4 ROTE ANNELIESE / NR. <strong>218</strong> / Juni 2011 ROTE ANNELIESE / NR. <strong>218</strong> / Juni 2011 5 Würde gerne weiter hier arbeiten: Andrea Wehrlin vor dem Schulhaus guttet-Feschel. Cyrill Pinto. Schule Guttet-Feschel «Gestörtes Vertrauensverhältnis» GUTTET-FESCHEL – Eine Kindergartenlehrerin in Guttet- Feschel wird ohne Angabe von Gründen nach fast 20 Jahren im Schuldienst entlassen. Das Beispiel zeigt, wie das Lehrpersonal den Laienbehörden in den Gemeinden schutzlos ausgeliefert ist. Jetzt regt sich Widerstand. Von Cyrill Pinto Es kam völlig überraschend. Andrea Wehrlin wurde Ende April vom Präsidenten der Schulkommission zu einem Gespräch eingeladen. «Ich dachte mir nichts dabei», erinnert sich die bei den Kindern des Kindergartens Guttet beliebte Lehrerin. Grund zur Sorge hatte sie ja auch nicht. Die engagierte Lehrerin unterrichtet seit fast 20 Jahren im regionalen Kindergarten der Schulregion Sonnenberge. Wehrlin erhielt nie eine Verwarnung. Nie gab es Anlass zu einer Reklamation, im Gegenteil. Die Lehrerin ist nicht nur bei den Kindern äusserst beliebt – Eltern schätzen ihre offene und freundliche Art. «Der Schulpräsident eröffnete mir, mein Anstellungsverhältnis mit der Schulgemeinde sei per 31. August aufgelöst», sagt Wehrlin Wochen nach ihrer Kündigung aus heiterem Himmel immer noch sichtlich schockiert. kündigung ohne Vorwarnung Gründe für die Kündigung konnte ihr der Präsident der regionalen Schulgemeinde Sonnenberge, Christian Pfammatter, auf Anhieb keine nennen – im schriftlichen Kündigungsschreiben ist lediglich von einem «gestörten Vertrauensverhältnis» die Rede. Erst auf Nachfrage Wehrlins nannte Pfammatter mündlich verschiedene Vorfälle, bei denen es um die Früheinschulung von Kindern ging. Was die langjährige Kindergartenlehrerin von Guttet besonders ärgert: Ihre Kündigung ist eine Farce – nur ein paar Tage nach der eröffneten Kündigung erscheint ein Stelleninserat: Gesucht wird eine neue Kindergartenlehrperson. beschwerde eingereicht Die engagierte Kindergartenlehrerin, die neben ihrem 75-Prozent-Pensum an der Allgemeinen Musikschule Oberwallis (amo) unterrichtet, will die Kündigung nicht einfach so hinnehmen. Sie hat einen Anwalt eingeschaltet, der nun beim Staatsrat eine Beschwerde gegen die Kündigung eingereicht hat. Der Beschwerde liegen Arbeitszeugnisse bei aus denen hervorgeht, dass ihre Arbeitgeber mit Wehrlins Arbeit im Kindergarten zufrieden waren. Erst im letzten Jahr bedankte sich die Schulkommission Sonnenberge bei Wehrlin schriftlich «für den gezeigten Einsatz bestens». Hervorragend sind auch ihre Leistungen als Musiklehrerin an der amo, wie ein im letzten Jahr ausgestelltes Arbeitszeugnis belegt. Gegen die Entlassung formiert sich nun Widerstand. Als die Kündigung am Kindergarten Guttet ruchbar wird, schreiben empörte Eltern der Kindergartenlehrerin. «Wir bedauern es sehr, dass die gute Zusammenarbeit Ende Juni aufhört», heisst es im Schreiben einer Familie aus Guttet, deren Kind zurzeit im ersten Kindergarten ist. Mehrere Schreiben erhält Wehrlin auch von Lehrerkollegen – ihr Tenor: Unverständnis wegen der ungerechtfertigten Kündigung. Motiv Missgunst? Erklären kann sich Wehrlin ihre Kündigung nur mit der Missgunst einzelner Mitglieder der regionalen Schulkommission. «Die Kinder lieben mich – das erzeugt bei einzelnen Müttern Eifersucht.» Wehrlin lebt mit ihrem Mann in einem beschaulichen Haus in Guttet – ihr ganzer Stolz sind ihre zwei Pferde. Missgunst als Motiv – in einem Dorf wie Guttet durchaus denkbar. Besonders ärgerlich für Wehrlin ist die Tatsache, dass sie dem Laiengremium Schulkommission völlig ausgeliefert ist. Die Missstände in der Schulkommission der Schulen von Albinen, Bratsch, Erschmatt und Guttet-Feschel greifen offenbar tiefer, als dies der Fall Wehrlin offenbart. Auch bei den Primarlehrern der Schulregion Sonnenberge herrscht zunehmend Frustration über den Führungsstil der Schulkommission. Mehrere Lehrer verlassen per Ende Schuljahr die Primarschule in Guttet, wie Wehrlin weiss. Tatsächlich sucht die Schulkommission Sonnenberge in ihrem Stelleninserat auch eine Primarlehrperson. Im Fall Wehrlin ist nun der Staatsrat am Zug. Wehrlins Beschwerde verlangt die Aufhebung ihrer Kündigung. Auch wenn man seit dem Fall Abgottspon weiss, dass die kantonalen Behörden Schulbehörden decken, die grundlos Lehrer entlassen, ist das Signal an die Schulbehörden klar: Einfach so lassen sich Lehrpersonen nicht abschieben. Die Schulkommission wollte «aus Gründen des Persönlichkeits- und Datenschutzes» keine Stellungnahme im Fall Wehrlin abgeben. Der Schandfleck: Die illegale Deponie eingangs Obergesteln. Cyrill Pinto. Illegale Baudeponie Beat Rieders Geschäfte mit illegalen Deponien OBERGOMS – In Obergesteln wird seit Jahren illegal eine Deponie betrieben. Alle Instanzen forderten, das Lager zu räumen. Trotzdem fechtet das Unternehmen diesen Entscheid bis vor Bundesgericht durch und unterliegt auch dort. Der Anwalt des Unternehmens: CVPO-Fraktionschef Beat Rieder. Von Cyrill Pinto Die Deponie am Ortseingang von Obergesteln ist ein Schandfleck. Mitten in der Wiese, gleich neben der Strasse, werden Baumaschinen und Baumaterial gelagert, Baucontainer sind aufgestellt. Ein Kurzbericht, der den Akten zum Fall beiliegt, offenbart die unhaltbaren Zustände auf dem Areal: «Baumaterial, Bauschutt, Altautos, Tankanlagen, Ölfässer, Schalungsmaterial usw. liegen relativ ungeordnet herum, befinden sich teils zwischen Bäumen und Sträuchern und sind teils schon überwachsen», heisst es darin. Erstaunlich ist an dem Fall eigentlich nur, dass die kantonale Baupolizei erst so spät intervenierte – immerhin besteht das Lager bereits seit den 70er-Jahren. Illegal war es seit seiner Einrichtung. Denn: Das Grundstück, auf dem die Deponie und das Materiallager steht, liegt in der Landwirtschaftszone. Und: Eine Baubewilligung für das Lager gab es nie. komisches Rechtsverständnis Trotz der klaren Rechtslage versucht das Bauunternehmen Imwinkelried und Hallebarter AG den Obergestler Schandfleck durch alle Instanzen durchzuboxen. Und scheitert dabei jämmerlich vor jedem Richter. Das letzte Wort sprach das Bundesgericht erst kürzlich – am 7. April veröffentlichte es sein Urteil. Es lehnte die Beschwerde der Bauunternehmung gegen die Verfügung der Baupolizei ab. Die Prozessstrategie, welche CVPO-Fraktionschef Beat Rieder fuhr, und die Argumente, welche er für seine Mandanten ins Feld führte, offenbaren vor allem eins: das quere Rechtsverständnis des C-Fraktionschefs im Grossen Rat. In seiner Beschwerde an den Staatsrat gegen den Entscheid der Baupolizei beruft sich Rieder für seine Mandanten vor allem aufs Gewohnheitsrecht. Aus dem Urteil des Bundesgerichts, welches der «<strong>Rote</strong>n <strong>Anneliese</strong>» vorliegt, geht hervor, dass die Betreiber der Obergommer Deponie Aussagen über den schon lange bestehenden Zustand als Materiallager geltend machen. Dazu reichte Anwalt Rieder einen Brief des früheren Eigentümers bei, worin dieser bestätigt, den Boden bereits seit 1963 «als Materiallagerplatz vermietet und anschliessend verkauft» zu haben. Darüber hinaus legt Rieder seiner Beschwerde Schreiben der Gemeindeverwaltung und von zwei früheren Gemeindepräsidenten bei. Darin bestätigen diese, dass der Schandfleck von Obergesteln bereits seit 30 Jahren besteht – was es natürlich nicht besser macht, wie das Bundesgericht in seinen Erwägungen festhält: Die Vorinstanz habe dargelegt, dass die Baufirma die Deponie während Jahren ohne Bewilligung betrieben habe. Zudem sei die Firma im Bauwesen tätig – es sei den Beschwerdeführern deshalb klar gewesen, dass für die Deponie eine Bewilligung erforderlich gewesen sei, schreiben die Lausanner Richter in ihrer Urteilsbegründung. Aus dem Urteil geht auch hervor, wie frech die illegalen Deponiebetreiber mit Beat Rieder als juristischen Beistand argumentieren: «Bis heute ist keine Beeinträchtigung der Umwelt entstanden» – es habe keine einzige Reklamation von Seiten der Gemeindebehörden, von Umweltverbänden oder von Nachbarn gegeben. Drei Monate zur Räumung Alles festhalten an der Vergangenheit, brachte Rieder und den Beschwerdeführern von der Imwinkelried und Hallenbarter AG nichts. Aufgrund der Grösse der Deponie ging schon das Kantonsgericht von «einer bedeutenden Abweichung des Zulässigen» aus. Die Deponie verstosse gegen den Grundsatz der Trennung des Baugebiets vom Nichtbaugebiet, heisst es im Urteil der Sittener Richter vom Herbst 2010. Und weiter: Die Baufirma sei «ausschliesslich aus finanziellen Gründen» gegen die Wiederherstellung. Man wolle den Aufwand für einen rechtmässigen Deponieplatz und einen Transport dorthin vermeiden. Sprich: Das Bauunternehmen sparte in den letzten Jahren mit der illegalen Deponie vor allem eins: Geld. beat Rieder: Der Anwalt und CVPO-Fraktionschef setzte sich mächtig für eine illegale Deponie ein. Mitprofitiert hat Advokat Beat Rieder, der mit seinem aussichtslosen Weiterzug des Verfahrens seinen Ruf als Berufsmann nicht gerade verbessert hat – dafür aber eins verdient hat: Geld. Das Bauunternehmen muss nun die Verfügung der kantonalen Baupolizei vom 12. August 2009 umsetzen. Es muss nach dem Urteil des Bundesgerichts innert drei Monaten den rechtmässigen Zustand wiederherstellen. Sämtliche Materialien, Maschinen und Container müssen entfernt werden und die Pflanzendecke ist wiederherzustellen. Ausserdem sind die Grundstücke wieder ihrem landwirtschaftlichen Nutzen zuzuführen sowie das Gelände wieder so herzurichten, dass es einem natürlichen Geländeverlauf entspricht. Gemäss Urteil des Bundesgerichts bleibt dafür drei Monate nach dem Urteil Zeit – also bis am 7. Juli. Der Präsident der Kantonalen Baukommission (KBK), Anton Ruppen, kennt zwar den Fall der Obergommer Deponie – das Urteil des Bundesgerichts war ihm aber noch nicht bekannt. Die KBK werde wohl an einer ihrer nächsten Sitzungen über die Umsetzung des Urteils aus Lausanne beraten, sagte Ruppen. Das Urteil in voller Länge: www.roteanneliese.ch