2 ROTE ANNELIESE / NR. <strong>218</strong> / Juni 2011 ROTE ANNELIESE / NR. <strong>218</strong> / Juni 2011 3 Eine laienhafte Schulpolitik und korrupte Behörden Die Briger Posse um die Evangelische Schule zeigt eins: Auch die gewählten Behörden sind mit ihrem Latein bald einmal am Ende, wenn es darum geht, unsere Schulen für die Herausforderungen der Zukunft neu aufzustellen. Die Meisten Verantwortlichen sind froh, wenn sie den Status Quo verwalten und damit unpopulären Entscheiden aus dem Weg gehen können. In Brig führt diese Mentalität zur Schliessung der Evangelischen Schule – die bildungspolitischen Kleinkrämer mit deren Verwalter im Rücken haben gewonnen. Warum Kinder lieber an die Klein- Schule wechselten zeigt das Beispiel der Schülerin R. aus Brig. Sie wurde an der Schule gemobbt, von ihrer Lehrerin nicht unterstützt und sogar von ihr geschlagen – gegen die Lehrerin läuft jetzt ein Strafverfahren. (Seite 6) Schlimmer wird es, wenn nicht Kleinkrämer, sondern Schildbürger einer für die Zukunft des Wallis so wichtigen Behörde wie der Schulkommission vorstehen. Dies zeigt das Beispiel der Kindergartenlehrerin Andrea Wehrlin aus Guttet. Die Kindergärtnerin und ausgebildete Musikerin ist seit knapp IMPRESSUM HE<strong>RA</strong>uSgEbER Verein <strong>Rote</strong> <strong>Anneliese</strong> Postfach 441 3900 brig-glis Tel. 027 923 63 89 rote.anneliese@rhone.ch INTERNET www.roteanneliese.ch REDAkTOR Cyrill Pinto (cp) MITARbEITERINNEN Hilar Eggel (he) DIESER NuMMER Elisabeth Joris Marie-Theres kämpfen Laura kronig) DRuCk s+z:gutzumdruck. 3902 brig-glis 20 Jahren als Kindergärtnerin in Guttet tätig. Vor zwei Jahren gab sich die Schulbehörde dort, nach der Gemeindefusion, eine neue Struktur. Nur: Die Schulkommission wird weiterhin von Laien geführt. Das Resultat: Wegen Missgunst und mit fadenscheinigen Argumenten wird die Lehrerin einfach auf die Strasse gestellt. Doch die Schulkommission hat die Rechnung ohne die Eltern der Kinder von Guttet-Feschel gemacht … Jetzt wehren sich Eltern gegen den Entscheid der Laienbehörde. (Seite 4) Einblick in das korrupte Vergabesystem im Wallis erlaubt der Fall des Bitscher Werkhof-Neubaus. Auf Seite 7 werden die Argumente der Beschwerdeführer gegen den skandalösen Vorgang einer Auftragsvergabe dargelegt und gezeigt, wie das Walliser C-Korruptionssystem von der Justiz gedeckt wird. Damit sich alle Bürgerinnen und Bürger von Bitsch ein Bild über die Vorgänge bei der umstrittenen Arbeitsvergabe machen können, wird diese Ausgabe der «<strong>Rote</strong>n <strong>Anneliese</strong>» an alle Bitscher Haushalte geliefert. ABONNEMENTE Jahresabo Fr. 50.– Jugendabo Fr. 25.– unterstützungsabo Fr. 80.– BANKKONTO PC 19-8382-6 Cyrill Pinto TITELBILD Fabrikarbeiterin prüft elektrische geräte nach der Endmontage. Creative common/flickr.com Inhalt Aufgeflogen: Deutscher Neonazi versteckt sich im Oberwallis SEITE › 3 Entlassung: Guttet-Feschel wehrt sich für seine Kindergärtnerin SEITE › 4 Illegale Deponie: CVPO-Fraktionschef kämpft für Obergestler Schandfleck SEITE › 5 Mobbing an Schule: Briger Lehrerin rutscht die Hand aus – Strafanzeige SEITE › 6 Vergabe-Skandal: Kantonsgericht deckt CVP-Korruption SEITE › 8 Frauenstreik: 20 Jahre danach ist vieles noch nicht erreicht SEITE › 9 Glasfasernetz: Der schnelle Anschluss soll zum Service public gehören SEITE › 10 Buch: Eine Zeitreise in Serbien SEITE › 11 Hilar Eggel: Ronald Schernikau – Dichter, Kommunist und Schwul SEITE › 12 Agenda: Wohin Frau/Mann geht – die <strong>RA</strong>-Tipps … SEITE › 14 Obwohl er gesucht wird: Der briefkasten des Neonazis ist angeschrieben Cyrill Pinto/Facebook Rechtsextremismus Mein Nachbar, der Nazi <strong>RA</strong>THENOW/VISP – Ein verurteilter und in Deutschland gesuchter Neonazi taucht im Oberwallis unter. Erst Recherchen der «<strong>Rote</strong>n <strong>Anneliese</strong>» bringen Bewegung in den Fall Thomas K*. Die vier jungen Männer wussten wohl nicht mehr mit ihrer Zeit anzufangen als sich vollaufen zu lassen. Anschliessend machten sie die Innenstadt von Rathenow – einer Kleinstadt im Deutschen Brandenburg – unsicher. Wahllos verprügelten sie Leute auf der Strasse. Laut Anklageschrift der Staatsanwaltschaft gingen die Männer zu viert auf zwei ihrer Opfer los und traktierten diese mit Faustschlägen. Die Neonazis zogen weiter – in der Innenstadt attackierten sie schliesslich drei Personen. Auch hier griffen sie ihre ausgesuchten Opfer mit brutaler Gewalt an – einem gelingt es zu flüchten und die Polizei zu rufen. Bis diese eintrifft, ist es fast zu spät: Eine Person erleidet bei dem Angriff ein Schädel-Hirn-Trauma. Die in Überzahl agierenden Neonazis schlagen auch dann noch zu, als ihre Opfer schon auf dem Boden liegen. Hinweis aus Deutschland Vier Tage lang lag eines der Opfer mit Kopfverletzungen im Spital. Die Gerichtsverhandlung zu diesem Übergriff vom Herbst 2009 war letzten April vor dem Amtsgericht Rathenow. Nur: Thomas K, der Anführer der Neonazigruppe, war für das Gericht «nicht auffindbar». Kein Wunder: Der 21-Jährige ist abgetaucht. Sein letzter Wohnort: Visp. Den Hinweis auf Ks Aufenthalt in der Schweiz erhielt der auf das Thema Rechtsextremismus spezialisierte Journalist Hans Stutz. Die Meldung mit dem vermutlichen Aufenthaltsort von K. in der Schweiz bekam er von einem Informanten in Deutschland. Dort, in der brandenburgischen Region Westhavelland, fand der Prozess gegen drei der Neonazis am 13. April statt. Zwei wurden für ihren brutalen Übergriff vom Herbst 2009 zu bedingten Gefängnisstrafen verurteilt. Gegen Thomas K. wurde das Verfahren eingestellt, wie der zuständige Richter am Amtsgericht Rathenow auf Anfrage sagt – «aber nur weil man die drei Mittäter schnell vor Gericht bringen wollte». Denn gegen K., der zu diesem Zeitpunkt für das Gericht bereits nicht auffindbar war, lag schon vor dem Gerichtsprozess von Mitte April genügend vor, um ihn für lange Zeit hinter Schloss und Riegel zu bringen. Der braune Schläger wurde in mehreren Fällen wegen Körperverletzung vom Rathenower Jugendgericht rechtskräftig verurteilt – drei Jahre und sechs Monate Jugendhaft erwarten ihn des- halb in Deutschland, wie die Behörden vor Ort bestätigen. Der junge Mann ist deshalb deutschlandweit zur Fahndung ausgeschrieben. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Potsdam zitiert detailliert aus der Akte K. Der rechtsextreme Schläger wurde zu einer sogenannten Einheitsjugendstrafe verurteilt. Mehrere Straftaten zusammen ergaben demnach «die recht hohe Strafe», erklärt der Sprecher. K. traktierte seine Opfer mit Faustschlägen ins Gesicht. Für seine Taten büsste er bisher nicht. Im Visper City-Rhone Irgendwann im letzten Jahr muss K. in die Schweiz abgetaucht sein. Bevor er nach Visp zog, arbeitete er für die Ausserberger Gleisbaufirma Railway Tech. Während dieser Zeit wohnt er in einem Hotel. Ende März dann wird K. bei der Railway Tech entlassen – seither ist er auf Arbeitssuche. Zur gleichen Zeit, am 1. April, bezieht er eine Zweizimmerwohnung in der zwölften Etage des Visper City-Rhone-Hochhauses. In Visp lebt der untergetauchte Neonazi ein unscheinbares Leben. Trotzdem wird er ab und zu in Begleitung von weiteren Glatzköpfen gesehen. In Visper Pubs legen die Neonazis Rechtsrock auf – ab und zu wird der Hitlergruss gezeigt. Vor seiner Zeit im Wallis soll K. in der Region Thun gewohnt haben – Fotos von ihm in Thun sowie ein Betreibungsregisterauszug stützen diese These. Bei der Gemeinde Visp kennt man den untergetauchten Neonazi aus Deutschland nicht – K. hat sich vorsichtshalber nicht beim Einwohneramt gemeldet. K. hat einen Telefonbucheintrag und eine Festnetznummer – nur seine Fotos auf seinem Facebook-Profil mit dem Pseudonym Thomas Braunhemd hat er vorsichtshalber gelöscht. Das löschen der Fotos von seinem alias Facebook- Profil hat K. aber wenig genützt. Noch bevor er seine Spuren im Netz verwischt, werden die Fotos von der Antifa gespeichert und ins Netz gestellt. Dies brachte die <strong>RA</strong> auf seine Spur. In der Szene aufgewachsen Der Amtsrichter in Rathenow hält K. für einen Mitläufer der Rechten Szene. Dass er sich «geistig mit dem Nationalsozialismus auseinander gesetzt hat», traut er ihm nicht zu. Dass Thomas K. in der rechtsextremen Szene in Brandenburg aktiv ist, bestätigen mehrere Dokumente. Erstmals wird K. 2003, also bereits mit 14 Jahren, von der Antifa der rechtsextremen Jugendorganisation «Sturm 27» zugeordnet. Der Name der Organisation ist eine Anlehnung an den Namen einer Sturmabteilung SA während der Zeit des Nationalsozialismus. Als 18-Jähriger wird K. ein zweites Mal in einem Bericht über die Neonaziszene in Brandenburg erwähnt. Diesmal als Mitglied der rechtsextremen Anti-Antifa. Mit den Hinweisen zu Ks Aufenthaltsort in Visp konfrontiert, stellt der zuständige Amtsrichter bei den Schweizer Behörden ein Rechtshilfegesuch. Auf dieses hin wird der 21-Jährige verhaftet und dann an die Behörden in Deutschland ausgeliefert, wie Folco Galli vom Bundesamt für Justiz auf Anfrage sagt. Wenn K. gegen den Auslieferungsentscheid keinen Rekrus einlegt, kann er innerhalb von wenigen Tagen an die deutschen Justizvollzugsbehörden überstellt werden. (cp) *Name der Redaktion bekannt