Untitled - Stichting Papua Erfgoed
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Beide Beurteilungen bestehen zu Recht. Gut und Böse<br />
wonnen in der Brust der Marind-anim nahe beieinander,<br />
und da sie gefühlsbetonte Menschen sind,<br />
schwanken sie zwischen auBerster Grausamkeit in<br />
der Erregung des Krieges und des Kultes und friedfertigster<br />
Art in den Zeiten der Ruhe. Es steekt etwas<br />
Kindliches in diesen Menschen, die bedenkenlos ihre<br />
Freunde beschenken, bis sie selbst nichts mehr haben,<br />
die sich hemmungslos der Freude hingeben können<br />
und dann wieder grausam werden, ohne sich so recht<br />
bewufit zu werden, wie grausam sie sind.<br />
Das Ratsel des Charakterzwiespalts flndet aber auch<br />
noch eine andere Erklarung. Die Marind-anim bezeichnen<br />
sich selbst als Anim-ha, die echten Menschen.<br />
Das besagt, dafi alle anderen Menschen nur<br />
zweiten Ranges sind und im Grunde den Namen<br />
Mensen gar nicht verdienen. Mit ihnen kann man<br />
verfahren wie man will, denn die Sittengesetze beziehen<br />
sich nicht auf sie. Innerhalb des eigenen Stammes<br />
ist man aber verpflichtet, sich so zu benehmen,<br />
daB man niemand auch nur den geringsten Schaden<br />
zufügt und jedem sogar nach Kraften hilft.<br />
Das Ideal der Marind-anim ist der Anim-anem, der<br />
»Menschen-Mensch« 2 , der anderen Menschen hilft,<br />
und der Dur-anem, der »schamvolle Mensch«, der sich<br />
schamen würde, etwas zu tun, das gegen die alten<br />
Sitten ware. Man achtet das Eigentum der Stammesgenossen<br />
und halt Diebstahl für eins der gemeinsten<br />
Verbrechen. Man hat Ehrfurcht vor dem Alter und<br />
hort auf den Rat der Greise, die gemeinschaftlich an<br />
Stelle von Hauptlingen die Dörfer regieren, und wird<br />
nie wagen, ihnen vorzuwerfen, daB sie nicht mehr<br />
selbst arbeiten können. Man tritt mit Eigentum und<br />
Leben unbedingt für seine eigene Gemeinschaft ein<br />
und, was auch bei Naturvölkern selten ist und durchaus<br />
nicht überall auf Neuguinea vorkommt, man verabscheut<br />
die Lüge wie die Pest. »Marind-anim-meen<br />
sakod-ke, isi mbake« heiBt es, »Ein Marind-Wort ist<br />
eins und kein anderes.« Und man sollte auch Frauen<br />
und Töchter der Mitmenschen in Ruhe lassen — aber<br />
hier scheitert das Ideal bisweilen an derLeidenschaft,<br />
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