Ein Jahr nach morgen - WDR.de
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6 | <strong>Ein</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>nach</strong> <strong>morgen</strong><br />
Sie erzählen auch, wie als Erklärung <strong>de</strong>r Katastrophe<br />
wie<strong>de</strong>r einmal Computerspiele herhalten müssen.<br />
Wir brauchen Erklärungen, weil Erklärungen Erlösung<br />
be<strong>de</strong>uten. Scheißegal, wie sehr wir sie an <strong>de</strong>n Haaren<br />
herbeiziehen müssen. Hauptsache, wir können <strong>de</strong>n<br />
Blick in <strong>de</strong>n eigenen Abgrund vermei<strong>de</strong>n.<br />
Woher kommt diese Sprachlosigkeit?<br />
Mir scheint, es fehlt das Unmittelbare. Das Klare,<br />
manchmal Unbedachte, aber Greifbare im Umgang<br />
miteinan<strong>de</strong>r. Es wird soviel Energie verwen<strong>de</strong>t, um<br />
sich nicht zu zeigen. Sich nicht einzulassen. Keine<br />
Haltung zu beziehen. Man bleibt sich fremd. Wie ein<br />
Zuschauer, <strong>de</strong>r das Leben mit unnahbar neutralem<br />
Lächeln beobachtet.<br />
Was, glauben Sie, wird Ihr Film auslösen?<br />
Ich wünsche mir, dass <strong>de</strong>r Zuschauer die Hitze spürt,<br />
die drin steckt.<br />
Könnte es Ihrer Meinung <strong>nach</strong> auch zu einer moralischen<br />
Diskussion darüber kommen, ob <strong>de</strong>r Film zu<br />
dicht an <strong>de</strong>r Täterin ist? Luca wirkt in ihrer Verlorenheit<br />
und Radikalität ja durchaus faszinierend.<br />
Wir entschuldigen Lucas Tat nicht. Wir setzen uns mit<br />
<strong>de</strong>r gesellschaftlichen Atmosphäre auseinan<strong>de</strong>r, in<br />
<strong>de</strong>r das Schreckliche passiert. Was Luca in ihren Tagebuchtexten<br />
zum Ausdruck bringt, ist ein tiefer<br />
Schmerz. Wut und Verzweiflung über all das Kaputte,<br />
die Verlogenheit. Das hat Kraft. Und ist verstörend.<br />
Das Entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> ist die Haltung, mit <strong>de</strong>r wir unsere<br />
Geschichte erzählen. Ich glaube an Filme, die sich<br />
nicht auf <strong>de</strong>r sicheren Seite bewegen.<br />
Verstörend ist auch die Annäherung von Lucas<br />
Mutter und Julius.<br />
Fin<strong>de</strong>n sie? Für mich ist sie zwangsläufig. Und aufregend.<br />
Bei<strong>de</strong> sind Aus-<strong>de</strong>r-Welt-Gefallene, die an ihrer<br />
gefühlten Schuld fast ersticken. Aber niemand ist<br />
da, <strong>de</strong>m sie sich mitteilen können. Julius Vater ist voll<br />
gut gemeinter Zuneigung zu seinem Sohn, aber die<br />
Verzweiflung hält er unter <strong>de</strong>m Deckel. Und Jürgen<br />
will sein Leben schaffen, es durchstehen. Aber auf<br />
keinen Fall verstehen. Und Katharina ist eine unberührte<br />
Frau. Wahrscheinlich hat es in ihrer Ehe in <strong>de</strong>n<br />
letzten zehn <strong>Jahr</strong>en außer einem Schulterklopfen<br />
keine weitere Berührung mehr gegeben. Sie gehört<br />
zu <strong>de</strong>n Frauen, die alles haben und trotz<strong>de</strong>m einsam<br />
sind. Mit Männern an ihrer Seite, die sie mit <strong>de</strong>m Satz<br />
»Du schaffst das schon« verkümmern lassen. Jung<br />
geblieben, sportlich und unberührt.<br />
Mit dieser düsteren, unerbittlichen Sicht auf die<br />
Welt ist »<strong>Ein</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>nach</strong> <strong>morgen</strong>« alles an<strong>de</strong>re als gemütliche<br />
Fernsehunterhaltung.<br />
Es ist aufregen<strong>de</strong> Fernsehunterhaltung. Und weil <strong>de</strong>n<br />
Sen<strong>de</strong>rn so oft vorgeworfen wird, sie machen zuviel<br />
Weichspül-Fernsehen, na das trifft hier je<strong>de</strong>nfalls<br />
nicht zu. Ich möchte mich bei <strong>de</strong>n Redakteuren <strong>de</strong>s<br />
<strong>WDR</strong> ausdrücklich bedanken, dass ich diesen Film so<br />
machen konnte, wie ich ihn im Kopf hatte. Und <strong>de</strong>r<br />
Produktionsfirma Kor<strong>de</strong>s & Kor<strong>de</strong>s für ihre Unterstützung.<br />
Es war eine großartige Zusammenarbeit.<br />
Nun ist das ja auch nicht Ihre erste Zusammenarbeit<br />
mit <strong>de</strong>m <strong>WDR</strong> ...<br />
Aber das Spiel beginnt immer wie<strong>de</strong>r neu. Der <strong>WDR</strong> –<br />
wir alle gehen hier ins Risiko. Dafür haben meine<br />
Partner Anerkennung verdient, fin<strong>de</strong>n Sie nicht?<br />
Wie war die Arbeit mit <strong>de</strong>n Schauspielern?<br />
<strong>Ein</strong> wun<strong>de</strong>rbares Ensemble, das wir mit Unterstützung<br />
<strong>de</strong>r Casterinnen Nessi Nesslauer und Maria<br />
Schwarz gefun<strong>de</strong>n haben. Ich habe mich über die<br />
Zusage von je<strong>de</strong>m einzelnen Schauspieler gefreut.<br />
Keiner von ihnen ist austauschbar.<br />
Für Luca-Darstellerin Gloria Endres <strong>de</strong> Oliveira war<br />
es die erste große Rolle.<br />
Gloria ist das Glück, das man im Film braucht. Ihre<br />
Dimension bewegt sich jenseits von handwerklichen<br />
Fähigkeiten. Sie hat dieses Geheimnis, diese Magie,<br />
die die Leinwand füllt. Und dabei eine professionelle<br />
Radikalität – so etwas ist nicht erlernbar.<br />
Und die an<strong>de</strong>ren Jungschauspieler?<br />
Jannis Niewöhner ist <strong>de</strong>r Typ, in <strong>de</strong>n sich je<strong>de</strong> Frau<br />
sofort verknallt. Strahlend und mit großem Talent<br />
gesegnet hat er sich schon lange in die Herzen von<br />
Deutschlands Teenies gespielt. Bei uns zeigt er, dass