Moral, Ethik und Werte - Georg-W. Moeller
Moral, Ethik und Werte - Georg-W. Moeller
Moral, Ethik und Werte - Georg-W. Moeller
- TAGS
- moral
- ethik
- moeller
- gwm-coaching.de
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
www.managerseminare.de<br />
managerSeminare-Dossier<br />
<strong>Moral</strong>, <strong>Ethik</strong> <strong>und</strong> <strong>Werte</strong><br />
A <strong>Moral</strong> im Management: Phrasen mit Perspektive<br />
von Axel Gloger<br />
A Religiosität im Management: Warum Bosse beten<br />
von Axel Gloger<br />
A Verfehlte Kritik an der Nachwuchsgeneration:<br />
„In Führungspositionen schaffen es nur die Angepassten“<br />
von Holger Rust<br />
A Fehlendes Schuldbewusstsein <strong>und</strong> falsche Scham:<br />
„Die neue Managergeneration braucht alte <strong>Werte</strong>“<br />
von Björn Migge<br />
A Wettbewerbsfaktor Vertrauen: Wie Manager wieder glaubwürdig werden<br />
von Stephen M.R. Covey<br />
A Patricia Aburdene im Interview: „<strong>Werte</strong>orientierte Führung verbessert die Performance“<br />
das Interview führte Nadja Rosmann<br />
A Manager auf christlichen Pfaden: Besinnung fürs Business<br />
von Sylvia Jumpertz<br />
A Corporate Governance: <strong>Werte</strong> bewusst führen<br />
von Axel Gloger<br />
A Spiritualität im Business: Manager auf Sinnsuche<br />
von Sylvia Jumpertz<br />
A Zwischen <strong>Ethik</strong> <strong>und</strong> Erfolgsdruck: Wie Manager zur <strong>Moral</strong> finden<br />
von Andrea Bittelmeyer
18 | management<br />
Phrasen mit<br />
Perspektive<br />
MORAL IM MANAGEMENT<br />
Business Schools lassen ihre Studenten einen Eid auf das<br />
Gute schwören, Manager reden über ihre Verantwortung für das<br />
Allgemeinwohl <strong>und</strong> das alte Leitbild des ehrbaren Kaufmanns wird<br />
wieder hochgehalten – die Krise hat den Weg für mehr <strong>Moral</strong> im<br />
Management bereitet. So scheint es zumindest. Was aber sind die<br />
<strong>Werte</strong>bekenntnisse wert? Handelt es sich wieder um die üblichen<br />
Phrasen? managerSeminare hat kritisch hingeschaut.<br />
managerSeminare | Heft 142 | Januar 2010
Foto: comstock<br />
Preview: A Schwur auf das Gute: Wie die Business<br />
Schools die ethische Perspektive ihrer Studenten<br />
schärfen wollen A Neues <strong>Werte</strong>bewusstsein: Warum<br />
der Führungskräftenachwuchs nicht mehr allein auf<br />
die Rendite fokussiert A Kein großes Geschäft: Was<br />
die Weiterbildungswirtschaft den Unternehmen in<br />
puncto <strong>Ethik</strong> zu bieten hat A Diktat des ökonomischen<br />
Imperativs: Wie es um werteorientiertes Handeln in<br />
den Unternehmen aktuell bestellt ist A Beförderung<br />
statt Kopfnote: Wie Unternehmen <strong>Werte</strong>orientierung<br />
fördern können<br />
C Mit dem Crash der Weltwirtschaft kam<br />
das reinigende Gewitter, das längst fällig<br />
war: Die Übertreibungen sind vorbei, die<br />
Gier ist abgestraft, die Schurken sind entlarvt.<br />
Gaunermethoden im Management<br />
laufen nicht mehr, das ewige „noch mehr“<br />
ist allenthalben verpönt, die ständig nur<br />
Gewinn maximierende Business-Commu-<br />
nity ist geläutert. Die allgemeine Einsicht<br />
lautet: „So geht es nicht weiter. Der Manager<br />
von morgen muss ein Gutmensch sein.“<br />
So strebt es zumindest die Harvard Business<br />
School an. Die Krise hat sie zum<br />
gebrannten Kind gemacht, jetzt gibt sich der<br />
Großversorger der Chefetagen mit CEO-<br />
Kandidaten moralbewusst. Absolventen der<br />
traditions- wie einflussreichen Ausbildungsstätte<br />
treten neuerdings zum Schwur an. Ein<br />
Eid auf das Gute soll die Exzesse, an der<br />
Havardianer in der Vergangenheit an führender<br />
Stelle beteiligt waren, verhindern. Der<br />
Manager, so sieht es die Selbstverpflichtung<br />
vor, dient ab sofort höheren Zielen. Die gnadenlose<br />
Jagd nach dem Gewinn ist nicht<br />
mehr: „In meiner Funktion als Manager<br />
diene ich in erster Linie dem gesellschaftlichen<br />
Gemeinwohl“ heißt der erste Satz des<br />
Gelöbnisses (der vollständige Eid findet sich<br />
Den Beitrag gibt es auch zum Hören. Er kann unter www.managerSeminare.de/podcast als Audiodatei heruntergeladen werden.<br />
management | 19<br />
im Kasten auf S. 21). Es verpflichtet Führungskräfte<br />
auf einen Weg, der langfristig<br />
den gesellschaftlichen Nutzen des Unternehmens<br />
steigern soll, sagt die Präambel des<br />
Schwurs. Der Absolventenjahrgang 2009 war<br />
der erste, der den Eid ablegte.<br />
Der ehrbare Kaufmann als Leitbild<br />
Manche deutsche Business School will der<br />
Harvard Business School nicht nachstehen:<br />
Manager, die wie hochgezüchtete Bluth<strong>und</strong>e<br />
nur nach der höheren Rendite jagen, soll es<br />
nicht mehr geben. Diese Auffassung vertritt<br />
Professor Christopher Jahns, Präsident der<br />
European Business School (EBS): „Der ehrbare<br />
Kaufmann ist bei uns nicht erst seit der<br />
Krise wieder ein Leitbild.“ Dieser Rhetorik<br />
folgen neuerdings Taten; die im Herbst in<br />
die Master-Studiengänge gestarteten Kom-<br />
managerSeminare | Heft 142 | Januar 2010
20 | management<br />
militonen werden nach ihrem Examen<br />
ebenfalls einen Eid ablegen, der sie im Beruf<br />
auf die guten Taten verpflichtet. Der Wortlaut<br />
ähnelt dem von Harvard: „Das Unternehmen,<br />
das ich führe, muss dem Allgemeinwohl<br />
dienen“, so soll es zum ersten Mal<br />
im Jahr 2011 aus den Kehlen der EBS-<br />
Abgänger tönen.<br />
Damit, so scheint es, brechen endlich<br />
menschliche Zeiten im Management an.<br />
<strong>Moral</strong> marschiert in den Arbeitsalltag der<br />
Führungskräfte. „Die Krise ist die Chance,<br />
Soll <strong>und</strong> Ist endlich zur Deckung zu bringen“,<br />
sagt Johannes Grassl, Deutschland-<br />
Chef der Leaders Integrity Fo<strong>und</strong>ation (LIF),<br />
einer Organisation, die sich des Themas<br />
<strong>Werte</strong> <strong>und</strong> <strong>Moral</strong> in der Praxis angenommen<br />
hat. „Es gibt eine wachsende Erkenntnis,<br />
dass sich die Unternehmen mehr mit <strong>Werte</strong>n<br />
auseinandersetzen müssen.“ Shareholder<br />
Value hat abgedankt, Vorstandschefs, die,<br />
wie Josef Ackermann, ihre Renditeziele allzu<br />
hoch setzen <strong>und</strong> mit allzu viel Getöse proklamieren,<br />
werden öffentlich abgestraft.<br />
Manager sollen wieder nach Zielen arbeiten,<br />
bei denen die Weste weiß bleibt, also, wie es<br />
auch die EBS- <strong>und</strong> Harvard-Eide verlangen,<br />
den Planeten sauber halten, die Ressourcen<br />
sparsam verwenden, die Menschenwürde<br />
achten, die Gesetze einhalten, ehrbar handeln,<br />
der Gesellschaft etwas zurückgeben,<br />
ehrlich über alles informieren, niemanden<br />
diskriminieren <strong>und</strong> niemanden ausbeuten.<br />
Schöne neue Welt!<br />
Der Nachwuchs achtet auf die <strong>Werte</strong>-<br />
Umgebung<br />
Zu jenen, die diese ehrgeizigen Anforderungen<br />
an das Gute im Manager umsetzen,<br />
könnte Sabrina Noack gehören. Sie absolviert<br />
an der Handelshochschule Leipzig<br />
(HHL) ein Studium, das im Jahr 2011 mit<br />
dem Management-Master abschließen wird.<br />
Die Angehörigen ihrer Generation können<br />
managerSeminare | Heft 142 | Januar 2010<br />
unbelastet von den Jahren der Gier an die<br />
Arbeit gehen. Und in der Tat lässt deren Einstellung<br />
hoffen: „Viele Leute sind sehr wach“,<br />
sagt die 23-Jährige über ihre Mitstudenten,<br />
„man achtet heute darauf, bei wem man sich<br />
verdingt.“ Will sagen: Nicht nur Posten <strong>und</strong><br />
Gehalt sind wichtig, sondern auch die<br />
<strong>Werte</strong>-Umgebung, die eine Firma bietet.<br />
„Wir haben eine gute Ausbildung. Sie macht<br />
verhandlungsstark, wir müssen uns nicht<br />
alles bieten lassen“, sagt die BWL-Studentin<br />
selbstbewusst.<br />
Mit dem <strong>Werte</strong>bewusstsein des Managementnachwuchses<br />
kommt auf die Unternehmen<br />
eine anspruchsvolle Agenda zu, denn<br />
aufs Geldverdienen werden diese nicht verzichten<br />
können: „Wir werden <strong>Ethik</strong> <strong>und</strong><br />
Rendite gleichzeitig verwirklichen“, formuliert<br />
Integritäts-Förderer Grassl seinen Blick<br />
in die Managerwelt von morgen. Um bereits<br />
jetzt Führungskräfte auf diese Vorgabe vorzubereiten,<br />
lädt die LIF zu einer dreieinhalbtägigen<br />
Weiterbildung mit dem verheißungsvollen<br />
Titel „Wohlfühltage für Manager“.<br />
In kleinem Kreis sollen Firmenchefs aus<br />
dem Hamsterrad des Führungsalltags heraustreten,<br />
ihre Nöte <strong>und</strong> Zwänge ablegen<br />
<strong>und</strong>, wie Grassl es formuliert, „zu ihrem<br />
Original zurückfinden, einfach ihr Ich<br />
leben.“ Kurzum: Sie lernen, dass es im<br />
Unternehmen nicht nur um Rendite geht,<br />
sondern auch um Verantwortung, Zufriedenheit<br />
<strong>und</strong> Glück für alle Beteiligten.<br />
Die EBS geht in puncto ethische Auf-<br />
klärung fürs Business noch einen Schritt<br />
weiter. Präsident Jahns jedenfalls erweckt<br />
den Eindruck, als solle das E im Namenskürzel<br />
der Managerschule auch für „<strong>Ethik</strong>“<br />
stehen – sein Projekt der Reprogrammierung<br />
der Organisation läuft bereits. „Unsere<br />
Philosophie-Professoren arbeiten derzeit<br />
an einem Konzept“, lässt der agile Professor<br />
verlauten, die <strong>Ethik</strong>-Themen sollen in alle<br />
Lehrveranstaltungen eingeflochten werden.<br />
Mit breiter Brust stellt sich der EBS-Chef<br />
„Wir haben eine extreme<br />
Ausrichtung auf den<br />
Kapitalmarkt – <strong>und</strong> eine<br />
nicht vollzogene Ausrichtung<br />
auf den Humanmarkt.“<br />
Gerald Söhlemann, Partner bei der Personalberatung<br />
Shikar Group, Frankfurt.<br />
Kontakt: gerald.soehlemann@shikar.com<br />
in die Öffentlichkeit: „Damit werden wir<br />
weltweit die erste Hochschule sein, die diese<br />
Prinzipien auch in ihrem Curriculum aktiv<br />
umsetzt.“<br />
Neue Angebote – aber kein großes<br />
Geschäft<br />
In die Trainingslandschaft ist das Thema<br />
ebenfalls vorgedrungen. So nennt die Weiterbildungsdatenbank<br />
www.seminarmarkt.de<br />
einige Dutzend Angebote aus dem Bereich<br />
<strong>Moral</strong>, <strong>Ethik</strong> <strong>und</strong> <strong>Werte</strong>. Zum Beispiel das<br />
Zweitagesseminar der Integrata AG „Unternehmensethik<br />
als Wettbewerbsvorteil –<br />
macht <strong>Ethik</strong> Sinn“, das 2010 mehrfach wiederholt<br />
wird. Offenbar hat die Krise<br />
Angebote hervorgebracht, für die während<br />
des Booms keiner Zeit hatte.<br />
Doch damit kein Missverständnis entsteht:<br />
Anbieter, die sich mit eigenständigen<br />
Angeboten auf den neuen <strong>Moral</strong>-Trend stürzen,<br />
sind eher Ausnahme als Regel. Von einer<br />
Massenbewegung am Markt kann keine<br />
Rede sein. Denn das große Geschäft lässt sich<br />
mit <strong>Ethik</strong>, <strong>Moral</strong> <strong>und</strong> <strong>Werte</strong>n als Weiterbildungsthema<br />
(noch) nicht machen.<br />
Die Aktivitäten zweier Dickschiffe des<br />
Weiterbildungsmarktes machen dies be-<br />
sonders deutlich: Das Malik Management<br />
Zentrum St. Gallen <strong>und</strong> die ZfU Business<br />
School richten sich mit einer großen Zahl<br />
hochwertiger Seminare an die Chef-Klasse<br />
– aber unter den angebotenen Themen findet<br />
sich nichts, was den <strong>Werte</strong>-Hunger der<br />
Zielgruppe stillen könnte. Kurse zu <strong>Moral</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>Ethik</strong> sind im Programm nicht ausgewiesen.<br />
Beide verdienen ihr Geld mit den<br />
Brot- <strong>und</strong> Butterthemen strategischer Führung:<br />
Finanzen des Unternehmens managen,<br />
Marktanteile gewinnen, Verkäufer zum<br />
Erfolg führen … eben dieselben Themen,<br />
die sie auch vor der Krise im Angebot hatten.<br />
Selbst die Spieler, die auf <strong>Moral</strong>, <strong>Ethik</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>Werte</strong> als Kernkompetenz rekurrieren,<br />
nutzen keineswegs den Rückenwind des<br />
<strong>Moral</strong>-Trends für ihr Angebot. Sie treten den<br />
an <strong>Werte</strong>n interessierten Managern der Post-<br />
Krisen-Ökonomie mit fast leeren Händen<br />
gegenüber – eigentlich ein Armutszeugnis:<br />
Ende Oktober 2009 meldet das Deutsche<br />
Netzwerk Wirtschaftsethik (DNWE) überhaupt<br />
keine Veranstaltungen für die Zukunft,<br />
bei der Konkurrenzorganisation <strong>Ethik</strong>verband<br />
e.V. sieht das Angebot ähnlich mau aus.<br />
Eine einzige Veranstaltung gab es Anfang<br />
November, das Symposium „Die Welt des<br />
Vermögens“, danach nichts mehr, keine Vorträge,<br />
keine Seminare. Damit haben die beiden<br />
Verbände eine große Chance verpasst<br />
– im Getümmel der Krise hätten sie sich als
Das Gelöbnis der<br />
Manager von morgen<br />
Diesen Eid schworen die Absolventen der Harvard Business<br />
School im Jahr 2009 – <strong>und</strong> 1.200 weitere MBA-Absolventen<br />
aus aller Welt:<br />
A Ich werde stets mit größter Rechtschaffenheit handeln <strong>und</strong> in<br />
meiner Arbeitsweise ethischen Prinzipien treu bleiben.<br />
A Ich werde die Interessen meiner Aktionäre, Mitarbeiter, K<strong>und</strong>en<br />
<strong>und</strong> des Unternehmensumfeldes sichern.<br />
A Ich werde mein Unternehmen nach bestem Gewissen führen<br />
<strong>und</strong> mich vor Entscheidungen <strong>und</strong> Verhalten hüten, die lediglich<br />
meinen eigenen egoistischen Zielen dienlich sind, aber dem<br />
Unternehmen <strong>und</strong> seinen Mitarbeitern Schaden zufügen.<br />
A Ich werde alle Gesetze <strong>und</strong> Verträge einhalten, die mein persönliches<br />
Verhalten <strong>und</strong> das meines Unternehmens betreffen.<br />
A Ich übernehme volle Verantwortung für meine Handlungen<br />
<strong>und</strong> präsentiere Unternehmensleistungen <strong>und</strong> Unternehmensrisiken<br />
akkurat <strong>und</strong> wahrheitsgerecht.<br />
A Ich werde mich selbst beruflich weiterentwickeln <strong>und</strong> auch<br />
die berufliche Entwicklung mir unterstellter Manager fördern,<br />
damit meine Profession weiter wächst.<br />
A Ich werde danach streben, weltweiten nachhaltigen ökonomischen,<br />
sozialen <strong>und</strong> ökologischen Wohlstand zu schaffen.<br />
A Ich erkenne meine Rechenschaftspflicht gegenüber anderen<br />
MBA-Absolventen an, nach diesem Eid zu handeln <strong>und</strong> erkenne<br />
ihre Verantwortung mir gegenüber an, selbiges zu tun.<br />
Hilfsposten für all jene aufstellen können, die im<br />
Management mehr wollen als noch höhere Renditezahlen<br />
zu produzieren.<br />
Die <strong>Moral</strong> bleibt meistens auf der Strecke<br />
Aber die Praxis in den Unternehmen lässt für solche<br />
Ambitionen offenbar keinen Raum. <strong>Moral</strong> ist zwar wieder<br />
ein Thema, aber – so scheint es zumindest – eher<br />
für Fachartikel des Personalleiters <strong>und</strong> Sonntagsreden<br />
des Vorstandes als für den Business-Alltag. Im Alltag<br />
regieren immer noch die alten Vorgaben, Gewinn <strong>und</strong><br />
Marktanteil sind alles. „Es gibt eine Diskrepanz zwischen<br />
dem Geforderten <strong>und</strong> dem, was gelebt wird“, sagt<br />
Integritätscoach Johannes Grassl. Zwar hätten die meisten<br />
Unternehmen tolle <strong>Werte</strong>kataloge. „Aber sie werden<br />
nicht umgesetzt“, kritisiert der Berater aus Blaibach.<br />
Dieselbe Erfahrung hat auch HHL-Studentin Sabrina<br />
Noack in ihren Praxisphasen gemacht. „Die Standards<br />
stehen auf dem Papier, aber keiner setzt sie um.“ In den<br />
Unternehmen gehe es sehr oft nur um Performance, für<br />
kurzfristige operative Erfolge werde alles getan, die<br />
<strong>Moral</strong> bleibe dabei meist auf der Strecke.<br />
Besonders in Krisenzeiten sei der Rückgriff auf die<br />
archaischen <strong>Werte</strong> augenfällig: „Führungskräfte wollen<br />
Gewinn machen, Arbeitnehmer wollen ihren Job behalten“,<br />
beschreibt Noack zugespitzt die verbreitete Denkweise<br />
in den Firmen. Solange diese Ur-Ziele nicht<br />
������������������������������<br />
�������������<br />
����������������<br />
management | 21<br />
���� ������ ����� ������ ��� �������� ���� �������� ����� ������ ������<br />
���� ��������� ���� ����������� ��������� ��������� ���� ��������<br />
����� ������������������� ������� ���� ����� ����� ����������������<br />
��������������������������������������������������������������<br />
������������������������������<br />
���������������������<br />
���������������������<br />
��� ������������� ���<br />
���������������������<br />
������ ���� �����������<br />
���� ������������������<br />
���� ������������ ����<br />
��������������� ���<br />
�����������������������<br />
����������������������������������������������������������������<br />
������������������������������������������������������������<br />
����������������������������������������������������������������<br />
������������������������������������������������������������������<br />
������������������������������������������������������������<br />
�������������������������������������������������������������<br />
���������������������<br />
��<br />
������������������������������������������������������������<br />
������������������������������������������������<br />
��������������������������������������������������������������������������<br />
�����������������������������������������������������<br />
���������������������������<br />
���������������������<br />
�������������<br />
���� ���� ����������������� ����<br />
������ ���� ��������� ������ ����<br />
���������� ����� ������ ���������<br />
������ �������������� ������<br />
����������� ����� ��� �����������<br />
�������������� ������ ������<br />
����� ����� ���������� ���������<br />
������������������������������������������������������������������<br />
���� �������������� ����������� ���������� ���������� ������������<br />
��������������� ���� ��������������� ���� ��������������� ������������<br />
����������������������������������������������������������������<br />
���� ���� �������������� ����� ������ �������������� ���� ����������<br />
��������������������������������������������������������������<br />
���������������������������������������������������������������<br />
��������������� �������������� ����� ���� ������ ��� ��� �����������<br />
��������������������������������������������������������������<br />
����������������������������������������������������������������<br />
�����������������������������������������������������������������<br />
��������������������������������������������������������������������<br />
���������������������������������������������������<br />
�������������������������������������������������������������������<br />
���������� ������� ������� ������ ��������������� �����������������<br />
��������������������������������������������������������������<br />
��������������������������������������������������������������<br />
���������������������������������������������<br />
����������������������������������������������������<br />
����������������������������������������<br />
������������������������������������������������<br />
managerSeminare | Heft 142 | Januar 2010
22 | management<br />
erreicht seien, finde moralisches Verhalten<br />
keinen Platz. Erst einmal müsse im Überlebenskampf<br />
gesiegt werden – mit allen Mitteln,<br />
von professioneller Täuschung bis zu<br />
gezielt unfre<strong>und</strong>lichem Verhalten. Übertrete<br />
ein Mitarbeiter die Regeln, würden die<br />
Chefs oft wegschauen, solange nur das<br />
gewünschte Ziel erreicht werde.<br />
Der ökonomische Imperativ bestimmt den<br />
Alltag<br />
Die Forschung bestätigt diese Sichtweise.<br />
Prof. Jürgen Weibler, Inhaber des Lehrstuhls<br />
für Betriebswirtschaft, Personalführung<br />
<strong>und</strong> Organisation an der Fernuniversität<br />
Hagen, untersuchte das Thema in seiner<br />
Studie „Werthaltungen junger Führungskräfte“.<br />
Sein Fazit: „Der Alltag wird durch<br />
den ökonomischen Imperativ bestimmt.“<br />
Die strenge Rationalität im Denken <strong>und</strong><br />
Handeln sei zwar günstig für den wirtschaftlichen<br />
Erfolg – verhindere aber, dass andere<br />
Ziele erreicht werden. „Die Manager dienen<br />
der Erwartung: so viel Gewinn wie möglich“,<br />
konstatiert der Hochschullehrer.<br />
Dazu passt das Ergebnis einer Umfrage<br />
der <strong>Werte</strong>kommission unter mehr als 500<br />
Führungskräften zwischen 26 <strong>und</strong> 40 Jahren:<br />
„Mehr als zwei Drittel der jungen Führungskräfte<br />
erleben keine werteorientierte Führung<br />
durch das Top-Management“, lassen<br />
die Autoren Mathias Bucksteeg <strong>und</strong> Kai Hattendorf,<br />
beide Vorstandsmitglieder der <strong>Werte</strong>kommission,<br />
als eines ihrer zentralen Ergebnisse<br />
verlauten. Mitschuldig an dieser fatalen<br />
Lage ist die Unternehmenskommunikation.<br />
Dass die interne <strong>und</strong> externe PR für einen<br />
Transport von <strong>Werte</strong>n sorgt, konnten nur<br />
34 Prozent der Befragten bestätigen.<br />
Einige Detailzahlen liefern einen tiefen<br />
Blick in die gequälte Seele des Managers:<br />
Durch den Druck des Alltags wird er gezwungen,<br />
moralische <strong>Werte</strong> wie Rechtschaffenheit,<br />
Fairness <strong>und</strong> menschliches Maß an der<br />
Firmentüre abzugeben. <strong>Werte</strong>orientiertes<br />
Verhalten wird blockiert durch:<br />
A das „Verhalten des Chefs“ (38 Prozent)<br />
A „deutliche Profitorientierung“ (36 Prozent)<br />
A „drohenden oder befürchteten Personalabbau“<br />
(30 Prozent)<br />
A „Differenzen zwischen den eigenen <strong>Werte</strong>n<br />
<strong>und</strong> den offiziellen Zielen des Unternehmens“<br />
(29 Prozent)<br />
Es hat sich also seit den Tagen von Bertolt<br />
Brecht nichts geändert. „Wie ihr es immer<br />
dreht <strong>und</strong> immer schiebt – erst kommt das<br />
Fressen, dann die <strong>Moral</strong>“, lässt Brecht den<br />
Gaunerchef Mackie Messer auf die Frage<br />
antworten, wovon der Mensch lebe. Dieses<br />
Zitat stammt aus dem Jahr 1928, als Brechts<br />
managerSeminare | Heft 142 | Januar 2010<br />
„Dreigroschenoper“ zum ersten Mal aufgeführt<br />
wurde; die Gr<strong>und</strong>motive im Werk des<br />
großen Schriftstellers sind die, die auch<br />
heute noch gelten: der immer heftigere Konkurrenzkampf<br />
<strong>und</strong> die zunehmende Härte<br />
im menschlichen Umgang.<br />
„Vorstände reden seit 30 Jahren über<br />
werteorientiertes Management. Eingelöst<br />
wurde kaum etwas“, stellt Gerald Söhlemann,<br />
Partner bei der Personalberatung<br />
Shikar Group, Frankfurt, fest. Er kann es<br />
beurteilen, weil er auf eine jahrzehntelange<br />
Karriere zurückblickt. In den 1980er Jahren<br />
war er bereits an verantwortlicher Stelle bei<br />
der Commerzbank aktiv – Söhlemann gilt<br />
als einer der Pioniere des Personalmarketings.<br />
Wachstumswellen verhindern Einzug von<br />
<strong>Werte</strong>fragen<br />
Sämtliche seiner Antworten auf die Frage<br />
nach den Umsetzungschancen von <strong>Moral</strong><br />
klingen verhalten. Er hat über die Jahre beobachtet,<br />
dass immer neue Wellen starken<br />
Wachstums den Einzug von <strong>Werte</strong>fragen in<br />
den Business-Alltag verhindern. „Wir müssen<br />
jetzt das Geschäft machen. Für <strong>Werte</strong><br />
haben wir keine Zeit“, so lautete in seinen<br />
Augen während der Anspannungs- <strong>und</strong><br />
Euphoriephasen die verbreitete Ausrede.<br />
Erst trieb die Wiedervereinigung die Manager<br />
über Jahre zu immer neuen, verlockenden<br />
Renditechancen, <strong>und</strong> als dieser Boom<br />
auslief, folgte der nächste unter der Überschrift<br />
„Globalisierung“ – <strong>und</strong> dann kam der<br />
New-Economy-Boom. „Die Strategie lautete<br />
jedes Mal: Geld verdienen“, sagt Söhlemann,<br />
andere Themen seien dabei auf der<br />
Strecke geblieben.<br />
Seine Diagnose hat der Personalberater<br />
längst gestellt. „Wir haben eine extreme Ausrichtung<br />
auf den Kapitalmarkt – <strong>und</strong> eine<br />
nicht vollzogene Ausrichtung auf den<br />
Humanmarkt.“ Der Schmerz, den die Krise<br />
„Es müssen mehr Incentives<br />
für werteorientiertes<br />
Verhalten gesetzt werden.“<br />
Dr. Jürgen Weibler, Professor für Betriebswirtschaft,<br />
Personalführung <strong>und</strong> Organisation an der Fernuniversität<br />
Hagen. Kontakt: wiwi.weibler@fernuni-hagen.de<br />
hinterlassen hat, schwindet, die Akteure<br />
sähen wenig Veranlassung, ihr Verhalten<br />
wirklich zu ändern. Jeder hoffe, dass Gras<br />
über die Verfehlungen wachse, um dann<br />
weiterzumachen wie bislang. Söhlemanns<br />
Ausblick ist wenig optimistisch: „<strong>Werte</strong> sind<br />
nicht verboten, solange sie den Umsatz nicht<br />
schmälern.“<br />
So viel <strong>Werte</strong> wie gerade nötig<br />
Eine wirkliche Wende scheint also erst einmal<br />
nicht in Sicht. In den nächsten Monaten<br />
werden viele Unternehmen zum Business as<br />
usual zurückkehren, Motto: So viel Rendite<br />
wie möglich, so viel <strong>Werte</strong> wie gerade nötig,<br />
um nicht als unverantwortlich dazustehen.<br />
„Wenn‘s grad mal passt, kann man auf<br />
<strong>Werte</strong> <strong>und</strong> <strong>Moral</strong> verweisen“, meint HHL-<br />
Studentin Noack lakonisch. Zum Beispiel<br />
darauf, dass der milliardenschwere Konzern<br />
gerade 50.000 Euro für ein SOS-Kinderdorf<br />
gespendet hat, was dann als großer Fortschritt<br />
propagiert wird.<br />
Dennoch gibt es Hoffnung für eine bessere,<br />
wertebewusste Praxis. Wenn einmal<br />
genügend Nachwuchskräfte mit Noacks<br />
Haltung die Ränge in den Führungsetagen<br />
erklommen haben, könnte es zum ersten<br />
Mal eine kritische Masse für eine Re-Orientierung<br />
geben. Ob diese wirklich erreicht<br />
wird, hängt freilich auch davon ab, ob der<br />
Weg hin zu mehr <strong>Ethik</strong>orientierung, den<br />
einige Business Schools eingeschlagen haben,<br />
Schule machen wird. „Der Beitrag der Universitäten<br />
ist wichtig“, schreibt Sabrina<br />
Noack in ihrem von der HHL preisgekrönten<br />
Aufsatz „Important Impediments for<br />
Effective and Responsible Leadership“. Viel<br />
hängt davon ab, ob <strong>und</strong> inwieweit die Professoren<br />
den BWL-Studenten nicht nur<br />
Management-Techniken beibringen, sondern<br />
auch, wie man ein Geschäft erfolg-<br />
reich <strong>und</strong> nach ethischen Gesichtspunkten<br />
führt.
<strong>Werte</strong>orientiertes Verhalten belohnen<br />
Dazu gehört auch, die richtigen Anreize zu<br />
schaffen. Bisher hängt die Beurteilung der<br />
Performance <strong>und</strong> damit auch die Beförderung<br />
eines Managers fast ausschließlich<br />
davon ab, wie viel Umsatz <strong>und</strong> Gewinn er<br />
erwirtschaftet hat. Wer die besten Zahlen<br />
liefert, bekommt das dickste Lob. Das ist zu<br />
einseitig, meint Hochschullehrer Weibler:<br />
„Es müssen mehr Incentives für werteorientiertes<br />
Verhalten gesetzt werden.“ Themen<br />
wie die Förderung von Nachwuchs<br />
oder die positive Bewertung durch K<strong>und</strong>en<br />
<strong>und</strong> Lieferanten sollten in die Bewertungen<br />
eingehen – <strong>und</strong> zwar nicht, wie heute, als<br />
Kopfnote ohne Folgen für die Versetzung,<br />
sondern mit denselben handfesten Sanktionen,<br />
wie sie bereits mit Umsatz- <strong>und</strong> Renditezielen<br />
verknüpft sind. Nur wer auch bei<br />
den weichen Faktoren punktet, wird befördert<br />
<strong>und</strong> bekommt den Sechszylinder-Mercedes<br />
als Dienstwagen.<br />
Auch die Weiterbildungswirtschaft ist in<br />
der Pflicht. Leadership-Experte Johannes<br />
Grassl sieht eine große Aufgabe auf Trainer,<br />
Seminaranbieter <strong>und</strong> deren Auftraggeber aus<br />
den PE-Ressorts zukommen. „Der Kampfplatz<br />
ist nicht mehr die Fach- <strong>und</strong> Methodenkompetenz“,<br />
sagt der Trainer, „hier sind<br />
Service<br />
Literaturtipps<br />
die meisten Führungskräfte sehr<br />
gut aufgestellt.“ In Zukunft gehe<br />
es darum, per Weiterbildung das<br />
persönliche <strong>Werte</strong>f<strong>und</strong>ament zu<br />
festigen. „Die Verbindung zu den<br />
menschlichen Gr<strong>und</strong>bedürfnissen<br />
nicht verlieren, die emotionale<br />
Intelligenz stärken, Vertrauen<br />
bei allen Stakeholdern schaffen<br />
können“, beschreibt der LIF-<br />
Deutschlandchef die Agenda.<br />
Solche ehrgeizigen Ziele lassen<br />
sich freilich nicht von heute<br />
auf morgen umsetzen. Bis die<br />
ersten Unternehmen neben Bilanz<br />
<strong>und</strong> Gewinn- <strong>und</strong> Verlustrechnung<br />
auch eine ernst zu<br />
nehmende <strong>Werte</strong>bilanz in ihrem<br />
Jahresabschluss veröffentlichen,<br />
wird noch einige Zeit vergehen.<br />
Denn auch der mit so vielen<br />
Hoffnungen konfrontierte Nachwuchs<br />
passt sich nur langsam an<br />
die neuen Realitäten an. Ein<br />
Indiz: Den neuen <strong>Ethik</strong>-Schwur<br />
unterschrieb dieses Jahr nur<br />
jeder zweite Absolvent der Harvard<br />
Business School.<br />
Axel Gloger C<br />
A Norbert Walter: Marktwirtschaft, <strong>Ethik</strong> <strong>und</strong> <strong>Moral</strong>. Wie <strong>Werte</strong> das Vertrauen in<br />
die Ökonomie stärken. Berlin University Press, Berlin 2009, 19,90 Euro.<br />
Der Chef-Volkswirt der Deutschen Bank liefert mit seinem Buch ein Plädoyer für Freiheit, die<br />
mit Verantwortung verknüpft ist. Gesellschaft <strong>und</strong> Unternehmen können nur überleben, so<br />
seine These, wenn sie die Freiheit achten, aber auch die Prinzipien Familie, privates Eigentum<br />
<strong>und</strong> Aufrichtigkeit ernst nehmen. Überdies zeigt er auf, dass Eigenliebe zwar ein starker<br />
Antrieb für Leistung ist – sie aber auch zu Egozentrismus <strong>und</strong> Rücksichtslosigkeit entarten<br />
kann.<br />
A Katharina Weinberger: Kopfzahl-Paranoia. Von der Selbstzerstörung der Konzerne.<br />
Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2009, 14,90 Euro.<br />
Für <strong>Werte</strong>-Pessimisten ist das Buch ein Fest. Die Autorin beschreibt aus eigener Erfahrung<br />
haarklein, wie die Gier-Systeme in den Konzernen funktionieren, warum immer nur Rendite<br />
belohnt wird, wie die Sucht der CEOs nach permanentem Wandel jedes berufliche Heimatgefühl<br />
zerstört <strong>und</strong> dass es am Ende nur auf die Abrechnung ankommt: genug Gewinn<br />
gemacht – oder nicht? Nach der Lektüre bleiben Zweifel, ob sich das System jemals für eine<br />
<strong>Werte</strong>orientierung öffnen kann.<br />
A Klemens Kalverkamp: Miteinander ernten. Das Erfolgsgeheimnis des German<br />
Management. Wiley-VCH, Weinheim 2009, 24,90 Euro.<br />
Es gibt sie noch, die bodenständigen, rechtschaffenen Manager, die gute Arbeit abliefern <strong>und</strong><br />
mit Leadership noch ihre Mitarbeiter hinter sich bringen wollen. Klemens Kalverkamp ist<br />
Geschäftsführer eines Hidden Champion – er zeigt, wie man mit Kenntnis der Sache, Vertrauen<br />
zu den Menschen <strong>und</strong> Verständnis für die Belange der Mitarbeiter einen Weltmarktführer<br />
erfolgreich führen kann.<br />
management | 23<br />
Gelebte <strong>Werte</strong> von heute<br />
sind der Erfolg von morgen.<br />
GUT GETAN: WENN ES UM<br />
WERTEORIENTIERUNG<br />
GEHT.<br />
Wir schärfen Ziele.<br />
Wir stärken Haltung.<br />
Wir beleben Wandel.<br />
Wir machen deutlich.<br />
Wir erkennen, handeln <strong>und</strong> bewegen.<br />
LOGIE<br />
T R I L O G I E . D E<br />
www.managerSeminare.de<br />
managerSeminare | Heft 142 | Januar 2010<br />
1_6MS127-067.indd 1 09.12.2009 15:52:09 Uhr
30 | knowledge<br />
Warum Bosse beten<br />
RELIGIOSITÄT IM MANAGEMENT<br />
Pastoren als Managementberater, Gebetskreise in Unternehmen,<br />
Führungskräfteseminare mit christlichen Inhalten … – Religion<br />
hält Einzug in die Business-Welt. Befeuert wird dieser Trend durch<br />
die Krise, begründet hat diese ihn aber nicht. Was steckt hinter<br />
dem Bedürfnis nach christlichen Lehren im Arbeitsleben? Und wie<br />
wirkt sich der göttliche Atem auf den Weiterbildungsmarkt aus?<br />
managerSeminare hat nachgeforscht.<br />
managerSeminare | Heft 141 | Dezember 2009<br />
Foto: Shutterstock Images
Preview: AI<strong>Moral</strong>ische Zwickmühlen: Warum Manager<br />
in der christlichen Lehre nach Antworten suchen<br />
AIBeistand auf Anfrage: Wie US-Agenturen Geistliche<br />
an Firmen vermitteln AIBiblische Kurzseminare <strong>und</strong><br />
Gebetskreise: Christliche Angebote in deutschen<br />
Unternehmen AIGlaube statt Fachkompetenz? Was<br />
die Kritiker des Religionstrends sagen AIChristliche<br />
Topseller: Welche religiös geprägten Weiterbildungsangebote<br />
warum so stark nachgefragt werden AIDie<br />
Sinnfrage beantworten: Welche Lehren die Weiterbildungsindustrie<br />
aus dem Glaubenstrend ziehen kann<br />
C Auf göttlichen Beistand waren die Veranstalter<br />
des Kongresses für christliche Führungskräfte<br />
bislang nicht angewiesen: Seit<br />
dem ersten Anlass im Jahr 1996, der damals<br />
bereits 1.000 Teilnehmer lockte, kletterten<br />
die Buchungen immer weiter nach oben.<br />
Dieses Jahr waren es bereits 3.800 Besucher,<br />
die in Düsseldorf über Religiösität im<br />
Management diskutierten.<br />
Die Erfolgsgeschichte des Kongresses ist<br />
Indiz für einen Trend, der mehr <strong>und</strong> mehr<br />
an Fahrt aufnimmt: Christlich sein gewinnt<br />
wieder an Wert. Das Gottlieb Duttweiler<br />
Institut spricht bereits von der „Rückkehr<br />
der Religion“. Kürzlich legte die renommierte<br />
Denkfabrik vom Zürichsee eine Studie<br />
gleichen Titels vor. Der christliche Geist<br />
scheint verlorenes Terrain zurückzugewinnen,<br />
so deren Fazit. Auch viele Manager <strong>und</strong><br />
Führungskräfte suchen mittlerweile Halt bei<br />
Gott. Im Frankfurter Westend etwa strömen<br />
jeden Dienstagmittag Krawatten- <strong>und</strong> Kostümträger<br />
zum „Bankergebet“ in die St.<br />
Antonius Kirche – <strong>und</strong> mancher Geistliche<br />
führt gar ein zweites Berufsleben als Management-Coach<br />
oder Business-Speaker.<br />
Zum Beispiel Anselm Grün. Der Benediktinermönch<br />
steht im Jahr öfter auf der<br />
Bühne als Udo Jürgens, dessen Tourneen 120<br />
bis 140 Gastspiele umfassen. Heute bei der<br />
Sparkasse Erlangen, morgen beim Bayerischen<br />
Bauernverband, dann bei den Wirtschaftsjunioren<br />
Forchheim – unermüdlich<br />
referiert der Gottesmann über „Spirtuelles<br />
Führen“ <strong>und</strong> „Management nach christli-<br />
chen <strong>Werte</strong>n“. Ähnlich emsig <strong>und</strong> nicht<br />
minder populär ist Anselm Bilgri. Das Magazin<br />
„Stern“ hat den ehemaligen Cellerar des<br />
Klosters Andechs, der Unternehmen berät,<br />
in TV-Talkshows auftritt <strong>und</strong> Vorträge zu<br />
Themen wie „Die Benediktsregel als Richtschnur<br />
werteorientierter Unternehmensführung“<br />
hält, jüngst gar „Manager-Messias“<br />
getauft.<br />
Auswege aus moralischen Zwickmühlen<br />
Ein Gr<strong>und</strong>, warum christliche Meinungen<br />
in der Management-Welt aktuell derart<br />
gefragt sind: „Viele Führungskräfte haben<br />
in den vergangenen Jahren erkannt, dass sie<br />
noch eine zusätzliche Kraft brauchen, um<br />
in ihrer Rolle weiter bestehen zu können“,<br />
ist Pastor Peer-Detlev Schladebusch überzeugt.<br />
Bei der Hannoverschen Landeskirche<br />
hat der studierte Betriebswirt <strong>und</strong> Theologe<br />
eine Aufgabe gef<strong>und</strong>en, in der er seine doppelte<br />
Qualifikation zur Geltung bringen<br />
kann. Er kümmert sich unter anderem um<br />
Menschen, die im Job in moralischen Zwickmühlen<br />
feststecken: Was soll ein Vertriebsmanager<br />
tun, der unter dem Druck der<br />
Quartalsvorgaben Produkte verkaufen muss,<br />
von denen er weiß, dass sie nichts taugen?<br />
Wie soll sich ein Manager verhalten, der –<br />
wenn er den Anforderungen seines Postens<br />
gerecht werden will – seine Familie vernachlässigen<br />
muss? Was kann ein Vorgesetzter<br />
tun, der nach Anweisung von oben einige<br />
seiner bewährten Mitarbeiter entlassen<br />
soll?<br />
„In solchen Situationen wird irgendwer<br />
immer unter der Entscheidung leiden, ganz<br />
gleich, wie sie ausgeht“, konstatiert Schladebusch.<br />
Vor allem nachts oder am Sonntag<br />
melden sich nach Erfahrung des Business-<br />
Seelsorgers dann die schlechten Gefühle aus<br />
dem Büro wieder, bringen die Manager ins<br />
Grübeln <strong>und</strong> führen nicht selten zu jenen<br />
typischen Lebensfragen, für die eben insbesondere<br />
die Religion Antworten bereithält:<br />
„Was bedeutet Gerechtigkeit?“, „Wem muss<br />
meine Loyalität gehören?“ Oder sogar zur<br />
Service<br />
Den Beitrag gibt es auch zum Hören. Er kann unter www.managerSeminare.de/podcast als Audiodatei heruntergeladen werden.<br />
knowledge | 31<br />
Frage aller Fragen: „Was ist der Sinn des<br />
Lebens?“<br />
Angesichts der Härte der Krise kommen<br />
viele Menschen mit ihrem Doppelleben<br />
nicht mehr zurecht. Es reicht ihnen nicht,<br />
nur im Kreis der Familien bekennender<br />
Christ zu sein <strong>und</strong> im Büro nur die Rolle des<br />
immer funktionsbereiten Managers zu spielen,<br />
wie der Verleger Norman Rentrop feststellt:<br />
„Die Menschen wollen ungespalten<br />
leben. Das Vaterunser hat seinen Platz nicht<br />
nur am Sonntag in der Kirche.“ Der ganze<br />
Literaturtipps<br />
A Anselm Grün: Leben <strong>und</strong> Beruf. Eine spirituelle<br />
Herausforderung. Deutscher Taschenbuch<br />
Verlag, München 2009, 8,90 Euro.<br />
Der Benediktinermönch gibt Denkanstöße, wie<br />
Spiritualität bei der Bewältigung von Führungsaufgaben<br />
unterstützen kann <strong>und</strong> sich Religion als<br />
Energiequelle für die Arbeit nutzen lässt.<br />
A Ulrich Schmitz <strong>und</strong> Eduard Zwierlein:<br />
Management <strong>und</strong> Spiritualität. Ein Erfahrungs-<br />
<strong>und</strong> Arbeitsbuch. Echter, Würzburg<br />
2009, 19,80 Euro.<br />
Wie kann es gelingen, Spiritualität so in ein Unternehmen<br />
zu integrieren, dass die Mitarbeiter ihre<br />
Arbeit als sinnvoll empfinden? Antworten aus der<br />
Perspektive eines Franziskanermönchs <strong>und</strong> eines<br />
Unternehmensberaters.<br />
A Sylvia Jumpertz: Besinnung fürs Business.<br />
Manager auf christlichen Pfaden.<br />
managerSeminare 129, Dezember 2008, S. 64-<br />
71, www.managerSeminare.de/MS129AR03<br />
Schweigen in klösterlicher Abgeschiedenheit oder<br />
wandern auf alten Pilgerpfaden – viele Retreats<br />
für gestresste Manager setzen heute auf christliche<br />
Akzente. managerSeminare hat sich Angebote<br />
angeschaut, mit denen Führungskräfte zu innerer<br />
Einkehr gelangen <strong>und</strong> neue Kraft schöpfen<br />
können.<br />
managerSeminare | Heft 141 | Dezember 2009
32 | knowledge<br />
Alltag solle im Einklang mit dem christlichen<br />
Glauben stehen, formuliert der überzeugte<br />
Christ <strong>und</strong> Mäzen des Fernsehsenders Bibel<br />
TV die Haltung vieler Gläubiger.<br />
US-Agenturen vermitteln Geistliche an<br />
Firmen<br />
Wohin die Reise gehen könnte, zeigt ein<br />
Blick in die USA. Hier ist die Christianisierung<br />
der Arbeitswelt schon seit vielen Jahren<br />
im Gange. Eine wichtige Rolle in diesem<br />
Prozess spielt das Unternehmen Corporate<br />
Chaplains aus Wake Forest in North Carolina.<br />
1996 trat der Betrieb mit einer neuen<br />
Dienstleistung an: der Vermittlung von Geistlichen<br />
an Firmenk<strong>und</strong>en. „Jeder Soldat kann<br />
sich von einem Geistlichen betreuen lassen,<br />
wenn er weit weg von Familie, Gemeinde <strong>und</strong><br />
Kirche ist. Warum soll dasselbe nicht auch<br />
für Beschäftigte in Unternehmen möglich<br />
sein?“, erklärt Dr. Dan Truitt, Vice President<br />
International, die Geschäftsidee seiner Organisation.<br />
„Schließlich geben die Mitarbeiter<br />
ihre spirituellen Bedürfnisse nicht morgens<br />
an der Firmentür ab.“ Also sei es nur konsequent,<br />
dass auch der geistliche Beistand mit<br />
ins Büro kommt.<br />
Das vollzieht sich mittlerweile im großen<br />
Stil. Inzwischen sind über 100.000 Mitarbeiter<br />
USA-weit der Fürsorge der Geistlichen<br />
von Corporate Chaplains anvertraut. Der<br />
zweite große Anbieter auf dem US-Markt,<br />
Marketplace Chaplains in Dallas, Texas, betreut<br />
landesweit sogar 500.000 Mitarbeiter.<br />
Die Nachfrage nach christlichem Beistand<br />
in den US-Firmen entwickelt sich<br />
derart rasant, dass bereits ein Engpass an<br />
Theologen entstanden ist. Aus diesem Gr<strong>und</strong><br />
ist Corporate Chaplains dazu übergegangen,<br />
selbst geistigen Nachwuchs auszubilden. Im<br />
Trainingsprogramm lernen Laien, die sich<br />
in besonderem Maße zum Christentum hingezogen<br />
fühlen, wie sie zum Beispiel einem<br />
Beschäftigten Trost spenden können, der<br />
gerade seinen Vater verloren hat, wie sie<br />
managerSeminare | Heft 141 | Dezember 2009<br />
„Bei vielen Führungskräften<br />
hat sich das Bewusstsein<br />
verstärkt, dass sie noch eine<br />
zusätzliche Kraft brauchen,<br />
um in ihrer Rolle weiter<br />
bestehen zu können.“<br />
Pastor Peer-Detlev Schladebusch, Firmen-Seelsorger<br />
bei der Hannoverschen Landeskirche. Kontakt:<br />
schladebusch@kirchliche-dienste.de<br />
einem Mitarbeiter Mut vermitteln, der um<br />
seinen Job fürchtet, oder auch wie sie jenen<br />
beistehen können, die von einer Massenentlassung<br />
verschont wurden <strong>und</strong> die nun das<br />
schlechte Gewissen plagt. „Unsere Geistlichen<br />
bringen ein Stück christlicher Nächstenliebe<br />
in die von Konkurrenz geprägte<br />
Arbeitswelt“, sagt Truitt.<br />
Diese Dienstleistung hat inzwischen auch<br />
Nachfrager außerhalb der USA. Die Geistlichen-Vermittler<br />
arbeiten mittlerweile auch<br />
in Kanada <strong>und</strong> Mexiko. 2008 haben sie sogar<br />
den Sprung über den großen Teich geschafft.<br />
Von Corporate Chaplains vermittelte Geistliche<br />
betreuen seit 2008 Beschäftigte in ganz<br />
Großbritannien <strong>und</strong> Irland.<br />
Der Theologe kommt jeden Freitag<br />
In Deutschland gibt es zwar noch keine<br />
Geistlichen-Vermittler. Aber auch hierzulande<br />
überschreiten Gottesmänner immer<br />
häufiger die Türschwellen zu Bürohäusern<br />
<strong>und</strong> Betrieben. Bei der Suchy Messtechnik<br />
im sächsischen Lichtenau etwa kommt der<br />
Theologe jeden Freitag. In einem 20-minütigem<br />
Kurzseminar bespricht er mit den 15<br />
Beschäftigten Themen, die das Leben zwischen<br />
Familie <strong>und</strong> Beruf betreffen. „Konflikte<br />
besser bewältigen. Älter werden. Die<br />
Sichtweisen der verschiedenen Religionen“,<br />
zählt Firmeninhaber Frank Suchy einige der<br />
Fragen auf, die in jüngster Zeit auf der Agenda<br />
standen.<br />
Suchy ist Überzeugungsmensch. Noch zu<br />
DDR-Zeiten wandte er sich dem christlichen<br />
Glauben zu <strong>und</strong> trug – obwohl die sozialistische<br />
Diktatur das nicht gerne sah – die<br />
Botschaft Jesu Christi weiter. Das tut er<br />
immer noch. Zum Beispiel in seiner Rolle<br />
als ehrenamtlicher Vorsitzender der Christen<br />
in der Wirtschaft (CiW). Dieser Verein hat<br />
es sich zum Ziel gemacht, biblische Prinzipien<br />
<strong>und</strong> <strong>Werte</strong> in den Unternehmen zu<br />
fördern. Der Zusammenschluss der Gläubigen<br />
umfasst 1.100 Mitglieder in 42 regionalen<br />
Gruppen. Hinzu kommen mehr als 30<br />
Firmenmitglieder – vor allem kleine <strong>und</strong><br />
einige mittelständische Unternehmen.<br />
Aber auch in der Konzernwirtschaft hat<br />
der Glaube im Arbeitsalltag inzwischen seinen<br />
Platz gef<strong>und</strong>en, etwa in Form von<br />
Gebetskreisen, die in den Büros abgehalten<br />
werden. Ein Beispiel für diese Praxis liefert<br />
die größte Bank des Landes: „Einmal<br />
wöchentlich treffen wir uns zum gemeinsamen<br />
Gebet“, berichtet Hansjörg Nymphius<br />
von der Deutschen Bank, der gemeinsam mit<br />
seinem Kollegen Uwe Juli diese Aktivität<br />
koordiniert. Bereits 2004 fanden sich die<br />
ersten gläubigen Mitarbeiter zusammen.<br />
„Wir wollen die Christen im Unternehmen<br />
miteinander bekannt machen“, sagt Nymphius.<br />
Bei schwierigen Fragen könne man<br />
dann den Kontakt zu einem Mitchristen<br />
suchen. Die Mitgliederzahl des Gebetskreises<br />
ist inzwischen auf 80 angewachsen – für<br />
eine Organisation, die eine Graswurzel-Existenz<br />
ohne jede offizielle Propaganda führt,<br />
ist das viel.<br />
Die Besinnung auf die Religion, die derzeit<br />
in der Unternehmenswelt vielerorts zu<br />
beobachten ist, ist auch der Weiterbildungsindustrie<br />
nicht entgangen. Längst sind es<br />
nicht mehr nur einzelne Lichtgestalten wie<br />
Grün oder Bilgri, die Führungskräften<br />
„Je stärker der Kapitalismus<br />
einseitig auf Rendite setzt,<br />
desto mehr suchen die Menschen<br />
nach Würde, Sinn <strong>und</strong><br />
Anerkennung.“<br />
Dr. Hans Thomas, Direktor des Lindenthal-Instituts,<br />
Köln. Kontakt: h.thomas@lindenthal-institut.de
34 | knowledge<br />
christliche Lehren offerieren. Seminare, die<br />
Management mit biblischen Inhalten verknüpfen,<br />
sind inzwischen zu einem gefragten<br />
Nischenangebot des Weiterbildungsmarktes<br />
geworden.<br />
Management-Lehren werden mit<br />
christlichen Inhalten verwoben<br />
Einer der Spieler auf diesem Markt ist die<br />
Akademie christlicher Führungskräfte (AcF)<br />
in Gummersbach. Sie wurde schon im Jahr<br />
1999 gegründet, also Jahre bevor sich der<br />
Trend, Management <strong>und</strong> Religion zu verweben,<br />
abzeichnete. „Wir sehen Führung als<br />
Dienst an“, erläutert Dr. Volker Kessler,<br />
Geschäftsführer der AcF, das Credo seiner<br />
Organisation – damit sieht er seine Arbeit<br />
im Einklang mit einem christlichen Gr<strong>und</strong>satz,<br />
der in der Bibel zum Beispiel im Kapitel<br />
Matthäus 20,26 formuliert ist.<br />
Flaggschiff im Portfolio der Akademie ist<br />
der in Kooperation mit der University of<br />
South Africa angebotene Master-Studiengang<br />
„Christian Leadership“. Christlich-theologische<br />
Gr<strong>und</strong>lagen werden von den Referenten,<br />
die ausnahmslos aktive Kirchenmitglieder<br />
sind, ebenso behandelt wie moderne<br />
Management-Methoden. Das christliche<br />
Konzept geht auf: „Das Angebot wird sehr<br />
gut angenommen“, sagt Kessler.<br />
Auf die Verknüpfung von Business-Lehre<br />
<strong>und</strong> Religion setzt auch die MBA-Schule<br />
IESE in Barcelona. Das im Jahr 1958 gegründete<br />
Institut steht unter der geistigen Leitung<br />
des Opus Dei (übersetzt: Werk Gottes), einer<br />
wertkonservativen Bewegung innerhalb der<br />
katholischen Kirche, die nicht vollkommen<br />
unumstritten ist. Der Erfolg der Schule freilich<br />
spricht für sich. In den Ranglisten der<br />
besten Business-Schools weltweit, die etwa<br />
von „Financial Times“, „Business Week“ <strong>und</strong><br />
„Economist“ verbreitet werden, taucht die<br />
IESE regelmäßig in den Top Ten auf. Zwar<br />
managerSeminare | Heft 141 | Dezember 2009<br />
kostet der zweijährige MBA-Kurs 64.900<br />
Euro, was im Branchenvergleich ein hoher<br />
Preis ist, dennoch sind die Kurse gefragt. „Wir<br />
können uns über einen Mangel an Bewerbern<br />
nicht beklagen“, sagt Dorothee von Canstein,<br />
Sprecherin der Schule. Eines der Erfolgsgeheimnisse<br />
der Schule ist in ihren Augen der<br />
konsequente <strong>Werte</strong>-Bezug: „<strong>Ethik</strong> ist bei uns<br />
nicht in einem <strong>Ethik</strong>-Kurs isoliert, sondern<br />
durchzieht das ganze Programm. <strong>Werte</strong> wie<br />
Menschlichkeit, Verantwortung <strong>und</strong> Respekt<br />
prägten die ganze Lehre.“<br />
Nicht überall freilich kommt der Rekurs<br />
auf Gott gut an. Philipp Möller zum Beispiel<br />
beobachtet den Vormarsch des Glaubens in<br />
die Büros mit einigem Missmut: „Die Verknüpfung<br />
von Management mit christlichen<br />
Inhalten ist schwer problematisch. Eine Führungskraft<br />
sollte sich durch Fachkompetenz<br />
legitimieren, nicht durch eine Beziehung zu<br />
Gott, die keiner nachweisen kann.“ Möller<br />
ist Mitveranstalter einer Kampagne gegen<br />
den Religionstrend. Im Frühjahr charterte<br />
der Berliner zusammen mit einigen Mitstreitern<br />
einen roten Doppeldeckerbus <strong>und</strong><br />
beklebte ihn mit einer auffälligen Reklame-<br />
Banderole, Aufdruck: „Es gibt keinen Gott<br />
– Ein erfülltes Leben braucht keinen Glauben“.<br />
Der Propagandabus tourte durch 18<br />
deutsche Städte.<br />
Möller ging es mit dieser Aktion auch<br />
darum, jenen etwas den Wind aus den Segeln<br />
zu nehmen, die das große „C“ vor allem aus<br />
Marketing-Kalkül nutzen. „Bei bestimmten<br />
Menschen wird eine Sache offensichtlich<br />
aufgewertet, wenn man sie religionisiert“,<br />
meint der Sprecher der Nichtglaubenden.<br />
Das machten sich manche Weiterbildungsanbieter<br />
zunutze, die plötzlich ein christliches<br />
Label auf Angebote pappen – ob nun<br />
was Christliches drin ist oder nicht.<br />
Die meisten Angebote freilich werden von<br />
Initiatoren ins Leben gerufen, die einer Mission<br />
folgen. Unternehmer, Manager <strong>und</strong><br />
Trainer, die das große „C“ in ihre Agenda<br />
aufgenommen haben, verfolgen ein größeres<br />
Ziel als nur Rendite, Gewinn <strong>und</strong> Marktanteil.<br />
Sie wollen, dass sich Arbeit wieder lohnt<br />
– <strong>und</strong> zwar nicht nur im materiellen Sinne.<br />
„Wenn Arbeit nur Geld bringt, ist auf Dauer<br />
niemand wirklich zufrieden“, sagt Dr. Hans<br />
Thomas, Direktor des auf Forschungsfragen<br />
zu <strong>Ethik</strong>, <strong>Werte</strong>n <strong>und</strong> Glauben spezialisierten<br />
Lindenthal-Instituts in Köln. „Je stärker der<br />
Kapitalismus einseitig auf Rendite setzt,<br />
desto mehr suchen die Menschen nach<br />
Würde, Sinn <strong>und</strong> Anerkennung.“ Der Glaube<br />
sei ein Weg, sich der totalitären, viele<br />
anderen Bereiche des Lebens erdrückenden<br />
Arbeits- <strong>und</strong> Geldkultur zu entziehen.<br />
Weiterbildung muss die Sinnfrage<br />
beantworten<br />
Was Hans Thomas auf der Gr<strong>und</strong>lage seiner<br />
Forschungen testiert, hat Gregor Schönborn<br />
in der Praxis erfahren: „Die von ständigen<br />
Restrukturierungen <strong>und</strong> vom Konjunktur-<br />
Crash gepeinigten Manager haben die Nase<br />
voll von Weiterbildung, die Führungsleistung<br />
wie einen Automotor auf immer noch<br />
mehr PS hochfrisiert“, sagt der Inhaber von<br />
Deep White, einer auf <strong>Werte</strong>management<br />
spezialisierten Unternehmensberatung in<br />
Bonn. Aus den Gesprächen mit seinen K<strong>und</strong>en<br />
weiß er, was sich Manager derzeit mehr<br />
denn je wünschen: „Verankerung, dauerhaft<br />
gültige Antworten <strong>und</strong> die Versorgung mit<br />
Sinn sind gefragt.“<br />
Was können Weiterbildungsanbieter <strong>und</strong><br />
Trainer von dieser Botschaft lernen? Der<br />
Bezug zu <strong>Werte</strong>n sollte mehr sein als eine<br />
Folklore-Einlage, deren Wirkung vorüber<br />
ist, sobald sich der Vorhang nach Ende der<br />
Vorstellung schließt. Die K<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Teilnehmer<br />
von morgen kommen aus einer<br />
krisengeschüttelten Welt, sie wollen Antworten<br />
auf ihre Lebensfragen. Dazu können<br />
Denken im Schritt-Tempo???<br />
DENKEN im<br />
organisierten<br />
CHAOS<br />
Mind Mapping ® Deutschland · www.mindmap.de · ms@mindmap.de<br />
Maria Beyer · Fichtestr. 21 · 24118 Kiel · T.: 0431 83317 · F.: 83349
Sechs Thesen zur Zukunft der Religion<br />
Die Zürcher Publizistin Esther Gisberger leitete im Jahr 2008 ein Gespräch über den Boom<br />
des Glaubens. Teilnehmer waren der Soziologe Peter Gross, der Religionswissenschaftler<br />
Reiner Anselm <strong>und</strong> David Bosshart vom Gottlieb Duttweiler Institut (GDI), einem Think-Tank<br />
in Rüschlikon am Zürichsee. Sechs Thesen bilden die Quintessenz der Diskussion.<br />
1. Es ist nicht mehr peinlich, über Religion zu sprechen <strong>und</strong> sie zu leben.<br />
Viele Führungskräfte stehen offen dazu, dass sie zu spirituell-religiösen Seminaren ins Kloster<br />
gehen. Politiker bemühen religiöse Motive in ihren Reden. Das Buch von Hape Kerkeling<br />
über das Beschreiten des Jakobsweges wurde zu einem Bestseller. Heute kann ein Jugendlicher<br />
ohne Scham sagen, dass er zum Weltjugendtag nach Köln pilgert.<br />
2. Der Wunsch nach Wiederverzauberung kommt der Religion zugute.<br />
Viele Menschen beten regelmäßig, ohne dass sie dafür eine Kirche aufsuchen. Das zeigt,<br />
dass die rationale Welt nicht alle Bedürfnisse des Menschen abdeckt. Die Orientierungslosigkeit<br />
in der Wissensgesellschaft führt zu der Suche nach einem neuen Lebenssinn.<br />
3. Auch heute macht die Religion das Leben erst erträglich.<br />
Diskontinuitäten <strong>und</strong> Krisen gehören zum Alltag in der vernetzten Tempo-Gesellschaft. Ohne<br />
Religion im Sinne von Lebensbewältigungspraxis wird das Leben mühsam. Auch die Folgen<br />
der Multioptionsgesellschaft machen viele Menschen seelisch heimatlos. Mithin besinnt man<br />
sich auf die eigene Substanz zurück, religiöser Glaube ist ein wichtiges Hilfsmittel dafür.<br />
4. Religion findet mehrheitlich im öffentlichen Raum statt.<br />
Religionsausübung ist in der Mediengesellschaft keine Privatsache mehr. Glaube wird öffentlich<br />
<strong>und</strong> veröffentlicht – YouTube, Flickr <strong>und</strong> Facebook sei Dank. Damit folgt Religion dem<br />
Megatrend des Öffentlichen: In einer exhibitionistischen Gesellschaft wird der private Raum<br />
mehr <strong>und</strong> mehr zurück gedrängt.<br />
5. Die großen Religionen bieten Heimat in einer globalisierten Welt.<br />
Religiöser Pluralismus ist eine gesellschaftliche Tatsache geworden. Ungeb<strong>und</strong>ene Menschen<br />
wählen ihren Glauben nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit aus. Die traditionellen<br />
Religionen haben den Vorzug, dass sie stark verankerte Wurzeln bieten.<br />
6. Religion wird zum Verkaufsschlager.<br />
Das überdimensionierte Kreuz am Hals der Popsängerin Madonna, Jesus mit Dornenkrone<br />
auf dem Slip: Religiöse Motive auf Accessoires werden heute nicht mehr als Provokation<br />
empf<strong>und</strong>en. Nach dem Bio-Label entdeckt das Marketing nun das Religions-Label. Religion<br />
ist die Erwartung, dass man ein ethisch-moralisch aufgeladenes Label nicht nur besser,<br />
sondern auch teuerer verkaufen kann.<br />
Quelle: Norbert Bolz et al: „Die Rückkehr der Religion. Warum Glauben Hochkonjunktur hat“, GDI-Studie Nr. 31, Rüschlikon,<br />
Schweiz, 2008.<br />
Weiterbildungsanbieter wichtige<br />
Beiträge leisten:<br />
A In Coachings darf es nicht<br />
nur um den kürzesten Weg<br />
zum Erfolg gehen oder um das<br />
effiziente Erlernen einer neuen<br />
Management-Technik. Auch der<br />
Umgang mit Niederlagen <strong>und</strong><br />
Lebensfragen, die über den<br />
Büro-Alltag hinausgehen, muss<br />
behandelt werden.<br />
A In Weiterbildungen dürfen<br />
<strong>Werte</strong>-Themen nicht auf den<br />
Kaminabend am letzten Tag abgeschoben<br />
werden, sondern sie<br />
sollten das gesamte Programm<br />
durchziehen. Teilnehmer von<br />
Weiterbildungen fühlen sich<br />
dann angesprochen, wenn der<br />
Veranstalter sie nicht nur als Erfüllungsgehilfen<br />
von Renditezielen ansieht, sondern als<br />
sinnsuchende Menschen.<br />
A Weiterbildungen müssen wetterfeste<br />
Lösungen bieten, die auch dann noch Gültigkeit<br />
besitzen, wenn Menschen in ihrer<br />
berufliche Existenz erschüttert wurden oder<br />
gar ihren Job verloren haben.<br />
Diese Ratschläge machen es noch einmal<br />
deutlich: Die christliche Botschaft, die derzeit<br />
in der Weiterbildungs- <strong>und</strong> Management-<br />
Welt Einzug hält, zeugt vor allem vom Ruf<br />
nach mehr Lebenssinn im Geschäftsalltag.<br />
Dieser Impuls kommt in der auslaufenden<br />
Krise gerade zur rechten Zeit. Die Weiterbildungswirtschaft<br />
sollte ihn nicht ignorieren.<br />
Axel Gloger C<br />
www.initiativpreis.de<br />
knowledge | 35<br />
„And the winner is…<br />
www.managerSeminare.de<br />
1_6MS127-067.indd 1<br />
managerSeminare | Heft 141<br />
08.09.2009<br />
| Dezember<br />
10:30:52<br />
2009<br />
Uhr
36 | knowledge<br />
„Wir trauen dem Geweihten<br />
wieder etwas zu“<br />
THEOLOGIN IM INTERVIEW<br />
Lange Zeit galt sie hierzulande fast schon als Auslaufmodell, jetzt erobert<br />
die Religion ihren Platz in der Gesellschaft zurück. Über die Gründe für<br />
diese Entwicklung <strong>und</strong> deren Auswirkungen auf die Arbeitswelt sprach<br />
managerSeminare mit der Theologieprofessorin Dr. Susanne Sandherr.<br />
Die Vermittler von Firmen-Geistlichen aus<br />
den USA haben ihre ersten Standorte in Europa<br />
geschaffen. Wie kommt es, dass die Vereinigten<br />
Staaten uns vorführen, wie die Rückkehr<br />
zur Religion funktioniert?<br />
Prof. Dr. Susanne Sandherr: Die transatlantische<br />
Pipeline ist intakt. Das zeigen uns<br />
viele Beispiele. Wir haben Coca-Cola importiert,<br />
auch Marlboro, das Hollywood-Kino<br />
<strong>und</strong>, in den Siebzigerjahren beginnend, die<br />
Schnellimbisskette McDonald‘s. Jetzt ist es<br />
eben die öffentlich ausgeübte Religion, die<br />
aus Amerika zu uns gelangt.<br />
Hat die Religion in den USA eine bessere<br />
Bühne?<br />
Sandherr: Gewiss. In den Vereinigten Staaten<br />
gibt es eine viel größere Religionsfre<strong>und</strong>lichkeit<br />
als in Europa. Zudem ist es auf der<br />
anderen Seite des Atlantiks ganz normal,<br />
Religiosität auch öffentlich zur Schau zu<br />
stellen. Gottesdienste, das Gebet, der Glaube,<br />
all das ist Teil des öffentlichen, auch<br />
medial gezeigten Lebens.<br />
managerSeminare | Heft 141 | Dezember 2009<br />
Aber warum erreicht uns der Religionstrend<br />
erst jetzt?<br />
Sandherr: Lange Zeit schien es so, als spiele<br />
Religion in unserem Alltag keine Rolle mehr.<br />
Die moderne, aufgeklärte Gesellschaft hatte<br />
keinen Platz mehr für Religion. Der Philosoph<br />
Hans Joas sagte, dass Modernisierung<br />
keineswegs mit Säkularisierung einhergehen<br />
muss. Heute sehen wir, dass Joas‘ These richtig<br />
ist – der Glaube ist im Begriff, den Alltag<br />
zurückzuerobern. Religion ist eine starke<br />
spirituelle Ressource. Das zeigt uns die islamische<br />
Welt, aber eben zunehmend auch<br />
das alte Europa ...<br />
Und deswegen gibt es jetzt Gebetskreise in der<br />
Hauptverwaltung einer Großbank <strong>und</strong> einen<br />
Kongress christlicher Führungskräfte, der aus<br />
allen Nähten platzt ...<br />
Sandherr: Das sind sichtbare Ergebnisse<br />
einer länger andauernden Entwicklung.<br />
Der Einfluss des Gedankenguts von 1968<br />
schwindet. Diese Jahreszahl war das Symbol<br />
der bedingungslosen Moderne in allen<br />
Bereichen der Gesellschaft. 1968 brachte<br />
uns das Versprechen der Gestaltbarkeit.<br />
Alles ist machbar, gestaltbar <strong>und</strong> rational<br />
erklärbar. Die Kirche hatte in dieser Denkweise<br />
keinen Platz mehr, sie galt als dumpfautoritäre,<br />
gestrige Institution. Aber das<br />
neue Jahrtausend hat hier einen Sinneswandel<br />
gebracht. Heute ist es wieder sozial<br />
akzeptiert, sich der Religion zuzuwenden.<br />
Auch im Büro muss niemand mehr seinen<br />
Glauben verheimlichen.<br />
Offensichtlich auch nicht die Top-Manager.<br />
Der Unternehmer Ludwig <strong>Georg</strong> Braun war<br />
bis 2009 Präsident des Spitzenverbandes<br />
DIHK. Bei seinem Amtsantritt 2001 verwies<br />
er deutlich auf seinen christlichen Glauben.<br />
Sandherr: Vor 30 Jahren wäre so etwas<br />
noch nicht möglich gewesen. Dass sich eine<br />
Führungskraft in einer herausgehobenen<br />
Position offen zum Glauben bekennt, ist<br />
ein Zeichen der Postmoderne. Ihr Kennzeichen<br />
sind die Beliebigkeit, Medien <strong>und</strong><br />
Internet zeigen uns jeden Tag: Alles ist<br />
möglich. In diesem Umfeld können es die
Menschen wieder wagen, sich<br />
offen zur Religion zu bekennen.<br />
Es erregt keinen Anstoß mehr.<br />
Steckt noch mehr dahinter?<br />
Sandherr: Hinzu kommt ein<br />
großer Bedarf nach Sinnstiftung,<br />
Lebensweisung, Orientierung.<br />
Diesbezüglich haben die<br />
Menschen zum Religiösen offenbar<br />
mehr Vertrauen als zum<br />
Ratschlag eines Psychologen<br />
oder der <strong>Werte</strong>broschüre einer<br />
Firma. Der archaische Bezug<br />
darf wieder eine Rolle spielen:<br />
Wir trauen dem Geweihten wieder<br />
etwas zu, auch in einem<br />
scheinbar so auf Rationalität<br />
ausgelegten Gebilde wie dem<br />
Unternehmen.<br />
Nun sind die Manager ja durchaus<br />
findig. Sie nutzen alles, was<br />
hilft, bessere Geschäfte zu machen.<br />
Ist „christlich“ vielleicht nur ein<br />
Foto: Wolfram Stadler<br />
Prof. Dr. Susanne Sandherr lehrt Katholische Theologie an der Katholischen<br />
Stiftungsfachhochschule München. Kontakt: susanne.sandherr@ksfh.de<br />
hilfreiches Etikett, das an ein Produkt ebenso<br />
geklebt werden kann wie an eine Unternehmenskultur<br />
oder eine Coaching-Dienstleistung?<br />
Sandherr: Die Verlockung ist da. Der Bezug<br />
auf christliche <strong>Werte</strong> wäre dann nur das<br />
Schmierfett für eine gut laufende Gewinnmaschine.<br />
Religion wäre hier nichts weiter<br />
als ein Dopingmittel, das die Motivation<br />
verbessert – <strong>und</strong> vielleicht besser funktioniert<br />
als die alten, die im Lauf der Zeit wirkungslos<br />
geworden sind ...<br />
Also Religion light als neue Folklore für die<br />
Arbeitswelt …<br />
Sandherr: Nein, so wird es nicht gehen!<br />
Religion ist eben nicht das schöne Ritual,<br />
das es erlaubt, sich am nächsten Tag fitter zu<br />
fühlen. Das christlich-jüdische Gr<strong>und</strong>verständnis<br />
reicht weiter, es verlangt mehr,<br />
denn biblisch kommt der Glaube stets als<br />
prophetische Intervention ins Spiel. Das<br />
bedeutet: aufstehen für Recht <strong>und</strong> Gerechtigkeit.<br />
Das Interview führte Axel Gloger C<br />
knowledge | 37<br />
…Ihr Unternehmen!“<br />
Jetzt bewerben!<br />
www.initiativpreis.de<br />
managerSeminare | Heft 141 | Dezember 2009
16 | news<br />
Speakers Corner: „In Führungspositionen<br />
schaffen es nur die Angepassten“<br />
Holger Rust zur verfehlten Kritik an der Nachwuchsgeneration<br />
C Klagen über den Führungsnachwuchs<br />
bestimmen seit langer Zeit den personalwirtschaftlichen<br />
Diskurs, <strong>und</strong> sie sind in der<br />
Wirtschaftskrise noch lauter geworden.<br />
Headhunter, Personalvorstände <strong>und</strong> Verbandsrepräsentanten<br />
kritisieren – besorgt<br />
um die Innovationsfähigkeit der Unternehmen<br />
– mit wachsender Heftigkeit, dass<br />
ihnen auf Rekrutierungsmessen Typen mit<br />
höchst einseitig mathematisch-formalistischer<br />
Ausrichtung begegnen. Uniformierte<br />
<strong>und</strong> karrieristische Gestalten, die sich<br />
opportunistisch an Normen <strong>und</strong> Gehabe<br />
der älteren Vorgängergeneration angepasst<br />
haben. Es bestehe, so die Klagen, ein<br />
schmerzliches Defizit an innovativen, kommunikativen<br />
<strong>und</strong> visionären Geistern.<br />
Diese Diagnose ist irritierend – <strong>und</strong> ungerecht.<br />
Denn: Die Bereitschaft vieler junger<br />
Studenten <strong>und</strong> Berufseinsteiger, die an sie<br />
gestellten Forderungen zu erfüllen, ist durchaus<br />
vorhanden. Nur: Die jungen Menschen<br />
spüren, dass sie, trotz guter Vorsätze, in den<br />
Unternehmen nicht so können wie sie<br />
eigentlich wollen. Und zwar deshalb, weil sie<br />
in den Unternehmen auf Führungskräfte der<br />
alten Garde stoßen, die weit davon entfernt<br />
sind, offen, inspirierend, kooperativ <strong>und</strong><br />
managerSeminare | Heft 141 | Dezember 2009<br />
ermutigend zu sein, die mit ihrem eigenen<br />
Führungsstil also gerade verhindern, dass<br />
sich der (angeblich von allen gewünschte)<br />
neue Führungsstil entfalten kann.<br />
Für dieses Phänomen gibt es handfeste<br />
Belege. Seit knapp zehn Jahren führen wir<br />
am Institut für Soziologie der Universität<br />
Hannover im Rahmen meines Forschungsschwerpunkts<br />
eine Langzeitstudie durch, in<br />
der Studierende <strong>und</strong> Young Professionals<br />
immer wieder zu zwei Themenbereichen<br />
befragt werden. Erstens sollen die jungen<br />
Menschen Auskunft darüber geben, wie sie<br />
sich den idealen CEO der Zukunft vorstellen,<br />
wie sie im Vergleich dazu die amtierenden<br />
Führungskräfte einschätzen <strong>und</strong> ob sie meinen,<br />
die erwünschten Merkmale selbst zu<br />
besitzen. Zweitens werden die Befragten mit<br />
moralischen Dilemmata-Situationen konfrontiert.<br />
Sie sollen angeben, wie sie sich<br />
selbst in einer ethisch verzwickten Situation<br />
verhalten würden <strong>und</strong> wie sich – ihrer Einschätzung<br />
zufolge – wohl die amtierende<br />
Führungsriege in der Situation verhält.<br />
Resultat: Als wesentliche Eigenschaften<br />
der idealen Führungskraft werden mit deutlichem<br />
Abstand mitarbeiterorientierte Sozialkompetenzen<br />
genannt, nämlich Inspirati-<br />
Was meinen Sie zum Thema „Nachwuchsgeneration“? Diskutieren Sie mit unter www.managerSeminare.de/SpeakersCorner.<br />
onsfähigkeit, Ermutigung, Lern- <strong>und</strong><br />
Kommunikationsbereitschaft. Die Selbsteinschätzung<br />
der Befragten dokumentiert: Die<br />
jungen Menschen sehen sich insgesamt in<br />
der Lage, die Anforderungen zu erfüllen. Die<br />
amtierende Managerklasse kommt dagegen<br />
im Vergleich zum Wunschbild schlecht weg.<br />
Vor allem, wenn es um Mitarbeiterorientierung<br />
geht, stellen die Jungen den Alten ein<br />
schlechtes Zeugnis aus. Bei der Einschätzung<br />
der moralischen Dilemmata-Situationen<br />
meinen sie beispielsweise, dass sich amtierende<br />
Manager oft für einen Weg entscheiden,<br />
der auf Kosten der Mitarbeiter geht.<br />
Wichtig ist: Die Studenten <strong>und</strong> Berufsstarter,<br />
die wir über all die Jahre befragt<br />
haben, waren stets solche mit ausgeprägten<br />
Führungsambitionen, sie waren karriereorientiert<br />
<strong>und</strong> unternehmensnah. Die Ergebnisse<br />
spiegeln also nicht etwa die Mentalität<br />
einer Gruppe von wirtschaftsfernen Kritikern<br />
aus dem akademischen Elfenbeinturm,<br />
sondern tatsächlich die Ansichten <strong>und</strong><br />
Absichten der nächsten Führungsgeneration.<br />
Daher ist es erschreckend, dass diese<br />
Ansichten <strong>und</strong> Absichten kaum Wirkungen<br />
in der realen Wirtschaftskultur zu hinterlassen<br />
scheinen. Denn die von uns vor r<strong>und</strong>
einem Jahrzehnt befragten ambitionierten<br />
Studenten <strong>und</strong> Berufseinsteiger müssten ja<br />
eigentlich die amtierenden Manager von<br />
heute sein.<br />
Da drängt sich die Frage auf, wie es zu<br />
dieser Situation kommen kann. Vermutlich<br />
wurzelt die Ursache für das Problem genau<br />
da, wo auch die meisten Klagen über die angeblich<br />
allzu stromlinienförmige Nachwuchsgeneration<br />
herkommen: im Personalmanagement.<br />
Wenn es nämlich ernst wird mit der<br />
Rekrutierung, dann nimmt man ganz offensichtlich<br />
die etwas sperrigeren <strong>und</strong> selbstbewussteren<br />
Talente seltener in die engere Wahl<br />
für Führungspositionen als die Angepassten.<br />
Die Tendenz setzt sich fort in der Auswahl<br />
per Assessment-Center: Kennzahldominierter<br />
Formalismus überwiegt in den Prognosekriterien<br />
für Karrieren <strong>und</strong> dominiert in<br />
den Job-Descriptions. Berechenbarkeit siegt<br />
über Innovationsbereitschaft.<br />
Insofern scheinen die an sich verheißungsvollen<br />
<strong>und</strong> für die Zukunft optimistisch<br />
stimmenden Wünsche <strong>und</strong> Absichten<br />
der nachfolgenden Führungsgeneration<br />
kaum den Weg in die Praxis zu schaffen. Der<br />
Verlust ist offensichtlich: Viel intellektuelles,<br />
innovatives, inspirierendes „Humankapital“<br />
Dr. Holger Rust ist Professor für<br />
Arbeits- <strong>und</strong> Wirtschaftssoziologie.<br />
Unter seiner Ägide entstand am<br />
Institut für Soziologie <strong>und</strong> Sozial-<br />
psychologie der Universität Hannover<br />
eine Langzeitstudie über Einstellungen<br />
der nachfolgenden Führungsgeneration.<br />
Die Ergebnisse der Untersuchung<br />
hat Rust in seinem im Oktober 2009<br />
erschienenen Buch „Die dritte Kultur im<br />
Management: Ansichten <strong>und</strong> Absichten<br />
der nächsten Führungsgeneration“<br />
verarbeitet. Kontakt: dr.holger.rust@tonline.de<br />
wird nicht genutzt. Die „Neuerfindung<br />
des Managements“, das<br />
nach Ausbruch der Krise tausendfach<br />
geforderte „Rethinking“,<br />
bleiben Floskeln in Sonntagsreden.<br />
Viele junge, motivierte Kräfte<br />
werden im System eines kennzahldominierten<br />
Formalismus<br />
nach wie vor ausgesondert.<br />
Dieser Verlust trifft nicht nur<br />
die, die anders sein wollen, sondern<br />
auch die amtierenden Führungspersönlichkeiten.<br />
Sie hätten<br />
die Chance, durch junge<br />
Leute mit eigenem Profil ihren<br />
Traum von einem dynamischen<br />
Unternehmen zu realisieren <strong>und</strong><br />
sich selber zu verjüngen. Und sie<br />
könnten damit eine Gefahr abwenden:<br />
dass nämlich die Jungen<br />
allein ihren Weg gehen <strong>und</strong><br />
enttäuscht von der herrschenden<br />
Unternehmenskultur mit eigenen<br />
Gründungen den verknöcherten<br />
Formalisten eines Tages<br />
mächtig Feuer unterm Hintern<br />
machen.<br />
Professor Dr. Holger Rust C<br />
news | 17<br />
Einfach die<br />
Idee anders.<br />
Begeistern Sie Ihre Seminar-Teilnehmer mit<br />
kraftvollen Visualisierungen <strong>und</strong> mutigen<br />
Dialogmethoden. Neuland macht es Ihnen<br />
leicht: Alles, was Sie für lebendiges Lernen<br />
brauchen, fi nden Sie im neuen Katalog!<br />
Das große Expertensortiment r<strong>und</strong> um lebendiges Lernen! 1/2009<br />
Kreatives Lernen – weltweit!<br />
unter<br />
Katalog gleich<br />
GRATIS<br />
anfordern!<br />
www.neuland.eu<br />
➔ Europas größtes Sortiment für<br />
intelligentes Lernwerkzeug:<br />
Pinwände, FlipCharts, Trainerkoffer,<br />
Präsentationstechnik, Spiele u.v.m.<br />
➔ Weit über 150 Seiten professionelle<br />
Unterstützung für Ihre Kreativität!<br />
Neuland GmbH & Co. KG | Tel. 06659 88-0 | www.neuland.eu<br />
managerSeminare | Heft 141 | Dezember 2009
16 | news<br />
Speakers Corner: „Die neue Managergeneration<br />
braucht alte <strong>Werte</strong>“<br />
Björn Migge über fehlendes Schuldbewusstsein <strong>und</strong> falsche Scham<br />
C In meiner Coaching-Praxis beobachte ich<br />
seit einiger Zeit etwas, das mich sehr beunruhigt:<br />
Offenbar hat sich das Scham- <strong>und</strong><br />
Schuldempfinden deutscher Manager verändert.<br />
Jedenfalls sitzen mir immer mehr<br />
junge Führungskräfte gegenüber, die mit<br />
dem Scham- <strong>und</strong> Schuldbegriff wie ich ihn<br />
kenne nichts mehr anfangen können.<br />
Scham ist ein im Menschen angelegter<br />
Affekt. Man schämt sich vor anderen, wenn<br />
man vermutet, dass diese an einem etwas<br />
bemerken, was man lieber vor ihnen verbergen<br />
würde. Oder man schämt sich, wenn<br />
man sich zu mutig vorgewagt hat, <strong>und</strong> wenn<br />
das Vorhaben dann misslungen ist. Scham<br />
weist oft Überschneidungen mit dem Gefühl<br />
der Schuld auf. In jedem Fall hat Scham viel<br />
mit dem Verlust sozialer Achtung zu tun <strong>und</strong><br />
erfüllt somit eine wichtige soziale Funktion:<br />
Sie dient der Aufrechterhaltung gesellschaftlicher<br />
<strong>Werte</strong> <strong>und</strong> Normen. Die Fähigkeit zur<br />
Scham ist im Menschen verwurzelt. Wofür<br />
wir uns jedoch schämen, ist sozio-kulturell<br />
geprägt. Je nach Herkunft, Gesellschaft oder<br />
Generation schämen sich Menschen für sehr<br />
unterschiedliche Dinge.<br />
Die älteren Führungskräfte entsprechen<br />
in ihrem Scham- <strong>und</strong> Schuldempfinden<br />
dem, was ich selbst kenne: Die meisten von<br />
ihnen gestehen sich ein, dass sie mitunter<br />
für das Leid anderer Menschen oder für das<br />
Misslingen wichtiger Projekte verantwortlich<br />
sind. Sie empfinden dafür Schuld <strong>und</strong><br />
managerSeminare | Heft 140 | November 2009<br />
Scham. Vielleicht können sie mit diesen<br />
Empfindungen nicht immer umgehen. Oft<br />
tabuisieren, bagatellisieren, verdrängen oder<br />
dramatisieren sie die Schuld. Doch sie spüren<br />
immerhin den Affekt. Und im Coaching<br />
oder in Gesprächen mit weisen Fre<strong>und</strong>en<br />
lassen sich dann meist gute Wege finden, die<br />
helfen, mit diesen Gefühlen konstruktiv<br />
umzugehen.<br />
Bei nicht wenigen Führungskräften der<br />
jüngeren Generation kann ich mich aber<br />
im Gegensatz dazu überhaupt nicht mehr<br />
darauf verlassen, dass sie ein solches Schuld-<br />
<strong>und</strong> Schambewusstsein haben. Fast nie<br />
höre ich: „Ich habe etwas falsch gemacht<br />
<strong>und</strong> bin an anderen schuldig geworden.“<br />
Was ich stattdessen viel öfter höre, ist: „Ich<br />
habe mein Potenzial nicht genutzt“ oder „Ich<br />
habe mein Ideal-Selbst immer noch nicht<br />
erreicht.“ „Unfähige“ Kollegen oder Mitarbeiter<br />
werden beiseitegeschoben, weil sie den<br />
eigenen Entwicklungspotenzialen im Wege<br />
stehen, Ehepartner werden verlassen, weil<br />
sie nicht mehr zur Weiterentwicklung der<br />
Selbstverwirklichung beitragen ... Schuldig<br />
fühlen sich besagte Führungskräfte deshalb<br />
nicht. Statt Schuld empfinden sie bestenfalls<br />
Scham – <strong>und</strong> zwar darüber, dass sie ihre<br />
eigenen Ansprüche erst so spät erkannt <strong>und</strong><br />
verwirklicht oder ihre Entwicklungs- <strong>und</strong><br />
Veränderungspotenziale nicht voll ausgeschöpft<br />
haben. Sie sehen dabei nur sich<br />
selbst.<br />
Fehlt jungen Führungskräften das Schuld- <strong>und</strong> Schambewusstsein? Diskutieren Sie mit unter www.managerSeminare.de/SpeakersCorner.<br />
Ich vermute, es liegt daran, dass in unserer<br />
postmodernen Erlebnis- <strong>und</strong> Selbstverwirklichungsgesellschaft<br />
„alte“ <strong>Werte</strong> <strong>und</strong><br />
Tugenden verloren gehen, die Beständigkeit<br />
<strong>und</strong> Verlässlichkeit garantieren <strong>und</strong> am allgemeinen<br />
Wohl ausgerichtet sind. Die neuen<br />
Prinzipien heißen dagegen: Offenheit,<br />
Wachstum, Unabhängigkeit, Flexibilität –<br />
vor allem aber Individualismus, Selbstfindung<br />
<strong>und</strong> Selbstverwirklichung. Diese neuen<br />
<strong>Werte</strong> sind unbarmherzige Antreiber. In der<br />
neuen narzisstisch geprägten Kultur gedeiht<br />
eine unbewusste, aber tief greifende Unsicherheit<br />
im Hinblick auf das eigene Selbst.<br />
Die neue Generation fragt intensiver als vorher:<br />
„Wer bin ich?“, „Wie kann ich optimal<br />
<strong>und</strong> mit möglichst viel Spaß leben?“, „Wie<br />
kann ich möglichst intensiv leben, wenn’s<br />
geht, mit Thrill?“<br />
Das fängt bei vielen schon in der Schule<br />
an. Wenn wir Kindern die Frage stellen:<br />
„Was möchtest Du einmal werden?“, antworten<br />
weniger als früher mit Berufen,<br />
großartigen Erfindungen, hilfreichen Taten<br />
für die Menschheit. Stattdessen: „Ich will<br />
reich werden“, „Ich will berühmt werden“,<br />
„Ich will ganz viel Spaß am Leben haben!“<br />
Wenn wir oberflächlich hinschauen, sehen<br />
wir spätere geniale Höchstleister <strong>und</strong> Großstadt-Abenteurer.<br />
Schauen wir indes genauer<br />
hin, erkennen wir Menschen mit einem<br />
unsagbaren inneren Leistungsdruck, die<br />
nach Selbstverwirklichung streben <strong>und</strong> von
permanenten Selbstzweifeln getrieben<br />
<strong>und</strong> gequält sind. Erfolg,<br />
Karriere, Konsum <strong>und</strong> Besitz,<br />
Positionen <strong>und</strong> Führungsverantwortung<br />
können solche<br />
Gefühle etwas lindern. Daher<br />
nehmen es Führungskräfte der<br />
neuen Generation – so zumindest<br />
meine häufige Beobachtung<br />
– als vernichtende Kritik<br />
ihres Selbst wahr, wenn man sie<br />
auch nur in einem kleinen<br />
Detail kritisiert. Aus der Psychotherapie<br />
kennt man solch<br />
ein Verhalten von Personen mit<br />
narzisstischen Persönlichkeitsauffälligkeiten.<br />
Sind viele junge Manager<br />
mit dieser „Krankheit“ infiziert<br />
oder fehlt es ihnen schlicht an<br />
<strong>Werte</strong>n, die über sie selbst hinausweisen?<br />
Es mag sein, dass ich<br />
altmodisch bin, aber ich glaube,<br />
dass es schlicht an <strong>Werte</strong>n fehlt,<br />
die über die Verbesserung des<br />
Image <strong>und</strong> des Selbstbildes hinausgehen.<br />
„Wie kann ich mit<br />
meinen Fähigkeiten zum allgemeinen<br />
Wohl der Menschen<br />
beitragen?“ Das ist eine alte Leitfrage,<br />
die jede Führungsperson<br />
auch heute noch verinnerlichen<br />
sollte. Erfolg <strong>und</strong> Freude dürfen<br />
Dr. Björn Migge hat Medizin <strong>und</strong> soziale<br />
Verhaltenswissenschaften studiert. Er<br />
arbeitete zunächst als Oberarzt <strong>und</strong> Universitätsdozent<br />
in Zürich <strong>und</strong> gründete 2004<br />
in Minden das Weiterbildungsinstitut Dr.<br />
Migge-Seminare. Er ist der Autor des<br />
Handbuchs Coaching <strong>und</strong> Beratung (Beltz).<br />
Migge ist Ehrenmitglied im Qualitätsring<br />
Coaching e.V. (QRC) <strong>und</strong> Senior Coach im<br />
Deutschen B<strong>und</strong>esverband Coaching e.V.<br />
(DBVC). Kontakt: www.drmigge.de<br />
trotzdem sein. Hier sehe ich eine wichtige<br />
Herausforderung ethisch verantwortlicher<br />
Führung: Der jungen Generation, deren<br />
<strong>Moral</strong>- <strong>und</strong> Schuldempfinden – womöglich<br />
durch TV, IT <strong>und</strong> andere Einflüsse – verändert<br />
ist, ein guter Gesprächspartner zu sein<br />
<strong>und</strong> <strong>Werte</strong> anzubieten, die über das Selbst-<br />
Ideal hinausweisen.<br />
Dass vielen modernen Menschen eine<br />
Lücke in ihrer Seele klafft, ahnen auch manche<br />
Personalentwickler. Daher gibt es viele<br />
Trainings zur sozialen Kompetenz. Hier wird<br />
vermittelt, wie man sich empathisch verhält<br />
<strong>und</strong> empathisch kommuniziert. Leider bleibt<br />
dieser gute Ansatz oft nur eine Sozial-Technik.<br />
Führungskräfte mögen dann zwar „gute<br />
Sprüche drauf haben“, aber in ihrer Seele<br />
können sie nicht wirklich erkennen, wie es<br />
anderen geht. Wenn sie nicht mitfühlen können<br />
<strong>und</strong> keine Schuld empfinden, weil sie<br />
nicht die richtigen <strong>Werte</strong> mit auf den Weg<br />
bekommen haben, können sie auch keine<br />
wirkliche Verantwortung übernehmen.<br />
Ohne Verantwortung für andere <strong>und</strong> ohne<br />
Schuldempfinden jedoch kann es auch keine<br />
Vergebung geben, können Verletzungen<br />
nicht ausgeglichen werden. Dann gehen wir<br />
den Weg in eine unbarmherzige Gesellschaft,<br />
die nur die Verwirklichung des Selbst-Ideals<br />
kennt.<br />
Dr. Björn Migge C<br />
news | 17<br />
Wir zeigen<br />
Ihnen den Weg ...<br />
… in die Zukunft des lebendigen Lernens.<br />
Bei Neuland fi nden Sie einzigartige Innovationen,<br />
die Ihr Seminar zum inspirierenden Erlebnis<br />
machen: der erste wirklich ergonomische<br />
TrainerMarker der Welt, die variabelste Pinwand,<br />
der schnellste Weg zu neuen Dialogmethoden –<br />
keiner ist näher an den Weiterbildungstrends<br />
von morgen! Wann profi tieren Sie von Europas<br />
größtem Sortiment für intelligentes Lernwerkzeug?<br />
Fordern Sie<br />
gleich den neuen<br />
Katalog an!<br />
Neuland GmbH & Co. KG | Tel. 06659 88-0 | www.neuland.eu<br />
managerSeminare | Heft 140 | November 2009
28 | knowledge<br />
Wie Manager wieder<br />
glaubwürdig werden<br />
WETTBEWERBSFAKTOR VERTRAUEN<br />
Mitten hinein in die Diskussion um verlorenes Vertrauen in Manager<br />
<strong>und</strong> Management hat Stephen M. R. Covey sein Buch „Schnelligkeit<br />
durch Vertrauen“ platziert. Darin bezeichnet er Vertrauen als die<br />
wichtigste <strong>und</strong> gleichzeitig am häufigsten unterschätzte wirtschaftliche<br />
Ressource überhaupt. Für managerSeminare hat der amerikanische<br />
Bestseller-Autor seine zentralen Thesen zusammengefasst<br />
<strong>und</strong> einen Weg zu mehr Vertrauen im Management skizziert.<br />
managerSeminare | Heft 137 | August 2009
Foto: iStock<br />
Preview: AIWeltweite Vertrauenskrise: Wie es um das<br />
Vertrauen in den Nationen bestellt ist AIGrößere<br />
Geschwindigkeit, kleinere Kosten: Die Folgen von Vertrauen<br />
AIZentraler Wettbewerbsfaktor: Warum Vertrauen<br />
in der Wirtschaft immer wichtiger wird AIVertrauen<br />
in eigene Versprechen: Die Gr<strong>und</strong>voraussetzung<br />
für Glaubwürdigkeit AIEhrlichkeit <strong>und</strong> Kongruenz: Die<br />
Bausteine der Integrität AIWin-win-Orientierung statt<br />
Egoismus: Welche Absichten Vertrauen erzeugen<br />
AIGlaubwürdig durch Fähigkeiten: Warum Führungskräfte<br />
lernen <strong>und</strong> lehren sollten AIErgebnisse erzeugen<br />
Vertrauensguthaben: Warum ohne Resultate keine<br />
Glaubwürdigkeit aufgebaut werden kann<br />
Es gibt etwas, das alle Menschen, Beziehungen,<br />
Teams, Familien, Organisationen,<br />
Volkswirtschaften, Nationen <strong>und</strong> Zivilisationen<br />
auf der ganzen Welt gemeinsam haben.<br />
Wenn man es zerstört, wird dies die mächtigste<br />
Regierung, das erfolgreichste Unternehmen,<br />
die einflussreichste Führung, die<br />
größte Fre<strong>und</strong>schaft, den stärksten Charakter<br />
oder die tiefste Liebe zu Fall bringen.<br />
Wenn man es aber pflegt <strong>und</strong> klug einsetzt,<br />
kann es in allen Lebensbereichen bisher nie<br />
erreichte Erfolge bringen. Diese eine Sache<br />
ist Vertrauen.<br />
Vertrauen ist der Treibstoff, der die soziale<br />
Welt am Laufen hält. Doch der ist knapp<br />
geworden, wie ein Blick auf die aktuellen<br />
Schlagzeilen in den Gazetten verdeutlicht:<br />
„Neues Motto der Beschäftigten: Traue keinem!“,<br />
„Vertrauen – verzweifelt gesucht!“,<br />
„Drei Viertel aller Deutschen haben Vertrauen<br />
in Unternehmen verloren!“, „Beziehungen<br />
zerbrechen, weil das Vertrauen fehlt!“,<br />
„Wem kann man heutzutage überhaupt noch<br />
trauen?“, „Kein Vertrauen! Nirgends!“.<br />
Was die Presse derzeit pointiert, hat die<br />
Wissenschaft kürzlich analysiert. Genauer<br />
gesagt: Der britische Soziologe David Halpern<br />
hat auf der Gr<strong>und</strong>lage von Daten des<br />
Den Beitrag gibt es auch zum Hören. Er kann unter www.managerSeminare.de/podcast als Audiodatei heruntergeladen werden.<br />
knowledge | 29<br />
World Values Surveys – einer weltweiten<br />
<strong>Werte</strong>umfrage unter r<strong>und</strong> 92.000 Personen<br />
– untersucht, wie es um das Vertrauen in<br />
den Nationen bestellt ist. Für die USA kam<br />
er zu dem Ergebnis, dass lediglich 34 Prozent<br />
der Bevölkerung glauben, Menschen außerhalb<br />
ihrer Familie <strong>und</strong> des engsten Fre<strong>und</strong>eskreises<br />
vertrauen zu können. In Großbritannien<br />
sind es nur 29 Prozent, in<br />
Deutschland immerhin noch 49 Prozent.<br />
Besonders düster sieht es in Lateinamerika<br />
<strong>und</strong> Afrika aus. Dort liegt die Vertrauensquote<br />
gerade einmal bei 23 bzw. bei 18 Prozent.<br />
Vertrauen steigert die Schnelligkeit <strong>und</strong><br />
senkt die Kosten<br />
Zyniker könnten an dieser Stelle einwenden:<br />
„Na <strong>und</strong>? Vertrauen ist vielleicht eine schöne<br />
soziale Tugend, aber mehr auch nicht.<br />
A weiter auf S.31<br />
managerSeminare | Heft 137 | August 2009
30 | knowledge<br />
Selbsttest: Wie glaubwürdig sind Sie?<br />
Fällt es Menschen leicht, Ihnen zu vertrauen? Strahlen Sie Glaubwürdigkeit aus oder erzeugen Sie bei anderen eher ein Gefühl des Misstrauens? Der folgende Test<br />
gibt Antwort. Lesen Sie die einzelnen Aussagenpaare aufmerksam durch <strong>und</strong> ziehen Sie einen Kreis um die Zahl, die am ehesten auf Sie zutrifft: „1“ bedeutet, dass<br />
Sie sich mit der Aussage ganz links identifizieren, „5“ heißt, dass die rechte Aussage Sie am besten beschreibt.<br />
Ich greife manchmal zu Notlügen oder verdrehe die Wahrheit in meinem<br />
Sinne.<br />
Das, was ich denke, stimmt nicht immer mit dem überein, was ich<br />
sage. Auch mein Handeln deckt sich nicht immer mit meinen <strong>Werte</strong>n.<br />
Ich bin mir über meine <strong>Werte</strong> nicht ganz im Klaren. Es fällt mir schwer,<br />
mich für etwas einzusetzen, wenn die anderen meine Meinung nicht<br />
teilen.<br />
Ich habe Probleme damit, zuzugeben, dass ein anderer Recht haben<br />
könnte.<br />
Es ist schwer für mich, mir Ziele zu setzen <strong>und</strong> sie auch zu verwirklichen.<br />
Andere Menschen sind mir nicht besonders wichtig – abgesehen von<br />
denen, die mir sehr nahe stehen. Ich denke nicht viel über Dinge nach,<br />
die nicht direkt mit mir <strong>und</strong> meinem Leben zu tun haben.<br />
Ich überlege nicht groß, warum ich etwas mache. Ich habe bisher<br />
nicht versucht, meine Absichten <strong>und</strong> Motive zu hinterfragen oder zu<br />
verbessern.<br />
Beim Umgang mit anderen konzentriere ich mich darauf, das zu<br />
bekommen, was ich will.<br />
Mein Verhalten deutet nicht unbedingt darauf hin, dass ich um das<br />
Wohlergehen der anderen bemüht bin.<br />
Tief in meinem Inneren glaube ich: Wenn ein anderer etwas bekommt,<br />
bedeutet das zugleich, dass ich es nicht bekommen kann.<br />
Ich habe das Gefühl, dass ich meine Talente in meinem derzeitigen<br />
Job nicht voll ausspielen kann.<br />
Bisweilen fehlen mir das nötige Wissen <strong>und</strong> die erforderlichen Fähigkeiten,<br />
um meine Arbeit wirklich effektiv zu er ledigen.<br />
Ich nehme mir nur selten Zeit, mein Wissen <strong>und</strong> meine Fähigkeiten in<br />
den verschiedenen Bereichen meines Lebens weiter zu verbessern.<br />
Ich bin mir nicht sicher, wo meine Stärken liegen. Deshalb konzentriere<br />
ich mich mehr darauf, meine Schwächen zu kompensieren.<br />
Ich weiß nicht sehr viel darüber, wie man Vertrauen aufbaut.<br />
Ich kann bisher keine besonders guten Ergebnisse <strong>und</strong> Erfolge vorweisen.<br />
Mein Lebenslauf ist nicht gerade beeindruckend.<br />
Ich bemühe mich, genau das zu tun, was man mir gesagt hat.<br />
Ich tue mich schwer damit, meine bisherigen Leistungen ins rechte<br />
Licht zu rücken. Entweder sage ich gar nichts oder viel zu viel, so dass<br />
ich die anderen damit vor den Kopf stoße.<br />
Oft bringe ich das, was ich angefangen habe, nicht zu Ende.<br />
Wie ich meine Ergebnisse erziele, ist mir nicht so wichtig – mir kommt<br />
es nur darauf an, dass ich etwas erreiche.<br />
Quelle: Stephen M. R. Covey mit Rebecca Merrill: Schnelligkeit durch Vertrauen. Gabal, Offenbach 2009.<br />
managerSeminare | Heft 137 | August 2009<br />
1 2 3 4 5<br />
1 2 3 4 5<br />
1 2 3 4 5<br />
1 2 3 4 5<br />
1 2 3 4 5<br />
1 2 3 4 5<br />
1 2 3 4 5<br />
1 2 3 4 5<br />
1 2 3 4 5<br />
1 2 3 4 5<br />
1 2 3 4 5<br />
1 2 3 4 5<br />
1 2 3 4 5<br />
1 2 3 4 5<br />
1 2 3 4 5<br />
1 2 3 4 5<br />
1 2 3 4 5<br />
1 2 3 4 5<br />
1 2 3 4 5<br />
1 2 3 4 5<br />
Ich bin gegenüber anderen immer ehrlich.<br />
Ich sage <strong>und</strong> tue, was ich wirklich denke <strong>und</strong> fühle. Mein<br />
Handeln stimmt mit meinen Worten <strong>und</strong> <strong>Werte</strong>n überein.<br />
Ich bin mir über meine <strong>Werte</strong> im Klaren <strong>und</strong> trete auch mutig<br />
dafür ein.<br />
Ich bin offen für die Meinungen <strong>und</strong> Ideen anderer <strong>und</strong> auch<br />
bereit, etwas noch einmal zu überdenken.<br />
Ich kann die Versprechen, die ich mir oder anderen gebe,<br />
auch halten.<br />
Andere Menschen <strong>und</strong> ihr Wohlergehen liegen mir sehr am<br />
Herzen.<br />
Ich bin mir meiner Motive bewusst <strong>und</strong> arbeite daran, immer<br />
das Richtige aus den richtigen Gründen zu machen.<br />
Ich suche nach Lösungen, die ein Gewinn für alle Beteiligten<br />
sind.<br />
Mein Verhalten zeigt deutlich, dass ich mich wirklich um das<br />
Wohl der anderen bemühe.<br />
Ich bin ehrlich davon überzeugt, dass es immer mehr als<br />
genug für alle gibt.<br />
Bei meiner Arbeit kann ich meine Talente sehr gut einbringen<br />
<strong>und</strong> so schöne Erfolge erzielen.<br />
Ich habe mir das Wissen <strong>und</strong> die Fähigkeiten angeeignet, die<br />
ich brauche, um einen wirklich guten Job zu machen.<br />
Ich baue mein Wissen <strong>und</strong> meine Fähigkeiten in allen wichtigen<br />
Lebensbereichen konsequent aus.<br />
Ich kenne meine Stärken sehr genau <strong>und</strong> konzentriere mich<br />
voll <strong>und</strong> ganz darauf, sie effektiv einzusetzen.<br />
Ich weiß einiges darüber, wie man Vertrauen aufbaut, ausweitet<br />
oder wiederherstellt. Und ich tue mein Möglichstes,<br />
dieses Wissen in allen Lebensbereichen umzusetzen.<br />
Ich kann bereits Erfolge vorweisen <strong>und</strong> anderen glaubhaft<br />
vermitteln, dass ich ihre Erwartungen erfüllen werde.<br />
Ich konzentriere meine Anstrengungen darauf, Ergebnisse<br />
zu liefern <strong>und</strong> mich nicht mit unwichtigen Aktivitäten zu verzetteln.<br />
Ich spreche offen <strong>und</strong> angemessen mit anderen über meine<br />
bisherigen Leistungen <strong>und</strong> wecke so Vertrauen in meine<br />
Fähigkeiten.<br />
Bis auf wenige Ausnahmen bringe ich alles zu Ende, was ich<br />
angefangen habe.<br />
Ich erreiche meine Ergebnisse immer auf eine Art <strong>und</strong><br />
Weise, die Vertrauen schafft.<br />
A Auflösung auf S.34
Oder lässt sich beweisen, dass<br />
sich Vertrauen in irgendeiner<br />
Weise bezahlt macht, dass es<br />
funktional ist?“ Die Antwort ist<br />
ein klares „Ja“. Denn Vertrauen<br />
wirkt sich – in jeder Art von<br />
Beziehung – immer auf die<br />
Schnelligkeit <strong>und</strong> damit auch<br />
auf die Kosten aus. Die Gleichung<br />
dazu lautet: Sinkt das<br />
Vertrauen, sinkt auch die Schnelligkeit,<br />
<strong>und</strong> die Kosten steigen.<br />
Ein eingängiges Beispiel für<br />
diesen Zusammenhang bildet<br />
die Einführung des Sarbanes-<br />
Oxley Acts im Jahr 2002, der die<br />
Finanzberichterstattung für börsennotierte<br />
Unternehmen neu<br />
regelte. Erlassen wurde er als<br />
Reaktion der Bilanzskandale um<br />
Unternehmen wie Enron <strong>und</strong><br />
WorldCom, mit dem Ziel, das<br />
Vertrauen in den amerikanischen<br />
Aktienmarkt wiederherzustellen.<br />
Aber zu welchem<br />
Preis? Wirtschaftswissenschaftler<br />
haben ausgerechnet, dass<br />
allein die Umsetzung eines einzelnen<br />
Paragraphen des Gesetzes<br />
die amerikanischen Aktienfirmen<br />
jährlich 35 Milliarden Dollar<br />
kostet. Der Sarbanes-Oxley<br />
Act ist gewissermaßen ein Ersatz<br />
für gesunkenes Vertrauen – <strong>und</strong><br />
zwar einer, der die Prozesse<br />
enorm verlangsamt <strong>und</strong> sie sehr<br />
teuer macht.<br />
Donut-Verkäufer überlässt das<br />
Kassieren den K<strong>und</strong>en<br />
Der Zusammenhang von Vertrauen,<br />
Schnelligkeit <strong>und</strong> Kosten<br />
gilt natürlich auch andersherum:<br />
Steigt das Vertrauen, steigt<br />
auch die Schnelligkeit, <strong>und</strong> die<br />
Kosten sinken. Diese Erfahrung<br />
hat auch mein Bekannter Jim<br />
gemacht, der in New York einen<br />
Imbissstand besitzt, an dem er<br />
Donuts <strong>und</strong> Kaffee verkauft. Zur<br />
Frühstücks- <strong>und</strong> Mittagszeit bildeten<br />
sich immer lange Schlangen,<br />
einige K<strong>und</strong>en, beobachtete<br />
Jim, gingen wieder <strong>und</strong> kauften<br />
ihre Snacks woanders. Um das<br />
Problem zu lösen, kürzte er kurzerhand<br />
den Kassiervorgang ab.<br />
Er stellte ein Körbchen mit<br />
Geldscheinen <strong>und</strong> Münzen auf<br />
die Theke <strong>und</strong> vertraute die<br />
Bezahlung seinen K<strong>und</strong>en an.<br />
Nun könnte man vermuten, dass die K<strong>und</strong>en<br />
sich öfters zu ihren Gunsten verrechneten.<br />
Doch genau das Gegenteil war der Fall.<br />
Den Menschen gefiel offenbar das Vertrauen,<br />
das Jim ihnen entgegenbrachte. Sie zahlten<br />
es ihm mit mehr Trinkgeld <strong>und</strong> Treue<br />
zurück. Jim konnte seinen Umsatz schließlich<br />
verdoppeln.<br />
Vertrauen wird zum zentralen<br />
Wettbewerbsfaktor<br />
Ähnliche Effekte für Großunternehmen<br />
haben die Berater von Watson Wyatt in einer<br />
Studie aus dem Jahr 2002 nachgewiesen.<br />
Dieser zufolge ist die Rendite für die Aktionäre<br />
von Unternehmen, in denen zum einen<br />
großes Vertrauen herrscht <strong>und</strong> denen zum<br />
anderen großes Vertrauen entgegengebracht<br />
wird, dreimal so hoch, wie bei Firmen mit<br />
geringeren Ausprägungen auf der internen<br />
<strong>und</strong> externen Vertauensskala. Mittlerweile,<br />
sieben Jahre später, dürfte die durchschnittliche<br />
Vertrauensrendite noch höher ausfallen,<br />
Tendenz weiter steigend.<br />
Hintergr<strong>und</strong>: In der global vernetzten<br />
Welt besteht die Möglichkeit, digitale Daten<br />
enorm schnell <strong>und</strong> kostengünstig um den<br />
ganzen Globus zu schicken. Das hat zur<br />
Folge, dass immer mehr Menschen in immer<br />
mehr Tätigkeitsbereichen konkurrieren.<br />
Thomas Friedman, Kolumnist der New York<br />
Times, spricht in diesem Zusammenhang<br />
von einer neuen, flachen Ökonomie, in<br />
deren Zentrum Partnerschaften <strong>und</strong> Beziehungen<br />
stehen. Diese gedeihen aber nur<br />
durch Vertrauen <strong>und</strong> sterben ab, wenn kein<br />
Vertrauen vorhanden ist. Friedman schreibt:<br />
„Ohne Vertrauen kann es keine flache Welt<br />
geben, da Vertrauen das Element ist, das es<br />
uns ermöglicht, Mauern niederzureißen,<br />
Schranken abzubauen <strong>und</strong> Grenzen zu überwinden.<br />
In einer flachen Welt ist Vertrauen<br />
unerlässlich …“<br />
Weitergedacht, bedeutet das: Die Fähigkeit,<br />
Vertrauen bei K<strong>und</strong>en, Geschäftspartnern,<br />
Investoren <strong>und</strong> Mitarbeitern aufzubauen,<br />
auszuweiten oder wiederherzustellen<br />
ist in einer globalen Wirtschaftwelt eine der<br />
wichtigsten Management-Kompetenzen<br />
überhaupt.<br />
Selbstvertrauen ist das F<strong>und</strong>ament für<br />
Glaubwürdigkeit<br />
Um Vertrauen aufzubauen, bedarf es – das<br />
liegt auf der Hand – vor allem eines: Glaubwürdigkeit.<br />
Doch worauf fußt wiederum<br />
diese? Was ist die Gr<strong>und</strong>voraussetzung für<br />
Glaubwürdigkeit? Die Antwort lautet<br />
„Selbstvertrauen“ – <strong>und</strong> zwar im eigentlichen<br />
Sinnes des Wortes: Kann ich mir trau-<br />
knowledge | 31<br />
managerSeminare | Heft 137 | August 2009
32 | knowledge<br />
managerSeminare | Heft 137 | August 2009<br />
Die 13 Regeln des Vertrauens<br />
Vertrauen ist immer eine Folge von Handlungen. Dabei können Handlungen,<br />
die Vertrauen aufbauen, als Einzahlungen in ein Vertrauenskonto betrachtet<br />
werden. Wer so handelt, dass Vertrauen zerstört wird, nimmt Abhebungen vor.<br />
Diese Regeln sorgen für eine positive Bilanz:<br />
1. Vertrauensregel: Ehrlich sein<br />
Sagen Sie die Wahrheit, drücken Sie sich klar aus <strong>und</strong> nennen Sie die Dinge<br />
beim Namen. Verzerren Sie keine Fakten, vermeiden Sie Halbwahrheiten.<br />
2. Vertrauensregel: Respekt zeigen<br />
Behandeln Sie alle mit Respekt, auch diejenigen, die nichts für Sie tun können.<br />
Denken Sie daran, dass gerade Kleinigkeiten einen großen Vertrauensbonus<br />
schaffen.<br />
3. Vertrauensregel: Transparenz schaffen<br />
Handeln Sie nach der Devise „Sie bekommen das, was Sie sehen!“. Verzichten<br />
Sie auf versteckte Agenden <strong>und</strong> verheimlichen Sie keine wichtigen Informationen.<br />
4. Vertrauensregel: Fehler wiedergutmachen<br />
Entschuldigen Sie sich umgehend, wenn Sie im Unrecht sind. Machen Sie Ihre<br />
Fehler wieder gut, wann immer es möglich ist.<br />
5. Vertrauensregel: Loyal sein<br />
Reden Sie immer so über andere, als wären sie anwesend. Treten Sie für<br />
diejenigen ein, die abwesend sind <strong>und</strong> sich nicht verteidigen können. Geben<br />
Sie nichts weiter, was Ihnen anvertraut wurde.<br />
6. Vertrauensregel: Ergebnisse liefern<br />
Sorgen Sie dafür, dass Sie möglichst gute Ergebnisse vorweisen können. Halten<br />
Sie sich an den Zeitplan <strong>und</strong> das Budget. Und suchen Sie keine Ausreden,<br />
um angekündigte Ergebnisse doch nicht liefern zu müssen.<br />
7. Vertrauensregel: Sich verbessern<br />
Verbessern Sie sich kontinuierlich. Lernen Sie unermüdlich <strong>und</strong> entwickeln sie<br />
Feedbacksysteme. Richten Sie Ihr Handeln nach dem Feedback, das Sie<br />
bekommen.<br />
8. Vertrauensregel: Sich der Realität stellen<br />
Befassen Sie sich direkt mit schwierigen Dingen. Sprechen Sie alles an, was<br />
bisher nicht gesagt wurde <strong>und</strong> übernehmen Sie bei den Gesprächen mutig die<br />
Führung.<br />
9. Vertrauensregel: Erwartungen klären<br />
Sprechen Sie immer offen über Erwartungen. Gehen Sie nicht einfach davon<br />
aus, dass allen die Erwartungen klar sind.<br />
10. Vertrauensregel: Verantwortung übernehmen<br />
Tragen Sie selbst Verantwortung <strong>und</strong> nehmen Sie auch andere in die Pflicht.<br />
Schieben Sie niemals die Schuld anderen in die Schuhe, wenn unter Ihrer<br />
Verantwortung etwas schiefgeht.<br />
11. Vertrauensregel: Erst zuhören<br />
Hören Sie immer erst zu, bevor Sie sprechen. Finden Sie heraus, was dem<br />
anderen besonders wichtig ist. Fragen Sie, was er sich wünscht <strong>und</strong> worüber<br />
er sich Sorgen macht.<br />
12. Vertrauensregel: Versprechen halten<br />
Sagen Sie, was Sie tun wollen, <strong>und</strong> machen Sie es dann auch. Achten Sie<br />
darauf, dass Ihre Versprechen realistisch <strong>und</strong> sinnvoll sind!<br />
13. Vertrauensregel: Anderen Vertrauen schenken<br />
Denken Sie daran, wie wichtig es ist, anderen zu vertrauen. Schenken Sie Ihr<br />
Vertrauen denjenigen, die es verdienen.<br />
Quelle: Stephen M. R. Covey mit Rebecca Merrill: Schnelligkeit durch Vertrauen. Gabal, Offenbach<br />
2009.<br />
en, dass ich die Versprechen, die ich mir selbst gebe, auch<br />
wirklich halte? Nur die wenigsten würden auf diese<br />
Frage wohl mit einem klaren „Ja“ antworten. Denn die<br />
meisten neigen dazu, ihre Ziele nicht hartnäckig genug<br />
zu verfolgen, <strong>und</strong> mit sich selbst Kompromisse einzugehen.<br />
Das beste Beispiel dafür sind die guten Vorsätze<br />
zu Beginn eines neuen Jahres – nicht einmal jeder Zehnte<br />
setzt sie tatsächlich in die Tat um. Viele Menschen<br />
brechen also immer wieder Versprechen, die sie sich<br />
selbst gegeben haben.<br />
Die Folge: Früher oder später verlieren sie das Vertrauen<br />
in ihre Fähigkeit, Versprechen zu halten. Sie verlieren<br />
ihr Selbstvertrauen. Vielleicht versuchen sie dann,<br />
Stärke aus ihrer Position zu ziehen, aber das funktioniert<br />
nicht. Es handelt sich dabei nicht um ihre ureigene innere<br />
Stärke – <strong>und</strong> das merken Menschen ganz schnell. Die<br />
Quintessenz aus dieser Überlegung ist so einfach wie<br />
wichtig: Versprechen, die wir uns selbst geben, sollten<br />
wir genauso achten, wie Versprechen, die wir anderen<br />
geben.<br />
Mitarbeiter merken sich die kleinen Flunkereien<br />
Neben dem Selbstvertrauen als Gr<strong>und</strong>voraussetzung<br />
gibt es vier weitere Faktoren der Glaubwürdigkeit. Der<br />
erste ist die Integrität. Integer zu sein bedeutet zuerst<br />
einmal, aufrichtig zu sein. Und zwar nicht nur in den<br />
vermeintlich großen Dingen. Wie oft lassen sich Manager<br />
durch ihre Sekretärin verleugnen mit der Ausrede<br />
„Er ist gerade in einer Besprechung“? Es sind solche<br />
kleinen Dinge, die Mitarbeitern auffallen <strong>und</strong> die sie<br />
sich merken. Albert Einstein hat gesagt: „Menschen, die<br />
bei kleinen Dingen achtlos mit der Wahrheit umgehen,<br />
kann man bei wichtigen Dingen nicht vertrauen.“<br />
Integrität meint aber noch mehr als Ehrlichkeit. Sie<br />
bedeutet auch, kongruent zu sein. Also den Mut zu<br />
haben, in Übereinstimmung mit den eigenen <strong>Werte</strong>n<br />
<strong>und</strong> Überzeugungen zu handeln. Wer kongruent ist, lässt<br />
sich nicht von äußeren Kräften wie der Meinung anderer<br />
oder den Erfordernissen des Augenblicks treiben.<br />
Die einzige Stimme, auf die er hört, ist sein Gewissen.<br />
Gandhi sprach zwei St<strong>und</strong>en – ohne eine Notiz zu<br />
verwenden<br />
Ein großartiges Beispiel für eine kongruente Persönlichkeit<br />
war Mahatma Gandhi. Als er in England eine Rede<br />
vor dem House of Commons hielt, sprach er volle zwei<br />
St<strong>und</strong>en – ohne auch nur eine Notiz zu verwenden. Er<br />
brachte seine Zuhörer, die ihm zunächst feindselig<br />
gegenüberstanden, zu stürmischen Standing Ovations.<br />
Nach dem Vortrag wandten sich einige Reporter an seinen<br />
Sekretär Mahadev Desai. Sie konnten es nicht fassen,<br />
dass Gandhi seine Zuhörer so lange in seinen Bann<br />
ziehen konnte, ohne auch nur einmal auf ein Blatt zu<br />
schauen. Desai sagte: „Was Gandhi denkt, was er fühlt,<br />
was er sagt <strong>und</strong> was er tut, ist alles eins. Er braucht keine<br />
Notizen! … Sie <strong>und</strong> ich – wir denken etwas anderes, als<br />
wir fühlen, sagen noch etwas anderes <strong>und</strong> machen dann<br />
wieder etwas ganz anderes – wir brauchen Notizen <strong>und</strong><br />
Ordner, um das alles im Kopf zu behalten.“ Gandhi lebte<br />
im Einklang mit den <strong>Werte</strong>n <strong>und</strong> Prinzipien, für die er
stand. Das strahlte er durch jede Pore seines<br />
Körpers aus, das war es, was seine enorme<br />
Ausstrahlung ausmachte. Wer wie Gandhi<br />
genau weiß, für welche <strong>Werte</strong> er eintritt <strong>und</strong><br />
diese dann auch lebt, gewinnt aber nicht nur<br />
an Glaubwürdigkeit, sondern auch an Entscheidungsstärke.<br />
Roy Disney, ehemaliger<br />
Vice Chairman der Walt Disney Company,<br />
betonte immer wieder: „Wenn wir unsere<br />
<strong>Werte</strong> kennen, ist es nicht schwer, Entscheidungen<br />
zu treffen.“<br />
Absichten sollten offen kommuniziert<br />
werden<br />
Den zweiten Glaubwürdigkeitsfaktor bilden<br />
die Absichten. Also die Motive <strong>und</strong> Agenden,<br />
die die Ziele des Handelns vorgeben.<br />
Da Absichten nicht sichtbar sind, tendieren<br />
Menschen dazu, die Absichten anderer auf<br />
der Gr<strong>und</strong>lage eigener Erfahrungen zu<br />
beurteilen. Nun neigen Menschen aber auch<br />
dazu, negative Erfahrungen besser zu erinnern<br />
als positive. Zusammengenommen<br />
ergibt sich daraus folgende Problematik:<br />
Die eine schlechte Erfahrung, die ein<br />
Beschäftigter mit einem Arbeitgeber gemacht<br />
hat, prägt fortan sein Bild aller Manager. Er<br />
vermutet hinter ihrem Handeln zuerst<br />
immer die schlechten Absichten, die in dem<br />
einen Fall offenbart wurden. Vor diesem<br />
Hintergr<strong>und</strong> wird verständlich, dass gerade<br />
einmal 42 Prozent der amerikanischen<br />
Beschäftigten glauben, dass dem Management<br />
wirklich etwas an ihnen liegt, wie die<br />
Berater von Towers Perrin kürzlich ermittelt<br />
haben. Meinen Erfahrungen nach hegen die<br />
meisten Manager gegenüber ihren Mitarbeitern<br />
nämlich durchaus gute Absichten,<br />
nur versäumen sie es allzu oft, diese zu kommunizieren.<br />
Nicht so Doug Conant. Der CEO vom<br />
Campbell Soup legt neuen Mitarbeitern <strong>und</strong><br />
Geschäftspartnern immer bereits in der ersten<br />
St<strong>und</strong>e seine Absichten <strong>und</strong> Motive klar<br />
dar. Durch solche Offenheit baut er nicht<br />
nur Vertrauen auf, sondern wird auch<br />
gezwungen, wie er es ausdrückt, das wahrzumachen,<br />
was er gesagt hat.<br />
Der Autor: Stephen M. R. Covey ist Mitbegründer<br />
<strong>und</strong> CEO von CoveyLink Worldwide <strong>und</strong> leitet den<br />
globalen Beratungsbereich „Speed of Trust“ bei<br />
FranklinCovey. Zu seinem Spezialthema „Vertrauen<br />
im Management“ hält der Sohn des berühmten<br />
Managementvordenkers Stephen R. Covey weltweit<br />
Vorträge. Kontakt: SpeedofTrust@franklincovey.de<br />
Win-win-Agenden erzeugen<br />
Vertrauen<br />
Eine Agenda, die besonders viel<br />
Vertrauen hervorruft, ist das<br />
ehrliche Streben nach dem beiderseitigen<br />
Vorteil, nach dem,<br />
was für alle Beteiligten das Beste<br />
ist. Wie können wir alle gewinnen?<br />
Das Gegenteil einer solchen<br />
Win-win-Agenda ist Egoismus:<br />
Ich will gewinnen –<br />
Punkt! Auf diese Weise lassen<br />
sich sicher auch kurzfristig gute<br />
Ergebnisse erzielen, aber nicht<br />
dauerhaft. Denn wer selbstsüchtig<br />
handelt, errichtet Hindernisse<br />
des Argwohns <strong>und</strong> Misstrauens,<br />
statt Brücken der Glaubwürdigkeit<br />
zu bauen.<br />
In manchen Branchen sind<br />
egoistische Agenden besonders<br />
ausgeprägt. Zum Beispiel in der<br />
Baubranche. Dort haben viele<br />
das Deckmäntelchen vermeintlicher<br />
Fairness schon lange fallen<br />
gelassen. Hier geht es oft nur<br />
um Gewinn <strong>und</strong> Verlust, um<br />
den eigenen Ertrag zu steigern,<br />
gilt nahezu jedes Mittel als<br />
erlaubt. Zwischen den Firmen<br />
<strong>und</strong> den Subunternehmern<br />
herrscht typischerweise Feindschaft.<br />
Das US-Bauunternehmen<br />
Shea Homes wollte bei diesem<br />
durch Misstrauen geprägten<br />
Spiel nicht mehr mitmachen<br />
<strong>und</strong> hat vor einigen Jahren einen<br />
völlig neuen Weg eingeschlagen.<br />
Die Rolle der Subunternehmer<br />
wurde neu definiert, sie wurden<br />
von nun an als Handelspartner<br />
bezeichnet – <strong>und</strong> auch so behandelt.<br />
Bei allen Projekten werden<br />
die Subunternehmen jetzt mit<br />
an den Tisch geholt, <strong>und</strong> es wird<br />
über eine gemeinsame Win-<br />
win-Agenda gesprochen. Dazu<br />
knowledge | 33<br />
managerSeminare | Heft 137 | August 2009
34 | knowledge<br />
legt Shea Homes immer sämtliche Zahlen offen. Die Folge: Die<br />
Bauzeiten konnten deutlich verringert werden, was die Kosten senkte.<br />
Die Einsparungen wurden zum Teil an die K<strong>und</strong>en weitergegeben,<br />
was die Zahl der Weiterempfehlungen steigerte. Wie gesagt: Vertrauen<br />
steigert die Schnelligkeit <strong>und</strong> reduziert dadurch die Kosten.<br />
Von der Vertrauensdividende profitieren alle Beteiligten.<br />
Führungskräfte sollten lernen <strong>und</strong> lehren<br />
Die besten Absichten bleiben allerdings wertlos, wenn man sie nicht<br />
in die Tat umsetzen kann. Unsere Fähigkeiten, Fertigkeiten <strong>und</strong> all<br />
das Wissen, dass wir nutzen, um Erfolge <strong>und</strong> Ergebnisse zu erzielen<br />
bilden daher die dritte Voraussetzung für Glaubwürdigkeit.<br />
Da sich im Webzeitalter das Wissen der Welt mittlerweile alle<br />
zwei bis zweieinhalb Jahre verdoppelt, ist auch die Halbwertszeit<br />
von Fähigkeiten so kurz wie nie zuvor. Wer in der Welt von gestern<br />
noch äußerst kompetent war, wird in der Welt von heute vielleicht<br />
nicht mehr mithalten können. Um glaubwürdig zu bleiben, müssen<br />
Führungskräfte deshalb permanent ihre Fähigkeiten erweitern, sich<br />
weiterbilden. Ratsam ist es zudem, wenn Manager ihr neu erworbenes<br />
Wissen im Unternehmen dann regelmäßig weitergeben. Denn<br />
dadurch erhöhen sie nicht nur das Lerntempo im Unternehmen.<br />
Peter Drucker sagte ganz richtig: „Wissens- <strong>und</strong> Dienstleistungsarbeiter<br />
lernen am meisten, wenn sie lehren.“<br />
Das wohl wichtigste Wissen für Führungskräfte ist das um Trends<br />
<strong>und</strong> Entwicklungen. Welche gesellschaftlichen Strömungen gibt es?<br />
Service<br />
Literaturtipps<br />
A Stephen M. R. Covey mit Rebecca Merrill: Schnelligkeit durch Vertrauen<br />
– Die unterschätzte ökonomische Macht. Gabal, Offenbach 2009,<br />
29,90 Euro.<br />
Dass Vertrauen einen zählbaren ökonomischen Wert besitzt, demonstriert der<br />
Autor dieses Artikels anhand zahlreicher Beispiele aus seiner Unternehmer-<br />
<strong>und</strong> Beraterpraxis. Zudem zeichnet er einen Weg auf, wie sich Vertrauen systematisch<br />
auf- <strong>und</strong> ausbauen lässt. Dabei setzt er bei der einzelnen Person an<br />
<strong>und</strong> geht über die Beziehung zu anderen immer weiter nach außen bis hin zum<br />
Vertrauensverhältnis des Einzelnen bzw. seiner Organisation zur Gesellschaft.<br />
A Daniel F. Pinnow: Stephen Covey in der Serie Management-Vordenker:<br />
Sieben <strong>und</strong> eine Tugend für effektive Führung. managerSeminare<br />
87, Juni 2005, S. 16-18, www.managerSeminare.de/MS87ARO7.<br />
Nach einer kurzen Vorstellung der sieben Wege der Effektivität, durch die Stephen<br />
R. Covey zu Weltruhm gelangte, geht der Autor der Frage nach, warum<br />
der Managementvordenker seine Erfolgstheorie erweitert hat. Was hat Covey<br />
dazu bewogen, einen achten Weg anzubauen? Und ist dieser sehr amerikanische<br />
Weg für Europäer überhaupt gehbar?<br />
Veranstaltungstipp<br />
A Die FranklinCovey Leadership Institut GmbH bietet Inhouse- <strong>und</strong> öffentliche<br />
Workshops sowie Praxistage zum Thema „Schnelligkeit durch Vertrauen“ im<br />
deutschsprachigen Raum an. Dort lernen Führungskräfte Vertrauen aufzubauen,<br />
verlorenes Vertrauen wiederherzustellen <strong>und</strong> eine Vertrauenskultur zu etablieren.<br />
Der nächste öffentliche Workshop findet vom 22. bis zum 23. Oktober<br />
2009 im Raum Köln statt. Ausführliche Informationen unter www.franklincovey.de.<br />
managerSeminare | Heft 137 | August 2009<br />
Auswertung des Glaubwürdigkeitstests<br />
von Seite 30<br />
Zählen Sie die Zahlen zusammen, die Sie eingekreist haben.<br />
Punktzahl:<br />
90-100: Ihre persönliche Glaubwürdigkeit ist wirklich groß. Sie zeigen sowohl<br />
Charakter als auch Kompetenz. Bestimmt wissen Sie auch, was Ihnen im<br />
Leben wichtig ist <strong>und</strong> richten Ihr Handeln danach aus. Das Wohlergehen anderer<br />
liegt Ihnen am Herzen. Zudem sind Sie sich Ihrer Talente <strong>und</strong> Fähigkeiten<br />
bewusst. Sie arbeiten kontinuierlich daran, Ihre Stärken auszubauen <strong>und</strong> nutzen<br />
sie effektiv, um gute Ergebnisse zu erzielen. Daher strahlen Sie viel Zuversicht<br />
aus <strong>und</strong> andere neigen dazu, Ihnen zu vertrauen.<br />
70-90: Bei Ihnen könnten kleinere Glaubwürdigkeitsmängel bestehen. Diese<br />
zeigen sich daran, dass es Ihnen etwas an Selbstvertrauen mangelt oder dass<br />
andere Ihnen nicht auf Anhieb ihr Vertrauen schenken.<br />
unter 70: Sie haben wahrscheinlich ein größeres Glaubwürdigkeitsproblem.<br />
Schauen Sie sich die Vertrauensregeln auf Seite 32 sehr aufmerksam an <strong>und</strong><br />
überlegen Sie, in welchen Punkten Sie sich verbessern können.<br />
Wie verändern sie die Nachfrage? Und wohin müssen wir uns daher<br />
entwickeln? Das ist nicht nur für die Unternehmenssteuerung zentral,<br />
sondern auch für die Führung. Ich habe einmal den Strategie-<br />
<strong>und</strong> Marketingexperten Jack Trout gefragt, was in seinen Augen der<br />
Schlüssel zur Führung ist. Seine Antwort: „Letztlich folgen Menschen<br />
denen, die wissen, wohin sie gehen.“<br />
Ergebnisse erzeugen ein Vertrauensguthaben<br />
Trouts beeindruckende Antwort möchte ich noch um einen Zusatz<br />
erweitern. Und Menschen folgen denen, die Ergebnisse vorweisen<br />
können. Denn wer Erfolge erzielt hat, dem werden auch weitere<br />
Erfolge zugetraut. „Wenn man Ergebnisse vorzuweisen hat, ist das,<br />
als würde man ein Guthaben ansammeln“, sagt Jack Welch. Erfolg<br />
schafft Vertrauen, Ergebnisse bilden daher den vierten Glaubwürdigkeitsfaktor.<br />
Wer keine Ergebnisse erzielt, kann dauerhaft keine Glaubwürdigkeit<br />
gewinnen. Natürlich lassen sich Ausreden suchen. Vielleicht<br />
mag es sogar gute Gründe geben. Letztlich aber gilt: Fehlen Ergebnisse,<br />
fehlt auch Vertrauen. So einfach ist das – <strong>und</strong> so hart. Wenn<br />
eine Person hingegen hervorragende Ergebnisse vorlegen kann <strong>und</strong><br />
zudem auch noch gute Absichten besitzt <strong>und</strong> integer ist, wird man<br />
ihr eine Aufgabe trotzdem nicht anvertrauen, wenn man denkt, dass<br />
sie nicht die nötigen Fähigkeiten dafür besitzt. Wer wiederum ausgezeichnete<br />
Fähigkeiten besitzt <strong>und</strong> auch gute Ergebnisse vorweisen<br />
kann, dem wird niemand völlig vertrauen, insofern er nicht davon<br />
überzeugt ist, dass er <strong>und</strong> sein Wohlergehen ihm wichtig sind.<br />
Um glaubwürdig zu sein <strong>und</strong> Vertrauen erzeugen zu können,<br />
müssen alle vier Voraussetzungen für Vertrauen erfüllt sein: Integrität,<br />
gute Absichten, Fähigkeiten <strong>und</strong> Resultate. Denn Menschen<br />
sehen in dieser Beziehung nur das Ganze: In ihren Augen hat man<br />
Glaubwürdigkeit – oder man hat sie eben nicht. Tom Peters rät:<br />
„Fragen Sie sich: Strahle ich Vertrauen aus? Aus-strah-len. Ein großes<br />
Wort! Rieche ich nach ,Vertrauen‘? Denken Sie darüber nach<br />
– sehr sorgfältig!“<br />
Stephen M. R. Covey C
knowledge | 35<br />
Eine Kurzgeschichte zweier Erfolgsstorys<br />
DIE COVEYS IM PORTRÄT<br />
C Er gilt als der weltweit führende Experte zum<br />
Thema Leadership, das Time Magazine zählte<br />
ihn schon einmal zu den 25 einflussreichsten<br />
Menschen in Amerika: Stephen R. Covey. Mit<br />
seinem Buch „Schnelligkeit durch Vertrauen“<br />
ist jetzt der Sohn des Managementvordenkers,<br />
Stephen M. R. Covey, aus dem breiten Schatten<br />
seines Vaters getreten. Im Licht der Öffentlichkeit<br />
wird deutlich, dass der Junior derselben<br />
Erfolgsformel wie der Senior folgt: „Walk your<br />
Talk.“<br />
Dafür, dass der Apfel nicht weit vom Stamm<br />
fällt, bilden Stephen R. Covey <strong>und</strong> Stephen<br />
M. R. Covey ein eindrucksvolles Beispiel.<br />
Wobei nicht gemeint ist, dass Vater <strong>und</strong><br />
Sohn – zweifellos unübersehbare – Ähnlichkeit<br />
besitzen. Auch auf die bis auf das<br />
„M.“ identischen Namen soll damit nicht<br />
angespielt sein. Vielmehr geht es um die<br />
Philosophie, die beide teilen: In seinem<br />
Bestseller „Die sieben Wege zur Effektivität“<br />
– in 38 Sprachen übersetzt <strong>und</strong> bisher mehr<br />
als 15 Millionen Mal verkauft – hat Stephen<br />
R. Covey moralische Prinzipien wie Fairness,<br />
Integrität <strong>und</strong> Verlässlichkeit als den<br />
Schlüssel für beruflichen wie privaten Erfolg<br />
ausgemacht. In seinem Buch „Schnelligkeit<br />
durch Vertrauen“ hat sein Sohn den väterlichen<br />
Faden aufgegriffen <strong>und</strong> sozusagen ein<br />
Meta-Prinzip entwickelt, auf dem alle ande-<br />
ren Prinzipien im Business gründen: das<br />
Prinzip „Vertrauen“. „Das Buch geht nicht<br />
nur weit über meine eigene Arbeit hinaus,<br />
sondern auch über alles, was ich bisher zum<br />
Thema Vertrauen gelesen habe“, schwärmt<br />
dann auch Vater Covey im Vorwort des Bandes.<br />
Vater <strong>und</strong> Sohn Covey sind also Verfechter<br />
der so genannten weichen Faktoren<br />
im Business, die, wie sie unisono sagen, alles<br />
andere als weich sind, sondern zählbaren<br />
Erfolg bringen. Den lebenden Beweis haben<br />
sie beide angetreten.<br />
Nach seinem Studium in Harvard promovierte<br />
Stephen R. Covey an der Brigham<br />
Young University, wo er im Anschluss 20<br />
Jahre lang eine Professur für Business-<br />
Management innehatte. 1984 gründete er<br />
das Covey Leadership Center, das 1997 durch<br />
den Zusammenschluss mit dem auf Zeitmanagement<br />
spezialisiertem Beratungsunternehmen<br />
Franklin Quest zu FranklinCovey<br />
wurde. Das amerikanische Beratungs- <strong>und</strong><br />
Weiterbildungsunternehmen mit Hauptsitz<br />
in Salt Lake City, dem der mittlerweile<br />
76-jährige Covey immer noch als Vice Chairman<br />
vorsteht, arbeitet nach dem Modell, das<br />
Covey entworfen hat, nach dem er selbst lebt<br />
<strong>und</strong> das er in seinem Weltbestseller niedergeschrieben<br />
hat. Die sieben Wege zur Effektivität<br />
– zu diesen zählen u.a. „Win-win-<br />
Denken“, „Pro-aktiv sein“ <strong>und</strong> „Synergien<br />
erzeugen“ – bilden einen zentralen Baustein<br />
Wie der Vater, so der<br />
Sohn: Dr. Stephen R.<br />
Covey (rechts) <strong>und</strong><br />
Stephen M. R. Covey<br />
weisen nicht nur optische<br />
Gemeinsamkeiten auf.<br />
der FranklinCovey-Seminare, an denen<br />
weltweit jährlich 750.000 Menschen in 140<br />
Ländern teilnehmen.<br />
Covey Junior verzwölffachte den Gewinn<br />
Ebenso wie sein Vater hat Stephen M. R.<br />
Covey in Harvard studiert, wo er einen MBA<br />
machte. Ins Covey Leadership Center stieg<br />
er als K<strong>und</strong>enbetreuer ein, arbeitete sich<br />
zuerst zum Leiter des Vertriebs, dann zum<br />
Präsidenten <strong>und</strong> CEO hoch. Covey etablierte<br />
im Unternehmen eine Führungskultur,<br />
die auf Vertrauen basiert. Die meisten<br />
Absprachen – mit Mitarbeitern, Partnerunternehmen<br />
<strong>und</strong> K<strong>und</strong>en – wurden nur noch<br />
mündlich getroffen, ein Handschlag war<br />
nun ebenso viel wert wie ein Vertrag. Auch<br />
aufgr<strong>und</strong> des Aufbaus einer Vertrauenskultur<br />
konnte Covey den Unternehmensumsatz<br />
auf 110 Millionen Dollar verdoppeln,<br />
den Gewinn steigerte er um den Faktor 12.<br />
Binnen dreier Jahre unter Covey‘s Führung<br />
stieg der Shareholder-Value von 2,4 Millionen<br />
auf r<strong>und</strong> 160 Millionen Dollar. Damit<br />
wurde das Covey Leadership Center zu<br />
einem attraktiven Partner des Zeitmanagement-Giganten<br />
Franklin Quest.<br />
Stephen M. R. Covey lebt mit seiner Frau<br />
Jeri <strong>und</strong> seinen Kindern am Fuße der Rocky<br />
Mountains. Ganz in der Nähe seines<br />
Vaters. Andree Martens C<br />
managerSeminare | Heft 137 | August 2009
26 26 | management<br />
„<strong>Werte</strong>orientierte Führung<br />
verbessert die Performance“<br />
TRENDFORSCHERIN PATRICIA ABURDENE IM INTERVIEW<br />
Patricia Aburdene gehört zu den weltweit führenden Trendforschern. Sie berät seit über 25 Jahren internationale Unternehmen in Transformationsprozessen <strong>und</strong> hält Vorträge<br />
bei globalen Businesskongressen. Ihre Karriere begann Aburdene 1978 bei Forbes als Wirtschaftsjournalistin. In den neunziger Jahren entwickelte sie am Radcliffe<br />
College in Cambridge, Massachusetts, neue Leadership-Modelle. In ihrem aktuellen Buch „Megatrends 2010“ (siehe Service-Kasten) beschreibt sie, warum spirituelle<br />
<strong>Werte</strong> in der Weltwirtschaft immer wichtiger werden <strong>und</strong> wie Unternehmen von diesem Wandel profitieren können. Kontakt: www.patriciaaburdene.com<br />
managerSeminare | Heft 124 | Juli 2008
Preview: AIMega-Trend bewusster Kapitalismus:<br />
Warum Unternehmen vom reinen Profitdenken weg-<br />
müssen, um im Wettbewerb bestehen zu können<br />
AISinnstiftung: Wie Unternehmen mit Mitarbeitern,<br />
denen materielle Zufriedenheit allein nicht mehr<br />
reicht, umgehen müssen AICharakter statt Charisma:<br />
Warum charismatische Leadership zugunsten informeller<br />
„Grassroots-Leadership“ an Bedeutung verliert<br />
AIMessbare Leistungssteigerung: Wie ideelle Verbesserungen<br />
im Unternehmen auch harte Performancefaktoren<br />
optimieren<br />
In Ihrem Buch „Megatrends 2010“ sprechen<br />
Sie von einem Aufstieg des bewussten Kapitalismus.<br />
Was verstehen Sie darunter?<br />
Patricia Aburdene: Bewusster Kapitalismus<br />
ist ein Megatrend, an dem Mitarbeiter, K<strong>und</strong>en,<br />
Investoren, Manager <strong>und</strong> visionäre<br />
CEOs teilhaben. Bei all diesen Akteuren ist<br />
ein tief greifender <strong>Werte</strong>wandel im Gange.<br />
Und zwar insofern, als ethische Denkweisen<br />
<strong>und</strong> das Prinzip der Verantwortung wiederbelebt<br />
werden.<br />
Welche Entwicklungen in der Wirtschaft sind<br />
ein Indiz für den Perspektivenwechsel?<br />
Aburdene: Beispielsweise die Veränderungen<br />
in der Finanzwelt. Immer mehr Menschen<br />
überlegen bei Investments, welche<br />
<strong>Werte</strong> ein Unternehmen vertritt. Es gibt<br />
auch in Europa bereits mehrere H<strong>und</strong>ert<br />
Investmentfonds, die Gelder nach Corporate-Social-Responsibility-Kriterien<br />
anlegen.<br />
Wir sprechen hier von einem Investitionsvolumen<br />
im Milliardenbereich. Parallel dazu<br />
werden die Konsumentenmärkte immer<br />
management | 27<br />
Wird die Wirtschaft immer wertebewusster? Patricia Aburdene ist davon<br />
überzeugt. Die US-amerikanische Trendforscherin diagnostiziert den Aufstieg<br />
eines bewussteren, „spirituelleren“ Kapitalismus. Im Interview mit<br />
managerSeminare erläutert Aburdene, welche Chancen sie darin für<br />
Unternehmen sieht.<br />
stärker von <strong>Werte</strong>n getrieben. Die wachsenden<br />
Umsätze bei Biolebensmitteln beispielsweise<br />
– hier ist Deutschland gegenwärtig der<br />
weltweit größte Markt – sind ein Zeichen<br />
für ein tief greifendes Umdenken. Auch der<br />
neue Trend „Lohas“ (kurz für Lifestyles of<br />
Health and Sustainability) ist ein Indikator<br />
für den Wandel zu einem bewussten Kapitalismus.<br />
Nachhaltige, ges<strong>und</strong>e Produkte<br />
erreichen in den Vereinigten Staaten bereits<br />
ein Marktvolumen von r<strong>und</strong> 230 Milliarden<br />
Dollar. Andere K<strong>und</strong>en setzen sich mit ihren<br />
Kaufentscheidungen dafür ein, ein Klima<br />
sozialer Gerechtigkeit zu fördern. Erste<br />
Anzeichen des neuen bewussten Kapitalismus<br />
konnte man bereits vor fünf bis zehn<br />
Jahren beobachten. Ich gehe davon aus, dass<br />
sich diese Entwicklung in den nächsten zehn<br />
Jahren weiter fortsetzen wird.<br />
Welche konkreten <strong>Werte</strong> sind aufseiten der<br />
Unternehmen kennzeichnend für einen<br />
bewussten Kapitalismus?<br />
Aburdene: Die Art <strong>und</strong> Weise, wie sich die<br />
weltweite Wirtschaft in den vergangenen<br />
Jahrzehnten entwickelt hat, mit einem starken<br />
Fokus auf den Shareholdern unter Vernachlässigung<br />
aller anderen Interessengruppen,<br />
hat das System instabil werden lassen.<br />
In den Vereinigten Staaten, genauso wie in<br />
Europa, illustrieren immer mehr Studien,<br />
dass ein an Stakeholdern orientiertes Modell<br />
von Wirtschaft sehr viel profitabler ist als<br />
das alte Shareholder-Modell. Daher ist der<br />
wichtigste Wert für Unternehmen eine<br />
holistische, ganzheitliche Perspektive. Wer<br />
nur an den Profit denkt, agiert sehr einseitig,<br />
<strong>und</strong> das führt – über kurz oder lang – zu<br />
Ungleichgewichten, die das Business negativ<br />
tangieren können. Es gibt bereits viele Vorbilder,<br />
von denen man lernen kann. Eine<br />
gute Quelle für entsprechende Ansätze ist<br />
die Liste „Sustainable Business 20“, die seit<br />
sechs Jahren erscheint. Hier finden sich jedes<br />
Jahr zahlreiche europäische Unternehmen,<br />
die für nachhaltige Geschäftspraktiken stehen.<br />
2007 beispielsweise wurde die Schmack<br />
Biogas AG für ihr Engagement im Bereich<br />
der erneuerbaren Energien ausgezeichnet.<br />
2005 gehörten die Umweltbank, Henkel <strong>und</strong><br />
die SolarWorld AG zu den deutschen Preisträgern.<br />
Auch ein bewusst agierender CEO möchte<br />
natürlich Gewinne erwirtschaften, aber<br />
er tut es auf andere Weise als der Mainstream.<br />
Es geht ihm um das Gesamtbild. Sein<br />
Ziel lautet, ein ges<strong>und</strong>es, ganzheitlich agierendes<br />
Unternehmen aufzubauen. Dazu<br />
gehört auch, wieder in längeren Zeiträumen<br />
zu denken <strong>und</strong> sich nicht alleine von Quartalszahlen<br />
antreiben zu lassen, sondern von<br />
einem Prinzip der längerfristigen Profitabilität.<br />
Finanzielle Fülle ist die natürliche Folge<br />
einer solchen Zielsetzung bzw. einer Konstellation,<br />
in der sowohl die Interessen der<br />
Investoren als auch die der Lieferanten, der<br />
K<strong>und</strong>en <strong>und</strong> der Mitarbeiter berücksichtigt<br />
werden.<br />
Bleiben wir bei den Mitarbeitern: In Ihrem<br />
Buch schreiben Sie, dass ein persönliches<br />
Bedürfnis nach Spiritualität – im Privatleben<br />
wie in der Geschäftswelt – eine kritische Masse<br />
erreicht hat. Welche Erwartungen entstehen<br />
dadurch gegenüber der eigenen Arbeit? A<br />
managerSeminare | Heft 124 | Juli 2008
28 | management<br />
Aburdene: Den Mitarbeitern reicht materielle<br />
Zufriedenheit allein in der Regel nicht<br />
mehr aus. Die Menschen wollen, dass ihr<br />
Leben <strong>und</strong> ihre Arbeit einen Sinn haben. Es<br />
ist daher die Aufgabe der Führungskräfte<br />
<strong>und</strong> der Personalentwicklung, eine Verbindung<br />
zu schaffen zwischen dem, was das<br />
Unternehmen will <strong>und</strong> tut, <strong>und</strong> dem Bedürfnis<br />
der Mitarbeiter, eine erfüllende Aufgabe<br />
zu übernehmen. Wenn das gelingt, entsteht<br />
wahre Motivation.<br />
Nun merken zwar immer mehr Top-Manager,<br />
dass Ziele wie maximaler Gewinn um jeden<br />
Preis nicht mehr opportun sind, <strong>und</strong> verordnen<br />
sich <strong>und</strong> ihren Mitarbeitern, Verantwortung<br />
zu übernehmen. Aber diese Anforderung<br />
bleibt eine Leerformel, wenn nicht klar ist, was<br />
das für jeden Einzelnen im beruflichen Alltag<br />
wirklich bedeutet. Wie kommt man von einer<br />
guten Idee zu einer sinnvollen Praxis im<br />
Unternehmen?<br />
Aburdene: Sie müssen sich vor allem fragen:<br />
Wo liegt die wirkliche Bedeutung des Unternehmens?<br />
Hierbei geht es um spirituelle<br />
<strong>Werte</strong> im besten Sinne wie Liebe, Mitgefühl,<br />
Gerechtigkeit. Gibt es Best Practices oder<br />
Rituale, die diese <strong>Werte</strong> verkörpern? Medi-<br />
Service<br />
Literaturtipps:<br />
A Patricia Aburdene: Megatrends 2010 – The Rise of Conscious Capitalism. Seven New Trends,<br />
That Will Transform How You Work, Live and Invest. Hampton Roads Publishing, Charlottesville 2007,<br />
ca. 12,99 Euro (deutsche Übersetzung im Herbst 2008 bei J. Kamphausen, Bielefeld).<br />
Die Trendforscherin beschreibt, wie spirituelle Perspektiven das Business erobern <strong>und</strong> Unternehmen diese<br />
Entwicklung im Rahmen der Organisationsentwicklung nutzen können. Zahlreiche Fallbeispiele <strong>und</strong> Statements<br />
von amerikanischen HR-Managern.<br />
A Stephen R. Covey: The Speed of Trust. The One Thing That Changes Everything. Free Press,<br />
New York 2008, ca. 9,95 Euro.<br />
Der amerikanische Unternehmensberater zeigt, wie Unternehmen durch eine Kultur des Vertrauens ihre<br />
Effektivität <strong>und</strong> Anpassungsfähigkeit an die Marktherausforderungen steigern können. Mit zahlreichen Praxisbeispielen<br />
aus Coveys Beratungspraxis.<br />
A Paul H. Ray, Sherry Ruth Anderson: The Cultural Creatives: How 50 Million People Are Changing<br />
the World. Three Rivers Press, New York 2001, ca. 11,45 Euro.<br />
Der amerikanische Soziologe skizziert auf Basis verschiedener Langzeitstudien einen weltweiten soziokulturellen<br />
Wandel, der die <strong>Werte</strong>prioritäten der westlichen Welt nachhaltig verändert. Das Buch erklärt die<br />
gesellschaftlichen Gr<strong>und</strong>lagen für neue Paradigmen wie Corporate Social Responsibility <strong>und</strong> die wachsende<br />
<strong>Werte</strong>orientierung in den Konsummärkten.<br />
A Lance Secretan: Ganz oder gar nicht! Die sechs Prinzipien bewusster Führung <strong>und</strong> die Kunst,<br />
Unternehmen vom Sand im Getriebe zu befreien. J. Kamphausen, Bielefeld 2007, 24,80 Euro.<br />
Der kanadische Unternehmensberater propagiert eine „Higher Gro<strong>und</strong> Leadership“, die auf Mut, Authentizität<br />
<strong>und</strong> Wahrhaftigkeit setzt. Er zeigt, wie Unternehmen erfolgreich sind, wenn sie sich nicht nur einer<br />
einseitigen Profitmaximierung verschreiben, sondern in einen lebendigen Austauschprozess mit ihren<br />
Stakeholdern eintreten.<br />
managerSeminare | Heft 124 | Juli 2008<br />
tation übrigens ist ein Ritual, das sich sehr<br />
befruchtend auf das Arbeitsleben auswirken<br />
kann. Es steigert neben der Kreativität <strong>und</strong><br />
Innovationsfähigkeit auch die Fähigkeit,<br />
sich nicht dazu hinreißen zu lassen, Entscheidungen<br />
unter Druck zu treffen, ohne<br />
dabei die Konsequenzen im Blick zu haben.<br />
Meditation kann helfen, wohlbedachter zu<br />
reagieren, Entscheidungen zu treffen, die<br />
mit dem eigenen <strong>Werte</strong>system kongruent<br />
laufen. Denn nur wer innerlich mit sich im<br />
Reinen ist, kann gute Lösungen finden.<br />
<strong>Werte</strong> lassen sich generell besser durch Erfahrungen<br />
als durch Worte vermitteln. Ein<br />
gutes Beispiel ist das Bio-See-Hotel Zeulenroda<br />
in Thüringen, das im vergangenen Jahr<br />
mit dem International Spirit at Work Award<br />
ausgezeichnet wurde. Geschäftsführer Stephan<br />
Bode hat beim Teambuilding auf das<br />
Prinzip Liebe gesetzt – mit der Folge, dass<br />
sich die Mitarbeiter tatsächlich als Teil einer<br />
Familie fühlen. Das erfordert einen gewissen<br />
Aufwand im Bereich Training <strong>und</strong> Weiterbildung,<br />
aber das Ergebnis ist eine Führung,<br />
die von gegenseitigem Vertrauen lebt. Und<br />
wenn man sieht, wie leidenschaftlich Stephan<br />
Bode bei der Sache ist, dann wird<br />
einem klar, dass <strong>Werte</strong> genau dann eine Bedeutung<br />
gewinnen, wenn man sie vorlebt.<br />
Bei so einer Vorbildfunktion denkt man<br />
schnell an den typischen charismatischen<br />
Chef. Doch schreiben Sie in Ihrem Buch, dass<br />
gerade der immer mehr an Bedeutung verliert<br />
<strong>und</strong> dass demgegenüber die informelle Führung<br />
immer wichtiger wird. Sie nennen das<br />
den „Triumph des Charakters über das Charisma“.<br />
Ist das nicht ein Widerspruch zu dem,<br />
was Sie eben gesagt haben?<br />
Aburdene: Eigentlich ist Charisma ja ein<br />
spirituelles Konzept, denn es beinhaltet<br />
Weisheit <strong>und</strong> Erkenntnis. Ich benutze den<br />
Begriff aber hier aus einer eher säkularen<br />
Perspektive, bei der die äußere Ausstrahlung<br />
im Vordergr<strong>und</strong> steht. Immer mehr Unternehmen<br />
verabschieden sich von dem Glauben,<br />
dass eine Hierarchie mit einem charismatischen<br />
Kopf an der Spitze eine adäquate<br />
Führungsperspektive darstellt, <strong>und</strong> dies aus<br />
einem ganz simplen Gr<strong>und</strong>: Solche Systeme<br />
reagieren viel zu langsam. Bis sich in einem<br />
so bürokratisch strukturierten System etwas<br />
bewegt, haben die kleinen, wendigen Wettbewerber<br />
in ihren Garagen den Markt<br />
bereits umgekrempelt. Selbst sehr große<br />
Unternehmen haben inzwischen begriffen,<br />
dass sie ihre Hierarchien flacher gestalten<br />
<strong>und</strong> stärker auf das Prinzip der informellen<br />
Führung setzen müssen.<br />
Was genau zeichnet denn die informelle Führung<br />
aus?<br />
Aburdene: Während sich formelle Führung<br />
auf Machtpositionen in Hierarchien beruft,<br />
wächst informelle Autorität aus Respekt <strong>und</strong><br />
persönlichem Einfluss. Sie wird einem nicht<br />
verliehen, sondern man verdient sie sich. Sie<br />
ist sehr kraftvoll, denn Grassroots-Leader,<br />
wie ich sie gerne nenne, fühlen sich nicht<br />
einer Machtrolle verpflichtet, sondern nehmen<br />
sich die Freiheit, sich auf Themen zu<br />
konzentrieren, die ihnen besonders liegen.<br />
Informelle Führung hat zudem viel mit<br />
moralischer Kompetenz zu tun. Grassroots-<br />
Leader leben <strong>Werte</strong> in ihrem direkten Einflussbereich<br />
vor. Um solche Personen herum<br />
entstehen Teams, die besonders motiviert<br />
sind, denn die Zusammenarbeit beruht auf<br />
einem geteilten <strong>Werte</strong>system. Im Rahmen<br />
der Personalentwicklung sollte man genau<br />
analysieren, wer die informellen Führer im<br />
Unternehmen sind.<br />
Was für eine Art Change-Management ist<br />
notwendig, um solche Strukturen heranwachsen<br />
zu lassen, <strong>und</strong> um die Weichen so<br />
zu stellen, dass Mitarbeiter wirklich erkennen,<br />
was es bedeutet, verantwortlich zu handeln?
Aburdene: Das geht nur mit Vertrauen. Es geht in erster<br />
Linie darum, Machtstrukturen zu verändern, <strong>und</strong> die<br />
Menschen, die die Arbeit machen, in die Lage zu versetzen,<br />
eigene Entscheidungen zu treffen. Ein gutes Beispiel<br />
dafür ist die amerikanische Bio-Lebensmittel-Kette<br />
Whole Foods, die nicht nur nachhaltige Produkte anbietet,<br />
sondern auch bei den Management-Praktiken zu<br />
den Vorreitern gehört, indem sie ihre Mitarbeiter auf<br />
Basis sich selbst führender Teams stark in Entscheidungsprozesse<br />
einbindet. Es ist diese konsistente Haltung,<br />
die sowohl die Angebots- als auch die Führungsstrategie<br />
eines Unternehmens umfasst, die kennzeichnend<br />
ist für einen bewussten Kapitalismus. Natürlich<br />
ist es nicht leicht, Kontrolle aufzugeben. Aber wenn man<br />
es tut, gewinnt man sehr viel, denn je mehr Eigenverantwortung<br />
die Mitarbeiter haben, umso geringer sind<br />
die Reibungsverluste. Zeit <strong>und</strong> finanzielle Budgets können<br />
dann wesentlich effizienter genutzt werden. Stephen<br />
Covey bringt es auf eine sehr einfache Formel: Mit dem<br />
Vertrauen wächst die Geschwindigkeit im Unternehmen,<br />
<strong>und</strong> die Kosten gehen runter. Unternehmen, in<br />
denen kein Vertrauen herrscht, sind nicht nur langsamer,<br />
sondern haben aufgr<strong>und</strong> der Reibungsverluste, die<br />
mit dem Prinzip der Kontrolle verb<strong>und</strong>en sind, auch<br />
höhere Kosten. Eine Studie der amerikanischen Beratungsgesellschaft<br />
Watson Wyatt zeigt beispielsweise,<br />
dass Unternehmen mit hoher Vertrauensbasis eine fast<br />
drei Mal so hohe Performance aufweisen wie diejenigen,<br />
die von einer Kultur des Misstrauens geprägt sind.<br />
Die Bemühungen, immaterielle Aspekte unter Performancegesichtspunkten<br />
zu erfassen, stecken noch in den<br />
Kinderschuhen. Das bringt viele Top-Manager in eine<br />
Zwickmühle, da sich der Wert unternehmerischer Verantwortung<br />
kaum direkt messen lässt. Wie können Führungskräfte<br />
mit diesem Zwiespalt umgehen?<br />
Aburdene: Es gehört zum Business, dass man Ergebnisse<br />
erzielen muss <strong>und</strong> dass diese gemessen werden. Mit<br />
dieser Tatsache sollte man Frieden schließen. Es ist<br />
nichts falsch daran, nach Schwachstellen zu suchen oder<br />
Dinge objektiv überprüfbar zu machen. Meiner Meinung<br />
nach brauchen wir auch nicht unbedingt Methoden,<br />
um die Wirkung ideeller Verbesserungen in Kennzahlen<br />
nachzuvollziehen. Es reicht völlig aus, wenn man<br />
die Unternehmensperformance mit herkömmlichen<br />
Tools misst, denn, <strong>und</strong> da bin ich sicher: Wenn man sich<br />
zu einer werteorientierten <strong>und</strong> nachhaltigen Unternehmensführung<br />
entschließt, werden sich die gängigen<br />
Performanceindikatoren automatisch verbessern. Bei<br />
American Express gab es einmal ein spannendes Projekt,<br />
bei dem ein Berater mit einer Gruppe Brokern ein Jahr<br />
lang zum Thema Vergebung gearbeitet hat. Es wurde<br />
diskutiert, es gab Einzelcoachings, <strong>und</strong> am Ende des<br />
Jahres war die Performance der Abteilung um 60 Prozent<br />
gestiegen. Das Geheimnis: Wenn man in der Lage<br />
ist, zu vergeben, hat man den Kopf frei, um produktiv<br />
zu arbeiten. Oder, wie es der Weisheitslehrer Eckhart<br />
Tolle ausdrückt, man ist ganz im Jetzt.<br />
Das Interview führte Nadja Rosmann. C<br />
management | 29<br />
managerSeminare | Heft 124 | Juli 2008
64 | development<br />
Besinnung fürs Business<br />
MANAGER AUF CHRISTLICHEN PFADEN<br />
Was bringt Manager dazu, sich in klösterlicher Abgeschiedenheit<br />
Schweigegeboten zu unterwerfen? Warum laufen sich Führungskräfte<br />
die Füße auf alten Pilgerpfaden w<strong>und</strong>? Und was haben Management-<br />
Coachs in Mönchskutte <strong>und</strong> Priestersoutane ihren weltlichen Kollegen<br />
voraus? managerSeminare hat ergründet, was Retreats mit christlichem<br />
Akzent für Führungskräfte so faszinierend macht.<br />
managerSeminare | Heft 129 | Dezember 2008
Preview: AIKörper, Geist <strong>und</strong> Seele halten Schritt:<br />
Warum es Führungskräfte auf Pilgertouren zieht<br />
AIZwischen Meditation <strong>und</strong> Mühsal: Woran Manager<br />
beim Pilgern wachsen AISpiritual Consulting: Wie<br />
Patres <strong>und</strong> Pastoren Manager beraten <strong>und</strong> trainieren<br />
AIKontemplation hinter Klostermauern: Was Manager<br />
von Retreats in Ordensgemeinschaften erwarten können<br />
AIGlaubensvielfalt: Wieso sich nicht nur Kirchenmitglieder<br />
von den Beratungsangeboten der Kirchen<br />
angezogen fühlen AIVorsprung: Weshalb es Priester<br />
als Berater leichter haben, das Vertrauen ihrer Klienten<br />
zu gewinnen<br />
Den Beitrag gibt es auch zum Hören. Er kann unter www.managerseminare.de/podcast als Audiodatei heruntergeladen werden.<br />
Foto: Spiritual Consulting<br />
C „Ich bin dann mal weg“ heißt ein Boom-<br />
Buch, das die Deutschen seit fast drei Jahren<br />
auf Trab bringt. Spätestens seit es ganz oben<br />
auf den Bestseller-Listen stand <strong>und</strong> seit sein<br />
Autor, Fernseh-Comedian Hape Kerkeling,<br />
damit durch die Talkshows tourte, hat auch<br />
einen Großteil der Nation die Lust an einem<br />
alten, fast schon vergessenen Ritual gepackt:<br />
dem Wandern auf christlichen Pfaden. „Pilgern<br />
statt Pool“ lautet heuer das Freizeitmotto<br />
vieler Deutscher. Besonders beliebt<br />
ist der von Kerkeling beschriebene Jakobs-<br />
development | 65<br />
weg, der zum Grab des heiligen Jakobus in<br />
Santiago de Compostela in Nordwestspanien<br />
führt. Während sich 1990 gerade einmal<br />
561 Deutsche auf dem historischen Pfad<br />
die Füße w<strong>und</strong> liefen, waren es im Jahr 2007<br />
13.837. Doch auch alte innerdeutsche Routen<br />
erfreuen sich einer Renaissance.<br />
Sich ausklinken aus dem atemlosen Trubel<br />
der Welt, um zu innerer Einkehr zu<br />
gelangen – darin besteht die Anziehungskraft<br />
des Pilgerns für viele Menschen. Nicht<br />
zuletzt für die Hansdampfs unserer Arbeits-<br />
managerSeminare | Heft 129 | Dezember 2008
66 | development<br />
managerSeminare | Heft 129 | Dezember 2008<br />
welt – Manager wie Peter Schnell, ehemals<br />
Konzernbevollmächtigter der Deutschen<br />
Bahn in Baden-Württemberg. Schnell hatte<br />
sich im Sommer 2008 auf medienwirksame<br />
Weise in den Ruhestand verabschiedet. Er<br />
beschritt den Jakobsweg in einer Hardcore-<br />
Version: 2.600 Kilometer in 96 Tagen legte<br />
Schnell von seinem Büro in Stuttgart nach<br />
Santiago de Compostela zurück. Den Gr<strong>und</strong><br />
für den Gewaltmarsch, bei dem er acht Kilo<br />
Gewicht verlor <strong>und</strong> zwei Paar Schuhe kaputt<br />
lief, verriet er in einem Interview der Westdeutschen<br />
Allgemeinen Zeitung: „Ich hatte<br />
einen Bammel vor dem Fall in die Bedeutungslosigkeit“,<br />
sagte der Neu-Pensionär.<br />
Das Pilgern, so Schnell, habe ihm sehr geholfen,<br />
mit seiner neuen Lebenssituation klar-<br />
zukommen.<br />
Nachdenken jenseits des atemlosen<br />
Trubels der Welt<br />
Auch jene Berufskollegen Schnells, die noch<br />
weit vom Ruhestand entfernt, dafür aber<br />
dem täglichen Leistungsdruck umso stärker<br />
unterworfen sind, zieht es neuerdings auf<br />
die Pfade des Herrn. So etwa den Schweizer<br />
Tierarzt Dr. Peter Sommerauer, der in leitender<br />
Position in der Lebensmittelüberwachung<br />
des Kantons St. Gallen tätig ist. Sommerauer<br />
machte sich – angeregt durch ein<br />
Buch des spirituellen Autors Paulo Coelho<br />
– erstmals vor sechs Jahren auf den Jakobsweg.<br />
Dabei habe er ein Gefühl der Befreiung,<br />
aber auch Bewusstheit gespürt, erinnert sich<br />
der Inspekteur: „Das Gehen ermöglichte<br />
mir, meine innere Stimme zu hören <strong>und</strong><br />
meine Gedanken in erstaunlicher Klarheit<br />
wahrzunehmen.“<br />
Seit dieser ersten Pilgererfahrung ist<br />
Sommerauer wieder <strong>und</strong> wieder auf dem<br />
Jakobsweg unterwegs. Und zwar längst nicht<br />
mehr allein, sondern mit einer Gruppe von<br />
Gleichgesinnten. Durch M<strong>und</strong>-zu-M<strong>und</strong>-<br />
Propaganda – zunächst im Bekanntenkreis,<br />
später darüber hinaus – wurde der Tierarzt<br />
zum Pilgerführer für Manager aus verschiedenen<br />
Branchen. Seine geleiteten Touren<br />
ergänzt er mittlerweile um Seminarabschnitte,<br />
in denen er mit seinen Mitwanderern<br />
gemeinsam an Fragen weiterarbeitet, die<br />
jeder für sich während des Wanderns reflektiert:<br />
„Wo stehe ich gerade? Wo will ich hin?<br />
Was passiert mit mir, während ich auf dem<br />
Weg bin?“<br />
Mit pastoraler Begleitung durchs<br />
Weserbergland<br />
Was Sommerauer als begeisterter Laie<br />
macht, tun die Pastoren <strong>und</strong> Manager-Berater<br />
Peer-Detlev Schladebusch <strong>und</strong> Ralf Reuter<br />
von Berufs wegen: Sie gehen regelmäßig<br />
mit einer bunt gemischten Gruppe von Führungskräften<br />
oder auch mit geschlossenen<br />
Firmengruppen auf Pilgertour. Allerdings<br />
nicht auf dem Jakobsweg, sondern auf einer<br />
alten Route zwischen zwei Klöstern in Niedersachsen<br />
<strong>und</strong> Thüringen. Schladebusch<br />
<strong>und</strong> Reuter sind Pastoren der Evangelisch-<br />
Lutherischen Landeskirche Hannover <strong>und</strong><br />
teilen sich seit 2004 unter deren Dach eine<br />
Stelle als „Spiritual Consultants“.<br />
Als Seelsorger <strong>und</strong> Managerberater in<br />
Personalunion bieten die beiden über das<br />
Pilgern hinaus ein ähnliches Dienstleitungsspektrum<br />
wie andere Berater auch – vom<br />
Einzelcoaching bis zum Seminar. Freilich vor<br />
dem Hintergr<strong>und</strong> christlicher <strong>Werte</strong>, die die<br />
Pastoren unaufdringlich auch jenen nahe<br />
bringen wollen, die Gott <strong>und</strong> Kirche nicht<br />
besonders nahe stehen. Allerdings beobachtet<br />
Schladebusch bei Managern in jüngster<br />
Zeit eine zunehmende Offenheit gegenüber<br />
christlichen Inhalten. Eine mögliche Erklärung:<br />
„Viele Führungskräfte beginnen sich<br />
„Viele Führungskräfte beginnen sich<br />
stärker für ihre eigenen religiösen<br />
Wurzeln zu interessieren, wenn sie<br />
erleben, dass ausländische Geschäftspartner<br />
religiös stark verwurzelt sind<br />
<strong>und</strong> daraus Kraft schöpfen.“<br />
Peer-Detlev Schladebusch, Pastor im Kirchenkreis Burgdorf bei<br />
Hannover, Führungskräfte-Coach <strong>und</strong> Beauftragter des Projekts<br />
„Spiritual Consulting – Seelsorge für Führungskräfte“ der<br />
Landeskirche Hannover. Kontakt: PeerSchladebusch@t-online.de
stärker für ihre eigenen religiösen Wurzeln zu interessieren,<br />
wenn sie erleben, dass ausländische Geschäftspartner<br />
stark in ihrer Religion verwurzelt sind <strong>und</strong><br />
daraus Kraft schöpfen.“<br />
Auch laut einer Studie des Heidelberger Meinungsforschungsinstituts<br />
Sinus Sociovision aus dem Jahr 2006<br />
(siehe Service-Kasten S. 71), stehen christliche <strong>Werte</strong><br />
bei Managern hoch im Kurs, höher sogar als beim<br />
Durchschnittsbürger. Doch dieselbe Studie zeigt auch:<br />
Für Manager sind auch Verantwortungsbewusstsein,<br />
Pflichtbewusstsein, Disziplin <strong>und</strong> Fleiß um ein Vielfaches<br />
wichtiger als für den Durchschnittsbürger. Erfolgreich<br />
zu sein für die Firma – das gilt als höchstes Gut.<br />
Resultat ist oft eine psychisch belastende Diskrepanz<br />
zwischen persönlichen <strong>Werte</strong>n <strong>und</strong> tatsächlichem Tun.<br />
Und eine extreme Leistungsethik, die vielen früher oder<br />
später zu schaffen macht, weil sie sie ausbrennt.<br />
Pastor Schladebusch: „Die Seele geht zu Fuß“<br />
Was die Teilnehmer der von Schladebusch <strong>und</strong> Reuter<br />
geführten Pilgertouren denn auch eint, ist ihr Bedürfnis<br />
nach innerer Einkehr, seelischer Inventur <strong>und</strong> neuen<br />
Kraftquellen – egal ob sie ehrenamtlicher Kirchenvorstand<br />
oder Atheist sind. Schladebusch betrachtet das<br />
Pilgern als ideales Instrument für dauergestresste oder<br />
gar ausgebrannte Manager. „Wie kaum etwas anderes<br />
führt das Gehen zur Entschleunigung“, erklärt der Theologe.<br />
Zu Fuß kommt man nur langsam voran. Nicht<br />
zuletzt in dieser, auf den ersten Blick höchst simplen<br />
Erkenntnis liegt eine befreiende Erfahrung für Führungskräfte,<br />
die ständig auf Zack sind – <strong>und</strong> bei aller<br />
Mobilität psychisch nicht mehr Schritt halten können.<br />
Denn, so Schladebusch: „Die Seele geht zu Fuß.“<br />
Auf der Pilgertour können Körper, Geist <strong>und</strong> Seele<br />
Schritt miteinander halten. Die Pilgernden entwickeln<br />
ein neues Gespür für Zeit <strong>und</strong> daraus die Fähigkeit zu<br />
Gelassenheit <strong>und</strong> Achtsamkeit. „Das langsame Gehen<br />
hat etwas Meditatives. Man kann seine Sinne öffnen <strong>und</strong><br />
– nach außen wie nach innen – vieles wahrnehmen, was<br />
einem in der Hast des Alltags verborgen bleibt“, weiß<br />
Schladebusch. Das Wandern sei zudem eine eingängige<br />
Metapher für das Leben selbst: „Auch im Leben geht es<br />
darum, sich einen Weg zu erschließen. Auch das Leben<br />
ist nichts Statisches“, sagt der Pastor. Beim Pilgern schreitet<br />
man auf ein Ziel zu <strong>und</strong> hat die nötige Muße, sich<br />
währenddessen mit den eigenen Lebenszielen <strong>und</strong> <strong>Werte</strong>n<br />
auseinanderzusetzen. „Was trägt mich? Wohin gehe<br />
ich? Was ist mein Ziel? Wie kann ich überleben in den<br />
hohen Ansprüchen meines Berufs?“<br />
Nicht nur das bloße Gehen hilft, Antworten zu finden.<br />
Die Pastoren wählen von der insgesamt 300 Kilometer<br />
langen Pilgerroute, die sich vom ehemaligen Zisterzienserkloster<br />
Volkenroda zum Tochterkloster in Loccum<br />
erstreckt, immer auch bewusst ein Teilstück aus, das<br />
ausreichend Stoff zum Nachdenken liefert. Nicht<br />
umsonst kommt das Wort Pilgern von „per ager“, was<br />
bedeutet: „quer durch den Acker“. Die Wanderer begegnen<br />
auf ihrer Tour denn auch Schönem wie Hässlichem.<br />
Ihr Auge ruht ebenso auf anmutigen Landschaften wie<br />
development | 67<br />
managerSeminare | Heft 129 | Dezember 2008
68 | development<br />
auf tristen Industriebrachen. Zudem steuern<br />
Schladebusch <strong>und</strong> Reuter für stille Andachts-<br />
<strong>und</strong> Meditationsmomente mit ihnen Kirchen<br />
<strong>und</strong> Klöster am Wegesrand an. Und<br />
auf dem Weg lassen sie die Wanderer über<br />
ausgewählte Gleichnisse aus der Bibel nachsinnen.<br />
Die Mühsal gehört zum Pilgern wie die<br />
Meditation<br />
Zur Meditation gesellt sich die Mühsal. Das<br />
ungewohnte Gehen einer längeren Strecke<br />
von täglich ca. 15 bis 18 Kilometern, über<br />
Berge <strong>und</strong> durch Täler, mit Übernachtungen<br />
in einfachen Unterkünften verlangt den<br />
Pilgern einiges ab. „Schmerzen, Blasen an<br />
den Füßen, Hunger, Durst, schlechtes<br />
Wetter, aber auch die Auseinandersetzung<br />
mit den manchmal sehr unterschiedlichen<br />
Überzeugungen der Mitpilger stellen echte<br />
Herausforderungen dar“, weiß der Pastor.<br />
Doch auch diese Schwierigkeiten seien ein<br />
guter Spiegel des Lebens, das schließlich<br />
auch mit Herausforderungen aufwartet, die<br />
es zu bewältigen gilt. Gerade von der Meinungsvielfalt<br />
profitiere eine Pilgergruppe<br />
seiner Erfahrung nach sehr, betont Schlade-<br />
managerSeminare | Heft 129 | Dezember 2008<br />
busch. Es sei faszinierend, zu sehen, wie die<br />
Wanderer bei aller Unterschiedlichkeit über<br />
<strong>Werte</strong> <strong>und</strong> Überzeugungen ins Gespräch<br />
kämen, diskutierten, sich aber auch gegenseitig<br />
unterstützten.<br />
Das Sich-Führen-Lassen, die Zugehörigkeit<br />
zu einer Gruppe, führt dem Pastor zufolge<br />
zu einer für Führungskräfte ebenfalls sehr<br />
heilsamen Erkenntnis: dass die eigene isolierte<br />
Leistung stets unzureichend ist. „Und<br />
dass es eben nicht nur um Leistung geht.<br />
Nicht nur darum, zu funktionieren. Sondern,<br />
dass man als Mensch zählt – mit all<br />
seinen Wünschen, Träumen <strong>und</strong> Ängsten“,<br />
so der Theologe.<br />
Promi-Patres entfachten das Interesse<br />
für <strong>Werte</strong> in der Wirtschaft<br />
Das 2004 gestartete Spiritual Consulting ist<br />
als Angebot einer evangelischen Landeskirche<br />
deutschlandweit bislang einzigartig.<br />
Allein auf weiter Theologenflur stehen die<br />
beiden Pilger-Pastoren freilich nicht, wenn<br />
es darum geht, das Kerngeschäft der Kirchen<br />
– die Sorge um das Seelenheil der Menschen<br />
– gezielt auf Manager anzuwenden. Nicht<br />
zuletzt Katholiken wie die Ex-Ordensbrüder<br />
Rupert Lay <strong>und</strong> Anselm Bilgri<br />
<strong>und</strong> der Benediktiner-Mönch<br />
Dr. Anselm Grün von der Abtei<br />
Münsterschwarzach haben als<br />
prominente Referenten <strong>und</strong><br />
Buchautoren dazu beigetragen,<br />
das Interesse an christlichen<br />
<strong>Werte</strong>n in Führungskreisen zu<br />
fördern.<br />
Die Ordensgemeinschaften<br />
verzeichnen seit Jahren einen<br />
nicht abreißenden Zustrom von<br />
Menschen, die sich in stiller<br />
Kontemplation in Klöster zurückziehen,<br />
temporär am Leben<br />
der Mönche teilhaben oder<br />
Seminarofferten wahrnehmen<br />
– von Meditationskursen bis zur<br />
Wellness-Massage. „Es gibt mittlerweile<br />
gut 300 solcher Angebote<br />
deutscher Frauen- <strong>und</strong><br />
Männerorden“, sagt Arnulf Salmen,<br />
Pressesprecher der Orden.<br />
Wie viele Manager unter den<br />
Klostergästen sind, lässt sich<br />
zwar nicht genau beziffern. Doch<br />
dass der Rückzug hinter Ordensmauern<br />
gerade auch bei Mana-
gern gefragt ist, belegen die klösterlichen<br />
Angebote, die sich<br />
dezidiert an diese Zielgruppe<br />
richten <strong>und</strong> regelmäßig ausgebucht<br />
sind.<br />
Vom Interesse des deutschen<br />
Managerstandes an geistlichem<br />
Beistand zeugen auch die Briefe,<br />
die den Benediktinerpater Dr.<br />
Anselm Grün bergeweise erreichen.<br />
Grün, Cellerar der Abtei<br />
Münsterschwarzach, ist einer<br />
der Granden unter den christlichen<br />
Wirtschaftsweisen. Er gibt<br />
seit 15 Jahren Kurse für Manager,<br />
hat sich als Buchautor einen<br />
Namen gemacht <strong>und</strong> ist ein<br />
gefragter Kongressredner. „Die<br />
Briefeschreiber schildern oft,<br />
dass sie unter dem Führungsverständnis<br />
in ihren Unternehmen<br />
leiden“, berichtet Grün. Solidarität<br />
<strong>und</strong> Menschlichkeit spielten<br />
den Klagen zufolge häufig<br />
keine Rolle. <strong>Werte</strong> jenseits finanzieller<br />
<strong>Werte</strong> fänden sich allenfalls<br />
in den Leitlinien. Stattdessen<br />
seien Angst <strong>und</strong> Druck an<br />
der Tagesordnung. Druck, den<br />
Manager ausüben, dem sie sich<br />
auch selbst unterwerfen. Grün<br />
weiß, wozu das führen kann:<br />
„Führungskräfte haben häufig<br />
das Gefühl, gelebt zu werden,<br />
statt selbst zu leben“, so der<br />
Pater.<br />
Wer jedoch ein Getriebener<br />
sei, könne auch andere nur vor<br />
sich hertreiben, ist Grüns Überzeugung:<br />
„Führungskräfte neigen<br />
oft dazu, Leistung aus den<br />
Menschen herauszupressen, statt<br />
Leben in ihnen zu wecken.“ Um<br />
in Mitarbeitern Leben <strong>und</strong> damit<br />
Leistungslust zu wecken, müssten<br />
sich die Manager selbst wie-<br />
„Führungskräfte haben oft<br />
das Gefühl, gelebt zu werden,<br />
statt selbst zu leben.“<br />
Anselm Grün, Cellerar des Benediktinerklosters<br />
Münsterschwarzach, Buchautor <strong>und</strong> Führungskräfte-<br />
Ratgeber. Kontakt: www.anselm-gruen.de<br />
der als Mensch wahrnehmen, mit all ihren<br />
menschlichen Gefühlen, Sehnsüchten <strong>und</strong><br />
Bedürfnissen. Weil dies besonders gut<br />
gelingt, wenn die Führungskräfte auf Distanz<br />
zur Alltagstretmühle gehen, setzt<br />
auch Grün auf die Kraft, die im Rückzug<br />
liegt.<br />
Anselm Grün lässt Führungskräfte<br />
schweigen<br />
Der Rückzugsort ist in diesem Fall das Haus<br />
Benedikt, das Würzburger Gästehaus der<br />
Abtei Münsterschwarzach, das Anselm Grün<br />
gemeinsam mit dem Managerberater <strong>und</strong><br />
Coach Dr. Friedrich Assländer leitet. Das<br />
Zentrum veranstaltet unter anderem mehrtägige<br />
Retreats für Führungskräfte, die sich<br />
in ihrer Struktur ans mönchische Leben<br />
anlehnen: Der Tag beginnt früh, ist klar<br />
durchstrukturiert in Zeiten gemeinsamer<br />
Zusammenarbeit an Themen wie Konfliktmanagement<br />
<strong>und</strong> Kommunikation, aber<br />
auch in Zeiten der Meditation <strong>und</strong> des<br />
Schweigens. „Gerade das Schweigen fällt<br />
einigen Führungskräften sehr schwer“, weiß<br />
Grün, der auch mit Psychologen zusammenarbeitet,<br />
weil das Zurückgeworfensein<br />
auf das Selbst manchen an seine psychischen<br />
Grenzen bringen kann. Generell dauere es<br />
eine Weile, bis sich die Führungskräfte mit<br />
dem Schweigen wohlfühlten. „Aber irgendwann<br />
kommt der Punkt, an dem sie merken,<br />
dass sie sich wieder selbst spüren <strong>und</strong> an<br />
innere Quellen gelangen können, von denen<br />
sie gar nicht mehr gewusst haben, dass sie<br />
existieren“, beobachtet der Geistliche.<br />
Leitet Anselm Grün nur ab <strong>und</strong> an persönlich<br />
Kurse für Manager, so hat Andreas<br />
Breer – geistlicher Name: Pater Tobias – den<br />
Einsatz für Manager-Seelen zu seiner Hauptaufgabe<br />
gemacht. In der Duisburger Prämonstratenser<br />
Abtei Hamborn leitet der<br />
Mönch <strong>und</strong> Kloster-Kämmerer die gemeinnützige<br />
Beratungs-GmbH „Kompetenz-Center<br />
Mensch“ <strong>und</strong> ist dort für 23 Mitarbeiter<br />
development | 69<br />
managerSeminare | Heft 129 | Dezember 2008
70 | development<br />
Christliche Angebote für Manager<br />
Klausuren <strong>und</strong> Kurse in Klöstern<br />
A Kloster Andechs<br />
Das am Ostufer des Ammersees gelegene Kloster Andechs bietet unter dem Titel „Andechser<br />
Exerzitien für Manager“ Führungskräften die Möglichkeit, in klösterlicher Klausur intensiv am<br />
benediktinischen Lebensrhythmus teilzuhaben (weshalb sich das Angebot nur an Männer<br />
richtet). Sie nehmen an Gebets-, Arbeits- <strong>und</strong> Essenszeiten der Mönche teil, werden dabei<br />
von Abt Dr. Johannes Eckert <strong>und</strong> seinen Mitarbeitern begleitet <strong>und</strong> reflektieren ihre Lebenssituation.<br />
Im Mittelpunkt steht die Lektüre der Benediktsregel, ergänzend kommen Gespräche<br />
<strong>und</strong> Meditationen hinzu. Termine: 25. Februar bis 1. März 2009 sowie 25. bis 29. November<br />
2009; Kosten: 1.380 Euro. Infos unter E-Mail: seminar@andechs.de<br />
A Haus Benedikt (Abtei Münsterschwarzach)<br />
Das Haus Benedikt ist das Würzburger Stadtkloster <strong>und</strong> Gästehaus der Abtei Münsterschwarzach.<br />
Es steht unter der Leitung von Pater Dr. Anselm Grün sowie Dr. Friedrich Assländer<br />
<strong>und</strong> bietet Managern neben einer Vielzahl von offenen Seminaren <strong>und</strong> Kursen zu<br />
Themen wie Führung, Sprache, Zeit <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit auch die Möglichkeit, individuell auf sie<br />
zugeschnittene Veranstaltungen zu buchen. Etwa, um sich mit den engsten Mitarbeitern „aus<br />
der Hektik des Alltags zurückzuziehen <strong>und</strong> in die Adlerperspektive zu gehen“, um sich im<br />
Team weiterzuentwickeln, in Ruhe an neuen Strategien zu arbeiten oder die Führungsriege<br />
auf eine gemeinsame <strong>Werte</strong>kultur einzustimmen. Infos unter E-Mail: invita@haus-benedikt.<br />
net<br />
A Kompetenz-Center Mensch (Kloster Hamborn)<br />
Das Kompetenz-Center Mensch (KCM) ist die gemeinnützige Beratungsinstanz des Duisburger<br />
Prämonstratenser-Klosters Hamborn. Die KCM gemeinnützige GmbH steht unter der<br />
Leitung von Pater Tobias. Unterstützt wird er von einem Team aus Wirtschaftswissenschaftlern,<br />
Psychologen, Medizinern <strong>und</strong> Soziologen. Das Angebot richtet sich an Führungskräfte<br />
<strong>und</strong> auch Mitarbeiter. Der Ansatz: Wirtschaftliches Know-how mit Selbstfindung <strong>und</strong> Selbstentwicklung<br />
verknüpfen, Fachkompetenz ebenso stärken wie die physische <strong>und</strong> psychische<br />
Fitness – <strong>und</strong> das alles vor dem Hintergr<strong>und</strong> christlicher <strong>Werte</strong>. Im Mittelpunkt des Angebotes<br />
stehen mehrtägige firmeninterne Veranstaltungen (Besinnungstage für Führungskräfte),<br />
die intensiv vor- <strong>und</strong> nachbereitet werden <strong>und</strong> neben der Arbeit an fachlichen <strong>und</strong> methodischen<br />
Themen, Phasen der Meditation, der inneren Einkehr <strong>und</strong> des seelsorgerischen<br />
Gespräches beinhalten. Auch hier können die Teilnehmer an den Gebeten <strong>und</strong> Mahlzeiten der<br />
Mönche teilhaben. Kontakt: www.pater-tobias.de<br />
Pilgertouren mit Pastoren<br />
Spiritual Consulting ist die erste Unternehmensberatung unter dem Dach einer evangelischen<br />
Landeskirche in Deutschland. Im Auftrag der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers<br />
wird das Projekt von den Pastoren Peer-Detlev Schladebusch <strong>und</strong> Ralf Reuter geleitet.<br />
Die beiden bieten neben Einzelcoachings, Seminaren <strong>und</strong> betreuten Auszeiten im Kloster<br />
auch dreitägige Pilgertouren für Manager im Weserbergland an. Infos unter: www.spiritualconsulting.de<br />
managerSeminare | Heft 129 | Dezember 2008<br />
„Wir bauen die Manager, die<br />
zu uns kommen, wieder auf<br />
– <strong>und</strong> zwar seelisch wie auch<br />
körperlich.“<br />
Pater Tobias, Leiter <strong>und</strong> Dozent der Kompetenz-<br />
Center Mensch gGmbH im Abteizentrum Hamborn.<br />
Kontakt: www.pater-tobias.de<br />
zuständig. Pater Tobias kennt die Wirtschaftswelt aus<br />
eigener Anschauung. Er war z.B. eine Zeit lang Ausbildungsleiter<br />
im Autokonzern BMW, bevor er Theologie<br />
studierte, zum Priester geweiht wurde <strong>und</strong> dem Orden<br />
beitrat.<br />
Er selbst bezeichnet sich als „Seelsorger <strong>und</strong> Erfolgstrainer“<br />
– zwei Begriffe, die nur scheinbar Antagonisten<br />
sind, denn Pater Tobias handelt damit nach seinem Vorbild,<br />
dem heiligen Norbert von Xanten, der schon vor<br />
Jahrh<strong>und</strong>erten dafür plädiert hat, die Kirche näher an<br />
die Lebenswelt des Menschen heranzutragen. Dafür legt<br />
sich der Mönch gleich mehrfach ins Zeug. Um den<br />
schwindenden Auflagenzahlen von Kirchenzeitungen<br />
etwas entgegenzusetzen, hat er beispielsweise ein Fernstudium<br />
in Journalismus absolviert <strong>und</strong> bringt nun ein<br />
neues modern aufgemachtes <strong>Ethik</strong>magazin mit dem<br />
Titel „Vorsicht Kult(o)ur“ heraus. Die Abtei Hamborn<br />
hat der Pater auch über das Managementberatungszentrum<br />
hinaus zum Tagungsort <strong>und</strong> zur öffentlichen Bildungsstätte<br />
ausgebaut.<br />
Pater Tobias: Tag <strong>und</strong> Nacht im Einsatz für<br />
Managerseelen<br />
Auch Pater Tobias kennt die Schattenseiten der modernen<br />
Arbeitswelt. „Der Mensch spielt in der Wirtschaft<br />
oft keine Rolle“, weiß der Geistliche von vielen, die bei<br />
ihm seelsorgerischen Rat <strong>und</strong> Trost suchen. Das Problem<br />
sei die Fokussierung aufs „Haben, Machen <strong>und</strong><br />
Schaffen“. Und auch auf Fachkompetenz – zum Nachteil<br />
der Eigen- <strong>und</strong> Sozialkompetenz. Langfristig gut könne<br />
eine Führungskraft aber nur dann sein, wenn sie bei<br />
aller Erfolgsorientierung nicht wider ihren Körper <strong>und</strong><br />
ihre Seele lebe. „Es geht uns deshalb vor allem darum,<br />
die Manager, die zu uns kommen, aufzubauen,“ sagt der<br />
Pater. Im Sinne des ganzheitlichen Konzepts gehört dazu<br />
nicht nur die Aufarbeitung seelischer Konflikte, sondern<br />
unter Umständen auch die Arbeit am Körper. Es gibt<br />
Fälle, in denen der sportliche Pater, der selbst fünfmal<br />
jährlich Marathon läuft, mit seinen Coachees gemeinsam<br />
im Fitnessstudio trainiert.<br />
Neben Einzelcoachings <strong>und</strong> Seminaren bietet das<br />
KCM Managern aus einer Firma die Möglichkeit, an<br />
mehrtägigen Retreats – so genannten Besinnungstagen<br />
für Manager – vor Ort teilzunehmen. Sei es, um jenseits<br />
der Alltagshektik gemeinsam neue Kraft zu tanken <strong>und</strong><br />
die Arbeit aus der Distanz zu reflektieren, um in der<br />
Abgeschiedenheit an neuen Strategien zu arbeiten, als<br />
Team zusammenzufinden oder zu einer gemeinsamen<br />
<strong>Werte</strong>kultur zu gelangen. In der klösterlichen Atmosphäre<br />
der Ordensgemeinschaft können sich die Teilnehmer<br />
erholen, indem sie sich auf den Gebets- <strong>und</strong> Arbeitsrhythmus<br />
der Mönche einlassen, sich reflektierend<br />
zurückziehen, das Einzelgespräch mit Pater Tobias <strong>und</strong><br />
seinen Mitarbeitern suchen <strong>und</strong> gemeinsam in Seminareinheiten<br />
an wichtigen Themen arbeiten. „Die Nachfrage<br />
nach dem Angebot wächst“, konstatiert der<br />
Pater.<br />
Wie der Mönch betont, zeichnen sich die Retreats in<br />
Hamborn nicht nur durch das ganzheitliche Konzept<br />
– fachliches Know-how neben persönlicher Entwicklung
<strong>und</strong> <strong>Werte</strong>reflexion – aus, sondern auch<br />
durch eine besonders intensive Vor- <strong>und</strong><br />
Nachbetreuung seitens der Kursleiter <strong>und</strong><br />
Dozenten. Pater Tobias <strong>und</strong> seine Teammitglieder<br />
reisen beispielsweise vor Kursbeginn<br />
an den Arbeitsplatz der Teilnehmer, k<strong>und</strong>schaften<br />
die drängendsten Probleme aus <strong>und</strong><br />
stehen nach den Seminartagen noch bis zu<br />
zwölf Monate als Coachs zur Verfügung. Im<br />
Gegensatz zu weltlichen Beratern können<br />
Klienten den Pater übrigens Tag <strong>und</strong> Nacht<br />
per Handy erreichen.<br />
Die geistlichen Berater genießen einen<br />
Vertrauensvorschuss<br />
Die Anziehungskraft der klösterlichen<br />
Angebote ist für weibliche <strong>und</strong> männliche<br />
Manager jedweder religiöser Couleur groß.<br />
Unter denen, die es in die Klöster zieht, sind<br />
– wie auch unter den Pilgern – erstaunlich<br />
viele Manager ohne kirchlichen Bezug. Pater<br />
Tobias erklärt gar, 85 Prozent der Klienten<br />
des Kompetenz-Center Mensch gehörten<br />
keiner Religionsgemeinschaft an. Dabei genießen<br />
die Managementberater in Mönchs-<br />
Service<br />
Literaturtipps<br />
gewand <strong>und</strong> Priestersoutane bei all ihren<br />
Klienten ein Höchstmaß an Vertrauen.<br />
Die Manager haben das Gefühl, bei den<br />
Patres <strong>und</strong> Pastoren in einen sicheren Hafen<br />
einzulaufen. „Sie öffnen sich mir gegenüber<br />
schneller als gegenüber weltlichen Kollegen“,<br />
fasst Pater Tobias eine Erfahrung zusammen,<br />
die er mit seinen katholischen wie auch<br />
evangelischen Berufskollegen teilt. Seine<br />
Klienten, sagt auch Anselm Grün, seien rasch<br />
bereit, mit ihm über ernste persönliche Probleme<br />
zu reden. Zum Teil rührt dieser Vertrauensvorschuss<br />
wohl daher, dass man<br />
einem Priester per se Ehrlichkeit, Verantwortungsbewusstsein<br />
<strong>und</strong> Vertrauenswürdigkeit<br />
zuspricht. Ein wichtiger Aspekt sei aber<br />
auch, so Pater Tobias, dass die Priester als<br />
Berater kein eigenes kommerzielles Interesse<br />
verfolgen. „Alles, was ich erwirtschafte,<br />
kommt bedürftigen Menschen zugute“, sagt<br />
der Mönch. Und noch etwas haben die kirchlichen<br />
Consultants ihren weltlichen Kollegen<br />
voraus: Sie unterliegen dem Beichtgeheimnis<br />
<strong>und</strong> der pfarramtlichen Schweigepflicht.<br />
Sylvia Jumpertz C<br />
A Hape Kerkeling: Ich bin dann mal weg. Meine Reise auf dem Jakobsweg. Malik, München 2007,<br />
19,90 Euro.<br />
Comedian Hape Kerkeling beschreibt in dem Buch, das sich hartnäckig auf den Bestseller-Listen hält, seine<br />
Erlebnisse auf dem Jakobsweg. Das Werk weckte bei vielen Deutschen die Lust aufs Wandern <strong>und</strong> Wallfahren.<br />
A Klaus Hartmann: Manager <strong>und</strong> Religion: Zum Wandel beruflicher <strong>und</strong> religiöser Lebensführung.<br />
UvK, Konstanz 2007, 29,00 Euro.<br />
Das Buch beruht hauptsächlich auf biografischen Interviews, die der Autor mit Managern führender Unternehmen<br />
geführt hat. Hartmann geht der Frage nach, welche Rolle religiöse Sinndeutungen im Leben der<br />
Führungskräfte spielen.<br />
A Werner Halter: Den Jakobsweg erfahren: Nach Santiago de Compostela. Orell Füssli, Zürich<br />
2006, 16,30 Euro.<br />
Der Headhunter Werner Halter berichtet über seine persönliche Auszeit auf dem Jakobsweg – <strong>und</strong> beschreibt<br />
anschaulich die Menschen, die er auf seinem Weg nach Santiago de Compostela <strong>und</strong> zu sich selbst trifft.<br />
A Nikolaus Nonn: Tage im Kloster. Grünewald, Mainz 2002, 8,80 Euro.<br />
Das Büchlein richtet sich an alle, die an einem kurzzeitigen Aufenthalt im Kloster interessiert sind, beschreibt<br />
die Gr<strong>und</strong>züge des Ordenslebens <strong>und</strong> des klösterlichen Tagesablaufes <strong>und</strong> gibt Anregungen für die persönliche<br />
Gestaltung der „Tage im Kloster“.<br />
A Heiner Thorborg: Die <strong>Werte</strong> des Top-Managements. Sinus Sociovision, Heidelberg 2006, 250<br />
Euro.<br />
Die Studie, die der Personalberater Heiner Thorborg gemeinsam mit dem Forschungsinstitut Sinus Sociovision<br />
umgesetzt hat, enthüllt das <strong>Werte</strong>system deutscher Top-Manager. Befragt wurden über 180 Vorstände<br />
aus DAX-30- <strong>und</strong> MDAX-Unternehmen sowie geschäftsführende Gesellschafter namhafter Familienunternehmen.<br />
Das Ergebnis: Das <strong>Werte</strong>kostüm der Manager unterscheidet sich stark von dem der<br />
Gesamtbevölkerung. Die Untersuchung kann bezogen werden unter E-Mail: thomas.perry@sociovision.de.<br />
development | 71<br />
managerSeminare | Heft 129 | Dezember 2008
Foto: image source<br />
20 | management<br />
<strong>Werte</strong> bewusst<br />
führen<br />
CORPORATE GOVERNANCE<br />
managerSeminare | Heft 121 | April 2008
management | 21<br />
Selbstbedienung, Korruption, Betrug, Vertragsbruch – immer wieder<br />
füllen neue Skandale aus der Wirtschaftswelt die Schlagzeilen. Zuletzt<br />
war es die Affäre Zumwinkel. Fehlt es unseren Managern an <strong>Moral</strong>?<br />
Begünstigen die Kulturmerkmale der Konzernwirtschaft den <strong>Werte</strong>verfall?<br />
Wer wacht über die <strong>Werte</strong>? managerSeminare hat nachgefragt.<br />
Preview: AIVon Enron bis zur Deutschen Post: Wenn<br />
<strong>Werte</strong> nichts zählen AIAktuelle Studie belegt: <strong>Moral</strong>isch<br />
verwerfliches Handeln nimmt zu AIGründe für<br />
den <strong>Werte</strong>verfall: Extreme-Jobbing, wenig persönliche<br />
Bindungen, Intransparenz AIDer Corporate-Governance-Kodex:<br />
15 Seiten Papier wollen über <strong>Werte</strong><br />
wachen AIAlternative <strong>Werte</strong>-Initiativen: Die Arbeit von<br />
„<strong>Werte</strong>kommission“, „<strong>Werte</strong>dialog“ <strong>und</strong> <strong>Ethik</strong>verband<br />
AIWorauf es ankommt: <strong>Werte</strong> für den Führungsalltag<br />
AIWarum bei Mittelständlern <strong>Werte</strong> oft noch mehr wert<br />
sind<br />
C Zwei Vorstandsmitglieder eines Unternehmens<br />
haben einen Termin bei einem<br />
Unternehmensberater. Statt zusammen zum<br />
Berater zu fahren, lässt sich jeder im eigenen<br />
Auto hinchauffieren. Im Gespräch mit dem<br />
Consultant tut jeder so, also wäre nichts,<br />
man wahrt die Form. Aber als der eine mal<br />
den Raum verlässt, hat der andere nur<br />
Schlechtes über seinen Vorstandskollegen zu<br />
sagen: Er zieht über den anderen her, mit<br />
wenig schönen Worten.<br />
Ein belangloser Vorgang eigentlich – wäre<br />
da nicht seine Häufung: „Das erlebe ich<br />
öfter“, sagt Dr. Klaus Aden, Geschäftsführer<br />
<strong>und</strong> Mitinhaber von LAB Lachner Aden<br />
Beyer & Company, einer Personalberatung<br />
in Düsseldorf. Er schätzt, dass es mittlerweile<br />
in jeder dritten Geschäftsführung Zoff<br />
gibt, der unbearbeitet bleibt.<br />
Das Beispiel wirft ein Schlaglicht auf die<br />
Zustände in manchem Betrieb: Menschliche<br />
wie unternehmerische <strong>Werte</strong> geraten unter<br />
die Räder, Fairness, Anstand, Partnerschaft,<br />
Menschlichkeit <strong>und</strong> Vertrauen scheinen<br />
manchmal nicht hoch im Kurs zu stehen.<br />
Beim einen Unternehmen klagen Mitar-<br />
beiter über den Intrigensumpf <strong>und</strong> ständigen<br />
Streit, beim nächsten ist Mobbing verbreitet<br />
– oder Recht <strong>und</strong> Gesetz machen am<br />
Firmentor Halt, Korruption regiert das<br />
Geschäft.<br />
Beispiele: Wo <strong>Werte</strong> nur wenig zählen<br />
Wie wenig <strong>Werte</strong> zählen, zeigt sich etwa<br />
beim Thema Treue des Arbeitgebers zu seinen<br />
Mitarbeitern. In ferner Vergangenheit<br />
scheinen die Zeiten zu liegen, als der Chef<br />
der deutschen IBM, Walter A. Bösenberg, die<br />
Loyalität zwischen Mitarbeitern <strong>und</strong> Firma<br />
pries: „In unserem Unternehmen gibt es<br />
keine Entlassungen.“ Gut zwei Jahrzehnte<br />
später erinnert sich niemand mehr an das<br />
Versprechen – das amerikanische Computerunternehmen<br />
meldet Entlassungen wie<br />
jedes andere. Auch Hewlett Packard war<br />
einst ein Hort der unbedingten Treue zum<br />
Mitarbeiter, heute ist das ein Wert, von dem<br />
man sich verabschiedet hat. Es geht allerdings<br />
noch härter. Als bei Enron Zahlen <strong>und</strong><br />
ehrgeizige Versprechen nicht mehr übereinstimmten,<br />
schrieben sich die verantwortlichen<br />
Manager einfach in die Bücher, was sie<br />
zum Nachweis ihres Erfolgs brauchten. Verkäufe<br />
des Energieunternehmens, die es noch<br />
gar nicht gab, wurden als Umsatz verbucht.<br />
Kosten ließ man in der Buchhaltung unter<br />
den Tisch fallen. Das ging gut, bis Sherron<br />
Watkins aktiv wurde. Die Enron-Angestellte<br />
machte die Fälschungen öffentlich, danach<br />
kam, was kommen musste: Der Gigant mit<br />
111 Milliarden Dollar Umsatz implodierte<br />
im Jahr 2001, die Eigentümer verloren ihr<br />
Vermögen, die Mitarbeiter ihren Job.<br />
Auch die Affaire Zumwinkel zeigt, dass<br />
<strong>Werte</strong>kataloge von Unternehmen manchmal<br />
nicht mehr sind als ein billiger PR-Gag.<br />
„Schützt meine Handlung den Ruf von<br />
Deutsche Post World Net als Konzern mit<br />
hohen ethischen Standards?“, steht als Regel<br />
Nummer fünf im Verhaltenskodex, der für<br />
alle 470.000 Mitarbeiter gilt. Überdies sollen<br />
Mitarbeiter, so die <strong>Werte</strong> des gelben Konzerns,<br />
„Integrität nach innen <strong>und</strong> außen<br />
leben.“ Diese Vorgaben hielten den Vormann<br />
Klaus Zumwinkel nicht davon ab, sich<br />
persönliche Sonderrechte herauszunehmen.<br />
Der Multimillionär schleuste offenbar eine<br />
Million Euro an der deutschen Steuer vorbei,<br />
aber die Sache flog auf. Der Vorstandschef<br />
blamierte sich selbst, sein Unternehmen <strong>und</strong><br />
managerSeminare | Heft 121 | April 2008
22 | management<br />
die Profession der Top-Manager, als die Bilder<br />
von der Razzia der Steuerfahndung in<br />
seinem Haus durch alle Medien liefen. „Wie<br />
kann der Konzern von seinen Postboten<br />
Rechtschaffenheit verlangen, wenn nicht<br />
einmal der oberste Chef dieses Gebot einhält?“,<br />
fragten sich Beobachter des Geschehens.<br />
Studie: <strong>Moral</strong>isch verwerfliches Handeln<br />
nimmt zu<br />
Die Denkweise „alles geht“ leitet manchem<br />
Manager heute die Hand. Geschäftlicher<br />
Erfolg ist wichtiger als <strong>Werte</strong>. Das zeigen<br />
die Ergebnisse der Studie „Managerpanel“,<br />
die Klaus Aden Ende vergangenen Jahres<br />
durchgeführt hat. „Ich stelle häufiger als<br />
früher fest, dass Ehrlichkeit <strong>und</strong> Geradlinigkeit<br />
geradezu hinderlich sind“, gab einer<br />
der Befragten in der Studie zu Protokoll.<br />
Er war kein Einzelfall. 47 Prozent der Top-<br />
Manager beobachten in ihrem Umfeld regelmäßig<br />
moralisch verwerfliches Handeln.<br />
Viele machen mit, auch wenn sie es eigentlich<br />
besser wissen: 57 Prozent der 305 an<br />
der Studie beteiligten Führungskräfte quält<br />
mehrmals im Jahr ihr schlechtes Gewissen,<br />
weil ihr Handeln mit ihren früheren Vorstellungen<br />
über <strong>Werte</strong> nicht vereinbar ist. „Als<br />
Barsch unter Haifischen lebt es sich schlecht.<br />
Also werden viele zum Haifisch“, beklagt<br />
einer der Befragten.<br />
Warum ist das so? Warum wird mancher<br />
nette Familienvater zum Menschenschinder<br />
oder Betrüger, sobald er den Schlips umgeb<strong>und</strong>en<br />
<strong>und</strong> das Büro betreten hat? Ein<br />
wichtiger Auslöser ist das, was in der Manager-Arbeitswelt<br />
mit Extreme-Jobbing beschrieben<br />
wird: Der Druck ist hoch, der<br />
Wettbewerb um die besten Plätze im Beruf<br />
wird aggressiver. Da wird schon mal die Idee<br />
des Mitarbeiters als die eigene verkauft, eine<br />
Information gegenüber Kollegen unterdrückt<br />
oder ein Teammitglied unberechtigt<br />
angeschwärzt – oder einem Lieferanten die<br />
managerSeminare | Heft 121 | April 2008<br />
Rechnung nicht bezahlt, damit der Gewinn<br />
stimmt.<br />
Meist fangen die <strong>Werte</strong>-Übertretungen<br />
klein an, doch es bleibt nicht dabei. „Es gibt<br />
haufenweise Gefährdungen auf dem Weg an<br />
die Macht. Viele Führungskräfte sind nicht<br />
stark genug, um dem standzuhalten“, sagt<br />
Gertrud Höhler, Beraterin von Wirtschaft<br />
<strong>und</strong> Politik in Berlin. Höhler, die sich in<br />
ihren mehr als 20 Büchern immer wieder<br />
mit dem Thema <strong>Werte</strong> befasst hat (siehe<br />
Service-Kasten Seite 25), beobachtet: „Die<br />
Lasterkette ergibt sich im Verlauf des Aufstiegs.“<br />
Kultur der Konzernwirtschaft begünstigt<br />
<strong>Werte</strong>verfall<br />
Die Kulturmerkmale der Konzernwirtschaft<br />
begünstigen den <strong>Werte</strong>verfall. „Die hohe<br />
Fluktuation im Management ist ein Gr<strong>und</strong>“,<br />
so Höhler. Die Gesichter wechseln ständig,<br />
persönliche Bindungen, die das berufliche<br />
Wirken stabilisieren, gebe es in einem Umfeld,<br />
das spätestens alle zwei Jahre komplett<br />
reorganisiert wird, immer weniger. <strong>Werte</strong><br />
kann <strong>und</strong> will man sich offenbar nicht mehr<br />
leisten. „Der Frühstücksdirektor, der jeden<br />
kennt, der immer Zeit hat für ein Gespräch,<br />
stirbt aus“, beklagte schon vor Jahren Carl<br />
„<strong>Werte</strong> lassen sich nur<br />
realisieren durch Menschen,<br />
die den kleinen Unterschied<br />
machen.“<br />
Stefanie Unger, Consultant bei Novakovic & Partner<br />
Executive Search, Zürich. Kontakt:<br />
sun@novakovicpartner.com<br />
„Es gibt haufenweise Gefährdungen<br />
auf dem Weg an die<br />
Macht. Viele Führungskräfte<br />
sind nicht stark genug, um<br />
dem standzuhalten.“<br />
Gertrud Höhler, Buchautorin <strong>und</strong> Beraterin von Wirtschaft<br />
<strong>und</strong> Politik in Berlin.<br />
Zimmerer, Gründer <strong>und</strong> Geschäftsführer<br />
der Interfinanz, einem Unternehmensmakler<br />
in Düsseldorf. Mit dem Frühstücksdirektor<br />
verschwand der soziale Kitt aus der<br />
Großorganisation, mit ihm die Kummerkästen<br />
<strong>und</strong> die fürsorgliche Kontrolle, die<br />
für ein Mindestmaß an Anstand sorgte.<br />
Der Organismus des modernen Großunternehmens<br />
lässt manche Führungskraft<br />
zudem die gute Erziehung <strong>und</strong> andere <strong>Werte</strong><br />
vergessen. „Manager bewegen sich in einem<br />
Dschungel. Da kann man manches machen,<br />
was nicht so ganz den Regeln entspricht,<br />
ohne dass es jemand sieht“, beschreibt Beraterin<br />
Höhler die Arbeitsbedingungen. Der<br />
Schlaue lerne schnell, die Regeln so zu überschreiten,<br />
dass es das Controlling nicht<br />
bemerkt. Deshalb kann sich die Deformation<br />
ungehindert in manche Führungsetage<br />
hereinschleichen. „Die Elite meint, sie darf<br />
sich mehr erlauben als der einfache Mann<br />
auf der Straße“, kritisiert Höhler. Die Chefetage<br />
nehme für sich in Anspruch, dass für<br />
sie andere, weniger strenge Regeln gelten als<br />
für die kleinen Leute. „Die Oberen genießen<br />
das Gefühl eines geschlossenen Clubs, der<br />
ihnen die Lizenz gibt, Regeln des Anstands<br />
ungestraft zu übertreten“, so die Buchautorin.<br />
Auf diesem Humus wächst Verhalten, das,<br />
einmal aufgedeckt, zum Skandal wird. „Wir<br />
kaufen uns den Betriebsrat, wenn er nicht<br />
spurt“, so wurde etwa bei Volkswagen gedacht,<br />
einem Unternehmen, das immerhin<br />
auch von Größen wie dem Vorsitzenden der<br />
IG Metall, Jürgen Peters, <strong>und</strong> dem Ministerpräsidenten<br />
Niedersachsens, Christian Wulff,<br />
überwacht wird. Diese Prominenz im Aufsichtsrat<br />
des Autobauers konnte nicht verhindern,<br />
dass Peter Hartz tief in die Firmenkasse<br />
greift: 200.000 Euro bekommt Klaus<br />
Volkert, Chef des Betriebsrats, pro Jahr vom<br />
Personalvorstand zugesteckt. Damit sichert<br />
sich Hartz zehn Jahre lang die Zustimmung<br />
zur Personalpolitik des Konzerns, bis die<br />
Sache 2005 auffliegt.
Corporate-Governance-Kodex<br />
soll über <strong>Werte</strong> wachen<br />
Die vielen kleinen <strong>und</strong> großen<br />
Verfehlungen, auch die Hartz-<br />
Affaire, hätten so nicht passieren<br />
dürfen. Denn die Konzerne <strong>und</strong><br />
viele andere Unternehmen haben<br />
sich längst auf die Einhaltung<br />
von <strong>Werte</strong>n verpflichtet. Sie<br />
wollen für gute Leitung <strong>und</strong> Überwachung<br />
sorgen, indem sie sich<br />
den Regeln des Corporate-Governance-Kodex<br />
angeschlossen<br />
haben. Der vor sechs Jahren geschaffene<br />
Kodex sagt, wie in Unternehmen<br />
informiert, überwacht<br />
<strong>und</strong> kontrolliert werden soll.<br />
Überdies legt er die Rechte <strong>und</strong><br />
Pflichten von Vorstand <strong>und</strong> Aufsichtsrat<br />
fest. Aber Peter Hartz<br />
hat die Regeln des Kodex (u.a.<br />
„Dritten keine ungerechtfertigten<br />
Vorteile gewähren“) wissentlich<br />
gebrochen, der zur Kontrolle<br />
verpflichtete Aufsichtsrat hat<br />
nicht genau genug hingeschaut<br />
– oder die Augen zugemacht.<br />
Das 15-seitige Papier erweist<br />
sich als stumpfe Waffe im Kampf<br />
gegen den Verfall der <strong>Werte</strong>. „Die<br />
Schöpfer des Corporate-Governance-Kodex<br />
haben am Thema<br />
vorbeigeschossen“, bemängelt<br />
Stefanie Unger, Consultant bei<br />
Novakovic & Partner Executive<br />
Search, Zürich. Formulierungen<br />
sind vage, ergießen sich in Allgemeinplätzen<br />
<strong>und</strong> meiden die<br />
Problemzonen der Führung.<br />
Ebenso kritisch äußert sich der<br />
Governance-Experte Prof. Fredm<strong>und</strong><br />
Malik: Die jüngste R<strong>und</strong>e<br />
von Korruptionsskandalen bei<br />
Siemens habe der Kodex nicht<br />
verhindert (siehe auch Interview<br />
Seite 26).<br />
Beraterin Unger hat deshalb<br />
selbst Initiative ergriffen. Sie hat<br />
<strong>Werte</strong> zu ihrem Thema gemacht<br />
<strong>und</strong> im Jahr 2004 mit einigen<br />
Mitstreitern die „<strong>Werte</strong>kommission<br />
– Initiative <strong>Werte</strong> Bewusste<br />
Führung“ gegründet. Die Gruppe<br />
jüngerer Führungskräfte ist<br />
eine Graswurzel-Bewegung. Sie<br />
<strong>Werte</strong> in Gefahr<br />
management | 23<br />
Mit seiner Studie „Managerpanel“ vom Ende vergangenen Jahres machte Dr.<br />
Klaus Aden von LAB Lachner Aden Beyer & Company eine Bestandsaufnahme:<br />
Er fragte Führungskräfte, wie es mit der Umsetzung von <strong>Werte</strong>n in ihrem<br />
Umfeld bestellt ist. Ihre Antworten konnten die befragten Manager frei formulieren.<br />
managerSeminare mit einigen Auszügen.<br />
A „Handeln unter Karrieregesichtspunkten lässt keine Zeit für moralische Bewertungen.<br />
Und für moralisch einwandfreies Handeln existiert kein Budget.“<br />
A „Wenn ich heute jemanden als unehrlich empfinde, habe ich keine Probleme<br />
mehr, ihn gezielt zu belügen <strong>und</strong> zu manipulieren.“<br />
A „Eine ehrliche Haut zu sein sichert in der Regel nicht gerade den Wettbewerbsvorteil.“<br />
A „Einige Ideale muss man mit besserer Kenntnis des realen Berufslebens<br />
ablegen.“<br />
A „Das Schlimmste ist der Zwang, an eindeutig unmoralischen Maßnahmen<br />
mitwirken zu müssen.“<br />
A „Wenn das Engagement überdurchschnittlich ist, entsteht das Gefühl, an<br />
anderer Stelle mehr Privilegien in Anspruch nehmen zu dürfen.“<br />
A „Man bekommt den Eindruck, der Einsatz von Firmenressourcen für Privates<br />
gehöre zum Alltag.“<br />
A „Wenn der moralische Weg stets der einfache wäre, würde jeder automatisch<br />
das Richtige tun.“<br />
managerSeminare | Heft 121 | April 2008
24 | management<br />
sucht nicht den großen Wurf wie die Corporate-Governance-Kommission,<br />
ihr geht<br />
es mehr um das Kleinklein, die <strong>Werte</strong> in der<br />
täglichen Führungspraxis. „Respekt, Mut,<br />
Verantwortung sowie Vertrauen, Nachhaltigkeit<br />
<strong>und</strong> Integrität“, zählt Unger auf, welche<br />
<strong>Werte</strong> gemeint sind. Inzwischen arbeiten<br />
ihre Nachfolger, darunter Kai Hattendorf<br />
(Messe Frankfurt) <strong>und</strong> Sven H. Horndörffer<br />
(Aareal Bank) an der Spitze der „<strong>Werte</strong>kommission“<br />
– die Gründerin ist weitergezogen<br />
<strong>und</strong> hat eine neue Initiative namens „<strong>Werte</strong>dialog“<br />
aufgezogen.<br />
<strong>Werte</strong>-Initiativen setzen auf <strong>Werte</strong> für<br />
den Alltag<br />
Die „<strong>Werte</strong>kommission“ wie die Initiative<br />
„<strong>Werte</strong>dialog“ haben einen praxisnahen<br />
Ansatz gewählt, um mehr <strong>Werte</strong> in den Führungsalltag<br />
zu tragen: Sie wollen möglichst<br />
viele Mitstreiter davon überzeugen, sich an<br />
ihrem Platz im Beruf wertebewusst zu verhalten.<br />
„<strong>Werte</strong> lassen sich nur realisieren<br />
durch Menschen, die den kleinen Unterschied<br />
machen“, sagt die Headhunterin<br />
pragmatisch: <strong>Werte</strong> schaffen Wert, wenn<br />
jemand das will. Deshalb hat sich zum Beispiel<br />
die Kommission 60 teils prominente<br />
Manager in allen Branchen gesucht, diese zu<br />
einem Ratgeberkreis zusammengeschlossen<br />
<strong>und</strong> die Business-Community mit einer<br />
Welle von Veranstaltungen überzogen. 1.000<br />
Verbündete tragen die Bewegung derzeit,<br />
eine neue Aktion seit Ende vergangenen<br />
Jahres ist eine Anzeigenkampagne mit dem<br />
Titel „Demonstrieren Sie <strong>Werte</strong>.“<br />
Mehr wertbewusstes Management in die<br />
Unternehmen hineinorganisieren, das hat<br />
sich auch der <strong>Ethik</strong>verband der Deutschen<br />
Wirtschaft (EVW) zum Ziel gesetzt. Unter<br />
der Führung des Trainers Ulf D. Posé haben<br />
sich 134 Mitglieder versammelt, die sich für<br />
ethische Führung einsetzen. Im Ziele-Katalog<br />
des Verbandes finden sich <strong>Werte</strong> wie<br />
Würde, Freiheit <strong>und</strong> Verantwortung sowie<br />
Vertrauen <strong>und</strong> Sozialverträglichkeit. Der<br />
Verband versteht sich als Sprachrohr. „Wir<br />
beziehen zu <strong>Werte</strong>fragen Stellung“, beschreibt<br />
Posé die Arbeit. Als etwa Nokia<br />
bekannt gab, dass die Mobiltelefon-Fabrik<br />
in Bochum dicht gemacht wird, mischte sich<br />
der EVW in die Diskussion ein. Überdies<br />
berät Posé mit seinen Trainerkollegen die<br />
Mitglieder in <strong>Ethik</strong>fragen.<br />
<strong>Werte</strong> zeigen sich in der gelebten<br />
Führungspraxis<br />
Die drei Organisationen zeigen: Für den<br />
Erfolg in <strong>Werte</strong>fragen kommt es nicht auf<br />
managerSeminare | Heft 121 | April 2008<br />
Sprüche <strong>und</strong> bunte <strong>Ethik</strong>-Broschüren an,<br />
sondern auf die gelebte Führungspraxis.<br />
„Andere nur so behandeln, wie man selbst<br />
behandelt werden möchte“, lautet das Mantra.<br />
Für die tägliche Arbeit im Unternehmen<br />
bedeutet das:<br />
A Vorbild führt. Die Unternehmensspitze<br />
sollte ihren Alltag mit positiven <strong>Werte</strong>n hinterlegen.<br />
Respekt, Wertschätzung, Transparenz<br />
<strong>und</strong> offene, faire Aussprache sollten das<br />
Handeln leiten.<br />
A Handeln vor Rhetorik. Nicht die Sprechblase<br />
der Führung bringt es, sondern das<br />
Tun. Was zum Thema <strong>Werte</strong> heute gesagt<br />
wird, ist morgen vergessen. Aber wie mit<br />
<strong>Werte</strong>n umgegangen wird, ob sie respektiert<br />
werden oder mit Füßen getreten, merken<br />
sich die Mitarbeiter über Jahre.<br />
A Anforderungsprofil. Bei der Besetzung<br />
von Führungspositionen sollte nicht nur auf<br />
Fachkompetenz <strong>und</strong> bereits erreichte Erfolge<br />
geachtet werden, sondern auch auf stabile<br />
persönliche <strong>Werte</strong>.<br />
A Belohnungen. Auch wertorientierte<br />
Führung ist ein Bestandteil des Belohnungssystems.<br />
Wertbewusstsein bringt Punkte,<br />
<strong>Werte</strong>verletzung indes Punktabzug <strong>und</strong><br />
Stopp des weiteren Aufstiegs auf der Karriereleiter.<br />
A Grenzen zeigen. Die Risiken von Grenzüberschreitungen<br />
für Karriere, Ruf <strong>und</strong><br />
Geschäft sollten offengelegt <strong>und</strong> angesprochen<br />
werden.<br />
A Sanktionen. Fehlverhalten muss konsequent<br />
geahndet werden. Verstößen sollte<br />
nicht erst dann nachgegangen werden, wenn<br />
es gegen geschriebenes Recht geht.<br />
Die Bahn etwa hat sich mit Erfolg gegen<br />
die Enronitis geschützt. Der Konzern kauft<br />
für acht Milliarden Euro pro Jahr Lokomotiven,<br />
Bauleistungen, Fuhrpark <strong>und</strong> Gebäude<br />
ein. Hier winken der Zulieferindustrie<br />
lukrative Aufträge; wer in den engeren Kreis<br />
„Wir sind Vorbild, sowohl<br />
die Mitarbeiter als auch das<br />
gesamte Unternehmen.“<br />
Götz Werner, Gründer <strong>und</strong> Inhaber der Drogeriemarktkette<br />
dm. Kontakt über: herbert.arthen@dmdrogeriemarkt.de<br />
der Hoflieferanten der Bahn gehört, darf sich<br />
über ergiebiges Geschäft freuen. Da sind die<br />
Verlockungen groß: Mancher Bahn-Lieferant<br />
hat in der Vergangenheit die Unterschrift<br />
unter einen Auftrag reich belohnt –<br />
mit einem dicken, mit Bargeld gefüllten<br />
Umschlag, diskret nach der Verhandlung<br />
zugesteckt. Aber der Schienenkonzern ließ<br />
nie einen Zweifel daran, wo die Grenzen<br />
wertbewussten Verhaltens liegen: Die interne<br />
Revision überprüft alle Vergaben. Wo<br />
geschmiert wurde, ging der Konzern konsequent<br />
<strong>und</strong> mit aller Härte gegen Einkäufer<br />
vor, die von Lieferanten Geld genommen<br />
hatten.<br />
Mittelständler sind oft vorbildlich in<br />
Sachen <strong>Werte</strong><br />
Zudem zeigen einige Mittelständler, wie<br />
man ein Unternehmen mit den richtigen<br />
<strong>Werte</strong>n ausstatten kann. „Wo der Eigentümer<br />
führt, wird oft langfristiger gedacht“,<br />
sagt <strong>Werte</strong>-Expertin Unger, „hier wird die<br />
Kultur durch einen Menschen an der Spitze<br />
geprägt.“ Ein Beispiel für diese Praxis liefert<br />
dm Drogeriemarkt. Zwar ist das Karlsruher<br />
Unternehmen mit heute europaweit 1.850<br />
Filialen <strong>und</strong> 4,2 Milliarden Euro Umsatz<br />
lange über das Stadium hinausgewachsen,<br />
wo noch jeder jeden kennt. Doch den Gedanken<br />
des Unternehmens als Familie mit<br />
gemeinsamen <strong>Werte</strong>n hält Inhaber Prof.<br />
Götz W. Werner dennoch hoch: „Wenn sich<br />
ein Mitarbeiter dem Unternehmen verb<strong>und</strong>en<br />
fühlt, arbeitet er nicht nur St<strong>und</strong>en ab,<br />
sondern sieht den Sinn seines Schaffens.“<br />
Deshalb verpflichtet sich dm, jedem Mitarbeiter<br />
das Unternehmen sowie die Chancen<br />
<strong>und</strong> Bedrohungen, die auf das Geschäft<br />
wirken, verstehbar zu machen. „Führung für<br />
Mündige“, so lautet eine der wenigen, aber<br />
prägnanten Vorgaben, die den Alltag der<br />
Manager leiten. Jeder soll an seinem Platz<br />
verantwortlich handeln, egal, ob das der
Regalauffüller oder der Gebietsleiter ist. „Wir<br />
sind Vorbild, sowohl die Mitarbeiter als auch<br />
das gesamte Unternehmen“, sagt Werner, der<br />
dieses Thema auch in den Unternehmensgr<strong>und</strong>sätzen<br />
verankert hat. Der Gründer<br />
nimmt seine Rolle als <strong>Werte</strong>-Generator für<br />
seine 27.000 Mitarbeiter ernst. Er predigt<br />
die Einhaltung des menschlichen Maßes in<br />
der Führung, wo immer er auftritt, im Unternehmen<br />
wie in der Öffentlichkeit. Der<br />
menschliche Umgang intern <strong>und</strong> K<strong>und</strong>enfre<strong>und</strong>lichkeit<br />
gehören für den Einzelhändler<br />
untrennbar zusammen. „So, wie wir intern<br />
miteinander umgehen, gehen wir auch<br />
mit den K<strong>und</strong>en um“, ist seine Haltung. Für<br />
Respekt, Offenheit <strong>und</strong> Fairness zu sorgen,<br />
sieht der Unternehmer in seiner Organisation<br />
als ökonomische Notwendigkeit an.<br />
Service<br />
Bei aller Klage über die Verletzungen<br />
von <strong>Werte</strong>n sollte freilich<br />
auch klar sein: In vielen<br />
Unternehmen ist zwar durch<br />
den Druck des Wettbewerbs das<br />
Klima rauer geworden. Für den<br />
Schwatz bei Kaffee ist in den<br />
meisten Organisationen keine<br />
Zeit mehr, die Wärme <strong>und</strong><br />
Geborgenheit des Arbeitsplatzes<br />
wurde verdrängt durch stärker<br />
kompetitives Verhalten. Aber in<br />
den meisten Unternehmen wird<br />
dennoch sauber geführt <strong>und</strong><br />
gewirtschaftet. „Ethisches Fehlverhalten<br />
bewegt sich im Promillebereich“,<br />
sagt <strong>Werte</strong>-Experte<br />
<strong>und</strong> EVW-Präsident Posé.<br />
Axel Gloger C<br />
Lesetipps<br />
A Gertrud Höhler: Wettspiele der Macht. Ullstein, Berlin 2005, 9,95 Euro.<br />
In diesem Buch untersucht Höhler die Wettbewerbs- <strong>und</strong> Machtbeziehungen, die nahezu alle<br />
Gesellschaftsbereiche bestimmen. So finden ‚Wettspiele‘ statt zwischen Bürgern <strong>und</strong> Regierenden,<br />
zwischen Chef <strong>und</strong> Mitarbeitern, Produzenten <strong>und</strong> K<strong>und</strong>en.<br />
A Gertrud Höhler: Aufstieg für alle. Was Gewinner den Verlierern schulden. Econ,<br />
Berlin 2007, 22,90 Euro.<br />
Höhlers Kernthese lautet: Die Erfolgreichen müssen ihr Bestes geben, damit die Verlierer von<br />
heute morgen an ihrer Seite sind. Wo die Gewinner diskriminiert werden, haben auch die<br />
Verlierer keine Chance. Wo die Starken sich abkoppeln, sind die Schwachen bald isoliert. Sie<br />
werden auch die Starken stürzen.<br />
A Daniel F. Pinnow: Elite ohne <strong>Ethik</strong>? Die Macht von <strong>Werte</strong>n <strong>und</strong> Selbstrespekt.<br />
Frankfurter Allgemeine Buch, Frankfurt 2007, 24,90 Euro.<br />
Merkel <strong>und</strong> Klinsmann – nach Meinung von Pinnow haben beide viel gemein: Für ihn sind<br />
sie Vertreter einer neuen Führungselite. An ihnen <strong>und</strong> an anderen Beispielen überprüft der<br />
Autor das <strong>Werte</strong>raster: Wie halten es die Entscheidungsträger in Politik <strong>und</strong> Wirtschaft mit<br />
<strong>Ethik</strong> <strong>und</strong> Verantwortung?<br />
A www.labcompany.net/de<br />
Unter der Überschrift „Managerpanel: Deutsche Top-Manager quält ihr schlechtes Gewissen”<br />
findet sich auf der Homepage der internationalen Personalberatung LAB Lachner Aden Beyer<br />
& Company ein PDF mit den Ergebnissen der Studie zum kostenlosen Download.<br />
Anlaufstellen<br />
A www.wertekommission.dkd.de/de<br />
Die „<strong>Werte</strong>kommission Initiative <strong>Werte</strong> Bewusste Führung“ will für das Prinzip „<strong>Werte</strong> schaffen<br />
Wert“ werben <strong>und</strong> „Best Practice“ in die Unternehmen holen.<br />
A www.wertekommission.org<br />
Der Schwerpunkt der Arbeit der Initiative „<strong>Werte</strong>dialog” von Stefanie Unger liegt auf einem<br />
offenen Dialog über <strong>Werte</strong> sowie in der Begleitung von Führungskräften <strong>und</strong> Unternehmen.<br />
A www.ethikverband.de<br />
Der <strong>Ethik</strong>verband der Deutschen Wirtschaft will Unternehmern eine Anlaufstelle sein, die mit<br />
Expertenwissen einerseits <strong>und</strong> Erfahrungswissen der Unternehmer andererseits hilft, Praxisnähe<br />
zwischen <strong>Ethik</strong> <strong>und</strong> Wirtschaft herzustellen. Unternehmern soll eine Plattform geboten<br />
werden, in der verantwortliches Handeln kritisch reflektiert <strong>und</strong> begleitet wird.<br />
management | 25<br />
managerSeminare | Heft 121 | April 2008
26 | management<br />
„Kurzfristiges Wertstreben<br />
ist ein Antreiber“<br />
INTERVIEW MIT PROF. DR. FREDMUND MALIK<br />
Wer sich mit Corporate Governance beschäftigt, trifft<br />
schnell auf Prof. Dr. Fredm<strong>und</strong> Malik. Sein Buch „Wirksame<br />
Unternehmensaufsicht“ erschien zum ersten Mal vor gut<br />
zehn Jahren, inzwischen gilt es als Standardwerk. manager-<br />
Seminare sprach mit dem Gründer des Malik Management<br />
Zentrums St. Gallen über <strong>Werte</strong> <strong>und</strong> <strong>Werte</strong>verlust.<br />
Über wertorientiertes Management wird viel<br />
geredet. Was kommt davon Ihrer Beobachtung<br />
nach in der Praxis an?<br />
Prof. Dr. Fredm<strong>und</strong> Malik: Ich beobachte<br />
eine recht einseitige Ausprägung. Das Thema<br />
<strong>Werte</strong> wird verkürzt auf eine einzige Dimension<br />
– den monetären Wert der Unternehmung.<br />
Ihn zu steigern, scheint häufig das<br />
alleinige Streben des Managements zu sein.<br />
Man schaut nicht mehr nach rechts <strong>und</strong><br />
links, es geht nur noch um das eine.<br />
Die verbreitete Begründung für dieses Vorgehen<br />
lautet: Wer nicht mitmacht, fällt zurück<br />
im Wettbewerb <strong>und</strong> wird verdrängt.<br />
Malik: ... Und dann wird gesagt, der Konkurrenzkampf<br />
werde immer härter. Diese<br />
Aussage muss als Universalbegründung für<br />
alle möglichen Übertreibungen herhalten.<br />
Aber das stimmt nicht. Nichts ist härter geworden,<br />
Konkurrenz war schon immer hart.<br />
Wir sehen Siemens, Enron, Balsam AG <strong>und</strong><br />
andere Fälle, wo Manager versucht haben,<br />
dem Glück der Firma auf nicht ganz erlaubtem<br />
Wege nachzuhelfen. Wie kommt das?<br />
managerSeminare | Heft 121 | April 2008<br />
Malik: Einseitiges <strong>und</strong> kurzfristiges Wertstreben<br />
ist ein Antreiber. Mancher Manager,<br />
nicht alle, gehen zudem den Weg des geringsten<br />
Widerstandes oder der primitivsten<br />
Fantasie. Den K<strong>und</strong>en mit Nutzen überzeugen<br />
scheint zu mühsam oder zu langwierig,<br />
man sucht nach Abkürzungen. Eine davon<br />
ist Korruption, eine andere die Preissenkung<br />
als Überzeugungsmittel. Oft sind diese Abkürzungen<br />
für das Management allzu offen<br />
zugänglich. Man sollte sie eigentlich abriegeln.<br />
Bei manchen Geschäften ist es geradezu eine<br />
Usance, beim K<strong>und</strong>en etwas nachzuhelfen.<br />
Der Motorjournalist bekommt diskret einen<br />
Umschlag zugesteckt, damit er gefällig über<br />
das neue Automodell berichtet. Der Einkäufer<br />
im Verband bekommt einen Anruf von der<br />
Druckerei, wie viel man ihm denn als Rückvergütung<br />
in das Angebot einrechnen darf.<br />
Malik: All das gibt es in der Tat. Es herrscht<br />
ein Klima des Schweigens. Man spricht nicht<br />
darüber, man macht es. Aber wer diese diskreten<br />
Zuwendungen annimmt, wird<br />
erpressbar. Jeder Dritte, der sich auf diese<br />
Weise bestechen lässt, wird es wieder versu-<br />
Prof. Dr. Fredm<strong>und</strong> Malik ist für sein präzises Denken<br />
<strong>und</strong> seine klare Sprache bekannt. Der Management-Vordenker<br />
arbeitet seit mehr als 30 Jahren an<br />
einem lehr- <strong>und</strong> lernbaren Berufsstand für Management.<br />
Sein Werk baut auf Kybernetik, Bionik, System-<br />
<strong>und</strong> Komplexitätsforschung auf <strong>und</strong> ist an der Funktionalität<br />
komplexer Systeme orientiert. Malik führte<br />
von 1976 bis 1984 die Stiftung Management Zentrum<br />
St.Gallen, die er 1984 zwecks konsequenter Praxisorientierung<br />
in ein Unternehmen umwandelte. Das<br />
heutige Malik Management Zentrum St. Gallen hat<br />
Niederlassungen in St. Gallen, Zürich, Wien, London,<br />
Schanghai <strong>und</strong> Toronto.<br />
chen. Man sollte damit gar nicht erst anfangen.<br />
Unternehmen sollten das auch zum<br />
Thema machen. Ein paar weichgespülte<br />
Worte im <strong>Werte</strong>kodex reichen dafür freilich<br />
nicht aus. Den Führungskräften sollten die<br />
Gefahren offengelegt werden. Denn wer bei<br />
diesem Spiel mitmacht, riskiert Karriere,<br />
Ruf, Vermögen.<br />
Die Konzernwirtschaft hat sich den Corporate-Governance-Kodex<br />
gegeben, der für saubere<br />
Führung sorgen soll. Ist er der geeignete<br />
Riegel, der die Türe zu Vetternwirtschaft,<br />
Begünstigung <strong>und</strong> Korruption verschlossen<br />
halten sollte?<br />
Malik: Schon im deutschen Aktiengesetz<br />
steht sinngemäß: Der Aufsichtsrat überwacht<br />
den Vorstand, er darf auch am Vorstand<br />
vorbei Auskunft über die Geschicke<br />
der Gesellschaft verlangen. Das Aktienrecht<br />
böte, korrekt angewendet, also schon eine<br />
Basis für wirksame Unternehmensaufsicht.<br />
Die Praxis aber sieht mitunter anders aus.<br />
Deshalb bin ich beim Corporate-Governance-Kodex<br />
skeptisch. Wie soll der richtiges<br />
<strong>und</strong> gutes Management etablieren helfen,<br />
wenn es schon das Aktienrecht nicht schafft?
Der Kodex ist kein potemkinsches<br />
Dorf, er ist eine potemkinsche<br />
Großstadt, so hoch ist das<br />
Ausmaß der Täuschung.<br />
Sprechen wir noch einmal über<br />
wertorientierte Führung, <strong>Werte</strong><br />
hier verstanden als langfristiger<br />
Unternehmenserfolg im Sinne<br />
aller Stakeholder. Gibt es dafür<br />
eine Vorlage?<br />
Malik: Ja, die UGUs, das sind<br />
die unternehmerisch geführten<br />
Unternehmen. Ein Inhaber oder<br />
eine Familie an der Spitze fungieren<br />
hier als <strong>Werte</strong>-Generator.<br />
Sie stehen mit ihrer Person dafür<br />
ein, wie geführt werden soll –<br />
<strong>und</strong> tragen dafür Sorge, dass<br />
drei einfache, eigentlich selbstverständliche<br />
Gr<strong>und</strong>sätze eingelöst<br />
werden. Erstens: kaufmännische<br />
Zuverlässigkeit. Zweitens:<br />
vertrauenserhaltendes Verhalten.<br />
Drittens: elementarer, menschlicher<br />
Anstand. Dort, wo die<br />
Bindung an eine Person noch<br />
intakt ist, funktioniert das.<br />
Können Sie solche Unternehmen<br />
benennen?<br />
Malik: Würth, Stihl, Boehringer,<br />
Haniel, Oetker als Beispiel für<br />
viele andere UGU. Diese sind die<br />
Perlen der Wirtschaft.<br />
An diesen Beispielen festgemacht:<br />
Gibt es einen Managertyp, der werteorientierte<br />
Führung verkörpert?<br />
Malik: Der echte Leader ist kein<br />
Ausstrahlungs- oder Ausdünstungsmensch.<br />
Er steht für die<br />
Sache, er setzt sich mit allen<br />
Kräften dafür ein, ohne sein<br />
Leben zu geben. Sehen wir uns<br />
die Geschäftsführer <strong>und</strong> Vorstände<br />
der UGUs an: Kein Charakter<br />
gleicht hier dem anderen,<br />
es gibt unterschiedliche Führungstypen,<br />
aber einige Gemeinsamkeiten,<br />
die wichtig sind. Die<br />
weitaus meisten Unternehmer<br />
zeigen keinen übertriebenen Egozentrismus,<br />
das Auftreten der<br />
Personen ist eher unauffällig, sie<br />
sind kein Fre<strong>und</strong> der großen<br />
Sprüche. Dafür sind lange Verweildauern<br />
an der Spitze die<br />
Regel ...<br />
... <strong>und</strong> das Gegenteil davon sind die Konzernmanager?<br />
Malik: Manche Topmanager schielen nur<br />
noch auf den Wert ihrer Aktienoptionen.<br />
Das führt zu Entscheidungen, die gegen das<br />
Interesse des Unternehmens gerichtet sind.<br />
So kommt kein nachhaltiger Erfolg zustande,<br />
denn wenn eine schwierige Situation<br />
naht, sind die Egozentriker unbrauchbar. Sie<br />
taugen nichts in turbulenten Zeiten, weil sie<br />
nur ihren persönlichen Karrierenutzen optimieren<br />
können, aber nichts für das Gesamtsystem<br />
tun. Dieser Typ Egoismus wird pseudo-legitimiert<br />
durch MBA-Kurse <strong>und</strong><br />
Consultants.<br />
Wie verändert sich dadurch das öffentliche<br />
Bild von Manager <strong>und</strong> Führung?<br />
Malik: Die Berichterstattung der Medien ist<br />
eine Jagd nach den Extremen. Je größer die<br />
Verfehlung eines CEO, desto dicker die<br />
Schlagzeilen. Sie füllen die Wirtschaftsteile<br />
der Medien. Aber unter dieser öffentlichen<br />
Wahrnehmung liegt ein ganz anderes Bild.<br />
Die wenigsten Manager sind Halunken, ihr<br />
Anteil am Ganzen ist minimal. In der überwiegenden<br />
Mehrheit handeln die Menschen<br />
im Dienste des Unternehmens. Sie sind<br />
anständige Mitarbeiter. Nur: Über die wird<br />
eben kaum geschrieben.<br />
Das Interview führte Axel Gloger. C<br />
Service<br />
Buchtipps<br />
A Fredm<strong>und</strong> Malik: Die neue Corporate<br />
Governance. Richtiges Topmanagement.<br />
Wirksame Unternehmensaufsicht. Frankfurter<br />
Allgemeine Buch, Frankfurt 2002, 36 Euro.<br />
Dritte Auflage eines Klassikers. Schon 1997, als<br />
noch niemand ahnte, welche Corporate-Governance-Probleme<br />
auf uns zukommen, schrieb<br />
Malik eine Anleitung für wirksame Unternehmensführung<br />
<strong>und</strong> -aufsicht.<br />
A Fredm<strong>und</strong> Malik: Unternehmenspolitik<br />
<strong>und</strong> Corporate Governance. Wie Organisationen<br />
sich selbst organisieren. Campus, Frankfurt<br />
2008, 39,90 Euro.<br />
K<strong>und</strong>ennutzen über Gewinnorientierung – Fredm<strong>und</strong><br />
Malik erklärt, worauf es bei guter Unternehmensführung<br />
ankommt <strong>und</strong> was den Kern<br />
von Corporate Governance ausmacht: Customer<br />
Value, der Fokus auf Leistungen für den K<strong>und</strong>en.<br />
management | 27<br />
managerSeminare | Heft 121 | April 2008
Foto: getty images<br />
18 | management<br />
Manager auf<br />
Sinnsuche<br />
SPIRITUALITÄT IM BUSINESS<br />
managerSeminare | Heft 103 | Oktober 2006
management | 19<br />
Business <strong>und</strong> Spiritualität – das verhielt sich bis vor kurzem noch<br />
wie Wasser <strong>und</strong> Öl zueinander. Sprich: Es galt als unvereinbar –<br />
jedenfalls für jene Trainer, Berater <strong>und</strong> Führungskräfte, die Wert auf<br />
ihren seriösen Ruf legten. Heute dagegen bekennen sich viele unverblümt<br />
zu ihrer Spiritualität. Ein Einblick in die spirituell inspirierte<br />
Weiterbildungs- <strong>und</strong> Führungsszene.<br />
Preview: A Spinnert oder sinnvoll? Warum Seminare<br />
über Spiritualität längst zum Angebotsspektrum<br />
seriöser Weiterbildungsanbieter gehören A Individuelle<br />
Erfahrung versus kollektiver Kodex: Weshalb <strong>Ethik</strong><br />
aus Sicht alternativ orientierter Berater ohne die spirituelle<br />
Erfahrung des Einzelnen nicht funktioniert A<br />
Integral Führen: Was den Führungsstil auszeichnet,<br />
der den Menschen auf all seinen Bewusstseinsebenen<br />
erfassen will A Pionier des Bewusstseinswandels:<br />
Wie der Naturkosmetikbetrieb Weleda jenseits<br />
bloßer Wachstumsziele erfolgreich ist A Spirit global:<br />
Welche Ziele die spirituell orientierte Berater- <strong>und</strong><br />
Unternehmer-Szene auf gesellschaftlicher Ebene<br />
anstrebt<br />
C Sie tragen Titel wie „Der neue Geist in<br />
der Wirtschaft“, „Mehr Spirit im Business“<br />
oder „Leben <strong>und</strong> Beruf – eine spirituelle<br />
Herausforderung“. Sie laden zur meditativen<br />
Wanderung oder ins Kloster ein. Sie<br />
verheißen Ruhe <strong>und</strong> Kraft durch Zen, Kyudo<br />
<strong>und</strong> Qi Gong. Sie versprechen die Erkenntnis<br />
des Lebenssinns. Und obendrein wirtschaftlichen<br />
Erfolg.<br />
Was sich derzeit auf den Schreibtischen der<br />
Personaler an Prospekten, Info-Flyern <strong>und</strong><br />
Einladungen zum Thema „Spiritualität im<br />
Management“ stapelt, hätte vor gut zehn<br />
Jahren noch zu irritiertem Stirnrunzeln<br />
oder gar einem empörten Anruf bei der Sektenkommission<br />
animiert. Führungskräfte,<br />
die ins Kloster gingen, waren gut beraten,<br />
dies nicht an die große Glocke zu hängen.<br />
Denn mit dem Begriff „Spiritualität“ konnte<br />
man im Business ehemals wenig an-<br />
fangen. Tarot-Karten statt Total-Quality-<br />
Management; von Räucherstäbchendunst<br />
durchwaberte Führungsetagen – oder was<br />
sollte das sonst wohl sein?<br />
Heute stellt sich die Lage anders dar. Für<br />
viele Trainer, Berater <strong>und</strong> auch Führungskräfte<br />
sind spirituelles Denken <strong>und</strong> Geschäft<br />
kein Antagonismus mehr. Eine Führungskraft<br />
in Klosterklausur braucht den Spott<br />
ihrer Kollegen nicht mehr zu fürchten.<br />
Meditation <strong>und</strong> schamanistische Zeremonien<br />
gehören keineswegs nur zum Repertoire<br />
der Exoten-Fraktion unter den Weiterbildnern.<br />
Selbst über jeden Esoterikverdacht<br />
erhabene Institutionen haben das Thema<br />
Spiritualität in ihren Seminarkatalog aufgenommen.<br />
Die Akademie für Führungskräfte<br />
der Wirtschaft z.B. hat im Jahr 2007 Seminare<br />
im Programm, die zwar immer noch<br />
ein wenig verschämt unter Titeln wie „Wege<br />
in die Zukunft“ oder „Innere Führung“ laufen,<br />
doch laut Katalog-Info dezidiert „für<br />
Menschen, mit der Sehnsucht nach Sinn<br />
<strong>und</strong> der Bereitschaft für Neues“ gedacht<br />
sind <strong>und</strong> auf das spirituelle Wissen der Indianerkulturen<br />
Nordamerikas zurückgreifen<br />
...<br />
Weiterbildungsanbieter wie die Akademie<br />
treffen mit dem Thema offenbar einen<br />
Nerv der Zeit. Nach einer Studie der Düsseldorfer<br />
Identity Fo<strong>und</strong>ation <strong>und</strong> der Universität<br />
Hohenheim befindet sich derzeit<br />
immerhin jeder siebte Deutsche auf Sinnsuche<br />
– <strong>und</strong> bedient sich dabei aus dem<br />
F<strong>und</strong>us von Anthroposophie, Humanismus,<br />
christlicher <strong>und</strong> nichtchristlicher Religion,<br />
Mystik <strong>und</strong> Esoterik. Unter den Suchenden<br />
sind auch immer mehr Manager, in denen<br />
anscheinend die Ahnung aufkeimt, dass der<br />
schnöde Mammon allein nicht selig machend<br />
ist. Einer Umfrage zufolge, die das Düsseldorfer<br />
Markt- <strong>und</strong> Meinungsforschungsinstitut<br />
IRES im Auftrag des Magazins WirtschaftsWoche<br />
unter 400 Managern durchgeführt<br />
hat, sind den Führungskräften in den<br />
vorigen zwei Jahren jedenfalls wieder <strong>Werte</strong><br />
wie Liebe, Familie, Partnerschaft, Freiheit<br />
<strong>und</strong> Ehrlichkeit wichtiger geworden als<br />
zuvor.<br />
Das alte Denken hat sich nicht bewährt,<br />
ein neues muss her<br />
Der Sinnesumschwung zeigt sich auch an<br />
anderer Stelle: Seit zwei bis vier Jahren sind<br />
jede Menge neue spirituell orientierte Verbände<br />
<strong>und</strong> Netzwerke an den Start gegangen<br />
(siehe Kasten auf S. 22), die ein Umdenken<br />
in der Welt des Managements propagieren.<br />
Bereits länger bestehende Institutionen mit<br />
spirituellem Impetus verzeichnen seit jener<br />
Zeit verstärkte Zuströme von Managern.<br />
Und auch auf dem Buchmarkt tauchen<br />
immer mehr Titel auf, die Führungskräften<br />
helfen wollen, den Sinn ihres Lebens zu<br />
erschließen.<br />
Michael Fromm, selbstständiger Trainer<br />
<strong>und</strong> Coach aus Wuppertal hält diese Entwicklung<br />
angesichts der gesellschaftlichen<br />
Schieflage für wenig verw<strong>und</strong>erlich: „Die<br />
alten Paradigmen greifen heute, da uns jegliche<br />
Stabilität abhanden gekommen ist,<br />
nicht mehr. Den Lebensjob gibt es nicht<br />
mehr. Die Geschwindigkeit <strong>und</strong> der Veränderungsdruck<br />
sind heute enorm <strong>und</strong> in den<br />
managerSeminare | Heft 103 | Oktober 2006
20 | management<br />
Unternehmen oft von morgens bis abends<br />
zu spüren“, konstatiert der Berater. Kurzum:<br />
Die Verlässlichkeit, für die die Wirtschaft<br />
einst sorgte, ist Vergangenheit. Was viele<br />
Führungskräfte mehr denn je spüren: „Die<br />
Frage ‚Wie werde ich noch schneller, wie<br />
noch besser?‘ rein analytisch anzugehen,<br />
funktioniert nicht mehr“, beobachtet auch<br />
Sabine Bredemeyer, Inhaberin des Beratungsunternehmens<br />
Bredemeyer & Friends<br />
in Erkrath.<br />
Gesucht sind folglich Alternativen zu den<br />
ausgelutschten „Wie-man-effizienter-wird-<br />
Rezepten“. Coaches <strong>und</strong> Trainer wie Fromm<br />
<strong>und</strong> Bredemeyer versuchen solche Alternativen<br />
zu bieten, indem sie etwas ins Business<br />
einbringen, das in krassem Gegensatz zum<br />
üblichen Denken steht: Spiritualität. Unter<br />
Spiritualität verstehen sie das tief empf<strong>und</strong>ene<br />
Gefühl, dass es irgendeine höhere Kraft,<br />
Energie, Macht oder Quelle gibt, zu der sich<br />
der Mensch relativieren muss <strong>und</strong> aus der<br />
alles auf dieser Welt resultiert – weshalb auch<br />
alles auf dieser Welt miteinander <strong>und</strong> mit<br />
einem selbst verb<strong>und</strong>en ist. Für einige geht<br />
dieses Empfinden mit ihrem religiösen Glauben<br />
einher. Es kann aber auch gänzlich ohne<br />
den Bezug zu einer bestimmten Religion<br />
sein.<br />
Wenig religiös mutet beispielsweise die<br />
spirituelle Überzeugung des Quantenphysikers<br />
Professor Hans-Peter Dürr an, der von<br />
den Trainern <strong>und</strong> Beratern gerne als Kronzeuge<br />
für die Sinnhaftigkeit ihres Denkens<br />
herangezogen wird. Dürr ist überzeugt, dass<br />
unsere rein auf Materie bezogene Weltsicht<br />
überaltert ist. Dagegen stellt er ein neues<br />
Konzept, das die Wirklichkeit als komplexes<br />
immaterielles Gebilde aus Energiefeldern<br />
beschreibt, deren Verbindungselement die<br />
Kommunikation ist. Falsch sei es daher, sich<br />
als getrennt voneinander zu begreifen. Denn<br />
managerSeminare | Heft 103 | Oktober 2006<br />
diese alte Sicht dränge jeden letztlich in ein<br />
zermürbendes Einzelkämpfertum: Jeder – ob<br />
Einzelperson oder Unternehmen – ist ständig<br />
damit beschäftigt, erfolgreich zu sein <strong>und</strong><br />
besser dazustehen als andere. Und dieser<br />
Schuss geht früher oder später nach hinten<br />
los, ist Dürr überzeugt.<br />
Die Führungskraft: Zerrissen zwischen<br />
Zwängen <strong>und</strong> <strong>Werte</strong>n<br />
Auf der Ebene des Individuums fällt der<br />
Startschuss z.B. dann, wenn das persönliche<br />
„Mein-Job-mein-Haus-mein-Auto-Universum“<br />
wie ein Kartenhaus in sich zusammenkracht<br />
oder wenn ein einschneidendes<br />
Ereignis die Bedeutung von Karriere <strong>und</strong><br />
Kommerz in Frage stellt. „Spätestens dann<br />
ist sie da, die Sinnkrise, in der man plötzlich<br />
die Augen aufmacht <strong>und</strong> spürt: Man hat sich<br />
bisher selbst in die Tasche gelogen. Es sind<br />
offenbar Dinge im Leben wichtig, von denen<br />
man bisher glaubte, man käme ohne sie<br />
aus“, erklärt der Psychotherapeut <strong>und</strong> Berater<br />
Dr. Wolf Büntig, Mitbegründer des Penzberger<br />
Instituts ZIST.<br />
„Es macht einen großen Unterschied,<br />
ob ich weiß, dass es besser<br />
ist, mit ethischen <strong>Werte</strong>n zu arbeiten,<br />
oder ob ich aus der tiefen persönlichen<br />
Erfahrung der Interdependenz<br />
heraus ethisch handele.“<br />
Sabine Bredemeyer, Gründerin <strong>und</strong> Inhaberin von<br />
Bredemeyer & Friends in Erkrath bei Düsseldorf.<br />
Kontakt: www.bredemeyerandfriends.de<br />
Einer, der genau das erlebt hat, ist der<br />
Unternehmer Paul J. Kohtes – Gründer <strong>und</strong><br />
Inhaber der Düsseldorfer Kommunikationsagentur<br />
PLEON sowie Co-Vorstand der<br />
Düsseldorfer Identity Fo<strong>und</strong>ation, einer<br />
Stiftung, die sich das Ziel gesetzt hat, Menschen<br />
zu einem selbstbestimmten Leben zu<br />
verhelfen. Kohtes war in seinem früheren<br />
Leben eine Führungskraft, wie die zahlreichen<br />
Manager, die Fredm<strong>und</strong> Malik noch<br />
vor kurzem in einem ZEIT-Artikel mit den<br />
Worten beschrieben hat: „Sie denken in Zahlen<br />
<strong>und</strong> glauben nur an das Geld.“ Dann aber<br />
riss eine schwere Erkrankung den Unternehmer<br />
aus der Bahn <strong>und</strong> zwang ihn, sich mit<br />
seinem Leben auseinander zu setzen. Die<br />
bittere Erkenntnis: „Ich spürte plötzlich, dass<br />
ich zerrissen war. Im Beruf war ich ein völlig<br />
anderer Mensch als in der Familie oder<br />
bei Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> eigentlich hatte ich nur<br />
das Bedürfnis, vor meinen Problemen davonzulaufen“,<br />
sagt Kohtes.<br />
Ein Fall, wie er Professor Dr. Hans<br />
Wielens, dem Gründer <strong>und</strong> Leiter der StiftungAuthentischFühren-Zen-Akademie<br />
für<br />
Führungskräfte in Münster, nur allzu gut
ekannt ist. „Viele Führungskräfte leiden<br />
heute an einem Zwiespalt: Sie wollen sich<br />
eigentlich integer <strong>und</strong> authentisch verhalten,<br />
wollen Fairness <strong>und</strong> Kooperation, Respekt<br />
im Umgang mit anderen <strong>und</strong> verlässliche<br />
<strong>Werte</strong>. Aber dann sehen sie sich im beruflichen<br />
Umfeld mit lauter Sachzwängen, Egoismen<br />
<strong>und</strong> Rücksichtslosigkeiten konfrontiert“,<br />
so Wielens. Die Reaktion: Die Betroffenen<br />
schlucken die eigene Sehnsucht herunter,<br />
um sich nicht angreifbar zu machen,<br />
<strong>und</strong> flüchten mitunter gar in beißenden<br />
Zynismus. „Viele Manager, die zu uns in die<br />
Akademie kommen, haben jahrelang nur<br />
funktioniert, bestehen nur aus Disziplin <strong>und</strong><br />
spüren irgendwann: Sie sind vielleicht erfolgreich,<br />
aber kein bisschen glücklich. Und<br />
sie merken zudem, dass sie weniger effektiv<br />
sind als sie sein könnten“, so Wielens. Auch<br />
Siglinda Oppelt, Beraterin <strong>und</strong> Inhaberin<br />
von Oppelt Consulting in Wetzlar, beobachtet<br />
an Führungskräften solch selbst auferlegtes<br />
Rotieren im Hamsterrad. „Dabei sind<br />
sie wie alle Menschen vom Wunsch nach<br />
Frieden, Liebe, materiellem Wohlstand,<br />
Zufriedenheit <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit getrieben“,<br />
ist Oppelt sicher.<br />
Spirituelles Coaching bedeutet: Loslösung<br />
von oktroyierten Lebensmaximen<br />
Ihren Auftrag sehen spirituell ausgerichtete<br />
Berater <strong>und</strong> Trainer darin, ihre Klienten<br />
wieder in Kontakt zu deren urmenschlichen<br />
Wünschen zu bringen, sie von den Paradigmen,<br />
den „Schimären“, auf die sie getrimmt<br />
sind, zu emanzipieren: Erfolg, Karriere,<br />
Gewinnmaximierung. Es geht darum, sich<br />
von oktroyierten Rollen zu lösen, meint der<br />
Kölner Coach Gregor Wilbers. Gleich Kohtes<br />
blickt Wilbers auf persönliche Erfahrungen<br />
der Zerrissenheit zurück. „Als Angestell-<br />
ter eines internationalen Unternehmens war<br />
ich einmal dazu gezwungen worden, Controlling-Berichte<br />
zu fälschen“, erzählt der<br />
Coach. Nicht zuletzt durch dieses Schlüsselerlebnis<br />
geschockt, wagte er eine berufliche<br />
Kehrtwende <strong>und</strong> machte sich mit dem Institut<br />
„Sinnfindung im Beruf“ selbstständig.<br />
Mit seinen Klienten vereinbart Wilbers<br />
keine Entwicklungsziele. Das unterscheide<br />
seine Arbeit von der anderer Coaches,<br />
erklärt der Berater. „Ich vermittele meinen<br />
Coachees vielmehr, dass sie gar nicht ständig<br />
effektiv sein müssen. Und auch nicht besser<br />
als die anderen, sondern, dass es darum geht,<br />
seinen eigenen Weg zu finden, um im Alltagstrubel<br />
aus innerer Kraft <strong>und</strong> nicht äußerer<br />
Anstrengung heraus zu handeln. Denn<br />
es kommen meist Menschen zu mir, die spüren,<br />
dass ihnen alle Anstrengung in den<br />
üblichen Bahnen nicht mehr weiterhilft“,<br />
erklärt der Berater. Wilbers unterstützt seine<br />
Coachees darin, loszulassen. „Ich helfe<br />
ihnen, so zu sein, wie es ihrem Selbst entspricht.<br />
Ich unterstützte sie darin, sich auf<br />
ihr Inneres zu besinnen.“ Um sich von der<br />
management | 21<br />
totalen Identifikation mit Materie <strong>und</strong><br />
Äußerlichkeiten zu lösen, braucht es aus<br />
Sicht von Beratern wie Wilbers die spirituelle<br />
Erfahrung – herbeigeführt etwa durch<br />
Übungen, die Wahrnehmung <strong>und</strong> Achtsamkeit<br />
gegenüber den eigenen Gefühlen <strong>und</strong><br />
denen anderer fördern. Vor allem Meditation<br />
ist laut Zen-Akademie-Leiter Hans Wielens<br />
ein geradezu idealer Weg, um einerseits<br />
„Viele Führungskräfte haben jahrelang<br />
nur funktioniert, bestehen nur<br />
noch aus Disziplin <strong>und</strong> spüren nun<br />
eine Leere in sich.“<br />
Professor Dr. Hans Wielens, Leiter <strong>und</strong> Gründer der<br />
StiftungAuthentischFühren-Zen-Akademie für Führungskräfte.<br />
Kontakt: www.zen-akademie.org<br />
Zugang zum eigenen Selbst zu finden – <strong>und</strong><br />
seinen Kontakt zur Umwelt zu verbessern.<br />
„Man lernt durch die Meditation, seine<br />
Gefühle <strong>und</strong> Wünsche zu erkennen, aber<br />
auch, sich selbst zu relativieren. Man lernt,<br />
zu akzeptieren, dass andere eine andere<br />
Sicht der Wirklichkeit haben <strong>und</strong> übt sich<br />
darin, solche Widersprüche auszuhalten,<br />
wodurch oft auch eine konstruktivere Sicht<br />
auf die Realitäten erreicht wird“, erläutert<br />
Wielens. Zen hat auch Paul Kohtes in der<br />
Sinnkrise geholfen, die eigene Mitte wiederzufinden:<br />
„Ich habe dadurch Abstand zu<br />
Dingen gewonnen. Heute sehe ich aus der<br />
Distanz klarer <strong>und</strong> gelassener“, so der Unternehmer.<br />
Auf Meditation <strong>und</strong> andere Acht-<br />
managerSeminare | Heft 103 | Oktober 2006
22 | management<br />
samkeitsübungen setzt auch das<br />
Lassalle Institut im schweizerischen<br />
Bad Schönbrunn in seinen<br />
spirituellen Fortbildungen<br />
für Führungskräfte. Die Institution<br />
in Trägerschaft der Schweizer<br />
Jesuiten <strong>und</strong> des Katharina-<br />
Werkes wird, so Instituts-Co-<br />
Geschäftsführerin Anna Gamma,<br />
seit einiger Zeit verstärkt von<br />
Managern frequentiert, die von<br />
der existenziellen Frage getrieben<br />
sind: „Warum bin ich auf<br />
dieser Welt? Was ist der Sinn<br />
meines Lebens?“ Die dreijährige<br />
spirituelle Fortbildung für Führungskräfte,<br />
die das Lassalle Institut<br />
anbietet, hilft, eine Antwort<br />
auf diese Frage zu finden. Sie<br />
bleibt dabei allerdings nicht stehen.<br />
Vielmehr lernen die Teilnehmer<br />
im Rahmen des Kurses<br />
auch, aufbauend auf der Erkenntnis<br />
des eigenen Lebenssinns,<br />
einen ethisch bewussten<br />
Führungsstil zu entwickeln, der<br />
sich positiv auf die Kultur in<br />
ihrem Unternehmen auswirken<br />
soll. Denn – so schreibt auch der<br />
US-amerikanische Erfolgsautor<br />
<strong>und</strong> Berater Lance Secretan –<br />
nur ein Leader, der den übers<br />
Materielle hinausgehenden Sinn<br />
seines Seins erkannt hat, ist<br />
inspiriert <strong>und</strong> kann damit auch<br />
andere inspirieren.<br />
Neben Zufriedenheit im Fokus:<br />
Führungsleistung<br />
Den spirituell orientierten Trainern<br />
<strong>und</strong> Beratern geht es folglich<br />
nicht nur darum, frustrierte<br />
Führungskräfte wieder glücklicher<br />
mit sich selbst zu machen.<br />
Es geht vielmehr darum, deren<br />
Führungsleistung zu Gunsten<br />
der gesamten Organisation zu<br />
verbessern. Das Stichwort dazu<br />
lautet: Integrales Management<br />
– eine Idee, die ursprünglich auf<br />
den US-Philosophen Ken Wilber<br />
zurückgeht. Kurz gesagt,<br />
handelt es sich um ein Plädoyer<br />
dafür, den Menschen ganzheitlich,<br />
als Wesen mit Körper, Geist<br />
<strong>und</strong> Seele wahrzunehmen, <strong>und</strong><br />
auch entsprechend mit ihm umzugehen.<br />
„Es geht darum, der<br />
Sehnsucht des Menschen nach<br />
Anerkennung, Wertschätzung,<br />
managerSeminare | Heft 103 | Oktober 2006<br />
Spirituell netzwerken<br />
Spirituell orientiert oder interessiert? Auf der<br />
Suche nach Gleichgesinnten oder Vorbildern?<br />
Mittlerweile gibt es einige Verbünde <strong>und</strong> Verbände<br />
– vor allem auf internationaler Ebene –, die Business-Menschen<br />
<strong>und</strong> Unternehmen mit spiritueller<br />
Orientierung eine Plattform des Austauschs bieten<br />
oder aber den Dialog prominenter Vorreiter in<br />
Sachen Spiritualität fördern. managerSeminare<br />
mit einigen Beispielen.<br />
1. World Spirit Forum<br />
Das World Spirit Forum (WSF) wurde im Jahr<br />
2003 als Verein in Zürich gegründet. Das internationale<br />
Netzwerk richtet jährlich einen Weltkongress<br />
aus. Dort treffen sich spirituell orientierte<br />
Unternehmer, Berater <strong>und</strong> Trainer zum Gedanken-<br />
<strong>und</strong> Erfahrungsaustausch. In offenen Arbeitskreisen<br />
werden während der Konferenz Projekte <strong>und</strong><br />
Initiativen geplant, zu deren Durchführung sich die<br />
Teilnehmer bindend verpflichten.<br />
A Infos: www.worldspiritforum.org<br />
2. Spiritual Venture Network<br />
Das deutsche Netzwerk, das ursprünglich von der<br />
Akademie Heiligenfeld gegründet wurde, ist ein<br />
eingetragener gemeinnütziger Verein unter dem<br />
Vorstand von Dr. Friedrich Assländer (Managementtrainer<br />
<strong>und</strong> Coach), Professor Gottfried Faulstich<br />
(Architekt <strong>und</strong> Hochschullehrer), Michael<br />
Fromm (Unternehmensberater <strong>und</strong> Coach) sowie<br />
Dr. Joachim Galuska (ärztlicher Direktor der Kliniken<br />
Heiligenfeld in Bad Kissingen). Der Verband<br />
richtet sich an Führungskräfte, Selbstständige<br />
(u.a. Trainer <strong>und</strong> Berater) sowie Unternehmer. Er<br />
unterhält diverse Regionalgruppen, richtet Veranstaltungen<br />
aus, gibt einen Newsletter heraus <strong>und</strong><br />
hat sich mit all diesen Aktivitäten u.a. dem Ziel<br />
verschrieben, die spirituelle Entwicklung von Personen<br />
<strong>und</strong> Organisationen zu fördern, das Thema<br />
integrale, spirituelle Führung voranzubringen<br />
sowie die <strong>Werte</strong>orientierung in der Wirtschaft zu<br />
festigen.<br />
A Infos: www.spiritual-venture.net<br />
3. Association for Spirit at Work<br />
Die Association for Spirit at Work (ASAW) ist ein<br />
offenes Netzwerk für jedes spirituell interessierte<br />
Individuum bzw. jede spirituell orientierte Organisation.<br />
Es wurde 1993 von Judith A. Neal gegründet.<br />
Kernaktivitäten sind die Herausgabe eines<br />
Newsletters zum Thema Spiritualität sowie eine<br />
Online-Diskussionsgemeinschaft. 2003 wurde in<br />
New Haven außerdem ein Center for Spirit at Work<br />
gegründet, das Forschungsarbeiten im Bereich organisationaler<br />
Spiritualität unterstützt. Das Netzwerk vergibt zudem jährlich<br />
den so genannten Spirit at Work Award, mit dem Unternehmen<br />
geehrt werden, denen es gelingt, ihr tägliches Business im Sinne<br />
spiritueller Maximen auf die Beine zu stellen.<br />
A Infos: www.spiritatwork.org<br />
4. Spirit in Business<br />
Spirit in Business ist ein für jedermann offenes Netzwerk mit<br />
spirituellem Impetus, das 2002 von Andrew Ferguson, Marcello<br />
Palazzi <strong>und</strong> Sander Tideman ins Leben gerufen wurde. Zu seinen<br />
Mitgliedern zählen Berater, Unternehmer <strong>und</strong> Führungskräfte<br />
aus aller Welt, die versuchen, neue Wege des Wirtschaftens zu<br />
beschreiten. Das Netzwerk wartet mit einer Vielzahl von Konferenz-,<br />
Workshop-, Retreat- <strong>und</strong> Seminarangeboten auf. Unter<br />
seiner Ägide werden derzeit ca. 70 Projekte auf allen Kontinenten<br />
durchgeführt. Es betätigt sich als Sponsor des Spirit at Work<br />
Awards. Deutsche Repräsentantin des Verb<strong>und</strong>es ist die Beraterin<br />
Sabine Bredemeyer aus Erkrath.<br />
A Infos: www.spiritinbusiness.org<br />
5. Spirit on the Job<br />
Spirit on the Job ist eine neue englischsprachige Internet-Community<br />
für spirituell interessierte Berufstätige – unter anderen<br />
Manager <strong>und</strong> Unternehmer. Die Seite wartet sowohl mit Weblogs<br />
<strong>und</strong> Diskussionsforen als auch mit Veranstaltungshinweisen<br />
auf.<br />
A Zu finden unter: www.spiritOnTheJob.com<br />
6. World Commission on Global Consciousness and<br />
Spirituality<br />
Die World Commission on Global Consciousness and Spirituality<br />
(WCGCS) vereint prominente Führungspersönlichkeiten <strong>und</strong> spirituelle<br />
Vordenker wie den Dalai Lama, die Primatologin Jana<br />
Goodall <strong>und</strong> Erzbischof Desmond Tutu. Ziel ist ein ständiger Dialog,<br />
um Weisheiten <strong>und</strong> Visionen für die Zukunft auszutauschen<br />
<strong>und</strong> zu entwickeln.<br />
A Infos: http://globalspirit.org<br />
7. Club of Budapest<br />
Der Club of Budapest wurde 1993 von Professor Dr. Ervin Laszlo<br />
gegründet. Er ist ein internationales informelles Bündnis, das<br />
sich – so die Selbst-Beschreibung – für die Etablierung eines<br />
global verantwortlichen Bewusstseins einsetzt <strong>und</strong> als Katalysator<br />
für den Übergang in eine Welt der Nachhaltigkeit wirken will.<br />
Es ist interdisziplinär ausgerichtet <strong>und</strong> will Wissenschaft, Kunst,<br />
<strong>Ethik</strong> <strong>und</strong> Wirtschaft vereinen, ebenso die verschiedenen Kulturen<br />
der Welt. Mitglieder sind Wissenschaftler, Künstler <strong>und</strong><br />
Unternehmer. Unter den Ehrenmitgliedern finden sich so prominente<br />
Namen wie der Dalai Lama, Friedensnobelpreisträger <strong>und</strong><br />
Ex-Präsident Michael Gorbatschow sowie der Theologe Hans<br />
Küng.<br />
A Infos: www.clubofbudapest.org
24 | management<br />
Integrität <strong>und</strong> Authentizität<br />
auch im Arbeitsleben wieder<br />
Raum zu geben <strong>und</strong> die volle<br />
Bandbreite menschlicher Potenziale<br />
im Business zu nutzen“,<br />
erläutert Beraterin Oppelt, die<br />
Managern in ihrer Beratung<br />
empfiehlt, sich zu fragen: Wie<br />
können wir ökonomisch <strong>und</strong><br />
für den Menschen <strong>und</strong> für das<br />
Leben erfolgreich sein?<br />
Erfolgsstreben ist aus Sicht<br />
der integralen Führungslehre<br />
demnach durchaus legitim. Allerdings<br />
ergibt sich nachhaltiger<br />
Erfolg – so das Postulat – eben<br />
nicht dadurch, dass sich Unternehmen<br />
darauf konzentrieren,<br />
die Gewinnschraube immer weiter<br />
anzuziehen <strong>und</strong> ihre Konkurrenten<br />
vom Markt zu fegen. „Irrsinnig“,<br />
urteilt Michael Fromm.<br />
„Der Leiter des Bostoner Symphonieorchesters<br />
würde ja auch<br />
nie sagen: ‚Unser Ziel ist es, die<br />
Berliner Symphoniker vom Markt<br />
zu verdrängen’“, so der Coach.<br />
Finanzieller Erfolg stellt sich aus<br />
Sicht der alternativ denkenden<br />
Berater <strong>und</strong> Trainer eher als<br />
Nebenprodukt ein. Etwa dann,<br />
wenn sich die Führungskräfte<br />
eines Unternehmens von der<br />
spirituellen Erfahrung inspirieren<br />
lassen, dass sie mit allem auf<br />
Erden verb<strong>und</strong>en sind – <strong>und</strong><br />
durch ihre Handlungsweisen<br />
über die Grenzen ihres Unternehmens<br />
hinaus Verantwortung<br />
tragen. „Für denjenigen, der sich<br />
dieser Verb<strong>und</strong>enheit bewusst<br />
ist, ist es selbstverständlich, andere<br />
mit Mitgefühl, Respekt <strong>und</strong><br />
Liebe zu behandeln“, so Bredemeyer,<br />
die in ihrer Beratungs-<br />
<strong>und</strong> Moderationspraxis gemerkt<br />
hat, dass alle Konzepte <strong>und</strong><br />
Ansätze – beispielsweise Großgruppenmethoden<br />
wie Open<br />
Space – ohne solch echten ehrlichen<br />
Gefühle der verantwortlichen<br />
Führungskräfte ins Leere<br />
laufen. Auch viele <strong>Ethik</strong>-Codices<br />
verstaubten in Schubladen statt<br />
in das Bewusstsein von Führungskräften<br />
<strong>und</strong> Mitarbeitern<br />
einzusickern, weil es am richtigen<br />
Spirit dahinter fehle. Bredemeyer:<br />
„Es macht einen großen<br />
Unterschied, ob ich weiß,<br />
dass es besser ist, mit ethischen<br />
managerSeminare | Heft 103 | Oktober 2006<br />
<strong>Werte</strong>n zu arbeiten oder ob ich<br />
aus der tiefen persönlichen<br />
Erfahrung der Interdependenz<br />
heraus ethisch handele.“<br />
Weleda: Wertschöpfungsprinzip<br />
Lebensqualität<br />
Für viele börsennotierte Konzerne<br />
mögen solche Aussagen<br />
nach wie vor fremde Welten<br />
sein. Doch gibt es schon jetzt<br />
nicht wenige kleinere <strong>und</strong> mittelgroße<br />
Firmen, deren Art zu<br />
wirtschaften, sich gar nicht so<br />
sehr von dem unterscheidet, was<br />
das integrale Management ausmacht.<br />
Ein Beispiel für solch ein<br />
Unternehmen ist die Weleda AG<br />
aus Schwäbisch Gmünd – ein<br />
traditionell anthroposophischen<br />
<strong>Werte</strong>n folgender Naturkosmetik-Betrieb.<br />
Bei Weleda heißt<br />
der Leitwert nicht Wachstum<br />
oder Profitmaximierung, sondern<br />
schlicht Lebensqualität.<br />
Lebensqualität auf breiter<br />
Front: Mit Produkten, die, weil<br />
sie ökologisch <strong>und</strong> sozial vertretbar<br />
sind, die Lebensqualität von<br />
Verbrauchern <strong>und</strong> allen, die in<br />
Herstellung <strong>und</strong> Vertrieb eingeb<strong>und</strong>en<br />
sind, erhöhen. Und<br />
mit Führungsprinzipien, die im<br />
Sinne des integralen Managements<br />
den Mitarbeiter ganzheitlich<br />
als Menschen mit dem<br />
Bedürfnis nach Wertschätzung,<br />
Vertrauen <strong>und</strong> auch Weiterentwicklung<br />
in den Fokus stellen.<br />
In der Praxis äußert sich das<br />
nicht nur in gut 150 verschiedenen<br />
Arbeitszeitmodellen für 700<br />
Mitarbeiter <strong>und</strong> in einer gut<br />
gepflegten Dialog- <strong>und</strong> Vertrauenskultur,<br />
sondern auch darin,<br />
dass überdurchschnittlich viel in<br />
die Entwicklung der Mitarbeiter<br />
investiert wird. Nämlich ein Prozent<br />
des Umsatzes (1,2 Millionen<br />
Euro), berichtete Weleda-<br />
Geschäftsführungsmitglied<br />
Rudolf Frisch in seinem Vortrag<br />
beim von der Akademie Heiligenfeld<br />
Ende Mai 2006 in Bad<br />
Kissingen organisierten Kongress<br />
„Der neue Geist in der<br />
Wirtschaft“.<br />
Ein Prozent – das ist viel, bedenkt<br />
man, dass europäische<br />
Firmen nach einer aktuellen Stu-<br />
die von Forrester Research lediglich<br />
0,05 Prozent ihres Umsatzes<br />
in die Personalentwicklung stecken.<br />
Sicherlich hat es Weleda<br />
mit seinen Prinzipien leichter als<br />
manches andere Unternehmen.<br />
Schließlich fühlen sich, so Frisch,<br />
auch die Weleda-Aktionäre der<br />
Firmenphilosophie verpflichtet.<br />
Und der K<strong>und</strong>enkreis gehört<br />
ebenfalls nicht zur Geiz-ist-geil-<br />
Kohorte. Man kann sich leicht<br />
vorstellen, dass Führungskräfte<br />
mit ähnlichen Vorstellungen in<br />
anderen Firmen, mit anderen<br />
Aktionären, anderen K<strong>und</strong>en<br />
<strong>und</strong> Top-Managern auf Granit<br />
beißen.<br />
Doch entmutigen lässt sich<br />
die Szene von Härtefällen nicht.<br />
Im Gegenteil: Zumindest ein Teil<br />
der sich zu ihrer Spiritualität<br />
Service<br />
bekennenden Berater, Trainer<br />
<strong>und</strong> Führungskräfte geht sogar<br />
davon aus, dass die spirituelle<br />
Bewusstheit vieler Einzelner –<br />
bzw. immer mehr werdender<br />
Einzelner – Veränderungen des<br />
Gesamtwirtschaftssystems herbeiführen<br />
könnte. Nicht umsonst<br />
treiben daher auch beinharte<br />
Polit- <strong>und</strong> Ökonomie-Themen<br />
auf globaler Ebene Teile der<br />
Szene um (siehe auch Beitrag auf<br />
S. 26). Die Hoffnung, die das<br />
Ganze trägt – so der Querdenker<br />
Frithjof Bergmann, Inhaber des<br />
Lehrstuhls für Philosophie <strong>und</strong><br />
Anthropologie an der University<br />
of Michigan: „Dass wir eine<br />
Kultur bekommen, die menschlicher<br />
<strong>und</strong> sinnlicher ist als die,<br />
unter der wir im Augenblick leiden.“<br />
Sylvia Jumpertz C<br />
Literaturtipps<br />
A Fred Kofman: Meta-Management. Kamphausen, Bielefeld 2005, ISBN<br />
3-89901-056-6, 29,50 Euro.<br />
Fred Kofman zeigt in seinem Buch die Gr<strong>und</strong>züge eines integralen Führungsstils<br />
auf, der den Menschen mit Geist, Seele <strong>und</strong> Körper erfasst.<br />
A Paul J. Kohtes: Dein Job ist es, frei zu sein. Kamphausen, Bielefeld<br />
2005, ISBN 3-89901-043-4, 17,50 Euro.<br />
Kohtes lässt den Leser teilhaben an seinen spirituellen Erkenntnissen, zu<br />
denen er auf dem Weg über die Zen-Meditation gelangt ist: Es ist möglich, die<br />
persönliche <strong>Werte</strong>orientierung mit dem Business zu vereinbaren – wenn man<br />
sich nur von oktroyierten Paradigmen löst <strong>und</strong> zu einem eigenständigen,<br />
kreativen Denken findet.<br />
A Siglinda Oppelt: Management für die Zukunft. Kösel, München 2004,<br />
ISBN 3-466-30669-8, 29,95 Euro.<br />
Oppelt arbeitet in ihrem Buch mit Beispielen <strong>und</strong> Gegenbeispielen, die den<br />
Statusquo veranschaulichen, auf eine neue Business-Welt hin, die nicht nur<br />
der rationalen Intelligenz huldigt. Sie fächert einen Führungsstil auf, der ebenso<br />
die übrigen Dimensionen menschlichen Fühlens <strong>und</strong> Denkens berücksichtigt<br />
<strong>und</strong> so zu einer Form des Wirtschaftens führen soll, die nicht nur humaner,<br />
sondern langfristig auch erfolgreicher ist.<br />
A Lance Secretan: Inspirieren statt motivieren. Kamphausen, Bielefeld<br />
2006, ISBN 3-89901-072-8, 25 Euro.<br />
Das Buch soll Führungskräfte dazu anregen, mit sich selbst ins Reine zu kommen,<br />
den Sinn des eigenen Arbeitens zu erschließen <strong>und</strong> auf dieser Basis zu<br />
einem für die Mitarbeiter inspirierenden Führungsstil zu gelangen.<br />
A Gregor Wilbers: Sinnfindung im Beruf. Kamphausen, Bielefeld 2005,<br />
ISBN 3-89901-039-6, 18,50 Euro.<br />
Das Buch weist Wege aus der beruflichen Sinn-Krise <strong>und</strong> will zu einer entspannten<br />
Haltung anregen, in der betriebswirtschaftliches Denken mit ethischem<br />
<strong>und</strong> spirituellem Bewusstsein kongruent geht.
26 | management<br />
Ideen für eine<br />
bessere Welt<br />
SPIRITUALITÄT GLOBAL<br />
Nach uns die Sintflut? Für Trainer, Berater, Unternehmer <strong>und</strong><br />
Führungskräfte, die sich zu ihrer Spiritualität bekennen: ein Unding.<br />
Wer spirituell ist – so zumindest propagieren sie – fühlt sich sozial<br />
<strong>und</strong> ökologisch in der Verantwortung. Deshalb ist ein Teil der Szene<br />
auch in Projekten engagiert, die das Leben auf unserem Planeten<br />
verbessern sollen. managerSeminare mit prominenten Beispielen.<br />
managerSeminare | Heft 103 | Oktober 2006<br />
Foto: pixelquelle.de
C „Im spirituellen Bewusstsein ist dem<br />
Menschen klar: Die Welt ist ein zusammenhängendes<br />
System. Und daher ist es klüger,<br />
mit den Menschen <strong>und</strong> der Natur vernünftig<br />
umzugehen, nachhaltig zu wirtschaften.“<br />
So lautet es, das – hier von Hans Wielens,<br />
dem Gründer der StiftungAuthentischFühren-Zen-Akademie<br />
für Führungskräfte in<br />
Worte gefasste – Credo spirituell orientierter<br />
Trainer, Berater <strong>und</strong> Manager. Mehr Spiritualität<br />
im Business – das verspricht demnach<br />
nicht nur einzelnen Individuen oder<br />
Unternehmen Nutzen. Es soll letztlich zu<br />
einer nicht nur effektiveren, sondern auch<br />
gerechteren (Welt-)Wirtschaft führen. Purer<br />
Idealismus? Unrealistisches Weltverbesserergeschwätz?<br />
Auf dem Kongress „Der neue<br />
Geist in der Wirtschaft“, den die Akademie<br />
Heiligenfeld Ende Mai 2006 in Bad Kissingen<br />
veranstaltete <strong>und</strong> zu dem 400 spirituell<br />
Orientierte – vorwiegend Berater <strong>und</strong> Trainer,<br />
doch auch Unternehmer <strong>und</strong> Führungskräfte<br />
– erschienen waren, traten Wissenschaftler<br />
ans Rednerpult, für die die<br />
spirituelle Erkenntnis der Verb<strong>und</strong>enheit<br />
allen Lebens Ausgangspunkt ihrer Arbeit an<br />
ambitionierten Zukunftsprojekten ist.<br />
Beispiel Nummer 1: Der Global-Marshall-<br />
Plan<br />
Der Mathematiker <strong>und</strong> Wirtschaftswissenschaftler<br />
Franz Joseph Radermacher beispielsweise<br />
verwies in seinem Vortrag auf<br />
ein essenzielles Dilemma, das – so zumindest<br />
sein Verdacht – von den Mächtigen<br />
dieser Welt totgeschwiegen wird: dass sich<br />
nämlich mit den bisherigen Strukturen weltweite<br />
soziale Gerechtigkeit (Konsumkraft<br />
für alle) <strong>und</strong> der ökologische Fortbestand<br />
unseres Planeten ausschließen. „Es gibt<br />
keine Konsensgespräche mit der Natur“, so<br />
der Wissenschaftler, demzufolge in Zukunft<br />
zweierlei Gefahren drohen: entweder der<br />
ökologische Kollaps oder eine Ökodiktatur<br />
der reichen Länder, unter der die armen zu<br />
leiden haben. Denn, so Radermachers These:<br />
„Diejenigen am Hebel der Macht wollen den<br />
Globus genauso desaströs wie er ist.“<br />
„Klingt verschwörungstheoretisch“, urteilten<br />
manche der Kongressbesucher. Doch<br />
die von Radermacher vorgestellte Alternativlösung<br />
fand gleichwohl viel Zustimmung:<br />
ein „Global-Marshall-Plan“, der das ehrgeizige<br />
Ziel hat, weltweit für eine gerechtere<br />
Verteilung der Ressourcen <strong>und</strong> des Reich-<br />
tums zu sorgen (Infos dazu unter www.globalmarshallplan.org).<br />
Die Idee entwickelte<br />
Al Gore in seinem 1990 erschienenen Buch<br />
„Wege zum Gleichgewicht – Ein Marshall<br />
Plan für die Erde“. Eingespannt sind in das<br />
Projekt so prominente Personen wie Jane<br />
Godall, Hans Dietrich Genscher <strong>und</strong> Rita<br />
Süssmuth. Die Kernziele lauten unter anderem:<br />
Durchsetzung der weltweit vereinbarten<br />
Milleniumsziele der Vereinten Nationen<br />
bis zum Jahr 2015 (also u.a. Beseitigung von<br />
extremer Armut <strong>und</strong> Hunger, Gr<strong>und</strong>schulbildung<br />
für alle Kinder, ökologische Nachhaltigkeit<br />
gewährleisten ...), Aufbringung der<br />
zur Erreichung der Milleniumsziele erforderlichen<br />
100 Milliarden Dollar zur Förderung<br />
weltweiter Entwicklung sowie zur<br />
schrittweisen Realisierung einer globalen<br />
ökosozialen Marktwirtschaft, mit weltweit<br />
verbindlichen sozialen, ökologischen <strong>und</strong><br />
kulturellen Standards. Die Gelder für all das<br />
sollen beispielsweise durch eine Terra-Abgabe<br />
auf den Welthandel, eine Abgabe auf<br />
Weltfinanztransaktionen oder den Verzicht<br />
auf wettbewerbsverzerrende Agrarexportsubventionen<br />
aufgebracht werden.<br />
Da der Global-Marshall-Plan allerdings<br />
nur ein einziges Wirtschaftsmodell zulässt,<br />
auf Liberalisierung als Entwicklungsstrategie<br />
setzt <strong>und</strong> gr<strong>und</strong>sätzlich an Marktöffnung,<br />
Wettbewerb <strong>und</strong> Wirtschaftswachstum als<br />
primären wirtschaftspolitischen Strategien<br />
festhält, steht er bei Verbünden, wie beispielsweise<br />
der Anti-Globalisierungsbewegung<br />
ATTAC, auch in der Kritik.<br />
Beispiel Nummer 2: Das<br />
Finanzreformprojekt Terra<br />
Für einen weiteren alternativ denkenden<br />
Zukunftsvisionär, Professor Dr. Bernhard<br />
Lietaer, wiederum ist das globale Finanzsystem<br />
der Knackpunkt, wenn es darum geht,<br />
nachhaltigen Wohlstand für alle Menschen<br />
zu gewährleisten. Dem belgischen Geld-<br />
<strong>und</strong> Finanzexperten zufolge, der seinerzeit<br />
verantwortlich für die Einführung des ECU<br />
zeichnete <strong>und</strong> verantwortlicher Leiter für<br />
den Bericht des Club of Rome zur Nachhaltigkeit<br />
ist, besteht die Crux darin, dass Geld<br />
zum Spekulationsobjekt geworden ist: Nur<br />
noch ein verschwindend geringer Teil der<br />
Summen, die täglich auf dem Globus bewegt<br />
werden, dienen tatsächlich der Bezahlung<br />
von Gütern <strong>und</strong> Dienstleistungen <strong>und</strong> kommen<br />
damit allen Beteiligten zugute. Der<br />
management | 27<br />
Großteil dagegen dient nur der Akkumulation<br />
<strong>und</strong> Umverteilung von Vermögen.<br />
Lietaers Lösung: einerseits die Schaffung<br />
einer globalen inflationssicheren Referenzwährung,<br />
die der Theorie nach unter dem<br />
Namen „Terra“ bereits existiert. Andererseits<br />
die Einführung von Komplementärwährungen,<br />
durch die etwa Arbeitslose, die beispielsweise<br />
in der Nachbarschaft handwerkliche<br />
Dienste übernehmen, die Möglichkeit erhalten,<br />
sich wieder ins wirtschaftliche Leben<br />
einzuklinken (Infos unter www.terratrc.<br />
org).<br />
Beispiel Nummer 3: Die Neue Arbeit<br />
Ähnlich ehrgeizig ist das von Frithjof Bergmann<br />
initiierte Projekt „Neue Arbeit“. Bergmann<br />
hat beobachtet: „Viele Menschen<br />
erleben Arbeit, wie sie sie jetzt tun, als milde<br />
Krankheit. Nicht gerade wie Krebs, aber<br />
doch wie eine lästige Erkältung: Sie leben<br />
nur noch fürs Wochenende oder – schlimmer<br />
noch – auf den nächsten Urlaub oder<br />
gar den Ruhestand hin.“ Bergmanns Ziel<br />
besteht daher darin, eine neue post-industrielle<br />
Arbeitswelt zu erschaffen, in der die<br />
Menschen die Möglichkeit erhalten, das zu<br />
tun, was sie „wirklich, wirklich wollen“. Die<br />
Idee: Statt für große Konzerne zu arbeiten,<br />
stellen die Menschen in dezentralen Gemeinschaftswerkstätten<br />
ihre Gebrauchsgüter<br />
– etwa Kleidung, Möbel, Waschmaschinen,<br />
Uhren – her. Dank intelligenter <strong>und</strong><br />
effizienter Technologien werden, so das Kalkül,<br />
die Produkte preiswert sein <strong>und</strong> die<br />
Arbeitszeit, die für deren Herstellung benötigt<br />
wird, wird sich in Grenzen halten. Den<br />
Menschen bleibt so wieder mehr Zeit, um<br />
sich den Dingen zu widmen, die sie – so<br />
drückt es Bergmann aus – „wirklich, wirklich<br />
wollen“. Sprich: Sie können ihre persönliche<br />
Entwicklung vorantreiben – etwas, das<br />
bisher den privilegierten Eliten vorbehalten<br />
war. Bergmann – ganz Visionär – glaubt fest<br />
daran, dass so die Macht der Riesenkonzerne,<br />
die er hauptsächlich für die Schieflage<br />
unseres Gesellschaftssystems verantwortlich<br />
macht, gebrochen werden kann. Zumal<br />
die Giganten unter den Unternehmen sehr<br />
viel weniger beweglich sind als kleinere<br />
Betriebe, bei denen schon heute zu erkennen<br />
ist, dass sie schneller auf Veränderungen<br />
reagieren können. (Infos unter www.newwork-newculture.net)<br />
Sylvia Jumpertz C<br />
managerSeminare | Heft 103 | Oktober 2006
78 | development<br />
Wie Manager zur<br />
<strong>Moral</strong> finden<br />
ZWISCHEN ETHIK UND ERFOLGSDRUCK<br />
managerSeminare | Heft 98 | Mai 2006<br />
Foto: getty images
development | 79<br />
Bestechungs-, Bilanz- <strong>und</strong> Lustreisenskandale – das Thema Wirtschaftsethik<br />
ist auf Gr<strong>und</strong> der aktuellen Vorfälle virulenter denn je.<br />
Monat für Monat erscheint daher ein neues Buch über verantwortungsbewusstes<br />
Management <strong>und</strong> auf Konferenzen jagt ein Vortrag über<br />
<strong>Werte</strong> den nächsten. Doch dadurch allein wird in den Unternehmen<br />
noch nicht moralischer gehandelt.<br />
Preview: A Was genau ist <strong>Ethik</strong>? Warum es auf<br />
diese Frage in den Unternehmen still wird A <strong>Ethik</strong> im<br />
Spannungsfeld zwischen strategischer Unternehmensführung<br />
<strong>und</strong> Persönlichkeitsentwicklung A Vom<br />
Seminar bis zum <strong>Werte</strong>managementsystem: Wie<br />
moralisches Bewusstsein <strong>und</strong> verantwortungsvolles<br />
Handeln geschult werden A Warum sich ethisches<br />
Handeln <strong>und</strong> wirtschaftlicher Erfolg nicht widersprechen<br />
müssen A Mut <strong>und</strong> Widersprüche aushalten:<br />
Was ethisches Verhalten erfordert A Begriffswandel:<br />
Warum <strong>Ethik</strong> im Unternehmenskontext von dem<br />
Begriff <strong>Werte</strong>management abgelöst wird<br />
C „Was ist <strong>Ethik</strong>?“, fragt Ulf Posé die Teilnehmer<br />
seiner Seminare zuallererst. Dann<br />
– so erzählt er – drücken die Führungskräfte<br />
ihr Kreuz durch, sitzen ganz aufrecht <strong>und</strong><br />
bekommen einen leicht verklärten Blick. Sie<br />
sagen so etwas wie: „<strong>Ethik</strong> ist wichtig“ oder<br />
„<strong>Ethik</strong> ist ein ganz ernst zu nehmendes<br />
Thema“. „Das ist ja schon mal gut“, sagt Posé<br />
dann: „Aber was genau ist <strong>Ethik</strong>?“ Seiner<br />
Erfahrung nach wird es dann meist still.<br />
Kaum einer kennt die Antwort: <strong>Ethik</strong> ist eine<br />
Wissenschaft, die sich mit der Frage beschäftigt,<br />
welcher Wert nach welchen Kriterien<br />
wie behandelt wird. Oder auch ganz einfach<br />
<strong>und</strong> unwissenschaftlich: <strong>Ethik</strong> ist die Lehre<br />
von Gut <strong>und</strong> Böse, von richtigem <strong>und</strong> falschem<br />
Verhalten. Ulf Posé ist Berater, Trainer<br />
<strong>und</strong> zudem Präsident des <strong>Ethik</strong>verbandes<br />
der Deutschen Wirtschaft. Die Szene,<br />
die er bei seinen Seminaren in Wirtschafts-<br />
unternehmen weit mehr als einmal erlebt<br />
hat, zeigt: Auch in Zeiten, in denen Bestechungs-,<br />
Bilanz- <strong>und</strong> Lustreisenskandale das<br />
Thema <strong>Ethik</strong> haben aktuell wie nie werden<br />
lassen, sind viele Führungskräfte nicht im<br />
Bilde. Sie tun sich nicht nur schwer zu formulieren,<br />
um was es geht. „Sie wissen häufig<br />
auch nicht, was <strong>Ethik</strong> für ihren Berufsalltag<br />
bedeutet“, erklärt Posé. „Es fehlt an ethischer<br />
Kompetenz.“<br />
<strong>Ethik</strong> hat mit strategischer<br />
Unternehmensführung zu tun<br />
Vorträge <strong>und</strong> Bücher allein werden nicht<br />
reichen, um das zu ändern. Zu komplex ist<br />
das Thema, zu weitreichend sind die Folgen<br />
für das tägliche Handeln einer Führungskraft,<br />
wenn sie sich konsequent an <strong>Werte</strong>n<br />
wie Respekt, Integrität <strong>und</strong> Transparenz<br />
orientieren will, argumentieren <strong>Ethik</strong>experten.<br />
„Ethisches Handeln ist eng mit Management-<br />
<strong>und</strong> Entscheidungskompetenz verb<strong>und</strong>en<br />
<strong>und</strong> kann nicht losgelöst davon<br />
betrachtet werden“, erklärt Ulf Posé. „<strong>Ethik</strong><br />
betrifft die strategische Unternehmensführung“,<br />
fügt Josef Wieland, Professor an der<br />
Hochschule für Technik, Wirtschaft <strong>und</strong><br />
Gestaltung in Konstanz <strong>und</strong> Direktor des<br />
Konstanz Instituts für <strong>Werte</strong>management,<br />
hinzu.<br />
Das lässt schnell erkennen: Will ein<br />
Unternehmen in Sachen <strong>Ethik</strong> <strong>und</strong> <strong>Moral</strong><br />
mehr erreichen als Kosmetik, wird auch ein<br />
einzelnes Seminar nicht ausreichen. „Damit<br />
schaffen Sie höchstens ein bisschen Bewusstsein“,<br />
erklärt Posé. So muss nach Ansicht der<br />
Experten in den Unternehmen nicht nur das<br />
Wissen über Wirtschaftsethik vertieft werden.<br />
Es geht vielmehr darum, ethisches Verhalten<br />
klar zu definieren <strong>und</strong> seine konkreten<br />
Auswirkungen auf das tägliche Handeln<br />
zu besprechen.<br />
So ist es laut Wieland etwa unerlässlich,<br />
dass ein Unternehmen seine Mitarbeiter<br />
vorbereitet, bevor diese in einem korruptionssensiblen<br />
Umfeld, z.B. in China oder in<br />
den arabischen Ländern, arbeiten. Allerdings<br />
müsse man gar nicht in andere Kulturen<br />
gehen, um Punkte zu finden, an denen die<br />
Umsetzung von selbstverständlich klingenden<br />
<strong>Werte</strong>n schwierig ist. „Es sagt sich sehr<br />
leicht, wir sind gegen Korruption, wir sind<br />
integre Menschen“, verdeutlicht Wieland.<br />
„Aber: Was bedeutet es, wenn ich von einem<br />
K<strong>und</strong>en eine Einladung zur Fußball-Weltmeisterschaft<br />
bekomme? Gilt der Wert Integrität<br />
an dieser Stelle? Und wenn ja, wie<br />
genau soll ich mich verhalten?“<br />
<strong>Ethik</strong> braucht Klarheit der eigenen <strong>Werte</strong><br />
Viele Berater <strong>und</strong> Unternehmensvertreter<br />
heben deshalb auch die Bedeutung der Persönlichkeitsentwicklung<br />
hervor. „Die Führungskräfte<br />
müssen als Person reifen, um<br />
managerSeminare | Heft 98 | Mai 2006
80 | development<br />
aus innerer Stärke <strong>und</strong> Balance heraus handeln zu können“,<br />
betont etwa der Berater <strong>und</strong> Trainer Konrad Stadler<br />
vom Anselm Bilgri Zentrum für Unternehmenskultur<br />
in München. Ethisches Verhalten braucht Klarheit<br />
bezüglich der persönlichen <strong>Werte</strong> <strong>und</strong> Ziele. „Es ist<br />
erstaunlich, wie viele Führungskräfte in <strong>Ethik</strong>-Seminaren<br />
erstmalig beginnen, über ihre eigenen <strong>Werte</strong> nachzudenken“,<br />
erklärt Guido Rettig, Vorstandsvorsitzender<br />
der TÜV Nord Gruppe, der in seinem Unternehmen<br />
stark auf das Thema Wirtschaftsethik setzt.<br />
Um ethisches Bewusstsein im Unternehmenskontext<br />
zu etablieren, wird daher in der Regel gleich eine ganze<br />
Leserbefragung:<br />
Vom Wert der <strong>Werte</strong><br />
Die häufigsten Gründe für unethisches Verhalten<br />
in Führungsetagen<br />
Fehlendes ethisches Bewusstsein 74%<br />
Erfolgsdruck 61%<br />
Karrierebestrebungen 54%<br />
Ökonomischer Druck 37%<br />
Leichtfertigkeit <strong>und</strong> Nachlässigkeit 37%<br />
Maßnahmen gegen unethisches Verhalten<br />
Die Einführung von <strong>Ethik</strong>kodizes in Unternehmen 59%<br />
Regelmäßiges <strong>Werte</strong>coaching für Führungskräfte 57%<br />
Richtlinien für das vorbildliche Verhalten von Führungskräften 41%<br />
<strong>Ethik</strong>controlling 35%<br />
Regelmäßige <strong>Ethik</strong>seminare für Manager <strong>und</strong> Mitarbeiter 33%<br />
Angegeben ist die prozentuale Anzahl jener Leser, die die Frage zustimmend beantwortet<br />
haben. Mehrfachnennungen waren möglich. Insgesamt haben sich 46 Leser<br />
an der Umfrage beteiligt.<br />
managerSeminare | Heft 98 | Mai 2006<br />
Reihe von Seminaren, Workshops<br />
<strong>und</strong> Trainings favorisiert,<br />
die – über einen längeren Zeitraum<br />
verteilt – die zahlreichen<br />
verschiedenen Aspekte des Themas<br />
behandeln. Arbeitet z.B.<br />
Posé mit einem Unternehmen<br />
zusammen, gibt es über einen<br />
Zeitraum von drei Jahren etwa<br />
sechs Seminare. Inhaltlich reicht<br />
das Spektrum von der Bedeutung<br />
der Wirtschaftsethik für<br />
eine Führungskraft über wertschätzende<br />
Gesprächsführung<br />
<strong>und</strong> verantwortungsbewusste<br />
Entscheidungsprozesse bis hin<br />
zu spezifischen Problemstellungen<br />
des Unternehmens. Trainiert<br />
wird zudem der Einsatz von<br />
Führungsinstrumenten.<br />
Bei der TÜV Nord Gruppe<br />
gibt es auf Gr<strong>und</strong> der Entscheidung<br />
für umfassende Weiterbildungsmaßnahmen<br />
zum Thema<br />
<strong>Ethik</strong> das Programm „Führung<br />
<strong>und</strong> Verantwortung“, das aus verschiedenen<br />
Bausteinen besteht.<br />
In einem Seminar wird Diskurstechnik<br />
vermittelt. Hier geht es<br />
laut Guido Rettig um die Frage:<br />
Wie kann ich verstehen, was<br />
mein Mitarbeiter oder Kollege<br />
sagt, obwohl ich es eigentlich<br />
überhaupt nicht verstehe? Wie<br />
kommt er auf den Gedanken, so<br />
etwas zu äußern? Eine solche<br />
Denkweise setzt die Gr<strong>und</strong>einstellung<br />
voraus, dass sich jemand<br />
für das, was der andere sagt,<br />
interessiert – <strong>und</strong> ihn nicht automatisch<br />
ablehnt, weil er ihn<br />
nicht versteht. Rettig will durch<br />
die ethische Ausrichtung seines<br />
Unternehmens nicht in erster Linie Skandale<br />
verhindern, sondern Reibungsverluste<br />
innerhalb des Unternehmens minimieren.<br />
Auch Posé liegt es fern, Unternehmen durch<br />
Drohungen mit möglichen Angriffen durch<br />
Greenpeace oder anderen kritischen Organisationen<br />
von ethischem Engagement zu<br />
überzeugen. Lieber zählt auch er die Vorteile<br />
auf: „Wenn es die Unternehmen schaffen,<br />
ihr unternehmerisches Handeln verträglich<br />
zu halten mit ihrem sozialen Verhalten, dann<br />
sind sie in der Summe erfolgreicher“, sagt er.<br />
„Sie haben motiviertere Mitarbeiter, weniger<br />
Krankentage <strong>und</strong> ein größeres Interesse der<br />
Mitarbeiter, im Unternehmen zu verbleiben.“<br />
Seminare zum Thema <strong>Ethik</strong> können nicht<br />
alleine stehen<br />
Bei den Seminaren zum Thema <strong>Ethik</strong> handelt<br />
es sich wie bei der TÜV Nord Gruppe<br />
in der Regel um firmeninterne Angebote.<br />
„Bei firmeninternen Seminaren können wir<br />
tiefer einsteigen <strong>und</strong> uns genau um das Anliegen<br />
des Unternehmens kümmern“, erklärt<br />
Konrad Stadler vom Anselm Bilgri Zentrum<br />
für Unternehmenskultur, das sich auf <strong>Ethik</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>Werte</strong>orientierung spezialisiert hat.<br />
Zudem empfehlen die Experten Seminare<br />
in der Regel als Ergänzung zu einem umfassenden<br />
Kulturprogramm. „Als Standalone-Lösung<br />
reichen Seminare nicht aus.<br />
Sie müssen eingebettet sein in die strategische<br />
Unternehmensentwicklung“, erklärt<br />
FH-Professor Josef Wieland, der Firmen bei<br />
der Einführung eines <strong>Werte</strong>managementsystems<br />
unterstützt.<br />
So muss laut Wieland ein Unternehmen<br />
unter anderem zunächst <strong>Werte</strong> definieren,<br />
auf deren Umsetzung sich das Training<br />
beziehen kann: Welche <strong>Werte</strong> sind in unserem<br />
Unternehmen handlungsleitend? Wel-
che <strong>Werte</strong> brauchen wir, um unsere Art von<br />
Geschäft zu machen? Welche <strong>Werte</strong> brauchen<br />
wir, damit wir gut miteinander umgehen<br />
können? Oder: Wie wollen wir umgehen<br />
mit Themen wie Kinderarbeit <strong>und</strong> Korruption?<br />
Eine solche Vorgehensweise hat etwa<br />
das Augsburger Pharmaunternehmen betapharm<br />
gewählt. „Die Seminare beziehen sich<br />
auf die Leitlinien, an denen sich das Unternehmen<br />
orientiert. In unserem Fall sind das<br />
Verlässlichkeit, Respekt, Vertrauen, Transparenz<br />
<strong>und</strong> Kreativität“, erklärt Petra Kinzl,<br />
die das <strong>Werte</strong>programm bei betapharm<br />
betreut. Und sie ergänzt: „Wenn das Seminar<br />
nicht zur Unternehmenskultur passt, wird<br />
es nichts bewirken.“<br />
Mitarbeiter brauchen Rückendeckung<br />
durch ihr Unternehmen<br />
Schließlich brauchen die Mitarbeiter Rückhalt<br />
in ihrem Unternehmen, weil es durchaus<br />
seine Tücken haben kann, die geforderten<br />
<strong>Werte</strong> im Alltag zu leben. Anke Kettler<br />
von dem auf <strong>Werte</strong>management spezialisierten<br />
Beratungsunternehmen Dr. Kleinfeld<br />
<strong>und</strong> Partner in Hamburg gibt ein Beispiel:<br />
„Möchte ein Mitarbeiter einen Auftrag<br />
unbedingt bekommen, <strong>und</strong> der Geschäftspartner<br />
verlangt Schmiergeld, sitzt der Mitarbeiter<br />
in der Zwickmühle.“ Der Mitarbeiter<br />
müsse dann wissen, dass er durch ethisches<br />
Verhalten sein persönliches Fortkommen<br />
nicht gefährdet. „Es kann nicht sein, dass die<br />
Entscheidung für ethisches Verhalten die<br />
Karriere kostet“, so Kettler.<br />
So ist bei betapharm der Umgang mit den<br />
in der Branche üblichen Aufmerksamkeiten<br />
für Ärzte oder Apotheker unternehmensweit<br />
einheitlich geregelt. „Wenn jemand Geschenke<br />
von uns möchte, dann erklären wir, dass<br />
es bei uns ein solches Verführungsmarketing<br />
nicht gibt“, erläutert Petra Kinzl, die bei dem<br />
Unternehmen für das <strong>Werte</strong>management<br />
zuständig ist. „Wir organisieren für Ärzte<br />
oder Apotheker keine Reisen nach Honolu-<br />
„Ethisches Handeln ist<br />
eng mit Management- <strong>und</strong><br />
Entscheidungskompetenz<br />
verb<strong>und</strong>en.“<br />
Ulf Posé, Berater <strong>und</strong> Präsident des <strong>Ethik</strong>verbandes<br />
der Deutschen Wirtschaft.<br />
Kontakt: info@posetraining.de<br />
lu, wir stecken das Geld in soziale<br />
Projekte. Das können unsere<br />
Mitarbeiter aufrecht <strong>und</strong> mit<br />
Rückgrat sagen.“ Kinzl weiter:<br />
„Dadurch gehen zwar einige<br />
Türen zu, dafür aber auch etliche<br />
mehr auf.“<br />
Bei allem ethischen <strong>und</strong> sozialen<br />
Engagement gilt bei betapharm<br />
– so betont Kinzl: „Das<br />
Ziel ist der wirtschaftliche Erfolg.“<br />
Und tatsächlich ist ihr Unternehmen<br />
ein Paradebeispiel<br />
dafür, dass sich ethisches Verhalten<br />
lohnt. Das Unternehmen hat<br />
vor sieben Jahren – als das Geschäft<br />
mit Generika (wirkstoffgleiche<br />
Nachahmerpräparate)<br />
stark kriselte – damit begonnen,<br />
sich mit mehreren sozialen Projekten<br />
für eine bessere Patientenversorgung<br />
einzusetzen <strong>und</strong><br />
gleichzeitig einen <strong>Werte</strong>kodex<br />
einzuführen. Seitdem hat sich<br />
das Unternehmen von Platz 15<br />
auf Platz 4 auf dem deutschen<br />
Generika-Markt vorgearbeitet.<br />
„Das Engagement ist auf dem<br />
Markt austauschbarer Produkte<br />
unser besonderes Merkmal“,<br />
erklärt Kinzl. Durch die Belegschaft<br />
sei bei der Einführung des<br />
Programms ein richtiger Ruck<br />
gegangen. Die Mitarbeiter hätten<br />
wieder Sinn verspürt.<br />
Wirtschaftlicher Erfolg: Kann<br />
sich jeder <strong>Ethik</strong> leisten?<br />
Trotz solcher positiver Beispiele<br />
glaubt längst nicht jeder daran,<br />
dass ethisches Handeln <strong>und</strong> wirtschaftlicher<br />
Erfolg zusammenpassen.<br />
„Viele denken immer<br />
noch, sie könnten sich <strong>Ethik</strong><br />
nicht leisten“, sagt Ulf Posé. „In<br />
development | 81<br />
managerSeminare | Heft 98 | Mai 2006
82 | development<br />
managerSeminare | Heft 98 | Mai 2006<br />
Deutschland gilt die Verbindung von <strong>Ethik</strong><br />
<strong>und</strong> Wirtschaft immer noch als Nullsummenspiel<br />
– alles, was die Wirtschaft gewinnt,<br />
geht zu Lasten der <strong>Ethik</strong>, <strong>und</strong> alles, was die<br />
<strong>Ethik</strong> gewinnt, geht zu Lasten der Wirtschaft“,<br />
gibt auch Josef Wieland den Irrglauben<br />
wieder. So müssen die Trainer in ihren<br />
Seminaren häufig zuerst mit Vorurteilen<br />
aufräumen. Zum Beispiel mit dem voreiligen<br />
Schluss, dass alles, was mit Kündigungen<br />
oder Werkschließungen zu tun hat,<br />
unmoralisch <strong>und</strong> schlecht ist. „Das ist natürlich<br />
Quatsch“, erklärt Posé, der für einen<br />
differenzierteren Blick plädiert: „Es gibt<br />
sicher Entlassungen, die nicht in Ordnung<br />
sind. Aber von vornherein zu urteilen, ohne<br />
gründlich geprüft zu haben, nach welchen<br />
<strong>Werte</strong>n gehandelt wurde, ist ethisch ebenfalls<br />
nicht in Ordnung.“<br />
Sogar die Frage: „Handelt ein Unternehmen<br />
unethisch, das eine hervorragende Bi-<br />
lanz hat <strong>und</strong> gleichzeitig 5.000 Mitarbeiter<br />
entlässt?“, ist laut Posé nicht mit einem einfachen<br />
Ja oder Nein zu beantworten. Es ist<br />
eine Frage der so genannten Güterabwägung,<br />
bei der zwei <strong>Werte</strong> gegeneinander<br />
stehen – hier die Loyalität zu den Mitarbeitern<br />
<strong>und</strong> dort die Wirtschaftlichkeit des<br />
Unternehmens. In den Seminaren wird der<br />
Umgang mit solch schwierigen Situationen<br />
an Fallbeispielen besprochen. „Da geht es<br />
beispielsweise darum, dass es einem Unter-<br />
Was <strong>Ethik</strong>trainings leisten können<br />
Ein Seminar alleine reicht nicht aus, um ethisches Handeln in einem Unternehmen zu etablieren. Nötig ist<br />
ein umfangreiches Kulturentwicklungsprogramm. Was die dazugehörigen Trainings, Workshops <strong>und</strong> Seminare<br />
idealerweise beitragen sollten:<br />
1. Den Begriff klären<br />
Wichtig ist es, dass die Führungskräfte eines Unternehmens lernen, wo beim Thema Wirtschaftsethik die<br />
Knackpunkte liegen. Dass es beispielsweise nicht darum geht, alles zu verdammen, was mit Werksschließungen<br />
oder Entlassungen zu tun hat, <strong>und</strong> dass sich <strong>Ethik</strong> <strong>und</strong> wirtschaftlicher Erfolg keineswegs ausschließen.<br />
2. Das Bewusstsein für werteorientierte Führung schärfen<br />
An <strong>Werte</strong>n <strong>und</strong> Leitlinien mangelt es unserer Gesellschaft nicht. Es fehlt jedoch häufig das Bewusstsein für<br />
<strong>Werte</strong>, das durch die intensive Beschäftigung mit den Vorteilen ethischer Unternehmensführung verstärkt<br />
werden kann.<br />
3. Die Unternehmensleitlinien stützen<br />
Der Begriff <strong>Ethik</strong> ist schillernd. Um ihn im Unternehmen operationalisieren zu können, müssen zunächst<br />
diejenigen <strong>Werte</strong> bestimmt werden, an denen sich das Unternehmen ausrichten möchte. Häufig wird ein<br />
so genannter <strong>Ethik</strong>- oder <strong>Werte</strong>kodex erstellt. Diesen sollten die Seminare stützen.<br />
4. Konkretes Verhalten aufzeigen<br />
Oftmals bereitet die Umsetzung der definierten <strong>Werte</strong> im Alltag Schwierigkeiten. Was bedeutet beispielsweise<br />
der Wert Integrität? Muss ich jede Einladung eines K<strong>und</strong>en ausschlagen? In den Seminaren wird an<br />
Fallbeispielen konkretes Handeln erarbeitet.<br />
5. Persönliche <strong>Werte</strong> <strong>und</strong> Überzeugungen bewusst machen<br />
Eine Position der Stärke <strong>und</strong> der inneren Balance erlangt nur, wer sich mit seinen eigenen <strong>Werte</strong>n <strong>und</strong><br />
Zielen auseinander setzt. In Seminaren werden sich die Führungskräfte häufig zum ersten Mal ihrer eigenen<br />
Wertvorstellungen <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>überzeugungen bewusst.<br />
6. Die Argumentationsfähigkeit verbessern<br />
In BWL-Seminaren wird nur selten über die moralische Dimension wirtschaftlicher Entscheidungen debattiert,<br />
das heißt, viele Führungskräfte erkennen sie nicht <strong>und</strong> sprechen auch nicht darüber. Heute aber<br />
müssen sich vor allem hochrangige Führungskräfte der ethischen Dimension bewusst sein, um ihren<br />
Mitarbeitern <strong>und</strong> der Öffentlichkeit ihr Handeln erklären zu können.<br />
7. Handlungskompetenz vermitteln<br />
In <strong>Ethik</strong>-Seminaren werden Führungskräften nicht nur Verhaltensregeln vermittelt. Führungskräfte sollen in<br />
erster Linie selbst die Kompetenz entwickeln, um ethisch f<strong>und</strong>ierte Entscheidungen treffen können. Dazu<br />
lernen sie unter anderem die Kunst der so genannten Güterabwägung.<br />
8. Bedeutung von Ruhe <strong>und</strong> Sachlichkeit hervorheben<br />
Ein sachliches Abwägen von Schaden <strong>und</strong> Nutzen ist schlecht möglich, wenn man sich im hektischen<br />
Tagesgeschäft verrannt hat. Wichtig ist es daher, zunächst den nötigen Abstand zu erlangen. Auch hierfür<br />
gilt es, das Bewusstsein zu stärken <strong>und</strong> geeignete Techniken einzuüben.
nehmensbereich schlecht geht <strong>und</strong> einer von<br />
zwei Mitarbeitern entlassen werden muss“,<br />
erklärt Rettig. Die Mitarbeiter diskutieren<br />
dann, wie sie entscheiden würden <strong>und</strong> wie<br />
ihre Entscheidung mit den <strong>Werte</strong>n <strong>und</strong> den<br />
Gr<strong>und</strong>sätzen ihrer Person <strong>und</strong> ihres Unternehmens<br />
übereinstimmt.<br />
Der erhobene Zeigefinger hilft nicht<br />
Der Trainer versteht sich bei <strong>Ethik</strong>seminaren<br />
in der Regel als Moderator. Es geht ihm<br />
nicht darum, den Teilnehmern mit dem<br />
erhobenen Zeigefinger moralische Vorschriften<br />
zu machen <strong>und</strong> Verhaltensanweisungen<br />
zu geben. Er möchte sie zu eigenständigem<br />
Denken animieren, erreichen,<br />
dass sie selbst den Wert einer werteorientierten<br />
Führung erkennen <strong>und</strong> sich bewusst<br />
dafür entscheiden, danach zu handeln.<br />
Denn: Zum einen lassen sich <strong>Werte</strong> schlecht<br />
von außen vorgeben, sie werden im Idealfall<br />
selbst erarbeitet. Zum anderen brauchen die<br />
Führungskräfte ethische Kompetenz, um<br />
eigenständig handeln zu können.<br />
„Die Kunst der Güterabwägung kann <strong>und</strong><br />
muss man selbst lernen“, sagt auch Konrad<br />
Stadler. „Schließlich kann ich den Führungskräften<br />
nicht sagen, wie sie sich bei ihren<br />
nächsten 5.000 Entscheidungen verhalten<br />
sollen.“ Stadler bietet beim Anselm Bilgri<br />
Zentrum für Unternehmenskultur seit neuestem<br />
eine der wenigen umfangreichen firmenübergreifenden<br />
Weiterbildungen zum<br />
Thema <strong>Ethik</strong> an. Zielgruppe sind junge Führungskräfte,<br />
die lernen möchten, wie sie sich<br />
<strong>und</strong> ihren Mitarbeitern in turbulenten Zeiten<br />
Orientierung verschaffen können.<br />
Um zu verdeutlichen, worum es beim<br />
ethischen Handeln geht, nutzt das Anselm<br />
Bilgri Zentrum für Unternehmenskultur die<br />
Regel des heiligen Benedikt von Nursia.<br />
Diese gilt bereits seit mehr als 1.500 Jahren<br />
für das Zusammenleben <strong>und</strong> -arbeiten der<br />
Benedektiner-Mönche. Darin kommen zunächst<br />
verstaubt wirkende Begriffe wie De-<br />
„Ich kann den Führungskräften<br />
nicht sagen, wie<br />
sie sich bei ihren nächsten<br />
5.000 Entscheidungen<br />
verhalten sollen.“<br />
Konrad Stadler, Anselm Bilgri Zentrum für<br />
Unternehmenskultur, München. Kontakt:<br />
stadler@a-zu.de<br />
mut, Dienen oder Gehorsam vor. Doch auch<br />
hier heißt es, sorgfältig <strong>und</strong> differenziert zu<br />
schauen, was darunter zu verstehen ist: „Dass<br />
Führen auch Dienen bedeutet, heißt nicht,<br />
zurückhaltend zu sein <strong>und</strong> es allen Recht zu<br />
machen“, so Stadler. Vielmehr gehe es darum,<br />
den Mitarbeitern zu helfen, sich zu entfalten<br />
<strong>und</strong> ihre Fähigkeiten bestmöglich einzusetzen.<br />
„Da können durchaus auch harte <strong>und</strong> klare<br />
Worte notwendig sein“, erklärt Stadler.<br />
Ethisches Handeln erfordert Mut<br />
Überhaupt gehöre das Thema <strong>Ethik</strong> nicht<br />
in die Softie-Ecke. Gefragt seien klare Entscheidungen,<br />
die häufig großen Mut erforderten.<br />
Bequem ist das Bekenntnis zur<br />
ethischen Führung Stadlers Ansicht nach<br />
ohnehin nicht. Stadler: „Es geht darum,<br />
Widersprüche auszuhalten.“ Schließlich<br />
wolle jeder, der ernsthaft über sein Tun<br />
nachdenke, am liebsten Sachen machen, die<br />
Sinn ergeben. Dinge, mit denen er aus seinem<br />
Wissen <strong>und</strong> Gewissen heraus dauerhaft<br />
zufrieden sein kann. „Was ist aber jetzt,<br />
wenn etwa ein Unternehmer ein neues<br />
Geschäftsfeld für sich findet <strong>und</strong> ein Teil<br />
seiner Mannschaft dafür nicht geeignet ist?<br />
Wie geht er damit um, wenn er Menschen<br />
enttäuschen muss?“, fragt Stadler. Als weiteren<br />
wichtigen Punkt, auf den in <strong>Ethik</strong>seminaren<br />
Wert gelegt werden sollte, nennen die<br />
Experten das Finden einer sachlichen Ebene:<br />
„<strong>Ethik</strong> bedarf einer gewissen Rationalität.<br />
Diese ist jedoch nicht vorhanden, wenn sich<br />
jemand im hektischen Alltag ausschließlich<br />
von Emotionen regieren lässt“, sagt Stadler.<br />
Zunächst sollte man sich daher fragen: Bin<br />
ich im Augenblick überhaupt fähig, eine<br />
ganzheitliche Sichtweise einzunehmen?<br />
Oder sehe ich gerade nur noch Ausschnitte?<br />
„Häufig sind wir voll bis obenhin“, weiß der<br />
<strong>Ethik</strong>experte <strong>und</strong> empfiehlt, erst einmal zu<br />
überlegen: Wie kann ich runterkommen,<br />
damit ich die Sache ganzheitlich <strong>und</strong> in<br />
Ruhe betrachten kann?<br />
A<br />
development | 83<br />
managerSeminare | Heft 98 | Mai 2006
84 | development<br />
Handlungsethik: Kann ich<br />
verantworten, was ich tue?<br />
Insgesamt läuft bei den <strong>Ethik</strong>trainings<br />
alles auf eine Handlungsethik<br />
hinaus. „Ich muss<br />
verantworten, was ich tue“, erklärt<br />
<strong>Ethik</strong>verbandspräsident Ulf<br />
Posé. Der Einzelne müsse lernen,<br />
immer wieder zu überprüfen,<br />
ob sein Handeln <strong>und</strong> seine<br />
<strong>Werte</strong> übereinstimmen. In diesem<br />
Punkt sieht Posé den großen<br />
Unterschied seiner Seminare zu<br />
Verhaltenstrainings, bei denen<br />
Führungsinstrumente ohne die<br />
Arbeit mit <strong>Werte</strong>n <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>überzeugungen<br />
eingeübt werden.<br />
Diese sind seiner Ansicht<br />
nach „Dressurleistungen“. Handeln<br />
<strong>und</strong> Verhalten unterscheidet<br />
er dadurch, „dass derjenige,<br />
der handelt, immer eine Alternative<br />
weiß zu dem, was er tut.<br />
Und dass er jederzeit bereit ist,<br />
sein Verhalten zu begründen.“<br />
Josef Wieland ergänzt: „Führungskräfte<br />
müssen in moralischer<br />
Hinsicht argumentationsfähig<br />
werden.“ Das bedeutet: Sie<br />
müssen die moralische Dimension<br />
wirtschaftlicher Entscheidungen<br />
erkennen <strong>und</strong> gegenüber<br />
Mitarbeitern, Geschäfts-<br />
Service<br />
Buchtipps:<br />
A Ulrich Hemel: Wert <strong>und</strong> <strong>Werte</strong>. <strong>Ethik</strong> für Manager – Ein Leitfaden für die Praxis. Hanser, München<br />
2005, ISBN 3-446-22813-6, 24,90 Euro.<br />
Ein viel beachtetes Buch zum Thema <strong>Ethik</strong>, das an vielen Stellen den Bogen zum täglichen Handeln im<br />
Unternehmen schlägt. Beachtung finden sowohl die großen Entscheidungen wie Werksschließungen oder<br />
Entlassungen als auch wichtige Punkte im täglichen Miteinander.<br />
A Josef Wieland (Hrsg.): Handbuch „<strong>Werte</strong>management“. Murmann, Hamburg 2004, ISBN<br />
3-938017-06-6, 54 Euro.<br />
In diesem Buch dreht sich alles um <strong>Werte</strong>managementsysteme in Unternehmen. Zahlreiche Vertreter<br />
bekannter Firmen erläutern ihre Vorgehensweise. Sie erklären zum Beispiel, wie sie einen <strong>Werte</strong>kodex<br />
aufgestellt haben <strong>und</strong> wie seine Einhaltung im Alltag gesichert wird.<br />
A Stefanie Unger, Kai Hattendorf, Sven H. Korndörffer: Was uns wichtig ist. Eine neue Führungsgeneration<br />
definiert die Unternehmenswerte von morgen. Wiley, Weinheim 2005, 29,90 Euro.<br />
Eines der neuesten Bücher zum Thema <strong>Ethik</strong> kommt von jungen erfolgreichen Führungskräften, die sich<br />
zur „bewussten Führung“ bekennen. In den verschiedenen Aufsätzen erklären sie ihr Verständnis von<br />
werteorientierter Führung, reden ihren Kollegen in den Führungsetagen der Wirtschaft ins Gewissen <strong>und</strong><br />
laden sie zum Dialog ein.<br />
managerSeminare | Heft 98 | Mai 2006<br />
partnern <strong>und</strong> der Öffentlichkeit artikulieren<br />
können. Was das genau bedeutet, erklärt<br />
Wieland am Beispiel von Josef Ackermann,<br />
dem Vorstandssprecher der Deutschen Bank,<br />
der Gewinne gleichzeitig mit Entlassungen<br />
bekannt gegeben <strong>und</strong> damit eine Welle der<br />
Empörung losgetreten hat: „Es kann ja<br />
durchaus betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten<br />
geben, Leute zu entlassen, auch<br />
wenn Gewinne gemacht wurden. Damit<br />
bricht man in Deutschland allerdings einen<br />
moralischen Konsens.“ Das müsse man wissen<br />
<strong>und</strong> – anders als Ackermann – das eigene<br />
Handeln erklären. Etwa so: „International<br />
gesehen sind wir nur eine mittelmäßige<br />
Bank. Wollen wir uns vor Übernahmen<br />
schützen, brauchen wir eine bestimmte Gewinnrate.“<br />
Eine der herausforderndsten<br />
„Es kann betriebswirtschaftliche<br />
Notwendigkeiten geben, Leute zu<br />
entlassen, auch wenn Gewinne<br />
gemacht wurden. Damit bricht<br />
man allerdings einen moralischen<br />
Konsens.“<br />
Josef Wieland, Professor an der Hochschule für Technik, Wirtschaft<br />
<strong>und</strong> Gestaltung in Konstanz <strong>und</strong> Direktor des Konstanz Institut für<br />
<strong>Werte</strong>management. Kontakt: wieland@htwg-konstanz.de<br />
Aufgaben der <strong>Ethik</strong>berater ist es also, den scheinbaren<br />
Widerspruch von <strong>Ethik</strong> <strong>und</strong> Wirtschaft zu überbrücken.<br />
Viele Experten begrüßen daher auch, dass das unbequeme<br />
Schlagwort <strong>Ethik</strong> zunehmend aus Seminar- <strong>und</strong><br />
Buchtiteln verschwindet <strong>und</strong> durch „werteorientierte<br />
Führung“ ersetzt wird. Wieland, der bereits seit vielen<br />
Jahren lieber von <strong>Werte</strong>management als von <strong>Ethik</strong><br />
spricht, erklärt: „Jeder denkt bei <strong>Ethik</strong> an etwas anderes:<br />
Der eine versteht darunter etwas Religiöses, der zweite<br />
etwas Privates <strong>und</strong> der dritte Kritik an seiner Firma.“<br />
Über <strong>Ethik</strong>seminare wird daher auch oft negativ geurteilt.<br />
„Da gehen die Loser hin, die mal eine Ruhepause<br />
brauchen <strong>und</strong> sich über das Unternehmen beschweren<br />
möchten“, gibt Wieland eine verbreitete Haltung wieder.<br />
Der Berater aus Konstanz hält daher den Begriff <strong>Werte</strong>management<br />
für angemessener: „Das Thema transportiert<br />
denselben Inhalt, ohne die Anfangsschwelle so<br />
hoch zu setzen.“<br />
Andrea Bittelmeyer C<br />
Ansprechpartner:<br />
A <strong>Ethik</strong>verband der Deutschen Wirtschaft e. V.<br />
Der <strong>Ethik</strong>verband der Deutschen Wirtschaft will laut<br />
seinem Präsidenten Ulf Posé den Unternehmen helfen,<br />
eine Brücke zu schlagen zwischen ökonomischem<br />
<strong>und</strong> ethischem Handeln. Der Verein steht<br />
den Unternehmen als Ansprechpartner zu Verfügung<br />
<strong>und</strong> vermittelt zum Beispiel beim unternehmensübergreifenden<br />
Erfahrungsaustausch. www.<br />
ethikverband.de<br />
A Deutsches Netzwerk Wirtschaftsethik<br />
Auch das DNWE verfolgt das Ziel, den Austausch<br />
von Gedanken <strong>und</strong> Ideen über ethische Fragen des<br />
Wirtschaftens zu fördern <strong>und</strong> wirtschaftliches Handeln<br />
ethisch zu orientieren. Im Sinne des Netzwerkgedankens<br />
treffen sich Vertreter aus Wissenschaft<br />
<strong>und</strong> Praxis. www.dnwe.de