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Moral, Ethik und Werte - Georg-W. Moeller

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managerSeminare-Dossier<br />

<strong>Moral</strong>, <strong>Ethik</strong> <strong>und</strong> <strong>Werte</strong><br />

A <strong>Moral</strong> im Management: Phrasen mit Perspektive<br />

von Axel Gloger<br />

A Religiosität im Management: Warum Bosse beten<br />

von Axel Gloger<br />

A Verfehlte Kritik an der Nachwuchsgeneration:<br />

„In Führungspositionen schaffen es nur die Angepassten“<br />

von Holger Rust<br />

A Fehlendes Schuldbewusstsein <strong>und</strong> falsche Scham:<br />

„Die neue Managergeneration braucht alte <strong>Werte</strong>“<br />

von Björn Migge<br />

A Wettbewerbsfaktor Vertrauen: Wie Manager wieder glaubwürdig werden<br />

von Stephen M.R. Covey<br />

A Patricia Aburdene im Interview: „<strong>Werte</strong>orientierte Führung verbessert die Performance“<br />

das Interview führte Nadja Rosmann<br />

A Manager auf christlichen Pfaden: Besinnung fürs Business<br />

von Sylvia Jumpertz<br />

A Corporate Governance: <strong>Werte</strong> bewusst führen<br />

von Axel Gloger<br />

A Spiritualität im Business: Manager auf Sinnsuche<br />

von Sylvia Jumpertz<br />

A Zwischen <strong>Ethik</strong> <strong>und</strong> Erfolgsdruck: Wie Manager zur <strong>Moral</strong> finden<br />

von Andrea Bittelmeyer


18 | management<br />

Phrasen mit<br />

Perspektive<br />

MORAL IM MANAGEMENT<br />

Business Schools lassen ihre Studenten einen Eid auf das<br />

Gute schwören, Manager reden über ihre Verantwortung für das<br />

Allgemeinwohl <strong>und</strong> das alte Leitbild des ehrbaren Kaufmanns wird<br />

wieder hochgehalten – die Krise hat den Weg für mehr <strong>Moral</strong> im<br />

Management bereitet. So scheint es zumindest. Was aber sind die<br />

<strong>Werte</strong>bekenntnisse wert? Handelt es sich wieder um die üblichen<br />

Phrasen? managerSeminare hat kritisch hingeschaut.<br />

managerSeminare | Heft 142 | Januar 2010


Foto: comstock<br />

Preview: A Schwur auf das Gute: Wie die Business<br />

Schools die ethische Perspektive ihrer Studenten<br />

schärfen wollen A Neues <strong>Werte</strong>bewusstsein: Warum<br />

der Führungskräftenachwuchs nicht mehr allein auf<br />

die Rendite fokussiert A Kein großes Geschäft: Was<br />

die Weiterbildungswirtschaft den Unternehmen in<br />

puncto <strong>Ethik</strong> zu bieten hat A Diktat des ökonomischen<br />

Imperativs: Wie es um werteorientiertes Handeln in<br />

den Unternehmen aktuell bestellt ist A Beförderung<br />

statt Kopfnote: Wie Unternehmen <strong>Werte</strong>orientierung<br />

fördern können<br />

C Mit dem Crash der Weltwirtschaft kam<br />

das reinigende Gewitter, das längst fällig<br />

war: Die Übertreibungen sind vorbei, die<br />

Gier ist abgestraft, die Schurken sind entlarvt.<br />

Gaunermethoden im Management<br />

laufen nicht mehr, das ewige „noch mehr“<br />

ist allenthalben verpönt, die ständig nur<br />

Gewinn maximierende Business-Commu-<br />

nity ist geläutert. Die allgemeine Einsicht<br />

lautet: „So geht es nicht weiter. Der Manager<br />

von morgen muss ein Gutmensch sein.“<br />

So strebt es zumindest die Harvard Business<br />

School an. Die Krise hat sie zum<br />

gebrannten Kind gemacht, jetzt gibt sich der<br />

Großversorger der Chefetagen mit CEO-<br />

Kandidaten moralbewusst. Absolventen der<br />

traditions- wie einflussreichen Ausbildungsstätte<br />

treten neuerdings zum Schwur an. Ein<br />

Eid auf das Gute soll die Exzesse, an der<br />

Havardianer in der Vergangenheit an führender<br />

Stelle beteiligt waren, verhindern. Der<br />

Manager, so sieht es die Selbstverpflichtung<br />

vor, dient ab sofort höheren Zielen. Die gnadenlose<br />

Jagd nach dem Gewinn ist nicht<br />

mehr: „In meiner Funktion als Manager<br />

diene ich in erster Linie dem gesellschaftlichen<br />

Gemeinwohl“ heißt der erste Satz des<br />

Gelöbnisses (der vollständige Eid findet sich<br />

Den Beitrag gibt es auch zum Hören. Er kann unter www.managerSeminare.de/podcast als Audiodatei heruntergeladen werden.<br />

management | 19<br />

im Kasten auf S. 21). Es verpflichtet Führungskräfte<br />

auf einen Weg, der langfristig<br />

den gesellschaftlichen Nutzen des Unternehmens<br />

steigern soll, sagt die Präambel des<br />

Schwurs. Der Absolventenjahrgang 2009 war<br />

der erste, der den Eid ablegte.<br />

Der ehrbare Kaufmann als Leitbild<br />

Manche deutsche Business School will der<br />

Harvard Business School nicht nachstehen:<br />

Manager, die wie hochgezüchtete Bluth<strong>und</strong>e<br />

nur nach der höheren Rendite jagen, soll es<br />

nicht mehr geben. Diese Auffassung vertritt<br />

Professor Christopher Jahns, Präsident der<br />

European Business School (EBS): „Der ehrbare<br />

Kaufmann ist bei uns nicht erst seit der<br />

Krise wieder ein Leitbild.“ Dieser Rhetorik<br />

folgen neuerdings Taten; die im Herbst in<br />

die Master-Studiengänge gestarteten Kom-<br />

managerSeminare | Heft 142 | Januar 2010


20 | management<br />

militonen werden nach ihrem Examen<br />

ebenfalls einen Eid ablegen, der sie im Beruf<br />

auf die guten Taten verpflichtet. Der Wortlaut<br />

ähnelt dem von Harvard: „Das Unternehmen,<br />

das ich führe, muss dem Allgemeinwohl<br />

dienen“, so soll es zum ersten Mal<br />

im Jahr 2011 aus den Kehlen der EBS-<br />

Abgänger tönen.<br />

Damit, so scheint es, brechen endlich<br />

menschliche Zeiten im Management an.<br />

<strong>Moral</strong> marschiert in den Arbeitsalltag der<br />

Führungskräfte. „Die Krise ist die Chance,<br />

Soll <strong>und</strong> Ist endlich zur Deckung zu bringen“,<br />

sagt Johannes Grassl, Deutschland-<br />

Chef der Leaders Integrity Fo<strong>und</strong>ation (LIF),<br />

einer Organisation, die sich des Themas<br />

<strong>Werte</strong> <strong>und</strong> <strong>Moral</strong> in der Praxis angenommen<br />

hat. „Es gibt eine wachsende Erkenntnis,<br />

dass sich die Unternehmen mehr mit <strong>Werte</strong>n<br />

auseinandersetzen müssen.“ Shareholder<br />

Value hat abgedankt, Vorstandschefs, die,<br />

wie Josef Ackermann, ihre Renditeziele allzu<br />

hoch setzen <strong>und</strong> mit allzu viel Getöse proklamieren,<br />

werden öffentlich abgestraft.<br />

Manager sollen wieder nach Zielen arbeiten,<br />

bei denen die Weste weiß bleibt, also, wie es<br />

auch die EBS- <strong>und</strong> Harvard-Eide verlangen,<br />

den Planeten sauber halten, die Ressourcen<br />

sparsam verwenden, die Menschenwürde<br />

achten, die Gesetze einhalten, ehrbar handeln,<br />

der Gesellschaft etwas zurückgeben,<br />

ehrlich über alles informieren, niemanden<br />

diskriminieren <strong>und</strong> niemanden ausbeuten.<br />

Schöne neue Welt!<br />

Der Nachwuchs achtet auf die <strong>Werte</strong>-<br />

Umgebung<br />

Zu jenen, die diese ehrgeizigen Anforderungen<br />

an das Gute im Manager umsetzen,<br />

könnte Sabrina Noack gehören. Sie absolviert<br />

an der Handelshochschule Leipzig<br />

(HHL) ein Studium, das im Jahr 2011 mit<br />

dem Management-Master abschließen wird.<br />

Die Angehörigen ihrer Generation können<br />

managerSeminare | Heft 142 | Januar 2010<br />

unbelastet von den Jahren der Gier an die<br />

Arbeit gehen. Und in der Tat lässt deren Einstellung<br />

hoffen: „Viele Leute sind sehr wach“,<br />

sagt die 23-Jährige über ihre Mitstudenten,<br />

„man achtet heute darauf, bei wem man sich<br />

verdingt.“ Will sagen: Nicht nur Posten <strong>und</strong><br />

Gehalt sind wichtig, sondern auch die<br />

<strong>Werte</strong>-Umgebung, die eine Firma bietet.<br />

„Wir haben eine gute Ausbildung. Sie macht<br />

verhandlungsstark, wir müssen uns nicht<br />

alles bieten lassen“, sagt die BWL-Studentin<br />

selbstbewusst.<br />

Mit dem <strong>Werte</strong>bewusstsein des Managementnachwuchses<br />

kommt auf die Unternehmen<br />

eine anspruchsvolle Agenda zu, denn<br />

aufs Geldverdienen werden diese nicht verzichten<br />

können: „Wir werden <strong>Ethik</strong> <strong>und</strong><br />

Rendite gleichzeitig verwirklichen“, formuliert<br />

Integritäts-Förderer Grassl seinen Blick<br />

in die Managerwelt von morgen. Um bereits<br />

jetzt Führungskräfte auf diese Vorgabe vorzubereiten,<br />

lädt die LIF zu einer dreieinhalbtägigen<br />

Weiterbildung mit dem verheißungsvollen<br />

Titel „Wohlfühltage für Manager“.<br />

In kleinem Kreis sollen Firmenchefs aus<br />

dem Hamsterrad des Führungsalltags heraustreten,<br />

ihre Nöte <strong>und</strong> Zwänge ablegen<br />

<strong>und</strong>, wie Grassl es formuliert, „zu ihrem<br />

Original zurückfinden, einfach ihr Ich<br />

leben.“ Kurzum: Sie lernen, dass es im<br />

Unternehmen nicht nur um Rendite geht,<br />

sondern auch um Verantwortung, Zufriedenheit<br />

<strong>und</strong> Glück für alle Beteiligten.<br />

Die EBS geht in puncto ethische Auf-<br />

klärung fürs Business noch einen Schritt<br />

weiter. Präsident Jahns jedenfalls erweckt<br />

den Eindruck, als solle das E im Namenskürzel<br />

der Managerschule auch für „<strong>Ethik</strong>“<br />

stehen – sein Projekt der Reprogrammierung<br />

der Organisation läuft bereits. „Unsere<br />

Philosophie-Professoren arbeiten derzeit<br />

an einem Konzept“, lässt der agile Professor<br />

verlauten, die <strong>Ethik</strong>-Themen sollen in alle<br />

Lehrveranstaltungen eingeflochten werden.<br />

Mit breiter Brust stellt sich der EBS-Chef<br />

„Wir haben eine extreme<br />

Ausrichtung auf den<br />

Kapitalmarkt – <strong>und</strong> eine<br />

nicht vollzogene Ausrichtung<br />

auf den Humanmarkt.“<br />

Gerald Söhlemann, Partner bei der Personalberatung<br />

Shikar Group, Frankfurt.<br />

Kontakt: gerald.soehlemann@shikar.com<br />

in die Öffentlichkeit: „Damit werden wir<br />

weltweit die erste Hochschule sein, die diese<br />

Prinzipien auch in ihrem Curriculum aktiv<br />

umsetzt.“<br />

Neue Angebote – aber kein großes<br />

Geschäft<br />

In die Trainingslandschaft ist das Thema<br />

ebenfalls vorgedrungen. So nennt die Weiterbildungsdatenbank<br />

www.seminarmarkt.de<br />

einige Dutzend Angebote aus dem Bereich<br />

<strong>Moral</strong>, <strong>Ethik</strong> <strong>und</strong> <strong>Werte</strong>. Zum Beispiel das<br />

Zweitagesseminar der Integrata AG „Unternehmensethik<br />

als Wettbewerbsvorteil –<br />

macht <strong>Ethik</strong> Sinn“, das 2010 mehrfach wiederholt<br />

wird. Offenbar hat die Krise<br />

Angebote hervorgebracht, für die während<br />

des Booms keiner Zeit hatte.<br />

Doch damit kein Missverständnis entsteht:<br />

Anbieter, die sich mit eigenständigen<br />

Angeboten auf den neuen <strong>Moral</strong>-Trend stürzen,<br />

sind eher Ausnahme als Regel. Von einer<br />

Massenbewegung am Markt kann keine<br />

Rede sein. Denn das große Geschäft lässt sich<br />

mit <strong>Ethik</strong>, <strong>Moral</strong> <strong>und</strong> <strong>Werte</strong>n als Weiterbildungsthema<br />

(noch) nicht machen.<br />

Die Aktivitäten zweier Dickschiffe des<br />

Weiterbildungsmarktes machen dies be-<br />

sonders deutlich: Das Malik Management<br />

Zentrum St. Gallen <strong>und</strong> die ZfU Business<br />

School richten sich mit einer großen Zahl<br />

hochwertiger Seminare an die Chef-Klasse<br />

– aber unter den angebotenen Themen findet<br />

sich nichts, was den <strong>Werte</strong>-Hunger der<br />

Zielgruppe stillen könnte. Kurse zu <strong>Moral</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Ethik</strong> sind im Programm nicht ausgewiesen.<br />

Beide verdienen ihr Geld mit den<br />

Brot- <strong>und</strong> Butterthemen strategischer Führung:<br />

Finanzen des Unternehmens managen,<br />

Marktanteile gewinnen, Verkäufer zum<br />

Erfolg führen … eben dieselben Themen,<br />

die sie auch vor der Krise im Angebot hatten.<br />

Selbst die Spieler, die auf <strong>Moral</strong>, <strong>Ethik</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Werte</strong> als Kernkompetenz rekurrieren,<br />

nutzen keineswegs den Rückenwind des<br />

<strong>Moral</strong>-Trends für ihr Angebot. Sie treten den<br />

an <strong>Werte</strong>n interessierten Managern der Post-<br />

Krisen-Ökonomie mit fast leeren Händen<br />

gegenüber – eigentlich ein Armutszeugnis:<br />

Ende Oktober 2009 meldet das Deutsche<br />

Netzwerk Wirtschaftsethik (DNWE) überhaupt<br />

keine Veranstaltungen für die Zukunft,<br />

bei der Konkurrenzorganisation <strong>Ethik</strong>verband<br />

e.V. sieht das Angebot ähnlich mau aus.<br />

Eine einzige Veranstaltung gab es Anfang<br />

November, das Symposium „Die Welt des<br />

Vermögens“, danach nichts mehr, keine Vorträge,<br />

keine Seminare. Damit haben die beiden<br />

Verbände eine große Chance verpasst<br />

– im Getümmel der Krise hätten sie sich als


Das Gelöbnis der<br />

Manager von morgen<br />

Diesen Eid schworen die Absolventen der Harvard Business<br />

School im Jahr 2009 – <strong>und</strong> 1.200 weitere MBA-Absolventen<br />

aus aller Welt:<br />

A Ich werde stets mit größter Rechtschaffenheit handeln <strong>und</strong> in<br />

meiner Arbeitsweise ethischen Prinzipien treu bleiben.<br />

A Ich werde die Interessen meiner Aktionäre, Mitarbeiter, K<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> des Unternehmensumfeldes sichern.<br />

A Ich werde mein Unternehmen nach bestem Gewissen führen<br />

<strong>und</strong> mich vor Entscheidungen <strong>und</strong> Verhalten hüten, die lediglich<br />

meinen eigenen egoistischen Zielen dienlich sind, aber dem<br />

Unternehmen <strong>und</strong> seinen Mitarbeitern Schaden zufügen.<br />

A Ich werde alle Gesetze <strong>und</strong> Verträge einhalten, die mein persönliches<br />

Verhalten <strong>und</strong> das meines Unternehmens betreffen.<br />

A Ich übernehme volle Verantwortung für meine Handlungen<br />

<strong>und</strong> präsentiere Unternehmensleistungen <strong>und</strong> Unternehmensrisiken<br />

akkurat <strong>und</strong> wahrheitsgerecht.<br />

A Ich werde mich selbst beruflich weiterentwickeln <strong>und</strong> auch<br />

die berufliche Entwicklung mir unterstellter Manager fördern,<br />

damit meine Profession weiter wächst.<br />

A Ich werde danach streben, weltweiten nachhaltigen ökonomischen,<br />

sozialen <strong>und</strong> ökologischen Wohlstand zu schaffen.<br />

A Ich erkenne meine Rechenschaftspflicht gegenüber anderen<br />

MBA-Absolventen an, nach diesem Eid zu handeln <strong>und</strong> erkenne<br />

ihre Verantwortung mir gegenüber an, selbiges zu tun.<br />

Hilfsposten für all jene aufstellen können, die im<br />

Management mehr wollen als noch höhere Renditezahlen<br />

zu produzieren.<br />

Die <strong>Moral</strong> bleibt meistens auf der Strecke<br />

Aber die Praxis in den Unternehmen lässt für solche<br />

Ambitionen offenbar keinen Raum. <strong>Moral</strong> ist zwar wieder<br />

ein Thema, aber – so scheint es zumindest – eher<br />

für Fachartikel des Personalleiters <strong>und</strong> Sonntagsreden<br />

des Vorstandes als für den Business-Alltag. Im Alltag<br />

regieren immer noch die alten Vorgaben, Gewinn <strong>und</strong><br />

Marktanteil sind alles. „Es gibt eine Diskrepanz zwischen<br />

dem Geforderten <strong>und</strong> dem, was gelebt wird“, sagt<br />

Integritätscoach Johannes Grassl. Zwar hätten die meisten<br />

Unternehmen tolle <strong>Werte</strong>kataloge. „Aber sie werden<br />

nicht umgesetzt“, kritisiert der Berater aus Blaibach.<br />

Dieselbe Erfahrung hat auch HHL-Studentin Sabrina<br />

Noack in ihren Praxisphasen gemacht. „Die Standards<br />

stehen auf dem Papier, aber keiner setzt sie um.“ In den<br />

Unternehmen gehe es sehr oft nur um Performance, für<br />

kurzfristige operative Erfolge werde alles getan, die<br />

<strong>Moral</strong> bleibe dabei meist auf der Strecke.<br />

Besonders in Krisenzeiten sei der Rückgriff auf die<br />

archaischen <strong>Werte</strong> augenfällig: „Führungskräfte wollen<br />

Gewinn machen, Arbeitnehmer wollen ihren Job behalten“,<br />

beschreibt Noack zugespitzt die verbreitete Denkweise<br />

in den Firmen. Solange diese Ur-Ziele nicht<br />

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management | 21<br />

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managerSeminare | Heft 142 | Januar 2010


22 | management<br />

erreicht seien, finde moralisches Verhalten<br />

keinen Platz. Erst einmal müsse im Überlebenskampf<br />

gesiegt werden – mit allen Mitteln,<br />

von professioneller Täuschung bis zu<br />

gezielt unfre<strong>und</strong>lichem Verhalten. Übertrete<br />

ein Mitarbeiter die Regeln, würden die<br />

Chefs oft wegschauen, solange nur das<br />

gewünschte Ziel erreicht werde.<br />

Der ökonomische Imperativ bestimmt den<br />

Alltag<br />

Die Forschung bestätigt diese Sichtweise.<br />

Prof. Jürgen Weibler, Inhaber des Lehrstuhls<br />

für Betriebswirtschaft, Personalführung<br />

<strong>und</strong> Organisation an der Fernuniversität<br />

Hagen, untersuchte das Thema in seiner<br />

Studie „Werthaltungen junger Führungskräfte“.<br />

Sein Fazit: „Der Alltag wird durch<br />

den ökonomischen Imperativ bestimmt.“<br />

Die strenge Rationalität im Denken <strong>und</strong><br />

Handeln sei zwar günstig für den wirtschaftlichen<br />

Erfolg – verhindere aber, dass andere<br />

Ziele erreicht werden. „Die Manager dienen<br />

der Erwartung: so viel Gewinn wie möglich“,<br />

konstatiert der Hochschullehrer.<br />

Dazu passt das Ergebnis einer Umfrage<br />

der <strong>Werte</strong>kommission unter mehr als 500<br />

Führungskräften zwischen 26 <strong>und</strong> 40 Jahren:<br />

„Mehr als zwei Drittel der jungen Führungskräfte<br />

erleben keine werteorientierte Führung<br />

durch das Top-Management“, lassen<br />

die Autoren Mathias Bucksteeg <strong>und</strong> Kai Hattendorf,<br />

beide Vorstandsmitglieder der <strong>Werte</strong>kommission,<br />

als eines ihrer zentralen Ergebnisse<br />

verlauten. Mitschuldig an dieser fatalen<br />

Lage ist die Unternehmenskommunikation.<br />

Dass die interne <strong>und</strong> externe PR für einen<br />

Transport von <strong>Werte</strong>n sorgt, konnten nur<br />

34 Prozent der Befragten bestätigen.<br />

Einige Detailzahlen liefern einen tiefen<br />

Blick in die gequälte Seele des Managers:<br />

Durch den Druck des Alltags wird er gezwungen,<br />

moralische <strong>Werte</strong> wie Rechtschaffenheit,<br />

Fairness <strong>und</strong> menschliches Maß an der<br />

Firmentüre abzugeben. <strong>Werte</strong>orientiertes<br />

Verhalten wird blockiert durch:<br />

A das „Verhalten des Chefs“ (38 Prozent)<br />

A „deutliche Profitorientierung“ (36 Prozent)<br />

A „drohenden oder befürchteten Personalabbau“<br />

(30 Prozent)<br />

A „Differenzen zwischen den eigenen <strong>Werte</strong>n<br />

<strong>und</strong> den offiziellen Zielen des Unternehmens“<br />

(29 Prozent)<br />

Es hat sich also seit den Tagen von Bertolt<br />

Brecht nichts geändert. „Wie ihr es immer<br />

dreht <strong>und</strong> immer schiebt – erst kommt das<br />

Fressen, dann die <strong>Moral</strong>“, lässt Brecht den<br />

Gaunerchef Mackie Messer auf die Frage<br />

antworten, wovon der Mensch lebe. Dieses<br />

Zitat stammt aus dem Jahr 1928, als Brechts<br />

managerSeminare | Heft 142 | Januar 2010<br />

„Dreigroschenoper“ zum ersten Mal aufgeführt<br />

wurde; die Gr<strong>und</strong>motive im Werk des<br />

großen Schriftstellers sind die, die auch<br />

heute noch gelten: der immer heftigere Konkurrenzkampf<br />

<strong>und</strong> die zunehmende Härte<br />

im menschlichen Umgang.<br />

„Vorstände reden seit 30 Jahren über<br />

werteorientiertes Management. Eingelöst<br />

wurde kaum etwas“, stellt Gerald Söhlemann,<br />

Partner bei der Personalberatung<br />

Shikar Group, Frankfurt, fest. Er kann es<br />

beurteilen, weil er auf eine jahrzehntelange<br />

Karriere zurückblickt. In den 1980er Jahren<br />

war er bereits an verantwortlicher Stelle bei<br />

der Commerzbank aktiv – Söhlemann gilt<br />

als einer der Pioniere des Personalmarketings.<br />

Wachstumswellen verhindern Einzug von<br />

<strong>Werte</strong>fragen<br />

Sämtliche seiner Antworten auf die Frage<br />

nach den Umsetzungschancen von <strong>Moral</strong><br />

klingen verhalten. Er hat über die Jahre beobachtet,<br />

dass immer neue Wellen starken<br />

Wachstums den Einzug von <strong>Werte</strong>fragen in<br />

den Business-Alltag verhindern. „Wir müssen<br />

jetzt das Geschäft machen. Für <strong>Werte</strong><br />

haben wir keine Zeit“, so lautete in seinen<br />

Augen während der Anspannungs- <strong>und</strong><br />

Euphoriephasen die verbreitete Ausrede.<br />

Erst trieb die Wiedervereinigung die Manager<br />

über Jahre zu immer neuen, verlockenden<br />

Renditechancen, <strong>und</strong> als dieser Boom<br />

auslief, folgte der nächste unter der Überschrift<br />

„Globalisierung“ – <strong>und</strong> dann kam der<br />

New-Economy-Boom. „Die Strategie lautete<br />

jedes Mal: Geld verdienen“, sagt Söhlemann,<br />

andere Themen seien dabei auf der<br />

Strecke geblieben.<br />

Seine Diagnose hat der Personalberater<br />

längst gestellt. „Wir haben eine extreme Ausrichtung<br />

auf den Kapitalmarkt – <strong>und</strong> eine<br />

nicht vollzogene Ausrichtung auf den<br />

Humanmarkt.“ Der Schmerz, den die Krise<br />

„Es müssen mehr Incentives<br />

für werteorientiertes<br />

Verhalten gesetzt werden.“<br />

Dr. Jürgen Weibler, Professor für Betriebswirtschaft,<br />

Personalführung <strong>und</strong> Organisation an der Fernuniversität<br />

Hagen. Kontakt: wiwi.weibler@fernuni-hagen.de<br />

hinterlassen hat, schwindet, die Akteure<br />

sähen wenig Veranlassung, ihr Verhalten<br />

wirklich zu ändern. Jeder hoffe, dass Gras<br />

über die Verfehlungen wachse, um dann<br />

weiterzumachen wie bislang. Söhlemanns<br />

Ausblick ist wenig optimistisch: „<strong>Werte</strong> sind<br />

nicht verboten, solange sie den Umsatz nicht<br />

schmälern.“<br />

So viel <strong>Werte</strong> wie gerade nötig<br />

Eine wirkliche Wende scheint also erst einmal<br />

nicht in Sicht. In den nächsten Monaten<br />

werden viele Unternehmen zum Business as<br />

usual zurückkehren, Motto: So viel Rendite<br />

wie möglich, so viel <strong>Werte</strong> wie gerade nötig,<br />

um nicht als unverantwortlich dazustehen.<br />

„Wenn‘s grad mal passt, kann man auf<br />

<strong>Werte</strong> <strong>und</strong> <strong>Moral</strong> verweisen“, meint HHL-<br />

Studentin Noack lakonisch. Zum Beispiel<br />

darauf, dass der milliardenschwere Konzern<br />

gerade 50.000 Euro für ein SOS-Kinderdorf<br />

gespendet hat, was dann als großer Fortschritt<br />

propagiert wird.<br />

Dennoch gibt es Hoffnung für eine bessere,<br />

wertebewusste Praxis. Wenn einmal<br />

genügend Nachwuchskräfte mit Noacks<br />

Haltung die Ränge in den Führungsetagen<br />

erklommen haben, könnte es zum ersten<br />

Mal eine kritische Masse für eine Re-Orientierung<br />

geben. Ob diese wirklich erreicht<br />

wird, hängt freilich auch davon ab, ob der<br />

Weg hin zu mehr <strong>Ethik</strong>orientierung, den<br />

einige Business Schools eingeschlagen haben,<br />

Schule machen wird. „Der Beitrag der Universitäten<br />

ist wichtig“, schreibt Sabrina<br />

Noack in ihrem von der HHL preisgekrönten<br />

Aufsatz „Important Impediments for<br />

Effective and Responsible Leadership“. Viel<br />

hängt davon ab, ob <strong>und</strong> inwieweit die Professoren<br />

den BWL-Studenten nicht nur<br />

Management-Techniken beibringen, sondern<br />

auch, wie man ein Geschäft erfolg-<br />

reich <strong>und</strong> nach ethischen Gesichtspunkten<br />

führt.


<strong>Werte</strong>orientiertes Verhalten belohnen<br />

Dazu gehört auch, die richtigen Anreize zu<br />

schaffen. Bisher hängt die Beurteilung der<br />

Performance <strong>und</strong> damit auch die Beförderung<br />

eines Managers fast ausschließlich<br />

davon ab, wie viel Umsatz <strong>und</strong> Gewinn er<br />

erwirtschaftet hat. Wer die besten Zahlen<br />

liefert, bekommt das dickste Lob. Das ist zu<br />

einseitig, meint Hochschullehrer Weibler:<br />

„Es müssen mehr Incentives für werteorientiertes<br />

Verhalten gesetzt werden.“ Themen<br />

wie die Förderung von Nachwuchs<br />

oder die positive Bewertung durch K<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> Lieferanten sollten in die Bewertungen<br />

eingehen – <strong>und</strong> zwar nicht, wie heute, als<br />

Kopfnote ohne Folgen für die Versetzung,<br />

sondern mit denselben handfesten Sanktionen,<br />

wie sie bereits mit Umsatz- <strong>und</strong> Renditezielen<br />

verknüpft sind. Nur wer auch bei<br />

den weichen Faktoren punktet, wird befördert<br />

<strong>und</strong> bekommt den Sechszylinder-Mercedes<br />

als Dienstwagen.<br />

Auch die Weiterbildungswirtschaft ist in<br />

der Pflicht. Leadership-Experte Johannes<br />

Grassl sieht eine große Aufgabe auf Trainer,<br />

Seminaranbieter <strong>und</strong> deren Auftraggeber aus<br />

den PE-Ressorts zukommen. „Der Kampfplatz<br />

ist nicht mehr die Fach- <strong>und</strong> Methodenkompetenz“,<br />

sagt der Trainer, „hier sind<br />

Service<br />

Literaturtipps<br />

die meisten Führungskräfte sehr<br />

gut aufgestellt.“ In Zukunft gehe<br />

es darum, per Weiterbildung das<br />

persönliche <strong>Werte</strong>f<strong>und</strong>ament zu<br />

festigen. „Die Verbindung zu den<br />

menschlichen Gr<strong>und</strong>bedürfnissen<br />

nicht verlieren, die emotionale<br />

Intelligenz stärken, Vertrauen<br />

bei allen Stakeholdern schaffen<br />

können“, beschreibt der LIF-<br />

Deutschlandchef die Agenda.<br />

Solche ehrgeizigen Ziele lassen<br />

sich freilich nicht von heute<br />

auf morgen umsetzen. Bis die<br />

ersten Unternehmen neben Bilanz<br />

<strong>und</strong> Gewinn- <strong>und</strong> Verlustrechnung<br />

auch eine ernst zu<br />

nehmende <strong>Werte</strong>bilanz in ihrem<br />

Jahresabschluss veröffentlichen,<br />

wird noch einige Zeit vergehen.<br />

Denn auch der mit so vielen<br />

Hoffnungen konfrontierte Nachwuchs<br />

passt sich nur langsam an<br />

die neuen Realitäten an. Ein<br />

Indiz: Den neuen <strong>Ethik</strong>-Schwur<br />

unterschrieb dieses Jahr nur<br />

jeder zweite Absolvent der Harvard<br />

Business School.<br />

Axel Gloger C<br />

A Norbert Walter: Marktwirtschaft, <strong>Ethik</strong> <strong>und</strong> <strong>Moral</strong>. Wie <strong>Werte</strong> das Vertrauen in<br />

die Ökonomie stärken. Berlin University Press, Berlin 2009, 19,90 Euro.<br />

Der Chef-Volkswirt der Deutschen Bank liefert mit seinem Buch ein Plädoyer für Freiheit, die<br />

mit Verantwortung verknüpft ist. Gesellschaft <strong>und</strong> Unternehmen können nur überleben, so<br />

seine These, wenn sie die Freiheit achten, aber auch die Prinzipien Familie, privates Eigentum<br />

<strong>und</strong> Aufrichtigkeit ernst nehmen. Überdies zeigt er auf, dass Eigenliebe zwar ein starker<br />

Antrieb für Leistung ist – sie aber auch zu Egozentrismus <strong>und</strong> Rücksichtslosigkeit entarten<br />

kann.<br />

A Katharina Weinberger: Kopfzahl-Paranoia. Von der Selbstzerstörung der Konzerne.<br />

Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2009, 14,90 Euro.<br />

Für <strong>Werte</strong>-Pessimisten ist das Buch ein Fest. Die Autorin beschreibt aus eigener Erfahrung<br />

haarklein, wie die Gier-Systeme in den Konzernen funktionieren, warum immer nur Rendite<br />

belohnt wird, wie die Sucht der CEOs nach permanentem Wandel jedes berufliche Heimatgefühl<br />

zerstört <strong>und</strong> dass es am Ende nur auf die Abrechnung ankommt: genug Gewinn<br />

gemacht – oder nicht? Nach der Lektüre bleiben Zweifel, ob sich das System jemals für eine<br />

<strong>Werte</strong>orientierung öffnen kann.<br />

A Klemens Kalverkamp: Miteinander ernten. Das Erfolgsgeheimnis des German<br />

Management. Wiley-VCH, Weinheim 2009, 24,90 Euro.<br />

Es gibt sie noch, die bodenständigen, rechtschaffenen Manager, die gute Arbeit abliefern <strong>und</strong><br />

mit Leadership noch ihre Mitarbeiter hinter sich bringen wollen. Klemens Kalverkamp ist<br />

Geschäftsführer eines Hidden Champion – er zeigt, wie man mit Kenntnis der Sache, Vertrauen<br />

zu den Menschen <strong>und</strong> Verständnis für die Belange der Mitarbeiter einen Weltmarktführer<br />

erfolgreich führen kann.<br />

management | 23<br />

Gelebte <strong>Werte</strong> von heute<br />

sind der Erfolg von morgen.<br />

GUT GETAN: WENN ES UM<br />

WERTEORIENTIERUNG<br />

GEHT.<br />

Wir schärfen Ziele.<br />

Wir stärken Haltung.<br />

Wir beleben Wandel.<br />

Wir machen deutlich.<br />

Wir erkennen, handeln <strong>und</strong> bewegen.<br />

LOGIE<br />

T R I L O G I E . D E<br />

www.managerSeminare.de<br />

managerSeminare | Heft 142 | Januar 2010<br />

1_6MS127-067.indd 1 09.12.2009 15:52:09 Uhr


30 | knowledge<br />

Warum Bosse beten<br />

RELIGIOSITÄT IM MANAGEMENT<br />

Pastoren als Managementberater, Gebetskreise in Unternehmen,<br />

Führungskräfteseminare mit christlichen Inhalten … – Religion<br />

hält Einzug in die Business-Welt. Befeuert wird dieser Trend durch<br />

die Krise, begründet hat diese ihn aber nicht. Was steckt hinter<br />

dem Bedürfnis nach christlichen Lehren im Arbeitsleben? Und wie<br />

wirkt sich der göttliche Atem auf den Weiterbildungsmarkt aus?<br />

managerSeminare hat nachgeforscht.<br />

managerSeminare | Heft 141 | Dezember 2009<br />

Foto: Shutterstock Images


Preview: AI<strong>Moral</strong>ische Zwickmühlen: Warum Manager<br />

in der christlichen Lehre nach Antworten suchen<br />

AIBeistand auf Anfrage: Wie US-Agenturen Geistliche<br />

an Firmen vermitteln AIBiblische Kurzseminare <strong>und</strong><br />

Gebetskreise: Christliche Angebote in deutschen<br />

Unternehmen AIGlaube statt Fachkompetenz? Was<br />

die Kritiker des Religionstrends sagen AIChristliche<br />

Topseller: Welche religiös geprägten Weiterbildungsangebote<br />

warum so stark nachgefragt werden AIDie<br />

Sinnfrage beantworten: Welche Lehren die Weiterbildungsindustrie<br />

aus dem Glaubenstrend ziehen kann<br />

C Auf göttlichen Beistand waren die Veranstalter<br />

des Kongresses für christliche Führungskräfte<br />

bislang nicht angewiesen: Seit<br />

dem ersten Anlass im Jahr 1996, der damals<br />

bereits 1.000 Teilnehmer lockte, kletterten<br />

die Buchungen immer weiter nach oben.<br />

Dieses Jahr waren es bereits 3.800 Besucher,<br />

die in Düsseldorf über Religiösität im<br />

Management diskutierten.<br />

Die Erfolgsgeschichte des Kongresses ist<br />

Indiz für einen Trend, der mehr <strong>und</strong> mehr<br />

an Fahrt aufnimmt: Christlich sein gewinnt<br />

wieder an Wert. Das Gottlieb Duttweiler<br />

Institut spricht bereits von der „Rückkehr<br />

der Religion“. Kürzlich legte die renommierte<br />

Denkfabrik vom Zürichsee eine Studie<br />

gleichen Titels vor. Der christliche Geist<br />

scheint verlorenes Terrain zurückzugewinnen,<br />

so deren Fazit. Auch viele Manager <strong>und</strong><br />

Führungskräfte suchen mittlerweile Halt bei<br />

Gott. Im Frankfurter Westend etwa strömen<br />

jeden Dienstagmittag Krawatten- <strong>und</strong> Kostümträger<br />

zum „Bankergebet“ in die St.<br />

Antonius Kirche – <strong>und</strong> mancher Geistliche<br />

führt gar ein zweites Berufsleben als Management-Coach<br />

oder Business-Speaker.<br />

Zum Beispiel Anselm Grün. Der Benediktinermönch<br />

steht im Jahr öfter auf der<br />

Bühne als Udo Jürgens, dessen Tourneen 120<br />

bis 140 Gastspiele umfassen. Heute bei der<br />

Sparkasse Erlangen, morgen beim Bayerischen<br />

Bauernverband, dann bei den Wirtschaftsjunioren<br />

Forchheim – unermüdlich<br />

referiert der Gottesmann über „Spirtuelles<br />

Führen“ <strong>und</strong> „Management nach christli-<br />

chen <strong>Werte</strong>n“. Ähnlich emsig <strong>und</strong> nicht<br />

minder populär ist Anselm Bilgri. Das Magazin<br />

„Stern“ hat den ehemaligen Cellerar des<br />

Klosters Andechs, der Unternehmen berät,<br />

in TV-Talkshows auftritt <strong>und</strong> Vorträge zu<br />

Themen wie „Die Benediktsregel als Richtschnur<br />

werteorientierter Unternehmensführung“<br />

hält, jüngst gar „Manager-Messias“<br />

getauft.<br />

Auswege aus moralischen Zwickmühlen<br />

Ein Gr<strong>und</strong>, warum christliche Meinungen<br />

in der Management-Welt aktuell derart<br />

gefragt sind: „Viele Führungskräfte haben<br />

in den vergangenen Jahren erkannt, dass sie<br />

noch eine zusätzliche Kraft brauchen, um<br />

in ihrer Rolle weiter bestehen zu können“,<br />

ist Pastor Peer-Detlev Schladebusch überzeugt.<br />

Bei der Hannoverschen Landeskirche<br />

hat der studierte Betriebswirt <strong>und</strong> Theologe<br />

eine Aufgabe gef<strong>und</strong>en, in der er seine doppelte<br />

Qualifikation zur Geltung bringen<br />

kann. Er kümmert sich unter anderem um<br />

Menschen, die im Job in moralischen Zwickmühlen<br />

feststecken: Was soll ein Vertriebsmanager<br />

tun, der unter dem Druck der<br />

Quartalsvorgaben Produkte verkaufen muss,<br />

von denen er weiß, dass sie nichts taugen?<br />

Wie soll sich ein Manager verhalten, der –<br />

wenn er den Anforderungen seines Postens<br />

gerecht werden will – seine Familie vernachlässigen<br />

muss? Was kann ein Vorgesetzter<br />

tun, der nach Anweisung von oben einige<br />

seiner bewährten Mitarbeiter entlassen<br />

soll?<br />

„In solchen Situationen wird irgendwer<br />

immer unter der Entscheidung leiden, ganz<br />

gleich, wie sie ausgeht“, konstatiert Schladebusch.<br />

Vor allem nachts oder am Sonntag<br />

melden sich nach Erfahrung des Business-<br />

Seelsorgers dann die schlechten Gefühle aus<br />

dem Büro wieder, bringen die Manager ins<br />

Grübeln <strong>und</strong> führen nicht selten zu jenen<br />

typischen Lebensfragen, für die eben insbesondere<br />

die Religion Antworten bereithält:<br />

„Was bedeutet Gerechtigkeit?“, „Wem muss<br />

meine Loyalität gehören?“ Oder sogar zur<br />

Service<br />

Den Beitrag gibt es auch zum Hören. Er kann unter www.managerSeminare.de/podcast als Audiodatei heruntergeladen werden.<br />

knowledge | 31<br />

Frage aller Fragen: „Was ist der Sinn des<br />

Lebens?“<br />

Angesichts der Härte der Krise kommen<br />

viele Menschen mit ihrem Doppelleben<br />

nicht mehr zurecht. Es reicht ihnen nicht,<br />

nur im Kreis der Familien bekennender<br />

Christ zu sein <strong>und</strong> im Büro nur die Rolle des<br />

immer funktionsbereiten Managers zu spielen,<br />

wie der Verleger Norman Rentrop feststellt:<br />

„Die Menschen wollen ungespalten<br />

leben. Das Vaterunser hat seinen Platz nicht<br />

nur am Sonntag in der Kirche.“ Der ganze<br />

Literaturtipps<br />

A Anselm Grün: Leben <strong>und</strong> Beruf. Eine spirituelle<br />

Herausforderung. Deutscher Taschenbuch<br />

Verlag, München 2009, 8,90 Euro.<br />

Der Benediktinermönch gibt Denkanstöße, wie<br />

Spiritualität bei der Bewältigung von Führungsaufgaben<br />

unterstützen kann <strong>und</strong> sich Religion als<br />

Energiequelle für die Arbeit nutzen lässt.<br />

A Ulrich Schmitz <strong>und</strong> Eduard Zwierlein:<br />

Management <strong>und</strong> Spiritualität. Ein Erfahrungs-<br />

<strong>und</strong> Arbeitsbuch. Echter, Würzburg<br />

2009, 19,80 Euro.<br />

Wie kann es gelingen, Spiritualität so in ein Unternehmen<br />

zu integrieren, dass die Mitarbeiter ihre<br />

Arbeit als sinnvoll empfinden? Antworten aus der<br />

Perspektive eines Franziskanermönchs <strong>und</strong> eines<br />

Unternehmensberaters.<br />

A Sylvia Jumpertz: Besinnung fürs Business.<br />

Manager auf christlichen Pfaden.<br />

managerSeminare 129, Dezember 2008, S. 64-<br />

71, www.managerSeminare.de/MS129AR03<br />

Schweigen in klösterlicher Abgeschiedenheit oder<br />

wandern auf alten Pilgerpfaden – viele Retreats<br />

für gestresste Manager setzen heute auf christliche<br />

Akzente. managerSeminare hat sich Angebote<br />

angeschaut, mit denen Führungskräfte zu innerer<br />

Einkehr gelangen <strong>und</strong> neue Kraft schöpfen<br />

können.<br />

managerSeminare | Heft 141 | Dezember 2009


32 | knowledge<br />

Alltag solle im Einklang mit dem christlichen<br />

Glauben stehen, formuliert der überzeugte<br />

Christ <strong>und</strong> Mäzen des Fernsehsenders Bibel<br />

TV die Haltung vieler Gläubiger.<br />

US-Agenturen vermitteln Geistliche an<br />

Firmen<br />

Wohin die Reise gehen könnte, zeigt ein<br />

Blick in die USA. Hier ist die Christianisierung<br />

der Arbeitswelt schon seit vielen Jahren<br />

im Gange. Eine wichtige Rolle in diesem<br />

Prozess spielt das Unternehmen Corporate<br />

Chaplains aus Wake Forest in North Carolina.<br />

1996 trat der Betrieb mit einer neuen<br />

Dienstleistung an: der Vermittlung von Geistlichen<br />

an Firmenk<strong>und</strong>en. „Jeder Soldat kann<br />

sich von einem Geistlichen betreuen lassen,<br />

wenn er weit weg von Familie, Gemeinde <strong>und</strong><br />

Kirche ist. Warum soll dasselbe nicht auch<br />

für Beschäftigte in Unternehmen möglich<br />

sein?“, erklärt Dr. Dan Truitt, Vice President<br />

International, die Geschäftsidee seiner Organisation.<br />

„Schließlich geben die Mitarbeiter<br />

ihre spirituellen Bedürfnisse nicht morgens<br />

an der Firmentür ab.“ Also sei es nur konsequent,<br />

dass auch der geistliche Beistand mit<br />

ins Büro kommt.<br />

Das vollzieht sich mittlerweile im großen<br />

Stil. Inzwischen sind über 100.000 Mitarbeiter<br />

USA-weit der Fürsorge der Geistlichen<br />

von Corporate Chaplains anvertraut. Der<br />

zweite große Anbieter auf dem US-Markt,<br />

Marketplace Chaplains in Dallas, Texas, betreut<br />

landesweit sogar 500.000 Mitarbeiter.<br />

Die Nachfrage nach christlichem Beistand<br />

in den US-Firmen entwickelt sich<br />

derart rasant, dass bereits ein Engpass an<br />

Theologen entstanden ist. Aus diesem Gr<strong>und</strong><br />

ist Corporate Chaplains dazu übergegangen,<br />

selbst geistigen Nachwuchs auszubilden. Im<br />

Trainingsprogramm lernen Laien, die sich<br />

in besonderem Maße zum Christentum hingezogen<br />

fühlen, wie sie zum Beispiel einem<br />

Beschäftigten Trost spenden können, der<br />

gerade seinen Vater verloren hat, wie sie<br />

managerSeminare | Heft 141 | Dezember 2009<br />

„Bei vielen Führungskräften<br />

hat sich das Bewusstsein<br />

verstärkt, dass sie noch eine<br />

zusätzliche Kraft brauchen,<br />

um in ihrer Rolle weiter<br />

bestehen zu können.“<br />

Pastor Peer-Detlev Schladebusch, Firmen-Seelsorger<br />

bei der Hannoverschen Landeskirche. Kontakt:<br />

schladebusch@kirchliche-dienste.de<br />

einem Mitarbeiter Mut vermitteln, der um<br />

seinen Job fürchtet, oder auch wie sie jenen<br />

beistehen können, die von einer Massenentlassung<br />

verschont wurden <strong>und</strong> die nun das<br />

schlechte Gewissen plagt. „Unsere Geistlichen<br />

bringen ein Stück christlicher Nächstenliebe<br />

in die von Konkurrenz geprägte<br />

Arbeitswelt“, sagt Truitt.<br />

Diese Dienstleistung hat inzwischen auch<br />

Nachfrager außerhalb der USA. Die Geistlichen-Vermittler<br />

arbeiten mittlerweile auch<br />

in Kanada <strong>und</strong> Mexiko. 2008 haben sie sogar<br />

den Sprung über den großen Teich geschafft.<br />

Von Corporate Chaplains vermittelte Geistliche<br />

betreuen seit 2008 Beschäftigte in ganz<br />

Großbritannien <strong>und</strong> Irland.<br />

Der Theologe kommt jeden Freitag<br />

In Deutschland gibt es zwar noch keine<br />

Geistlichen-Vermittler. Aber auch hierzulande<br />

überschreiten Gottesmänner immer<br />

häufiger die Türschwellen zu Bürohäusern<br />

<strong>und</strong> Betrieben. Bei der Suchy Messtechnik<br />

im sächsischen Lichtenau etwa kommt der<br />

Theologe jeden Freitag. In einem 20-minütigem<br />

Kurzseminar bespricht er mit den 15<br />

Beschäftigten Themen, die das Leben zwischen<br />

Familie <strong>und</strong> Beruf betreffen. „Konflikte<br />

besser bewältigen. Älter werden. Die<br />

Sichtweisen der verschiedenen Religionen“,<br />

zählt Firmeninhaber Frank Suchy einige der<br />

Fragen auf, die in jüngster Zeit auf der Agenda<br />

standen.<br />

Suchy ist Überzeugungsmensch. Noch zu<br />

DDR-Zeiten wandte er sich dem christlichen<br />

Glauben zu <strong>und</strong> trug – obwohl die sozialistische<br />

Diktatur das nicht gerne sah – die<br />

Botschaft Jesu Christi weiter. Das tut er<br />

immer noch. Zum Beispiel in seiner Rolle<br />

als ehrenamtlicher Vorsitzender der Christen<br />

in der Wirtschaft (CiW). Dieser Verein hat<br />

es sich zum Ziel gemacht, biblische Prinzipien<br />

<strong>und</strong> <strong>Werte</strong> in den Unternehmen zu<br />

fördern. Der Zusammenschluss der Gläubigen<br />

umfasst 1.100 Mitglieder in 42 regionalen<br />

Gruppen. Hinzu kommen mehr als 30<br />

Firmenmitglieder – vor allem kleine <strong>und</strong><br />

einige mittelständische Unternehmen.<br />

Aber auch in der Konzernwirtschaft hat<br />

der Glaube im Arbeitsalltag inzwischen seinen<br />

Platz gef<strong>und</strong>en, etwa in Form von<br />

Gebetskreisen, die in den Büros abgehalten<br />

werden. Ein Beispiel für diese Praxis liefert<br />

die größte Bank des Landes: „Einmal<br />

wöchentlich treffen wir uns zum gemeinsamen<br />

Gebet“, berichtet Hansjörg Nymphius<br />

von der Deutschen Bank, der gemeinsam mit<br />

seinem Kollegen Uwe Juli diese Aktivität<br />

koordiniert. Bereits 2004 fanden sich die<br />

ersten gläubigen Mitarbeiter zusammen.<br />

„Wir wollen die Christen im Unternehmen<br />

miteinander bekannt machen“, sagt Nymphius.<br />

Bei schwierigen Fragen könne man<br />

dann den Kontakt zu einem Mitchristen<br />

suchen. Die Mitgliederzahl des Gebetskreises<br />

ist inzwischen auf 80 angewachsen – für<br />

eine Organisation, die eine Graswurzel-Existenz<br />

ohne jede offizielle Propaganda führt,<br />

ist das viel.<br />

Die Besinnung auf die Religion, die derzeit<br />

in der Unternehmenswelt vielerorts zu<br />

beobachten ist, ist auch der Weiterbildungsindustrie<br />

nicht entgangen. Längst sind es<br />

nicht mehr nur einzelne Lichtgestalten wie<br />

Grün oder Bilgri, die Führungskräften<br />

„Je stärker der Kapitalismus<br />

einseitig auf Rendite setzt,<br />

desto mehr suchen die Menschen<br />

nach Würde, Sinn <strong>und</strong><br />

Anerkennung.“<br />

Dr. Hans Thomas, Direktor des Lindenthal-Instituts,<br />

Köln. Kontakt: h.thomas@lindenthal-institut.de


34 | knowledge<br />

christliche Lehren offerieren. Seminare, die<br />

Management mit biblischen Inhalten verknüpfen,<br />

sind inzwischen zu einem gefragten<br />

Nischenangebot des Weiterbildungsmarktes<br />

geworden.<br />

Management-Lehren werden mit<br />

christlichen Inhalten verwoben<br />

Einer der Spieler auf diesem Markt ist die<br />

Akademie christlicher Führungskräfte (AcF)<br />

in Gummersbach. Sie wurde schon im Jahr<br />

1999 gegründet, also Jahre bevor sich der<br />

Trend, Management <strong>und</strong> Religion zu verweben,<br />

abzeichnete. „Wir sehen Führung als<br />

Dienst an“, erläutert Dr. Volker Kessler,<br />

Geschäftsführer der AcF, das Credo seiner<br />

Organisation – damit sieht er seine Arbeit<br />

im Einklang mit einem christlichen Gr<strong>und</strong>satz,<br />

der in der Bibel zum Beispiel im Kapitel<br />

Matthäus 20,26 formuliert ist.<br />

Flaggschiff im Portfolio der Akademie ist<br />

der in Kooperation mit der University of<br />

South Africa angebotene Master-Studiengang<br />

„Christian Leadership“. Christlich-theologische<br />

Gr<strong>und</strong>lagen werden von den Referenten,<br />

die ausnahmslos aktive Kirchenmitglieder<br />

sind, ebenso behandelt wie moderne<br />

Management-Methoden. Das christliche<br />

Konzept geht auf: „Das Angebot wird sehr<br />

gut angenommen“, sagt Kessler.<br />

Auf die Verknüpfung von Business-Lehre<br />

<strong>und</strong> Religion setzt auch die MBA-Schule<br />

IESE in Barcelona. Das im Jahr 1958 gegründete<br />

Institut steht unter der geistigen Leitung<br />

des Opus Dei (übersetzt: Werk Gottes), einer<br />

wertkonservativen Bewegung innerhalb der<br />

katholischen Kirche, die nicht vollkommen<br />

unumstritten ist. Der Erfolg der Schule freilich<br />

spricht für sich. In den Ranglisten der<br />

besten Business-Schools weltweit, die etwa<br />

von „Financial Times“, „Business Week“ <strong>und</strong><br />

„Economist“ verbreitet werden, taucht die<br />

IESE regelmäßig in den Top Ten auf. Zwar<br />

managerSeminare | Heft 141 | Dezember 2009<br />

kostet der zweijährige MBA-Kurs 64.900<br />

Euro, was im Branchenvergleich ein hoher<br />

Preis ist, dennoch sind die Kurse gefragt. „Wir<br />

können uns über einen Mangel an Bewerbern<br />

nicht beklagen“, sagt Dorothee von Canstein,<br />

Sprecherin der Schule. Eines der Erfolgsgeheimnisse<br />

der Schule ist in ihren Augen der<br />

konsequente <strong>Werte</strong>-Bezug: „<strong>Ethik</strong> ist bei uns<br />

nicht in einem <strong>Ethik</strong>-Kurs isoliert, sondern<br />

durchzieht das ganze Programm. <strong>Werte</strong> wie<br />

Menschlichkeit, Verantwortung <strong>und</strong> Respekt<br />

prägten die ganze Lehre.“<br />

Nicht überall freilich kommt der Rekurs<br />

auf Gott gut an. Philipp Möller zum Beispiel<br />

beobachtet den Vormarsch des Glaubens in<br />

die Büros mit einigem Missmut: „Die Verknüpfung<br />

von Management mit christlichen<br />

Inhalten ist schwer problematisch. Eine Führungskraft<br />

sollte sich durch Fachkompetenz<br />

legitimieren, nicht durch eine Beziehung zu<br />

Gott, die keiner nachweisen kann.“ Möller<br />

ist Mitveranstalter einer Kampagne gegen<br />

den Religionstrend. Im Frühjahr charterte<br />

der Berliner zusammen mit einigen Mitstreitern<br />

einen roten Doppeldeckerbus <strong>und</strong><br />

beklebte ihn mit einer auffälligen Reklame-<br />

Banderole, Aufdruck: „Es gibt keinen Gott<br />

– Ein erfülltes Leben braucht keinen Glauben“.<br />

Der Propagandabus tourte durch 18<br />

deutsche Städte.<br />

Möller ging es mit dieser Aktion auch<br />

darum, jenen etwas den Wind aus den Segeln<br />

zu nehmen, die das große „C“ vor allem aus<br />

Marketing-Kalkül nutzen. „Bei bestimmten<br />

Menschen wird eine Sache offensichtlich<br />

aufgewertet, wenn man sie religionisiert“,<br />

meint der Sprecher der Nichtglaubenden.<br />

Das machten sich manche Weiterbildungsanbieter<br />

zunutze, die plötzlich ein christliches<br />

Label auf Angebote pappen – ob nun<br />

was Christliches drin ist oder nicht.<br />

Die meisten Angebote freilich werden von<br />

Initiatoren ins Leben gerufen, die einer Mission<br />

folgen. Unternehmer, Manager <strong>und</strong><br />

Trainer, die das große „C“ in ihre Agenda<br />

aufgenommen haben, verfolgen ein größeres<br />

Ziel als nur Rendite, Gewinn <strong>und</strong> Marktanteil.<br />

Sie wollen, dass sich Arbeit wieder lohnt<br />

– <strong>und</strong> zwar nicht nur im materiellen Sinne.<br />

„Wenn Arbeit nur Geld bringt, ist auf Dauer<br />

niemand wirklich zufrieden“, sagt Dr. Hans<br />

Thomas, Direktor des auf Forschungsfragen<br />

zu <strong>Ethik</strong>, <strong>Werte</strong>n <strong>und</strong> Glauben spezialisierten<br />

Lindenthal-Instituts in Köln. „Je stärker der<br />

Kapitalismus einseitig auf Rendite setzt,<br />

desto mehr suchen die Menschen nach<br />

Würde, Sinn <strong>und</strong> Anerkennung.“ Der Glaube<br />

sei ein Weg, sich der totalitären, viele<br />

anderen Bereiche des Lebens erdrückenden<br />

Arbeits- <strong>und</strong> Geldkultur zu entziehen.<br />

Weiterbildung muss die Sinnfrage<br />

beantworten<br />

Was Hans Thomas auf der Gr<strong>und</strong>lage seiner<br />

Forschungen testiert, hat Gregor Schönborn<br />

in der Praxis erfahren: „Die von ständigen<br />

Restrukturierungen <strong>und</strong> vom Konjunktur-<br />

Crash gepeinigten Manager haben die Nase<br />

voll von Weiterbildung, die Führungsleistung<br />

wie einen Automotor auf immer noch<br />

mehr PS hochfrisiert“, sagt der Inhaber von<br />

Deep White, einer auf <strong>Werte</strong>management<br />

spezialisierten Unternehmensberatung in<br />

Bonn. Aus den Gesprächen mit seinen K<strong>und</strong>en<br />

weiß er, was sich Manager derzeit mehr<br />

denn je wünschen: „Verankerung, dauerhaft<br />

gültige Antworten <strong>und</strong> die Versorgung mit<br />

Sinn sind gefragt.“<br />

Was können Weiterbildungsanbieter <strong>und</strong><br />

Trainer von dieser Botschaft lernen? Der<br />

Bezug zu <strong>Werte</strong>n sollte mehr sein als eine<br />

Folklore-Einlage, deren Wirkung vorüber<br />

ist, sobald sich der Vorhang nach Ende der<br />

Vorstellung schließt. Die K<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Teilnehmer<br />

von morgen kommen aus einer<br />

krisengeschüttelten Welt, sie wollen Antworten<br />

auf ihre Lebensfragen. Dazu können<br />

Denken im Schritt-Tempo???<br />

DENKEN im<br />

organisierten<br />

CHAOS<br />

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Sechs Thesen zur Zukunft der Religion<br />

Die Zürcher Publizistin Esther Gisberger leitete im Jahr 2008 ein Gespräch über den Boom<br />

des Glaubens. Teilnehmer waren der Soziologe Peter Gross, der Religionswissenschaftler<br />

Reiner Anselm <strong>und</strong> David Bosshart vom Gottlieb Duttweiler Institut (GDI), einem Think-Tank<br />

in Rüschlikon am Zürichsee. Sechs Thesen bilden die Quintessenz der Diskussion.<br />

1. Es ist nicht mehr peinlich, über Religion zu sprechen <strong>und</strong> sie zu leben.<br />

Viele Führungskräfte stehen offen dazu, dass sie zu spirituell-religiösen Seminaren ins Kloster<br />

gehen. Politiker bemühen religiöse Motive in ihren Reden. Das Buch von Hape Kerkeling<br />

über das Beschreiten des Jakobsweges wurde zu einem Bestseller. Heute kann ein Jugendlicher<br />

ohne Scham sagen, dass er zum Weltjugendtag nach Köln pilgert.<br />

2. Der Wunsch nach Wiederverzauberung kommt der Religion zugute.<br />

Viele Menschen beten regelmäßig, ohne dass sie dafür eine Kirche aufsuchen. Das zeigt,<br />

dass die rationale Welt nicht alle Bedürfnisse des Menschen abdeckt. Die Orientierungslosigkeit<br />

in der Wissensgesellschaft führt zu der Suche nach einem neuen Lebenssinn.<br />

3. Auch heute macht die Religion das Leben erst erträglich.<br />

Diskontinuitäten <strong>und</strong> Krisen gehören zum Alltag in der vernetzten Tempo-Gesellschaft. Ohne<br />

Religion im Sinne von Lebensbewältigungspraxis wird das Leben mühsam. Auch die Folgen<br />

der Multioptionsgesellschaft machen viele Menschen seelisch heimatlos. Mithin besinnt man<br />

sich auf die eigene Substanz zurück, religiöser Glaube ist ein wichtiges Hilfsmittel dafür.<br />

4. Religion findet mehrheitlich im öffentlichen Raum statt.<br />

Religionsausübung ist in der Mediengesellschaft keine Privatsache mehr. Glaube wird öffentlich<br />

<strong>und</strong> veröffentlicht – YouTube, Flickr <strong>und</strong> Facebook sei Dank. Damit folgt Religion dem<br />

Megatrend des Öffentlichen: In einer exhibitionistischen Gesellschaft wird der private Raum<br />

mehr <strong>und</strong> mehr zurück gedrängt.<br />

5. Die großen Religionen bieten Heimat in einer globalisierten Welt.<br />

Religiöser Pluralismus ist eine gesellschaftliche Tatsache geworden. Ungeb<strong>und</strong>ene Menschen<br />

wählen ihren Glauben nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit aus. Die traditionellen<br />

Religionen haben den Vorzug, dass sie stark verankerte Wurzeln bieten.<br />

6. Religion wird zum Verkaufsschlager.<br />

Das überdimensionierte Kreuz am Hals der Popsängerin Madonna, Jesus mit Dornenkrone<br />

auf dem Slip: Religiöse Motive auf Accessoires werden heute nicht mehr als Provokation<br />

empf<strong>und</strong>en. Nach dem Bio-Label entdeckt das Marketing nun das Religions-Label. Religion<br />

ist die Erwartung, dass man ein ethisch-moralisch aufgeladenes Label nicht nur besser,<br />

sondern auch teuerer verkaufen kann.<br />

Quelle: Norbert Bolz et al: „Die Rückkehr der Religion. Warum Glauben Hochkonjunktur hat“, GDI-Studie Nr. 31, Rüschlikon,<br />

Schweiz, 2008.<br />

Weiterbildungsanbieter wichtige<br />

Beiträge leisten:<br />

A In Coachings darf es nicht<br />

nur um den kürzesten Weg<br />

zum Erfolg gehen oder um das<br />

effiziente Erlernen einer neuen<br />

Management-Technik. Auch der<br />

Umgang mit Niederlagen <strong>und</strong><br />

Lebensfragen, die über den<br />

Büro-Alltag hinausgehen, muss<br />

behandelt werden.<br />

A In Weiterbildungen dürfen<br />

<strong>Werte</strong>-Themen nicht auf den<br />

Kaminabend am letzten Tag abgeschoben<br />

werden, sondern sie<br />

sollten das gesamte Programm<br />

durchziehen. Teilnehmer von<br />

Weiterbildungen fühlen sich<br />

dann angesprochen, wenn der<br />

Veranstalter sie nicht nur als Erfüllungsgehilfen<br />

von Renditezielen ansieht, sondern als<br />

sinnsuchende Menschen.<br />

A Weiterbildungen müssen wetterfeste<br />

Lösungen bieten, die auch dann noch Gültigkeit<br />

besitzen, wenn Menschen in ihrer<br />

berufliche Existenz erschüttert wurden oder<br />

gar ihren Job verloren haben.<br />

Diese Ratschläge machen es noch einmal<br />

deutlich: Die christliche Botschaft, die derzeit<br />

in der Weiterbildungs- <strong>und</strong> Management-<br />

Welt Einzug hält, zeugt vor allem vom Ruf<br />

nach mehr Lebenssinn im Geschäftsalltag.<br />

Dieser Impuls kommt in der auslaufenden<br />

Krise gerade zur rechten Zeit. Die Weiterbildungswirtschaft<br />

sollte ihn nicht ignorieren.<br />

Axel Gloger C<br />

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knowledge | 35<br />

„And the winner is…<br />

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managerSeminare | Heft 141<br />

08.09.2009<br />

| Dezember<br />

10:30:52<br />

2009<br />

Uhr


36 | knowledge<br />

„Wir trauen dem Geweihten<br />

wieder etwas zu“<br />

THEOLOGIN IM INTERVIEW<br />

Lange Zeit galt sie hierzulande fast schon als Auslaufmodell, jetzt erobert<br />

die Religion ihren Platz in der Gesellschaft zurück. Über die Gründe für<br />

diese Entwicklung <strong>und</strong> deren Auswirkungen auf die Arbeitswelt sprach<br />

managerSeminare mit der Theologieprofessorin Dr. Susanne Sandherr.<br />

Die Vermittler von Firmen-Geistlichen aus<br />

den USA haben ihre ersten Standorte in Europa<br />

geschaffen. Wie kommt es, dass die Vereinigten<br />

Staaten uns vorführen, wie die Rückkehr<br />

zur Religion funktioniert?<br />

Prof. Dr. Susanne Sandherr: Die transatlantische<br />

Pipeline ist intakt. Das zeigen uns<br />

viele Beispiele. Wir haben Coca-Cola importiert,<br />

auch Marlboro, das Hollywood-Kino<br />

<strong>und</strong>, in den Siebzigerjahren beginnend, die<br />

Schnellimbisskette McDonald‘s. Jetzt ist es<br />

eben die öffentlich ausgeübte Religion, die<br />

aus Amerika zu uns gelangt.<br />

Hat die Religion in den USA eine bessere<br />

Bühne?<br />

Sandherr: Gewiss. In den Vereinigten Staaten<br />

gibt es eine viel größere Religionsfre<strong>und</strong>lichkeit<br />

als in Europa. Zudem ist es auf der<br />

anderen Seite des Atlantiks ganz normal,<br />

Religiosität auch öffentlich zur Schau zu<br />

stellen. Gottesdienste, das Gebet, der Glaube,<br />

all das ist Teil des öffentlichen, auch<br />

medial gezeigten Lebens.<br />

managerSeminare | Heft 141 | Dezember 2009<br />

Aber warum erreicht uns der Religionstrend<br />

erst jetzt?<br />

Sandherr: Lange Zeit schien es so, als spiele<br />

Religion in unserem Alltag keine Rolle mehr.<br />

Die moderne, aufgeklärte Gesellschaft hatte<br />

keinen Platz mehr für Religion. Der Philosoph<br />

Hans Joas sagte, dass Modernisierung<br />

keineswegs mit Säkularisierung einhergehen<br />

muss. Heute sehen wir, dass Joas‘ These richtig<br />

ist – der Glaube ist im Begriff, den Alltag<br />

zurückzuerobern. Religion ist eine starke<br />

spirituelle Ressource. Das zeigt uns die islamische<br />

Welt, aber eben zunehmend auch<br />

das alte Europa ...<br />

Und deswegen gibt es jetzt Gebetskreise in der<br />

Hauptverwaltung einer Großbank <strong>und</strong> einen<br />

Kongress christlicher Führungskräfte, der aus<br />

allen Nähten platzt ...<br />

Sandherr: Das sind sichtbare Ergebnisse<br />

einer länger andauernden Entwicklung.<br />

Der Einfluss des Gedankenguts von 1968<br />

schwindet. Diese Jahreszahl war das Symbol<br />

der bedingungslosen Moderne in allen<br />

Bereichen der Gesellschaft. 1968 brachte<br />

uns das Versprechen der Gestaltbarkeit.<br />

Alles ist machbar, gestaltbar <strong>und</strong> rational<br />

erklärbar. Die Kirche hatte in dieser Denkweise<br />

keinen Platz mehr, sie galt als dumpfautoritäre,<br />

gestrige Institution. Aber das<br />

neue Jahrtausend hat hier einen Sinneswandel<br />

gebracht. Heute ist es wieder sozial<br />

akzeptiert, sich der Religion zuzuwenden.<br />

Auch im Büro muss niemand mehr seinen<br />

Glauben verheimlichen.<br />

Offensichtlich auch nicht die Top-Manager.<br />

Der Unternehmer Ludwig <strong>Georg</strong> Braun war<br />

bis 2009 Präsident des Spitzenverbandes<br />

DIHK. Bei seinem Amtsantritt 2001 verwies<br />

er deutlich auf seinen christlichen Glauben.<br />

Sandherr: Vor 30 Jahren wäre so etwas<br />

noch nicht möglich gewesen. Dass sich eine<br />

Führungskraft in einer herausgehobenen<br />

Position offen zum Glauben bekennt, ist<br />

ein Zeichen der Postmoderne. Ihr Kennzeichen<br />

sind die Beliebigkeit, Medien <strong>und</strong><br />

Internet zeigen uns jeden Tag: Alles ist<br />

möglich. In diesem Umfeld können es die


Menschen wieder wagen, sich<br />

offen zur Religion zu bekennen.<br />

Es erregt keinen Anstoß mehr.<br />

Steckt noch mehr dahinter?<br />

Sandherr: Hinzu kommt ein<br />

großer Bedarf nach Sinnstiftung,<br />

Lebensweisung, Orientierung.<br />

Diesbezüglich haben die<br />

Menschen zum Religiösen offenbar<br />

mehr Vertrauen als zum<br />

Ratschlag eines Psychologen<br />

oder der <strong>Werte</strong>broschüre einer<br />

Firma. Der archaische Bezug<br />

darf wieder eine Rolle spielen:<br />

Wir trauen dem Geweihten wieder<br />

etwas zu, auch in einem<br />

scheinbar so auf Rationalität<br />

ausgelegten Gebilde wie dem<br />

Unternehmen.<br />

Nun sind die Manager ja durchaus<br />

findig. Sie nutzen alles, was<br />

hilft, bessere Geschäfte zu machen.<br />

Ist „christlich“ vielleicht nur ein<br />

Foto: Wolfram Stadler<br />

Prof. Dr. Susanne Sandherr lehrt Katholische Theologie an der Katholischen<br />

Stiftungsfachhochschule München. Kontakt: susanne.sandherr@ksfh.de<br />

hilfreiches Etikett, das an ein Produkt ebenso<br />

geklebt werden kann wie an eine Unternehmenskultur<br />

oder eine Coaching-Dienstleistung?<br />

Sandherr: Die Verlockung ist da. Der Bezug<br />

auf christliche <strong>Werte</strong> wäre dann nur das<br />

Schmierfett für eine gut laufende Gewinnmaschine.<br />

Religion wäre hier nichts weiter<br />

als ein Dopingmittel, das die Motivation<br />

verbessert – <strong>und</strong> vielleicht besser funktioniert<br />

als die alten, die im Lauf der Zeit wirkungslos<br />

geworden sind ...<br />

Also Religion light als neue Folklore für die<br />

Arbeitswelt …<br />

Sandherr: Nein, so wird es nicht gehen!<br />

Religion ist eben nicht das schöne Ritual,<br />

das es erlaubt, sich am nächsten Tag fitter zu<br />

fühlen. Das christlich-jüdische Gr<strong>und</strong>verständnis<br />

reicht weiter, es verlangt mehr,<br />

denn biblisch kommt der Glaube stets als<br />

prophetische Intervention ins Spiel. Das<br />

bedeutet: aufstehen für Recht <strong>und</strong> Gerechtigkeit.<br />

Das Interview führte Axel Gloger C<br />

knowledge | 37<br />

…Ihr Unternehmen!“<br />

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managerSeminare | Heft 141 | Dezember 2009


16 | news<br />

Speakers Corner: „In Führungspositionen<br />

schaffen es nur die Angepassten“<br />

Holger Rust zur verfehlten Kritik an der Nachwuchsgeneration<br />

C Klagen über den Führungsnachwuchs<br />

bestimmen seit langer Zeit den personalwirtschaftlichen<br />

Diskurs, <strong>und</strong> sie sind in der<br />

Wirtschaftskrise noch lauter geworden.<br />

Headhunter, Personalvorstände <strong>und</strong> Verbandsrepräsentanten<br />

kritisieren – besorgt<br />

um die Innovationsfähigkeit der Unternehmen<br />

– mit wachsender Heftigkeit, dass<br />

ihnen auf Rekrutierungsmessen Typen mit<br />

höchst einseitig mathematisch-formalistischer<br />

Ausrichtung begegnen. Uniformierte<br />

<strong>und</strong> karrieristische Gestalten, die sich<br />

opportunistisch an Normen <strong>und</strong> Gehabe<br />

der älteren Vorgängergeneration angepasst<br />

haben. Es bestehe, so die Klagen, ein<br />

schmerzliches Defizit an innovativen, kommunikativen<br />

<strong>und</strong> visionären Geistern.<br />

Diese Diagnose ist irritierend – <strong>und</strong> ungerecht.<br />

Denn: Die Bereitschaft vieler junger<br />

Studenten <strong>und</strong> Berufseinsteiger, die an sie<br />

gestellten Forderungen zu erfüllen, ist durchaus<br />

vorhanden. Nur: Die jungen Menschen<br />

spüren, dass sie, trotz guter Vorsätze, in den<br />

Unternehmen nicht so können wie sie<br />

eigentlich wollen. Und zwar deshalb, weil sie<br />

in den Unternehmen auf Führungskräfte der<br />

alten Garde stoßen, die weit davon entfernt<br />

sind, offen, inspirierend, kooperativ <strong>und</strong><br />

managerSeminare | Heft 141 | Dezember 2009<br />

ermutigend zu sein, die mit ihrem eigenen<br />

Führungsstil also gerade verhindern, dass<br />

sich der (angeblich von allen gewünschte)<br />

neue Führungsstil entfalten kann.<br />

Für dieses Phänomen gibt es handfeste<br />

Belege. Seit knapp zehn Jahren führen wir<br />

am Institut für Soziologie der Universität<br />

Hannover im Rahmen meines Forschungsschwerpunkts<br />

eine Langzeitstudie durch, in<br />

der Studierende <strong>und</strong> Young Professionals<br />

immer wieder zu zwei Themenbereichen<br />

befragt werden. Erstens sollen die jungen<br />

Menschen Auskunft darüber geben, wie sie<br />

sich den idealen CEO der Zukunft vorstellen,<br />

wie sie im Vergleich dazu die amtierenden<br />

Führungskräfte einschätzen <strong>und</strong> ob sie meinen,<br />

die erwünschten Merkmale selbst zu<br />

besitzen. Zweitens werden die Befragten mit<br />

moralischen Dilemmata-Situationen konfrontiert.<br />

Sie sollen angeben, wie sie sich<br />

selbst in einer ethisch verzwickten Situation<br />

verhalten würden <strong>und</strong> wie sich – ihrer Einschätzung<br />

zufolge – wohl die amtierende<br />

Führungsriege in der Situation verhält.<br />

Resultat: Als wesentliche Eigenschaften<br />

der idealen Führungskraft werden mit deutlichem<br />

Abstand mitarbeiterorientierte Sozialkompetenzen<br />

genannt, nämlich Inspirati-<br />

Was meinen Sie zum Thema „Nachwuchsgeneration“? Diskutieren Sie mit unter www.managerSeminare.de/SpeakersCorner.<br />

onsfähigkeit, Ermutigung, Lern- <strong>und</strong><br />

Kommunikationsbereitschaft. Die Selbsteinschätzung<br />

der Befragten dokumentiert: Die<br />

jungen Menschen sehen sich insgesamt in<br />

der Lage, die Anforderungen zu erfüllen. Die<br />

amtierende Managerklasse kommt dagegen<br />

im Vergleich zum Wunschbild schlecht weg.<br />

Vor allem, wenn es um Mitarbeiterorientierung<br />

geht, stellen die Jungen den Alten ein<br />

schlechtes Zeugnis aus. Bei der Einschätzung<br />

der moralischen Dilemmata-Situationen<br />

meinen sie beispielsweise, dass sich amtierende<br />

Manager oft für einen Weg entscheiden,<br />

der auf Kosten der Mitarbeiter geht.<br />

Wichtig ist: Die Studenten <strong>und</strong> Berufsstarter,<br />

die wir über all die Jahre befragt<br />

haben, waren stets solche mit ausgeprägten<br />

Führungsambitionen, sie waren karriereorientiert<br />

<strong>und</strong> unternehmensnah. Die Ergebnisse<br />

spiegeln also nicht etwa die Mentalität<br />

einer Gruppe von wirtschaftsfernen Kritikern<br />

aus dem akademischen Elfenbeinturm,<br />

sondern tatsächlich die Ansichten <strong>und</strong><br />

Absichten der nächsten Führungsgeneration.<br />

Daher ist es erschreckend, dass diese<br />

Ansichten <strong>und</strong> Absichten kaum Wirkungen<br />

in der realen Wirtschaftskultur zu hinterlassen<br />

scheinen. Denn die von uns vor r<strong>und</strong>


einem Jahrzehnt befragten ambitionierten<br />

Studenten <strong>und</strong> Berufseinsteiger müssten ja<br />

eigentlich die amtierenden Manager von<br />

heute sein.<br />

Da drängt sich die Frage auf, wie es zu<br />

dieser Situation kommen kann. Vermutlich<br />

wurzelt die Ursache für das Problem genau<br />

da, wo auch die meisten Klagen über die angeblich<br />

allzu stromlinienförmige Nachwuchsgeneration<br />

herkommen: im Personalmanagement.<br />

Wenn es nämlich ernst wird mit der<br />

Rekrutierung, dann nimmt man ganz offensichtlich<br />

die etwas sperrigeren <strong>und</strong> selbstbewussteren<br />

Talente seltener in die engere Wahl<br />

für Führungspositionen als die Angepassten.<br />

Die Tendenz setzt sich fort in der Auswahl<br />

per Assessment-Center: Kennzahldominierter<br />

Formalismus überwiegt in den Prognosekriterien<br />

für Karrieren <strong>und</strong> dominiert in<br />

den Job-Descriptions. Berechenbarkeit siegt<br />

über Innovationsbereitschaft.<br />

Insofern scheinen die an sich verheißungsvollen<br />

<strong>und</strong> für die Zukunft optimistisch<br />

stimmenden Wünsche <strong>und</strong> Absichten<br />

der nachfolgenden Führungsgeneration<br />

kaum den Weg in die Praxis zu schaffen. Der<br />

Verlust ist offensichtlich: Viel intellektuelles,<br />

innovatives, inspirierendes „Humankapital“<br />

Dr. Holger Rust ist Professor für<br />

Arbeits- <strong>und</strong> Wirtschaftssoziologie.<br />

Unter seiner Ägide entstand am<br />

Institut für Soziologie <strong>und</strong> Sozial-<br />

psychologie der Universität Hannover<br />

eine Langzeitstudie über Einstellungen<br />

der nachfolgenden Führungsgeneration.<br />

Die Ergebnisse der Untersuchung<br />

hat Rust in seinem im Oktober 2009<br />

erschienenen Buch „Die dritte Kultur im<br />

Management: Ansichten <strong>und</strong> Absichten<br />

der nächsten Führungsgeneration“<br />

verarbeitet. Kontakt: dr.holger.rust@tonline.de<br />

wird nicht genutzt. Die „Neuerfindung<br />

des Managements“, das<br />

nach Ausbruch der Krise tausendfach<br />

geforderte „Rethinking“,<br />

bleiben Floskeln in Sonntagsreden.<br />

Viele junge, motivierte Kräfte<br />

werden im System eines kennzahldominierten<br />

Formalismus<br />

nach wie vor ausgesondert.<br />

Dieser Verlust trifft nicht nur<br />

die, die anders sein wollen, sondern<br />

auch die amtierenden Führungspersönlichkeiten.<br />

Sie hätten<br />

die Chance, durch junge<br />

Leute mit eigenem Profil ihren<br />

Traum von einem dynamischen<br />

Unternehmen zu realisieren <strong>und</strong><br />

sich selber zu verjüngen. Und sie<br />

könnten damit eine Gefahr abwenden:<br />

dass nämlich die Jungen<br />

allein ihren Weg gehen <strong>und</strong><br />

enttäuscht von der herrschenden<br />

Unternehmenskultur mit eigenen<br />

Gründungen den verknöcherten<br />

Formalisten eines Tages<br />

mächtig Feuer unterm Hintern<br />

machen.<br />

Professor Dr. Holger Rust C<br />

news | 17<br />

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managerSeminare | Heft 141 | Dezember 2009


16 | news<br />

Speakers Corner: „Die neue Managergeneration<br />

braucht alte <strong>Werte</strong>“<br />

Björn Migge über fehlendes Schuldbewusstsein <strong>und</strong> falsche Scham<br />

C In meiner Coaching-Praxis beobachte ich<br />

seit einiger Zeit etwas, das mich sehr beunruhigt:<br />

Offenbar hat sich das Scham- <strong>und</strong><br />

Schuldempfinden deutscher Manager verändert.<br />

Jedenfalls sitzen mir immer mehr<br />

junge Führungskräfte gegenüber, die mit<br />

dem Scham- <strong>und</strong> Schuldbegriff wie ich ihn<br />

kenne nichts mehr anfangen können.<br />

Scham ist ein im Menschen angelegter<br />

Affekt. Man schämt sich vor anderen, wenn<br />

man vermutet, dass diese an einem etwas<br />

bemerken, was man lieber vor ihnen verbergen<br />

würde. Oder man schämt sich, wenn<br />

man sich zu mutig vorgewagt hat, <strong>und</strong> wenn<br />

das Vorhaben dann misslungen ist. Scham<br />

weist oft Überschneidungen mit dem Gefühl<br />

der Schuld auf. In jedem Fall hat Scham viel<br />

mit dem Verlust sozialer Achtung zu tun <strong>und</strong><br />

erfüllt somit eine wichtige soziale Funktion:<br />

Sie dient der Aufrechterhaltung gesellschaftlicher<br />

<strong>Werte</strong> <strong>und</strong> Normen. Die Fähigkeit zur<br />

Scham ist im Menschen verwurzelt. Wofür<br />

wir uns jedoch schämen, ist sozio-kulturell<br />

geprägt. Je nach Herkunft, Gesellschaft oder<br />

Generation schämen sich Menschen für sehr<br />

unterschiedliche Dinge.<br />

Die älteren Führungskräfte entsprechen<br />

in ihrem Scham- <strong>und</strong> Schuldempfinden<br />

dem, was ich selbst kenne: Die meisten von<br />

ihnen gestehen sich ein, dass sie mitunter<br />

für das Leid anderer Menschen oder für das<br />

Misslingen wichtiger Projekte verantwortlich<br />

sind. Sie empfinden dafür Schuld <strong>und</strong><br />

managerSeminare | Heft 140 | November 2009<br />

Scham. Vielleicht können sie mit diesen<br />

Empfindungen nicht immer umgehen. Oft<br />

tabuisieren, bagatellisieren, verdrängen oder<br />

dramatisieren sie die Schuld. Doch sie spüren<br />

immerhin den Affekt. Und im Coaching<br />

oder in Gesprächen mit weisen Fre<strong>und</strong>en<br />

lassen sich dann meist gute Wege finden, die<br />

helfen, mit diesen Gefühlen konstruktiv<br />

umzugehen.<br />

Bei nicht wenigen Führungskräften der<br />

jüngeren Generation kann ich mich aber<br />

im Gegensatz dazu überhaupt nicht mehr<br />

darauf verlassen, dass sie ein solches Schuld-<br />

<strong>und</strong> Schambewusstsein haben. Fast nie<br />

höre ich: „Ich habe etwas falsch gemacht<br />

<strong>und</strong> bin an anderen schuldig geworden.“<br />

Was ich stattdessen viel öfter höre, ist: „Ich<br />

habe mein Potenzial nicht genutzt“ oder „Ich<br />

habe mein Ideal-Selbst immer noch nicht<br />

erreicht.“ „Unfähige“ Kollegen oder Mitarbeiter<br />

werden beiseitegeschoben, weil sie den<br />

eigenen Entwicklungspotenzialen im Wege<br />

stehen, Ehepartner werden verlassen, weil<br />

sie nicht mehr zur Weiterentwicklung der<br />

Selbstverwirklichung beitragen ... Schuldig<br />

fühlen sich besagte Führungskräfte deshalb<br />

nicht. Statt Schuld empfinden sie bestenfalls<br />

Scham – <strong>und</strong> zwar darüber, dass sie ihre<br />

eigenen Ansprüche erst so spät erkannt <strong>und</strong><br />

verwirklicht oder ihre Entwicklungs- <strong>und</strong><br />

Veränderungspotenziale nicht voll ausgeschöpft<br />

haben. Sie sehen dabei nur sich<br />

selbst.<br />

Fehlt jungen Führungskräften das Schuld- <strong>und</strong> Schambewusstsein? Diskutieren Sie mit unter www.managerSeminare.de/SpeakersCorner.<br />

Ich vermute, es liegt daran, dass in unserer<br />

postmodernen Erlebnis- <strong>und</strong> Selbstverwirklichungsgesellschaft<br />

„alte“ <strong>Werte</strong> <strong>und</strong><br />

Tugenden verloren gehen, die Beständigkeit<br />

<strong>und</strong> Verlässlichkeit garantieren <strong>und</strong> am allgemeinen<br />

Wohl ausgerichtet sind. Die neuen<br />

Prinzipien heißen dagegen: Offenheit,<br />

Wachstum, Unabhängigkeit, Flexibilität –<br />

vor allem aber Individualismus, Selbstfindung<br />

<strong>und</strong> Selbstverwirklichung. Diese neuen<br />

<strong>Werte</strong> sind unbarmherzige Antreiber. In der<br />

neuen narzisstisch geprägten Kultur gedeiht<br />

eine unbewusste, aber tief greifende Unsicherheit<br />

im Hinblick auf das eigene Selbst.<br />

Die neue Generation fragt intensiver als vorher:<br />

„Wer bin ich?“, „Wie kann ich optimal<br />

<strong>und</strong> mit möglichst viel Spaß leben?“, „Wie<br />

kann ich möglichst intensiv leben, wenn’s<br />

geht, mit Thrill?“<br />

Das fängt bei vielen schon in der Schule<br />

an. Wenn wir Kindern die Frage stellen:<br />

„Was möchtest Du einmal werden?“, antworten<br />

weniger als früher mit Berufen,<br />

großartigen Erfindungen, hilfreichen Taten<br />

für die Menschheit. Stattdessen: „Ich will<br />

reich werden“, „Ich will berühmt werden“,<br />

„Ich will ganz viel Spaß am Leben haben!“<br />

Wenn wir oberflächlich hinschauen, sehen<br />

wir spätere geniale Höchstleister <strong>und</strong> Großstadt-Abenteurer.<br />

Schauen wir indes genauer<br />

hin, erkennen wir Menschen mit einem<br />

unsagbaren inneren Leistungsdruck, die<br />

nach Selbstverwirklichung streben <strong>und</strong> von


permanenten Selbstzweifeln getrieben<br />

<strong>und</strong> gequält sind. Erfolg,<br />

Karriere, Konsum <strong>und</strong> Besitz,<br />

Positionen <strong>und</strong> Führungsverantwortung<br />

können solche<br />

Gefühle etwas lindern. Daher<br />

nehmen es Führungskräfte der<br />

neuen Generation – so zumindest<br />

meine häufige Beobachtung<br />

– als vernichtende Kritik<br />

ihres Selbst wahr, wenn man sie<br />

auch nur in einem kleinen<br />

Detail kritisiert. Aus der Psychotherapie<br />

kennt man solch<br />

ein Verhalten von Personen mit<br />

narzisstischen Persönlichkeitsauffälligkeiten.<br />

Sind viele junge Manager<br />

mit dieser „Krankheit“ infiziert<br />

oder fehlt es ihnen schlicht an<br />

<strong>Werte</strong>n, die über sie selbst hinausweisen?<br />

Es mag sein, dass ich<br />

altmodisch bin, aber ich glaube,<br />

dass es schlicht an <strong>Werte</strong>n fehlt,<br />

die über die Verbesserung des<br />

Image <strong>und</strong> des Selbstbildes hinausgehen.<br />

„Wie kann ich mit<br />

meinen Fähigkeiten zum allgemeinen<br />

Wohl der Menschen<br />

beitragen?“ Das ist eine alte Leitfrage,<br />

die jede Führungsperson<br />

auch heute noch verinnerlichen<br />

sollte. Erfolg <strong>und</strong> Freude dürfen<br />

Dr. Björn Migge hat Medizin <strong>und</strong> soziale<br />

Verhaltenswissenschaften studiert. Er<br />

arbeitete zunächst als Oberarzt <strong>und</strong> Universitätsdozent<br />

in Zürich <strong>und</strong> gründete 2004<br />

in Minden das Weiterbildungsinstitut Dr.<br />

Migge-Seminare. Er ist der Autor des<br />

Handbuchs Coaching <strong>und</strong> Beratung (Beltz).<br />

Migge ist Ehrenmitglied im Qualitätsring<br />

Coaching e.V. (QRC) <strong>und</strong> Senior Coach im<br />

Deutschen B<strong>und</strong>esverband Coaching e.V.<br />

(DBVC). Kontakt: www.drmigge.de<br />

trotzdem sein. Hier sehe ich eine wichtige<br />

Herausforderung ethisch verantwortlicher<br />

Führung: Der jungen Generation, deren<br />

<strong>Moral</strong>- <strong>und</strong> Schuldempfinden – womöglich<br />

durch TV, IT <strong>und</strong> andere Einflüsse – verändert<br />

ist, ein guter Gesprächspartner zu sein<br />

<strong>und</strong> <strong>Werte</strong> anzubieten, die über das Selbst-<br />

Ideal hinausweisen.<br />

Dass vielen modernen Menschen eine<br />

Lücke in ihrer Seele klafft, ahnen auch manche<br />

Personalentwickler. Daher gibt es viele<br />

Trainings zur sozialen Kompetenz. Hier wird<br />

vermittelt, wie man sich empathisch verhält<br />

<strong>und</strong> empathisch kommuniziert. Leider bleibt<br />

dieser gute Ansatz oft nur eine Sozial-Technik.<br />

Führungskräfte mögen dann zwar „gute<br />

Sprüche drauf haben“, aber in ihrer Seele<br />

können sie nicht wirklich erkennen, wie es<br />

anderen geht. Wenn sie nicht mitfühlen können<br />

<strong>und</strong> keine Schuld empfinden, weil sie<br />

nicht die richtigen <strong>Werte</strong> mit auf den Weg<br />

bekommen haben, können sie auch keine<br />

wirkliche Verantwortung übernehmen.<br />

Ohne Verantwortung für andere <strong>und</strong> ohne<br />

Schuldempfinden jedoch kann es auch keine<br />

Vergebung geben, können Verletzungen<br />

nicht ausgeglichen werden. Dann gehen wir<br />

den Weg in eine unbarmherzige Gesellschaft,<br />

die nur die Verwirklichung des Selbst-Ideals<br />

kennt.<br />

Dr. Björn Migge C<br />

news | 17<br />

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managerSeminare | Heft 140 | November 2009


28 | knowledge<br />

Wie Manager wieder<br />

glaubwürdig werden<br />

WETTBEWERBSFAKTOR VERTRAUEN<br />

Mitten hinein in die Diskussion um verlorenes Vertrauen in Manager<br />

<strong>und</strong> Management hat Stephen M. R. Covey sein Buch „Schnelligkeit<br />

durch Vertrauen“ platziert. Darin bezeichnet er Vertrauen als die<br />

wichtigste <strong>und</strong> gleichzeitig am häufigsten unterschätzte wirtschaftliche<br />

Ressource überhaupt. Für managerSeminare hat der amerikanische<br />

Bestseller-Autor seine zentralen Thesen zusammengefasst<br />

<strong>und</strong> einen Weg zu mehr Vertrauen im Management skizziert.<br />

managerSeminare | Heft 137 | August 2009


Foto: iStock<br />

Preview: AIWeltweite Vertrauenskrise: Wie es um das<br />

Vertrauen in den Nationen bestellt ist AIGrößere<br />

Geschwindigkeit, kleinere Kosten: Die Folgen von Vertrauen<br />

AIZentraler Wettbewerbsfaktor: Warum Vertrauen<br />

in der Wirtschaft immer wichtiger wird AIVertrauen<br />

in eigene Versprechen: Die Gr<strong>und</strong>voraussetzung<br />

für Glaubwürdigkeit AIEhrlichkeit <strong>und</strong> Kongruenz: Die<br />

Bausteine der Integrität AIWin-win-Orientierung statt<br />

Egoismus: Welche Absichten Vertrauen erzeugen<br />

AIGlaubwürdig durch Fähigkeiten: Warum Führungskräfte<br />

lernen <strong>und</strong> lehren sollten AIErgebnisse erzeugen<br />

Vertrauensguthaben: Warum ohne Resultate keine<br />

Glaubwürdigkeit aufgebaut werden kann<br />

Es gibt etwas, das alle Menschen, Beziehungen,<br />

Teams, Familien, Organisationen,<br />

Volkswirtschaften, Nationen <strong>und</strong> Zivilisationen<br />

auf der ganzen Welt gemeinsam haben.<br />

Wenn man es zerstört, wird dies die mächtigste<br />

Regierung, das erfolgreichste Unternehmen,<br />

die einflussreichste Führung, die<br />

größte Fre<strong>und</strong>schaft, den stärksten Charakter<br />

oder die tiefste Liebe zu Fall bringen.<br />

Wenn man es aber pflegt <strong>und</strong> klug einsetzt,<br />

kann es in allen Lebensbereichen bisher nie<br />

erreichte Erfolge bringen. Diese eine Sache<br />

ist Vertrauen.<br />

Vertrauen ist der Treibstoff, der die soziale<br />

Welt am Laufen hält. Doch der ist knapp<br />

geworden, wie ein Blick auf die aktuellen<br />

Schlagzeilen in den Gazetten verdeutlicht:<br />

„Neues Motto der Beschäftigten: Traue keinem!“,<br />

„Vertrauen – verzweifelt gesucht!“,<br />

„Drei Viertel aller Deutschen haben Vertrauen<br />

in Unternehmen verloren!“, „Beziehungen<br />

zerbrechen, weil das Vertrauen fehlt!“,<br />

„Wem kann man heutzutage überhaupt noch<br />

trauen?“, „Kein Vertrauen! Nirgends!“.<br />

Was die Presse derzeit pointiert, hat die<br />

Wissenschaft kürzlich analysiert. Genauer<br />

gesagt: Der britische Soziologe David Halpern<br />

hat auf der Gr<strong>und</strong>lage von Daten des<br />

Den Beitrag gibt es auch zum Hören. Er kann unter www.managerSeminare.de/podcast als Audiodatei heruntergeladen werden.<br />

knowledge | 29<br />

World Values Surveys – einer weltweiten<br />

<strong>Werte</strong>umfrage unter r<strong>und</strong> 92.000 Personen<br />

– untersucht, wie es um das Vertrauen in<br />

den Nationen bestellt ist. Für die USA kam<br />

er zu dem Ergebnis, dass lediglich 34 Prozent<br />

der Bevölkerung glauben, Menschen außerhalb<br />

ihrer Familie <strong>und</strong> des engsten Fre<strong>und</strong>eskreises<br />

vertrauen zu können. In Großbritannien<br />

sind es nur 29 Prozent, in<br />

Deutschland immerhin noch 49 Prozent.<br />

Besonders düster sieht es in Lateinamerika<br />

<strong>und</strong> Afrika aus. Dort liegt die Vertrauensquote<br />

gerade einmal bei 23 bzw. bei 18 Prozent.<br />

Vertrauen steigert die Schnelligkeit <strong>und</strong><br />

senkt die Kosten<br />

Zyniker könnten an dieser Stelle einwenden:<br />

„Na <strong>und</strong>? Vertrauen ist vielleicht eine schöne<br />

soziale Tugend, aber mehr auch nicht.<br />

A weiter auf S.31<br />

managerSeminare | Heft 137 | August 2009


30 | knowledge<br />

Selbsttest: Wie glaubwürdig sind Sie?<br />

Fällt es Menschen leicht, Ihnen zu vertrauen? Strahlen Sie Glaubwürdigkeit aus oder erzeugen Sie bei anderen eher ein Gefühl des Misstrauens? Der folgende Test<br />

gibt Antwort. Lesen Sie die einzelnen Aussagenpaare aufmerksam durch <strong>und</strong> ziehen Sie einen Kreis um die Zahl, die am ehesten auf Sie zutrifft: „1“ bedeutet, dass<br />

Sie sich mit der Aussage ganz links identifizieren, „5“ heißt, dass die rechte Aussage Sie am besten beschreibt.<br />

Ich greife manchmal zu Notlügen oder verdrehe die Wahrheit in meinem<br />

Sinne.<br />

Das, was ich denke, stimmt nicht immer mit dem überein, was ich<br />

sage. Auch mein Handeln deckt sich nicht immer mit meinen <strong>Werte</strong>n.<br />

Ich bin mir über meine <strong>Werte</strong> nicht ganz im Klaren. Es fällt mir schwer,<br />

mich für etwas einzusetzen, wenn die anderen meine Meinung nicht<br />

teilen.<br />

Ich habe Probleme damit, zuzugeben, dass ein anderer Recht haben<br />

könnte.<br />

Es ist schwer für mich, mir Ziele zu setzen <strong>und</strong> sie auch zu verwirklichen.<br />

Andere Menschen sind mir nicht besonders wichtig – abgesehen von<br />

denen, die mir sehr nahe stehen. Ich denke nicht viel über Dinge nach,<br />

die nicht direkt mit mir <strong>und</strong> meinem Leben zu tun haben.<br />

Ich überlege nicht groß, warum ich etwas mache. Ich habe bisher<br />

nicht versucht, meine Absichten <strong>und</strong> Motive zu hinterfragen oder zu<br />

verbessern.<br />

Beim Umgang mit anderen konzentriere ich mich darauf, das zu<br />

bekommen, was ich will.<br />

Mein Verhalten deutet nicht unbedingt darauf hin, dass ich um das<br />

Wohlergehen der anderen bemüht bin.<br />

Tief in meinem Inneren glaube ich: Wenn ein anderer etwas bekommt,<br />

bedeutet das zugleich, dass ich es nicht bekommen kann.<br />

Ich habe das Gefühl, dass ich meine Talente in meinem derzeitigen<br />

Job nicht voll ausspielen kann.<br />

Bisweilen fehlen mir das nötige Wissen <strong>und</strong> die erforderlichen Fähigkeiten,<br />

um meine Arbeit wirklich effektiv zu er ledigen.<br />

Ich nehme mir nur selten Zeit, mein Wissen <strong>und</strong> meine Fähigkeiten in<br />

den verschiedenen Bereichen meines Lebens weiter zu verbessern.<br />

Ich bin mir nicht sicher, wo meine Stärken liegen. Deshalb konzentriere<br />

ich mich mehr darauf, meine Schwächen zu kompensieren.<br />

Ich weiß nicht sehr viel darüber, wie man Vertrauen aufbaut.<br />

Ich kann bisher keine besonders guten Ergebnisse <strong>und</strong> Erfolge vorweisen.<br />

Mein Lebenslauf ist nicht gerade beeindruckend.<br />

Ich bemühe mich, genau das zu tun, was man mir gesagt hat.<br />

Ich tue mich schwer damit, meine bisherigen Leistungen ins rechte<br />

Licht zu rücken. Entweder sage ich gar nichts oder viel zu viel, so dass<br />

ich die anderen damit vor den Kopf stoße.<br />

Oft bringe ich das, was ich angefangen habe, nicht zu Ende.<br />

Wie ich meine Ergebnisse erziele, ist mir nicht so wichtig – mir kommt<br />

es nur darauf an, dass ich etwas erreiche.<br />

Quelle: Stephen M. R. Covey mit Rebecca Merrill: Schnelligkeit durch Vertrauen. Gabal, Offenbach 2009.<br />

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Ich bin gegenüber anderen immer ehrlich.<br />

Ich sage <strong>und</strong> tue, was ich wirklich denke <strong>und</strong> fühle. Mein<br />

Handeln stimmt mit meinen Worten <strong>und</strong> <strong>Werte</strong>n überein.<br />

Ich bin mir über meine <strong>Werte</strong> im Klaren <strong>und</strong> trete auch mutig<br />

dafür ein.<br />

Ich bin offen für die Meinungen <strong>und</strong> Ideen anderer <strong>und</strong> auch<br />

bereit, etwas noch einmal zu überdenken.<br />

Ich kann die Versprechen, die ich mir oder anderen gebe,<br />

auch halten.<br />

Andere Menschen <strong>und</strong> ihr Wohlergehen liegen mir sehr am<br />

Herzen.<br />

Ich bin mir meiner Motive bewusst <strong>und</strong> arbeite daran, immer<br />

das Richtige aus den richtigen Gründen zu machen.<br />

Ich suche nach Lösungen, die ein Gewinn für alle Beteiligten<br />

sind.<br />

Mein Verhalten zeigt deutlich, dass ich mich wirklich um das<br />

Wohl der anderen bemühe.<br />

Ich bin ehrlich davon überzeugt, dass es immer mehr als<br />

genug für alle gibt.<br />

Bei meiner Arbeit kann ich meine Talente sehr gut einbringen<br />

<strong>und</strong> so schöne Erfolge erzielen.<br />

Ich habe mir das Wissen <strong>und</strong> die Fähigkeiten angeeignet, die<br />

ich brauche, um einen wirklich guten Job zu machen.<br />

Ich baue mein Wissen <strong>und</strong> meine Fähigkeiten in allen wichtigen<br />

Lebensbereichen konsequent aus.<br />

Ich kenne meine Stärken sehr genau <strong>und</strong> konzentriere mich<br />

voll <strong>und</strong> ganz darauf, sie effektiv einzusetzen.<br />

Ich weiß einiges darüber, wie man Vertrauen aufbaut, ausweitet<br />

oder wiederherstellt. Und ich tue mein Möglichstes,<br />

dieses Wissen in allen Lebensbereichen umzusetzen.<br />

Ich kann bereits Erfolge vorweisen <strong>und</strong> anderen glaubhaft<br />

vermitteln, dass ich ihre Erwartungen erfüllen werde.<br />

Ich konzentriere meine Anstrengungen darauf, Ergebnisse<br />

zu liefern <strong>und</strong> mich nicht mit unwichtigen Aktivitäten zu verzetteln.<br />

Ich spreche offen <strong>und</strong> angemessen mit anderen über meine<br />

bisherigen Leistungen <strong>und</strong> wecke so Vertrauen in meine<br />

Fähigkeiten.<br />

Bis auf wenige Ausnahmen bringe ich alles zu Ende, was ich<br />

angefangen habe.<br />

Ich erreiche meine Ergebnisse immer auf eine Art <strong>und</strong><br />

Weise, die Vertrauen schafft.<br />

A Auflösung auf S.34


Oder lässt sich beweisen, dass<br />

sich Vertrauen in irgendeiner<br />

Weise bezahlt macht, dass es<br />

funktional ist?“ Die Antwort ist<br />

ein klares „Ja“. Denn Vertrauen<br />

wirkt sich – in jeder Art von<br />

Beziehung – immer auf die<br />

Schnelligkeit <strong>und</strong> damit auch<br />

auf die Kosten aus. Die Gleichung<br />

dazu lautet: Sinkt das<br />

Vertrauen, sinkt auch die Schnelligkeit,<br />

<strong>und</strong> die Kosten steigen.<br />

Ein eingängiges Beispiel für<br />

diesen Zusammenhang bildet<br />

die Einführung des Sarbanes-<br />

Oxley Acts im Jahr 2002, der die<br />

Finanzberichterstattung für börsennotierte<br />

Unternehmen neu<br />

regelte. Erlassen wurde er als<br />

Reaktion der Bilanzskandale um<br />

Unternehmen wie Enron <strong>und</strong><br />

WorldCom, mit dem Ziel, das<br />

Vertrauen in den amerikanischen<br />

Aktienmarkt wiederherzustellen.<br />

Aber zu welchem<br />

Preis? Wirtschaftswissenschaftler<br />

haben ausgerechnet, dass<br />

allein die Umsetzung eines einzelnen<br />

Paragraphen des Gesetzes<br />

die amerikanischen Aktienfirmen<br />

jährlich 35 Milliarden Dollar<br />

kostet. Der Sarbanes-Oxley<br />

Act ist gewissermaßen ein Ersatz<br />

für gesunkenes Vertrauen – <strong>und</strong><br />

zwar einer, der die Prozesse<br />

enorm verlangsamt <strong>und</strong> sie sehr<br />

teuer macht.<br />

Donut-Verkäufer überlässt das<br />

Kassieren den K<strong>und</strong>en<br />

Der Zusammenhang von Vertrauen,<br />

Schnelligkeit <strong>und</strong> Kosten<br />

gilt natürlich auch andersherum:<br />

Steigt das Vertrauen, steigt<br />

auch die Schnelligkeit, <strong>und</strong> die<br />

Kosten sinken. Diese Erfahrung<br />

hat auch mein Bekannter Jim<br />

gemacht, der in New York einen<br />

Imbissstand besitzt, an dem er<br />

Donuts <strong>und</strong> Kaffee verkauft. Zur<br />

Frühstücks- <strong>und</strong> Mittagszeit bildeten<br />

sich immer lange Schlangen,<br />

einige K<strong>und</strong>en, beobachtete<br />

Jim, gingen wieder <strong>und</strong> kauften<br />

ihre Snacks woanders. Um das<br />

Problem zu lösen, kürzte er kurzerhand<br />

den Kassiervorgang ab.<br />

Er stellte ein Körbchen mit<br />

Geldscheinen <strong>und</strong> Münzen auf<br />

die Theke <strong>und</strong> vertraute die<br />

Bezahlung seinen K<strong>und</strong>en an.<br />

Nun könnte man vermuten, dass die K<strong>und</strong>en<br />

sich öfters zu ihren Gunsten verrechneten.<br />

Doch genau das Gegenteil war der Fall.<br />

Den Menschen gefiel offenbar das Vertrauen,<br />

das Jim ihnen entgegenbrachte. Sie zahlten<br />

es ihm mit mehr Trinkgeld <strong>und</strong> Treue<br />

zurück. Jim konnte seinen Umsatz schließlich<br />

verdoppeln.<br />

Vertrauen wird zum zentralen<br />

Wettbewerbsfaktor<br />

Ähnliche Effekte für Großunternehmen<br />

haben die Berater von Watson Wyatt in einer<br />

Studie aus dem Jahr 2002 nachgewiesen.<br />

Dieser zufolge ist die Rendite für die Aktionäre<br />

von Unternehmen, in denen zum einen<br />

großes Vertrauen herrscht <strong>und</strong> denen zum<br />

anderen großes Vertrauen entgegengebracht<br />

wird, dreimal so hoch, wie bei Firmen mit<br />

geringeren Ausprägungen auf der internen<br />

<strong>und</strong> externen Vertauensskala. Mittlerweile,<br />

sieben Jahre später, dürfte die durchschnittliche<br />

Vertrauensrendite noch höher ausfallen,<br />

Tendenz weiter steigend.<br />

Hintergr<strong>und</strong>: In der global vernetzten<br />

Welt besteht die Möglichkeit, digitale Daten<br />

enorm schnell <strong>und</strong> kostengünstig um den<br />

ganzen Globus zu schicken. Das hat zur<br />

Folge, dass immer mehr Menschen in immer<br />

mehr Tätigkeitsbereichen konkurrieren.<br />

Thomas Friedman, Kolumnist der New York<br />

Times, spricht in diesem Zusammenhang<br />

von einer neuen, flachen Ökonomie, in<br />

deren Zentrum Partnerschaften <strong>und</strong> Beziehungen<br />

stehen. Diese gedeihen aber nur<br />

durch Vertrauen <strong>und</strong> sterben ab, wenn kein<br />

Vertrauen vorhanden ist. Friedman schreibt:<br />

„Ohne Vertrauen kann es keine flache Welt<br />

geben, da Vertrauen das Element ist, das es<br />

uns ermöglicht, Mauern niederzureißen,<br />

Schranken abzubauen <strong>und</strong> Grenzen zu überwinden.<br />

In einer flachen Welt ist Vertrauen<br />

unerlässlich …“<br />

Weitergedacht, bedeutet das: Die Fähigkeit,<br />

Vertrauen bei K<strong>und</strong>en, Geschäftspartnern,<br />

Investoren <strong>und</strong> Mitarbeitern aufzubauen,<br />

auszuweiten oder wiederherzustellen<br />

ist in einer globalen Wirtschaftwelt eine der<br />

wichtigsten Management-Kompetenzen<br />

überhaupt.<br />

Selbstvertrauen ist das F<strong>und</strong>ament für<br />

Glaubwürdigkeit<br />

Um Vertrauen aufzubauen, bedarf es – das<br />

liegt auf der Hand – vor allem eines: Glaubwürdigkeit.<br />

Doch worauf fußt wiederum<br />

diese? Was ist die Gr<strong>und</strong>voraussetzung für<br />

Glaubwürdigkeit? Die Antwort lautet<br />

„Selbstvertrauen“ – <strong>und</strong> zwar im eigentlichen<br />

Sinnes des Wortes: Kann ich mir trau-<br />

knowledge | 31<br />

managerSeminare | Heft 137 | August 2009


32 | knowledge<br />

managerSeminare | Heft 137 | August 2009<br />

Die 13 Regeln des Vertrauens<br />

Vertrauen ist immer eine Folge von Handlungen. Dabei können Handlungen,<br />

die Vertrauen aufbauen, als Einzahlungen in ein Vertrauenskonto betrachtet<br />

werden. Wer so handelt, dass Vertrauen zerstört wird, nimmt Abhebungen vor.<br />

Diese Regeln sorgen für eine positive Bilanz:<br />

1. Vertrauensregel: Ehrlich sein<br />

Sagen Sie die Wahrheit, drücken Sie sich klar aus <strong>und</strong> nennen Sie die Dinge<br />

beim Namen. Verzerren Sie keine Fakten, vermeiden Sie Halbwahrheiten.<br />

2. Vertrauensregel: Respekt zeigen<br />

Behandeln Sie alle mit Respekt, auch diejenigen, die nichts für Sie tun können.<br />

Denken Sie daran, dass gerade Kleinigkeiten einen großen Vertrauensbonus<br />

schaffen.<br />

3. Vertrauensregel: Transparenz schaffen<br />

Handeln Sie nach der Devise „Sie bekommen das, was Sie sehen!“. Verzichten<br />

Sie auf versteckte Agenden <strong>und</strong> verheimlichen Sie keine wichtigen Informationen.<br />

4. Vertrauensregel: Fehler wiedergutmachen<br />

Entschuldigen Sie sich umgehend, wenn Sie im Unrecht sind. Machen Sie Ihre<br />

Fehler wieder gut, wann immer es möglich ist.<br />

5. Vertrauensregel: Loyal sein<br />

Reden Sie immer so über andere, als wären sie anwesend. Treten Sie für<br />

diejenigen ein, die abwesend sind <strong>und</strong> sich nicht verteidigen können. Geben<br />

Sie nichts weiter, was Ihnen anvertraut wurde.<br />

6. Vertrauensregel: Ergebnisse liefern<br />

Sorgen Sie dafür, dass Sie möglichst gute Ergebnisse vorweisen können. Halten<br />

Sie sich an den Zeitplan <strong>und</strong> das Budget. Und suchen Sie keine Ausreden,<br />

um angekündigte Ergebnisse doch nicht liefern zu müssen.<br />

7. Vertrauensregel: Sich verbessern<br />

Verbessern Sie sich kontinuierlich. Lernen Sie unermüdlich <strong>und</strong> entwickeln sie<br />

Feedbacksysteme. Richten Sie Ihr Handeln nach dem Feedback, das Sie<br />

bekommen.<br />

8. Vertrauensregel: Sich der Realität stellen<br />

Befassen Sie sich direkt mit schwierigen Dingen. Sprechen Sie alles an, was<br />

bisher nicht gesagt wurde <strong>und</strong> übernehmen Sie bei den Gesprächen mutig die<br />

Führung.<br />

9. Vertrauensregel: Erwartungen klären<br />

Sprechen Sie immer offen über Erwartungen. Gehen Sie nicht einfach davon<br />

aus, dass allen die Erwartungen klar sind.<br />

10. Vertrauensregel: Verantwortung übernehmen<br />

Tragen Sie selbst Verantwortung <strong>und</strong> nehmen Sie auch andere in die Pflicht.<br />

Schieben Sie niemals die Schuld anderen in die Schuhe, wenn unter Ihrer<br />

Verantwortung etwas schiefgeht.<br />

11. Vertrauensregel: Erst zuhören<br />

Hören Sie immer erst zu, bevor Sie sprechen. Finden Sie heraus, was dem<br />

anderen besonders wichtig ist. Fragen Sie, was er sich wünscht <strong>und</strong> worüber<br />

er sich Sorgen macht.<br />

12. Vertrauensregel: Versprechen halten<br />

Sagen Sie, was Sie tun wollen, <strong>und</strong> machen Sie es dann auch. Achten Sie<br />

darauf, dass Ihre Versprechen realistisch <strong>und</strong> sinnvoll sind!<br />

13. Vertrauensregel: Anderen Vertrauen schenken<br />

Denken Sie daran, wie wichtig es ist, anderen zu vertrauen. Schenken Sie Ihr<br />

Vertrauen denjenigen, die es verdienen.<br />

Quelle: Stephen M. R. Covey mit Rebecca Merrill: Schnelligkeit durch Vertrauen. Gabal, Offenbach<br />

2009.<br />

en, dass ich die Versprechen, die ich mir selbst gebe, auch<br />

wirklich halte? Nur die wenigsten würden auf diese<br />

Frage wohl mit einem klaren „Ja“ antworten. Denn die<br />

meisten neigen dazu, ihre Ziele nicht hartnäckig genug<br />

zu verfolgen, <strong>und</strong> mit sich selbst Kompromisse einzugehen.<br />

Das beste Beispiel dafür sind die guten Vorsätze<br />

zu Beginn eines neuen Jahres – nicht einmal jeder Zehnte<br />

setzt sie tatsächlich in die Tat um. Viele Menschen<br />

brechen also immer wieder Versprechen, die sie sich<br />

selbst gegeben haben.<br />

Die Folge: Früher oder später verlieren sie das Vertrauen<br />

in ihre Fähigkeit, Versprechen zu halten. Sie verlieren<br />

ihr Selbstvertrauen. Vielleicht versuchen sie dann,<br />

Stärke aus ihrer Position zu ziehen, aber das funktioniert<br />

nicht. Es handelt sich dabei nicht um ihre ureigene innere<br />

Stärke – <strong>und</strong> das merken Menschen ganz schnell. Die<br />

Quintessenz aus dieser Überlegung ist so einfach wie<br />

wichtig: Versprechen, die wir uns selbst geben, sollten<br />

wir genauso achten, wie Versprechen, die wir anderen<br />

geben.<br />

Mitarbeiter merken sich die kleinen Flunkereien<br />

Neben dem Selbstvertrauen als Gr<strong>und</strong>voraussetzung<br />

gibt es vier weitere Faktoren der Glaubwürdigkeit. Der<br />

erste ist die Integrität. Integer zu sein bedeutet zuerst<br />

einmal, aufrichtig zu sein. Und zwar nicht nur in den<br />

vermeintlich großen Dingen. Wie oft lassen sich Manager<br />

durch ihre Sekretärin verleugnen mit der Ausrede<br />

„Er ist gerade in einer Besprechung“? Es sind solche<br />

kleinen Dinge, die Mitarbeitern auffallen <strong>und</strong> die sie<br />

sich merken. Albert Einstein hat gesagt: „Menschen, die<br />

bei kleinen Dingen achtlos mit der Wahrheit umgehen,<br />

kann man bei wichtigen Dingen nicht vertrauen.“<br />

Integrität meint aber noch mehr als Ehrlichkeit. Sie<br />

bedeutet auch, kongruent zu sein. Also den Mut zu<br />

haben, in Übereinstimmung mit den eigenen <strong>Werte</strong>n<br />

<strong>und</strong> Überzeugungen zu handeln. Wer kongruent ist, lässt<br />

sich nicht von äußeren Kräften wie der Meinung anderer<br />

oder den Erfordernissen des Augenblicks treiben.<br />

Die einzige Stimme, auf die er hört, ist sein Gewissen.<br />

Gandhi sprach zwei St<strong>und</strong>en – ohne eine Notiz zu<br />

verwenden<br />

Ein großartiges Beispiel für eine kongruente Persönlichkeit<br />

war Mahatma Gandhi. Als er in England eine Rede<br />

vor dem House of Commons hielt, sprach er volle zwei<br />

St<strong>und</strong>en – ohne auch nur eine Notiz zu verwenden. Er<br />

brachte seine Zuhörer, die ihm zunächst feindselig<br />

gegenüberstanden, zu stürmischen Standing Ovations.<br />

Nach dem Vortrag wandten sich einige Reporter an seinen<br />

Sekretär Mahadev Desai. Sie konnten es nicht fassen,<br />

dass Gandhi seine Zuhörer so lange in seinen Bann<br />

ziehen konnte, ohne auch nur einmal auf ein Blatt zu<br />

schauen. Desai sagte: „Was Gandhi denkt, was er fühlt,<br />

was er sagt <strong>und</strong> was er tut, ist alles eins. Er braucht keine<br />

Notizen! … Sie <strong>und</strong> ich – wir denken etwas anderes, als<br />

wir fühlen, sagen noch etwas anderes <strong>und</strong> machen dann<br />

wieder etwas ganz anderes – wir brauchen Notizen <strong>und</strong><br />

Ordner, um das alles im Kopf zu behalten.“ Gandhi lebte<br />

im Einklang mit den <strong>Werte</strong>n <strong>und</strong> Prinzipien, für die er


stand. Das strahlte er durch jede Pore seines<br />

Körpers aus, das war es, was seine enorme<br />

Ausstrahlung ausmachte. Wer wie Gandhi<br />

genau weiß, für welche <strong>Werte</strong> er eintritt <strong>und</strong><br />

diese dann auch lebt, gewinnt aber nicht nur<br />

an Glaubwürdigkeit, sondern auch an Entscheidungsstärke.<br />

Roy Disney, ehemaliger<br />

Vice Chairman der Walt Disney Company,<br />

betonte immer wieder: „Wenn wir unsere<br />

<strong>Werte</strong> kennen, ist es nicht schwer, Entscheidungen<br />

zu treffen.“<br />

Absichten sollten offen kommuniziert<br />

werden<br />

Den zweiten Glaubwürdigkeitsfaktor bilden<br />

die Absichten. Also die Motive <strong>und</strong> Agenden,<br />

die die Ziele des Handelns vorgeben.<br />

Da Absichten nicht sichtbar sind, tendieren<br />

Menschen dazu, die Absichten anderer auf<br />

der Gr<strong>und</strong>lage eigener Erfahrungen zu<br />

beurteilen. Nun neigen Menschen aber auch<br />

dazu, negative Erfahrungen besser zu erinnern<br />

als positive. Zusammengenommen<br />

ergibt sich daraus folgende Problematik:<br />

Die eine schlechte Erfahrung, die ein<br />

Beschäftigter mit einem Arbeitgeber gemacht<br />

hat, prägt fortan sein Bild aller Manager. Er<br />

vermutet hinter ihrem Handeln zuerst<br />

immer die schlechten Absichten, die in dem<br />

einen Fall offenbart wurden. Vor diesem<br />

Hintergr<strong>und</strong> wird verständlich, dass gerade<br />

einmal 42 Prozent der amerikanischen<br />

Beschäftigten glauben, dass dem Management<br />

wirklich etwas an ihnen liegt, wie die<br />

Berater von Towers Perrin kürzlich ermittelt<br />

haben. Meinen Erfahrungen nach hegen die<br />

meisten Manager gegenüber ihren Mitarbeitern<br />

nämlich durchaus gute Absichten,<br />

nur versäumen sie es allzu oft, diese zu kommunizieren.<br />

Nicht so Doug Conant. Der CEO vom<br />

Campbell Soup legt neuen Mitarbeitern <strong>und</strong><br />

Geschäftspartnern immer bereits in der ersten<br />

St<strong>und</strong>e seine Absichten <strong>und</strong> Motive klar<br />

dar. Durch solche Offenheit baut er nicht<br />

nur Vertrauen auf, sondern wird auch<br />

gezwungen, wie er es ausdrückt, das wahrzumachen,<br />

was er gesagt hat.<br />

Der Autor: Stephen M. R. Covey ist Mitbegründer<br />

<strong>und</strong> CEO von CoveyLink Worldwide <strong>und</strong> leitet den<br />

globalen Beratungsbereich „Speed of Trust“ bei<br />

FranklinCovey. Zu seinem Spezialthema „Vertrauen<br />

im Management“ hält der Sohn des berühmten<br />

Managementvordenkers Stephen R. Covey weltweit<br />

Vorträge. Kontakt: SpeedofTrust@franklincovey.de<br />

Win-win-Agenden erzeugen<br />

Vertrauen<br />

Eine Agenda, die besonders viel<br />

Vertrauen hervorruft, ist das<br />

ehrliche Streben nach dem beiderseitigen<br />

Vorteil, nach dem,<br />

was für alle Beteiligten das Beste<br />

ist. Wie können wir alle gewinnen?<br />

Das Gegenteil einer solchen<br />

Win-win-Agenda ist Egoismus:<br />

Ich will gewinnen –<br />

Punkt! Auf diese Weise lassen<br />

sich sicher auch kurzfristig gute<br />

Ergebnisse erzielen, aber nicht<br />

dauerhaft. Denn wer selbstsüchtig<br />

handelt, errichtet Hindernisse<br />

des Argwohns <strong>und</strong> Misstrauens,<br />

statt Brücken der Glaubwürdigkeit<br />

zu bauen.<br />

In manchen Branchen sind<br />

egoistische Agenden besonders<br />

ausgeprägt. Zum Beispiel in der<br />

Baubranche. Dort haben viele<br />

das Deckmäntelchen vermeintlicher<br />

Fairness schon lange fallen<br />

gelassen. Hier geht es oft nur<br />

um Gewinn <strong>und</strong> Verlust, um<br />

den eigenen Ertrag zu steigern,<br />

gilt nahezu jedes Mittel als<br />

erlaubt. Zwischen den Firmen<br />

<strong>und</strong> den Subunternehmern<br />

herrscht typischerweise Feindschaft.<br />

Das US-Bauunternehmen<br />

Shea Homes wollte bei diesem<br />

durch Misstrauen geprägten<br />

Spiel nicht mehr mitmachen<br />

<strong>und</strong> hat vor einigen Jahren einen<br />

völlig neuen Weg eingeschlagen.<br />

Die Rolle der Subunternehmer<br />

wurde neu definiert, sie wurden<br />

von nun an als Handelspartner<br />

bezeichnet – <strong>und</strong> auch so behandelt.<br />

Bei allen Projekten werden<br />

die Subunternehmen jetzt mit<br />

an den Tisch geholt, <strong>und</strong> es wird<br />

über eine gemeinsame Win-<br />

win-Agenda gesprochen. Dazu<br />

knowledge | 33<br />

managerSeminare | Heft 137 | August 2009


34 | knowledge<br />

legt Shea Homes immer sämtliche Zahlen offen. Die Folge: Die<br />

Bauzeiten konnten deutlich verringert werden, was die Kosten senkte.<br />

Die Einsparungen wurden zum Teil an die K<strong>und</strong>en weitergegeben,<br />

was die Zahl der Weiterempfehlungen steigerte. Wie gesagt: Vertrauen<br />

steigert die Schnelligkeit <strong>und</strong> reduziert dadurch die Kosten.<br />

Von der Vertrauensdividende profitieren alle Beteiligten.<br />

Führungskräfte sollten lernen <strong>und</strong> lehren<br />

Die besten Absichten bleiben allerdings wertlos, wenn man sie nicht<br />

in die Tat umsetzen kann. Unsere Fähigkeiten, Fertigkeiten <strong>und</strong> all<br />

das Wissen, dass wir nutzen, um Erfolge <strong>und</strong> Ergebnisse zu erzielen<br />

bilden daher die dritte Voraussetzung für Glaubwürdigkeit.<br />

Da sich im Webzeitalter das Wissen der Welt mittlerweile alle<br />

zwei bis zweieinhalb Jahre verdoppelt, ist auch die Halbwertszeit<br />

von Fähigkeiten so kurz wie nie zuvor. Wer in der Welt von gestern<br />

noch äußerst kompetent war, wird in der Welt von heute vielleicht<br />

nicht mehr mithalten können. Um glaubwürdig zu bleiben, müssen<br />

Führungskräfte deshalb permanent ihre Fähigkeiten erweitern, sich<br />

weiterbilden. Ratsam ist es zudem, wenn Manager ihr neu erworbenes<br />

Wissen im Unternehmen dann regelmäßig weitergeben. Denn<br />

dadurch erhöhen sie nicht nur das Lerntempo im Unternehmen.<br />

Peter Drucker sagte ganz richtig: „Wissens- <strong>und</strong> Dienstleistungsarbeiter<br />

lernen am meisten, wenn sie lehren.“<br />

Das wohl wichtigste Wissen für Führungskräfte ist das um Trends<br />

<strong>und</strong> Entwicklungen. Welche gesellschaftlichen Strömungen gibt es?<br />

Service<br />

Literaturtipps<br />

A Stephen M. R. Covey mit Rebecca Merrill: Schnelligkeit durch Vertrauen<br />

– Die unterschätzte ökonomische Macht. Gabal, Offenbach 2009,<br />

29,90 Euro.<br />

Dass Vertrauen einen zählbaren ökonomischen Wert besitzt, demonstriert der<br />

Autor dieses Artikels anhand zahlreicher Beispiele aus seiner Unternehmer-<br />

<strong>und</strong> Beraterpraxis. Zudem zeichnet er einen Weg auf, wie sich Vertrauen systematisch<br />

auf- <strong>und</strong> ausbauen lässt. Dabei setzt er bei der einzelnen Person an<br />

<strong>und</strong> geht über die Beziehung zu anderen immer weiter nach außen bis hin zum<br />

Vertrauensverhältnis des Einzelnen bzw. seiner Organisation zur Gesellschaft.<br />

A Daniel F. Pinnow: Stephen Covey in der Serie Management-Vordenker:<br />

Sieben <strong>und</strong> eine Tugend für effektive Führung. managerSeminare<br />

87, Juni 2005, S. 16-18, www.managerSeminare.de/MS87ARO7.<br />

Nach einer kurzen Vorstellung der sieben Wege der Effektivität, durch die Stephen<br />

R. Covey zu Weltruhm gelangte, geht der Autor der Frage nach, warum<br />

der Managementvordenker seine Erfolgstheorie erweitert hat. Was hat Covey<br />

dazu bewogen, einen achten Weg anzubauen? Und ist dieser sehr amerikanische<br />

Weg für Europäer überhaupt gehbar?<br />

Veranstaltungstipp<br />

A Die FranklinCovey Leadership Institut GmbH bietet Inhouse- <strong>und</strong> öffentliche<br />

Workshops sowie Praxistage zum Thema „Schnelligkeit durch Vertrauen“ im<br />

deutschsprachigen Raum an. Dort lernen Führungskräfte Vertrauen aufzubauen,<br />

verlorenes Vertrauen wiederherzustellen <strong>und</strong> eine Vertrauenskultur zu etablieren.<br />

Der nächste öffentliche Workshop findet vom 22. bis zum 23. Oktober<br />

2009 im Raum Köln statt. Ausführliche Informationen unter www.franklincovey.de.<br />

managerSeminare | Heft 137 | August 2009<br />

Auswertung des Glaubwürdigkeitstests<br />

von Seite 30<br />

Zählen Sie die Zahlen zusammen, die Sie eingekreist haben.<br />

Punktzahl:<br />

90-100: Ihre persönliche Glaubwürdigkeit ist wirklich groß. Sie zeigen sowohl<br />

Charakter als auch Kompetenz. Bestimmt wissen Sie auch, was Ihnen im<br />

Leben wichtig ist <strong>und</strong> richten Ihr Handeln danach aus. Das Wohlergehen anderer<br />

liegt Ihnen am Herzen. Zudem sind Sie sich Ihrer Talente <strong>und</strong> Fähigkeiten<br />

bewusst. Sie arbeiten kontinuierlich daran, Ihre Stärken auszubauen <strong>und</strong> nutzen<br />

sie effektiv, um gute Ergebnisse zu erzielen. Daher strahlen Sie viel Zuversicht<br />

aus <strong>und</strong> andere neigen dazu, Ihnen zu vertrauen.<br />

70-90: Bei Ihnen könnten kleinere Glaubwürdigkeitsmängel bestehen. Diese<br />

zeigen sich daran, dass es Ihnen etwas an Selbstvertrauen mangelt oder dass<br />

andere Ihnen nicht auf Anhieb ihr Vertrauen schenken.<br />

unter 70: Sie haben wahrscheinlich ein größeres Glaubwürdigkeitsproblem.<br />

Schauen Sie sich die Vertrauensregeln auf Seite 32 sehr aufmerksam an <strong>und</strong><br />

überlegen Sie, in welchen Punkten Sie sich verbessern können.<br />

Wie verändern sie die Nachfrage? Und wohin müssen wir uns daher<br />

entwickeln? Das ist nicht nur für die Unternehmenssteuerung zentral,<br />

sondern auch für die Führung. Ich habe einmal den Strategie-<br />

<strong>und</strong> Marketingexperten Jack Trout gefragt, was in seinen Augen der<br />

Schlüssel zur Führung ist. Seine Antwort: „Letztlich folgen Menschen<br />

denen, die wissen, wohin sie gehen.“<br />

Ergebnisse erzeugen ein Vertrauensguthaben<br />

Trouts beeindruckende Antwort möchte ich noch um einen Zusatz<br />

erweitern. Und Menschen folgen denen, die Ergebnisse vorweisen<br />

können. Denn wer Erfolge erzielt hat, dem werden auch weitere<br />

Erfolge zugetraut. „Wenn man Ergebnisse vorzuweisen hat, ist das,<br />

als würde man ein Guthaben ansammeln“, sagt Jack Welch. Erfolg<br />

schafft Vertrauen, Ergebnisse bilden daher den vierten Glaubwürdigkeitsfaktor.<br />

Wer keine Ergebnisse erzielt, kann dauerhaft keine Glaubwürdigkeit<br />

gewinnen. Natürlich lassen sich Ausreden suchen. Vielleicht<br />

mag es sogar gute Gründe geben. Letztlich aber gilt: Fehlen Ergebnisse,<br />

fehlt auch Vertrauen. So einfach ist das – <strong>und</strong> so hart. Wenn<br />

eine Person hingegen hervorragende Ergebnisse vorlegen kann <strong>und</strong><br />

zudem auch noch gute Absichten besitzt <strong>und</strong> integer ist, wird man<br />

ihr eine Aufgabe trotzdem nicht anvertrauen, wenn man denkt, dass<br />

sie nicht die nötigen Fähigkeiten dafür besitzt. Wer wiederum ausgezeichnete<br />

Fähigkeiten besitzt <strong>und</strong> auch gute Ergebnisse vorweisen<br />

kann, dem wird niemand völlig vertrauen, insofern er nicht davon<br />

überzeugt ist, dass er <strong>und</strong> sein Wohlergehen ihm wichtig sind.<br />

Um glaubwürdig zu sein <strong>und</strong> Vertrauen erzeugen zu können,<br />

müssen alle vier Voraussetzungen für Vertrauen erfüllt sein: Integrität,<br />

gute Absichten, Fähigkeiten <strong>und</strong> Resultate. Denn Menschen<br />

sehen in dieser Beziehung nur das Ganze: In ihren Augen hat man<br />

Glaubwürdigkeit – oder man hat sie eben nicht. Tom Peters rät:<br />

„Fragen Sie sich: Strahle ich Vertrauen aus? Aus-strah-len. Ein großes<br />

Wort! Rieche ich nach ,Vertrauen‘? Denken Sie darüber nach<br />

– sehr sorgfältig!“<br />

Stephen M. R. Covey C


knowledge | 35<br />

Eine Kurzgeschichte zweier Erfolgsstorys<br />

DIE COVEYS IM PORTRÄT<br />

C Er gilt als der weltweit führende Experte zum<br />

Thema Leadership, das Time Magazine zählte<br />

ihn schon einmal zu den 25 einflussreichsten<br />

Menschen in Amerika: Stephen R. Covey. Mit<br />

seinem Buch „Schnelligkeit durch Vertrauen“<br />

ist jetzt der Sohn des Managementvordenkers,<br />

Stephen M. R. Covey, aus dem breiten Schatten<br />

seines Vaters getreten. Im Licht der Öffentlichkeit<br />

wird deutlich, dass der Junior derselben<br />

Erfolgsformel wie der Senior folgt: „Walk your<br />

Talk.“<br />

Dafür, dass der Apfel nicht weit vom Stamm<br />

fällt, bilden Stephen R. Covey <strong>und</strong> Stephen<br />

M. R. Covey ein eindrucksvolles Beispiel.<br />

Wobei nicht gemeint ist, dass Vater <strong>und</strong><br />

Sohn – zweifellos unübersehbare – Ähnlichkeit<br />

besitzen. Auch auf die bis auf das<br />

„M.“ identischen Namen soll damit nicht<br />

angespielt sein. Vielmehr geht es um die<br />

Philosophie, die beide teilen: In seinem<br />

Bestseller „Die sieben Wege zur Effektivität“<br />

– in 38 Sprachen übersetzt <strong>und</strong> bisher mehr<br />

als 15 Millionen Mal verkauft – hat Stephen<br />

R. Covey moralische Prinzipien wie Fairness,<br />

Integrität <strong>und</strong> Verlässlichkeit als den<br />

Schlüssel für beruflichen wie privaten Erfolg<br />

ausgemacht. In seinem Buch „Schnelligkeit<br />

durch Vertrauen“ hat sein Sohn den väterlichen<br />

Faden aufgegriffen <strong>und</strong> sozusagen ein<br />

Meta-Prinzip entwickelt, auf dem alle ande-<br />

ren Prinzipien im Business gründen: das<br />

Prinzip „Vertrauen“. „Das Buch geht nicht<br />

nur weit über meine eigene Arbeit hinaus,<br />

sondern auch über alles, was ich bisher zum<br />

Thema Vertrauen gelesen habe“, schwärmt<br />

dann auch Vater Covey im Vorwort des Bandes.<br />

Vater <strong>und</strong> Sohn Covey sind also Verfechter<br />

der so genannten weichen Faktoren<br />

im Business, die, wie sie unisono sagen, alles<br />

andere als weich sind, sondern zählbaren<br />

Erfolg bringen. Den lebenden Beweis haben<br />

sie beide angetreten.<br />

Nach seinem Studium in Harvard promovierte<br />

Stephen R. Covey an der Brigham<br />

Young University, wo er im Anschluss 20<br />

Jahre lang eine Professur für Business-<br />

Management innehatte. 1984 gründete er<br />

das Covey Leadership Center, das 1997 durch<br />

den Zusammenschluss mit dem auf Zeitmanagement<br />

spezialisiertem Beratungsunternehmen<br />

Franklin Quest zu FranklinCovey<br />

wurde. Das amerikanische Beratungs- <strong>und</strong><br />

Weiterbildungsunternehmen mit Hauptsitz<br />

in Salt Lake City, dem der mittlerweile<br />

76-jährige Covey immer noch als Vice Chairman<br />

vorsteht, arbeitet nach dem Modell, das<br />

Covey entworfen hat, nach dem er selbst lebt<br />

<strong>und</strong> das er in seinem Weltbestseller niedergeschrieben<br />

hat. Die sieben Wege zur Effektivität<br />

– zu diesen zählen u.a. „Win-win-<br />

Denken“, „Pro-aktiv sein“ <strong>und</strong> „Synergien<br />

erzeugen“ – bilden einen zentralen Baustein<br />

Wie der Vater, so der<br />

Sohn: Dr. Stephen R.<br />

Covey (rechts) <strong>und</strong><br />

Stephen M. R. Covey<br />

weisen nicht nur optische<br />

Gemeinsamkeiten auf.<br />

der FranklinCovey-Seminare, an denen<br />

weltweit jährlich 750.000 Menschen in 140<br />

Ländern teilnehmen.<br />

Covey Junior verzwölffachte den Gewinn<br />

Ebenso wie sein Vater hat Stephen M. R.<br />

Covey in Harvard studiert, wo er einen MBA<br />

machte. Ins Covey Leadership Center stieg<br />

er als K<strong>und</strong>enbetreuer ein, arbeitete sich<br />

zuerst zum Leiter des Vertriebs, dann zum<br />

Präsidenten <strong>und</strong> CEO hoch. Covey etablierte<br />

im Unternehmen eine Führungskultur,<br />

die auf Vertrauen basiert. Die meisten<br />

Absprachen – mit Mitarbeitern, Partnerunternehmen<br />

<strong>und</strong> K<strong>und</strong>en – wurden nur noch<br />

mündlich getroffen, ein Handschlag war<br />

nun ebenso viel wert wie ein Vertrag. Auch<br />

aufgr<strong>und</strong> des Aufbaus einer Vertrauenskultur<br />

konnte Covey den Unternehmensumsatz<br />

auf 110 Millionen Dollar verdoppeln,<br />

den Gewinn steigerte er um den Faktor 12.<br />

Binnen dreier Jahre unter Covey‘s Führung<br />

stieg der Shareholder-Value von 2,4 Millionen<br />

auf r<strong>und</strong> 160 Millionen Dollar. Damit<br />

wurde das Covey Leadership Center zu<br />

einem attraktiven Partner des Zeitmanagement-Giganten<br />

Franklin Quest.<br />

Stephen M. R. Covey lebt mit seiner Frau<br />

Jeri <strong>und</strong> seinen Kindern am Fuße der Rocky<br />

Mountains. Ganz in der Nähe seines<br />

Vaters. Andree Martens C<br />

managerSeminare | Heft 137 | August 2009


26 26 | management<br />

„<strong>Werte</strong>orientierte Führung<br />

verbessert die Performance“<br />

TRENDFORSCHERIN PATRICIA ABURDENE IM INTERVIEW<br />

Patricia Aburdene gehört zu den weltweit führenden Trendforschern. Sie berät seit über 25 Jahren internationale Unternehmen in Transformationsprozessen <strong>und</strong> hält Vorträge<br />

bei globalen Businesskongressen. Ihre Karriere begann Aburdene 1978 bei Forbes als Wirtschaftsjournalistin. In den neunziger Jahren entwickelte sie am Radcliffe<br />

College in Cambridge, Massachusetts, neue Leadership-Modelle. In ihrem aktuellen Buch „Megatrends 2010“ (siehe Service-Kasten) beschreibt sie, warum spirituelle<br />

<strong>Werte</strong> in der Weltwirtschaft immer wichtiger werden <strong>und</strong> wie Unternehmen von diesem Wandel profitieren können. Kontakt: www.patriciaaburdene.com<br />

managerSeminare | Heft 124 | Juli 2008


Preview: AIMega-Trend bewusster Kapitalismus:<br />

Warum Unternehmen vom reinen Profitdenken weg-<br />

müssen, um im Wettbewerb bestehen zu können<br />

AISinnstiftung: Wie Unternehmen mit Mitarbeitern,<br />

denen materielle Zufriedenheit allein nicht mehr<br />

reicht, umgehen müssen AICharakter statt Charisma:<br />

Warum charismatische Leadership zugunsten informeller<br />

„Grassroots-Leadership“ an Bedeutung verliert<br />

AIMessbare Leistungssteigerung: Wie ideelle Verbesserungen<br />

im Unternehmen auch harte Performancefaktoren<br />

optimieren<br />

In Ihrem Buch „Megatrends 2010“ sprechen<br />

Sie von einem Aufstieg des bewussten Kapitalismus.<br />

Was verstehen Sie darunter?<br />

Patricia Aburdene: Bewusster Kapitalismus<br />

ist ein Megatrend, an dem Mitarbeiter, K<strong>und</strong>en,<br />

Investoren, Manager <strong>und</strong> visionäre<br />

CEOs teilhaben. Bei all diesen Akteuren ist<br />

ein tief greifender <strong>Werte</strong>wandel im Gange.<br />

Und zwar insofern, als ethische Denkweisen<br />

<strong>und</strong> das Prinzip der Verantwortung wiederbelebt<br />

werden.<br />

Welche Entwicklungen in der Wirtschaft sind<br />

ein Indiz für den Perspektivenwechsel?<br />

Aburdene: Beispielsweise die Veränderungen<br />

in der Finanzwelt. Immer mehr Menschen<br />

überlegen bei Investments, welche<br />

<strong>Werte</strong> ein Unternehmen vertritt. Es gibt<br />

auch in Europa bereits mehrere H<strong>und</strong>ert<br />

Investmentfonds, die Gelder nach Corporate-Social-Responsibility-Kriterien<br />

anlegen.<br />

Wir sprechen hier von einem Investitionsvolumen<br />

im Milliardenbereich. Parallel dazu<br />

werden die Konsumentenmärkte immer<br />

management | 27<br />

Wird die Wirtschaft immer wertebewusster? Patricia Aburdene ist davon<br />

überzeugt. Die US-amerikanische Trendforscherin diagnostiziert den Aufstieg<br />

eines bewussteren, „spirituelleren“ Kapitalismus. Im Interview mit<br />

managerSeminare erläutert Aburdene, welche Chancen sie darin für<br />

Unternehmen sieht.<br />

stärker von <strong>Werte</strong>n getrieben. Die wachsenden<br />

Umsätze bei Biolebensmitteln beispielsweise<br />

– hier ist Deutschland gegenwärtig der<br />

weltweit größte Markt – sind ein Zeichen<br />

für ein tief greifendes Umdenken. Auch der<br />

neue Trend „Lohas“ (kurz für Lifestyles of<br />

Health and Sustainability) ist ein Indikator<br />

für den Wandel zu einem bewussten Kapitalismus.<br />

Nachhaltige, ges<strong>und</strong>e Produkte<br />

erreichen in den Vereinigten Staaten bereits<br />

ein Marktvolumen von r<strong>und</strong> 230 Milliarden<br />

Dollar. Andere K<strong>und</strong>en setzen sich mit ihren<br />

Kaufentscheidungen dafür ein, ein Klima<br />

sozialer Gerechtigkeit zu fördern. Erste<br />

Anzeichen des neuen bewussten Kapitalismus<br />

konnte man bereits vor fünf bis zehn<br />

Jahren beobachten. Ich gehe davon aus, dass<br />

sich diese Entwicklung in den nächsten zehn<br />

Jahren weiter fortsetzen wird.<br />

Welche konkreten <strong>Werte</strong> sind aufseiten der<br />

Unternehmen kennzeichnend für einen<br />

bewussten Kapitalismus?<br />

Aburdene: Die Art <strong>und</strong> Weise, wie sich die<br />

weltweite Wirtschaft in den vergangenen<br />

Jahrzehnten entwickelt hat, mit einem starken<br />

Fokus auf den Shareholdern unter Vernachlässigung<br />

aller anderen Interessengruppen,<br />

hat das System instabil werden lassen.<br />

In den Vereinigten Staaten, genauso wie in<br />

Europa, illustrieren immer mehr Studien,<br />

dass ein an Stakeholdern orientiertes Modell<br />

von Wirtschaft sehr viel profitabler ist als<br />

das alte Shareholder-Modell. Daher ist der<br />

wichtigste Wert für Unternehmen eine<br />

holistische, ganzheitliche Perspektive. Wer<br />

nur an den Profit denkt, agiert sehr einseitig,<br />

<strong>und</strong> das führt – über kurz oder lang – zu<br />

Ungleichgewichten, die das Business negativ<br />

tangieren können. Es gibt bereits viele Vorbilder,<br />

von denen man lernen kann. Eine<br />

gute Quelle für entsprechende Ansätze ist<br />

die Liste „Sustainable Business 20“, die seit<br />

sechs Jahren erscheint. Hier finden sich jedes<br />

Jahr zahlreiche europäische Unternehmen,<br />

die für nachhaltige Geschäftspraktiken stehen.<br />

2007 beispielsweise wurde die Schmack<br />

Biogas AG für ihr Engagement im Bereich<br />

der erneuerbaren Energien ausgezeichnet.<br />

2005 gehörten die Umweltbank, Henkel <strong>und</strong><br />

die SolarWorld AG zu den deutschen Preisträgern.<br />

Auch ein bewusst agierender CEO möchte<br />

natürlich Gewinne erwirtschaften, aber<br />

er tut es auf andere Weise als der Mainstream.<br />

Es geht ihm um das Gesamtbild. Sein<br />

Ziel lautet, ein ges<strong>und</strong>es, ganzheitlich agierendes<br />

Unternehmen aufzubauen. Dazu<br />

gehört auch, wieder in längeren Zeiträumen<br />

zu denken <strong>und</strong> sich nicht alleine von Quartalszahlen<br />

antreiben zu lassen, sondern von<br />

einem Prinzip der längerfristigen Profitabilität.<br />

Finanzielle Fülle ist die natürliche Folge<br />

einer solchen Zielsetzung bzw. einer Konstellation,<br />

in der sowohl die Interessen der<br />

Investoren als auch die der Lieferanten, der<br />

K<strong>und</strong>en <strong>und</strong> der Mitarbeiter berücksichtigt<br />

werden.<br />

Bleiben wir bei den Mitarbeitern: In Ihrem<br />

Buch schreiben Sie, dass ein persönliches<br />

Bedürfnis nach Spiritualität – im Privatleben<br />

wie in der Geschäftswelt – eine kritische Masse<br />

erreicht hat. Welche Erwartungen entstehen<br />

dadurch gegenüber der eigenen Arbeit? A<br />

managerSeminare | Heft 124 | Juli 2008


28 | management<br />

Aburdene: Den Mitarbeitern reicht materielle<br />

Zufriedenheit allein in der Regel nicht<br />

mehr aus. Die Menschen wollen, dass ihr<br />

Leben <strong>und</strong> ihre Arbeit einen Sinn haben. Es<br />

ist daher die Aufgabe der Führungskräfte<br />

<strong>und</strong> der Personalentwicklung, eine Verbindung<br />

zu schaffen zwischen dem, was das<br />

Unternehmen will <strong>und</strong> tut, <strong>und</strong> dem Bedürfnis<br />

der Mitarbeiter, eine erfüllende Aufgabe<br />

zu übernehmen. Wenn das gelingt, entsteht<br />

wahre Motivation.<br />

Nun merken zwar immer mehr Top-Manager,<br />

dass Ziele wie maximaler Gewinn um jeden<br />

Preis nicht mehr opportun sind, <strong>und</strong> verordnen<br />

sich <strong>und</strong> ihren Mitarbeitern, Verantwortung<br />

zu übernehmen. Aber diese Anforderung<br />

bleibt eine Leerformel, wenn nicht klar ist, was<br />

das für jeden Einzelnen im beruflichen Alltag<br />

wirklich bedeutet. Wie kommt man von einer<br />

guten Idee zu einer sinnvollen Praxis im<br />

Unternehmen?<br />

Aburdene: Sie müssen sich vor allem fragen:<br />

Wo liegt die wirkliche Bedeutung des Unternehmens?<br />

Hierbei geht es um spirituelle<br />

<strong>Werte</strong> im besten Sinne wie Liebe, Mitgefühl,<br />

Gerechtigkeit. Gibt es Best Practices oder<br />

Rituale, die diese <strong>Werte</strong> verkörpern? Medi-<br />

Service<br />

Literaturtipps:<br />

A Patricia Aburdene: Megatrends 2010 – The Rise of Conscious Capitalism. Seven New Trends,<br />

That Will Transform How You Work, Live and Invest. Hampton Roads Publishing, Charlottesville 2007,<br />

ca. 12,99 Euro (deutsche Übersetzung im Herbst 2008 bei J. Kamphausen, Bielefeld).<br />

Die Trendforscherin beschreibt, wie spirituelle Perspektiven das Business erobern <strong>und</strong> Unternehmen diese<br />

Entwicklung im Rahmen der Organisationsentwicklung nutzen können. Zahlreiche Fallbeispiele <strong>und</strong> Statements<br />

von amerikanischen HR-Managern.<br />

A Stephen R. Covey: The Speed of Trust. The One Thing That Changes Everything. Free Press,<br />

New York 2008, ca. 9,95 Euro.<br />

Der amerikanische Unternehmensberater zeigt, wie Unternehmen durch eine Kultur des Vertrauens ihre<br />

Effektivität <strong>und</strong> Anpassungsfähigkeit an die Marktherausforderungen steigern können. Mit zahlreichen Praxisbeispielen<br />

aus Coveys Beratungspraxis.<br />

A Paul H. Ray, Sherry Ruth Anderson: The Cultural Creatives: How 50 Million People Are Changing<br />

the World. Three Rivers Press, New York 2001, ca. 11,45 Euro.<br />

Der amerikanische Soziologe skizziert auf Basis verschiedener Langzeitstudien einen weltweiten soziokulturellen<br />

Wandel, der die <strong>Werte</strong>prioritäten der westlichen Welt nachhaltig verändert. Das Buch erklärt die<br />

gesellschaftlichen Gr<strong>und</strong>lagen für neue Paradigmen wie Corporate Social Responsibility <strong>und</strong> die wachsende<br />

<strong>Werte</strong>orientierung in den Konsummärkten.<br />

A Lance Secretan: Ganz oder gar nicht! Die sechs Prinzipien bewusster Führung <strong>und</strong> die Kunst,<br />

Unternehmen vom Sand im Getriebe zu befreien. J. Kamphausen, Bielefeld 2007, 24,80 Euro.<br />

Der kanadische Unternehmensberater propagiert eine „Higher Gro<strong>und</strong> Leadership“, die auf Mut, Authentizität<br />

<strong>und</strong> Wahrhaftigkeit setzt. Er zeigt, wie Unternehmen erfolgreich sind, wenn sie sich nicht nur einer<br />

einseitigen Profitmaximierung verschreiben, sondern in einen lebendigen Austauschprozess mit ihren<br />

Stakeholdern eintreten.<br />

managerSeminare | Heft 124 | Juli 2008<br />

tation übrigens ist ein Ritual, das sich sehr<br />

befruchtend auf das Arbeitsleben auswirken<br />

kann. Es steigert neben der Kreativität <strong>und</strong><br />

Innovationsfähigkeit auch die Fähigkeit,<br />

sich nicht dazu hinreißen zu lassen, Entscheidungen<br />

unter Druck zu treffen, ohne<br />

dabei die Konsequenzen im Blick zu haben.<br />

Meditation kann helfen, wohlbedachter zu<br />

reagieren, Entscheidungen zu treffen, die<br />

mit dem eigenen <strong>Werte</strong>system kongruent<br />

laufen. Denn nur wer innerlich mit sich im<br />

Reinen ist, kann gute Lösungen finden.<br />

<strong>Werte</strong> lassen sich generell besser durch Erfahrungen<br />

als durch Worte vermitteln. Ein<br />

gutes Beispiel ist das Bio-See-Hotel Zeulenroda<br />

in Thüringen, das im vergangenen Jahr<br />

mit dem International Spirit at Work Award<br />

ausgezeichnet wurde. Geschäftsführer Stephan<br />

Bode hat beim Teambuilding auf das<br />

Prinzip Liebe gesetzt – mit der Folge, dass<br />

sich die Mitarbeiter tatsächlich als Teil einer<br />

Familie fühlen. Das erfordert einen gewissen<br />

Aufwand im Bereich Training <strong>und</strong> Weiterbildung,<br />

aber das Ergebnis ist eine Führung,<br />

die von gegenseitigem Vertrauen lebt. Und<br />

wenn man sieht, wie leidenschaftlich Stephan<br />

Bode bei der Sache ist, dann wird<br />

einem klar, dass <strong>Werte</strong> genau dann eine Bedeutung<br />

gewinnen, wenn man sie vorlebt.<br />

Bei so einer Vorbildfunktion denkt man<br />

schnell an den typischen charismatischen<br />

Chef. Doch schreiben Sie in Ihrem Buch, dass<br />

gerade der immer mehr an Bedeutung verliert<br />

<strong>und</strong> dass demgegenüber die informelle Führung<br />

immer wichtiger wird. Sie nennen das<br />

den „Triumph des Charakters über das Charisma“.<br />

Ist das nicht ein Widerspruch zu dem,<br />

was Sie eben gesagt haben?<br />

Aburdene: Eigentlich ist Charisma ja ein<br />

spirituelles Konzept, denn es beinhaltet<br />

Weisheit <strong>und</strong> Erkenntnis. Ich benutze den<br />

Begriff aber hier aus einer eher säkularen<br />

Perspektive, bei der die äußere Ausstrahlung<br />

im Vordergr<strong>und</strong> steht. Immer mehr Unternehmen<br />

verabschieden sich von dem Glauben,<br />

dass eine Hierarchie mit einem charismatischen<br />

Kopf an der Spitze eine adäquate<br />

Führungsperspektive darstellt, <strong>und</strong> dies aus<br />

einem ganz simplen Gr<strong>und</strong>: Solche Systeme<br />

reagieren viel zu langsam. Bis sich in einem<br />

so bürokratisch strukturierten System etwas<br />

bewegt, haben die kleinen, wendigen Wettbewerber<br />

in ihren Garagen den Markt<br />

bereits umgekrempelt. Selbst sehr große<br />

Unternehmen haben inzwischen begriffen,<br />

dass sie ihre Hierarchien flacher gestalten<br />

<strong>und</strong> stärker auf das Prinzip der informellen<br />

Führung setzen müssen.<br />

Was genau zeichnet denn die informelle Führung<br />

aus?<br />

Aburdene: Während sich formelle Führung<br />

auf Machtpositionen in Hierarchien beruft,<br />

wächst informelle Autorität aus Respekt <strong>und</strong><br />

persönlichem Einfluss. Sie wird einem nicht<br />

verliehen, sondern man verdient sie sich. Sie<br />

ist sehr kraftvoll, denn Grassroots-Leader,<br />

wie ich sie gerne nenne, fühlen sich nicht<br />

einer Machtrolle verpflichtet, sondern nehmen<br />

sich die Freiheit, sich auf Themen zu<br />

konzentrieren, die ihnen besonders liegen.<br />

Informelle Führung hat zudem viel mit<br />

moralischer Kompetenz zu tun. Grassroots-<br />

Leader leben <strong>Werte</strong> in ihrem direkten Einflussbereich<br />

vor. Um solche Personen herum<br />

entstehen Teams, die besonders motiviert<br />

sind, denn die Zusammenarbeit beruht auf<br />

einem geteilten <strong>Werte</strong>system. Im Rahmen<br />

der Personalentwicklung sollte man genau<br />

analysieren, wer die informellen Führer im<br />

Unternehmen sind.<br />

Was für eine Art Change-Management ist<br />

notwendig, um solche Strukturen heranwachsen<br />

zu lassen, <strong>und</strong> um die Weichen so<br />

zu stellen, dass Mitarbeiter wirklich erkennen,<br />

was es bedeutet, verantwortlich zu handeln?


Aburdene: Das geht nur mit Vertrauen. Es geht in erster<br />

Linie darum, Machtstrukturen zu verändern, <strong>und</strong> die<br />

Menschen, die die Arbeit machen, in die Lage zu versetzen,<br />

eigene Entscheidungen zu treffen. Ein gutes Beispiel<br />

dafür ist die amerikanische Bio-Lebensmittel-Kette<br />

Whole Foods, die nicht nur nachhaltige Produkte anbietet,<br />

sondern auch bei den Management-Praktiken zu<br />

den Vorreitern gehört, indem sie ihre Mitarbeiter auf<br />

Basis sich selbst führender Teams stark in Entscheidungsprozesse<br />

einbindet. Es ist diese konsistente Haltung,<br />

die sowohl die Angebots- als auch die Führungsstrategie<br />

eines Unternehmens umfasst, die kennzeichnend<br />

ist für einen bewussten Kapitalismus. Natürlich<br />

ist es nicht leicht, Kontrolle aufzugeben. Aber wenn man<br />

es tut, gewinnt man sehr viel, denn je mehr Eigenverantwortung<br />

die Mitarbeiter haben, umso geringer sind<br />

die Reibungsverluste. Zeit <strong>und</strong> finanzielle Budgets können<br />

dann wesentlich effizienter genutzt werden. Stephen<br />

Covey bringt es auf eine sehr einfache Formel: Mit dem<br />

Vertrauen wächst die Geschwindigkeit im Unternehmen,<br />

<strong>und</strong> die Kosten gehen runter. Unternehmen, in<br />

denen kein Vertrauen herrscht, sind nicht nur langsamer,<br />

sondern haben aufgr<strong>und</strong> der Reibungsverluste, die<br />

mit dem Prinzip der Kontrolle verb<strong>und</strong>en sind, auch<br />

höhere Kosten. Eine Studie der amerikanischen Beratungsgesellschaft<br />

Watson Wyatt zeigt beispielsweise,<br />

dass Unternehmen mit hoher Vertrauensbasis eine fast<br />

drei Mal so hohe Performance aufweisen wie diejenigen,<br />

die von einer Kultur des Misstrauens geprägt sind.<br />

Die Bemühungen, immaterielle Aspekte unter Performancegesichtspunkten<br />

zu erfassen, stecken noch in den<br />

Kinderschuhen. Das bringt viele Top-Manager in eine<br />

Zwickmühle, da sich der Wert unternehmerischer Verantwortung<br />

kaum direkt messen lässt. Wie können Führungskräfte<br />

mit diesem Zwiespalt umgehen?<br />

Aburdene: Es gehört zum Business, dass man Ergebnisse<br />

erzielen muss <strong>und</strong> dass diese gemessen werden. Mit<br />

dieser Tatsache sollte man Frieden schließen. Es ist<br />

nichts falsch daran, nach Schwachstellen zu suchen oder<br />

Dinge objektiv überprüfbar zu machen. Meiner Meinung<br />

nach brauchen wir auch nicht unbedingt Methoden,<br />

um die Wirkung ideeller Verbesserungen in Kennzahlen<br />

nachzuvollziehen. Es reicht völlig aus, wenn man<br />

die Unternehmensperformance mit herkömmlichen<br />

Tools misst, denn, <strong>und</strong> da bin ich sicher: Wenn man sich<br />

zu einer werteorientierten <strong>und</strong> nachhaltigen Unternehmensführung<br />

entschließt, werden sich die gängigen<br />

Performanceindikatoren automatisch verbessern. Bei<br />

American Express gab es einmal ein spannendes Projekt,<br />

bei dem ein Berater mit einer Gruppe Brokern ein Jahr<br />

lang zum Thema Vergebung gearbeitet hat. Es wurde<br />

diskutiert, es gab Einzelcoachings, <strong>und</strong> am Ende des<br />

Jahres war die Performance der Abteilung um 60 Prozent<br />

gestiegen. Das Geheimnis: Wenn man in der Lage<br />

ist, zu vergeben, hat man den Kopf frei, um produktiv<br />

zu arbeiten. Oder, wie es der Weisheitslehrer Eckhart<br />

Tolle ausdrückt, man ist ganz im Jetzt.<br />

Das Interview führte Nadja Rosmann. C<br />

management | 29<br />

managerSeminare | Heft 124 | Juli 2008


64 | development<br />

Besinnung fürs Business<br />

MANAGER AUF CHRISTLICHEN PFADEN<br />

Was bringt Manager dazu, sich in klösterlicher Abgeschiedenheit<br />

Schweigegeboten zu unterwerfen? Warum laufen sich Führungskräfte<br />

die Füße auf alten Pilgerpfaden w<strong>und</strong>? Und was haben Management-<br />

Coachs in Mönchskutte <strong>und</strong> Priestersoutane ihren weltlichen Kollegen<br />

voraus? managerSeminare hat ergründet, was Retreats mit christlichem<br />

Akzent für Führungskräfte so faszinierend macht.<br />

managerSeminare | Heft 129 | Dezember 2008


Preview: AIKörper, Geist <strong>und</strong> Seele halten Schritt:<br />

Warum es Führungskräfte auf Pilgertouren zieht<br />

AIZwischen Meditation <strong>und</strong> Mühsal: Woran Manager<br />

beim Pilgern wachsen AISpiritual Consulting: Wie<br />

Patres <strong>und</strong> Pastoren Manager beraten <strong>und</strong> trainieren<br />

AIKontemplation hinter Klostermauern: Was Manager<br />

von Retreats in Ordensgemeinschaften erwarten können<br />

AIGlaubensvielfalt: Wieso sich nicht nur Kirchenmitglieder<br />

von den Beratungsangeboten der Kirchen<br />

angezogen fühlen AIVorsprung: Weshalb es Priester<br />

als Berater leichter haben, das Vertrauen ihrer Klienten<br />

zu gewinnen<br />

Den Beitrag gibt es auch zum Hören. Er kann unter www.managerseminare.de/podcast als Audiodatei heruntergeladen werden.<br />

Foto: Spiritual Consulting<br />

C „Ich bin dann mal weg“ heißt ein Boom-<br />

Buch, das die Deutschen seit fast drei Jahren<br />

auf Trab bringt. Spätestens seit es ganz oben<br />

auf den Bestseller-Listen stand <strong>und</strong> seit sein<br />

Autor, Fernseh-Comedian Hape Kerkeling,<br />

damit durch die Talkshows tourte, hat auch<br />

einen Großteil der Nation die Lust an einem<br />

alten, fast schon vergessenen Ritual gepackt:<br />

dem Wandern auf christlichen Pfaden. „Pilgern<br />

statt Pool“ lautet heuer das Freizeitmotto<br />

vieler Deutscher. Besonders beliebt<br />

ist der von Kerkeling beschriebene Jakobs-<br />

development | 65<br />

weg, der zum Grab des heiligen Jakobus in<br />

Santiago de Compostela in Nordwestspanien<br />

führt. Während sich 1990 gerade einmal<br />

561 Deutsche auf dem historischen Pfad<br />

die Füße w<strong>und</strong> liefen, waren es im Jahr 2007<br />

13.837. Doch auch alte innerdeutsche Routen<br />

erfreuen sich einer Renaissance.<br />

Sich ausklinken aus dem atemlosen Trubel<br />

der Welt, um zu innerer Einkehr zu<br />

gelangen – darin besteht die Anziehungskraft<br />

des Pilgerns für viele Menschen. Nicht<br />

zuletzt für die Hansdampfs unserer Arbeits-<br />

managerSeminare | Heft 129 | Dezember 2008


66 | development<br />

managerSeminare | Heft 129 | Dezember 2008<br />

welt – Manager wie Peter Schnell, ehemals<br />

Konzernbevollmächtigter der Deutschen<br />

Bahn in Baden-Württemberg. Schnell hatte<br />

sich im Sommer 2008 auf medienwirksame<br />

Weise in den Ruhestand verabschiedet. Er<br />

beschritt den Jakobsweg in einer Hardcore-<br />

Version: 2.600 Kilometer in 96 Tagen legte<br />

Schnell von seinem Büro in Stuttgart nach<br />

Santiago de Compostela zurück. Den Gr<strong>und</strong><br />

für den Gewaltmarsch, bei dem er acht Kilo<br />

Gewicht verlor <strong>und</strong> zwei Paar Schuhe kaputt<br />

lief, verriet er in einem Interview der Westdeutschen<br />

Allgemeinen Zeitung: „Ich hatte<br />

einen Bammel vor dem Fall in die Bedeutungslosigkeit“,<br />

sagte der Neu-Pensionär.<br />

Das Pilgern, so Schnell, habe ihm sehr geholfen,<br />

mit seiner neuen Lebenssituation klar-<br />

zukommen.<br />

Nachdenken jenseits des atemlosen<br />

Trubels der Welt<br />

Auch jene Berufskollegen Schnells, die noch<br />

weit vom Ruhestand entfernt, dafür aber<br />

dem täglichen Leistungsdruck umso stärker<br />

unterworfen sind, zieht es neuerdings auf<br />

die Pfade des Herrn. So etwa den Schweizer<br />

Tierarzt Dr. Peter Sommerauer, der in leitender<br />

Position in der Lebensmittelüberwachung<br />

des Kantons St. Gallen tätig ist. Sommerauer<br />

machte sich – angeregt durch ein<br />

Buch des spirituellen Autors Paulo Coelho<br />

– erstmals vor sechs Jahren auf den Jakobsweg.<br />

Dabei habe er ein Gefühl der Befreiung,<br />

aber auch Bewusstheit gespürt, erinnert sich<br />

der Inspekteur: „Das Gehen ermöglichte<br />

mir, meine innere Stimme zu hören <strong>und</strong><br />

meine Gedanken in erstaunlicher Klarheit<br />

wahrzunehmen.“<br />

Seit dieser ersten Pilgererfahrung ist<br />

Sommerauer wieder <strong>und</strong> wieder auf dem<br />

Jakobsweg unterwegs. Und zwar längst nicht<br />

mehr allein, sondern mit einer Gruppe von<br />

Gleichgesinnten. Durch M<strong>und</strong>-zu-M<strong>und</strong>-<br />

Propaganda – zunächst im Bekanntenkreis,<br />

später darüber hinaus – wurde der Tierarzt<br />

zum Pilgerführer für Manager aus verschiedenen<br />

Branchen. Seine geleiteten Touren<br />

ergänzt er mittlerweile um Seminarabschnitte,<br />

in denen er mit seinen Mitwanderern<br />

gemeinsam an Fragen weiterarbeitet, die<br />

jeder für sich während des Wanderns reflektiert:<br />

„Wo stehe ich gerade? Wo will ich hin?<br />

Was passiert mit mir, während ich auf dem<br />

Weg bin?“<br />

Mit pastoraler Begleitung durchs<br />

Weserbergland<br />

Was Sommerauer als begeisterter Laie<br />

macht, tun die Pastoren <strong>und</strong> Manager-Berater<br />

Peer-Detlev Schladebusch <strong>und</strong> Ralf Reuter<br />

von Berufs wegen: Sie gehen regelmäßig<br />

mit einer bunt gemischten Gruppe von Führungskräften<br />

oder auch mit geschlossenen<br />

Firmengruppen auf Pilgertour. Allerdings<br />

nicht auf dem Jakobsweg, sondern auf einer<br />

alten Route zwischen zwei Klöstern in Niedersachsen<br />

<strong>und</strong> Thüringen. Schladebusch<br />

<strong>und</strong> Reuter sind Pastoren der Evangelisch-<br />

Lutherischen Landeskirche Hannover <strong>und</strong><br />

teilen sich seit 2004 unter deren Dach eine<br />

Stelle als „Spiritual Consultants“.<br />

Als Seelsorger <strong>und</strong> Managerberater in<br />

Personalunion bieten die beiden über das<br />

Pilgern hinaus ein ähnliches Dienstleitungsspektrum<br />

wie andere Berater auch – vom<br />

Einzelcoaching bis zum Seminar. Freilich vor<br />

dem Hintergr<strong>und</strong> christlicher <strong>Werte</strong>, die die<br />

Pastoren unaufdringlich auch jenen nahe<br />

bringen wollen, die Gott <strong>und</strong> Kirche nicht<br />

besonders nahe stehen. Allerdings beobachtet<br />

Schladebusch bei Managern in jüngster<br />

Zeit eine zunehmende Offenheit gegenüber<br />

christlichen Inhalten. Eine mögliche Erklärung:<br />

„Viele Führungskräfte beginnen sich<br />

„Viele Führungskräfte beginnen sich<br />

stärker für ihre eigenen religiösen<br />

Wurzeln zu interessieren, wenn sie<br />

erleben, dass ausländische Geschäftspartner<br />

religiös stark verwurzelt sind<br />

<strong>und</strong> daraus Kraft schöpfen.“<br />

Peer-Detlev Schladebusch, Pastor im Kirchenkreis Burgdorf bei<br />

Hannover, Führungskräfte-Coach <strong>und</strong> Beauftragter des Projekts<br />

„Spiritual Consulting – Seelsorge für Führungskräfte“ der<br />

Landeskirche Hannover. Kontakt: PeerSchladebusch@t-online.de


stärker für ihre eigenen religiösen Wurzeln zu interessieren,<br />

wenn sie erleben, dass ausländische Geschäftspartner<br />

stark in ihrer Religion verwurzelt sind <strong>und</strong><br />

daraus Kraft schöpfen.“<br />

Auch laut einer Studie des Heidelberger Meinungsforschungsinstituts<br />

Sinus Sociovision aus dem Jahr 2006<br />

(siehe Service-Kasten S. 71), stehen christliche <strong>Werte</strong><br />

bei Managern hoch im Kurs, höher sogar als beim<br />

Durchschnittsbürger. Doch dieselbe Studie zeigt auch:<br />

Für Manager sind auch Verantwortungsbewusstsein,<br />

Pflichtbewusstsein, Disziplin <strong>und</strong> Fleiß um ein Vielfaches<br />

wichtiger als für den Durchschnittsbürger. Erfolgreich<br />

zu sein für die Firma – das gilt als höchstes Gut.<br />

Resultat ist oft eine psychisch belastende Diskrepanz<br />

zwischen persönlichen <strong>Werte</strong>n <strong>und</strong> tatsächlichem Tun.<br />

Und eine extreme Leistungsethik, die vielen früher oder<br />

später zu schaffen macht, weil sie sie ausbrennt.<br />

Pastor Schladebusch: „Die Seele geht zu Fuß“<br />

Was die Teilnehmer der von Schladebusch <strong>und</strong> Reuter<br />

geführten Pilgertouren denn auch eint, ist ihr Bedürfnis<br />

nach innerer Einkehr, seelischer Inventur <strong>und</strong> neuen<br />

Kraftquellen – egal ob sie ehrenamtlicher Kirchenvorstand<br />

oder Atheist sind. Schladebusch betrachtet das<br />

Pilgern als ideales Instrument für dauergestresste oder<br />

gar ausgebrannte Manager. „Wie kaum etwas anderes<br />

führt das Gehen zur Entschleunigung“, erklärt der Theologe.<br />

Zu Fuß kommt man nur langsam voran. Nicht<br />

zuletzt in dieser, auf den ersten Blick höchst simplen<br />

Erkenntnis liegt eine befreiende Erfahrung für Führungskräfte,<br />

die ständig auf Zack sind – <strong>und</strong> bei aller<br />

Mobilität psychisch nicht mehr Schritt halten können.<br />

Denn, so Schladebusch: „Die Seele geht zu Fuß.“<br />

Auf der Pilgertour können Körper, Geist <strong>und</strong> Seele<br />

Schritt miteinander halten. Die Pilgernden entwickeln<br />

ein neues Gespür für Zeit <strong>und</strong> daraus die Fähigkeit zu<br />

Gelassenheit <strong>und</strong> Achtsamkeit. „Das langsame Gehen<br />

hat etwas Meditatives. Man kann seine Sinne öffnen <strong>und</strong><br />

– nach außen wie nach innen – vieles wahrnehmen, was<br />

einem in der Hast des Alltags verborgen bleibt“, weiß<br />

Schladebusch. Das Wandern sei zudem eine eingängige<br />

Metapher für das Leben selbst: „Auch im Leben geht es<br />

darum, sich einen Weg zu erschließen. Auch das Leben<br />

ist nichts Statisches“, sagt der Pastor. Beim Pilgern schreitet<br />

man auf ein Ziel zu <strong>und</strong> hat die nötige Muße, sich<br />

währenddessen mit den eigenen Lebenszielen <strong>und</strong> <strong>Werte</strong>n<br />

auseinanderzusetzen. „Was trägt mich? Wohin gehe<br />

ich? Was ist mein Ziel? Wie kann ich überleben in den<br />

hohen Ansprüchen meines Berufs?“<br />

Nicht nur das bloße Gehen hilft, Antworten zu finden.<br />

Die Pastoren wählen von der insgesamt 300 Kilometer<br />

langen Pilgerroute, die sich vom ehemaligen Zisterzienserkloster<br />

Volkenroda zum Tochterkloster in Loccum<br />

erstreckt, immer auch bewusst ein Teilstück aus, das<br />

ausreichend Stoff zum Nachdenken liefert. Nicht<br />

umsonst kommt das Wort Pilgern von „per ager“, was<br />

bedeutet: „quer durch den Acker“. Die Wanderer begegnen<br />

auf ihrer Tour denn auch Schönem wie Hässlichem.<br />

Ihr Auge ruht ebenso auf anmutigen Landschaften wie<br />

development | 67<br />

managerSeminare | Heft 129 | Dezember 2008


68 | development<br />

auf tristen Industriebrachen. Zudem steuern<br />

Schladebusch <strong>und</strong> Reuter für stille Andachts-<br />

<strong>und</strong> Meditationsmomente mit ihnen Kirchen<br />

<strong>und</strong> Klöster am Wegesrand an. Und<br />

auf dem Weg lassen sie die Wanderer über<br />

ausgewählte Gleichnisse aus der Bibel nachsinnen.<br />

Die Mühsal gehört zum Pilgern wie die<br />

Meditation<br />

Zur Meditation gesellt sich die Mühsal. Das<br />

ungewohnte Gehen einer längeren Strecke<br />

von täglich ca. 15 bis 18 Kilometern, über<br />

Berge <strong>und</strong> durch Täler, mit Übernachtungen<br />

in einfachen Unterkünften verlangt den<br />

Pilgern einiges ab. „Schmerzen, Blasen an<br />

den Füßen, Hunger, Durst, schlechtes<br />

Wetter, aber auch die Auseinandersetzung<br />

mit den manchmal sehr unterschiedlichen<br />

Überzeugungen der Mitpilger stellen echte<br />

Herausforderungen dar“, weiß der Pastor.<br />

Doch auch diese Schwierigkeiten seien ein<br />

guter Spiegel des Lebens, das schließlich<br />

auch mit Herausforderungen aufwartet, die<br />

es zu bewältigen gilt. Gerade von der Meinungsvielfalt<br />

profitiere eine Pilgergruppe<br />

seiner Erfahrung nach sehr, betont Schlade-<br />

managerSeminare | Heft 129 | Dezember 2008<br />

busch. Es sei faszinierend, zu sehen, wie die<br />

Wanderer bei aller Unterschiedlichkeit über<br />

<strong>Werte</strong> <strong>und</strong> Überzeugungen ins Gespräch<br />

kämen, diskutierten, sich aber auch gegenseitig<br />

unterstützten.<br />

Das Sich-Führen-Lassen, die Zugehörigkeit<br />

zu einer Gruppe, führt dem Pastor zufolge<br />

zu einer für Führungskräfte ebenfalls sehr<br />

heilsamen Erkenntnis: dass die eigene isolierte<br />

Leistung stets unzureichend ist. „Und<br />

dass es eben nicht nur um Leistung geht.<br />

Nicht nur darum, zu funktionieren. Sondern,<br />

dass man als Mensch zählt – mit all<br />

seinen Wünschen, Träumen <strong>und</strong> Ängsten“,<br />

so der Theologe.<br />

Promi-Patres entfachten das Interesse<br />

für <strong>Werte</strong> in der Wirtschaft<br />

Das 2004 gestartete Spiritual Consulting ist<br />

als Angebot einer evangelischen Landeskirche<br />

deutschlandweit bislang einzigartig.<br />

Allein auf weiter Theologenflur stehen die<br />

beiden Pilger-Pastoren freilich nicht, wenn<br />

es darum geht, das Kerngeschäft der Kirchen<br />

– die Sorge um das Seelenheil der Menschen<br />

– gezielt auf Manager anzuwenden. Nicht<br />

zuletzt Katholiken wie die Ex-Ordensbrüder<br />

Rupert Lay <strong>und</strong> Anselm Bilgri<br />

<strong>und</strong> der Benediktiner-Mönch<br />

Dr. Anselm Grün von der Abtei<br />

Münsterschwarzach haben als<br />

prominente Referenten <strong>und</strong><br />

Buchautoren dazu beigetragen,<br />

das Interesse an christlichen<br />

<strong>Werte</strong>n in Führungskreisen zu<br />

fördern.<br />

Die Ordensgemeinschaften<br />

verzeichnen seit Jahren einen<br />

nicht abreißenden Zustrom von<br />

Menschen, die sich in stiller<br />

Kontemplation in Klöster zurückziehen,<br />

temporär am Leben<br />

der Mönche teilhaben oder<br />

Seminarofferten wahrnehmen<br />

– von Meditationskursen bis zur<br />

Wellness-Massage. „Es gibt mittlerweile<br />

gut 300 solcher Angebote<br />

deutscher Frauen- <strong>und</strong><br />

Männerorden“, sagt Arnulf Salmen,<br />

Pressesprecher der Orden.<br />

Wie viele Manager unter den<br />

Klostergästen sind, lässt sich<br />

zwar nicht genau beziffern. Doch<br />

dass der Rückzug hinter Ordensmauern<br />

gerade auch bei Mana-


gern gefragt ist, belegen die klösterlichen<br />

Angebote, die sich<br />

dezidiert an diese Zielgruppe<br />

richten <strong>und</strong> regelmäßig ausgebucht<br />

sind.<br />

Vom Interesse des deutschen<br />

Managerstandes an geistlichem<br />

Beistand zeugen auch die Briefe,<br />

die den Benediktinerpater Dr.<br />

Anselm Grün bergeweise erreichen.<br />

Grün, Cellerar der Abtei<br />

Münsterschwarzach, ist einer<br />

der Granden unter den christlichen<br />

Wirtschaftsweisen. Er gibt<br />

seit 15 Jahren Kurse für Manager,<br />

hat sich als Buchautor einen<br />

Namen gemacht <strong>und</strong> ist ein<br />

gefragter Kongressredner. „Die<br />

Briefeschreiber schildern oft,<br />

dass sie unter dem Führungsverständnis<br />

in ihren Unternehmen<br />

leiden“, berichtet Grün. Solidarität<br />

<strong>und</strong> Menschlichkeit spielten<br />

den Klagen zufolge häufig<br />

keine Rolle. <strong>Werte</strong> jenseits finanzieller<br />

<strong>Werte</strong> fänden sich allenfalls<br />

in den Leitlinien. Stattdessen<br />

seien Angst <strong>und</strong> Druck an<br />

der Tagesordnung. Druck, den<br />

Manager ausüben, dem sie sich<br />

auch selbst unterwerfen. Grün<br />

weiß, wozu das führen kann:<br />

„Führungskräfte haben häufig<br />

das Gefühl, gelebt zu werden,<br />

statt selbst zu leben“, so der<br />

Pater.<br />

Wer jedoch ein Getriebener<br />

sei, könne auch andere nur vor<br />

sich hertreiben, ist Grüns Überzeugung:<br />

„Führungskräfte neigen<br />

oft dazu, Leistung aus den<br />

Menschen herauszupressen, statt<br />

Leben in ihnen zu wecken.“ Um<br />

in Mitarbeitern Leben <strong>und</strong> damit<br />

Leistungslust zu wecken, müssten<br />

sich die Manager selbst wie-<br />

„Führungskräfte haben oft<br />

das Gefühl, gelebt zu werden,<br />

statt selbst zu leben.“<br />

Anselm Grün, Cellerar des Benediktinerklosters<br />

Münsterschwarzach, Buchautor <strong>und</strong> Führungskräfte-<br />

Ratgeber. Kontakt: www.anselm-gruen.de<br />

der als Mensch wahrnehmen, mit all ihren<br />

menschlichen Gefühlen, Sehnsüchten <strong>und</strong><br />

Bedürfnissen. Weil dies besonders gut<br />

gelingt, wenn die Führungskräfte auf Distanz<br />

zur Alltagstretmühle gehen, setzt<br />

auch Grün auf die Kraft, die im Rückzug<br />

liegt.<br />

Anselm Grün lässt Führungskräfte<br />

schweigen<br />

Der Rückzugsort ist in diesem Fall das Haus<br />

Benedikt, das Würzburger Gästehaus der<br />

Abtei Münsterschwarzach, das Anselm Grün<br />

gemeinsam mit dem Managerberater <strong>und</strong><br />

Coach Dr. Friedrich Assländer leitet. Das<br />

Zentrum veranstaltet unter anderem mehrtägige<br />

Retreats für Führungskräfte, die sich<br />

in ihrer Struktur ans mönchische Leben<br />

anlehnen: Der Tag beginnt früh, ist klar<br />

durchstrukturiert in Zeiten gemeinsamer<br />

Zusammenarbeit an Themen wie Konfliktmanagement<br />

<strong>und</strong> Kommunikation, aber<br />

auch in Zeiten der Meditation <strong>und</strong> des<br />

Schweigens. „Gerade das Schweigen fällt<br />

einigen Führungskräften sehr schwer“, weiß<br />

Grün, der auch mit Psychologen zusammenarbeitet,<br />

weil das Zurückgeworfensein<br />

auf das Selbst manchen an seine psychischen<br />

Grenzen bringen kann. Generell dauere es<br />

eine Weile, bis sich die Führungskräfte mit<br />

dem Schweigen wohlfühlten. „Aber irgendwann<br />

kommt der Punkt, an dem sie merken,<br />

dass sie sich wieder selbst spüren <strong>und</strong> an<br />

innere Quellen gelangen können, von denen<br />

sie gar nicht mehr gewusst haben, dass sie<br />

existieren“, beobachtet der Geistliche.<br />

Leitet Anselm Grün nur ab <strong>und</strong> an persönlich<br />

Kurse für Manager, so hat Andreas<br />

Breer – geistlicher Name: Pater Tobias – den<br />

Einsatz für Manager-Seelen zu seiner Hauptaufgabe<br />

gemacht. In der Duisburger Prämonstratenser<br />

Abtei Hamborn leitet der<br />

Mönch <strong>und</strong> Kloster-Kämmerer die gemeinnützige<br />

Beratungs-GmbH „Kompetenz-Center<br />

Mensch“ <strong>und</strong> ist dort für 23 Mitarbeiter<br />

development | 69<br />

managerSeminare | Heft 129 | Dezember 2008


70 | development<br />

Christliche Angebote für Manager<br />

Klausuren <strong>und</strong> Kurse in Klöstern<br />

A Kloster Andechs<br />

Das am Ostufer des Ammersees gelegene Kloster Andechs bietet unter dem Titel „Andechser<br />

Exerzitien für Manager“ Führungskräften die Möglichkeit, in klösterlicher Klausur intensiv am<br />

benediktinischen Lebensrhythmus teilzuhaben (weshalb sich das Angebot nur an Männer<br />

richtet). Sie nehmen an Gebets-, Arbeits- <strong>und</strong> Essenszeiten der Mönche teil, werden dabei<br />

von Abt Dr. Johannes Eckert <strong>und</strong> seinen Mitarbeitern begleitet <strong>und</strong> reflektieren ihre Lebenssituation.<br />

Im Mittelpunkt steht die Lektüre der Benediktsregel, ergänzend kommen Gespräche<br />

<strong>und</strong> Meditationen hinzu. Termine: 25. Februar bis 1. März 2009 sowie 25. bis 29. November<br />

2009; Kosten: 1.380 Euro. Infos unter E-Mail: seminar@andechs.de<br />

A Haus Benedikt (Abtei Münsterschwarzach)<br />

Das Haus Benedikt ist das Würzburger Stadtkloster <strong>und</strong> Gästehaus der Abtei Münsterschwarzach.<br />

Es steht unter der Leitung von Pater Dr. Anselm Grün sowie Dr. Friedrich Assländer<br />

<strong>und</strong> bietet Managern neben einer Vielzahl von offenen Seminaren <strong>und</strong> Kursen zu<br />

Themen wie Führung, Sprache, Zeit <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit auch die Möglichkeit, individuell auf sie<br />

zugeschnittene Veranstaltungen zu buchen. Etwa, um sich mit den engsten Mitarbeitern „aus<br />

der Hektik des Alltags zurückzuziehen <strong>und</strong> in die Adlerperspektive zu gehen“, um sich im<br />

Team weiterzuentwickeln, in Ruhe an neuen Strategien zu arbeiten oder die Führungsriege<br />

auf eine gemeinsame <strong>Werte</strong>kultur einzustimmen. Infos unter E-Mail: invita@haus-benedikt.<br />

net<br />

A Kompetenz-Center Mensch (Kloster Hamborn)<br />

Das Kompetenz-Center Mensch (KCM) ist die gemeinnützige Beratungsinstanz des Duisburger<br />

Prämonstratenser-Klosters Hamborn. Die KCM gemeinnützige GmbH steht unter der<br />

Leitung von Pater Tobias. Unterstützt wird er von einem Team aus Wirtschaftswissenschaftlern,<br />

Psychologen, Medizinern <strong>und</strong> Soziologen. Das Angebot richtet sich an Führungskräfte<br />

<strong>und</strong> auch Mitarbeiter. Der Ansatz: Wirtschaftliches Know-how mit Selbstfindung <strong>und</strong> Selbstentwicklung<br />

verknüpfen, Fachkompetenz ebenso stärken wie die physische <strong>und</strong> psychische<br />

Fitness – <strong>und</strong> das alles vor dem Hintergr<strong>und</strong> christlicher <strong>Werte</strong>. Im Mittelpunkt des Angebotes<br />

stehen mehrtägige firmeninterne Veranstaltungen (Besinnungstage für Führungskräfte),<br />

die intensiv vor- <strong>und</strong> nachbereitet werden <strong>und</strong> neben der Arbeit an fachlichen <strong>und</strong> methodischen<br />

Themen, Phasen der Meditation, der inneren Einkehr <strong>und</strong> des seelsorgerischen<br />

Gespräches beinhalten. Auch hier können die Teilnehmer an den Gebeten <strong>und</strong> Mahlzeiten der<br />

Mönche teilhaben. Kontakt: www.pater-tobias.de<br />

Pilgertouren mit Pastoren<br />

Spiritual Consulting ist die erste Unternehmensberatung unter dem Dach einer evangelischen<br />

Landeskirche in Deutschland. Im Auftrag der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers<br />

wird das Projekt von den Pastoren Peer-Detlev Schladebusch <strong>und</strong> Ralf Reuter geleitet.<br />

Die beiden bieten neben Einzelcoachings, Seminaren <strong>und</strong> betreuten Auszeiten im Kloster<br />

auch dreitägige Pilgertouren für Manager im Weserbergland an. Infos unter: www.spiritualconsulting.de<br />

managerSeminare | Heft 129 | Dezember 2008<br />

„Wir bauen die Manager, die<br />

zu uns kommen, wieder auf<br />

– <strong>und</strong> zwar seelisch wie auch<br />

körperlich.“<br />

Pater Tobias, Leiter <strong>und</strong> Dozent der Kompetenz-<br />

Center Mensch gGmbH im Abteizentrum Hamborn.<br />

Kontakt: www.pater-tobias.de<br />

zuständig. Pater Tobias kennt die Wirtschaftswelt aus<br />

eigener Anschauung. Er war z.B. eine Zeit lang Ausbildungsleiter<br />

im Autokonzern BMW, bevor er Theologie<br />

studierte, zum Priester geweiht wurde <strong>und</strong> dem Orden<br />

beitrat.<br />

Er selbst bezeichnet sich als „Seelsorger <strong>und</strong> Erfolgstrainer“<br />

– zwei Begriffe, die nur scheinbar Antagonisten<br />

sind, denn Pater Tobias handelt damit nach seinem Vorbild,<br />

dem heiligen Norbert von Xanten, der schon vor<br />

Jahrh<strong>und</strong>erten dafür plädiert hat, die Kirche näher an<br />

die Lebenswelt des Menschen heranzutragen. Dafür legt<br />

sich der Mönch gleich mehrfach ins Zeug. Um den<br />

schwindenden Auflagenzahlen von Kirchenzeitungen<br />

etwas entgegenzusetzen, hat er beispielsweise ein Fernstudium<br />

in Journalismus absolviert <strong>und</strong> bringt nun ein<br />

neues modern aufgemachtes <strong>Ethik</strong>magazin mit dem<br />

Titel „Vorsicht Kult(o)ur“ heraus. Die Abtei Hamborn<br />

hat der Pater auch über das Managementberatungszentrum<br />

hinaus zum Tagungsort <strong>und</strong> zur öffentlichen Bildungsstätte<br />

ausgebaut.<br />

Pater Tobias: Tag <strong>und</strong> Nacht im Einsatz für<br />

Managerseelen<br />

Auch Pater Tobias kennt die Schattenseiten der modernen<br />

Arbeitswelt. „Der Mensch spielt in der Wirtschaft<br />

oft keine Rolle“, weiß der Geistliche von vielen, die bei<br />

ihm seelsorgerischen Rat <strong>und</strong> Trost suchen. Das Problem<br />

sei die Fokussierung aufs „Haben, Machen <strong>und</strong><br />

Schaffen“. Und auch auf Fachkompetenz – zum Nachteil<br />

der Eigen- <strong>und</strong> Sozialkompetenz. Langfristig gut könne<br />

eine Führungskraft aber nur dann sein, wenn sie bei<br />

aller Erfolgsorientierung nicht wider ihren Körper <strong>und</strong><br />

ihre Seele lebe. „Es geht uns deshalb vor allem darum,<br />

die Manager, die zu uns kommen, aufzubauen,“ sagt der<br />

Pater. Im Sinne des ganzheitlichen Konzepts gehört dazu<br />

nicht nur die Aufarbeitung seelischer Konflikte, sondern<br />

unter Umständen auch die Arbeit am Körper. Es gibt<br />

Fälle, in denen der sportliche Pater, der selbst fünfmal<br />

jährlich Marathon läuft, mit seinen Coachees gemeinsam<br />

im Fitnessstudio trainiert.<br />

Neben Einzelcoachings <strong>und</strong> Seminaren bietet das<br />

KCM Managern aus einer Firma die Möglichkeit, an<br />

mehrtägigen Retreats – so genannten Besinnungstagen<br />

für Manager – vor Ort teilzunehmen. Sei es, um jenseits<br />

der Alltagshektik gemeinsam neue Kraft zu tanken <strong>und</strong><br />

die Arbeit aus der Distanz zu reflektieren, um in der<br />

Abgeschiedenheit an neuen Strategien zu arbeiten, als<br />

Team zusammenzufinden oder zu einer gemeinsamen<br />

<strong>Werte</strong>kultur zu gelangen. In der klösterlichen Atmosphäre<br />

der Ordensgemeinschaft können sich die Teilnehmer<br />

erholen, indem sie sich auf den Gebets- <strong>und</strong> Arbeitsrhythmus<br />

der Mönche einlassen, sich reflektierend<br />

zurückziehen, das Einzelgespräch mit Pater Tobias <strong>und</strong><br />

seinen Mitarbeitern suchen <strong>und</strong> gemeinsam in Seminareinheiten<br />

an wichtigen Themen arbeiten. „Die Nachfrage<br />

nach dem Angebot wächst“, konstatiert der<br />

Pater.<br />

Wie der Mönch betont, zeichnen sich die Retreats in<br />

Hamborn nicht nur durch das ganzheitliche Konzept<br />

– fachliches Know-how neben persönlicher Entwicklung


<strong>und</strong> <strong>Werte</strong>reflexion – aus, sondern auch<br />

durch eine besonders intensive Vor- <strong>und</strong><br />

Nachbetreuung seitens der Kursleiter <strong>und</strong><br />

Dozenten. Pater Tobias <strong>und</strong> seine Teammitglieder<br />

reisen beispielsweise vor Kursbeginn<br />

an den Arbeitsplatz der Teilnehmer, k<strong>und</strong>schaften<br />

die drängendsten Probleme aus <strong>und</strong><br />

stehen nach den Seminartagen noch bis zu<br />

zwölf Monate als Coachs zur Verfügung. Im<br />

Gegensatz zu weltlichen Beratern können<br />

Klienten den Pater übrigens Tag <strong>und</strong> Nacht<br />

per Handy erreichen.<br />

Die geistlichen Berater genießen einen<br />

Vertrauensvorschuss<br />

Die Anziehungskraft der klösterlichen<br />

Angebote ist für weibliche <strong>und</strong> männliche<br />

Manager jedweder religiöser Couleur groß.<br />

Unter denen, die es in die Klöster zieht, sind<br />

– wie auch unter den Pilgern – erstaunlich<br />

viele Manager ohne kirchlichen Bezug. Pater<br />

Tobias erklärt gar, 85 Prozent der Klienten<br />

des Kompetenz-Center Mensch gehörten<br />

keiner Religionsgemeinschaft an. Dabei genießen<br />

die Managementberater in Mönchs-<br />

Service<br />

Literaturtipps<br />

gewand <strong>und</strong> Priestersoutane bei all ihren<br />

Klienten ein Höchstmaß an Vertrauen.<br />

Die Manager haben das Gefühl, bei den<br />

Patres <strong>und</strong> Pastoren in einen sicheren Hafen<br />

einzulaufen. „Sie öffnen sich mir gegenüber<br />

schneller als gegenüber weltlichen Kollegen“,<br />

fasst Pater Tobias eine Erfahrung zusammen,<br />

die er mit seinen katholischen wie auch<br />

evangelischen Berufskollegen teilt. Seine<br />

Klienten, sagt auch Anselm Grün, seien rasch<br />

bereit, mit ihm über ernste persönliche Probleme<br />

zu reden. Zum Teil rührt dieser Vertrauensvorschuss<br />

wohl daher, dass man<br />

einem Priester per se Ehrlichkeit, Verantwortungsbewusstsein<br />

<strong>und</strong> Vertrauenswürdigkeit<br />

zuspricht. Ein wichtiger Aspekt sei aber<br />

auch, so Pater Tobias, dass die Priester als<br />

Berater kein eigenes kommerzielles Interesse<br />

verfolgen. „Alles, was ich erwirtschafte,<br />

kommt bedürftigen Menschen zugute“, sagt<br />

der Mönch. Und noch etwas haben die kirchlichen<br />

Consultants ihren weltlichen Kollegen<br />

voraus: Sie unterliegen dem Beichtgeheimnis<br />

<strong>und</strong> der pfarramtlichen Schweigepflicht.<br />

Sylvia Jumpertz C<br />

A Hape Kerkeling: Ich bin dann mal weg. Meine Reise auf dem Jakobsweg. Malik, München 2007,<br />

19,90 Euro.<br />

Comedian Hape Kerkeling beschreibt in dem Buch, das sich hartnäckig auf den Bestseller-Listen hält, seine<br />

Erlebnisse auf dem Jakobsweg. Das Werk weckte bei vielen Deutschen die Lust aufs Wandern <strong>und</strong> Wallfahren.<br />

A Klaus Hartmann: Manager <strong>und</strong> Religion: Zum Wandel beruflicher <strong>und</strong> religiöser Lebensführung.<br />

UvK, Konstanz 2007, 29,00 Euro.<br />

Das Buch beruht hauptsächlich auf biografischen Interviews, die der Autor mit Managern führender Unternehmen<br />

geführt hat. Hartmann geht der Frage nach, welche Rolle religiöse Sinndeutungen im Leben der<br />

Führungskräfte spielen.<br />

A Werner Halter: Den Jakobsweg erfahren: Nach Santiago de Compostela. Orell Füssli, Zürich<br />

2006, 16,30 Euro.<br />

Der Headhunter Werner Halter berichtet über seine persönliche Auszeit auf dem Jakobsweg – <strong>und</strong> beschreibt<br />

anschaulich die Menschen, die er auf seinem Weg nach Santiago de Compostela <strong>und</strong> zu sich selbst trifft.<br />

A Nikolaus Nonn: Tage im Kloster. Grünewald, Mainz 2002, 8,80 Euro.<br />

Das Büchlein richtet sich an alle, die an einem kurzzeitigen Aufenthalt im Kloster interessiert sind, beschreibt<br />

die Gr<strong>und</strong>züge des Ordenslebens <strong>und</strong> des klösterlichen Tagesablaufes <strong>und</strong> gibt Anregungen für die persönliche<br />

Gestaltung der „Tage im Kloster“.<br />

A Heiner Thorborg: Die <strong>Werte</strong> des Top-Managements. Sinus Sociovision, Heidelberg 2006, 250<br />

Euro.<br />

Die Studie, die der Personalberater Heiner Thorborg gemeinsam mit dem Forschungsinstitut Sinus Sociovision<br />

umgesetzt hat, enthüllt das <strong>Werte</strong>system deutscher Top-Manager. Befragt wurden über 180 Vorstände<br />

aus DAX-30- <strong>und</strong> MDAX-Unternehmen sowie geschäftsführende Gesellschafter namhafter Familienunternehmen.<br />

Das Ergebnis: Das <strong>Werte</strong>kostüm der Manager unterscheidet sich stark von dem der<br />

Gesamtbevölkerung. Die Untersuchung kann bezogen werden unter E-Mail: thomas.perry@sociovision.de.<br />

development | 71<br />

managerSeminare | Heft 129 | Dezember 2008


Foto: image source<br />

20 | management<br />

<strong>Werte</strong> bewusst<br />

führen<br />

CORPORATE GOVERNANCE<br />

managerSeminare | Heft 121 | April 2008


management | 21<br />

Selbstbedienung, Korruption, Betrug, Vertragsbruch – immer wieder<br />

füllen neue Skandale aus der Wirtschaftswelt die Schlagzeilen. Zuletzt<br />

war es die Affäre Zumwinkel. Fehlt es unseren Managern an <strong>Moral</strong>?<br />

Begünstigen die Kulturmerkmale der Konzernwirtschaft den <strong>Werte</strong>verfall?<br />

Wer wacht über die <strong>Werte</strong>? managerSeminare hat nachgefragt.<br />

Preview: AIVon Enron bis zur Deutschen Post: Wenn<br />

<strong>Werte</strong> nichts zählen AIAktuelle Studie belegt: <strong>Moral</strong>isch<br />

verwerfliches Handeln nimmt zu AIGründe für<br />

den <strong>Werte</strong>verfall: Extreme-Jobbing, wenig persönliche<br />

Bindungen, Intransparenz AIDer Corporate-Governance-Kodex:<br />

15 Seiten Papier wollen über <strong>Werte</strong><br />

wachen AIAlternative <strong>Werte</strong>-Initiativen: Die Arbeit von<br />

„<strong>Werte</strong>kommission“, „<strong>Werte</strong>dialog“ <strong>und</strong> <strong>Ethik</strong>verband<br />

AIWorauf es ankommt: <strong>Werte</strong> für den Führungsalltag<br />

AIWarum bei Mittelständlern <strong>Werte</strong> oft noch mehr wert<br />

sind<br />

C Zwei Vorstandsmitglieder eines Unternehmens<br />

haben einen Termin bei einem<br />

Unternehmensberater. Statt zusammen zum<br />

Berater zu fahren, lässt sich jeder im eigenen<br />

Auto hinchauffieren. Im Gespräch mit dem<br />

Consultant tut jeder so, also wäre nichts,<br />

man wahrt die Form. Aber als der eine mal<br />

den Raum verlässt, hat der andere nur<br />

Schlechtes über seinen Vorstandskollegen zu<br />

sagen: Er zieht über den anderen her, mit<br />

wenig schönen Worten.<br />

Ein belangloser Vorgang eigentlich – wäre<br />

da nicht seine Häufung: „Das erlebe ich<br />

öfter“, sagt Dr. Klaus Aden, Geschäftsführer<br />

<strong>und</strong> Mitinhaber von LAB Lachner Aden<br />

Beyer & Company, einer Personalberatung<br />

in Düsseldorf. Er schätzt, dass es mittlerweile<br />

in jeder dritten Geschäftsführung Zoff<br />

gibt, der unbearbeitet bleibt.<br />

Das Beispiel wirft ein Schlaglicht auf die<br />

Zustände in manchem Betrieb: Menschliche<br />

wie unternehmerische <strong>Werte</strong> geraten unter<br />

die Räder, Fairness, Anstand, Partnerschaft,<br />

Menschlichkeit <strong>und</strong> Vertrauen scheinen<br />

manchmal nicht hoch im Kurs zu stehen.<br />

Beim einen Unternehmen klagen Mitar-<br />

beiter über den Intrigensumpf <strong>und</strong> ständigen<br />

Streit, beim nächsten ist Mobbing verbreitet<br />

– oder Recht <strong>und</strong> Gesetz machen am<br />

Firmentor Halt, Korruption regiert das<br />

Geschäft.<br />

Beispiele: Wo <strong>Werte</strong> nur wenig zählen<br />

Wie wenig <strong>Werte</strong> zählen, zeigt sich etwa<br />

beim Thema Treue des Arbeitgebers zu seinen<br />

Mitarbeitern. In ferner Vergangenheit<br />

scheinen die Zeiten zu liegen, als der Chef<br />

der deutschen IBM, Walter A. Bösenberg, die<br />

Loyalität zwischen Mitarbeitern <strong>und</strong> Firma<br />

pries: „In unserem Unternehmen gibt es<br />

keine Entlassungen.“ Gut zwei Jahrzehnte<br />

später erinnert sich niemand mehr an das<br />

Versprechen – das amerikanische Computerunternehmen<br />

meldet Entlassungen wie<br />

jedes andere. Auch Hewlett Packard war<br />

einst ein Hort der unbedingten Treue zum<br />

Mitarbeiter, heute ist das ein Wert, von dem<br />

man sich verabschiedet hat. Es geht allerdings<br />

noch härter. Als bei Enron Zahlen <strong>und</strong><br />

ehrgeizige Versprechen nicht mehr übereinstimmten,<br />

schrieben sich die verantwortlichen<br />

Manager einfach in die Bücher, was sie<br />

zum Nachweis ihres Erfolgs brauchten. Verkäufe<br />

des Energieunternehmens, die es noch<br />

gar nicht gab, wurden als Umsatz verbucht.<br />

Kosten ließ man in der Buchhaltung unter<br />

den Tisch fallen. Das ging gut, bis Sherron<br />

Watkins aktiv wurde. Die Enron-Angestellte<br />

machte die Fälschungen öffentlich, danach<br />

kam, was kommen musste: Der Gigant mit<br />

111 Milliarden Dollar Umsatz implodierte<br />

im Jahr 2001, die Eigentümer verloren ihr<br />

Vermögen, die Mitarbeiter ihren Job.<br />

Auch die Affaire Zumwinkel zeigt, dass<br />

<strong>Werte</strong>kataloge von Unternehmen manchmal<br />

nicht mehr sind als ein billiger PR-Gag.<br />

„Schützt meine Handlung den Ruf von<br />

Deutsche Post World Net als Konzern mit<br />

hohen ethischen Standards?“, steht als Regel<br />

Nummer fünf im Verhaltenskodex, der für<br />

alle 470.000 Mitarbeiter gilt. Überdies sollen<br />

Mitarbeiter, so die <strong>Werte</strong> des gelben Konzerns,<br />

„Integrität nach innen <strong>und</strong> außen<br />

leben.“ Diese Vorgaben hielten den Vormann<br />

Klaus Zumwinkel nicht davon ab, sich<br />

persönliche Sonderrechte herauszunehmen.<br />

Der Multimillionär schleuste offenbar eine<br />

Million Euro an der deutschen Steuer vorbei,<br />

aber die Sache flog auf. Der Vorstandschef<br />

blamierte sich selbst, sein Unternehmen <strong>und</strong><br />

managerSeminare | Heft 121 | April 2008


22 | management<br />

die Profession der Top-Manager, als die Bilder<br />

von der Razzia der Steuerfahndung in<br />

seinem Haus durch alle Medien liefen. „Wie<br />

kann der Konzern von seinen Postboten<br />

Rechtschaffenheit verlangen, wenn nicht<br />

einmal der oberste Chef dieses Gebot einhält?“,<br />

fragten sich Beobachter des Geschehens.<br />

Studie: <strong>Moral</strong>isch verwerfliches Handeln<br />

nimmt zu<br />

Die Denkweise „alles geht“ leitet manchem<br />

Manager heute die Hand. Geschäftlicher<br />

Erfolg ist wichtiger als <strong>Werte</strong>. Das zeigen<br />

die Ergebnisse der Studie „Managerpanel“,<br />

die Klaus Aden Ende vergangenen Jahres<br />

durchgeführt hat. „Ich stelle häufiger als<br />

früher fest, dass Ehrlichkeit <strong>und</strong> Geradlinigkeit<br />

geradezu hinderlich sind“, gab einer<br />

der Befragten in der Studie zu Protokoll.<br />

Er war kein Einzelfall. 47 Prozent der Top-<br />

Manager beobachten in ihrem Umfeld regelmäßig<br />

moralisch verwerfliches Handeln.<br />

Viele machen mit, auch wenn sie es eigentlich<br />

besser wissen: 57 Prozent der 305 an<br />

der Studie beteiligten Führungskräfte quält<br />

mehrmals im Jahr ihr schlechtes Gewissen,<br />

weil ihr Handeln mit ihren früheren Vorstellungen<br />

über <strong>Werte</strong> nicht vereinbar ist. „Als<br />

Barsch unter Haifischen lebt es sich schlecht.<br />

Also werden viele zum Haifisch“, beklagt<br />

einer der Befragten.<br />

Warum ist das so? Warum wird mancher<br />

nette Familienvater zum Menschenschinder<br />

oder Betrüger, sobald er den Schlips umgeb<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> das Büro betreten hat? Ein<br />

wichtiger Auslöser ist das, was in der Manager-Arbeitswelt<br />

mit Extreme-Jobbing beschrieben<br />

wird: Der Druck ist hoch, der<br />

Wettbewerb um die besten Plätze im Beruf<br />

wird aggressiver. Da wird schon mal die Idee<br />

des Mitarbeiters als die eigene verkauft, eine<br />

Information gegenüber Kollegen unterdrückt<br />

oder ein Teammitglied unberechtigt<br />

angeschwärzt – oder einem Lieferanten die<br />

managerSeminare | Heft 121 | April 2008<br />

Rechnung nicht bezahlt, damit der Gewinn<br />

stimmt.<br />

Meist fangen die <strong>Werte</strong>-Übertretungen<br />

klein an, doch es bleibt nicht dabei. „Es gibt<br />

haufenweise Gefährdungen auf dem Weg an<br />

die Macht. Viele Führungskräfte sind nicht<br />

stark genug, um dem standzuhalten“, sagt<br />

Gertrud Höhler, Beraterin von Wirtschaft<br />

<strong>und</strong> Politik in Berlin. Höhler, die sich in<br />

ihren mehr als 20 Büchern immer wieder<br />

mit dem Thema <strong>Werte</strong> befasst hat (siehe<br />

Service-Kasten Seite 25), beobachtet: „Die<br />

Lasterkette ergibt sich im Verlauf des Aufstiegs.“<br />

Kultur der Konzernwirtschaft begünstigt<br />

<strong>Werte</strong>verfall<br />

Die Kulturmerkmale der Konzernwirtschaft<br />

begünstigen den <strong>Werte</strong>verfall. „Die hohe<br />

Fluktuation im Management ist ein Gr<strong>und</strong>“,<br />

so Höhler. Die Gesichter wechseln ständig,<br />

persönliche Bindungen, die das berufliche<br />

Wirken stabilisieren, gebe es in einem Umfeld,<br />

das spätestens alle zwei Jahre komplett<br />

reorganisiert wird, immer weniger. <strong>Werte</strong><br />

kann <strong>und</strong> will man sich offenbar nicht mehr<br />

leisten. „Der Frühstücksdirektor, der jeden<br />

kennt, der immer Zeit hat für ein Gespräch,<br />

stirbt aus“, beklagte schon vor Jahren Carl<br />

„<strong>Werte</strong> lassen sich nur<br />

realisieren durch Menschen,<br />

die den kleinen Unterschied<br />

machen.“<br />

Stefanie Unger, Consultant bei Novakovic & Partner<br />

Executive Search, Zürich. Kontakt:<br />

sun@novakovicpartner.com<br />

„Es gibt haufenweise Gefährdungen<br />

auf dem Weg an die<br />

Macht. Viele Führungskräfte<br />

sind nicht stark genug, um<br />

dem standzuhalten.“<br />

Gertrud Höhler, Buchautorin <strong>und</strong> Beraterin von Wirtschaft<br />

<strong>und</strong> Politik in Berlin.<br />

Zimmerer, Gründer <strong>und</strong> Geschäftsführer<br />

der Interfinanz, einem Unternehmensmakler<br />

in Düsseldorf. Mit dem Frühstücksdirektor<br />

verschwand der soziale Kitt aus der<br />

Großorganisation, mit ihm die Kummerkästen<br />

<strong>und</strong> die fürsorgliche Kontrolle, die<br />

für ein Mindestmaß an Anstand sorgte.<br />

Der Organismus des modernen Großunternehmens<br />

lässt manche Führungskraft<br />

zudem die gute Erziehung <strong>und</strong> andere <strong>Werte</strong><br />

vergessen. „Manager bewegen sich in einem<br />

Dschungel. Da kann man manches machen,<br />

was nicht so ganz den Regeln entspricht,<br />

ohne dass es jemand sieht“, beschreibt Beraterin<br />

Höhler die Arbeitsbedingungen. Der<br />

Schlaue lerne schnell, die Regeln so zu überschreiten,<br />

dass es das Controlling nicht<br />

bemerkt. Deshalb kann sich die Deformation<br />

ungehindert in manche Führungsetage<br />

hereinschleichen. „Die Elite meint, sie darf<br />

sich mehr erlauben als der einfache Mann<br />

auf der Straße“, kritisiert Höhler. Die Chefetage<br />

nehme für sich in Anspruch, dass für<br />

sie andere, weniger strenge Regeln gelten als<br />

für die kleinen Leute. „Die Oberen genießen<br />

das Gefühl eines geschlossenen Clubs, der<br />

ihnen die Lizenz gibt, Regeln des Anstands<br />

ungestraft zu übertreten“, so die Buchautorin.<br />

Auf diesem Humus wächst Verhalten, das,<br />

einmal aufgedeckt, zum Skandal wird. „Wir<br />

kaufen uns den Betriebsrat, wenn er nicht<br />

spurt“, so wurde etwa bei Volkswagen gedacht,<br />

einem Unternehmen, das immerhin<br />

auch von Größen wie dem Vorsitzenden der<br />

IG Metall, Jürgen Peters, <strong>und</strong> dem Ministerpräsidenten<br />

Niedersachsens, Christian Wulff,<br />

überwacht wird. Diese Prominenz im Aufsichtsrat<br />

des Autobauers konnte nicht verhindern,<br />

dass Peter Hartz tief in die Firmenkasse<br />

greift: 200.000 Euro bekommt Klaus<br />

Volkert, Chef des Betriebsrats, pro Jahr vom<br />

Personalvorstand zugesteckt. Damit sichert<br />

sich Hartz zehn Jahre lang die Zustimmung<br />

zur Personalpolitik des Konzerns, bis die<br />

Sache 2005 auffliegt.


Corporate-Governance-Kodex<br />

soll über <strong>Werte</strong> wachen<br />

Die vielen kleinen <strong>und</strong> großen<br />

Verfehlungen, auch die Hartz-<br />

Affaire, hätten so nicht passieren<br />

dürfen. Denn die Konzerne <strong>und</strong><br />

viele andere Unternehmen haben<br />

sich längst auf die Einhaltung<br />

von <strong>Werte</strong>n verpflichtet. Sie<br />

wollen für gute Leitung <strong>und</strong> Überwachung<br />

sorgen, indem sie sich<br />

den Regeln des Corporate-Governance-Kodex<br />

angeschlossen<br />

haben. Der vor sechs Jahren geschaffene<br />

Kodex sagt, wie in Unternehmen<br />

informiert, überwacht<br />

<strong>und</strong> kontrolliert werden soll.<br />

Überdies legt er die Rechte <strong>und</strong><br />

Pflichten von Vorstand <strong>und</strong> Aufsichtsrat<br />

fest. Aber Peter Hartz<br />

hat die Regeln des Kodex (u.a.<br />

„Dritten keine ungerechtfertigten<br />

Vorteile gewähren“) wissentlich<br />

gebrochen, der zur Kontrolle<br />

verpflichtete Aufsichtsrat hat<br />

nicht genau genug hingeschaut<br />

– oder die Augen zugemacht.<br />

Das 15-seitige Papier erweist<br />

sich als stumpfe Waffe im Kampf<br />

gegen den Verfall der <strong>Werte</strong>. „Die<br />

Schöpfer des Corporate-Governance-Kodex<br />

haben am Thema<br />

vorbeigeschossen“, bemängelt<br />

Stefanie Unger, Consultant bei<br />

Novakovic & Partner Executive<br />

Search, Zürich. Formulierungen<br />

sind vage, ergießen sich in Allgemeinplätzen<br />

<strong>und</strong> meiden die<br />

Problemzonen der Führung.<br />

Ebenso kritisch äußert sich der<br />

Governance-Experte Prof. Fredm<strong>und</strong><br />

Malik: Die jüngste R<strong>und</strong>e<br />

von Korruptionsskandalen bei<br />

Siemens habe der Kodex nicht<br />

verhindert (siehe auch Interview<br />

Seite 26).<br />

Beraterin Unger hat deshalb<br />

selbst Initiative ergriffen. Sie hat<br />

<strong>Werte</strong> zu ihrem Thema gemacht<br />

<strong>und</strong> im Jahr 2004 mit einigen<br />

Mitstreitern die „<strong>Werte</strong>kommission<br />

– Initiative <strong>Werte</strong> Bewusste<br />

Führung“ gegründet. Die Gruppe<br />

jüngerer Führungskräfte ist<br />

eine Graswurzel-Bewegung. Sie<br />

<strong>Werte</strong> in Gefahr<br />

management | 23<br />

Mit seiner Studie „Managerpanel“ vom Ende vergangenen Jahres machte Dr.<br />

Klaus Aden von LAB Lachner Aden Beyer & Company eine Bestandsaufnahme:<br />

Er fragte Führungskräfte, wie es mit der Umsetzung von <strong>Werte</strong>n in ihrem<br />

Umfeld bestellt ist. Ihre Antworten konnten die befragten Manager frei formulieren.<br />

managerSeminare mit einigen Auszügen.<br />

A „Handeln unter Karrieregesichtspunkten lässt keine Zeit für moralische Bewertungen.<br />

Und für moralisch einwandfreies Handeln existiert kein Budget.“<br />

A „Wenn ich heute jemanden als unehrlich empfinde, habe ich keine Probleme<br />

mehr, ihn gezielt zu belügen <strong>und</strong> zu manipulieren.“<br />

A „Eine ehrliche Haut zu sein sichert in der Regel nicht gerade den Wettbewerbsvorteil.“<br />

A „Einige Ideale muss man mit besserer Kenntnis des realen Berufslebens<br />

ablegen.“<br />

A „Das Schlimmste ist der Zwang, an eindeutig unmoralischen Maßnahmen<br />

mitwirken zu müssen.“<br />

A „Wenn das Engagement überdurchschnittlich ist, entsteht das Gefühl, an<br />

anderer Stelle mehr Privilegien in Anspruch nehmen zu dürfen.“<br />

A „Man bekommt den Eindruck, der Einsatz von Firmenressourcen für Privates<br />

gehöre zum Alltag.“<br />

A „Wenn der moralische Weg stets der einfache wäre, würde jeder automatisch<br />

das Richtige tun.“<br />

managerSeminare | Heft 121 | April 2008


24 | management<br />

sucht nicht den großen Wurf wie die Corporate-Governance-Kommission,<br />

ihr geht<br />

es mehr um das Kleinklein, die <strong>Werte</strong> in der<br />

täglichen Führungspraxis. „Respekt, Mut,<br />

Verantwortung sowie Vertrauen, Nachhaltigkeit<br />

<strong>und</strong> Integrität“, zählt Unger auf, welche<br />

<strong>Werte</strong> gemeint sind. Inzwischen arbeiten<br />

ihre Nachfolger, darunter Kai Hattendorf<br />

(Messe Frankfurt) <strong>und</strong> Sven H. Horndörffer<br />

(Aareal Bank) an der Spitze der „<strong>Werte</strong>kommission“<br />

– die Gründerin ist weitergezogen<br />

<strong>und</strong> hat eine neue Initiative namens „<strong>Werte</strong>dialog“<br />

aufgezogen.<br />

<strong>Werte</strong>-Initiativen setzen auf <strong>Werte</strong> für<br />

den Alltag<br />

Die „<strong>Werte</strong>kommission“ wie die Initiative<br />

„<strong>Werte</strong>dialog“ haben einen praxisnahen<br />

Ansatz gewählt, um mehr <strong>Werte</strong> in den Führungsalltag<br />

zu tragen: Sie wollen möglichst<br />

viele Mitstreiter davon überzeugen, sich an<br />

ihrem Platz im Beruf wertebewusst zu verhalten.<br />

„<strong>Werte</strong> lassen sich nur realisieren<br />

durch Menschen, die den kleinen Unterschied<br />

machen“, sagt die Headhunterin<br />

pragmatisch: <strong>Werte</strong> schaffen Wert, wenn<br />

jemand das will. Deshalb hat sich zum Beispiel<br />

die Kommission 60 teils prominente<br />

Manager in allen Branchen gesucht, diese zu<br />

einem Ratgeberkreis zusammengeschlossen<br />

<strong>und</strong> die Business-Community mit einer<br />

Welle von Veranstaltungen überzogen. 1.000<br />

Verbündete tragen die Bewegung derzeit,<br />

eine neue Aktion seit Ende vergangenen<br />

Jahres ist eine Anzeigenkampagne mit dem<br />

Titel „Demonstrieren Sie <strong>Werte</strong>.“<br />

Mehr wertbewusstes Management in die<br />

Unternehmen hineinorganisieren, das hat<br />

sich auch der <strong>Ethik</strong>verband der Deutschen<br />

Wirtschaft (EVW) zum Ziel gesetzt. Unter<br />

der Führung des Trainers Ulf D. Posé haben<br />

sich 134 Mitglieder versammelt, die sich für<br />

ethische Führung einsetzen. Im Ziele-Katalog<br />

des Verbandes finden sich <strong>Werte</strong> wie<br />

Würde, Freiheit <strong>und</strong> Verantwortung sowie<br />

Vertrauen <strong>und</strong> Sozialverträglichkeit. Der<br />

Verband versteht sich als Sprachrohr. „Wir<br />

beziehen zu <strong>Werte</strong>fragen Stellung“, beschreibt<br />

Posé die Arbeit. Als etwa Nokia<br />

bekannt gab, dass die Mobiltelefon-Fabrik<br />

in Bochum dicht gemacht wird, mischte sich<br />

der EVW in die Diskussion ein. Überdies<br />

berät Posé mit seinen Trainerkollegen die<br />

Mitglieder in <strong>Ethik</strong>fragen.<br />

<strong>Werte</strong> zeigen sich in der gelebten<br />

Führungspraxis<br />

Die drei Organisationen zeigen: Für den<br />

Erfolg in <strong>Werte</strong>fragen kommt es nicht auf<br />

managerSeminare | Heft 121 | April 2008<br />

Sprüche <strong>und</strong> bunte <strong>Ethik</strong>-Broschüren an,<br />

sondern auf die gelebte Führungspraxis.<br />

„Andere nur so behandeln, wie man selbst<br />

behandelt werden möchte“, lautet das Mantra.<br />

Für die tägliche Arbeit im Unternehmen<br />

bedeutet das:<br />

A Vorbild führt. Die Unternehmensspitze<br />

sollte ihren Alltag mit positiven <strong>Werte</strong>n hinterlegen.<br />

Respekt, Wertschätzung, Transparenz<br />

<strong>und</strong> offene, faire Aussprache sollten das<br />

Handeln leiten.<br />

A Handeln vor Rhetorik. Nicht die Sprechblase<br />

der Führung bringt es, sondern das<br />

Tun. Was zum Thema <strong>Werte</strong> heute gesagt<br />

wird, ist morgen vergessen. Aber wie mit<br />

<strong>Werte</strong>n umgegangen wird, ob sie respektiert<br />

werden oder mit Füßen getreten, merken<br />

sich die Mitarbeiter über Jahre.<br />

A Anforderungsprofil. Bei der Besetzung<br />

von Führungspositionen sollte nicht nur auf<br />

Fachkompetenz <strong>und</strong> bereits erreichte Erfolge<br />

geachtet werden, sondern auch auf stabile<br />

persönliche <strong>Werte</strong>.<br />

A Belohnungen. Auch wertorientierte<br />

Führung ist ein Bestandteil des Belohnungssystems.<br />

Wertbewusstsein bringt Punkte,<br />

<strong>Werte</strong>verletzung indes Punktabzug <strong>und</strong><br />

Stopp des weiteren Aufstiegs auf der Karriereleiter.<br />

A Grenzen zeigen. Die Risiken von Grenzüberschreitungen<br />

für Karriere, Ruf <strong>und</strong><br />

Geschäft sollten offengelegt <strong>und</strong> angesprochen<br />

werden.<br />

A Sanktionen. Fehlverhalten muss konsequent<br />

geahndet werden. Verstößen sollte<br />

nicht erst dann nachgegangen werden, wenn<br />

es gegen geschriebenes Recht geht.<br />

Die Bahn etwa hat sich mit Erfolg gegen<br />

die Enronitis geschützt. Der Konzern kauft<br />

für acht Milliarden Euro pro Jahr Lokomotiven,<br />

Bauleistungen, Fuhrpark <strong>und</strong> Gebäude<br />

ein. Hier winken der Zulieferindustrie<br />

lukrative Aufträge; wer in den engeren Kreis<br />

„Wir sind Vorbild, sowohl<br />

die Mitarbeiter als auch das<br />

gesamte Unternehmen.“<br />

Götz Werner, Gründer <strong>und</strong> Inhaber der Drogeriemarktkette<br />

dm. Kontakt über: herbert.arthen@dmdrogeriemarkt.de<br />

der Hoflieferanten der Bahn gehört, darf sich<br />

über ergiebiges Geschäft freuen. Da sind die<br />

Verlockungen groß: Mancher Bahn-Lieferant<br />

hat in der Vergangenheit die Unterschrift<br />

unter einen Auftrag reich belohnt –<br />

mit einem dicken, mit Bargeld gefüllten<br />

Umschlag, diskret nach der Verhandlung<br />

zugesteckt. Aber der Schienenkonzern ließ<br />

nie einen Zweifel daran, wo die Grenzen<br />

wertbewussten Verhaltens liegen: Die interne<br />

Revision überprüft alle Vergaben. Wo<br />

geschmiert wurde, ging der Konzern konsequent<br />

<strong>und</strong> mit aller Härte gegen Einkäufer<br />

vor, die von Lieferanten Geld genommen<br />

hatten.<br />

Mittelständler sind oft vorbildlich in<br />

Sachen <strong>Werte</strong><br />

Zudem zeigen einige Mittelständler, wie<br />

man ein Unternehmen mit den richtigen<br />

<strong>Werte</strong>n ausstatten kann. „Wo der Eigentümer<br />

führt, wird oft langfristiger gedacht“,<br />

sagt <strong>Werte</strong>-Expertin Unger, „hier wird die<br />

Kultur durch einen Menschen an der Spitze<br />

geprägt.“ Ein Beispiel für diese Praxis liefert<br />

dm Drogeriemarkt. Zwar ist das Karlsruher<br />

Unternehmen mit heute europaweit 1.850<br />

Filialen <strong>und</strong> 4,2 Milliarden Euro Umsatz<br />

lange über das Stadium hinausgewachsen,<br />

wo noch jeder jeden kennt. Doch den Gedanken<br />

des Unternehmens als Familie mit<br />

gemeinsamen <strong>Werte</strong>n hält Inhaber Prof.<br />

Götz W. Werner dennoch hoch: „Wenn sich<br />

ein Mitarbeiter dem Unternehmen verb<strong>und</strong>en<br />

fühlt, arbeitet er nicht nur St<strong>und</strong>en ab,<br />

sondern sieht den Sinn seines Schaffens.“<br />

Deshalb verpflichtet sich dm, jedem Mitarbeiter<br />

das Unternehmen sowie die Chancen<br />

<strong>und</strong> Bedrohungen, die auf das Geschäft<br />

wirken, verstehbar zu machen. „Führung für<br />

Mündige“, so lautet eine der wenigen, aber<br />

prägnanten Vorgaben, die den Alltag der<br />

Manager leiten. Jeder soll an seinem Platz<br />

verantwortlich handeln, egal, ob das der


Regalauffüller oder der Gebietsleiter ist. „Wir<br />

sind Vorbild, sowohl die Mitarbeiter als auch<br />

das gesamte Unternehmen“, sagt Werner, der<br />

dieses Thema auch in den Unternehmensgr<strong>und</strong>sätzen<br />

verankert hat. Der Gründer<br />

nimmt seine Rolle als <strong>Werte</strong>-Generator für<br />

seine 27.000 Mitarbeiter ernst. Er predigt<br />

die Einhaltung des menschlichen Maßes in<br />

der Führung, wo immer er auftritt, im Unternehmen<br />

wie in der Öffentlichkeit. Der<br />

menschliche Umgang intern <strong>und</strong> K<strong>und</strong>enfre<strong>und</strong>lichkeit<br />

gehören für den Einzelhändler<br />

untrennbar zusammen. „So, wie wir intern<br />

miteinander umgehen, gehen wir auch<br />

mit den K<strong>und</strong>en um“, ist seine Haltung. Für<br />

Respekt, Offenheit <strong>und</strong> Fairness zu sorgen,<br />

sieht der Unternehmer in seiner Organisation<br />

als ökonomische Notwendigkeit an.<br />

Service<br />

Bei aller Klage über die Verletzungen<br />

von <strong>Werte</strong>n sollte freilich<br />

auch klar sein: In vielen<br />

Unternehmen ist zwar durch<br />

den Druck des Wettbewerbs das<br />

Klima rauer geworden. Für den<br />

Schwatz bei Kaffee ist in den<br />

meisten Organisationen keine<br />

Zeit mehr, die Wärme <strong>und</strong><br />

Geborgenheit des Arbeitsplatzes<br />

wurde verdrängt durch stärker<br />

kompetitives Verhalten. Aber in<br />

den meisten Unternehmen wird<br />

dennoch sauber geführt <strong>und</strong><br />

gewirtschaftet. „Ethisches Fehlverhalten<br />

bewegt sich im Promillebereich“,<br />

sagt <strong>Werte</strong>-Experte<br />

<strong>und</strong> EVW-Präsident Posé.<br />

Axel Gloger C<br />

Lesetipps<br />

A Gertrud Höhler: Wettspiele der Macht. Ullstein, Berlin 2005, 9,95 Euro.<br />

In diesem Buch untersucht Höhler die Wettbewerbs- <strong>und</strong> Machtbeziehungen, die nahezu alle<br />

Gesellschaftsbereiche bestimmen. So finden ‚Wettspiele‘ statt zwischen Bürgern <strong>und</strong> Regierenden,<br />

zwischen Chef <strong>und</strong> Mitarbeitern, Produzenten <strong>und</strong> K<strong>und</strong>en.<br />

A Gertrud Höhler: Aufstieg für alle. Was Gewinner den Verlierern schulden. Econ,<br />

Berlin 2007, 22,90 Euro.<br />

Höhlers Kernthese lautet: Die Erfolgreichen müssen ihr Bestes geben, damit die Verlierer von<br />

heute morgen an ihrer Seite sind. Wo die Gewinner diskriminiert werden, haben auch die<br />

Verlierer keine Chance. Wo die Starken sich abkoppeln, sind die Schwachen bald isoliert. Sie<br />

werden auch die Starken stürzen.<br />

A Daniel F. Pinnow: Elite ohne <strong>Ethik</strong>? Die Macht von <strong>Werte</strong>n <strong>und</strong> Selbstrespekt.<br />

Frankfurter Allgemeine Buch, Frankfurt 2007, 24,90 Euro.<br />

Merkel <strong>und</strong> Klinsmann – nach Meinung von Pinnow haben beide viel gemein: Für ihn sind<br />

sie Vertreter einer neuen Führungselite. An ihnen <strong>und</strong> an anderen Beispielen überprüft der<br />

Autor das <strong>Werte</strong>raster: Wie halten es die Entscheidungsträger in Politik <strong>und</strong> Wirtschaft mit<br />

<strong>Ethik</strong> <strong>und</strong> Verantwortung?<br />

A www.labcompany.net/de<br />

Unter der Überschrift „Managerpanel: Deutsche Top-Manager quält ihr schlechtes Gewissen”<br />

findet sich auf der Homepage der internationalen Personalberatung LAB Lachner Aden Beyer<br />

& Company ein PDF mit den Ergebnissen der Studie zum kostenlosen Download.<br />

Anlaufstellen<br />

A www.wertekommission.dkd.de/de<br />

Die „<strong>Werte</strong>kommission Initiative <strong>Werte</strong> Bewusste Führung“ will für das Prinzip „<strong>Werte</strong> schaffen<br />

Wert“ werben <strong>und</strong> „Best Practice“ in die Unternehmen holen.<br />

A www.wertekommission.org<br />

Der Schwerpunkt der Arbeit der Initiative „<strong>Werte</strong>dialog” von Stefanie Unger liegt auf einem<br />

offenen Dialog über <strong>Werte</strong> sowie in der Begleitung von Führungskräften <strong>und</strong> Unternehmen.<br />

A www.ethikverband.de<br />

Der <strong>Ethik</strong>verband der Deutschen Wirtschaft will Unternehmern eine Anlaufstelle sein, die mit<br />

Expertenwissen einerseits <strong>und</strong> Erfahrungswissen der Unternehmer andererseits hilft, Praxisnähe<br />

zwischen <strong>Ethik</strong> <strong>und</strong> Wirtschaft herzustellen. Unternehmern soll eine Plattform geboten<br />

werden, in der verantwortliches Handeln kritisch reflektiert <strong>und</strong> begleitet wird.<br />

management | 25<br />

managerSeminare | Heft 121 | April 2008


26 | management<br />

„Kurzfristiges Wertstreben<br />

ist ein Antreiber“<br />

INTERVIEW MIT PROF. DR. FREDMUND MALIK<br />

Wer sich mit Corporate Governance beschäftigt, trifft<br />

schnell auf Prof. Dr. Fredm<strong>und</strong> Malik. Sein Buch „Wirksame<br />

Unternehmensaufsicht“ erschien zum ersten Mal vor gut<br />

zehn Jahren, inzwischen gilt es als Standardwerk. manager-<br />

Seminare sprach mit dem Gründer des Malik Management<br />

Zentrums St. Gallen über <strong>Werte</strong> <strong>und</strong> <strong>Werte</strong>verlust.<br />

Über wertorientiertes Management wird viel<br />

geredet. Was kommt davon Ihrer Beobachtung<br />

nach in der Praxis an?<br />

Prof. Dr. Fredm<strong>und</strong> Malik: Ich beobachte<br />

eine recht einseitige Ausprägung. Das Thema<br />

<strong>Werte</strong> wird verkürzt auf eine einzige Dimension<br />

– den monetären Wert der Unternehmung.<br />

Ihn zu steigern, scheint häufig das<br />

alleinige Streben des Managements zu sein.<br />

Man schaut nicht mehr nach rechts <strong>und</strong><br />

links, es geht nur noch um das eine.<br />

Die verbreitete Begründung für dieses Vorgehen<br />

lautet: Wer nicht mitmacht, fällt zurück<br />

im Wettbewerb <strong>und</strong> wird verdrängt.<br />

Malik: ... Und dann wird gesagt, der Konkurrenzkampf<br />

werde immer härter. Diese<br />

Aussage muss als Universalbegründung für<br />

alle möglichen Übertreibungen herhalten.<br />

Aber das stimmt nicht. Nichts ist härter geworden,<br />

Konkurrenz war schon immer hart.<br />

Wir sehen Siemens, Enron, Balsam AG <strong>und</strong><br />

andere Fälle, wo Manager versucht haben,<br />

dem Glück der Firma auf nicht ganz erlaubtem<br />

Wege nachzuhelfen. Wie kommt das?<br />

managerSeminare | Heft 121 | April 2008<br />

Malik: Einseitiges <strong>und</strong> kurzfristiges Wertstreben<br />

ist ein Antreiber. Mancher Manager,<br />

nicht alle, gehen zudem den Weg des geringsten<br />

Widerstandes oder der primitivsten<br />

Fantasie. Den K<strong>und</strong>en mit Nutzen überzeugen<br />

scheint zu mühsam oder zu langwierig,<br />

man sucht nach Abkürzungen. Eine davon<br />

ist Korruption, eine andere die Preissenkung<br />

als Überzeugungsmittel. Oft sind diese Abkürzungen<br />

für das Management allzu offen<br />

zugänglich. Man sollte sie eigentlich abriegeln.<br />

Bei manchen Geschäften ist es geradezu eine<br />

Usance, beim K<strong>und</strong>en etwas nachzuhelfen.<br />

Der Motorjournalist bekommt diskret einen<br />

Umschlag zugesteckt, damit er gefällig über<br />

das neue Automodell berichtet. Der Einkäufer<br />

im Verband bekommt einen Anruf von der<br />

Druckerei, wie viel man ihm denn als Rückvergütung<br />

in das Angebot einrechnen darf.<br />

Malik: All das gibt es in der Tat. Es herrscht<br />

ein Klima des Schweigens. Man spricht nicht<br />

darüber, man macht es. Aber wer diese diskreten<br />

Zuwendungen annimmt, wird<br />

erpressbar. Jeder Dritte, der sich auf diese<br />

Weise bestechen lässt, wird es wieder versu-<br />

Prof. Dr. Fredm<strong>und</strong> Malik ist für sein präzises Denken<br />

<strong>und</strong> seine klare Sprache bekannt. Der Management-Vordenker<br />

arbeitet seit mehr als 30 Jahren an<br />

einem lehr- <strong>und</strong> lernbaren Berufsstand für Management.<br />

Sein Werk baut auf Kybernetik, Bionik, System-<br />

<strong>und</strong> Komplexitätsforschung auf <strong>und</strong> ist an der Funktionalität<br />

komplexer Systeme orientiert. Malik führte<br />

von 1976 bis 1984 die Stiftung Management Zentrum<br />

St.Gallen, die er 1984 zwecks konsequenter Praxisorientierung<br />

in ein Unternehmen umwandelte. Das<br />

heutige Malik Management Zentrum St. Gallen hat<br />

Niederlassungen in St. Gallen, Zürich, Wien, London,<br />

Schanghai <strong>und</strong> Toronto.<br />

chen. Man sollte damit gar nicht erst anfangen.<br />

Unternehmen sollten das auch zum<br />

Thema machen. Ein paar weichgespülte<br />

Worte im <strong>Werte</strong>kodex reichen dafür freilich<br />

nicht aus. Den Führungskräften sollten die<br />

Gefahren offengelegt werden. Denn wer bei<br />

diesem Spiel mitmacht, riskiert Karriere,<br />

Ruf, Vermögen.<br />

Die Konzernwirtschaft hat sich den Corporate-Governance-Kodex<br />

gegeben, der für saubere<br />

Führung sorgen soll. Ist er der geeignete<br />

Riegel, der die Türe zu Vetternwirtschaft,<br />

Begünstigung <strong>und</strong> Korruption verschlossen<br />

halten sollte?<br />

Malik: Schon im deutschen Aktiengesetz<br />

steht sinngemäß: Der Aufsichtsrat überwacht<br />

den Vorstand, er darf auch am Vorstand<br />

vorbei Auskunft über die Geschicke<br />

der Gesellschaft verlangen. Das Aktienrecht<br />

böte, korrekt angewendet, also schon eine<br />

Basis für wirksame Unternehmensaufsicht.<br />

Die Praxis aber sieht mitunter anders aus.<br />

Deshalb bin ich beim Corporate-Governance-Kodex<br />

skeptisch. Wie soll der richtiges<br />

<strong>und</strong> gutes Management etablieren helfen,<br />

wenn es schon das Aktienrecht nicht schafft?


Der Kodex ist kein potemkinsches<br />

Dorf, er ist eine potemkinsche<br />

Großstadt, so hoch ist das<br />

Ausmaß der Täuschung.<br />

Sprechen wir noch einmal über<br />

wertorientierte Führung, <strong>Werte</strong><br />

hier verstanden als langfristiger<br />

Unternehmenserfolg im Sinne<br />

aller Stakeholder. Gibt es dafür<br />

eine Vorlage?<br />

Malik: Ja, die UGUs, das sind<br />

die unternehmerisch geführten<br />

Unternehmen. Ein Inhaber oder<br />

eine Familie an der Spitze fungieren<br />

hier als <strong>Werte</strong>-Generator.<br />

Sie stehen mit ihrer Person dafür<br />

ein, wie geführt werden soll –<br />

<strong>und</strong> tragen dafür Sorge, dass<br />

drei einfache, eigentlich selbstverständliche<br />

Gr<strong>und</strong>sätze eingelöst<br />

werden. Erstens: kaufmännische<br />

Zuverlässigkeit. Zweitens:<br />

vertrauenserhaltendes Verhalten.<br />

Drittens: elementarer, menschlicher<br />

Anstand. Dort, wo die<br />

Bindung an eine Person noch<br />

intakt ist, funktioniert das.<br />

Können Sie solche Unternehmen<br />

benennen?<br />

Malik: Würth, Stihl, Boehringer,<br />

Haniel, Oetker als Beispiel für<br />

viele andere UGU. Diese sind die<br />

Perlen der Wirtschaft.<br />

An diesen Beispielen festgemacht:<br />

Gibt es einen Managertyp, der werteorientierte<br />

Führung verkörpert?<br />

Malik: Der echte Leader ist kein<br />

Ausstrahlungs- oder Ausdünstungsmensch.<br />

Er steht für die<br />

Sache, er setzt sich mit allen<br />

Kräften dafür ein, ohne sein<br />

Leben zu geben. Sehen wir uns<br />

die Geschäftsführer <strong>und</strong> Vorstände<br />

der UGUs an: Kein Charakter<br />

gleicht hier dem anderen,<br />

es gibt unterschiedliche Führungstypen,<br />

aber einige Gemeinsamkeiten,<br />

die wichtig sind. Die<br />

weitaus meisten Unternehmer<br />

zeigen keinen übertriebenen Egozentrismus,<br />

das Auftreten der<br />

Personen ist eher unauffällig, sie<br />

sind kein Fre<strong>und</strong> der großen<br />

Sprüche. Dafür sind lange Verweildauern<br />

an der Spitze die<br />

Regel ...<br />

... <strong>und</strong> das Gegenteil davon sind die Konzernmanager?<br />

Malik: Manche Topmanager schielen nur<br />

noch auf den Wert ihrer Aktienoptionen.<br />

Das führt zu Entscheidungen, die gegen das<br />

Interesse des Unternehmens gerichtet sind.<br />

So kommt kein nachhaltiger Erfolg zustande,<br />

denn wenn eine schwierige Situation<br />

naht, sind die Egozentriker unbrauchbar. Sie<br />

taugen nichts in turbulenten Zeiten, weil sie<br />

nur ihren persönlichen Karrierenutzen optimieren<br />

können, aber nichts für das Gesamtsystem<br />

tun. Dieser Typ Egoismus wird pseudo-legitimiert<br />

durch MBA-Kurse <strong>und</strong><br />

Consultants.<br />

Wie verändert sich dadurch das öffentliche<br />

Bild von Manager <strong>und</strong> Führung?<br />

Malik: Die Berichterstattung der Medien ist<br />

eine Jagd nach den Extremen. Je größer die<br />

Verfehlung eines CEO, desto dicker die<br />

Schlagzeilen. Sie füllen die Wirtschaftsteile<br />

der Medien. Aber unter dieser öffentlichen<br />

Wahrnehmung liegt ein ganz anderes Bild.<br />

Die wenigsten Manager sind Halunken, ihr<br />

Anteil am Ganzen ist minimal. In der überwiegenden<br />

Mehrheit handeln die Menschen<br />

im Dienste des Unternehmens. Sie sind<br />

anständige Mitarbeiter. Nur: Über die wird<br />

eben kaum geschrieben.<br />

Das Interview führte Axel Gloger. C<br />

Service<br />

Buchtipps<br />

A Fredm<strong>und</strong> Malik: Die neue Corporate<br />

Governance. Richtiges Topmanagement.<br />

Wirksame Unternehmensaufsicht. Frankfurter<br />

Allgemeine Buch, Frankfurt 2002, 36 Euro.<br />

Dritte Auflage eines Klassikers. Schon 1997, als<br />

noch niemand ahnte, welche Corporate-Governance-Probleme<br />

auf uns zukommen, schrieb<br />

Malik eine Anleitung für wirksame Unternehmensführung<br />

<strong>und</strong> -aufsicht.<br />

A Fredm<strong>und</strong> Malik: Unternehmenspolitik<br />

<strong>und</strong> Corporate Governance. Wie Organisationen<br />

sich selbst organisieren. Campus, Frankfurt<br />

2008, 39,90 Euro.<br />

K<strong>und</strong>ennutzen über Gewinnorientierung – Fredm<strong>und</strong><br />

Malik erklärt, worauf es bei guter Unternehmensführung<br />

ankommt <strong>und</strong> was den Kern<br />

von Corporate Governance ausmacht: Customer<br />

Value, der Fokus auf Leistungen für den K<strong>und</strong>en.<br />

management | 27<br />

managerSeminare | Heft 121 | April 2008


Foto: getty images<br />

18 | management<br />

Manager auf<br />

Sinnsuche<br />

SPIRITUALITÄT IM BUSINESS<br />

managerSeminare | Heft 103 | Oktober 2006


management | 19<br />

Business <strong>und</strong> Spiritualität – das verhielt sich bis vor kurzem noch<br />

wie Wasser <strong>und</strong> Öl zueinander. Sprich: Es galt als unvereinbar –<br />

jedenfalls für jene Trainer, Berater <strong>und</strong> Führungskräfte, die Wert auf<br />

ihren seriösen Ruf legten. Heute dagegen bekennen sich viele unverblümt<br />

zu ihrer Spiritualität. Ein Einblick in die spirituell inspirierte<br />

Weiterbildungs- <strong>und</strong> Führungsszene.<br />

Preview: A Spinnert oder sinnvoll? Warum Seminare<br />

über Spiritualität längst zum Angebotsspektrum<br />

seriöser Weiterbildungsanbieter gehören A Individuelle<br />

Erfahrung versus kollektiver Kodex: Weshalb <strong>Ethik</strong><br />

aus Sicht alternativ orientierter Berater ohne die spirituelle<br />

Erfahrung des Einzelnen nicht funktioniert A<br />

Integral Führen: Was den Führungsstil auszeichnet,<br />

der den Menschen auf all seinen Bewusstseinsebenen<br />

erfassen will A Pionier des Bewusstseinswandels:<br />

Wie der Naturkosmetikbetrieb Weleda jenseits<br />

bloßer Wachstumsziele erfolgreich ist A Spirit global:<br />

Welche Ziele die spirituell orientierte Berater- <strong>und</strong><br />

Unternehmer-Szene auf gesellschaftlicher Ebene<br />

anstrebt<br />

C Sie tragen Titel wie „Der neue Geist in<br />

der Wirtschaft“, „Mehr Spirit im Business“<br />

oder „Leben <strong>und</strong> Beruf – eine spirituelle<br />

Herausforderung“. Sie laden zur meditativen<br />

Wanderung oder ins Kloster ein. Sie<br />

verheißen Ruhe <strong>und</strong> Kraft durch Zen, Kyudo<br />

<strong>und</strong> Qi Gong. Sie versprechen die Erkenntnis<br />

des Lebenssinns. Und obendrein wirtschaftlichen<br />

Erfolg.<br />

Was sich derzeit auf den Schreibtischen der<br />

Personaler an Prospekten, Info-Flyern <strong>und</strong><br />

Einladungen zum Thema „Spiritualität im<br />

Management“ stapelt, hätte vor gut zehn<br />

Jahren noch zu irritiertem Stirnrunzeln<br />

oder gar einem empörten Anruf bei der Sektenkommission<br />

animiert. Führungskräfte,<br />

die ins Kloster gingen, waren gut beraten,<br />

dies nicht an die große Glocke zu hängen.<br />

Denn mit dem Begriff „Spiritualität“ konnte<br />

man im Business ehemals wenig an-<br />

fangen. Tarot-Karten statt Total-Quality-<br />

Management; von Räucherstäbchendunst<br />

durchwaberte Führungsetagen – oder was<br />

sollte das sonst wohl sein?<br />

Heute stellt sich die Lage anders dar. Für<br />

viele Trainer, Berater <strong>und</strong> auch Führungskräfte<br />

sind spirituelles Denken <strong>und</strong> Geschäft<br />

kein Antagonismus mehr. Eine Führungskraft<br />

in Klosterklausur braucht den Spott<br />

ihrer Kollegen nicht mehr zu fürchten.<br />

Meditation <strong>und</strong> schamanistische Zeremonien<br />

gehören keineswegs nur zum Repertoire<br />

der Exoten-Fraktion unter den Weiterbildnern.<br />

Selbst über jeden Esoterikverdacht<br />

erhabene Institutionen haben das Thema<br />

Spiritualität in ihren Seminarkatalog aufgenommen.<br />

Die Akademie für Führungskräfte<br />

der Wirtschaft z.B. hat im Jahr 2007 Seminare<br />

im Programm, die zwar immer noch<br />

ein wenig verschämt unter Titeln wie „Wege<br />

in die Zukunft“ oder „Innere Führung“ laufen,<br />

doch laut Katalog-Info dezidiert „für<br />

Menschen, mit der Sehnsucht nach Sinn<br />

<strong>und</strong> der Bereitschaft für Neues“ gedacht<br />

sind <strong>und</strong> auf das spirituelle Wissen der Indianerkulturen<br />

Nordamerikas zurückgreifen<br />

...<br />

Weiterbildungsanbieter wie die Akademie<br />

treffen mit dem Thema offenbar einen<br />

Nerv der Zeit. Nach einer Studie der Düsseldorfer<br />

Identity Fo<strong>und</strong>ation <strong>und</strong> der Universität<br />

Hohenheim befindet sich derzeit<br />

immerhin jeder siebte Deutsche auf Sinnsuche<br />

– <strong>und</strong> bedient sich dabei aus dem<br />

F<strong>und</strong>us von Anthroposophie, Humanismus,<br />

christlicher <strong>und</strong> nichtchristlicher Religion,<br />

Mystik <strong>und</strong> Esoterik. Unter den Suchenden<br />

sind auch immer mehr Manager, in denen<br />

anscheinend die Ahnung aufkeimt, dass der<br />

schnöde Mammon allein nicht selig machend<br />

ist. Einer Umfrage zufolge, die das Düsseldorfer<br />

Markt- <strong>und</strong> Meinungsforschungsinstitut<br />

IRES im Auftrag des Magazins WirtschaftsWoche<br />

unter 400 Managern durchgeführt<br />

hat, sind den Führungskräften in den<br />

vorigen zwei Jahren jedenfalls wieder <strong>Werte</strong><br />

wie Liebe, Familie, Partnerschaft, Freiheit<br />

<strong>und</strong> Ehrlichkeit wichtiger geworden als<br />

zuvor.<br />

Das alte Denken hat sich nicht bewährt,<br />

ein neues muss her<br />

Der Sinnesumschwung zeigt sich auch an<br />

anderer Stelle: Seit zwei bis vier Jahren sind<br />

jede Menge neue spirituell orientierte Verbände<br />

<strong>und</strong> Netzwerke an den Start gegangen<br />

(siehe Kasten auf S. 22), die ein Umdenken<br />

in der Welt des Managements propagieren.<br />

Bereits länger bestehende Institutionen mit<br />

spirituellem Impetus verzeichnen seit jener<br />

Zeit verstärkte Zuströme von Managern.<br />

Und auch auf dem Buchmarkt tauchen<br />

immer mehr Titel auf, die Führungskräften<br />

helfen wollen, den Sinn ihres Lebens zu<br />

erschließen.<br />

Michael Fromm, selbstständiger Trainer<br />

<strong>und</strong> Coach aus Wuppertal hält diese Entwicklung<br />

angesichts der gesellschaftlichen<br />

Schieflage für wenig verw<strong>und</strong>erlich: „Die<br />

alten Paradigmen greifen heute, da uns jegliche<br />

Stabilität abhanden gekommen ist,<br />

nicht mehr. Den Lebensjob gibt es nicht<br />

mehr. Die Geschwindigkeit <strong>und</strong> der Veränderungsdruck<br />

sind heute enorm <strong>und</strong> in den<br />

managerSeminare | Heft 103 | Oktober 2006


20 | management<br />

Unternehmen oft von morgens bis abends<br />

zu spüren“, konstatiert der Berater. Kurzum:<br />

Die Verlässlichkeit, für die die Wirtschaft<br />

einst sorgte, ist Vergangenheit. Was viele<br />

Führungskräfte mehr denn je spüren: „Die<br />

Frage ‚Wie werde ich noch schneller, wie<br />

noch besser?‘ rein analytisch anzugehen,<br />

funktioniert nicht mehr“, beobachtet auch<br />

Sabine Bredemeyer, Inhaberin des Beratungsunternehmens<br />

Bredemeyer & Friends<br />

in Erkrath.<br />

Gesucht sind folglich Alternativen zu den<br />

ausgelutschten „Wie-man-effizienter-wird-<br />

Rezepten“. Coaches <strong>und</strong> Trainer wie Fromm<br />

<strong>und</strong> Bredemeyer versuchen solche Alternativen<br />

zu bieten, indem sie etwas ins Business<br />

einbringen, das in krassem Gegensatz zum<br />

üblichen Denken steht: Spiritualität. Unter<br />

Spiritualität verstehen sie das tief empf<strong>und</strong>ene<br />

Gefühl, dass es irgendeine höhere Kraft,<br />

Energie, Macht oder Quelle gibt, zu der sich<br />

der Mensch relativieren muss <strong>und</strong> aus der<br />

alles auf dieser Welt resultiert – weshalb auch<br />

alles auf dieser Welt miteinander <strong>und</strong> mit<br />

einem selbst verb<strong>und</strong>en ist. Für einige geht<br />

dieses Empfinden mit ihrem religiösen Glauben<br />

einher. Es kann aber auch gänzlich ohne<br />

den Bezug zu einer bestimmten Religion<br />

sein.<br />

Wenig religiös mutet beispielsweise die<br />

spirituelle Überzeugung des Quantenphysikers<br />

Professor Hans-Peter Dürr an, der von<br />

den Trainern <strong>und</strong> Beratern gerne als Kronzeuge<br />

für die Sinnhaftigkeit ihres Denkens<br />

herangezogen wird. Dürr ist überzeugt, dass<br />

unsere rein auf Materie bezogene Weltsicht<br />

überaltert ist. Dagegen stellt er ein neues<br />

Konzept, das die Wirklichkeit als komplexes<br />

immaterielles Gebilde aus Energiefeldern<br />

beschreibt, deren Verbindungselement die<br />

Kommunikation ist. Falsch sei es daher, sich<br />

als getrennt voneinander zu begreifen. Denn<br />

managerSeminare | Heft 103 | Oktober 2006<br />

diese alte Sicht dränge jeden letztlich in ein<br />

zermürbendes Einzelkämpfertum: Jeder – ob<br />

Einzelperson oder Unternehmen – ist ständig<br />

damit beschäftigt, erfolgreich zu sein <strong>und</strong><br />

besser dazustehen als andere. Und dieser<br />

Schuss geht früher oder später nach hinten<br />

los, ist Dürr überzeugt.<br />

Die Führungskraft: Zerrissen zwischen<br />

Zwängen <strong>und</strong> <strong>Werte</strong>n<br />

Auf der Ebene des Individuums fällt der<br />

Startschuss z.B. dann, wenn das persönliche<br />

„Mein-Job-mein-Haus-mein-Auto-Universum“<br />

wie ein Kartenhaus in sich zusammenkracht<br />

oder wenn ein einschneidendes<br />

Ereignis die Bedeutung von Karriere <strong>und</strong><br />

Kommerz in Frage stellt. „Spätestens dann<br />

ist sie da, die Sinnkrise, in der man plötzlich<br />

die Augen aufmacht <strong>und</strong> spürt: Man hat sich<br />

bisher selbst in die Tasche gelogen. Es sind<br />

offenbar Dinge im Leben wichtig, von denen<br />

man bisher glaubte, man käme ohne sie<br />

aus“, erklärt der Psychotherapeut <strong>und</strong> Berater<br />

Dr. Wolf Büntig, Mitbegründer des Penzberger<br />

Instituts ZIST.<br />

„Es macht einen großen Unterschied,<br />

ob ich weiß, dass es besser<br />

ist, mit ethischen <strong>Werte</strong>n zu arbeiten,<br />

oder ob ich aus der tiefen persönlichen<br />

Erfahrung der Interdependenz<br />

heraus ethisch handele.“<br />

Sabine Bredemeyer, Gründerin <strong>und</strong> Inhaberin von<br />

Bredemeyer & Friends in Erkrath bei Düsseldorf.<br />

Kontakt: www.bredemeyerandfriends.de<br />

Einer, der genau das erlebt hat, ist der<br />

Unternehmer Paul J. Kohtes – Gründer <strong>und</strong><br />

Inhaber der Düsseldorfer Kommunikationsagentur<br />

PLEON sowie Co-Vorstand der<br />

Düsseldorfer Identity Fo<strong>und</strong>ation, einer<br />

Stiftung, die sich das Ziel gesetzt hat, Menschen<br />

zu einem selbstbestimmten Leben zu<br />

verhelfen. Kohtes war in seinem früheren<br />

Leben eine Führungskraft, wie die zahlreichen<br />

Manager, die Fredm<strong>und</strong> Malik noch<br />

vor kurzem in einem ZEIT-Artikel mit den<br />

Worten beschrieben hat: „Sie denken in Zahlen<br />

<strong>und</strong> glauben nur an das Geld.“ Dann aber<br />

riss eine schwere Erkrankung den Unternehmer<br />

aus der Bahn <strong>und</strong> zwang ihn, sich mit<br />

seinem Leben auseinander zu setzen. Die<br />

bittere Erkenntnis: „Ich spürte plötzlich, dass<br />

ich zerrissen war. Im Beruf war ich ein völlig<br />

anderer Mensch als in der Familie oder<br />

bei Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> eigentlich hatte ich nur<br />

das Bedürfnis, vor meinen Problemen davonzulaufen“,<br />

sagt Kohtes.<br />

Ein Fall, wie er Professor Dr. Hans<br />

Wielens, dem Gründer <strong>und</strong> Leiter der StiftungAuthentischFühren-Zen-Akademie<br />

für<br />

Führungskräfte in Münster, nur allzu gut


ekannt ist. „Viele Führungskräfte leiden<br />

heute an einem Zwiespalt: Sie wollen sich<br />

eigentlich integer <strong>und</strong> authentisch verhalten,<br />

wollen Fairness <strong>und</strong> Kooperation, Respekt<br />

im Umgang mit anderen <strong>und</strong> verlässliche<br />

<strong>Werte</strong>. Aber dann sehen sie sich im beruflichen<br />

Umfeld mit lauter Sachzwängen, Egoismen<br />

<strong>und</strong> Rücksichtslosigkeiten konfrontiert“,<br />

so Wielens. Die Reaktion: Die Betroffenen<br />

schlucken die eigene Sehnsucht herunter,<br />

um sich nicht angreifbar zu machen,<br />

<strong>und</strong> flüchten mitunter gar in beißenden<br />

Zynismus. „Viele Manager, die zu uns in die<br />

Akademie kommen, haben jahrelang nur<br />

funktioniert, bestehen nur aus Disziplin <strong>und</strong><br />

spüren irgendwann: Sie sind vielleicht erfolgreich,<br />

aber kein bisschen glücklich. Und<br />

sie merken zudem, dass sie weniger effektiv<br />

sind als sie sein könnten“, so Wielens. Auch<br />

Siglinda Oppelt, Beraterin <strong>und</strong> Inhaberin<br />

von Oppelt Consulting in Wetzlar, beobachtet<br />

an Führungskräften solch selbst auferlegtes<br />

Rotieren im Hamsterrad. „Dabei sind<br />

sie wie alle Menschen vom Wunsch nach<br />

Frieden, Liebe, materiellem Wohlstand,<br />

Zufriedenheit <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit getrieben“,<br />

ist Oppelt sicher.<br />

Spirituelles Coaching bedeutet: Loslösung<br />

von oktroyierten Lebensmaximen<br />

Ihren Auftrag sehen spirituell ausgerichtete<br />

Berater <strong>und</strong> Trainer darin, ihre Klienten<br />

wieder in Kontakt zu deren urmenschlichen<br />

Wünschen zu bringen, sie von den Paradigmen,<br />

den „Schimären“, auf die sie getrimmt<br />

sind, zu emanzipieren: Erfolg, Karriere,<br />

Gewinnmaximierung. Es geht darum, sich<br />

von oktroyierten Rollen zu lösen, meint der<br />

Kölner Coach Gregor Wilbers. Gleich Kohtes<br />

blickt Wilbers auf persönliche Erfahrungen<br />

der Zerrissenheit zurück. „Als Angestell-<br />

ter eines internationalen Unternehmens war<br />

ich einmal dazu gezwungen worden, Controlling-Berichte<br />

zu fälschen“, erzählt der<br />

Coach. Nicht zuletzt durch dieses Schlüsselerlebnis<br />

geschockt, wagte er eine berufliche<br />

Kehrtwende <strong>und</strong> machte sich mit dem Institut<br />

„Sinnfindung im Beruf“ selbstständig.<br />

Mit seinen Klienten vereinbart Wilbers<br />

keine Entwicklungsziele. Das unterscheide<br />

seine Arbeit von der anderer Coaches,<br />

erklärt der Berater. „Ich vermittele meinen<br />

Coachees vielmehr, dass sie gar nicht ständig<br />

effektiv sein müssen. Und auch nicht besser<br />

als die anderen, sondern, dass es darum geht,<br />

seinen eigenen Weg zu finden, um im Alltagstrubel<br />

aus innerer Kraft <strong>und</strong> nicht äußerer<br />

Anstrengung heraus zu handeln. Denn<br />

es kommen meist Menschen zu mir, die spüren,<br />

dass ihnen alle Anstrengung in den<br />

üblichen Bahnen nicht mehr weiterhilft“,<br />

erklärt der Berater. Wilbers unterstützt seine<br />

Coachees darin, loszulassen. „Ich helfe<br />

ihnen, so zu sein, wie es ihrem Selbst entspricht.<br />

Ich unterstützte sie darin, sich auf<br />

ihr Inneres zu besinnen.“ Um sich von der<br />

management | 21<br />

totalen Identifikation mit Materie <strong>und</strong><br />

Äußerlichkeiten zu lösen, braucht es aus<br />

Sicht von Beratern wie Wilbers die spirituelle<br />

Erfahrung – herbeigeführt etwa durch<br />

Übungen, die Wahrnehmung <strong>und</strong> Achtsamkeit<br />

gegenüber den eigenen Gefühlen <strong>und</strong><br />

denen anderer fördern. Vor allem Meditation<br />

ist laut Zen-Akademie-Leiter Hans Wielens<br />

ein geradezu idealer Weg, um einerseits<br />

„Viele Führungskräfte haben jahrelang<br />

nur funktioniert, bestehen nur<br />

noch aus Disziplin <strong>und</strong> spüren nun<br />

eine Leere in sich.“<br />

Professor Dr. Hans Wielens, Leiter <strong>und</strong> Gründer der<br />

StiftungAuthentischFühren-Zen-Akademie für Führungskräfte.<br />

Kontakt: www.zen-akademie.org<br />

Zugang zum eigenen Selbst zu finden – <strong>und</strong><br />

seinen Kontakt zur Umwelt zu verbessern.<br />

„Man lernt durch die Meditation, seine<br />

Gefühle <strong>und</strong> Wünsche zu erkennen, aber<br />

auch, sich selbst zu relativieren. Man lernt,<br />

zu akzeptieren, dass andere eine andere<br />

Sicht der Wirklichkeit haben <strong>und</strong> übt sich<br />

darin, solche Widersprüche auszuhalten,<br />

wodurch oft auch eine konstruktivere Sicht<br />

auf die Realitäten erreicht wird“, erläutert<br />

Wielens. Zen hat auch Paul Kohtes in der<br />

Sinnkrise geholfen, die eigene Mitte wiederzufinden:<br />

„Ich habe dadurch Abstand zu<br />

Dingen gewonnen. Heute sehe ich aus der<br />

Distanz klarer <strong>und</strong> gelassener“, so der Unternehmer.<br />

Auf Meditation <strong>und</strong> andere Acht-<br />

managerSeminare | Heft 103 | Oktober 2006


22 | management<br />

samkeitsübungen setzt auch das<br />

Lassalle Institut im schweizerischen<br />

Bad Schönbrunn in seinen<br />

spirituellen Fortbildungen<br />

für Führungskräfte. Die Institution<br />

in Trägerschaft der Schweizer<br />

Jesuiten <strong>und</strong> des Katharina-<br />

Werkes wird, so Instituts-Co-<br />

Geschäftsführerin Anna Gamma,<br />

seit einiger Zeit verstärkt von<br />

Managern frequentiert, die von<br />

der existenziellen Frage getrieben<br />

sind: „Warum bin ich auf<br />

dieser Welt? Was ist der Sinn<br />

meines Lebens?“ Die dreijährige<br />

spirituelle Fortbildung für Führungskräfte,<br />

die das Lassalle Institut<br />

anbietet, hilft, eine Antwort<br />

auf diese Frage zu finden. Sie<br />

bleibt dabei allerdings nicht stehen.<br />

Vielmehr lernen die Teilnehmer<br />

im Rahmen des Kurses<br />

auch, aufbauend auf der Erkenntnis<br />

des eigenen Lebenssinns,<br />

einen ethisch bewussten<br />

Führungsstil zu entwickeln, der<br />

sich positiv auf die Kultur in<br />

ihrem Unternehmen auswirken<br />

soll. Denn – so schreibt auch der<br />

US-amerikanische Erfolgsautor<br />

<strong>und</strong> Berater Lance Secretan –<br />

nur ein Leader, der den übers<br />

Materielle hinausgehenden Sinn<br />

seines Seins erkannt hat, ist<br />

inspiriert <strong>und</strong> kann damit auch<br />

andere inspirieren.<br />

Neben Zufriedenheit im Fokus:<br />

Führungsleistung<br />

Den spirituell orientierten Trainern<br />

<strong>und</strong> Beratern geht es folglich<br />

nicht nur darum, frustrierte<br />

Führungskräfte wieder glücklicher<br />

mit sich selbst zu machen.<br />

Es geht vielmehr darum, deren<br />

Führungsleistung zu Gunsten<br />

der gesamten Organisation zu<br />

verbessern. Das Stichwort dazu<br />

lautet: Integrales Management<br />

– eine Idee, die ursprünglich auf<br />

den US-Philosophen Ken Wilber<br />

zurückgeht. Kurz gesagt,<br />

handelt es sich um ein Plädoyer<br />

dafür, den Menschen ganzheitlich,<br />

als Wesen mit Körper, Geist<br />

<strong>und</strong> Seele wahrzunehmen, <strong>und</strong><br />

auch entsprechend mit ihm umzugehen.<br />

„Es geht darum, der<br />

Sehnsucht des Menschen nach<br />

Anerkennung, Wertschätzung,<br />

managerSeminare | Heft 103 | Oktober 2006<br />

Spirituell netzwerken<br />

Spirituell orientiert oder interessiert? Auf der<br />

Suche nach Gleichgesinnten oder Vorbildern?<br />

Mittlerweile gibt es einige Verbünde <strong>und</strong> Verbände<br />

– vor allem auf internationaler Ebene –, die Business-Menschen<br />

<strong>und</strong> Unternehmen mit spiritueller<br />

Orientierung eine Plattform des Austauschs bieten<br />

oder aber den Dialog prominenter Vorreiter in<br />

Sachen Spiritualität fördern. managerSeminare<br />

mit einigen Beispielen.<br />

1. World Spirit Forum<br />

Das World Spirit Forum (WSF) wurde im Jahr<br />

2003 als Verein in Zürich gegründet. Das internationale<br />

Netzwerk richtet jährlich einen Weltkongress<br />

aus. Dort treffen sich spirituell orientierte<br />

Unternehmer, Berater <strong>und</strong> Trainer zum Gedanken-<br />

<strong>und</strong> Erfahrungsaustausch. In offenen Arbeitskreisen<br />

werden während der Konferenz Projekte <strong>und</strong><br />

Initiativen geplant, zu deren Durchführung sich die<br />

Teilnehmer bindend verpflichten.<br />

A Infos: www.worldspiritforum.org<br />

2. Spiritual Venture Network<br />

Das deutsche Netzwerk, das ursprünglich von der<br />

Akademie Heiligenfeld gegründet wurde, ist ein<br />

eingetragener gemeinnütziger Verein unter dem<br />

Vorstand von Dr. Friedrich Assländer (Managementtrainer<br />

<strong>und</strong> Coach), Professor Gottfried Faulstich<br />

(Architekt <strong>und</strong> Hochschullehrer), Michael<br />

Fromm (Unternehmensberater <strong>und</strong> Coach) sowie<br />

Dr. Joachim Galuska (ärztlicher Direktor der Kliniken<br />

Heiligenfeld in Bad Kissingen). Der Verband<br />

richtet sich an Führungskräfte, Selbstständige<br />

(u.a. Trainer <strong>und</strong> Berater) sowie Unternehmer. Er<br />

unterhält diverse Regionalgruppen, richtet Veranstaltungen<br />

aus, gibt einen Newsletter heraus <strong>und</strong><br />

hat sich mit all diesen Aktivitäten u.a. dem Ziel<br />

verschrieben, die spirituelle Entwicklung von Personen<br />

<strong>und</strong> Organisationen zu fördern, das Thema<br />

integrale, spirituelle Führung voranzubringen<br />

sowie die <strong>Werte</strong>orientierung in der Wirtschaft zu<br />

festigen.<br />

A Infos: www.spiritual-venture.net<br />

3. Association for Spirit at Work<br />

Die Association for Spirit at Work (ASAW) ist ein<br />

offenes Netzwerk für jedes spirituell interessierte<br />

Individuum bzw. jede spirituell orientierte Organisation.<br />

Es wurde 1993 von Judith A. Neal gegründet.<br />

Kernaktivitäten sind die Herausgabe eines<br />

Newsletters zum Thema Spiritualität sowie eine<br />

Online-Diskussionsgemeinschaft. 2003 wurde in<br />

New Haven außerdem ein Center for Spirit at Work<br />

gegründet, das Forschungsarbeiten im Bereich organisationaler<br />

Spiritualität unterstützt. Das Netzwerk vergibt zudem jährlich<br />

den so genannten Spirit at Work Award, mit dem Unternehmen<br />

geehrt werden, denen es gelingt, ihr tägliches Business im Sinne<br />

spiritueller Maximen auf die Beine zu stellen.<br />

A Infos: www.spiritatwork.org<br />

4. Spirit in Business<br />

Spirit in Business ist ein für jedermann offenes Netzwerk mit<br />

spirituellem Impetus, das 2002 von Andrew Ferguson, Marcello<br />

Palazzi <strong>und</strong> Sander Tideman ins Leben gerufen wurde. Zu seinen<br />

Mitgliedern zählen Berater, Unternehmer <strong>und</strong> Führungskräfte<br />

aus aller Welt, die versuchen, neue Wege des Wirtschaftens zu<br />

beschreiten. Das Netzwerk wartet mit einer Vielzahl von Konferenz-,<br />

Workshop-, Retreat- <strong>und</strong> Seminarangeboten auf. Unter<br />

seiner Ägide werden derzeit ca. 70 Projekte auf allen Kontinenten<br />

durchgeführt. Es betätigt sich als Sponsor des Spirit at Work<br />

Awards. Deutsche Repräsentantin des Verb<strong>und</strong>es ist die Beraterin<br />

Sabine Bredemeyer aus Erkrath.<br />

A Infos: www.spiritinbusiness.org<br />

5. Spirit on the Job<br />

Spirit on the Job ist eine neue englischsprachige Internet-Community<br />

für spirituell interessierte Berufstätige – unter anderen<br />

Manager <strong>und</strong> Unternehmer. Die Seite wartet sowohl mit Weblogs<br />

<strong>und</strong> Diskussionsforen als auch mit Veranstaltungshinweisen<br />

auf.<br />

A Zu finden unter: www.spiritOnTheJob.com<br />

6. World Commission on Global Consciousness and<br />

Spirituality<br />

Die World Commission on Global Consciousness and Spirituality<br />

(WCGCS) vereint prominente Führungspersönlichkeiten <strong>und</strong> spirituelle<br />

Vordenker wie den Dalai Lama, die Primatologin Jana<br />

Goodall <strong>und</strong> Erzbischof Desmond Tutu. Ziel ist ein ständiger Dialog,<br />

um Weisheiten <strong>und</strong> Visionen für die Zukunft auszutauschen<br />

<strong>und</strong> zu entwickeln.<br />

A Infos: http://globalspirit.org<br />

7. Club of Budapest<br />

Der Club of Budapest wurde 1993 von Professor Dr. Ervin Laszlo<br />

gegründet. Er ist ein internationales informelles Bündnis, das<br />

sich – so die Selbst-Beschreibung – für die Etablierung eines<br />

global verantwortlichen Bewusstseins einsetzt <strong>und</strong> als Katalysator<br />

für den Übergang in eine Welt der Nachhaltigkeit wirken will.<br />

Es ist interdisziplinär ausgerichtet <strong>und</strong> will Wissenschaft, Kunst,<br />

<strong>Ethik</strong> <strong>und</strong> Wirtschaft vereinen, ebenso die verschiedenen Kulturen<br />

der Welt. Mitglieder sind Wissenschaftler, Künstler <strong>und</strong><br />

Unternehmer. Unter den Ehrenmitgliedern finden sich so prominente<br />

Namen wie der Dalai Lama, Friedensnobelpreisträger <strong>und</strong><br />

Ex-Präsident Michael Gorbatschow sowie der Theologe Hans<br />

Küng.<br />

A Infos: www.clubofbudapest.org


24 | management<br />

Integrität <strong>und</strong> Authentizität<br />

auch im Arbeitsleben wieder<br />

Raum zu geben <strong>und</strong> die volle<br />

Bandbreite menschlicher Potenziale<br />

im Business zu nutzen“,<br />

erläutert Beraterin Oppelt, die<br />

Managern in ihrer Beratung<br />

empfiehlt, sich zu fragen: Wie<br />

können wir ökonomisch <strong>und</strong><br />

für den Menschen <strong>und</strong> für das<br />

Leben erfolgreich sein?<br />

Erfolgsstreben ist aus Sicht<br />

der integralen Führungslehre<br />

demnach durchaus legitim. Allerdings<br />

ergibt sich nachhaltiger<br />

Erfolg – so das Postulat – eben<br />

nicht dadurch, dass sich Unternehmen<br />

darauf konzentrieren,<br />

die Gewinnschraube immer weiter<br />

anzuziehen <strong>und</strong> ihre Konkurrenten<br />

vom Markt zu fegen. „Irrsinnig“,<br />

urteilt Michael Fromm.<br />

„Der Leiter des Bostoner Symphonieorchesters<br />

würde ja auch<br />

nie sagen: ‚Unser Ziel ist es, die<br />

Berliner Symphoniker vom Markt<br />

zu verdrängen’“, so der Coach.<br />

Finanzieller Erfolg stellt sich aus<br />

Sicht der alternativ denkenden<br />

Berater <strong>und</strong> Trainer eher als<br />

Nebenprodukt ein. Etwa dann,<br />

wenn sich die Führungskräfte<br />

eines Unternehmens von der<br />

spirituellen Erfahrung inspirieren<br />

lassen, dass sie mit allem auf<br />

Erden verb<strong>und</strong>en sind – <strong>und</strong><br />

durch ihre Handlungsweisen<br />

über die Grenzen ihres Unternehmens<br />

hinaus Verantwortung<br />

tragen. „Für denjenigen, der sich<br />

dieser Verb<strong>und</strong>enheit bewusst<br />

ist, ist es selbstverständlich, andere<br />

mit Mitgefühl, Respekt <strong>und</strong><br />

Liebe zu behandeln“, so Bredemeyer,<br />

die in ihrer Beratungs-<br />

<strong>und</strong> Moderationspraxis gemerkt<br />

hat, dass alle Konzepte <strong>und</strong><br />

Ansätze – beispielsweise Großgruppenmethoden<br />

wie Open<br />

Space – ohne solch echten ehrlichen<br />

Gefühle der verantwortlichen<br />

Führungskräfte ins Leere<br />

laufen. Auch viele <strong>Ethik</strong>-Codices<br />

verstaubten in Schubladen statt<br />

in das Bewusstsein von Führungskräften<br />

<strong>und</strong> Mitarbeitern<br />

einzusickern, weil es am richtigen<br />

Spirit dahinter fehle. Bredemeyer:<br />

„Es macht einen großen<br />

Unterschied, ob ich weiß,<br />

dass es besser ist, mit ethischen<br />

managerSeminare | Heft 103 | Oktober 2006<br />

<strong>Werte</strong>n zu arbeiten oder ob ich<br />

aus der tiefen persönlichen<br />

Erfahrung der Interdependenz<br />

heraus ethisch handele.“<br />

Weleda: Wertschöpfungsprinzip<br />

Lebensqualität<br />

Für viele börsennotierte Konzerne<br />

mögen solche Aussagen<br />

nach wie vor fremde Welten<br />

sein. Doch gibt es schon jetzt<br />

nicht wenige kleinere <strong>und</strong> mittelgroße<br />

Firmen, deren Art zu<br />

wirtschaften, sich gar nicht so<br />

sehr von dem unterscheidet, was<br />

das integrale Management ausmacht.<br />

Ein Beispiel für solch ein<br />

Unternehmen ist die Weleda AG<br />

aus Schwäbisch Gmünd – ein<br />

traditionell anthroposophischen<br />

<strong>Werte</strong>n folgender Naturkosmetik-Betrieb.<br />

Bei Weleda heißt<br />

der Leitwert nicht Wachstum<br />

oder Profitmaximierung, sondern<br />

schlicht Lebensqualität.<br />

Lebensqualität auf breiter<br />

Front: Mit Produkten, die, weil<br />

sie ökologisch <strong>und</strong> sozial vertretbar<br />

sind, die Lebensqualität von<br />

Verbrauchern <strong>und</strong> allen, die in<br />

Herstellung <strong>und</strong> Vertrieb eingeb<strong>und</strong>en<br />

sind, erhöhen. Und<br />

mit Führungsprinzipien, die im<br />

Sinne des integralen Managements<br />

den Mitarbeiter ganzheitlich<br />

als Menschen mit dem<br />

Bedürfnis nach Wertschätzung,<br />

Vertrauen <strong>und</strong> auch Weiterentwicklung<br />

in den Fokus stellen.<br />

In der Praxis äußert sich das<br />

nicht nur in gut 150 verschiedenen<br />

Arbeitszeitmodellen für 700<br />

Mitarbeiter <strong>und</strong> in einer gut<br />

gepflegten Dialog- <strong>und</strong> Vertrauenskultur,<br />

sondern auch darin,<br />

dass überdurchschnittlich viel in<br />

die Entwicklung der Mitarbeiter<br />

investiert wird. Nämlich ein Prozent<br />

des Umsatzes (1,2 Millionen<br />

Euro), berichtete Weleda-<br />

Geschäftsführungsmitglied<br />

Rudolf Frisch in seinem Vortrag<br />

beim von der Akademie Heiligenfeld<br />

Ende Mai 2006 in Bad<br />

Kissingen organisierten Kongress<br />

„Der neue Geist in der<br />

Wirtschaft“.<br />

Ein Prozent – das ist viel, bedenkt<br />

man, dass europäische<br />

Firmen nach einer aktuellen Stu-<br />

die von Forrester Research lediglich<br />

0,05 Prozent ihres Umsatzes<br />

in die Personalentwicklung stecken.<br />

Sicherlich hat es Weleda<br />

mit seinen Prinzipien leichter als<br />

manches andere Unternehmen.<br />

Schließlich fühlen sich, so Frisch,<br />

auch die Weleda-Aktionäre der<br />

Firmenphilosophie verpflichtet.<br />

Und der K<strong>und</strong>enkreis gehört<br />

ebenfalls nicht zur Geiz-ist-geil-<br />

Kohorte. Man kann sich leicht<br />

vorstellen, dass Führungskräfte<br />

mit ähnlichen Vorstellungen in<br />

anderen Firmen, mit anderen<br />

Aktionären, anderen K<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> Top-Managern auf Granit<br />

beißen.<br />

Doch entmutigen lässt sich<br />

die Szene von Härtefällen nicht.<br />

Im Gegenteil: Zumindest ein Teil<br />

der sich zu ihrer Spiritualität<br />

Service<br />

bekennenden Berater, Trainer<br />

<strong>und</strong> Führungskräfte geht sogar<br />

davon aus, dass die spirituelle<br />

Bewusstheit vieler Einzelner –<br />

bzw. immer mehr werdender<br />

Einzelner – Veränderungen des<br />

Gesamtwirtschaftssystems herbeiführen<br />

könnte. Nicht umsonst<br />

treiben daher auch beinharte<br />

Polit- <strong>und</strong> Ökonomie-Themen<br />

auf globaler Ebene Teile der<br />

Szene um (siehe auch Beitrag auf<br />

S. 26). Die Hoffnung, die das<br />

Ganze trägt – so der Querdenker<br />

Frithjof Bergmann, Inhaber des<br />

Lehrstuhls für Philosophie <strong>und</strong><br />

Anthropologie an der University<br />

of Michigan: „Dass wir eine<br />

Kultur bekommen, die menschlicher<br />

<strong>und</strong> sinnlicher ist als die,<br />

unter der wir im Augenblick leiden.“<br />

Sylvia Jumpertz C<br />

Literaturtipps<br />

A Fred Kofman: Meta-Management. Kamphausen, Bielefeld 2005, ISBN<br />

3-89901-056-6, 29,50 Euro.<br />

Fred Kofman zeigt in seinem Buch die Gr<strong>und</strong>züge eines integralen Führungsstils<br />

auf, der den Menschen mit Geist, Seele <strong>und</strong> Körper erfasst.<br />

A Paul J. Kohtes: Dein Job ist es, frei zu sein. Kamphausen, Bielefeld<br />

2005, ISBN 3-89901-043-4, 17,50 Euro.<br />

Kohtes lässt den Leser teilhaben an seinen spirituellen Erkenntnissen, zu<br />

denen er auf dem Weg über die Zen-Meditation gelangt ist: Es ist möglich, die<br />

persönliche <strong>Werte</strong>orientierung mit dem Business zu vereinbaren – wenn man<br />

sich nur von oktroyierten Paradigmen löst <strong>und</strong> zu einem eigenständigen,<br />

kreativen Denken findet.<br />

A Siglinda Oppelt: Management für die Zukunft. Kösel, München 2004,<br />

ISBN 3-466-30669-8, 29,95 Euro.<br />

Oppelt arbeitet in ihrem Buch mit Beispielen <strong>und</strong> Gegenbeispielen, die den<br />

Statusquo veranschaulichen, auf eine neue Business-Welt hin, die nicht nur<br />

der rationalen Intelligenz huldigt. Sie fächert einen Führungsstil auf, der ebenso<br />

die übrigen Dimensionen menschlichen Fühlens <strong>und</strong> Denkens berücksichtigt<br />

<strong>und</strong> so zu einer Form des Wirtschaftens führen soll, die nicht nur humaner,<br />

sondern langfristig auch erfolgreicher ist.<br />

A Lance Secretan: Inspirieren statt motivieren. Kamphausen, Bielefeld<br />

2006, ISBN 3-89901-072-8, 25 Euro.<br />

Das Buch soll Führungskräfte dazu anregen, mit sich selbst ins Reine zu kommen,<br />

den Sinn des eigenen Arbeitens zu erschließen <strong>und</strong> auf dieser Basis zu<br />

einem für die Mitarbeiter inspirierenden Führungsstil zu gelangen.<br />

A Gregor Wilbers: Sinnfindung im Beruf. Kamphausen, Bielefeld 2005,<br />

ISBN 3-89901-039-6, 18,50 Euro.<br />

Das Buch weist Wege aus der beruflichen Sinn-Krise <strong>und</strong> will zu einer entspannten<br />

Haltung anregen, in der betriebswirtschaftliches Denken mit ethischem<br />

<strong>und</strong> spirituellem Bewusstsein kongruent geht.


26 | management<br />

Ideen für eine<br />

bessere Welt<br />

SPIRITUALITÄT GLOBAL<br />

Nach uns die Sintflut? Für Trainer, Berater, Unternehmer <strong>und</strong><br />

Führungskräfte, die sich zu ihrer Spiritualität bekennen: ein Unding.<br />

Wer spirituell ist – so zumindest propagieren sie – fühlt sich sozial<br />

<strong>und</strong> ökologisch in der Verantwortung. Deshalb ist ein Teil der Szene<br />

auch in Projekten engagiert, die das Leben auf unserem Planeten<br />

verbessern sollen. managerSeminare mit prominenten Beispielen.<br />

managerSeminare | Heft 103 | Oktober 2006<br />

Foto: pixelquelle.de


C „Im spirituellen Bewusstsein ist dem<br />

Menschen klar: Die Welt ist ein zusammenhängendes<br />

System. Und daher ist es klüger,<br />

mit den Menschen <strong>und</strong> der Natur vernünftig<br />

umzugehen, nachhaltig zu wirtschaften.“<br />

So lautet es, das – hier von Hans Wielens,<br />

dem Gründer der StiftungAuthentischFühren-Zen-Akademie<br />

für Führungskräfte in<br />

Worte gefasste – Credo spirituell orientierter<br />

Trainer, Berater <strong>und</strong> Manager. Mehr Spiritualität<br />

im Business – das verspricht demnach<br />

nicht nur einzelnen Individuen oder<br />

Unternehmen Nutzen. Es soll letztlich zu<br />

einer nicht nur effektiveren, sondern auch<br />

gerechteren (Welt-)Wirtschaft führen. Purer<br />

Idealismus? Unrealistisches Weltverbesserergeschwätz?<br />

Auf dem Kongress „Der neue<br />

Geist in der Wirtschaft“, den die Akademie<br />

Heiligenfeld Ende Mai 2006 in Bad Kissingen<br />

veranstaltete <strong>und</strong> zu dem 400 spirituell<br />

Orientierte – vorwiegend Berater <strong>und</strong> Trainer,<br />

doch auch Unternehmer <strong>und</strong> Führungskräfte<br />

– erschienen waren, traten Wissenschaftler<br />

ans Rednerpult, für die die<br />

spirituelle Erkenntnis der Verb<strong>und</strong>enheit<br />

allen Lebens Ausgangspunkt ihrer Arbeit an<br />

ambitionierten Zukunftsprojekten ist.<br />

Beispiel Nummer 1: Der Global-Marshall-<br />

Plan<br />

Der Mathematiker <strong>und</strong> Wirtschaftswissenschaftler<br />

Franz Joseph Radermacher beispielsweise<br />

verwies in seinem Vortrag auf<br />

ein essenzielles Dilemma, das – so zumindest<br />

sein Verdacht – von den Mächtigen<br />

dieser Welt totgeschwiegen wird: dass sich<br />

nämlich mit den bisherigen Strukturen weltweite<br />

soziale Gerechtigkeit (Konsumkraft<br />

für alle) <strong>und</strong> der ökologische Fortbestand<br />

unseres Planeten ausschließen. „Es gibt<br />

keine Konsensgespräche mit der Natur“, so<br />

der Wissenschaftler, demzufolge in Zukunft<br />

zweierlei Gefahren drohen: entweder der<br />

ökologische Kollaps oder eine Ökodiktatur<br />

der reichen Länder, unter der die armen zu<br />

leiden haben. Denn, so Radermachers These:<br />

„Diejenigen am Hebel der Macht wollen den<br />

Globus genauso desaströs wie er ist.“<br />

„Klingt verschwörungstheoretisch“, urteilten<br />

manche der Kongressbesucher. Doch<br />

die von Radermacher vorgestellte Alternativlösung<br />

fand gleichwohl viel Zustimmung:<br />

ein „Global-Marshall-Plan“, der das ehrgeizige<br />

Ziel hat, weltweit für eine gerechtere<br />

Verteilung der Ressourcen <strong>und</strong> des Reich-<br />

tums zu sorgen (Infos dazu unter www.globalmarshallplan.org).<br />

Die Idee entwickelte<br />

Al Gore in seinem 1990 erschienenen Buch<br />

„Wege zum Gleichgewicht – Ein Marshall<br />

Plan für die Erde“. Eingespannt sind in das<br />

Projekt so prominente Personen wie Jane<br />

Godall, Hans Dietrich Genscher <strong>und</strong> Rita<br />

Süssmuth. Die Kernziele lauten unter anderem:<br />

Durchsetzung der weltweit vereinbarten<br />

Milleniumsziele der Vereinten Nationen<br />

bis zum Jahr 2015 (also u.a. Beseitigung von<br />

extremer Armut <strong>und</strong> Hunger, Gr<strong>und</strong>schulbildung<br />

für alle Kinder, ökologische Nachhaltigkeit<br />

gewährleisten ...), Aufbringung der<br />

zur Erreichung der Milleniumsziele erforderlichen<br />

100 Milliarden Dollar zur Förderung<br />

weltweiter Entwicklung sowie zur<br />

schrittweisen Realisierung einer globalen<br />

ökosozialen Marktwirtschaft, mit weltweit<br />

verbindlichen sozialen, ökologischen <strong>und</strong><br />

kulturellen Standards. Die Gelder für all das<br />

sollen beispielsweise durch eine Terra-Abgabe<br />

auf den Welthandel, eine Abgabe auf<br />

Weltfinanztransaktionen oder den Verzicht<br />

auf wettbewerbsverzerrende Agrarexportsubventionen<br />

aufgebracht werden.<br />

Da der Global-Marshall-Plan allerdings<br />

nur ein einziges Wirtschaftsmodell zulässt,<br />

auf Liberalisierung als Entwicklungsstrategie<br />

setzt <strong>und</strong> gr<strong>und</strong>sätzlich an Marktöffnung,<br />

Wettbewerb <strong>und</strong> Wirtschaftswachstum als<br />

primären wirtschaftspolitischen Strategien<br />

festhält, steht er bei Verbünden, wie beispielsweise<br />

der Anti-Globalisierungsbewegung<br />

ATTAC, auch in der Kritik.<br />

Beispiel Nummer 2: Das<br />

Finanzreformprojekt Terra<br />

Für einen weiteren alternativ denkenden<br />

Zukunftsvisionär, Professor Dr. Bernhard<br />

Lietaer, wiederum ist das globale Finanzsystem<br />

der Knackpunkt, wenn es darum geht,<br />

nachhaltigen Wohlstand für alle Menschen<br />

zu gewährleisten. Dem belgischen Geld-<br />

<strong>und</strong> Finanzexperten zufolge, der seinerzeit<br />

verantwortlich für die Einführung des ECU<br />

zeichnete <strong>und</strong> verantwortlicher Leiter für<br />

den Bericht des Club of Rome zur Nachhaltigkeit<br />

ist, besteht die Crux darin, dass Geld<br />

zum Spekulationsobjekt geworden ist: Nur<br />

noch ein verschwindend geringer Teil der<br />

Summen, die täglich auf dem Globus bewegt<br />

werden, dienen tatsächlich der Bezahlung<br />

von Gütern <strong>und</strong> Dienstleistungen <strong>und</strong> kommen<br />

damit allen Beteiligten zugute. Der<br />

management | 27<br />

Großteil dagegen dient nur der Akkumulation<br />

<strong>und</strong> Umverteilung von Vermögen.<br />

Lietaers Lösung: einerseits die Schaffung<br />

einer globalen inflationssicheren Referenzwährung,<br />

die der Theorie nach unter dem<br />

Namen „Terra“ bereits existiert. Andererseits<br />

die Einführung von Komplementärwährungen,<br />

durch die etwa Arbeitslose, die beispielsweise<br />

in der Nachbarschaft handwerkliche<br />

Dienste übernehmen, die Möglichkeit erhalten,<br />

sich wieder ins wirtschaftliche Leben<br />

einzuklinken (Infos unter www.terratrc.<br />

org).<br />

Beispiel Nummer 3: Die Neue Arbeit<br />

Ähnlich ehrgeizig ist das von Frithjof Bergmann<br />

initiierte Projekt „Neue Arbeit“. Bergmann<br />

hat beobachtet: „Viele Menschen<br />

erleben Arbeit, wie sie sie jetzt tun, als milde<br />

Krankheit. Nicht gerade wie Krebs, aber<br />

doch wie eine lästige Erkältung: Sie leben<br />

nur noch fürs Wochenende oder – schlimmer<br />

noch – auf den nächsten Urlaub oder<br />

gar den Ruhestand hin.“ Bergmanns Ziel<br />

besteht daher darin, eine neue post-industrielle<br />

Arbeitswelt zu erschaffen, in der die<br />

Menschen die Möglichkeit erhalten, das zu<br />

tun, was sie „wirklich, wirklich wollen“. Die<br />

Idee: Statt für große Konzerne zu arbeiten,<br />

stellen die Menschen in dezentralen Gemeinschaftswerkstätten<br />

ihre Gebrauchsgüter<br />

– etwa Kleidung, Möbel, Waschmaschinen,<br />

Uhren – her. Dank intelligenter <strong>und</strong><br />

effizienter Technologien werden, so das Kalkül,<br />

die Produkte preiswert sein <strong>und</strong> die<br />

Arbeitszeit, die für deren Herstellung benötigt<br />

wird, wird sich in Grenzen halten. Den<br />

Menschen bleibt so wieder mehr Zeit, um<br />

sich den Dingen zu widmen, die sie – so<br />

drückt es Bergmann aus – „wirklich, wirklich<br />

wollen“. Sprich: Sie können ihre persönliche<br />

Entwicklung vorantreiben – etwas, das<br />

bisher den privilegierten Eliten vorbehalten<br />

war. Bergmann – ganz Visionär – glaubt fest<br />

daran, dass so die Macht der Riesenkonzerne,<br />

die er hauptsächlich für die Schieflage<br />

unseres Gesellschaftssystems verantwortlich<br />

macht, gebrochen werden kann. Zumal<br />

die Giganten unter den Unternehmen sehr<br />

viel weniger beweglich sind als kleinere<br />

Betriebe, bei denen schon heute zu erkennen<br />

ist, dass sie schneller auf Veränderungen<br />

reagieren können. (Infos unter www.newwork-newculture.net)<br />

Sylvia Jumpertz C<br />

managerSeminare | Heft 103 | Oktober 2006


78 | development<br />

Wie Manager zur<br />

<strong>Moral</strong> finden<br />

ZWISCHEN ETHIK UND ERFOLGSDRUCK<br />

managerSeminare | Heft 98 | Mai 2006<br />

Foto: getty images


development | 79<br />

Bestechungs-, Bilanz- <strong>und</strong> Lustreisenskandale – das Thema Wirtschaftsethik<br />

ist auf Gr<strong>und</strong> der aktuellen Vorfälle virulenter denn je.<br />

Monat für Monat erscheint daher ein neues Buch über verantwortungsbewusstes<br />

Management <strong>und</strong> auf Konferenzen jagt ein Vortrag über<br />

<strong>Werte</strong> den nächsten. Doch dadurch allein wird in den Unternehmen<br />

noch nicht moralischer gehandelt.<br />

Preview: A Was genau ist <strong>Ethik</strong>? Warum es auf<br />

diese Frage in den Unternehmen still wird A <strong>Ethik</strong> im<br />

Spannungsfeld zwischen strategischer Unternehmensführung<br />

<strong>und</strong> Persönlichkeitsentwicklung A Vom<br />

Seminar bis zum <strong>Werte</strong>managementsystem: Wie<br />

moralisches Bewusstsein <strong>und</strong> verantwortungsvolles<br />

Handeln geschult werden A Warum sich ethisches<br />

Handeln <strong>und</strong> wirtschaftlicher Erfolg nicht widersprechen<br />

müssen A Mut <strong>und</strong> Widersprüche aushalten:<br />

Was ethisches Verhalten erfordert A Begriffswandel:<br />

Warum <strong>Ethik</strong> im Unternehmenskontext von dem<br />

Begriff <strong>Werte</strong>management abgelöst wird<br />

C „Was ist <strong>Ethik</strong>?“, fragt Ulf Posé die Teilnehmer<br />

seiner Seminare zuallererst. Dann<br />

– so erzählt er – drücken die Führungskräfte<br />

ihr Kreuz durch, sitzen ganz aufrecht <strong>und</strong><br />

bekommen einen leicht verklärten Blick. Sie<br />

sagen so etwas wie: „<strong>Ethik</strong> ist wichtig“ oder<br />

„<strong>Ethik</strong> ist ein ganz ernst zu nehmendes<br />

Thema“. „Das ist ja schon mal gut“, sagt Posé<br />

dann: „Aber was genau ist <strong>Ethik</strong>?“ Seiner<br />

Erfahrung nach wird es dann meist still.<br />

Kaum einer kennt die Antwort: <strong>Ethik</strong> ist eine<br />

Wissenschaft, die sich mit der Frage beschäftigt,<br />

welcher Wert nach welchen Kriterien<br />

wie behandelt wird. Oder auch ganz einfach<br />

<strong>und</strong> unwissenschaftlich: <strong>Ethik</strong> ist die Lehre<br />

von Gut <strong>und</strong> Böse, von richtigem <strong>und</strong> falschem<br />

Verhalten. Ulf Posé ist Berater, Trainer<br />

<strong>und</strong> zudem Präsident des <strong>Ethik</strong>verbandes<br />

der Deutschen Wirtschaft. Die Szene,<br />

die er bei seinen Seminaren in Wirtschafts-<br />

unternehmen weit mehr als einmal erlebt<br />

hat, zeigt: Auch in Zeiten, in denen Bestechungs-,<br />

Bilanz- <strong>und</strong> Lustreisenskandale das<br />

Thema <strong>Ethik</strong> haben aktuell wie nie werden<br />

lassen, sind viele Führungskräfte nicht im<br />

Bilde. Sie tun sich nicht nur schwer zu formulieren,<br />

um was es geht. „Sie wissen häufig<br />

auch nicht, was <strong>Ethik</strong> für ihren Berufsalltag<br />

bedeutet“, erklärt Posé. „Es fehlt an ethischer<br />

Kompetenz.“<br />

<strong>Ethik</strong> hat mit strategischer<br />

Unternehmensführung zu tun<br />

Vorträge <strong>und</strong> Bücher allein werden nicht<br />

reichen, um das zu ändern. Zu komplex ist<br />

das Thema, zu weitreichend sind die Folgen<br />

für das tägliche Handeln einer Führungskraft,<br />

wenn sie sich konsequent an <strong>Werte</strong>n<br />

wie Respekt, Integrität <strong>und</strong> Transparenz<br />

orientieren will, argumentieren <strong>Ethik</strong>experten.<br />

„Ethisches Handeln ist eng mit Management-<br />

<strong>und</strong> Entscheidungskompetenz verb<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> kann nicht losgelöst davon<br />

betrachtet werden“, erklärt Ulf Posé. „<strong>Ethik</strong><br />

betrifft die strategische Unternehmensführung“,<br />

fügt Josef Wieland, Professor an der<br />

Hochschule für Technik, Wirtschaft <strong>und</strong><br />

Gestaltung in Konstanz <strong>und</strong> Direktor des<br />

Konstanz Instituts für <strong>Werte</strong>management,<br />

hinzu.<br />

Das lässt schnell erkennen: Will ein<br />

Unternehmen in Sachen <strong>Ethik</strong> <strong>und</strong> <strong>Moral</strong><br />

mehr erreichen als Kosmetik, wird auch ein<br />

einzelnes Seminar nicht ausreichen. „Damit<br />

schaffen Sie höchstens ein bisschen Bewusstsein“,<br />

erklärt Posé. So muss nach Ansicht der<br />

Experten in den Unternehmen nicht nur das<br />

Wissen über Wirtschaftsethik vertieft werden.<br />

Es geht vielmehr darum, ethisches Verhalten<br />

klar zu definieren <strong>und</strong> seine konkreten<br />

Auswirkungen auf das tägliche Handeln<br />

zu besprechen.<br />

So ist es laut Wieland etwa unerlässlich,<br />

dass ein Unternehmen seine Mitarbeiter<br />

vorbereitet, bevor diese in einem korruptionssensiblen<br />

Umfeld, z.B. in China oder in<br />

den arabischen Ländern, arbeiten. Allerdings<br />

müsse man gar nicht in andere Kulturen<br />

gehen, um Punkte zu finden, an denen die<br />

Umsetzung von selbstverständlich klingenden<br />

<strong>Werte</strong>n schwierig ist. „Es sagt sich sehr<br />

leicht, wir sind gegen Korruption, wir sind<br />

integre Menschen“, verdeutlicht Wieland.<br />

„Aber: Was bedeutet es, wenn ich von einem<br />

K<strong>und</strong>en eine Einladung zur Fußball-Weltmeisterschaft<br />

bekomme? Gilt der Wert Integrität<br />

an dieser Stelle? Und wenn ja, wie<br />

genau soll ich mich verhalten?“<br />

<strong>Ethik</strong> braucht Klarheit der eigenen <strong>Werte</strong><br />

Viele Berater <strong>und</strong> Unternehmensvertreter<br />

heben deshalb auch die Bedeutung der Persönlichkeitsentwicklung<br />

hervor. „Die Führungskräfte<br />

müssen als Person reifen, um<br />

managerSeminare | Heft 98 | Mai 2006


80 | development<br />

aus innerer Stärke <strong>und</strong> Balance heraus handeln zu können“,<br />

betont etwa der Berater <strong>und</strong> Trainer Konrad Stadler<br />

vom Anselm Bilgri Zentrum für Unternehmenskultur<br />

in München. Ethisches Verhalten braucht Klarheit<br />

bezüglich der persönlichen <strong>Werte</strong> <strong>und</strong> Ziele. „Es ist<br />

erstaunlich, wie viele Führungskräfte in <strong>Ethik</strong>-Seminaren<br />

erstmalig beginnen, über ihre eigenen <strong>Werte</strong> nachzudenken“,<br />

erklärt Guido Rettig, Vorstandsvorsitzender<br />

der TÜV Nord Gruppe, der in seinem Unternehmen<br />

stark auf das Thema Wirtschaftsethik setzt.<br />

Um ethisches Bewusstsein im Unternehmenskontext<br />

zu etablieren, wird daher in der Regel gleich eine ganze<br />

Leserbefragung:<br />

Vom Wert der <strong>Werte</strong><br />

Die häufigsten Gründe für unethisches Verhalten<br />

in Führungsetagen<br />

Fehlendes ethisches Bewusstsein 74%<br />

Erfolgsdruck 61%<br />

Karrierebestrebungen 54%<br />

Ökonomischer Druck 37%<br />

Leichtfertigkeit <strong>und</strong> Nachlässigkeit 37%<br />

Maßnahmen gegen unethisches Verhalten<br />

Die Einführung von <strong>Ethik</strong>kodizes in Unternehmen 59%<br />

Regelmäßiges <strong>Werte</strong>coaching für Führungskräfte 57%<br />

Richtlinien für das vorbildliche Verhalten von Führungskräften 41%<br />

<strong>Ethik</strong>controlling 35%<br />

Regelmäßige <strong>Ethik</strong>seminare für Manager <strong>und</strong> Mitarbeiter 33%<br />

Angegeben ist die prozentuale Anzahl jener Leser, die die Frage zustimmend beantwortet<br />

haben. Mehrfachnennungen waren möglich. Insgesamt haben sich 46 Leser<br />

an der Umfrage beteiligt.<br />

managerSeminare | Heft 98 | Mai 2006<br />

Reihe von Seminaren, Workshops<br />

<strong>und</strong> Trainings favorisiert,<br />

die – über einen längeren Zeitraum<br />

verteilt – die zahlreichen<br />

verschiedenen Aspekte des Themas<br />

behandeln. Arbeitet z.B.<br />

Posé mit einem Unternehmen<br />

zusammen, gibt es über einen<br />

Zeitraum von drei Jahren etwa<br />

sechs Seminare. Inhaltlich reicht<br />

das Spektrum von der Bedeutung<br />

der Wirtschaftsethik für<br />

eine Führungskraft über wertschätzende<br />

Gesprächsführung<br />

<strong>und</strong> verantwortungsbewusste<br />

Entscheidungsprozesse bis hin<br />

zu spezifischen Problemstellungen<br />

des Unternehmens. Trainiert<br />

wird zudem der Einsatz von<br />

Führungsinstrumenten.<br />

Bei der TÜV Nord Gruppe<br />

gibt es auf Gr<strong>und</strong> der Entscheidung<br />

für umfassende Weiterbildungsmaßnahmen<br />

zum Thema<br />

<strong>Ethik</strong> das Programm „Führung<br />

<strong>und</strong> Verantwortung“, das aus verschiedenen<br />

Bausteinen besteht.<br />

In einem Seminar wird Diskurstechnik<br />

vermittelt. Hier geht es<br />

laut Guido Rettig um die Frage:<br />

Wie kann ich verstehen, was<br />

mein Mitarbeiter oder Kollege<br />

sagt, obwohl ich es eigentlich<br />

überhaupt nicht verstehe? Wie<br />

kommt er auf den Gedanken, so<br />

etwas zu äußern? Eine solche<br />

Denkweise setzt die Gr<strong>und</strong>einstellung<br />

voraus, dass sich jemand<br />

für das, was der andere sagt,<br />

interessiert – <strong>und</strong> ihn nicht automatisch<br />

ablehnt, weil er ihn<br />

nicht versteht. Rettig will durch<br />

die ethische Ausrichtung seines<br />

Unternehmens nicht in erster Linie Skandale<br />

verhindern, sondern Reibungsverluste<br />

innerhalb des Unternehmens minimieren.<br />

Auch Posé liegt es fern, Unternehmen durch<br />

Drohungen mit möglichen Angriffen durch<br />

Greenpeace oder anderen kritischen Organisationen<br />

von ethischem Engagement zu<br />

überzeugen. Lieber zählt auch er die Vorteile<br />

auf: „Wenn es die Unternehmen schaffen,<br />

ihr unternehmerisches Handeln verträglich<br />

zu halten mit ihrem sozialen Verhalten, dann<br />

sind sie in der Summe erfolgreicher“, sagt er.<br />

„Sie haben motiviertere Mitarbeiter, weniger<br />

Krankentage <strong>und</strong> ein größeres Interesse der<br />

Mitarbeiter, im Unternehmen zu verbleiben.“<br />

Seminare zum Thema <strong>Ethik</strong> können nicht<br />

alleine stehen<br />

Bei den Seminaren zum Thema <strong>Ethik</strong> handelt<br />

es sich wie bei der TÜV Nord Gruppe<br />

in der Regel um firmeninterne Angebote.<br />

„Bei firmeninternen Seminaren können wir<br />

tiefer einsteigen <strong>und</strong> uns genau um das Anliegen<br />

des Unternehmens kümmern“, erklärt<br />

Konrad Stadler vom Anselm Bilgri Zentrum<br />

für Unternehmenskultur, das sich auf <strong>Ethik</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Werte</strong>orientierung spezialisiert hat.<br />

Zudem empfehlen die Experten Seminare<br />

in der Regel als Ergänzung zu einem umfassenden<br />

Kulturprogramm. „Als Standalone-Lösung<br />

reichen Seminare nicht aus.<br />

Sie müssen eingebettet sein in die strategische<br />

Unternehmensentwicklung“, erklärt<br />

FH-Professor Josef Wieland, der Firmen bei<br />

der Einführung eines <strong>Werte</strong>managementsystems<br />

unterstützt.<br />

So muss laut Wieland ein Unternehmen<br />

unter anderem zunächst <strong>Werte</strong> definieren,<br />

auf deren Umsetzung sich das Training<br />

beziehen kann: Welche <strong>Werte</strong> sind in unserem<br />

Unternehmen handlungsleitend? Wel-


che <strong>Werte</strong> brauchen wir, um unsere Art von<br />

Geschäft zu machen? Welche <strong>Werte</strong> brauchen<br />

wir, damit wir gut miteinander umgehen<br />

können? Oder: Wie wollen wir umgehen<br />

mit Themen wie Kinderarbeit <strong>und</strong> Korruption?<br />

Eine solche Vorgehensweise hat etwa<br />

das Augsburger Pharmaunternehmen betapharm<br />

gewählt. „Die Seminare beziehen sich<br />

auf die Leitlinien, an denen sich das Unternehmen<br />

orientiert. In unserem Fall sind das<br />

Verlässlichkeit, Respekt, Vertrauen, Transparenz<br />

<strong>und</strong> Kreativität“, erklärt Petra Kinzl,<br />

die das <strong>Werte</strong>programm bei betapharm<br />

betreut. Und sie ergänzt: „Wenn das Seminar<br />

nicht zur Unternehmenskultur passt, wird<br />

es nichts bewirken.“<br />

Mitarbeiter brauchen Rückendeckung<br />

durch ihr Unternehmen<br />

Schließlich brauchen die Mitarbeiter Rückhalt<br />

in ihrem Unternehmen, weil es durchaus<br />

seine Tücken haben kann, die geforderten<br />

<strong>Werte</strong> im Alltag zu leben. Anke Kettler<br />

von dem auf <strong>Werte</strong>management spezialisierten<br />

Beratungsunternehmen Dr. Kleinfeld<br />

<strong>und</strong> Partner in Hamburg gibt ein Beispiel:<br />

„Möchte ein Mitarbeiter einen Auftrag<br />

unbedingt bekommen, <strong>und</strong> der Geschäftspartner<br />

verlangt Schmiergeld, sitzt der Mitarbeiter<br />

in der Zwickmühle.“ Der Mitarbeiter<br />

müsse dann wissen, dass er durch ethisches<br />

Verhalten sein persönliches Fortkommen<br />

nicht gefährdet. „Es kann nicht sein, dass die<br />

Entscheidung für ethisches Verhalten die<br />

Karriere kostet“, so Kettler.<br />

So ist bei betapharm der Umgang mit den<br />

in der Branche üblichen Aufmerksamkeiten<br />

für Ärzte oder Apotheker unternehmensweit<br />

einheitlich geregelt. „Wenn jemand Geschenke<br />

von uns möchte, dann erklären wir, dass<br />

es bei uns ein solches Verführungsmarketing<br />

nicht gibt“, erläutert Petra Kinzl, die bei dem<br />

Unternehmen für das <strong>Werte</strong>management<br />

zuständig ist. „Wir organisieren für Ärzte<br />

oder Apotheker keine Reisen nach Honolu-<br />

„Ethisches Handeln ist<br />

eng mit Management- <strong>und</strong><br />

Entscheidungskompetenz<br />

verb<strong>und</strong>en.“<br />

Ulf Posé, Berater <strong>und</strong> Präsident des <strong>Ethik</strong>verbandes<br />

der Deutschen Wirtschaft.<br />

Kontakt: info@posetraining.de<br />

lu, wir stecken das Geld in soziale<br />

Projekte. Das können unsere<br />

Mitarbeiter aufrecht <strong>und</strong> mit<br />

Rückgrat sagen.“ Kinzl weiter:<br />

„Dadurch gehen zwar einige<br />

Türen zu, dafür aber auch etliche<br />

mehr auf.“<br />

Bei allem ethischen <strong>und</strong> sozialen<br />

Engagement gilt bei betapharm<br />

– so betont Kinzl: „Das<br />

Ziel ist der wirtschaftliche Erfolg.“<br />

Und tatsächlich ist ihr Unternehmen<br />

ein Paradebeispiel<br />

dafür, dass sich ethisches Verhalten<br />

lohnt. Das Unternehmen hat<br />

vor sieben Jahren – als das Geschäft<br />

mit Generika (wirkstoffgleiche<br />

Nachahmerpräparate)<br />

stark kriselte – damit begonnen,<br />

sich mit mehreren sozialen Projekten<br />

für eine bessere Patientenversorgung<br />

einzusetzen <strong>und</strong><br />

gleichzeitig einen <strong>Werte</strong>kodex<br />

einzuführen. Seitdem hat sich<br />

das Unternehmen von Platz 15<br />

auf Platz 4 auf dem deutschen<br />

Generika-Markt vorgearbeitet.<br />

„Das Engagement ist auf dem<br />

Markt austauschbarer Produkte<br />

unser besonderes Merkmal“,<br />

erklärt Kinzl. Durch die Belegschaft<br />

sei bei der Einführung des<br />

Programms ein richtiger Ruck<br />

gegangen. Die Mitarbeiter hätten<br />

wieder Sinn verspürt.<br />

Wirtschaftlicher Erfolg: Kann<br />

sich jeder <strong>Ethik</strong> leisten?<br />

Trotz solcher positiver Beispiele<br />

glaubt längst nicht jeder daran,<br />

dass ethisches Handeln <strong>und</strong> wirtschaftlicher<br />

Erfolg zusammenpassen.<br />

„Viele denken immer<br />

noch, sie könnten sich <strong>Ethik</strong><br />

nicht leisten“, sagt Ulf Posé. „In<br />

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82 | development<br />

managerSeminare | Heft 98 | Mai 2006<br />

Deutschland gilt die Verbindung von <strong>Ethik</strong><br />

<strong>und</strong> Wirtschaft immer noch als Nullsummenspiel<br />

– alles, was die Wirtschaft gewinnt,<br />

geht zu Lasten der <strong>Ethik</strong>, <strong>und</strong> alles, was die<br />

<strong>Ethik</strong> gewinnt, geht zu Lasten der Wirtschaft“,<br />

gibt auch Josef Wieland den Irrglauben<br />

wieder. So müssen die Trainer in ihren<br />

Seminaren häufig zuerst mit Vorurteilen<br />

aufräumen. Zum Beispiel mit dem voreiligen<br />

Schluss, dass alles, was mit Kündigungen<br />

oder Werkschließungen zu tun hat,<br />

unmoralisch <strong>und</strong> schlecht ist. „Das ist natürlich<br />

Quatsch“, erklärt Posé, der für einen<br />

differenzierteren Blick plädiert: „Es gibt<br />

sicher Entlassungen, die nicht in Ordnung<br />

sind. Aber von vornherein zu urteilen, ohne<br />

gründlich geprüft zu haben, nach welchen<br />

<strong>Werte</strong>n gehandelt wurde, ist ethisch ebenfalls<br />

nicht in Ordnung.“<br />

Sogar die Frage: „Handelt ein Unternehmen<br />

unethisch, das eine hervorragende Bi-<br />

lanz hat <strong>und</strong> gleichzeitig 5.000 Mitarbeiter<br />

entlässt?“, ist laut Posé nicht mit einem einfachen<br />

Ja oder Nein zu beantworten. Es ist<br />

eine Frage der so genannten Güterabwägung,<br />

bei der zwei <strong>Werte</strong> gegeneinander<br />

stehen – hier die Loyalität zu den Mitarbeitern<br />

<strong>und</strong> dort die Wirtschaftlichkeit des<br />

Unternehmens. In den Seminaren wird der<br />

Umgang mit solch schwierigen Situationen<br />

an Fallbeispielen besprochen. „Da geht es<br />

beispielsweise darum, dass es einem Unter-<br />

Was <strong>Ethik</strong>trainings leisten können<br />

Ein Seminar alleine reicht nicht aus, um ethisches Handeln in einem Unternehmen zu etablieren. Nötig ist<br />

ein umfangreiches Kulturentwicklungsprogramm. Was die dazugehörigen Trainings, Workshops <strong>und</strong> Seminare<br />

idealerweise beitragen sollten:<br />

1. Den Begriff klären<br />

Wichtig ist es, dass die Führungskräfte eines Unternehmens lernen, wo beim Thema Wirtschaftsethik die<br />

Knackpunkte liegen. Dass es beispielsweise nicht darum geht, alles zu verdammen, was mit Werksschließungen<br />

oder Entlassungen zu tun hat, <strong>und</strong> dass sich <strong>Ethik</strong> <strong>und</strong> wirtschaftlicher Erfolg keineswegs ausschließen.<br />

2. Das Bewusstsein für werteorientierte Führung schärfen<br />

An <strong>Werte</strong>n <strong>und</strong> Leitlinien mangelt es unserer Gesellschaft nicht. Es fehlt jedoch häufig das Bewusstsein für<br />

<strong>Werte</strong>, das durch die intensive Beschäftigung mit den Vorteilen ethischer Unternehmensführung verstärkt<br />

werden kann.<br />

3. Die Unternehmensleitlinien stützen<br />

Der Begriff <strong>Ethik</strong> ist schillernd. Um ihn im Unternehmen operationalisieren zu können, müssen zunächst<br />

diejenigen <strong>Werte</strong> bestimmt werden, an denen sich das Unternehmen ausrichten möchte. Häufig wird ein<br />

so genannter <strong>Ethik</strong>- oder <strong>Werte</strong>kodex erstellt. Diesen sollten die Seminare stützen.<br />

4. Konkretes Verhalten aufzeigen<br />

Oftmals bereitet die Umsetzung der definierten <strong>Werte</strong> im Alltag Schwierigkeiten. Was bedeutet beispielsweise<br />

der Wert Integrität? Muss ich jede Einladung eines K<strong>und</strong>en ausschlagen? In den Seminaren wird an<br />

Fallbeispielen konkretes Handeln erarbeitet.<br />

5. Persönliche <strong>Werte</strong> <strong>und</strong> Überzeugungen bewusst machen<br />

Eine Position der Stärke <strong>und</strong> der inneren Balance erlangt nur, wer sich mit seinen eigenen <strong>Werte</strong>n <strong>und</strong><br />

Zielen auseinander setzt. In Seminaren werden sich die Führungskräfte häufig zum ersten Mal ihrer eigenen<br />

Wertvorstellungen <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>überzeugungen bewusst.<br />

6. Die Argumentationsfähigkeit verbessern<br />

In BWL-Seminaren wird nur selten über die moralische Dimension wirtschaftlicher Entscheidungen debattiert,<br />

das heißt, viele Führungskräfte erkennen sie nicht <strong>und</strong> sprechen auch nicht darüber. Heute aber<br />

müssen sich vor allem hochrangige Führungskräfte der ethischen Dimension bewusst sein, um ihren<br />

Mitarbeitern <strong>und</strong> der Öffentlichkeit ihr Handeln erklären zu können.<br />

7. Handlungskompetenz vermitteln<br />

In <strong>Ethik</strong>-Seminaren werden Führungskräften nicht nur Verhaltensregeln vermittelt. Führungskräfte sollen in<br />

erster Linie selbst die Kompetenz entwickeln, um ethisch f<strong>und</strong>ierte Entscheidungen treffen können. Dazu<br />

lernen sie unter anderem die Kunst der so genannten Güterabwägung.<br />

8. Bedeutung von Ruhe <strong>und</strong> Sachlichkeit hervorheben<br />

Ein sachliches Abwägen von Schaden <strong>und</strong> Nutzen ist schlecht möglich, wenn man sich im hektischen<br />

Tagesgeschäft verrannt hat. Wichtig ist es daher, zunächst den nötigen Abstand zu erlangen. Auch hierfür<br />

gilt es, das Bewusstsein zu stärken <strong>und</strong> geeignete Techniken einzuüben.


nehmensbereich schlecht geht <strong>und</strong> einer von<br />

zwei Mitarbeitern entlassen werden muss“,<br />

erklärt Rettig. Die Mitarbeiter diskutieren<br />

dann, wie sie entscheiden würden <strong>und</strong> wie<br />

ihre Entscheidung mit den <strong>Werte</strong>n <strong>und</strong> den<br />

Gr<strong>und</strong>sätzen ihrer Person <strong>und</strong> ihres Unternehmens<br />

übereinstimmt.<br />

Der erhobene Zeigefinger hilft nicht<br />

Der Trainer versteht sich bei <strong>Ethik</strong>seminaren<br />

in der Regel als Moderator. Es geht ihm<br />

nicht darum, den Teilnehmern mit dem<br />

erhobenen Zeigefinger moralische Vorschriften<br />

zu machen <strong>und</strong> Verhaltensanweisungen<br />

zu geben. Er möchte sie zu eigenständigem<br />

Denken animieren, erreichen,<br />

dass sie selbst den Wert einer werteorientierten<br />

Führung erkennen <strong>und</strong> sich bewusst<br />

dafür entscheiden, danach zu handeln.<br />

Denn: Zum einen lassen sich <strong>Werte</strong> schlecht<br />

von außen vorgeben, sie werden im Idealfall<br />

selbst erarbeitet. Zum anderen brauchen die<br />

Führungskräfte ethische Kompetenz, um<br />

eigenständig handeln zu können.<br />

„Die Kunst der Güterabwägung kann <strong>und</strong><br />

muss man selbst lernen“, sagt auch Konrad<br />

Stadler. „Schließlich kann ich den Führungskräften<br />

nicht sagen, wie sie sich bei ihren<br />

nächsten 5.000 Entscheidungen verhalten<br />

sollen.“ Stadler bietet beim Anselm Bilgri<br />

Zentrum für Unternehmenskultur seit neuestem<br />

eine der wenigen umfangreichen firmenübergreifenden<br />

Weiterbildungen zum<br />

Thema <strong>Ethik</strong> an. Zielgruppe sind junge Führungskräfte,<br />

die lernen möchten, wie sie sich<br />

<strong>und</strong> ihren Mitarbeitern in turbulenten Zeiten<br />

Orientierung verschaffen können.<br />

Um zu verdeutlichen, worum es beim<br />

ethischen Handeln geht, nutzt das Anselm<br />

Bilgri Zentrum für Unternehmenskultur die<br />

Regel des heiligen Benedikt von Nursia.<br />

Diese gilt bereits seit mehr als 1.500 Jahren<br />

für das Zusammenleben <strong>und</strong> -arbeiten der<br />

Benedektiner-Mönche. Darin kommen zunächst<br />

verstaubt wirkende Begriffe wie De-<br />

„Ich kann den Führungskräften<br />

nicht sagen, wie<br />

sie sich bei ihren nächsten<br />

5.000 Entscheidungen<br />

verhalten sollen.“<br />

Konrad Stadler, Anselm Bilgri Zentrum für<br />

Unternehmenskultur, München. Kontakt:<br />

stadler@a-zu.de<br />

mut, Dienen oder Gehorsam vor. Doch auch<br />

hier heißt es, sorgfältig <strong>und</strong> differenziert zu<br />

schauen, was darunter zu verstehen ist: „Dass<br />

Führen auch Dienen bedeutet, heißt nicht,<br />

zurückhaltend zu sein <strong>und</strong> es allen Recht zu<br />

machen“, so Stadler. Vielmehr gehe es darum,<br />

den Mitarbeitern zu helfen, sich zu entfalten<br />

<strong>und</strong> ihre Fähigkeiten bestmöglich einzusetzen.<br />

„Da können durchaus auch harte <strong>und</strong> klare<br />

Worte notwendig sein“, erklärt Stadler.<br />

Ethisches Handeln erfordert Mut<br />

Überhaupt gehöre das Thema <strong>Ethik</strong> nicht<br />

in die Softie-Ecke. Gefragt seien klare Entscheidungen,<br />

die häufig großen Mut erforderten.<br />

Bequem ist das Bekenntnis zur<br />

ethischen Führung Stadlers Ansicht nach<br />

ohnehin nicht. Stadler: „Es geht darum,<br />

Widersprüche auszuhalten.“ Schließlich<br />

wolle jeder, der ernsthaft über sein Tun<br />

nachdenke, am liebsten Sachen machen, die<br />

Sinn ergeben. Dinge, mit denen er aus seinem<br />

Wissen <strong>und</strong> Gewissen heraus dauerhaft<br />

zufrieden sein kann. „Was ist aber jetzt,<br />

wenn etwa ein Unternehmer ein neues<br />

Geschäftsfeld für sich findet <strong>und</strong> ein Teil<br />

seiner Mannschaft dafür nicht geeignet ist?<br />

Wie geht er damit um, wenn er Menschen<br />

enttäuschen muss?“, fragt Stadler. Als weiteren<br />

wichtigen Punkt, auf den in <strong>Ethik</strong>seminaren<br />

Wert gelegt werden sollte, nennen die<br />

Experten das Finden einer sachlichen Ebene:<br />

„<strong>Ethik</strong> bedarf einer gewissen Rationalität.<br />

Diese ist jedoch nicht vorhanden, wenn sich<br />

jemand im hektischen Alltag ausschließlich<br />

von Emotionen regieren lässt“, sagt Stadler.<br />

Zunächst sollte man sich daher fragen: Bin<br />

ich im Augenblick überhaupt fähig, eine<br />

ganzheitliche Sichtweise einzunehmen?<br />

Oder sehe ich gerade nur noch Ausschnitte?<br />

„Häufig sind wir voll bis obenhin“, weiß der<br />

<strong>Ethik</strong>experte <strong>und</strong> empfiehlt, erst einmal zu<br />

überlegen: Wie kann ich runterkommen,<br />

damit ich die Sache ganzheitlich <strong>und</strong> in<br />

Ruhe betrachten kann?<br />

A<br />

development | 83<br />

managerSeminare | Heft 98 | Mai 2006


84 | development<br />

Handlungsethik: Kann ich<br />

verantworten, was ich tue?<br />

Insgesamt läuft bei den <strong>Ethik</strong>trainings<br />

alles auf eine Handlungsethik<br />

hinaus. „Ich muss<br />

verantworten, was ich tue“, erklärt<br />

<strong>Ethik</strong>verbandspräsident Ulf<br />

Posé. Der Einzelne müsse lernen,<br />

immer wieder zu überprüfen,<br />

ob sein Handeln <strong>und</strong> seine<br />

<strong>Werte</strong> übereinstimmen. In diesem<br />

Punkt sieht Posé den großen<br />

Unterschied seiner Seminare zu<br />

Verhaltenstrainings, bei denen<br />

Führungsinstrumente ohne die<br />

Arbeit mit <strong>Werte</strong>n <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>überzeugungen<br />

eingeübt werden.<br />

Diese sind seiner Ansicht<br />

nach „Dressurleistungen“. Handeln<br />

<strong>und</strong> Verhalten unterscheidet<br />

er dadurch, „dass derjenige,<br />

der handelt, immer eine Alternative<br />

weiß zu dem, was er tut.<br />

Und dass er jederzeit bereit ist,<br />

sein Verhalten zu begründen.“<br />

Josef Wieland ergänzt: „Führungskräfte<br />

müssen in moralischer<br />

Hinsicht argumentationsfähig<br />

werden.“ Das bedeutet: Sie<br />

müssen die moralische Dimension<br />

wirtschaftlicher Entscheidungen<br />

erkennen <strong>und</strong> gegenüber<br />

Mitarbeitern, Geschäfts-<br />

Service<br />

Buchtipps:<br />

A Ulrich Hemel: Wert <strong>und</strong> <strong>Werte</strong>. <strong>Ethik</strong> für Manager – Ein Leitfaden für die Praxis. Hanser, München<br />

2005, ISBN 3-446-22813-6, 24,90 Euro.<br />

Ein viel beachtetes Buch zum Thema <strong>Ethik</strong>, das an vielen Stellen den Bogen zum täglichen Handeln im<br />

Unternehmen schlägt. Beachtung finden sowohl die großen Entscheidungen wie Werksschließungen oder<br />

Entlassungen als auch wichtige Punkte im täglichen Miteinander.<br />

A Josef Wieland (Hrsg.): Handbuch „<strong>Werte</strong>management“. Murmann, Hamburg 2004, ISBN<br />

3-938017-06-6, 54 Euro.<br />

In diesem Buch dreht sich alles um <strong>Werte</strong>managementsysteme in Unternehmen. Zahlreiche Vertreter<br />

bekannter Firmen erläutern ihre Vorgehensweise. Sie erklären zum Beispiel, wie sie einen <strong>Werte</strong>kodex<br />

aufgestellt haben <strong>und</strong> wie seine Einhaltung im Alltag gesichert wird.<br />

A Stefanie Unger, Kai Hattendorf, Sven H. Korndörffer: Was uns wichtig ist. Eine neue Führungsgeneration<br />

definiert die Unternehmenswerte von morgen. Wiley, Weinheim 2005, 29,90 Euro.<br />

Eines der neuesten Bücher zum Thema <strong>Ethik</strong> kommt von jungen erfolgreichen Führungskräften, die sich<br />

zur „bewussten Führung“ bekennen. In den verschiedenen Aufsätzen erklären sie ihr Verständnis von<br />

werteorientierter Führung, reden ihren Kollegen in den Führungsetagen der Wirtschaft ins Gewissen <strong>und</strong><br />

laden sie zum Dialog ein.<br />

managerSeminare | Heft 98 | Mai 2006<br />

partnern <strong>und</strong> der Öffentlichkeit artikulieren<br />

können. Was das genau bedeutet, erklärt<br />

Wieland am Beispiel von Josef Ackermann,<br />

dem Vorstandssprecher der Deutschen Bank,<br />

der Gewinne gleichzeitig mit Entlassungen<br />

bekannt gegeben <strong>und</strong> damit eine Welle der<br />

Empörung losgetreten hat: „Es kann ja<br />

durchaus betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten<br />

geben, Leute zu entlassen, auch<br />

wenn Gewinne gemacht wurden. Damit<br />

bricht man in Deutschland allerdings einen<br />

moralischen Konsens.“ Das müsse man wissen<br />

<strong>und</strong> – anders als Ackermann – das eigene<br />

Handeln erklären. Etwa so: „International<br />

gesehen sind wir nur eine mittelmäßige<br />

Bank. Wollen wir uns vor Übernahmen<br />

schützen, brauchen wir eine bestimmte Gewinnrate.“<br />

Eine der herausforderndsten<br />

„Es kann betriebswirtschaftliche<br />

Notwendigkeiten geben, Leute zu<br />

entlassen, auch wenn Gewinne<br />

gemacht wurden. Damit bricht<br />

man allerdings einen moralischen<br />

Konsens.“<br />

Josef Wieland, Professor an der Hochschule für Technik, Wirtschaft<br />

<strong>und</strong> Gestaltung in Konstanz <strong>und</strong> Direktor des Konstanz Institut für<br />

<strong>Werte</strong>management. Kontakt: wieland@htwg-konstanz.de<br />

Aufgaben der <strong>Ethik</strong>berater ist es also, den scheinbaren<br />

Widerspruch von <strong>Ethik</strong> <strong>und</strong> Wirtschaft zu überbrücken.<br />

Viele Experten begrüßen daher auch, dass das unbequeme<br />

Schlagwort <strong>Ethik</strong> zunehmend aus Seminar- <strong>und</strong><br />

Buchtiteln verschwindet <strong>und</strong> durch „werteorientierte<br />

Führung“ ersetzt wird. Wieland, der bereits seit vielen<br />

Jahren lieber von <strong>Werte</strong>management als von <strong>Ethik</strong><br />

spricht, erklärt: „Jeder denkt bei <strong>Ethik</strong> an etwas anderes:<br />

Der eine versteht darunter etwas Religiöses, der zweite<br />

etwas Privates <strong>und</strong> der dritte Kritik an seiner Firma.“<br />

Über <strong>Ethik</strong>seminare wird daher auch oft negativ geurteilt.<br />

„Da gehen die Loser hin, die mal eine Ruhepause<br />

brauchen <strong>und</strong> sich über das Unternehmen beschweren<br />

möchten“, gibt Wieland eine verbreitete Haltung wieder.<br />

Der Berater aus Konstanz hält daher den Begriff <strong>Werte</strong>management<br />

für angemessener: „Das Thema transportiert<br />

denselben Inhalt, ohne die Anfangsschwelle so<br />

hoch zu setzen.“<br />

Andrea Bittelmeyer C<br />

Ansprechpartner:<br />

A <strong>Ethik</strong>verband der Deutschen Wirtschaft e. V.<br />

Der <strong>Ethik</strong>verband der Deutschen Wirtschaft will laut<br />

seinem Präsidenten Ulf Posé den Unternehmen helfen,<br />

eine Brücke zu schlagen zwischen ökonomischem<br />

<strong>und</strong> ethischem Handeln. Der Verein steht<br />

den Unternehmen als Ansprechpartner zu Verfügung<br />

<strong>und</strong> vermittelt zum Beispiel beim unternehmensübergreifenden<br />

Erfahrungsaustausch. www.<br />

ethikverband.de<br />

A Deutsches Netzwerk Wirtschaftsethik<br />

Auch das DNWE verfolgt das Ziel, den Austausch<br />

von Gedanken <strong>und</strong> Ideen über ethische Fragen des<br />

Wirtschaftens zu fördern <strong>und</strong> wirtschaftliches Handeln<br />

ethisch zu orientieren. Im Sinne des Netzwerkgedankens<br />

treffen sich Vertreter aus Wissenschaft<br />

<strong>und</strong> Praxis. www.dnwe.de

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