29.01.2013 Aufrufe

HANDWERK IM BLICKPUNKT - Werbetechnik.de

HANDWERK IM BLICKPUNKT - Werbetechnik.de

HANDWERK IM BLICKPUNKT - Werbetechnik.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>HANDWERK</strong> <strong>IM</strong> <strong>BLICKPUNKT</strong><br />

FRÜHER WURDEN SCHILDER GESTUPFT,<br />

HEUTE IST DIE <strong>HANDWERK</strong>STECHNIK IN<br />

DER WERBETECHNIK FAST AUSGESTORBEN<br />

Die Stupftechnik gehört mit zu<br />

<strong>de</strong>n ältesten Handwerkstechniken<br />

unserer Zeit. Es lässt sich heute<br />

nicht mehr feststellen, wer diese<br />

Technik zu welcher Zeit erfun<strong>de</strong>n<br />

hatte. Sicher ist jedoch, dass<br />

sie im direkten Zusammenhang<br />

mit <strong>de</strong>r Erfindung von Pinsel und<br />

Bürste bzw. <strong>de</strong>ren einfacheren<br />

Vorläufern steht. Noch heute fin<strong>de</strong>t<br />

das Stupfen – aktueller <strong>de</strong>nn<br />

je – im Bereich <strong>de</strong>r Farbgestaltung<br />

seine Anwendung, beim<br />

Schablonieren von Wand<strong>de</strong>koren.<br />

Es ist eine Technik, die immer die<br />

Gleichmäßigkeit <strong>de</strong>s Farbauftrags<br />

zum Ziel hat und nach wie vor<br />

fest im Malerhandwerk verwurzelt<br />

ist. Damit verfolgt sie das<br />

genaue Gegenteil einer an<strong>de</strong>ren<br />

Pinseltechnik, <strong>de</strong>s Maserierens.<br />

Diese Technik nutzt im Gegenteil<br />

die Haarform und Haarart <strong>de</strong>s<br />

Pinsels, um durch einen lasieren<strong>de</strong>n<br />

Auftrag Holzä<strong>de</strong>rungen herauszuarbeiten.<br />

– Zum Teil wer<strong>de</strong>n<br />

noch heute frisch gestrichene<br />

Flächen abgestupft, um Pinselstriche<br />

o<strong>de</strong>r ungleichmäßige<br />

Farbaufträge auszugleichen o<strong>de</strong>r<br />

zu kaschieren. Der größte Bereich<br />

<strong>de</strong>r Anwendung lag und<br />

liegt wie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>korativen<br />

Flächengestaltung, wenn Verläufe,<br />

Strukturen o<strong>de</strong>r Dekore gestupft<br />

wer<strong>de</strong>n sollen.<br />

Im Detail ist die<br />

Stupfbürste für<br />

große Flächen<br />

Stupfstruktur in <strong>de</strong>r weiß<br />

hinterlegten Grundfläche<br />

zu erkennen<br />

STUPFEN STATT<br />

STREICHEN<br />

Die Blütezeit <strong>de</strong>s Stupfens im ursprünglichen<br />

Schil<strong>de</strong>r- und Lichtreklameherstellerhandwerkbegann<br />

Anfang <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts.<br />

Damals wur<strong>de</strong>n immer<br />

mehr Werbeanlagen – Reklamen<br />

sagte man zu dieser Zeit –<br />

durch- bzw. hinterleuchtet. Da es<br />

vor einhun<strong>de</strong>rt Jahren noch kein<br />

Acrylglas gab, war das Glas das<br />

Material <strong>de</strong>r Stun<strong>de</strong> und sollte es<br />

auch noch für viele Jahrzehnte<br />

bleiben. Die einzige Farbe, die auf<br />

diesem Material langen Halt garantierte,<br />

war bis zuletzt die Ölfarbe.<br />

Der Schil<strong>de</strong>rmaler dieser<br />

Zeit merkte schnell, dass die Anfor<strong>de</strong>rungen<br />

an die Applikationstechnik<br />

einer Hinterglasbeschrif-<br />

Eine <strong>de</strong>r wenigen<br />

erhaltenen<br />

Stupfschriften<br />

tung mit und ohne Hinterleuchtung<br />

weit auseinan<strong>de</strong>r gingen.<br />

Denn es zeigte sich, dass sich die<br />

Beschriftungen mit aufgestrichener<br />

Ölfarbe aufgrund <strong>de</strong>s ungleichmäßigen<br />

Farbauftrags schlecht<br />

zum Durchleuchten eigneten.<br />

Der Strich war sichtbar. Anstelle<br />

<strong>de</strong>s Streichens setzte sich die<br />

Stupf- o<strong>de</strong>r Tupftechnik durch.<br />

HÄMMERND<br />

AUF UND AB<br />

SIGNMAKING<br />

Die Stupftechnik gab <strong>de</strong>n Schil<strong>de</strong>rmalern<br />

die Möglichkeit, eine<br />

Farbe dünn und mit gleichmäßiger<br />

Transparenz auf Glas aufzutragen.Als<br />

Stupf- o<strong>de</strong>r Tupfträger<br />

dienten weich gefüllte Leinentuchbeutel,<br />

weiche kurzborstige<br />

Pinsel o<strong>de</strong>r Bürsten. Während<br />

man Pinsel und Leinenbeutel für<br />

kleine Arbeiten verwen<strong>de</strong>te, war<br />

die relativ große Bürste <strong>de</strong>n größeren<br />

Flächen vorbehalten. Die<br />

Stupfbürste sieht einem Quast<br />

zum Einkleistern von Tapeten<br />

vom Aufbau her sehr ähnlich. Sie<br />

hat jedoch kürzere Borsten und<br />

anstelle eines senkrecht eingesteckten<br />

Griffs eine Art flach angebrachten,<br />

an <strong>de</strong>r schmalen Seite<br />

überstehen<strong>de</strong>n Hebel.<br />

Die Technik funktioniert so: Entwe<strong>de</strong>r<br />

wur<strong>de</strong> mit einem langhaarigem<br />

Pinsel o<strong>de</strong>r einem Flächen-<br />

streicher vollflächig Farbe auf <strong>de</strong>n<br />

Untergrund aufgebracht und anschließend<br />

mit einem Tupf- bzw.<br />

Stupfträger gleichmäßig durch<br />

stetiges Stupfen verteilt. Eine an<strong>de</strong>re<br />

Möglichkeit war, die Farbe<br />

mittels <strong>de</strong>s Stupfträgers direkt<br />

aufzunehmen und anschließend<br />

80 WERBETECHNIK 1.2004


SIGNMAKING<br />

auf <strong>de</strong>r Glasscheibe durch gleichmäßiges<br />

Stupfen (Auftupfen) zu<br />

verteilen. Dabei vollzieht die<br />

Hand so lange eine hämmern<strong>de</strong><br />

Bewegung, bis die Farbe <strong>de</strong>ckt<br />

bzw. sich eine gleichmäßige transparente<br />

Fläche ergibt. Die Kunst<br />

besteht auch darin, keine Farbe<br />

unter die Schablone zu bringen.<br />

Wie gleichmäßig <strong>de</strong>r Farbauftrag<br />

einer großen Fläche gelang und<br />

wie lange das Stupfen einer Farbe<br />

dauerte, hing vom Farbton<br />

und <strong>de</strong>r Geschicklichkeit sowie<br />

<strong>de</strong>r Kraft und <strong>de</strong>r Ausdauer <strong>de</strong>s<br />

Stupfen<strong>de</strong>n ab.<br />

Bevor anschließend die nächste<br />

Farbe aufgebracht wer<strong>de</strong>n konnte,<br />

musste die Ölfarbe erst einmal<br />

klebefrei abtrocknen. Das<br />

dauerte je nach <strong>de</strong>n Verhältnissen<br />

zwischen zwei Tagen und<br />

einer Woche. Durch die Zugabe<br />

von Sikkativen (Trockenstoffen)<br />

versuchte man, das Trocknen zu<br />

beschleunigen. Die Gefahr dabei<br />

war: Gab <strong>de</strong>r Schil<strong>de</strong>rmaler zu<br />

viel Trockenstoffe hinzu, erreichte<br />

er das genaue Gegenteil, <strong>de</strong>nn<br />

die Trocknungszeit verlängerte<br />

sich. Wenn die Zeit drängte, die<br />

Trocknung fortgeschritten, doch<br />

die Oberfläche noch leicht klebte,<br />

behalfen sich die Schil<strong>de</strong>rmaler,<br />

in<strong>de</strong>m sie Talkum auf die<br />

Flächen pu<strong>de</strong>rten. Der Trick verhin<strong>de</strong>rte,<br />

dass sich die nächste<br />

Schablone mit <strong>de</strong>m Untergrund<br />

verklebte.<br />

PLOTTER BEENDET<br />

STUPFTECHNIK<br />

Als Mitte <strong>de</strong>r 1980er Jahre die<br />

ersten Schnei<strong>de</strong>plotter und Plotfolien<br />

aufkamen, läutete das computergesteuerte<br />

Arbeiten <strong>de</strong>n<br />

Anfang vom En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Hinter-<br />

1.2004 WERBETECHNIK<br />

glasbeschriftung mittels Stupftechnik<br />

und Ölfarbe ein. Der Zeitaufwand,<br />

in <strong>de</strong>nen eine Fensterbeschriftung<br />

erstellt wur<strong>de</strong>, verkürzte<br />

sich durch die neue Technik<br />

und <strong>de</strong>r Verwendung von Folien<br />

wesentlich. Räume, in <strong>de</strong>nen<br />

die Beschriftungen angebracht<br />

wur<strong>de</strong>n, waren wesentlich schneller<br />

wie<strong>de</strong>r nutzbar. Das Stupfen<br />

ist eine Technik, die in Gesellenund<br />

Meisterprüfungen gerne gesehen<br />

wird. Sie hat heutzutage in<br />

<strong>de</strong>r gefor<strong>de</strong>rten mo<strong>de</strong>rnen, rationellen<br />

Fertigung jedoch keinerlei<br />

Bestand mehr. Längst haben<br />

ihr Folientexte, geschnitten o<strong>de</strong>r<br />

digital bedruckt, <strong>de</strong>n Rang abgelaufen.<br />

Mit <strong>de</strong>m Rückgang <strong>de</strong>r Ölfarbenbeschriftungen<br />

sank <strong>de</strong>r Bedarf<br />

an <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n Produkten.<br />

Das führte dazu, dass weitgehend<br />

alle Anbieter von Siebdruckfarben<br />

diesen Farbtyp aus<br />

ihrem Lieferprogramm genommen<br />

haben. Einzig die Firmen<br />

Pröll und Printcolor bieten mit<br />

<strong>de</strong>r Norilit 100 (www.proell.<strong>de</strong>\<br />

download) und <strong>de</strong>r Serie 350<br />

(www.printcolor.ch/screen_ger<br />

m_prod_300.html) sogenannte<br />

Zwitterprodukte an, die oxidativ<br />

trocknen. Hierbei han<strong>de</strong>lt es sich<br />

allerdings nicht um Ölfarben altbekannter<br />

Art. Wer sich heute<br />

noch an <strong>de</strong>r Stupftechnik mit reinen<br />

Ölfarbe versuchen möchte,<br />

muss sich im Künstlerbedarf umsehen,<br />

um noch die richtigen Farben<br />

zu fin<strong>de</strong>n.<br />

Ullrich Gutgar, Schil<strong>de</strong>r- und<br />

Lichtreklameherstellermeister,<br />

staatl. gepr. Gestalter<br />

81

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!