlich enttäuscht<br />

<strong>hat</strong>.<br />

Was ist passiert?<br />

Ein Zehnkampf-Kollege <strong>hat</strong> öffentlich<br />

erzählt, dass ich mich ständig in den<br />

Vor<strong>der</strong>grund drängen würde, und mein<br />

Vater würde mich auch noch pushen.<br />

Ich <strong>hat</strong>te vorher gedacht, wir würden<br />

uns gut verstehen, er bezeichnete unsere<br />

Beziehung dann als neutral. Danach<br />

habe ich vieles auf den Prüfstand<br />

gestellt. Aber das ist natürlich ein sehr<br />

subjektives Empfinden.<br />

Ist Ihnen aufgrund <strong>der</strong> neu gewonnenen<br />

Erkenntnisse die berufliche Perspektive,<br />

also Ihr Studium <strong>der</strong> Wirtschaftswissenschaft,<br />

wichtiger als noch<br />

vor einem Jahr?<br />

Ich bin jetzt im zehnten Semester – und<br />

noch im Grundstudium. Das ist ziemlich<br />

rekordverdächtig. Da habe ich<br />

zuletzt wie<strong>der</strong> etwas mehr gemacht.<br />

Auch meine Freundin <strong>hat</strong> mich bestärkt,<br />

mein Studium zu forcieren. Überhaupt<br />

<strong>hat</strong> sich unsere ganze Beziehung in<br />

eine so positive Richtung entwickelt,<br />

dass ich mehr denn je weiß, dass das<br />

Leben nicht nur aus Sport besteht. Insofern<br />

waren die vergangenen Monate<br />

auch eine sehr schöne Zeit.<br />

Haben sie da<strong>bei</strong> auch an Heirat o<strong>der</strong><br />

„Ich weiß heute mehr<br />

denn je, dass das<br />

Leben nicht nur aus<br />

Sport besteht“<br />

Kin<strong>der</strong> gedacht?<br />

Ja klar, das ist aber nicht ganz neu. Da<br />

haben wir auch vor drei Jahren schon<br />

mal drüber nachgedacht. Wann es<br />

soweit ist, wissen wir nicht. Wir können<br />

es uns aber gut vorstellen.<br />

Trotz <strong>der</strong> <strong>Verletzung</strong>en in den <strong>bei</strong>den<br />

vergangenen Jahren gab es einen <strong>Frank</strong><br />

<strong>Busemann</strong>, <strong>der</strong> abseits <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />

einen Weltklasse-Mehrkampf<br />

bestritt. Das war Anfang Februar 2002<br />

<strong>bei</strong> ihrem deutschen Siebenkampf-Hallenrekord<br />

in Tallinn. Wie wichtig war<br />

dieser Wettkampf in Ihrer Karriere?<br />

Wahnsinnig wichtig. Ich <strong>hat</strong>te damals<br />

erst ein halbes Jahr <strong>bei</strong> Bernd Knut trainiert.<br />

Ich kam dort sofort gut in den<br />

Wettkampf rein. Und das, obwohl acht<br />

Wochen zuvor noch ein Bän<strong>der</strong>riss<br />

dazu gekommen war und ein paar Tage<br />

vorher auch die Leiste Probleme<br />

gemacht <strong>hat</strong>te. Da <strong>hat</strong>te ich schon wie<strong>der</strong><br />

alle Fälle davon schwimmen sehen.<br />

Aber ich habe den Wettkampf zu Ende<br />

gebracht. Ich war danach so unendlich<br />

glücklich, weil ich mir gezeigt <strong>hat</strong>te: Es<br />

geht noch, ich kann noch was erreichen.<br />

Da haben so viele Kleinigkeiten<br />

zusammengepasst. Gegen Klaus Isekenmeier<br />

habe ich eine Big Mac-Menü<br />

gewonnen, weil ich gesagt <strong>hat</strong>te, ich<br />

springe 2,10 Meter – und ich bin 2,10<br />

Meter gesprungen. Als Gewinn gab es<br />

eine Statue, die wird bis an mein<br />

Lebensende <strong>bei</strong> uns im Wohnzimmer<br />

stehen, weil ich auf diesen Wettkampf<br />

so stolz war. Da<strong>bei</strong> bin ich wirklich nicht<br />

<strong>der</strong> Typ, <strong>der</strong> sich Pokale in die Bude<br />

stellt.<br />

Leichtathletik magazin - 65


Fotos: Chai (2)<br />

„ <strong>Frank</strong> <strong>Busemann</strong><br />

Trafen auf einen sehr nachdenklichen <strong>Frank</strong> <strong>Busemann</strong>: Die Leichtathletik<br />

magazin-Redakteure Joël Kruse (l.) und Norbert Hensen<br />

Waren Sie auch glücklich, weil Sie allen<br />

zeigen konnten: den <strong>Busemann</strong> darf<br />

man nicht abschreiben?<br />

Eigentlich nicht. Der Erfolg zählte nur<br />

für mich selbst und meinen Trainer.<br />

Diese Leistung war auch ein Dank an<br />

ihn.<br />

Haben Sie dort das Atlanta-Gefühl wie<strong>der</strong><br />

erlebt?<br />

Nein, Atlanta war wie ein Traum. In Tallinn<br />

gab es keine Leistung, die ich nicht<br />

erklären konnte. Atlanta lief auf einer<br />

an<strong>der</strong>en Ebene ab. Atlanta ist für mich<br />

Seuche und Segen zugleich. Ich habe<br />

Glücksmomente erlebt, wie sie im Sport<br />

vielleicht nicht viele Menschen erfahren<br />

dürfen. Diesem Glücksmoment bin ich<br />

jahrelang hinterher gelaufen, ich habe<br />

immer gedacht, nur diese Momente im<br />

Sport zählen.<br />

Ist dieser Trieb heute abgestellt?<br />

In gewisser Weise, ja. Ich möchte natürlich<br />

immer noch schöne Momente<br />

durch den Sport erleben. Aber das<br />

Atlanta-Gefühl wird es nicht mehr<br />

geben. Das war ein magischer Moment.<br />

Es werden in Zukunft an<strong>der</strong>e Dinge<br />

sein, die mich glücklich machen. Vielleicht<br />

ein Wettkampf so wie in Tallinn.<br />

Formulieren Sie doch ein Ziel für das<br />

Jahr 2003.<br />

Da<strong>bei</strong> sein ist alles. O<strong>der</strong> besser: Ich<br />

möchte mich selbst überraschen. Ich<br />

werde nicht mehr in 13,45 Sekunden<br />

über die Hürden laufen, aber wenn es<br />

13,80 Sekunden werden, sage ich:<br />

Wow, das war ein super Gefühl. Für<br />

mich zählt im Moment nur die persönliche<br />

Leistung und kein Rekord.<br />

66 - Leichtathletik magazin<br />

Wird 2003 ein Zwischenjahr, um 2004<br />

in Athen – wie <strong>bei</strong> <strong>der</strong> WM 1997 – wie<strong>der</strong><br />

eine Medaille zu gewinnen?<br />

Ein Zwischenjahr gibt es auf keinen Fall.<br />

Es ist eher <strong>der</strong> Knackpunkt <strong>der</strong> Karriere.<br />

Ich plane nicht mehr so langfristig.<br />

Wenn ich gesund bin und die Leistung<br />

stimmt, möchte ich auch zur WM.<br />

Zuerst kommt jetzt <strong>der</strong> Stundenzehnkampf,<br />

danach werde ich mich mit <strong>der</strong><br />

WM-Quali in Ratingen beschäftigen.<br />

In Ratingen ging 2001 <strong>der</strong> Ellenbogen<br />

kaputt, 2002 mussten Sie nach Schmerzen<br />

im Sprunggelenk nach dem Weitsprung<br />

aufgeben. Was tun Sie, um am<br />

12. und 13. Juli diesen Jahres nicht an<br />

Balsam für den geschundenen<br />

Körper nach einer anstrengenden<br />

Trainingseinheit: die Hände<br />

von Bayer-Physiotherapeut<br />

Klaus Zan<strong>der</strong><br />

diese Dinge denken zu müssen?<br />

Ich beschäftige mich ganz intensiv mit<br />

dem, was passiert ist. Klar habe ich<br />

mich 2001 schwer am Ellenbogen verletzt.<br />

Aber ich habe auch neun Disziplinen<br />

gegen den inneren Schweinehund<br />

angekämpft und habe viele Vorgaben<br />

von mir erreicht. Im vergangenen Jahr<br />

hätte ich überhaupt nicht antreten dürfen,<br />

nachher ist man natürlich immer<br />

klüger. Aber Angst habe ich nicht. Wenn<br />

was passiert, dann passiert es.<br />

Was passiert mit <strong>Frank</strong> <strong>Busemann</strong>,<br />

wenn Ihr Körper den Zehnkampf von<br />

Ratingen nicht durchsteht?<br />

Das än<strong>der</strong>t an meiner momentanen<br />

Haltung nichts. Wenn ich durchkomme,<br />

freue ich mich, wenn nicht durchkomme,<br />

dann ist das natürlich blöd. Aber<br />

die Brechstange ist eingepackt, ich höre<br />

nur noch auf mein Gefühl.<br />

Könnte es auch das Ende Ihrer Karriere<br />

sein?<br />

Natürlich sind die Olympischen Spiele<br />

2004 in Athen ein Ziel für mich. Aber<br />

ich mache das nicht ausschließlich von<br />

meiner Verfassung abhängig. Wenn ich<br />

im Juli in Ratingen den Lauf meines<br />

Lebens habe, und ich haue eine Punktzahl<br />

raus, mit <strong>der</strong> ich überhaupt nicht<br />

mehr rechnen konnte, vielleicht sage<br />

ich dann auch: Danke, das war´s. t<br />

„ ZUR PERSON<br />

<strong>Frank</strong> <strong>Busemann</strong><br />

Geboren: 26. Februar 1975 in<br />

Recklinghausen<br />

Größe/ Gewicht: 1,92 m / 87 kg<br />

Vereine<br />

FC Schalke 04 (1985-1991),<br />

LG Olympia Dortmund (1992-2000),<br />

seit 2001 TSV Bayer 04 Leverkusen<br />

Trainer: Bernd Knut<br />

Sportliche Erfolge<br />

1993: 3. JEM (110 m Hü), 1994: 1.<br />

JMW (110 m Hü); 1996: 1. EC-Cup,<br />

2. OS, 1997: 1. U23-EM (110 m Hü),<br />

3. WM; 2000: 7. OS.<br />

Leistungsentwicklung<br />

Jahr Alter 60 Hü 110 Hü 10-Kampf<br />

1993 18 7,94 14,06 -<br />

1994 19 7,67 13,47 7938<br />

1995 20 7,54 13,58 7879<br />

1996 21 - 13,45 8706<br />

1997 22 7,52 13,49 8652<br />

1998 23 - 13,70 8231<br />

1999 24 - 13,85 8414<br />

2000 25 - 13,98 8531<br />

2001 26 - 14,21 8192<br />

2002 27 7,88 - -<br />

Autogrammadresse<br />

<strong>Frank</strong> <strong>Busemann</strong>, Pflugweg 97,<br />

58454 Witten<br />

Homepage<br />

www.frank-busemann.de

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