Weltumsegelung - bei den Seenomaden
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Leben mit dem<br />
Wind<br />
Bilanz. Seit zwei Jahrzehnten segeln die Seenoma<strong>den</strong><br />
über alle Meere. ihre letzte große Reise führte sie zum<br />
zweiten Mal um <strong>den</strong> Globus. Und mehrfach an ihre<br />
Grenzen. Wer<strong>den</strong> sie nun sesshaft bleiben?<br />
Text: Doris Renoldner. Fotos: Wolfgang Slanec<br />
Vor gefühlten hundert<br />
Jahren lernte ich Wolf<br />
kennen. Wir saßen im<br />
Café Hummel und teilten eine<br />
Melange, Wolf erzählte, dass er<br />
ein Boot besitze und davon<br />
träume, um die Welt zu segeln.<br />
Der Kaffee war rasch ausgetrunken,<br />
Wolf voll in Fahrt.<br />
Wortreich schilderte er gestrandete<br />
Yachten, Aussteiger auf<br />
Gomera, Sturm in der Straße<br />
von Gibraltar. Ich glaubte ihm<br />
kein Wort. Aber er gefiel mir.<br />
Dann traf ich ihn wieder und<br />
erkannte, dass er der freieste<br />
Mensch war, <strong>den</strong> ich jemals gesehen<br />
hatte. Sparbuch oder guter<br />
Job waren ihm egal, er trug<br />
lange Haare und bunte Brillen,<br />
kletterte in steilen Wän<strong>den</strong> und<br />
zeigte mir, dass man sein Leben<br />
auch außerhalb vorgestanzter<br />
Schablonen führen kann.<br />
Mittlerweile sind wir verheiratet,<br />
haben zweimal die Welt<br />
umrundet und da<strong>bei</strong> 110.000<br />
Seemeilen geloggt. Den Löwenanteil<br />
der letzten zwanzig Jahre<br />
waren wir unterwegs. Das ist<br />
kein Ausstieg zwischendurch,<br />
auch kein Trip oder Projekt.<br />
Das ist unser Leben. Wir haben<br />
wenig und wir haben viel. Viel<br />
Natur, viel frische Luft, viel<br />
Zweisamkeit und Selbstbestimmung.<br />
Ein Sein im Hier und<br />
Jetzt. Nomad ist unser schwimmendes<br />
Zuhause. Alles, was wir<br />
besitzen, ist in Armeslänge von<br />
uns entfernt. Was wir nicht mitführen<br />
können, findet Platz in<br />
der Erinnerung. Eine Lebensweise,<br />
die bestimmte Dinge<br />
voraussetzt. Gesundheit vor<br />
allem, und Urvertrauen. Und<br />
einen entspannten Umgang mit<br />
dem Mangel an Sicherheit.<br />
Vor dem Aufbruch zu unserer<br />
zweiten großen Fahrt, im<br />
Jänner 2002, stan<strong>den</strong> wir vor<br />
einem altbekannten Problem.<br />
Wir brauchten Geld. All unsere<br />
Ersparnisse waren in die Bootsrenovierung<br />
geflossen. Daher<br />
setzten wir auf zahlende Mitsegler,<br />
die uns während des ersten<br />
Reiseabschnitts begleiten<br />
sollten. Mit dem Wermutstropfen<br />
des Terminsegelns. Üblicherweise<br />
wissen wir nicht, wo<br />
wir in einem Monat sein oder<br />
was wir in einem halben Jahr<br />
tun wer<strong>den</strong>. Außerdem sind<br />
Routenplanung auf der Seekarte<br />
und deren Umsetzung in die<br />
Realität zwei verschie<strong>den</strong>e Paar<br />
Schuhe. Quer Mittelmeer und<br />
hinaus in <strong>den</strong> Atlantik ging die<br />
Rechnung auf. Aber ab Argentinien<br />
war Schluss mit lustig.<br />
Spätestens dort bereuten wir,<br />
uns einen strikten Fahrplan<br />
auferlegt zu haben.<br />
Rund SüdameRika. In Patagonien<br />
bestimmte der Wind unser<br />
Sein, er war das Maß aller Dinge,<br />
diktierte die Form der Bäume<br />
und lehrte uns Geduld und<br />
Respekt. In schlimmen Stürmen<br />
lernten wir unsere Feigheit<br />
kennen, durchschritten die<br />
Höllen der Angst, zitterten um<br />
unser Boot und zum ersten Mal<br />
auch um unser Leben. Ist alles<br />
überstan<strong>den</strong>, kann man leicht<br />
mutig sein, darüber schreiben<br />
3/2010 yachtrevue 15