Jahresbericht 2007 - bei der Görres-Gesellschaft zur Pflege der ...
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punkt seines Besuches dort keine Bibliothek mehr zu sehen ist, die seinen<br />
hochgespannten Erwartungen entspräche. „Von ihm“, Siegler, „erfuhr er<br />
mit Schmerz“, so Johann Georg Schelhorn (1694-1773), Superintendent<br />
zu Memmingen, in seiner Biographie Uffenbachs, „daß in Fulda, einst<br />
Wohnsitz <strong>der</strong> Musen, die wissenschaftlichen Studien seit langem brachlägen,<br />
und vor allem daß die kostbaren Handschriften <strong>der</strong> so hochgelehrten<br />
Bibliothek untergegangen seien“. 3 Alles, was Siegler ihm vorlegen<br />
kann, sind einige Urkunden sowie lediglich zwei Handschriften jüngeren<br />
Datums, Diplomata und die „Traditiones Fuldenses“ enthaltend.<br />
Angeleitet von seinem kundigen Reiseführer, besucht Uffenbach anschließend<br />
die gerade errichtete Kathedralkirche, die zu diesem Zeitpunkt<br />
noch im Bau befindlich ist (am 11. Oktober 1709 wird die Kuppel geschlossen),<br />
um anschließend im Konvent wenigstens die drei als Reliquien<br />
aufbewahrten Codices Bonifatiani einläßlich, wie aus den von<br />
Schelhorn mitgeteilten Beobachtungen geschlossen werden kann, zu studieren.<br />
„Viel angenehmer wäre es ihm freilich gewesen“, so Schelhorn<br />
wörtlich, „wenn er die ungeheure, mit <strong>der</strong> Kraft alter Codices bestückte<br />
Bibliothek hätte sehen können, die <strong>der</strong> Abt Rabanus Maurus … hier begründet<br />
hatte und die seine unmittelbaren Nachfolger erweitert hatten –<br />
sed nihil plane istius superest“. 4 Der Verlust werde erst recht deutlich,<br />
wenn man bedenke, mit welch glühendem Eifer sich die Fuldaer Mönche<br />
die <strong>Pflege</strong> <strong>der</strong> Wissenschaften angelegen sein ließen, was niemand besser<br />
dargestellt habe als Christoph Brouwer, den Schelhorn in <strong>der</strong> Folge ausführlich<br />
zitiert. Aus dessen Darstellung lasse sich leicht ermessen, wie<br />
durch den Eifer <strong>der</strong> fuldischen Mönche (laudabili Ascetarum Fuldensium<br />
sedulitate) von überall her die Bücher in Fulda zusammengeflossen seien,<br />
<strong>der</strong>en meiste Raban studiert habe, „veteres scriptores tam profanos quam<br />
ecclesiasticos“, wie aus den Zitaten in seinem Oeuvre zweifelsfrei hervorgehe.<br />
Ach wenn es doch, seufzt Schelhorn, diesem Schatz während<br />
des 30-jährigen Krieges ähnlich ergangen wäre wie an<strong>der</strong>en Bibliotheken,<br />
die <strong>zur</strong> rechten Zeit versteckt, nun wie<strong>der</strong> dem Staub entrissen werden<br />
könnten: „Isthoc gaudio dignus fuisset Sieglerus – Diese Freude hätte<br />
Sieglern wahrhaftig verdient. 5 Der aber führt seinen Gast stattdessen in<br />
die Michaelskirche und dort „lumine accenso“ in die unterirdische Krypta,<br />
„locus est tenebricosus“, wo zu stehen und sich zu bewegen kaum<br />
Raum genug sei. In den engen Gelassen hätten einst Mönche gelebt, Inklusen,<br />
von denen <strong>der</strong> berühmteste über einen Zeitraum von zehn Jahren<br />
<strong>der</strong> Chronist Marianus Scottus gewesen sei. Hier aber stutzt Uffenbach.<br />
Dergleichen hatte er nun noch nicht gehört und vermochte sich nicht vor-<br />
3 Commercii Epistolaris Uffenbachiani Selecta cum Vita ejusdem, hg. von Johann Georg<br />
Schellhorn, 5 Bde. Ulm, Memmingen 1753-1756, hier Bd. 1, S. 79,<br />
4 Ebd., S. 86f.<br />
5 Ebd., S. 91.<br />
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