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Wirklich<br />
très Cher, die<br />
ewige Jugend<br />
Schönheit Rund 500 000 Franken soll<br />
die Sängerin und Schauspielerin Cher<br />
bereits in ihren Körper investiert haben<br />
Den Traum von Schönheit ohne<br />
Verfalldatum träumen die Menschen<br />
schon seit Jahrtausenden.<br />
Doch nie zuvor waren wir so<br />
geschickt darin, die körperliche<br />
Alterung chirurgisch zu kaschieren.<br />
Ungekrönte Königin dieser<br />
Kunst: Cher (60).<br />
MARTIN REICHLIN<br />
«Ich will, dass man mir auch mit 60<br />
noch nachpfeift», hat Cherilyn La Piere<br />
Sarkisian, kurz Cher, einmal freimütig<br />
gesagt. Ob die halb Cherokee-Indianerin,<br />
halb Armenierin am vergangenen<br />
20. Mai, ihrem sechzigsten Geburtstag,<br />
tatsächlich spazieren ging, um zu überprüfen,<br />
ob sich der Wünsch erfüllt hat,<br />
ist nicht bekannt.<br />
Sicher ist dagegen, dass sich die<br />
Künstlerin mehr als einmal in die Hände<br />
geschickter Chirurgen begeben hat,<br />
um ihr ebenmässiges Gesicht, ihre perfekte<br />
Figur und die straffe Haut der Jugend<br />
so lange als möglich zu bewahren.<br />
Öffentlich zugegeben hat Cher Korrekturen<br />
an Décolleté, Nase und Zähnen.<br />
Tatsächlich soll der Körper der zeitlos<br />
schönen Amerikanerin nach über zwei<br />
Dutzend Operationen jedoch längst ein<br />
einziges Gesamtkunstwerk sein. Auf<br />
der Liste der Eingriffe stehen Augenund<br />
Nasenkorrekturen, höhere Wangen,<br />
markanteres Kinn, aufgespritzte<br />
Lippen, mehrmals geliftets Gesicht,<br />
drei Brustvergrösserungen und zwei<br />
Verkleinerungen, ein neuer Bauchnabel,<br />
Fettabsaugen an Bauch, Po und<br />
Oberschenkeln und angeblich sogar das<br />
Entfernen von Rippen, um eine schlankere<br />
Taille zu erhalten.<br />
Solch umfassende Runderneuerung<br />
hat natürlich ihren Preis. Über eine halbe<br />
Million Franken soll Cher bereits für<br />
den Kampf mit dem Skalpell gegen das<br />
Altern ihres Körpers bezahlt haben. Eine<br />
Summe, die nicht überrascht, wenn<br />
man sich als Beispiel die Preise für<br />
Schönheitsoperationen in der Schweiz<br />
ansieht. So kostet eine Brustvergrösserung<br />
hierzulande rund 15 000 Franken,<br />
Fettabsaugen am Bauch 8000 bis 9000<br />
Franken, die Straffung der Bauchdecke,<br />
auch niedlich «Tummy tuck» genannt,<br />
zirka 16 000 Franken. Weitere Angebote<br />
auf dem Menü der Schönheitskliniken:<br />
Entfernen von«Reithosen», ein unschönes<br />
Fettdepot an den Oberschenkeln:<br />
9000 Franken; «Bodylifting» der Haut an<br />
Gesäss und Oberschenkeln: 25 000 Franken;<br />
Fettabsaugen am Knie: 4000 Franken;<br />
schlankere Fesseln: 3000 Franken.<br />
Trotz dieser Preise ist der Trend zur<br />
künstlichen Verbesserung des eigenen<br />
Körpers ungebrochen. Rund 16 Prozent<br />
der Bevölkerung, so ergab eine Studie<br />
der Universität Koblenz bei unserem<br />
nördlichen Nachbarn Deutschland,<br />
sind unzufrieden mit ihrem Äusseren<br />
und wollen diesen Missstand ändern. In<br />
der Schweiz werden jährlich schätzungsweise<br />
80 000 Schönheits-OPs für<br />
durchschnittlich je 5000 Franken<br />
durchgeführt. Und dies, so zumindest<br />
der Trend, an immer jüngeren Menschen.<br />
In den USA ist mittlerweile ein<br />
Fünftel der Patienten unter 35 Jahre alt.<br />
Steuern wir also auf ein Zeitalter des<br />
Narzissmus zu? Wird die Fixierung auf<br />
das perfekte Äussere zur alles beherrschenden<br />
Neurose? Wohl kaum,<br />
schliesslich verehren die Menschen die<br />
Ideale Schönheit und Jugend schon seit<br />
Jahrtausenden. Oder wieso haben sich<br />
wohl Griechen und Trojaner bereits am<br />
Ursprung unserer Zivilisation blutige<br />
Schlachten geliefert? Um der Schönheit<br />
der Helena willen. Und so drohte wohl<br />
kaum der Untergang des Abendlandes,<br />
würde sich Cher wünschen, man möge<br />
ihr auch mit 70 noch nachpfeifen.<br />
AZ_THE_1 2<br />
GESAMTKUNSTWERK ODER «BAUSTELLE»? Cher im Jahr 2005 – nach<br />
über zwei Dutzend Schönheitsoperationen. REUTERS<br />
KAMPF GEGEN DAS ALTERN Cher im<br />
März 1986. AP<br />
ALLES (NOCH) NATUR Cher mit Partner<br />
Sonny im Jahr 1967. PA<br />
MONTAGSINTERVIEW<br />
«Ein Gesicht<br />
lebt nicht von<br />
der Fassade»<br />
Claudia Meuli Chirurgie-Chefärztin<br />
hat grossen Karrieresprung geschafft<br />
Claudia Meuli ist eine von<br />
zwei Professorinnen für<br />
Plastische,Wiederherstellungs-<br />
und Ästhetische<br />
Chirurgie in der Schweiz.<br />
Die Chirurgin über Frauen<br />
in einer Männerdomäne,<br />
wieder angenähte Finger<br />
und Schönheitsoperationen.<br />
FELIX STRAUMANN, SABINA<br />
STURZENEGGER, SIBYLLE KLOSER<br />
Frau Meuli, Sie sind Chefärztin<br />
in der Chirurgie des Kantonsspitals<br />
Aarau und neuerdings<br />
Titularprofessorin für Plastische<br />
Chirurgie an der Universität<br />
Zürich. Ist es nicht ungewöhnlich,<br />
dass Frauen sich in<br />
dieser Männerdomäne durchsetzen<br />
können?<br />
Claudia Meuli: Doch. Lange waren<br />
Frauen in der Chirurgie<br />
tatsächlich eine Seltenheit.<br />
Aber ich hatte immer vollste Unterstützung<br />
durch meine Chefs.<br />
Nur bei Bewerbungen habe ich<br />
schlechte Erfahrungen gemacht.<br />
Und ich bin sowohl als<br />
Chefärztin als auch als Professorin<br />
noch immer eine Exotin: In<br />
der Schweiz gibt es insgesamt<br />
nur drei Frauen, die eine Professur<br />
in einem chirurgischen<br />
Fach innehaben.<br />
Schildern Sie bitte diese<br />
schlechte Erfahrung.<br />
Meuli: Mir wurde in einem Vorstellungsgespräch<br />
einmal gesagt,<br />
man habe nichts gegen<br />
Frauen und als «Dekoration eines<br />
neunköpfigen Teams» wäre<br />
ich nicht schlecht. Das hat mich<br />
sehr getroffen. Ich hätte die Stelle<br />
bekommen, habe aber abgelehnt.<br />
Warum ist Chirurgie eine<br />
Männerdomäne?<br />
Meuli: Es herrscht immer noch<br />
die Meinung vor, dass Frauen<br />
die Arbeit physisch nicht durchstehen.<br />
In der Chirurgie kann es<br />
körperlich hart sein. Eine Operation<br />
kann auch einmal 15<br />
Stunden dauern.<br />
Haben Sie besondere Eigenschaften,<br />
dass Sie es trotzdem<br />
geschafft haben?<br />
Meuli: Man muss durchsetzungsfähig<br />
sein, und es braucht<br />
Ausdauer. Das hat man den<br />
Frauen lange nicht zugetraut.<br />
Inzwischen sind aber viele Frauen<br />
in der Chirurgie tätig – ich<br />
selber habe zwei Mitarbeiterinnen,<br />
beides Mütter. Aber das<br />
Wichtigste, um zu reüssieren,<br />
ist die Freude am Beruf.<br />
Hat die Professur eine spezielle<br />
Bedeutung für Sie?<br />
Meuli: Ja, die Situation ist für<br />
mich sehr speziell. Es ist eine<br />
hohe Anerkennung für meine<br />
Tätigkeit in Wissenschaft und<br />
Lehre sowie für die Arbeit, die<br />
ich im Alltag als Chirurgin mache.<br />
Das ist nichts Selbstverständliches.<br />
Eines Ihrer Spezialgebiete ist<br />
die Handchirurgie.<br />
Meuli: Die Hand ist zwar nur ein<br />
kleiner Teil des Körpers, sie ist<br />
aber sehr komplex aufgebaut.<br />
Die Strukturen sind sehr klein,<br />
was mikroskopisches Arbeiten<br />
mit viel Feingefühl und anatomischem<br />
Wissen erfordert. Ent-<br />
scheidend ist beim Operieren,<br />
dass die Hand funktionstüchtig<br />
bleibt. Entsprechend aufwändig<br />
sind auch Nervenersatzoperationen.<br />
An welchen schwierigen Eingriff<br />
erinnern Sie sich besonders<br />
gut?<br />
Meuli: Ein Schreiner-Lehrling<br />
hatte sich vier Finger abgeschnitten.<br />
Wir hatten das Ziel,<br />
die Finger wieder so anzunähen,<br />
dass er weiterhin mit der Hand<br />
arbeiten kann. Wir mussten die<br />
Finger teilweise vertauschen.<br />
Der junge Mann hat dann die<br />
Lehrabschlussprüfung mit den<br />
angenähten Fingern bestanden.<br />
Das war der berührendste Fall,<br />
den ich operiert habe.<br />
Neben der Handchirurgie machen<br />
Sie auch Plastische und<br />
Wiederherstellungschirurgie.<br />
Wie gross ist der Anteil an<br />
Plastischer Chirurgie?<br />
Meuli: Etwa bei der Hälfte der<br />
rund 2600 Patienten, die unser<br />
Team pro Jahr operiert, werden<br />
plastische Eingriffe vorgenommen.<br />
Wir operieren von Kopf bis<br />
Fuss und vom Säugling bis zum<br />
Greis. Die Plastische Chirurgie<br />
umfasst das ganze Spektrum<br />
von der Wiederherstellungs- bis<br />
zur Schönheitschirurgie. Als<br />
Beispiel ist die Brustchirurgie,<br />
das heisst der Brustaufbau nach<br />
Krebs, Brustverkleinerungen,<br />
-vergrösserungen oder -straffungen,<br />
zu nennen, aber auch die<br />
Tumorversorgung und die Behandlung<br />
von Verbrennungen.<br />
Tumoren und Verbrennungen<br />
verlangen oft eine Haut- oder<br />
Gewebetransplantation.<br />
Transplantieren Sie auch fremde<br />
Körperteile?<br />
Meuli: Wenn Sie Hände und Gesichtsteile<br />
ansprechen: Das<br />
macht man in der Schweiz noch<br />
nicht. Das Problem sind die Me-<br />
Für Gesichtstransplantationen<br />
ist es<br />
noch zu früh.<br />
dikamente zur Unterdrückung<br />
der Abstossungsreaktion. Sie<br />
haben noch zu starke Nebenwirkungen<br />
und können tödliche<br />
Tumoren zur Folge haben. Dazu<br />
kommt der psychologische Faktor<br />
und die Frage: Kann ich mit<br />
einem fremden Körperteil leben?<br />
Deshalb muss man Nutzen<br />
und Ertrag einer Transplantation<br />
abwägen. Technisch wären<br />
auch wir dazu in der Lage. Ein<br />
solcher Eingriff sollte jedoch einer<br />
Universitätsklinik vorbehalten<br />
sein.<br />
Was sagen Sie zum transplantierten<br />
Gesicht in Frankreich?<br />
Finden Sie das gut?
Meuli: Aus den oben erwähnten<br />
Gründen meine ich, es ist noch<br />
zu früh.<br />
Machen Sie auch Geschlechtsumwandlungen?<br />
Meuli: Nein. Es war ein Entscheid<br />
des Spitals, das nicht<br />
mehr zu machen. Im Aargau<br />
gibt es nur wenige Fälle, und die<br />
müssen in einem Zentrum, wie<br />
beispielsweise im Zürcher Unispital,<br />
konzentriert werden.<br />
Dort werden Geschlechtsumwandlungen<br />
durchgeführt. Es<br />
braucht die sehr intensive Arbeit<br />
von spezialisierten Psychiatern.<br />
Die Patienten müssen im<br />
anderen Geschlecht leben, und<br />
dafür benötigen sie psychiatrische<br />
Begleitung.<br />
Welchen Stellenwert hat die<br />
Psychologie oder die Psyche<br />
generell bei Operationen, die<br />
das Äussere eines Menschen<br />
verändern?<br />
Meuli: In der Wiederherstellungschirurgie<br />
ist die Psychologie<br />
sehr wichtig. Wir arbeiten<br />
deshalb eng mit den entsprechenden<br />
Fachleuten zusammen.<br />
Gerade Unfall- und Krebspatienten<br />
brauchen oft Hilfe.<br />
Wie ist das bei Schönheitsoperationen?<br />
Meuli: Da muss man abwägen<br />
können, ob die Person zu uns<br />
kommt, weil sie etwas stört an<br />
ihrem Körper, oder ob etwas<br />
ganz anderes dahintersteckt. Es<br />
gibt zum Beispiel durchaus Leute,<br />
die operationssüchtig sind.<br />
Wo ist die Grenze zwischen<br />
Wiederherstellungschirurgie<br />
und Schönheitschirurgie?<br />
Meuli: Eine Grenze zu ziehen ist<br />
schwierig. Nehmen Sie eine<br />
Frau, die kaum eine Brust hat –<br />
die hat praktisch den Brustkorb<br />
eines Mannes. Ist eine Brustvergrösserung<br />
nun eine Schönheitsoperation<br />
oder rekonstruktive<br />
Chirurgie?<br />
Was ist es für Sie?<br />
Meuli: Für mich ist es keine<br />
Schönheitsoperation, denn psy-<br />
ZUR PERSON<br />
Claudia Meuli-Simmen,<br />
geboren 1957 in Zürich, ist<br />
Chefärztin an der Klinik für<br />
Plastische, Wiederherstellungsund<br />
Handchirurgie am<br />
Kantonsspital Aarau (KSA). Ihr<br />
Medizinstudium schloss Meuli<br />
1982 an der Universität Zürich<br />
ab. Unter anderem arbeitete<br />
sie unter Dr. K. Wintsch und<br />
Dr. P. Helaly in der Klinik für<br />
Plastische, Wiederherstellungsund<br />
Handchirurgie am Kantonsspital<br />
Aarau. Weitere berufliche<br />
Stationen waren die<br />
Bellevue-Klinik in Zürich, die<br />
von Prof. Dr. V. E. Meyer geleitete<br />
Klinik für Wiederherstellungschirurgie<br />
am Universitätsspital<br />
Zürich (Oberärztin<br />
1995 bis 2002) sowie ein mehr<br />
als zweijähriger Forschungsaufenthalt<br />
in San Francisco<br />
(USA). Seit dem 26. Mai 2006<br />
ist Meuli Titularprofessorin für<br />
Plastische, Wiederherstellungsund<br />
Handchirurgie an der Universität<br />
Zürich. Sie ist verheiratet<br />
mit dem Kinderchirurgen<br />
Prof. Dr. med. Martin Meuli. SU-<br />
SI BODMER<br />
chisch stehen solche Frauen<br />
enorm unter Druck.<br />
Wie viele reine Schönheitsoperationen<br />
machen Sie am KSA?<br />
Meuli: Es ist ein kleiner Prozentsatz.<br />
Aber eben: Die Übergänge<br />
zwischen Plastischer und Schönheitschirurgie<br />
sind fliessend.<br />
Widerspricht die Schönheitsoperation<br />
nicht Ihrem medizinischen<br />
Ethos?<br />
Meuli: A priori nicht. Wir haben<br />
immer mehr Wahlmöglichkeiten<br />
im Leben und können in vielen<br />
Bereichen die Natur ein wenig<br />
beeinflussen. Denken Sie an<br />
die Geburtenkontrolle oder die<br />
künstlichen Hüftgelenke, die<br />
breit akzeptiert sind. Das greift<br />
auch auf das Äussere über. Es<br />
gibt allerdings Dinge wie «Gummiwädli»<br />
oder Backen-Implantate,<br />
die ich nicht mache. Sonst habe<br />
ich keine Probleme damit.<br />
Wir gehen ja auch zum Coiffeur,<br />
das ist auch nicht lebensnotwendig.<br />
Unsere Patienten sind<br />
Kunden, die gut beraten und<br />
fachkundig operiert werden<br />
wollen und die für solche Leistungen<br />
selber bezahlen. Das<br />
muss man ihnen bieten können.<br />
Würden Sie sich selber operieren<br />
lassen?<br />
Meuli: Das werde ich oft gefragt<br />
– ich weiss es nicht. Im Moment<br />
sicher nicht. Ich sage nicht prinzipiell<br />
Nein. Ich habe viele Kolleginnen,<br />
die geliftet sind. Ich<br />
hätte kein Problem, zu einem<br />
Schönheitseingriff zu stehen.<br />
Was hat sich in unserer Gesellschaft<br />
verändert, dass wir uns<br />
für Schönheit operieren lassen?<br />
Meuli: In erster Linie haben wir<br />
heute einfach wirksamere Möglichkeiten,<br />
unser Aussehen zu<br />
verändern. Und durch die Werbung<br />
wird perfektes Aussehen<br />
für viele Menschen wichtig, vor<br />
allem im Beruf, und immer<br />
mehr auch für Männer: Manager<br />
wollen mit ihrem Äusseren<br />
zeigen, dass sie jung und dynamisch<br />
sind – nicht zu sprechen<br />
von den Models. Ich verstehe es<br />
AZ_THE_2 3<br />
deshalb, wenn gewisse Leute<br />
dieses oder jenes machen lassen.<br />
Vor allem dann, wenn jemand,<br />
der äusserlich nicht den geltenden<br />
Idealen entspricht, zum Beispiel<br />
weil er eine Hakennase<br />
oder abstehenden Ohren hat,<br />
damit nicht leben kann.<br />
Extremes Beispiel ist wohl<br />
Michael Jackson . . .<br />
Meuli: Bei ihm hätten die Ärzte<br />
vorher «Stopp» sagen müssen.<br />
Ich leiste mir die Freiheit, in gewissen<br />
Fällen zu sagen, «das mache<br />
ich nicht». Es gibt auch Operationen,<br />
die einfach nicht<br />
machbar sind. Ich hatte eine Patientin,<br />
die eine Bruststraffung<br />
wollte. Bei der Form und der<br />
Grösse, die sie für ihre Brust<br />
wollte, musste ich ihr sagen,<br />
dass ihr Gewebe das gewünschte<br />
Resultat nicht zulässt. Die Patientin<br />
war nicht zufrieden und<br />
ging ins Ausland. Das Ergebnis<br />
war eine Katastrophe. Sie kam<br />
zu uns zurück, aber zu spät.<br />
Wie kann man Menschen charakterisieren,<br />
die Schönheitsoperationen<br />
machen?<br />
Meuli: Die Mehrheit sind ganz<br />
normale Leute. Sie wollen sich<br />
nicht «generell überholen» lassen,<br />
sondern ganz spezifisch eine<br />
Operation machen.<br />
Ich verstehe, wenn<br />
gewisse Leute<br />
dieses oder jenes<br />
machen lassen.<br />
MONTAGSINTERVIEW<br />
Welches sind die «Top Five»<br />
der Schönheitseingriffe?<br />
Meuli: Augenstraffungen, Gesichtslifting,Brustvergrösserungen<br />
und -straffungen, Fettabsaugen.<br />
Sind es mehr Frauen als<br />
Männer, die sich operieren<br />
lassen?<br />
Meuli: Ja, aber der Anteil der<br />
Männer nimmt zu.<br />
Nehmen die Schönheitsoperationen<br />
allgemein zu?<br />
Meuli: Ja. Je besser es unserer<br />
Gesellschaft wirtschaftlich<br />
geht, desto mehr Schönheitsoperationen<br />
werden gemacht.<br />
Das ist unsere Gesellschaft: Die<br />
Lebensqualität steigt, man wird<br />
älter und will trotzdem vital<br />
bleiben und auch so aussehen.<br />
Es braucht ein gutes Selbstvertrauen,<br />
um dem Drang, etwas<br />
am Äusseren zu verändern, zu<br />
widerstehen.<br />
Springt das KSA auf diesen<br />
Zug auf?<br />
Meuli: Schönheitschirurgie hat<br />
am KSA eine uralte Tradition.<br />
Schon mein ehemaliger Chef<br />
hat das gemacht, und er gehörte<br />
zu den Pionieren der Plastischen<br />
Chirurgie in der Schweiz.<br />
Gehört Schönheitschirurgie<br />
überhaupt an ein Kantonsspital?<br />
Meuli: Schönheitschirurgie ist<br />
keine zentrale Aufgabe, aber sie<br />
gehört dazu, weil sie ein Kerngebiet<br />
im Fachgebiet der Plastischen<br />
Chirurgie ist. Es wird immer<br />
wieder versucht, die Plastische<br />
und die Schönheitschirurgie<br />
zu trennen, obwohl die Bereiche<br />
zusammengehören.<br />
Was sagen Sie, wenn man Sie<br />
als «Schönheitschirurgin» bezeichnet?<br />
Meuli: Ich wehre mich gegen<br />
diese Bezeichnung. Ich bin Plastische<br />
Chirurgin. Dahinter<br />
steckt mehr als die Schönheitschirurgie.<br />
Mein Beruf hat mit<br />
dem weit verbreiteten Bild des<br />
Cüpli trinkenden Arztes, der<br />
auf Partys anzutreffen ist, wenig<br />
zu tun. Wir greifen ein bei<br />
Unfallopfern, bei der Krebsbehandlung.<br />
Es stecken oft harte<br />
Einzelschicksale dahinter.<br />
Wie gross ist der Druck, dass<br />
mit nicht kassenpflichtigen<br />
Leistungen wie der Schönheitschirurgie<br />
Geld in die Kassen<br />
der öffentlichen Spitäler gespült<br />
werden soll?<br />
Meuli: Bei uns müssen einfach<br />
das Budget und die Qualität<br />
stimmen. Aber es ist ganz klar:<br />
Wegen einer Schönheitsoperation<br />
verschiebe ich keinen lebensnotwendigen<br />
Eingriff.<br />
Also machen Sie am KSA keine<br />
Schönheitsoperationen des<br />
Geldes wegen?<br />
Meuli: Primär mache ich gern<br />
solche Operationen. Als Aktiengesellschaft<br />
im Besitz der Steuerzahler<br />
haben wir nicht mehr<br />
unendlich Geld. Unser Fachwissen<br />
und die grosse Erfahrung<br />
sollen deshalb auch dort zum<br />
Tragen kommen, wo wir Geld<br />
verdienen können. Wir wollen<br />
und müssen alle Patienten<br />
gleich gut behandeln. Nur<br />
wenn wir neue Tendenzen sinnvoll<br />
aufnehmen und zeitgemäss<br />
handeln, erfüllen wir<br />
unsere Aufgabe für die Öffentlichkeit.<br />
Haben Schönheitsoperationen<br />
immer mehr Akzeptanz?<br />
Meuli: Ich meine ja.<br />
Ist das eine gute Entwicklung?<br />
Meuli: Dass die Akzeptanz grösser<br />
ist, finde ich positiv. Negativ<br />
finde ich die Entwicklung dann,<br />
wenn man dem Menschen die<br />
Wahl nicht mehr lässt, wenn ein<br />
Mensch nicht in Würde altern<br />
darf, wenn man nicht mehr etwas<br />
kräftig sein darf, wenn man<br />
keine Hakennase mehr haben<br />
darf, wenn der Druck auf die<br />
Leute steigt, an sich «herumzuschrauben».<br />
Denn: Ein Gesicht<br />
lebt ja nicht von der äusseren<br />
Fassade, sondern widerspiegelt<br />
das Leben, das sich darin eingraviert<br />
hat.