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Wenn beim Selbstbedienungstanken das ... - Ja-Aktuell

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RECHTSPRECHUNG STRAFRECHT · BESONDERER TEIL<br />

d.h. hier: auf den Moment des Unterlassens trotz Handlungserfordernisses<br />

– an. In diesem aber hatte A nach den Feststellungen<br />

offenbar Vorsatz sowohl hinsichtlich der Möglichkeit des Todeseintritts<br />

als auch hinsichtlich der Gemeingefahr. Dass der Vorsatz<br />

darüber hinaus auch bereits im Moment des gefahrschaffenden<br />

Vorverhaltens vorliegen müsste, wird auch sonst bei der<br />

Ingerenz nicht gefordert, da »pflichtwidrig« keinesfalls »vorsätzlich«<br />

bedeutet. Deshalb hätte vorliegend durchaus einiges dafür<br />

RECHTSPRECHUNG STRAFRECHT · BESONDERER TEIL<br />

<strong>Wenn</strong> <strong>beim</strong> <strong>Selbstbedienungstanken</strong> <strong>das</strong> Kassenpersonal unaufmerksam ist …<br />

§ 242, 246, 263, 265a StGB: Strafbarkeit <strong>beim</strong> <strong>Selbstbedienungstanken</strong><br />

BGH, Beschlüsse vom 28.07.2009 – 4 StR 254/09 (LG Essen)<br />

und 4 StR 255/09 (LG Essen)<br />

Beim <strong>Selbstbedienungstanken</strong> setzt ein vollendeter Betrug voraus,<br />

<strong>das</strong>s der Täter durch (konkludentes) Vortäuschen der<br />

Zahlungsbereitschaft bei dem Kassenpersonal einen entsprechenden<br />

Irrtum hervorruft, der anschließend zu der schädigenden<br />

Vermögensverfügung (Einverständnis mit dem Tankvorgang)<br />

führt. An der erforderlichen Irrtumserregung fehlt<br />

es, wenn <strong>das</strong> Betanken des Fahrzeugs vom Kassenpersonal<br />

überhaupt nicht bemerkt wird. Ist dies der Fall, liegt jedoch<br />

regelmäßig ein Betrugsversuch vor (Leitsatz des Verfassers)<br />

A. SACHVERHALT (VERKÜRZT)<br />

A betankt seinen Pkw an einer Tankstelle mit Kraftstoff im Wert<br />

von über 100 A. 1 Anschließend fährt er – wie von vornherein<br />

geplant – ohne <strong>beim</strong> Kassenpersonal zu zahlen davon. Das Betanken<br />

des Fahrzeugs hat <strong>das</strong> Kassenpersonal nicht bemerkt. 2<br />

B. PROBLEM<br />

Schon seit vielen <strong>Ja</strong>hren beschäftigen sich Rechtsprechung und<br />

Literatur mit der strafrechtlichen Seite des Nichtbezahlens nach<br />

<strong>Selbstbedienungstanken</strong>. Die sich in diesem Zusammenhang stellenden<br />

Rechtsfragen zählen daher auch zum Prüfungsstandardrepertoire.<br />

3 Vier Tatbestände stehen im Raum: Diebstahl, Betrug,<br />

Unterschlagung und Automatenmissbrauch. Bei der Lösung ist<br />

zu unterscheiden, welche Fallkonstellation vorliegt, nämlich ob<br />

der Täter von vornherein nicht bezahlen wollte oder sich erst<br />

nach dem Tanken dazu entschließt, ohne zu bezahlen davonzufahren.<br />

4<br />

1. Diebstahl: Weil es für die Sacheigenschaft als körperlicher<br />

Gegenstand auf den Aggregatzustand (fest, flüssig, gasförmig)<br />

nicht ankommt, handelt es sich bei dem gezapften Kraftstoff<br />

um eine bewegliche Sache. Der Treibstoff ist auch fremd<br />

i.S.d. § 242 StGB 5 – unabhängig, welche der beiden Fallkonstellationen<br />

vorliegt. 6 Denn für die Frage der Tatobjektsqualität<br />

kommt es allein auf den Zustand unmittelbar vor der Tathandlung<br />

(Wegnahme) bzw. unabhängig von der Tathandlung<br />

an. 7<br />

Unnötige Schwierigkeiten entstehen nur dann, wenn die Frage<br />

nach dem tauglichen Tatobjekt unzutreffend mit der auf dieses<br />

Tatobjekt bezogenen Tathandlung (Wegnahme) verknüpft wird.<br />

Nochmals: Wer zunächst <strong>das</strong> taugliche Tatobjekt festlegt und erst<br />

danach die Wegnahme prüft, geht in zutreffender Weise vor. 8 In<br />

unnötige Schwierigkeiten mit der Tatobjektstauglichkeit gerät<br />

gesprochen, die Verwendung eines gemeingefährlichen Mittels<br />

durch Unterlassen zu bejahen, da nicht in einer ohnehin existierenden<br />

gemeingefährlichen Situation die Obhutspflicht des Garanten<br />

vernachlässigt, sondern <strong>das</strong> Entstehen der konkret gemeingefährlichen<br />

Situation in garantenpflichtwidriger Weise<br />

nicht verhindert worden ist.<br />

Professor Dr. Hans Kudlich, Universität Erlangen-Nürnberg<br />

nur derjenige, der für die Wegnahme auf <strong>das</strong> Betanken 9 oder gar<br />

erst auf <strong>das</strong> Wegfahren abstellt.<br />

Es fehlt jedoch (in beiden Fallkonstellationen) an der Wegnahme<br />

als Bruch fremden und Begründung neuen (nicht notwendig<br />

tätereigenen) Gewahrsam. Fremder Gewahrsam wird<br />

gebrochen, wenn die Sachherrschaft des bisherigen Gewahrsamsinhabers<br />

ohne dessen Willen aufgehoben wird. Das<br />

Einverständnis des Gewahrsamsinhabers schließt einen Gewahrsamsbruch<br />

aus. Weil die <strong>beim</strong> <strong>Selbstbedienungstanken</strong> stattfindende<br />

Gewahrsamsverschiebung vom Kassenpersonal gedeckt<br />

ist – gleich ob der Kunde von vornherein über seine Zahlungsbereitschaft<br />

täuscht oder sich erst im Nachhinein entschließt,<br />

nicht zu bezahlen –, fehlt es aufgrund des Einverständnisses<br />

in den Gewahrsamsverlust an der Wegnahme. Die Täuschung<br />

darüber, nach dem Tanken nicht bezahlen zu wollen, beseitigt<br />

die Wirksamkeit des Einverständnisses nicht. Der Gewahrsamswechsel<br />

ist ein faktischer Vorgang, den <strong>das</strong> Kassenpersonal als<br />

den allein maßgeblichen Akt des Gewahrsamsverlusts zutreffend<br />

erfasst. 10<br />

2. Betrug: In Fällen des <strong>Selbstbedienungstanken</strong>s setzt ein vollendeter<br />

Betrug im Rahmen der ersten Fallkonstellation voraus, <strong>das</strong>s<br />

1 Dieser Betrag wird im Sachverhalt nur deshalb genannt, damit es auf mögliche Strafanträge<br />

nicht ankommt; vgl. §§ 248a, 263 IV StGB.<br />

2 Sachverhalt des Verfahrens mit dem Az. 4 StR 254/09; der Beschluss mit dem Az. 4<br />

StR 255/09 enthält keinen Sachverhalt, aus den Urteilsgründen ergibt sich jedoch ein<br />

entsprechender Sachverhalt.<br />

3 Vgl. die Klausur von Radtke/Meyer JA 2009, 702 sowie die Zusammenfassung bei Kudlich<br />

Prüfe dein Wissen. Strafrecht Besonderer Teil I, 2. Aufl., Fall 72; Lange/Trost JuS<br />

2003, 961; Wessels/Hillenkamp Strafrecht Besonderer Teil 2, 31. Aufl., 2008, Rn. 184.<br />

4 Diese Fallkonstellation liegt der Klausur von Radtke/Meyer JA 2009, 702 zugrunde.<br />

5 Immer wieder liest man selbst in Examensklausuren die unzureichende Definition für<br />

»fremd« als eine Sache, die dem Täter nicht gehört. Nicht fremd sind aber auch herrenlose<br />

und eigentumsunfähige Sachen. Richtig lautet die Definition: Fremd ist eine Sache<br />

für den Täter, wenn sie im Eigentum eines anderen Rechtssubjekts steht.<br />

6 Anders verhält es sich bei § 246 StGB, wenn sich der Täter erst nach dem Tanken dazu<br />

entschließt, ohne zu bezahlen davonzufahren (dazu im Folgenden bei »Unterschlagung«).<br />

7 Streng JuS 2002, 454 m.w.N.<br />

8 Während für den Tatvorsatz der zeitliche Anknüpfungspunkt für die Subsumtion geklärt<br />

ist, indem für den Vorsatz der dolus antecedens wie der dolus subsequenz nicht<br />

genügen, ist die Frage nach dem Anknüpfungszeitpunkt für die Feststellung des tauglichen<br />

Tatobjekts erst von Streng JuS 2002, 454 untersucht worden. Mit Blick auf mögliche<br />

täterproduzierte Veränderungen am Tatobjekt kommt es i.S.d. Präzedensprinzips<br />

auf die Tatobjektstauglichkeit vor einer auf dieses Tatobjekt bezogenen Tathandlung<br />

an; Streng JuS 2002, 454 (455, 456).<br />

9 Wer als mögliche Tathandlung <strong>das</strong> Betanken ansieht, problematisiert damit fälschlich<br />

einen möglichen Eigentumsübergang <strong>beim</strong> Tankvorgang. Tatsächlich wird in der Ausbildungsliteratur<br />

zwischen den denkbaren Tathandlungen nicht stets eindeutig differenziert<br />

und die Frage nach dem Eigentumsübergang unabhängig von der exakten Festlegung<br />

der Tathandlung diskutiert; so etwa von Schramm JuS 2008, 678 (680 f.).<br />

10 Schramm JuS 2008, 678 (681).<br />

12/2009 903<br />

RECHTSPRECHUNG


RECHTSPRECHUNG<br />

RECHTSPRECHUNG STRAFRECHT · BESONDERER TEIL<br />

der Täter durch (konkludentes) Vortäuschen von Zahlungsbereitschaft<br />

bei dem Kassenpersonal einen entsprechenden Irrtum hervorruft,<br />

der anschließend zu der schädigenden Vermögensverfügung<br />

(Einverständnis mit dem Tankvorgang) führt. Wird der<br />

Tankvorgang nicht wahrgenommen, z.B. weil <strong>das</strong> Kassenpersonal<br />

sogar gezielt abgelenkt wurde, 11 kommt nur eine Strafbarkeit wegen<br />

versuchten Betrugs in Betracht. – Wurde <strong>das</strong> Benzin betrügerisch<br />

erlangt, scheidet § 246 StGB aufgrund der Subsidiaritätsklausel<br />

aus.<br />

Eine Strafbarkeit wegen Betrugs scheidet allerdings aus, wenn<br />

der Täter <strong>beim</strong> Tanken noch zahlungswillig ist; denn dann fehlt<br />

es objektiv an der Täuschung und der Täter will auch nicht täuschen<br />

(also auch kein versuchter Betrug).<br />

3. Unterschlagung: Fasst der Täter erst nach dem Tanken den<br />

Entschluss, nicht zu bezahlen, dann kommt es für die Frage einer<br />

Strafbarkeit wegen Unterschlagung auf den Zeitpunkt des Eigentumsübergangs<br />

am Benzin sein könnte.<br />

(1) Ein Erwerb zu Alleineigentum kraft Gesetzes durch Vermischung<br />

mit dem im Tank befindlichen restlichen Kraftstoff nach<br />

§ 948 I 1. Alt. i.V.m. § 947 II BGB setzt voraus, <strong>das</strong>s mehr<br />

Kraftstoff getankt wird als sich noch im Tank befindet. 12 Andernfalls<br />

kommt es zum Erwerb von Miteigentum; dann aber ist<br />

der Kraftstoff noch ein taugliches Tatobjekt.<br />

(2) Umstritten ist, ob es auch durch Übereignung nach<br />

§§ 929 ff. BGB zum Erwerb von Alleineigentum am getankten<br />

Benzin gekommen sein könnte.<br />

(a) Nach einer Mindermeinung vollziehen sich schuldrechtlicher<br />

Kaufvertrag wie dingliche Einigung bereits an der Zapfsäule, weil<br />

sich beide Vorgänge in der Praxis des <strong>Selbstbedienungstanken</strong>s<br />

nicht voneinander trennen ließen. Diese Annahme führt zu dem<br />

Ergebnis, <strong>das</strong>s jedenfalls nach dem ordnungsgemäßen Tanken ein<br />

Eigentumsdelikt ausscheidet. 13 Diese Ansicht übersieht jedoch,<br />

<strong>das</strong>s eine dingliche Einigung zwischen Veräußerer und Erwerber<br />

nur dann wirksam ist, wenn sie dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz<br />

entspricht. 14 Dieser ist nur dann gewahrt,<br />

wenn im Zeitpunkt des Eigentumsübergangs des Kraftstoffs für<br />

einen objektiven Dritten anhand äußerer Abgrenzungskriterien<br />

eindeutig erkennbar ist, wie viel und welche Art des Kraftstoffs<br />

von der Übereignung erfasst werden soll. Während des Tankvorgangs<br />

hat jedoch <strong>das</strong> Tankstellenpersonal weder von der Menge<br />

noch von der Art des abgezapften Benzins in aller Regel Kenntnis.<br />

15<br />

(b) Teilweise wird von einem stillschweigenden Eigentumsvorbehalt<br />

an dem gezapften Benzin bis zur Zahlung des Kaufpreises<br />

ausgegangen. 16 Damit wäre <strong>das</strong> Benzin taugliches Objekt. Hiergegen<br />

spricht jedoch, <strong>das</strong>s es in der Regel an Selbstbedienungstankstellen<br />

an Hinweisen auf einen bedingten Eigentumsübergang<br />

nicht nur fehlt, sondern <strong>das</strong>s dieser auch akzeptiert wird. 17<br />

(c) Vorzugswürdig sieht die h.M. 18 einen Eigentumserwerb bereits<br />

<strong>beim</strong> Betanken in Parallele zum Kauf in Selbstbedienungsgeschäften.<br />

Die Übereignung des Kraftstoffs nach § 929 S. 1 BGB<br />

erfolgt erst <strong>beim</strong> Bezahlen an der Kasse. Wie im Aufstellen der<br />

Ware im Regal liegt in der Freigabe der Zapfsäule eine unverbindliche<br />

invitatio ad offerendum (und kein bindendes Vertragsangebot<br />

an incertam personam). Das Eigentumsübertragungsangebot<br />

gibt der Tankstellenkunde entsprechend der in § 929 S 2<br />

BGB gegebenen Regelung erst an der Kasse Zug-um-Zug gegen<br />

Zahlung des Kaufpreises ab. Demnach erhält der Tankstellenkunde<br />

<strong>beim</strong> Einfüllen des Benzins mit Einverständnis des Kassenpersonals<br />

lediglich den Besitz am Benzin. 19<br />

4. Automatenmissbrauch: Eine Strafbarkeit nach § 265a<br />

Abs. 1 1. Alt. StGB setzt voraus, <strong>das</strong>s es sich bei der Tankan-<br />

904<br />

12/2009<br />

lage um einen Automaten im tatbestandlichen Sinn handelt.<br />

Trotz des weitergehenden Gesetzeswortlauts erfasst dieser nach<br />

überwiegender Ansicht nur Leistungsautomaten, aber nicht Warenautomaten,<br />

bei denen <strong>das</strong> Entgelt allein für die Sache selbst,<br />

nicht aber für eine »Leistung des Automaten« entrichtet wird. 20<br />

Bei der Tankanlage handelt es sich um einen Warenautomaten,<br />

so <strong>das</strong>s eine Strafbarkeit nach § 265a 1. Alt. StGB ausscheidet.<br />

21<br />

C. LÖSUNG DES BGH<br />

In beiden Entscheidungen befasst sich der BGH mit der Strafbarkeit<br />

wegen Betrugs <strong>beim</strong> <strong>Selbstbedienungstanken</strong>.<br />

I. Wieder einmal erfolgt der Hinweis darauf, <strong>das</strong>s es an der für<br />

einen vollendeten Betrug erforderlichen Irrtumserregung fehlt,<br />

wenn <strong>das</strong> Betanken des Fahrzeugs vom Kassenpersonal überhaupt<br />

nicht bemerkt wird. 22 Zwar werden unter den heutigen Verhältnissen<br />

(Videoüberwachung Kontrollpulte im Kassenraum etc.)<br />

die Tankvorgänge vielfach wahrgenommen.<br />

»Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, <strong>das</strong>s einzelne<br />

Tankvorgänge vom Kassenpersonal nicht bemerkt werden, insbesondere<br />

bei weitläufigen Tankstellen mit zahlreichen Zapfsäulen,<br />

bei großem Kundenandrang oder bei Inanspruchnahme durch<br />

Kassier- oder sonstige Verkaufstätigkeiten.« 23<br />

Ist es allerdings zu einer Irrtumserregung gekommen, liegt im<br />

Dulden des Tankens die für einen Betrug erforderliche Vermögensverfügung<br />

des Kassenpersonals. 24<br />

II. Fehlt es an der erforderlichen Irrtumserregung, liegt regelmäßig<br />

ein Betrugsversuch vor. 25<br />

D. BEWERTUNG<br />

I. Die Rechtsprechung des BGH zur Frage des Betrugs <strong>beim</strong><br />

<strong>Selbstbedienungstanken</strong> entspricht allgemeiner Meinung. Noch<br />

nicht höchstrichterlich entschieden ist bei der Unterschlagung,<br />

zu welchem Zeitpunkt es zu einem Eigentumserwerb durch<br />

Übereignung kommt.<br />

II. Zusammenfassung:<br />

1. Der Täter wollte von vornherein nicht zahlen: Diebstahl scheidet<br />

aufgrund des Einverständnisses des Kassenpersonals in den<br />

Gewahrsamswechsel aus (keine Wegnahme). Ob eine Strafbarkeit<br />

wegen (versuchten) Betrugs gegeben ist, richtet sich danach, ob<br />

11 So in einem der beiden Fälle, die dem Beschluss des BGH vom 28.07.2009 – 4 StR<br />

254/09 – zugrunde lagen.<br />

12 Palandt/Bassenge BGB, 68. Aufl., 2009, § 947 Rn. 4.<br />

13 OLG Düsseldorf NStZ 1982, 489; Herzberg JA 1980, 385 (391 f.); ders. JR 1982, 344;<br />

ders. NStZ 1983, 251 (252); ders. NJW 1984, 896; ders. JR 1985, 209.<br />

14 Palandt/Bassenge (Fn. 12) § 929 Rn. 6.<br />

15 Borchert/Hellmann NJW 1983, 2799 (28902); Radtke/Meyer JA 2009, 702 (703).<br />

16 OLG Hamm NStZ 1983, 266.<br />

17 Borchert/Hellmann NJW 1983, 2799 (2802 f.); Ranft JA 1984, 1 (4); Otto JK StGB<br />

§ 263/18; vgl. aber den Fall 6 bei Schramm JuS 2008, 678 (680).<br />

18 Borchert/Hellmann NJW 1983, 2799 (2802 f.); Charalambakis MDR 1985, 976 (978);<br />

Deutscher JA 1983, 125 (126 f.); Otto JZ 1985, 21; Radtke/Meyer JA 2009, 702 (704);<br />

Ranft JA 1984, 1 (4 f.).<br />

19 Fasst der Täter erst nach dem Tanken den Entschluss, den Kaufpreis nicht zu entrichten,<br />

begeht er mit dem Wegfahren eine Unterschlagung, indem er eine in seinem Gewahrsam<br />

befindliche fremde bewegliche Sache sich rechtswidrig zueignet.<br />

20 Radtke/Meyer JA 2009, 702 (703).<br />

21 Radtke/Meyer (Fn. 20).<br />

22 Vgl. auch OLG Köln NJW 2002, 1059 = JuS 2002, 618 (Martin).<br />

23 So der BGH in beiden Beschlüssen.<br />

24 BGH NJW 1983, 2827 mit Anm. F.-C. Schroeder JuS 1984, 864.<br />

25 Vgl. auch BGH NJW 1983, 2827 mit Anm. Gauf/Deutscher NStZ 1983, 505; OLG<br />

Köln NJW 2002, 1059.


RECHTSPRECHUNG STRAFRECHT · BESONDERER TEIL<br />

es zu einer entsprechenden Irrtumserregung gekommen ist oder<br />

kommen sollte. Scheidet ein Betrug aus, könnte eine Strafbarkeit<br />

wegen Unterschlagung gegeben sein. Diese richtet sich danach,<br />

ob ein Eigentumserwerb durch Vermischung oder durch Übereignung<br />

erfolgt ist. Automatenmissbrauch scheidet aus, weil die<br />

Tankanlage kein Leistungsautomat ist.<br />

2. Der Täter entschließt sich erst nach dem Tanken, ohne zu<br />

bezahlen davonzufahren: Kein Diebstahl (wie oben), kein Betrug<br />

(keine Täuschung), kein Automatenmissbrauch (wie oben), aber<br />

RECHTSPRECHUNG STRAFRECHT · BESONDERER TEIL<br />

Grenzen der Regelwirkung bei Öffnung eines verschlossenen Behältnisses<br />

§§ 242, 243 I 2 Nr. 2 StGB<br />

OLG Karlsruhe (1. Strafsenat), Urteil vom 22.07.2009 –1Ss<br />

177/08<br />

1. Ein verschlossenes Behältnis ist gegen Wegnahme auch<br />

dann besonders gesichert, wenn der Täter dieses mit dem zuvor<br />

aufgefundenen Schlüssel öffnet.<br />

2. Bei der Strafzumessung muss nicht berücksichtigt werden,<br />

<strong>das</strong>s die von einem deutschen Staatsangehörigen im Ausland<br />

begangene Straftat dort mit einem geringeren Strafrahmen<br />

strafbewehrt ist. (Leitsätze des Gerichts)<br />

A. SACHVERHALT<br />

Der Angeklagte A ist deutscher Staatsbürger und hat mehrere<br />

Einbruchsdiebstähle in der Schweiz durchgeführt. A hat jeweils<br />

die Fenster von Büroräumen oder Geschäftslokalen aufgewuchtet<br />

und ist dann durch die Fenster in die Gebäude eingedrungen. In<br />

einem der Fälle stand die Ladenkasse, aus welcher A 600 SFR<br />

entnahm, bereits offen. In einem weiteren Fall drang A in die<br />

Geschäftsräume einer Schweizer Firma ein. Er fand dort einen<br />

offen verwahrten Schlüssel für den firmeneigenen Tresor, öffnete<br />

den Tresor und entnahm diesem Bargeld im Gesamtwert von<br />

mehr als 4.000 SFR. A wurde wegen der begangenen Taten in<br />

Deutschland unter Anwendung des Strafrahmens von § 243<br />

StGB verurteilt.<br />

B. PROBLEM<br />

Die Entscheidung des OLG berührt Aspekte der sog. Regelbeispielsmethode<br />

und gibt vor allem Anlass dazu, sich über die<br />

Grenzen der Regel- aber auch Analogiewirkung der genannten<br />

Beispielsfälle Gedanken zu machen. Nach weitaus überwiegend<br />

vertretener Auffassung ist § 243 als Strafzumessungsregel ausgestaltet<br />

und enthält damit weder eine zwingende noch eine abschließende<br />

Aufzählung möglicher Erschwerungsgründe. 1 Obwohl<br />

die Verwirklichung eines Regelbeispiels infolgedessen<br />

lediglich <strong>das</strong> Vorliegen eines besonders schweren Falls indiziert,<br />

werden sie doch weitgehend wie Tatbestandsmerkmale ausgelegt<br />

und angewendet. Bei erfolgreicher Subsumtion des Sachverhalts<br />

unter eines der Regelbeispiele wird grundsätzlich der Eintritt der<br />

Regelwirkung bejaht. Die weit überwiegend vertretene Auffassung<br />

geht lediglich davon aus, <strong>das</strong>s der Richter in einem zweiten<br />

Schritt zu überprüfen habe, ob nicht besondere Umstände innerhalb<br />

des Tatgeschehens oder in der Person des Täters vorliegen,<br />

die den Unrechts- oder Schuldgehalt mindern. Da die Nrn. 1 bis<br />

7 jeweils nur »in der Regel« einen besonders schweren Diebstahl<br />

es könnte eine Strafbarkeit wegen Unterschlagung gegeben sein,<br />

je nachdem wie die Frage nach dem Eigentumserwerb beantwortet<br />

wird.<br />

III. Wie jeder sieht, ist alles doch nicht so ganz leicht, sondern<br />

muss in Ruhe einmal durchdacht werden, damit später in der<br />

Prüfung gepunktet werden kann.<br />

Professor Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, VRiOLG,<br />

VRiBayObLG a.D., München/Regensburg<br />

begründen, sei im Einzelfall eine Widerlegung der Indizwirkung<br />

möglich. Vorausgesetzt werden hierfür außergewöhnliche Umstände,<br />

die bei Gesamtabwägung aller be- und entlastenden Gesichtspunkte<br />

dazu führen, <strong>das</strong>s sich der in Frage stehende Einzelfall<br />

nach Unrecht- oder Schuld deutlich vom Normalfall des<br />

Regelbeispiels abhebt. 2<br />

Bereits die Zulässigkeit dieser vom Richter näher zu begründenden<br />

Abweichung von der Regel wird mit bedenkenswerten<br />

Argumenten angezweifelt 3 und es sollte darüber nachgedacht<br />

werden, ob nicht eine engere Anbindung an den Schutzzweck<br />

des jeweils betroffenen Regelbeispiels erfolgen muss.<br />

Die h.M. geht hingegen davon aus, <strong>das</strong>s der Richter auch<br />

sonstige, d.h. nicht mit dem Regelungszweck in Zusammenhang<br />

stehende Umstände berücksichtigen kann, die allgemein zu Privilegierungen<br />

oder minderschweren Fällen führen können. Sie<br />

kann aber dem »Normalfall« oder der »Gesamtwürdigung« keine<br />

hinreichend festen Konturen verleihen. 4 Noch problematischer<br />

sind allerdings die unbenannten oder sonstigen besonders schweren<br />

Fälle, bei denen auch bei Nichtvorliegen eines Regelmerkmals<br />

eine Strafschärfung in Frage kommen soll, wenn sich die Tat auf<br />

Grund einer Gesamtbewertung nach ihrem Gewicht von Unrecht<br />

und Schuld deutlich vom Normalfall des einfachen Diebstahls<br />

abhebt. Hier liegt die Gefahr besonders nahe, <strong>das</strong>s die Rechtsprechung<br />

den durch Schutzzweckerwägungen eng begrenzten Rahmen<br />

analoger Bildung schwerer Fälle verlässt. <strong>Wenn</strong> beispielsweise<br />

ein unbenannter besonders schwerer Fall bei einem<br />

Diebstahl von Sachen mit hohem Wert 5 oder in Fällen, in denen<br />

ein hoher Schaden angerichtet wird, 6 in Betracht kommen soll,<br />

dann weisen diese Fallkonstellationen entgegen der h.M. keine<br />

hinreichend enge Ähnlichkeit zu den gesetzlich geregelten Leitbildern<br />

auf. Sie können deshalb keine Analogiewirkung rechtfertigen.<br />

7<br />

Orientiert sich der Richter hingegen eng am gesetzlich vorgegebenen<br />

Leitbild des jeweiligen Regelbeispiels, sind diese – im Gegensatz<br />

zu den starren Strafrahmen von Qualifikationen – durchaus<br />

geeignet, nicht nur für Einzelfallgerechtigkeit sondern auch für<br />

1 BGHSt 23, 254; BGH NJW 2002, 150; a.A. Eisele JA 2006, 311 f.; Zieschang Jura<br />

1999, 563.<br />

2 BGHSt 23, 257; 24, 249; BGH NStZ 2003, 297; Fischer StGB, 56. Aufl. 2009, § 46<br />

Rn. 90 ff.; Wessels/Hillenkamp Strafrecht BT II, 31. Aufl. 2008, Rn. 198 f.<br />

3 Eisele JA 2006, 310 f.; Kutzner StV 2002, 278 f.<br />

4 Krit. auch Otto JZ 1985, 24; MüKo-StGB/Schmitz 2005, § 243 StGB Rn. 5.<br />

5 BGHSt 29, 322.<br />

6 Fischer (Fn. 2) § 243 Rn. 23.<br />

7 Vgl. demnächst Schönke/Schröder/Eser/Bosch StGB, 28. Aufl. 2010, § 243 Rn. 42a.<br />

12/2009 905<br />

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