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Das Konzept Schlaffhorst-Andersen zur gezielten Prävention und

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Dr. A. Lang, „<strong>Das</strong> <strong>Konzept</strong> <strong>Schlaffhorst</strong>-<strong>Andersen</strong> <strong>zur</strong> <strong>gezielten</strong> <strong>Prävention</strong> <strong>und</strong> Behandlung der Aufführungsangst“ in: Musikphysiologie <strong>und</strong><br />

Musikermedizin 1999, 6. Jg., Nr. 3<br />

2<br />

<strong>und</strong> über die Erhöhung der Aufnahmefähigkeit <strong>und</strong> des Reaktionsvermögens leistungssteigernd<br />

wirken. Bei ungünstigen sozialen Bedingungen (familiäres Umfeld, Kultur etc), persönlichen<br />

Eigenschaften (verhaltensbedingt, psychodynamisch, kognitiv <strong>und</strong> biologisch) <strong>und</strong><br />

berufsspezifischen Voraussetzungen (Technik, künstlerische Reife, Grad der Exponierung) kann<br />

jedoch ein Leistungsdruck resultieren, der zu Angstreaktionen wie Versagensangst,<br />

Konkurrenzangst bis hin <strong>zur</strong> Existenzangst führt. Sobald diese Angst beginnt, die Darbietung des<br />

Künstlers zu beeinträchtigen, wird sie zum Symptom einer Störung.<br />

In Angstsituationen reagiert der Organismus in stereotyper Weise mit vegetativen Streßreaktionen,<br />

die wir im Sinne einer Fluchtreaktion verstehen müssen. Die im Hypothalamus ausgelösten <strong>und</strong><br />

durch einen erhöhten Sympatikotonus vermittelten ergotropen Alarmreaktionen sollen den<br />

Organismus in die Lage versetzen, sich vor der gefährlichen Situation in Sicherheit zu bringen: Der<br />

Muskeltonus steigt im Sinne einer erhöhten Bereitschaftsspannung ("fight or flight").<br />

Atemfrequenz, Herzminutenvolumen <strong>und</strong> Blutdruck werden erhöht, um den Sauerstoff- <strong>und</strong><br />

Nährstofftransport zu Muskel, Herz <strong>und</strong> Gehirn zu steigern, hierfür wird außerdem die<br />

Durchblutung der inneren Organe <strong>und</strong> der Haut gedrosselt. Glukose <strong>und</strong> freie Fettsäuren werden aus<br />

ihren Depots mobilisiert, um den erhöhten Energieumsatz dieser Organe zu gewährleisten. Durch<br />

vermehrte Schweißproduktion kann die Körperkerntemperatur trotz vermehrter Wärmeproduktion<br />

konstant gehalten werden. Durchblutung <strong>und</strong> Aktivität des Verdauungsapparates, auch der<br />

Speicheldrüsen, werden zugunsten der nach außen gerichteten Leistungen verringert. Die Hirnrinde<br />

wird aktiviert, was sich durch psychische Erregung mit gesteigerter Aufmerksamkeit <strong>und</strong><br />

Bereitschaft für schnelle Reaktionen zeigt, wobei aufgr<strong>und</strong> der Ökonomisierung der Hirnleistungen<br />

Denk-Blockaden für komplexere Vorgänge eintreten können.<br />

Ein Musiker, den, insbesondere in Momenten höchster Konzentration, eine solchen Reaktionslage<br />

seines Körpers "überfällt", wird massiv in seiner Leistung behindert.<br />

Jeder von uns weiß, wie wichtig ein durchlässiger, wohlgespannter Körper für ein gelöstes<br />

Musizieren ist. Flexibilität <strong>und</strong> Fluß des Atems sind nicht nur bei BläserInnen <strong>und</strong> SängerInnen<br />

Voraussetzung für die flexible Gestaltung <strong>und</strong> das Fließen der Musik. Ein Musiker, dessen Körper<br />

"auf der Flucht" ist, erstarrt in seinem Tun. Er musiziert mit verspannten Muskeln <strong>und</strong> stockender,<br />

flacher, hastiger Atmung. Dies wirkt sich auf die Ausdruckskraft der Musik aus <strong>und</strong> überträgt sich<br />

zudem auf die Zuhörer, wie der amerikanische Wissenschaftler John Diamond in langjährigen<br />

Untersuchungen feststellte (2). Ein Mißerfolg stellt sich ein, die Prophezeihung hat sich erfüllt. Die<br />

Wiederholung solcher Mechanismen in der Bühnensituation können zu einem circulus vitiosus<br />

führen, der sich im Sinne der Konditionierung von den ursprünglichen Angstauslösern abkoppelt<br />

<strong>und</strong> zu einer erlernten Angstreaktion führt: der Aufführungsangst. Hieraus wird ersichtlich, daß die<br />

Therapie derselben sehr viel schwieriger ist als dessen Prophylaxe.<br />

Die bekannten Symptome der Aufführungsangst sind allesamt Ausdruck der beschriebenen<br />

vegetativen Reaktionslage: kalte, feuchte Finger, trockener M<strong>und</strong> <strong>und</strong> Magen- Darmprobleme,<br />

Herzklopfen, Denk- Blockaden, Überspannung <strong>und</strong> Zittern der Muskulatur des<br />

Bewegungsapparates, aber auch des Stimm- <strong>und</strong> Atemapparates u. v. a. m. S. Widmer et al. weisen<br />

darüberhinaus in einer Untersuchung an 141 Musikern eine positive, angstabhängige Korrelation<br />

zwischen dem Auftreten von störendem Lampenfieber <strong>und</strong> einer Hyperventilation nach (6).<br />

Statistiken sagen aus, daß über 41% der MusikerInnen unter Aufführungsangst leiden (3) <strong>und</strong> der<br />

Griff <strong>zur</strong> Tablette oft schon Gewohnheit ist (5).

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