ein Rückblick - Katholische Theresienschule
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Seite 6<br />
Mit dem Fall der Mauer änderte<br />
sich vieles. Wie sich das christliche<br />
Leben nach der Wiederver<strong>ein</strong>igung<br />
in den Neuen Bundesländern<br />
entwickelte, veranschau licht<br />
die <strong>Katholische</strong> SonntagsZeitung<br />
im Folgenden an drei Beispielen.<br />
BERLIN - Die <strong>Theresienschule</strong> war<br />
die <strong>ein</strong>zige katholische Mädchenschule<br />
der DDR, die zum staatlich<br />
anerkannten Abi tur führte. 1894 von<br />
Mitgliedern der Gem<strong>ein</strong>de Herz Jesu<br />
in Berlin-Prenz lauer Berg gegründet,<br />
hat sie ereignisreiche Zeiten durchlebt:<br />
Sie überdauerte den Zweiten<br />
Weltkrieg, widerstand den Schikanen<br />
des DDR-Regimes und erneuerte sich<br />
grundlegend nach dem Fall der Berliner<br />
Mauer.<br />
„Es war alles so bunt: die Leuchtreklame<br />
und die vielen Menschen“, erinnert<br />
sich Kristin Münchow an ihr „erstes<br />
Mal“ im Westen. Es war am 10. November<br />
1989, am Tag nach dem Mauerfall,<br />
und am ersten Tag in ihrem Leben, an<br />
dem sie die Schule schwänzte. Kristin<br />
Münchow ging damals in die 11. Klasse<br />
der <strong>Katholische</strong>n <strong>Theresienschule</strong>, die<br />
sich im Osten von Berlin in der Schönhauser<br />
Allee neben der Kirche Herz Jesu<br />
befand. „Wir sind mehr oder weniger<br />
aus dem Schulgebäude geflüchtet. Ein<br />
Lehrer hat noch versucht, uns aufzuhalten.<br />
Aber wir wollten an so <strong>ein</strong>em historischen<br />
Tag k<strong>ein</strong>en Unterricht machen“,<br />
erklärt sie. Nachdem die 11. Klasse die<br />
Schule verlassen hatte, schloss die damalige<br />
stellvertretende Direktorin, Elisabeth<br />
Hübschmann, aus Sorge um die<br />
verbliebenen Mädchen die Schule ab<br />
und informierte die Eltern.<br />
„Das war <strong>ein</strong>e hochdramatische Situation.<br />
Die Mädchen haben rebelliert.<br />
Sie haben gedacht, sie verpassen etwas.<br />
Aber wusste man denn, was sich an den<br />
Checkpointen abspielte? Wir hatten immerhin<br />
die Verantwortung für die Schülerinnen“,<br />
rechtfertigt Anna liese Kirchberg<br />
die damalige Entscheidung, die<br />
Jugendlichen nicht „<strong>ein</strong>fach so“ gehen zu<br />
lassen. Kirchberg kam im Juli 1989 als<br />
Direktorin an die <strong>Theresienschule</strong>, die<br />
damals aus 91 Mädchen und zwölf Lehrern<br />
bestand. Einige Eltern hätten sich im<br />
Nachhin<strong>ein</strong> über das überängstliche Vorgehen<br />
der Schulleitung beklagt, sagt sie.<br />
Die Mehrheit der Väter und Mütter, die<br />
an diesem Tag angerufen worden seien,<br />
hätten jedoch ihren Kindern den „Wandertag“<br />
in den Westen verboten.<br />
Ungewisse Zukunft<br />
„Dieser politische Augenblick war<br />
<strong>ein</strong>fach zu groß, als dass man ihm gewachsen<br />
gewesen wäre“, erklärt die<br />
Schulleiterin. Die Zukunft sei schließlich<br />
in der damaligen Situation k<strong>ein</strong>eswegs<br />
offensichtlich gewesen. „Man hat<br />
sich daher nur so weit aus dem Fenster<br />
gelehnt, wie man es riskieren konnte.“<br />
Annaliese Kirchberg hat die Schikanen<br />
des DDR-Regimes gegen die katholische<br />
Schule noch erlebt. Vor der<br />
Wende war es immer wieder zu Schulvisitationen<br />
gekommen: Die Abteilung<br />
Volksbildung kontrollierte den Unterricht<br />
und befragte anschließend die<br />
Lehrer nach ihrer politischen Einstellung.<br />
Mehrmals war die <strong>Theresienschule</strong><br />
von der Schließung bedroht. „Der<br />
Im BRENNPUNKT<br />
<strong>Katholische</strong> SonntagsZeitung 7./8. November 2009 / Nr. 45<br />
Wandertag in den Westen<br />
<strong>Theresienschule</strong> in „hochdramatischen“ Zeiten<br />
Parellelen zwischen gestern und heute: Auch das neue Schulgebäude in Berlin-Weißensee<br />
liegt direkt gegenüber <strong>ein</strong>er Kirche. Fotos: <strong>Theresienschule</strong>, Müller (2)<br />
Mauerfall war <strong>ein</strong> Befreiungsschlag an<br />
sich“, sagt die Direktorin rückblickend.<br />
„Bis dato waren wir <strong>ein</strong>e kl<strong>ein</strong>e Oberschule,<br />
die vom Magis trat reglementiert<br />
wurde. Die Wende bedeutete von Stund<br />
an neue Entwicklungsmöglichkeiten.“<br />
20 Jahre später hat sich in der Tat<br />
vieles verändert: Aus der ehemaligen<br />
Vierklassenschule ist <strong>ein</strong> grundständiges<br />
Gymnasium mit 700 Schülern<br />
geworden. Seit 1991 befindet sich die<br />
Schule an <strong>ein</strong>em neuen Standort. Der<br />
Umzug nach Berlin-Weißensee wurde<br />
nötig, als die Schulleitung zwei Jahre<br />
nach dem Mauerfall entschied, k<strong>ein</strong>e<br />
r<strong>ein</strong>e Mädchenschule mehr zu s<strong>ein</strong>. „Es<br />
war <strong>ein</strong> starkes Bedürfnis der katholischen<br />
und evangelischen Eltern, auch<br />
ihre Jungs zu uns zu schicken“, erzählt<br />
Annaliese Kirchberg. Das alte Gebäude<br />
in Berlin-Prenzlauer Berg genügte<br />
dem „neuen Ansturm“ nicht mehr. Man<br />
suchte <strong>ein</strong> Ausweichobjekt und fand den<br />
roten Backst<strong>ein</strong>bau in der Behaimstraße,<br />
gleich neben der Kirche St. Josef.<br />
Das Schulgebäude ist mittlerweile fast<br />
vollständig saniert. 1994 baute man <strong>ein</strong><br />
zweites Gebäude für die Naturwissenschaften<br />
hinzu. Zur Zeit werden <strong>ein</strong>e<br />
Doppelsporthalle und weitere Räume<br />
errichtet.<br />
Das Einzugsgebiet der <strong>Theresienschule</strong><br />
ist schon lange nicht mehr der<br />
Osten der Stadt. „Eltern aus den alten<br />
Bundesländern ziehen mittlerweile sogar<br />
nach Pankow, damit ihre Kinder<br />
<strong>ein</strong>en kurzen Schulweg zu uns zu haben“,<br />
erklärt die Direktorin. Mit der<br />
Wende seien auch zahlreiche Kinder<br />
an die Schule gekommen, die k<strong>ein</strong>er<br />
Konfession angehören würden. Dass<br />
viele von diesen nichtgetauften Schülern<br />
donnerstags im Schulgottesdienst<br />
zur Kommunionbank gehen, um sich<br />
den Segen geben zu lassen, freut Kirchberg<br />
ganz besonders. „Ich hätte nicht<br />
für möglich gehalten, dass <strong>ein</strong>e Schule<br />
in der Lage ist, so viel Offenheit zu<br />
erzeugen.“ Aufgeschlossen gegenüber<br />
Neuem sei man hier jedoch schon immer<br />
gewesen, m<strong>ein</strong>t die Schulleiterin.<br />
So habe es an der <strong>Theresienschule</strong> nie<br />
<strong>ein</strong>e „Wessi-Ossi-Problematik“ gegeben.<br />
„Die Schüler sind da fabelhaft<br />
r<strong>ein</strong>gewachsen. Die Wessis waren irgendwann<br />
<strong>ein</strong>fach da, und dann ging es<br />
zur Tagesordnung über.“<br />
Genau so sei es auch im Kollegium<br />
gewesen, das mittlerweile 60 Lehrer<br />
zählt. Nach dem Mauerfall sind viele<br />
Kollegen aus dem Westen gekommen,<br />
die beim Aufbau der Schule mitwirken<br />
wollten. „Es war <strong>ein</strong>e große Freude und<br />
<strong>ein</strong> offenes Auf<strong>ein</strong>anderzugehen“, umschreibt<br />
Annaliese Kirchberg die damalige<br />
Atmosphäre.<br />
Interesse an Vergangenheit<br />
Die Stimmung der Wendezeit haben<br />
die Theresienschüler von heute zwar<br />
nicht miterlebt, sie würden sich aber<br />
sehr für die jüngste deutsche Geschichte<br />
interessieren, m<strong>ein</strong>t die Direktorin. Das<br />
Thema wird nicht nur im Geschichtsunterricht<br />
behandelt. Regelmäßig finden<br />
auch Exkursionen zum Stasigefängnis<br />
in Hohenschönhausen oder zum<br />
Stasiarchiv in der Normannenstraße<br />
statt. Darüber hinaus werden Zeitzeugen<br />
<strong>ein</strong>geladen, die aus ihrer Sicht über<br />
die aufwühlenden Wochen im Herbst<br />
1989 berichten. Viele Kinder seien aber<br />
auch schon von zu Hause geprägt, sagt<br />
Kirchberg. „Da die Eltern der Theresienschüler<br />
<strong>ein</strong> distanziertes Verhältnis<br />
zur DDR hatten, ist auch die Tonlage<br />
zu Hause ablehnend kritisch.“ So etwas<br />
wie DDR-Nostalgie habe sie an der<br />
Schule noch nie gespürt. „Es gibt hier<br />
k<strong>ein</strong>en Schüler, der nicht erkannt hat,<br />
dass die DDR <strong>ein</strong> Unrechtsstaat war.“<br />
Sabrina Müller<br />
Die Stundenpläne von 1989 hat Annaliese<br />
Kirchberg aufgehoben: „Es ist schön, auch<br />
etwas Historisches um sich zu haben.“
7./8. November 2009 / Nr. 45<br />
Im BRENNPUNKT<br />
Vom Rh<strong>ein</strong> an die Havel<br />
In Falkensee leben mehr Zugezogene als Alt<strong>ein</strong>gesessene<br />
FALKENSEE - Die Pfarrei St. Konrad<br />
von Parzham in Falkensee am<br />
Stadtrand von Berlin hatte vor der<br />
deutschen Wiederver<strong>ein</strong>igung rund<br />
950 Gem<strong>ein</strong>demitglieder. Heute sind<br />
es mehr als 2400. Die Mehrzahl der<br />
Katholiken ist aus den Alten Bundesländern<br />
zugezogen. „Ein Herz und<br />
<strong>ein</strong>e Seele“ sind Alt<strong>ein</strong>gesessene und<br />
Zugereiste noch nicht ganz.<br />
Pfarrer Clemens Pullwitt kann sich<br />
über <strong>ein</strong>e leere Kirche nicht beklagen.<br />
Für die wachsende Gem<strong>ein</strong>de mit vielen<br />
jungen Familien ist sie nämlich zu<br />
kl<strong>ein</strong>. Falkensee im „Speckgürtel“ von<br />
Berlin punktet mit hoher Lebensqualität:<br />
Einerseits ist man im Grünen, andererseits<br />
schnell in Spandau oder der<br />
City West. Infolge des Regierungsumzuges<br />
sind viele Rh<strong>ein</strong>länder zugezogen.<br />
Sie müssen sich nun arrangieren<br />
mit den durch die DDR-Zeit geprägten<br />
Brandenburger Katholiken - und diese<br />
sich mit ihnen und den Traditionen und<br />
Erfahrungen, die sie mitbringen.<br />
Knud Piening ist mit s<strong>ein</strong>er Familie<br />
vom Rh<strong>ein</strong> nach Falkensee gekommen,<br />
um hier <strong>ein</strong>e neue Heimat zu finden.<br />
„Grüppchenbildungen“ gebe es in<br />
St. Konrad von Parzham wie überall,<br />
sagt er, ohne es zu dramatisieren: „Die<br />
<strong>ein</strong>en stehen seit 30 Jahren auf dem<br />
Kirchplatz zusammen, andere seit zehn<br />
Jahren, und wer heute zuzieht, schaut<br />
sich nach Gem<strong>ein</strong>demitgliedern um,<br />
die s<strong>ein</strong>e Situation und Altersklasse teilen,<br />
ist doch normal.“ Familie Piening<br />
jedenfalls sei freundlich aufgenommen<br />
worden, die Beheimatung ist geglückt.<br />
Sturheit hilft<br />
Annette Rupprecht aus dem Rh<strong>ein</strong>-<br />
Main-Gebiet hat von solcher Offenheit<br />
nicht viel gespürt: „Nur wenn man stur<br />
ist, kommt man in die Gem<strong>ein</strong>de r<strong>ein</strong>“,<br />
ist ihre Erfahrung. Wer nicht robust genug<br />
ist, festgefügte Kreise aufzubrechen,<br />
würde irgendwann aufgeben und<br />
wegbleiben. Sie selbst hat nicht resigniert,<br />
sondern sich <strong>ein</strong>gemischt: „Im<br />
Westen war ich quasi im Pfarrhaus zuhause,<br />
und jetzt möchte ich in dieser<br />
Gem<strong>ein</strong>de <strong>ein</strong>en Raum finden, in dem<br />
ich mich zuhause fühle.“ Sie wolle<br />
nicht wie <strong>ein</strong> Gast behandelt werden,<br />
der sich nach den Regeln der Gastgeber<br />
auszurichten hat.<br />
Die alt<strong>ein</strong>gesessenen Gem<strong>ein</strong>demitglieder,<br />
inzwischen statistisch in der<br />
Minderheit, reagieren noch etwas verstört<br />
auf derartige Erfahrungen. Zum<br />
<strong>ein</strong>en, weil sie selten offen ausgesprochen<br />
werden, zum anderen, weil man<br />
sich „k<strong>ein</strong>er Schuld bewusst“ ist: Man<br />
habe doch alles angeboten, von Fasching<br />
bis Bibelkreis, von Kirchenchor<br />
bis Herbsttanz, zählt Birgit Heemann<br />
auf und fragt sich, ob manche der „Neuen“<br />
sich womöglich gar nicht integrieren<br />
wollten. Im Pfarrgem<strong>ein</strong>derat hätte<br />
sie von Zugezogenen oft gehört: „Bei<br />
uns wurde das aber so gemacht. Bei uns<br />
durften Kinder im Gottesdienst auch<br />
mal laut s<strong>ein</strong>...“ Manchen Brandenburgern<br />
stößt das bitter auf. Wenigstens in<br />
der Pfarrgem<strong>ein</strong>de will man nicht das<br />
Gefühl haben, unterlegen zu s<strong>ein</strong>. Noch<br />
sind nicht alle Wunden verheilt.<br />
Außerdem bedauert Birgit Heemann,<br />
dass nur wenige bereit seien für Dienste<br />
in der Pfarrei, die kontinuierlich getan<br />
werden müssen. Man möge es lieber<br />
unverbindlich, vermutet sie.<br />
Es sch<strong>ein</strong>t, als fühlten sich die Zugereisten<br />
noch nicht ganz wohl in der<br />
brandenburgischen Diaspora mit ihren<br />
klaren Vorstellungen. Jeden Sonntag<br />
zur Heiligen Messe zu kommen, ist für<br />
Alt<strong>ein</strong>gesessene zum Beispiel selbstverständlich.<br />
So hatten sie die DDR-Zeit<br />
durchgestanden, als die Pfarrgem<strong>ein</strong>de<br />
ihnen Heimat bot, man sich eng um den<br />
Pfarrer scharte. Ein Rh<strong>ein</strong>länder nimmt<br />
die Sonntagspflicht möglicherweise lockerer<br />
oder bevorzugt Mitmach-Familiengottesdienste<br />
für s<strong>ein</strong>e Kinder. Mentalitätsunterschiede<br />
spielen immer noch<br />
<strong>ein</strong>e große Rolle beim Zusammenwachsen<br />
der „lieben Landsleute“.<br />
Religiöse Praxis<br />
Als die Mauer am 9. November 1989<br />
fiel, waren deren Folgen auch für die<br />
Pfarrgem<strong>ein</strong>den nicht immer rückgängig<br />
zu machen. Zu unterschiedlich hatten<br />
sich soziale Strukturen und religiöse<br />
Praxis entwickelt. Während sich westlich<br />
sozialisierte Kirchengem<strong>ein</strong>den<br />
gesellschaftlichen Aufgaben und Außenseitern<br />
öffneten, hatten sich die Pfarreien<br />
im Osten vor allem als Schutzräume<br />
verstanden, um den Repressalien<br />
der DDR-Kirchenpolitik zu trotzen.<br />
40 Jahre „Arbeiter- und Bauern-Macht“<br />
hat möglicherweise die Katholiken etwas<br />
schwermütiger und in sich gekehrter<br />
werden lassen.<br />
Klemens Wegner lebt seit 1961 in<br />
Falkensee. Er hat den Umbruch im<br />
Herbst 1989 und die Aktivitäten sei-<br />
<strong>Katholische</strong> SonntagsZeitung Seite 7<br />
Wenn wie in St. Konrad von Parzham viele Kinder in der Kirche sind, ist das wunderbar,<br />
kann aber mitunter zu Verstimmungen bei der älteren Generation führen. Foto: Frank<br />
tens der Pfarrei erlebt. Danach wurde es<br />
„recht dünn“ mit dem Gem<strong>ein</strong>deleben,<br />
berichtet er: Viele zogen weg, andere<br />
hatten den Kopf voll mit Umschulungen<br />
oder Arbeitssuche. Und wer Arbeit hat-<br />
Dem Engagement <strong>ein</strong>er Elterinitiative<br />
ist die Errichtung der „Christlichen<br />
Kindertagesstätte“ in Woltersdorf<br />
an der Schleuse zu verdanken.<br />
Zu den Mitgründern gehört der Autor<br />
der <strong>Katholische</strong>n SonntagsZeitung,<br />
Professor Wolfgang Stock. Über Motivation,<br />
Ausrichtung und Anspruch<br />
berichtet er im Folgenden:<br />
Reicht es, wenn kl<strong>ein</strong>e Kinder in<br />
der Kita gut „betreut“ werden? Morgens<br />
abgegeben, abends abgeholt,<br />
pünktlich um 10 Uhr alle auf das<br />
Töpfchen, um halb elf alle in den<br />
Garten?<br />
Einer Gruppe von Christen in Woltersdorf,<br />
östlich von Berlin, reichte<br />
die-se Form von Kinderbetreuung<br />
sechs Jahre nach der Maueröffnung<br />
k<strong>ein</strong>esfalls: Kinder sind <strong>ein</strong> Geschenk<br />
Gottes, k<strong>ein</strong> Objekt! Sie sind<br />
zu respektieren, haben <strong>ein</strong> Recht auf<br />
Aus<strong>ein</strong>andersetzung mit ihren Bedürfnissen<br />
und Wünschen.<br />
Aus dieser Einstellung, die deutlich<br />
von den vorhandenen Kita-Angeboten<br />
der Region abwich, entstand<br />
die „Elterninitiative Christliche Kindertagesstätte<br />
Woltersdorf“. Mit<br />
Gottvertrauen und Unterstützung<br />
INFO<br />
te, kam abends meist so spät heim, dass<br />
weder Zeit noch Kraft für Gem<strong>ein</strong>deaktivitäten<br />
übrig blieben. Sogar der Kirchenchor<br />
ging 1991 aus<strong>ein</strong>ander. Als<br />
dann via Regierungsumzug vor allem<br />
junge Familien nach Falkensee kamen,<br />
lebte die Gem<strong>ein</strong>de wieder auf, erzählt<br />
Klemens Wegner. „Aber dass man sagen<br />
könnte, wir sind <strong>ein</strong> Herz und <strong>ein</strong>e<br />
Seele, wie es im Evangelium so schön<br />
heißt, so weit sind wir noch nicht.“<br />
Doch die Gem<strong>ein</strong>de ist auf dem Weg<br />
dahin, so sieht es Pfarrer Pullwitt. Er<br />
versteht sich als „Brückenbauer“, das<br />
hat er bereits am Tag s<strong>ein</strong>er Amts<strong>ein</strong>führung<br />
vor zwei Jahren betont: Für die<br />
Alt<strong>ein</strong>gesessenen soll St. Konrad von<br />
Parzham vertraute Heimat bleiben. Sie<br />
haben die Pfarrei über Jahrzehnte geprägt.<br />
Für die Dazugekommenen muss<br />
die Gem<strong>ein</strong>de Heimat werden. Denn<br />
sie haben ihre sozialen Bindungen, ihre<br />
Familien und Freunde hinter sich gelasssen,<br />
und manchem setzt auch das<br />
Heimweh noch zu. Sie sollen nun in der<br />
Pfarrei „Wurzeln schlagen“.<br />
Alt- und Neu-Falkenseer zusammenzubringen,<br />
damit sie Verständnis für<strong>ein</strong>ander<br />
entwickeln und Rücksicht auf<strong>ein</strong>ander<br />
nehmen, das sieht der Pfarrer als<br />
mitunter anstrengende, aber zwingend<br />
notwendige Aufgabe an: „Setzt Euch an<br />
<strong>ein</strong>en Tisch und erzählt <strong>ein</strong>ander, wie<br />
Ihr gelebt habt, welche Erfahrungen<br />
Ihr gemacht habt und auch, wo Eure<br />
Schmerzgrenzen liegen!“<br />
Wie die Stadt Falkensee im Havelland<br />
wird auch die Pfarrgem<strong>ein</strong>de St. Konrad<br />
von Parzham künftig weiter wachsen<br />
- <strong>ein</strong>e Chance, die deutsch-deutsche<br />
Geschichte besser zu verstehen und die<br />
unterschiedlichen Prägungen des Glaubenslebens<br />
in Ost und in West als bereichernd<br />
wahrzunehmen. Juliane Bittner<br />
Eltern gründen christliche Kindertagesstätte<br />
der Kommune konnte 1997 die<br />
Christliche Kita mit 34 Kindern öffnen.<br />
Anfangs im Ort kritisch beäugt<br />
(„Die beten ja vor dem Essen!“),<br />
explodierten die Anmeldungen in<br />
den Folgejahren. Heute bilden, erziehen<br />
und betreuen sie 150 Kinder.<br />
Alle 15 festangestellten Pädagoginnen<br />
sind Christen - darauf wird<br />
großer Wert gelegt. Frei zu erzählen<br />
von Jesus Christus, christliche<br />
Lieder singen, den Familiengottesdienst<br />
mitgestalten: Das gehört zu<br />
den Anforderungen. Aber ebenso<br />
wird streng auf Qualität geachtet:<br />
2002 wurde die Christliche Kita als<br />
„bester Kindergarten Brandenburgs“<br />
ausgezeichnet, seit 2007 hat sie das<br />
„Kita-Gütesiegel“.<br />
Die klare christliche Ausrichtung<br />
schreckt Nicht-Christen k<strong>ein</strong>eswegs<br />
ab: Weniger als die Hälfte der Kinder<br />
sind getauft, aber vielen Eltern<br />
liegt erkennbar viel an christlichen<br />
Werten.<br />
Und vor allem ist ihnen wichtig:<br />
In der Christlichen Kita werden ihre<br />
Kinder nicht als Objekt betreut, sondern<br />
als Geschenke Gottes ernst genommen.