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Bericht über die Unfallmedizinische Tagung in Mainz am - Deutsche ...

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<strong>Bericht</strong> <strong>über</strong> <strong>die</strong><br />

<strong>Unfallmediz<strong>in</strong>ische</strong> <strong>Tagung</strong><br />

<strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z <strong>am</strong> 8./9. November 2008 | Heft 108


ISBN 3-88383-082-8<br />

© 2009 <strong>Deutsche</strong> Gesetzliche Unfallversicherung<br />

Landesverband Mitte<br />

Ges<strong>am</strong>therstellung:<br />

gzm Grafisches Zentrum Ma<strong>in</strong>z Bödige GmbH<br />

Dekan-Laist-Straße 38, 55129 Ma<strong>in</strong>z


nhalt


Inhaltsverzeichnis<br />

Begrüßung Dr. Albert Platz 9<br />

Grußwort Frau Malu Dreyer 11<br />

Begrüßung Prof. Dr. Peter Kirschner 15<br />

I. Sitzung<br />

Thoraxtrauma – Update Komb<strong>in</strong>ationsverletzungen<br />

Vorsitz: Kirschner, Ma<strong>in</strong>z/Schirren, Bad Nauheim<br />

Rippenfrakturen, Sternumfrakturen, 17<br />

Komb<strong>in</strong>ationsverletzungen (Sternum – Rippen – Wirbelsäule)<br />

Marzi, Frankfurt<br />

Lungenverletzungen 25<br />

Schirren/Tra<strong>in</strong>er, Bad Nauheim<br />

– Manuskript lag zum Zeitpunkt des Drucks nicht vor –<br />

Herzverletzungen und Verletzungen großer thorakaler Gefäße 27<br />

Ennker, Lahr<br />

II. Sitzung<br />

Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll<br />

Vorsitz: Ril<strong>in</strong>ger, Frankfurt/W<strong>in</strong>ker, Erfurt<br />

Sonographie 35<br />

Ruchholtz, Marburg/Hedtmann, H<strong>am</strong>burg<br />

– Manuskript lag zum Zeitpunkt des Drucks nicht vor –<br />

Die Computertomographie <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – was ist s<strong>in</strong>nvoll 37<br />

Blum, Worms/Braunschweig, Halle<br />

Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist s<strong>in</strong>nvoll? 45<br />

MRT aus radiologischer Sicht<br />

Vogl, Frankfurt/Jäger, Frankfurt<br />

Impulsreferat<br />

Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler – 53<br />

Bedrohung oder Unterstützung<br />

Hermichen, Neuss<br />

– Manuskript lag zum Zeitpunkt des Drucks nicht vor –<br />

3


Inhaltsverzeichnis<br />

III. Sitzung<br />

Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

Vorsitz: Weise, Tüb<strong>in</strong>gen/Platz, Ma<strong>in</strong>z<br />

Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an? 55<br />

Rechtliche Grundlagen<br />

Erl<strong>in</strong>ghagen, Bonn<br />

Begutachtung der Schulter – Rotatorenmanschette 67<br />

Stu<strong>die</strong>r-Fischer, Ludwigshafen<br />

Begutachtung des Kniegelenks bei Meniskus- und Bandläsionen 73<br />

Weise, Tüb<strong>in</strong>gen<br />

Gutachten bei Osteitis – Expert op<strong>in</strong>ion <strong>in</strong> osteitis 83<br />

Schnettler, Gießen<br />

IV. Sitzung<br />

Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />

Vorsitz: Hofmann, Halle/Schnettler, Gießen<br />

4<br />

Weichgewebsmanagement 93<br />

Hofmann, Halle<br />

Gelenk<strong>in</strong>fekt und <strong>in</strong>fizierte Endoprothese 105<br />

Heppert, Ludwigshafen<br />

Osteitis – Früh<strong>in</strong>fekt 115<br />

Walter, Frankfurt<br />

Infekt – (Defekt) – Pseudarthrose 121<br />

Gerlach, H<strong>am</strong>burg


V. Sitzung<br />

Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />

Vorsitz: Wentzensen, Ludwigshafen/Hoffmann, Frankfurt<br />

Lig<strong>am</strong>entäre Verletzungen und Luxationen des Ellenbogens 127<br />

Müller, Ma<strong>in</strong>z<br />

Distale Humerusfrakturen 135<br />

Wentzensen, Ludwigshafen<br />

– Manuskript lag zum Zeitpunkt des Drucks nicht vor –<br />

Olecranon- und Monteggiafrakturen 137<br />

Wenda, Wiesbaden<br />

K<strong>in</strong>dliche Ellenbogenfrakturen 141<br />

W<strong>in</strong>kler, Kaiserslautern<br />

Ellenbogenprothese nach Trauma 151<br />

Hoffmann, Frankfurt<br />

VI. Sitzung<br />

UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management<br />

Vorsitz: Hoffmann, Frankfurt/Platz, Ma<strong>in</strong>z<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Typische Fallstricke im Reh<strong>am</strong>anagement – <strong>in</strong> der niedergelassenen Praxis 157<br />

Rauch, Ma<strong>in</strong>z/Wendler, Rüsselsheim<br />

Fallstricke im Rehabilitations-Management 161<br />

Schumacher, Ma<strong>in</strong>z/Hochste<strong>in</strong>, Ma<strong>in</strong>z<br />

Schlussworte Prof. Dr. Hoffmann 171<br />

Verzeichnis der Referenten und Vorsitzenden 173<br />

5


ußwort


Dr. Albert Platz<br />

Sehr geehrte Frau M<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> Dreyer,<br />

sehr geehrte D<strong>am</strong>en und Herren,<br />

Begrüßung<br />

herzlich willkommen zur 29. <strong>Unfallmediz<strong>in</strong>ische</strong>n <strong>Tagung</strong> des Landesverbandes Mitte der<br />

<strong>Deutsche</strong>n Gesetzlichen Unfallversicherung.<br />

Die <strong>Unfallmediz<strong>in</strong>ische</strong> <strong>Tagung</strong> fällt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e für <strong>die</strong> Unfallversicherungsträger turbulente<br />

Zeit. In der vergangenen Woche wurde das Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz<br />

verkündet. E<strong>in</strong> Gesetz, das ursprünglich als umfassendes Reformgesetz <strong>die</strong> gesetzliche<br />

Unfallversicherung neu ordnen sollte. In dem ersten Entwurf spielte auch das Leistungsrecht<br />

e<strong>in</strong>e wichtige Rolle. Das Reformgesetz wurde <strong>in</strong> der politischen Diskussion zu e<strong>in</strong>em<br />

Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz . Hauptgrund für <strong>die</strong>se Veränderungen war,<br />

dass h<strong>in</strong>sichtlich e<strong>in</strong>er Neuordnung des Leistungsrechts ke<strong>in</strong> Konsens <strong>in</strong> der Politik und ke<strong>in</strong><br />

Konsens bei den beteiligten Sozialpartnern gefunden werden konnte. Wichtigste Ziele des<br />

UVMG s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Organisationsreform der gesetzlichen Unfallversicherung, <strong>die</strong> Lösung der<br />

Altlastenproblematik sowie <strong>die</strong> Modernisierung der Verwaltungsstrukturen. Die Selbstverwaltung<br />

der Unfallversicherungsträger wird beauftragt, durch Fusionen <strong>in</strong> eigener Verantwortung<br />

<strong>die</strong> Zahl der Unfallversicherungsträger deutlich zu reduzieren und d<strong>am</strong>it nachhaltig<br />

leistungsfähige Träger zu schaffen. Die Verteilung der Altlasten wird auf der Basis e<strong>in</strong>es<br />

von der Selbstverwaltung der Berufsgenossenschaften entwickelten Konzepts neu gestaltet<br />

und schließlich wird auch das ges<strong>am</strong>te Vermögensrecht der Unfallversicherungsträger neu<br />

geordnet. Die Reform des Leistungsrechtes und d<strong>am</strong>it auch Fragen, <strong>die</strong> Sie als Leistungserbr<strong>in</strong>ger<br />

<strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie berühren, ist aufgeschoben.<br />

Unabhängig von <strong>die</strong>sem Gesetz haben <strong>die</strong> Spitzenverbände der Unfallversicherungsträger –<br />

der ehemalige Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften und der Bundesverband<br />

der Unfallkassen – im vergangenen Jahr fusioniert. Daraus entstand <strong>die</strong> <strong>Deutsche</strong><br />

Gesetzliche Unfallversicherung e.V. (DGUV). Hieran geknüpft wurde auch e<strong>in</strong>e Neuordnung<br />

der Landesverbände. Der Landesverband Hessen-Mittelrhe<strong>in</strong> und Thür<strong>in</strong>gen wurde zum<br />

Landesverband Mitte und ist nun neben Hessen und Thür<strong>in</strong>gen auch für ges<strong>am</strong>t Rhe<strong>in</strong>land-<br />

Pfalz zuständig. Me<strong>in</strong>e sehr verehrten D<strong>am</strong>en und Herren, ich versichere Ihnen aber, dass<br />

sich lediglich unser N<strong>am</strong>e und unser Zuständigkeits-bereich verändert haben. An der<br />

Qualität unserer Arbeit sowie der guten und partnerschaftlichen Zus<strong>am</strong>menarbeit mit Ihnen<br />

werden wir weiterh<strong>in</strong> festhalten.<br />

Herzlich willkommen heiße ich auch Frau M<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> Malu Dreyer und freue mich sehr, dass<br />

Sie es ermöglichen konnten, <strong>die</strong>se für uns wichtige Veranstaltung mit e<strong>in</strong>em Grußwort zu<br />

eröffnen.<br />

An <strong>die</strong>sem Wochenende haben wir uns e<strong>in</strong> umfangreiches und anspruchsvolles Progr<strong>am</strong>m<br />

vorgenommen. Ich danke ganz besonders den wissenschaftlichen Leitern der <strong>Tagung</strong>, den<br />

Herren Professor Kirschner und Professor Hoffmann für <strong>die</strong> Vorbereitung des Progr<strong>am</strong>ms.<br />

9


Begrüßung<br />

Dass wir mit der Vorbereitung des Progr<strong>am</strong>ms nicht falsch liegen, demonstriert alle<strong>in</strong> schon<br />

<strong>die</strong> Zahl der Anmeldungen. Es s<strong>in</strong>d m<strong>in</strong>destens etwa 900, <strong>die</strong> an der Veranstaltung teilnehmen<br />

werden.<br />

Me<strong>in</strong> besonderer Dank gilt an <strong>die</strong>ser Stelle allerd<strong>in</strong>gs vor allem auch den Referenten, <strong>die</strong><br />

trotz ihrer oft angespannten Term<strong>in</strong>situation nicht gezögert haben, uns heute und morgen<br />

als Vortragende und Moderatoren zur Verfügung zu stehen.<br />

Auch möchte ich mich herzlich bei den Firmen <strong>in</strong> der Industrieausstellung sowie den großzügigen<br />

Sponsoren bedanken, ohne <strong>die</strong> <strong>die</strong> Veranstaltung nicht möglich wäre. Insbesondere<br />

danke ich der Firma Hifi-Klang für <strong>die</strong> Bereitstellung der allerneusten HD-Präsentationstechnologie<br />

sowie den Autoherstellern Audi und Lexus für den Shuttle-Service. Auch unser<br />

Kaffee ist gesponsert, <strong>die</strong>smal von der Firma Tchibo. Allerd<strong>in</strong>gs erlauben wir uns dafür<br />

e<strong>in</strong>en Euro zu nehmen pro Tasse, den wir e<strong>in</strong>em wohltätigen Zweck zukommen lassen,<br />

nämlich dem Landesverband „Früh- und Risikogeborene K<strong>in</strong>der Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz“, der sich<br />

um <strong>die</strong> Verbesserung der Versorgung <strong>die</strong>ser K<strong>in</strong>der und <strong>die</strong> Betreuung der Eltern bemüht.<br />

Es wäre schön, wenn Sie auch das <strong>in</strong>nerlich mittragen und beim Kaffee dann e<strong>in</strong>en Euro<br />

bereithalten.<br />

Ich freue mich, Ihnen – nach e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>formativen Tag – mit unserem heutigen Gesellschaftsabend<br />

e<strong>in</strong> wenig Unterhaltung mit nicht nur kul<strong>in</strong>arischen Genüsse bieten zu können. Für<br />

<strong>die</strong> angemeldeten Gäste haben wir ab 19.00 Uhr den Transfer zum nahe gelegenen Favorite-<br />

Parkhotel organisiert. Bis etwa 20 Uhr stehen Ihnen hierfür Busse im Pendelverkehr zur<br />

Verfügung. Die Busse warten an der Haltestelle vor dem Eisernen Turm <strong>in</strong> der Rhe<strong>in</strong>straße<br />

genau schräg gegen<strong>über</strong> der Rhe<strong>in</strong>goldhalle. Die Pendelbusse können Sie natürlich auch<br />

später für <strong>die</strong> Rückfahrt nutzen.<br />

Soweit zum Organisatorischen. Jetzt darf ich unsere <strong>Tagung</strong> eröffnen und freue mich auf das<br />

Grußwort von Ihnen, Frau M<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> Dreyer.<br />

Vielen Dank, me<strong>in</strong>e D<strong>am</strong>en und Herren.<br />

10


Malu Dreyer, M<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> für Arbeit, Soziales, Gesundheit, F<strong>am</strong>ilie und Frauen<br />

des Landes Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz<br />

Grußwort<br />

E<strong>in</strong>en schönen guten Morgen me<strong>in</strong>e sehr geehrten Herren, me<strong>in</strong>e sehr geehrten D<strong>am</strong>en, sehr<br />

geehrter Herr Dr. Platz, sehr geehrter Herr Professor Kirschner, sehr geehrter Herr Professor<br />

Hoffmann, sehr geehrte Teilnehmer <strong>die</strong>ser <strong>Tagung</strong>,<br />

auch ich möchte Sie sehr sehr herzlich begrüßen. Ich freue mich, dass Sie wieder <strong>in</strong> das wunderschöne<br />

Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz gekommen s<strong>in</strong>d, falls Sie aus den angrenzenden Bundesländern<br />

kommen, und ich freue mich auch, dass <strong>die</strong> 29. <strong>Unfallmediz<strong>in</strong>ische</strong> <strong>Tagung</strong>, <strong>die</strong> ja <strong>in</strong>zwischen<br />

Tradition hat, tatsächlich auch immer wieder hier <strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z stattf<strong>in</strong>det <strong>in</strong> unserer schönen<br />

Landeshauptstadt. Ich begrüße Sie herzlich und darf auch alle hochkarätigen Fachkräfte aus<br />

ihrem Bereich herzlich begrüßen.<br />

Sie haben natürlich aktuelle Themen heute zu besprechen, auf <strong>die</strong> ich nicht e<strong>in</strong>gehen kann.<br />

Ich b<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e Mediz<strong>in</strong>er<strong>in</strong>, aber ich möchte e<strong>in</strong> paar Schlaglichter setzen zum Thema Gesundheitspolitik,<br />

aber auch zur Unfallmediz<strong>in</strong> und zum Arbeitsschutz <strong>in</strong>sges<strong>am</strong>t.<br />

Ich sage es immer wieder gern und auch sehr bewusst zu Beg<strong>in</strong>n me<strong>in</strong>er Ausführungen,<br />

dass ich persönlich der Auffassung b<strong>in</strong>, dass wir nach wie vor e<strong>in</strong> Gesundheitssystem <strong>in</strong><br />

Deutschland haben, <strong>über</strong> das wir sehr froh se<strong>in</strong> können, das auch sehr leistungsstark ist und<br />

das immerh<strong>in</strong> auch Arbeitgeber für 4,3 Millionen Menschen <strong>in</strong> unserem Land ist – Tendenz<br />

steigend. Und <strong>die</strong>se Menschen machen gute Arbeit, sie machen e<strong>in</strong>e gute Versorgung, mediz<strong>in</strong>ische<br />

Versorgung auf hohem Niveau, und sie tun es <strong>in</strong> aller Regel auch mit e<strong>in</strong>em außergewöhnlichen<br />

Engagement und dafür möchte ich mich herzlich bedanken bei Ihnen allen,<br />

<strong>die</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Bereich tätig s<strong>in</strong>d. Ich denke, <strong>die</strong> Menschen spüren das immer sehr genau, ob<br />

Ärzte, Ärzt<strong>in</strong>nen, Pfleger, Pfleger<strong>in</strong>nen engagiert und auch mit Herz an der Arbeit s<strong>in</strong>d und<br />

natürlich vorausgesetzt ist immer ihre hohe Kompetenz, <strong>die</strong> sie ja mitbr<strong>in</strong>gen.<br />

Ich möchte nochmal betonen, dass ich der Auffassung b<strong>in</strong>, dass unsere Krankenversicherung<br />

auch vom Pr<strong>in</strong>zip der Solidarität lebt und wenn man <strong>in</strong> Zeiten der F<strong>in</strong>anzkrise e<strong>in</strong>en Blick <strong>in</strong><br />

andere Länder wirft, dann kann man eigentlich nur unglaublich froh se<strong>in</strong>, dass <strong>die</strong> Menschen<br />

hier versichert s<strong>in</strong>d, unabhängig von ihrem <strong>in</strong>dividuellen Krankheitsrisiko, unabhängig von<br />

ihrem <strong>in</strong>dividuellen Geldbeutel. Nach wie vor denke ich, dass das e<strong>in</strong> Ziel se<strong>in</strong> muss, das<br />

auch <strong>in</strong> Zukunft sichergestellt ist. Und d<strong>am</strong>it wäre ich beim Thema „Reform <strong>in</strong> der Gesundheitspolitik“.<br />

Als Sozialpolitiker<strong>in</strong> – ich b<strong>in</strong> jetzt immerh<strong>in</strong> schon 6 ½ Jahre M<strong>in</strong>ister<strong>in</strong>, auch für Gesundheit;<br />

ich glaube ich b<strong>in</strong> <strong>die</strong> Amtsälteste <strong>in</strong>zwischen aller Bundesländern - weiß ich e<strong>in</strong>fach,<br />

Gesundheit ist immer e<strong>in</strong> Thema, das sich im Prozess bef<strong>in</strong>det. Das gilt für Sie, was den medi-<br />

z<strong>in</strong>ischen Wandel betrifft, das gilt aber auch für alle anderen Kriterien, <strong>die</strong> d<strong>am</strong>it zus<strong>am</strong>menhängen<br />

und deshalb haben wir auch immer wieder Reformen und werden auch <strong>in</strong> Zukunft<br />

immer wieder Reformen haben. Das liegt auch <strong>in</strong> der Natur der Sache. Die letzte Reform, das<br />

GKV-WSG – es ist ja vor e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>halb Jahren <strong>in</strong> Kraft getreten – war reichlich umstritten und<br />

11


Grußwort<br />

ist es immer noch. Ich kann sagen, dass ich der Auffassung b<strong>in</strong>, dass nicht alles gefällt, aber<br />

e<strong>in</strong>iges doch auch ganz gut gelungen ist und ich glaube auch, dass <strong>die</strong> Grundausrichtung<br />

<strong>in</strong>sges<strong>am</strong>t stimmt. Ich nenne nur e<strong>in</strong> paar Punkte des neuen Vergütungssystems. Für <strong>die</strong><br />

niedergelassene Ärzteschaft, was aus me<strong>in</strong>er persönlichen Sicht längst, längst <strong>über</strong>fällig<br />

war, ist das ja jetzt auch umgesetzt worden. Es ist e<strong>in</strong> zentrales Kernelement <strong>die</strong>ser Reform<br />

gewesen. Ich b<strong>in</strong> auch ganz optimistisch, dass es im Januar des neuen Jahres, wenn <strong>die</strong>ses<br />

Vergütungssystem e<strong>in</strong>geführt wird, hoffentlich zu e<strong>in</strong>er auskömmlicheren F<strong>in</strong>anzierung der<br />

niedergelassenen Kollegen und Kolleg<strong>in</strong>nen kommt und wir vor allem <strong>über</strong> e<strong>in</strong> transparentes<br />

Vergütungssystem verfügen, <strong>in</strong>dem Sie schon im Januar wissen, was ihre Leistung tatsächlich<br />

auch wert ist, und nicht erst im Herbst.<br />

Wir haben <strong>die</strong> Abkehr von der Grundlohnsummenorientierung <strong>in</strong> den Krankenhäusern,<br />

was ja jetzt verabschiedet worden ist, was aber d<strong>am</strong>als auch schon erklärtes Ziel war <strong>in</strong> der<br />

Reform. Aus me<strong>in</strong>er Sicht elementar wichtig für <strong>die</strong> Krankenhäuser, <strong>die</strong> seit vielen Jahren ja<br />

„unter dem Deckel“ leben, was d<strong>am</strong>it zu tun hat, dass sie immer nur <strong>die</strong> Grundlohnsummenanpassung<br />

erhalten haben. Das wird sich <strong>in</strong> Zukunft ändern und ich denke es ist richtig.<br />

Es ist auch richtig, dass Themen wie <strong>die</strong> Palliativversorgung oder <strong>die</strong> Impfung – bestimmte<br />

Impfungen als Pflichtimpfungen – <strong>in</strong> den Leistungskatalog aufgenommen worden s<strong>in</strong>d.<br />

Und es ist auch richtig, dass der Zugang zu e<strong>in</strong>er bezahlbaren Krankenversicherung für alle<br />

Menschen <strong>in</strong> unserer Gesellschaft sichergestellt wird durch <strong>die</strong>se Reform. Und natürlich b<strong>in</strong><br />

ich auch froh, dass der E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e stärkere Steuerf<strong>in</strong>anzierung vorgenommen worden<br />

ist, weil wir auch absehen können, dass langfristig <strong>die</strong> F<strong>in</strong>anzierung des Gesundheitssystems<br />

natürlich auch immer wieder e<strong>in</strong> Diskussionspunkt se<strong>in</strong> wird. Ich b<strong>in</strong> auch froh dar<strong>über</strong>,<br />

dass uns das Thema F<strong>in</strong>anzierung dann doch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Kompromiss nicht völlig getrennt hat,<br />

sondern dass wir <strong>am</strong> Ende wenigstens geme<strong>in</strong>s<strong>am</strong> <strong>die</strong> Reform h<strong>in</strong>gekriegt haben.<br />

Aber ich sage auch nochmal, <strong>die</strong> unterschiedlichen Ausgangssituationen waren so groß, dass<br />

eben nicht mehr dr<strong>in</strong> war. Der Gesundheitsfond, der ab Januar <strong>in</strong> Kraft treten wird, ist e<strong>in</strong><br />

Kompromiss, er bleibt e<strong>in</strong> Kompromiss, aber er kann weiterentwickelt werden <strong>in</strong> unterschiedlichste<br />

Richtungen und für mich ist besonders relevant, dass dadurch der mobilitätsorientierte<br />

Risikostrukturausgleich e<strong>in</strong>geführt worden ist. Und ich denke, e<strong>in</strong>s muss man hier<br />

vielleicht auch nochmal sagen, es ist auch e<strong>in</strong> Erfolg der Reform, dass <strong>die</strong> Unfälle – und da<br />

b<strong>in</strong> ich jetzt wieder bei Ihnen – d<strong>am</strong>als nicht ausgegliedert worden s<strong>in</strong>d aus dem Leistungskatalog.<br />

Das war ja erklärte Absicht gewesen, um Geld zu sparen. Es wäre aus me<strong>in</strong>er Sicht<br />

auch e<strong>in</strong> Wahns<strong>in</strong>n gewesen, sich alle<strong>in</strong> <strong>die</strong> Abgrenzungsmöglichkeiten vorzustellen, wann<br />

was e<strong>in</strong> versicherter Unfall ist und wann eben nicht. Sie kennen das Problem ja schon aus-<br />

reichend genug zwischen Krankenversicherung und Unfallversicherung. Das wäre aus me<strong>in</strong>er<br />

Sicht <strong>über</strong>haupt gar nicht darstellbar gewesen.<br />

Und d<strong>am</strong>it wären wir auch beim Thema Unfallversicherung. Dr. Platz hat eigentlich alles<br />

Wesentliche gesagt, was es zu <strong>die</strong>sem Thema bezogen auf <strong>die</strong> letzten Monate – und man<br />

kann ja schon fast e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>halb, zwei Jahre sagen – zu sagen ist. Das Gesetz zur Modernisierung<br />

der gesetzlichen Unfallversicherung reduziert sich jetzt eben tatsächlich auf e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e<br />

Organisationsreform. Es s<strong>in</strong>d Anpassungen der Organisation an <strong>die</strong> veränderten Wirtschafts-<br />

12


Grußwort<br />

strukturen. Die Lösung der Altlastenproblematik und natürlich auch <strong>die</strong> Modernisierung der<br />

Verwaltungsstrukturen stehen im Mittelpunkt. Es gab ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>igung <strong>über</strong> das Leistungsrecht,<br />

wobei es auch schwierig zu lösen ist, das möchte ich auch nochmal betonen. Die<br />

Gefahr, dass es zu großen Verwerfungen kommt, ist nicht ger<strong>in</strong>g, aber natürlich muss es e<strong>in</strong><br />

Thema se<strong>in</strong> für <strong>die</strong> nächste Legislaturperiode, auch dar<strong>über</strong> nochmal <strong>in</strong>tensiv zu diskutieren<br />

und an der Stelle auch weiter zu kommen. Aus rhe<strong>in</strong>land-pfälzischer Sicht s<strong>in</strong>d alle gesetzlichen<br />

Regelungen, <strong>die</strong> jetzt getroffen s<strong>in</strong>d, durchaus positiv. Ich habe mich besonders für <strong>die</strong><br />

Organisationsstruktur des Spitzenverbandes als e<strong>in</strong>getragenen Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>gesetzt, was <strong>am</strong><br />

Anfang höchst umstritten war. Das wird jetzt auch so umgesetzt und ich traue es eben auch<br />

der Selbstverwaltung zu, dass <strong>die</strong>se <strong>die</strong> Organisationsreform <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem S<strong>in</strong>ne aus eigener<br />

Kraft bewältigen wird und <strong>die</strong> ersten Anfänge s<strong>in</strong>d ja auch schon gemacht.<br />

Das erklärte Ziel, dass der Fusionsprozess 26 Berufsgenossenschaften auf 9 Träger reduzieren<br />

soll – perspektivisch um Verwaltungskosten zu senken, aber auch <strong>die</strong> Strukturen zu<br />

straffen – ist ja auch sehr energisch angegangen worden, wie wir heute auch schon sehen<br />

<strong>am</strong> veränderten N<strong>am</strong>en und eben auch <strong>am</strong> veränderten Zuständigkeitsbereich <strong>in</strong>sges<strong>am</strong>t.<br />

Für <strong>die</strong> Versicherten gibt es durch <strong>die</strong> gesetzliche Regelung ke<strong>in</strong>e Leistungse<strong>in</strong>schränkungen.<br />

Wie gesagt, das Thema wird uns weiter begleiten und wer weiß, bei Ihrem nächsten, sagen<br />

wir <strong>über</strong>nächsten Kongress, s<strong>in</strong>d wir vielleicht auch im Bereich des Leistungsrechts e<strong>in</strong> Stück<br />

weiter.<br />

Ich möchte gerne noch zwei Sätze verwenden auf das Thema Arbeitsschutz. Das zentrale<br />

Anliegen des Themas Arbeitsschutz ist ja <strong>die</strong> Gestaltung von sicheren, von menschengerechten<br />

Arbeitsplätzen und sie tragen dazu bei, Arbeitsunfälle und arbeitsbed<strong>in</strong>gte Gefahren<br />

natürlich zu verhüten. Noch immer s<strong>in</strong>d arbeitsbed<strong>in</strong>gte Erkrankungen und Expositionen<br />

gegen<strong>über</strong> Gefahrstoffen wie Kälte, Hitze, Nässe, Wärme, Lärm, aber auch Belastungen durch<br />

Term<strong>in</strong>- und Leistungsdruck, Monotonie oder Überforderung sehr weit verbreitet. Letzteres<br />

mit steigender Tendenz.<br />

Mit der Geme<strong>in</strong>s<strong>am</strong>en <strong>Deutsche</strong>n Arbeitsschutzstrategie wollen sich ja Bund, Länder und<br />

<strong>die</strong> Spitzenverbände der gesetzlichen Unfallversicherung auf den Weg machen zu sicheren<br />

und besseren Arbeitsplätzen, bessere Arbeitsplätze auszugestalten im S<strong>in</strong>ne von Prävention.<br />

Natürlich werden wir auch hierzu e<strong>in</strong>en Beitrag leisten. Unfälle ereignen sich an jedem<br />

Ort und zu jeder Zeit, sie treffen plötzlich und unvorhergesehen Menschen jeden Alters. Die<br />

folgenden Zahlen zeigen das Ausmaß arbeitsbed<strong>in</strong>gter und gesundheitlicher Bee<strong>in</strong>trächtigungen.<br />

Im Jahre 2006 gab es <strong>in</strong> Deutschland <strong>über</strong> e<strong>in</strong>e Million meldepflichtiger Arbeitsunfälle,<br />

davon 941 tödliche und fast 23.000 anerkannte Berufskrankheiten. In 2007 ereigneten sich<br />

im Bereich der Unfallversicherungen der gewerblichen Wirtschaft und der öffentlichen Hand<br />

<strong>in</strong>sges<strong>am</strong>t 959.714 meldepflichtige Arbeitsunfälle, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e Arbeitsunfähigkeit von mehr als<br />

3 Tagen oder den Tod zur Folge hatten. Neben den bei der Berufsausübung entstandenen<br />

Unfällen, <strong>die</strong> ca. 15% aller Unfälle ausmachen, ereignen sich im häuslichen Bereich ungefähr<br />

e<strong>in</strong> Drittel – 33 % – <strong>in</strong> der Freizeit 31 %, im Schulbereich 17 und im Verkehr 5 % aller Unfälle.<br />

13


Grußwort<br />

Die gute Versorgung der Verletzten nach e<strong>in</strong>em Unfall setzt natürlich e<strong>in</strong> flächendeckendes<br />

Netz leistungsstarker Versorgungse<strong>in</strong>richtungen voraus. Ich glaube sagen zu dürfen,<br />

dass Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz <strong>über</strong> e<strong>in</strong>e gute Verletztenversorgung von hoher Qualität verfügt. Als<br />

Beispiele möchte ich hier neben den anderen hervorragenden unfallchirurgischen und <strong>am</strong>bulanten<br />

und stationären E<strong>in</strong>richtungen – wie beispielsweise das Katholische Kl<strong>in</strong>ikum,<br />

Herr Prof. Kirschner – <strong>die</strong> BG-Unfallkl<strong>in</strong>ik <strong>in</strong> Ludwigshafen nennen, <strong>die</strong> jetzt ihr vierzigjähriges<br />

Bestehen feiert, aber natürlich auch als Zentrum für Schwerbrandverletzte e<strong>in</strong>en<br />

<strong>in</strong>ternationalen Ruf hat.<br />

So wichtig <strong>die</strong> gute und schnelle Versorgung bei Unfallfolgen ist, so wichtig ist natürlich auch<br />

<strong>die</strong> Prävention von Unfällen. Die seit Jahren rückläufigen Zahlen s<strong>in</strong>d Ergebnisse erfolgreicher<br />

Präventionsarbeit aller Akteure. Prävention ist nun mal auch e<strong>in</strong>e ges<strong>am</strong>tgesellschaftliche<br />

Aufgabe. Ich gehöre zu denen, <strong>die</strong> deshalb auch seit vielen Jahren für e<strong>in</strong> Bundespräventionsgesetz<br />

kämpfen, weil ich glaube, dass man Prävention s<strong>in</strong>nvollerweise wirklich auch zielorientiert<br />

macht mit gebündelten Kräften. Die BGen geben das eigentlich ziemlich gut vor mit ihrer<br />

Herangehensweise. E<strong>in</strong> Präventionsgesetz ist aber leider nach wie vor nicht <strong>in</strong> Sicht, weil man<br />

sich politisch eben nicht e<strong>in</strong>igen kann. Trotzdem bleiben wir da dran und ich glaube, man muss<br />

Mittel und auch Verständigung auf Gesundheitsziele wirklich bündeln, um dann auch entsprechende<br />

Schlagkraft entwickeln zu können.<br />

Die Unfallprävention spielt für uns auch als Landesregierung e<strong>in</strong>e wichtige Rolle. Im Rahmen<br />

der Förderung von K<strong>in</strong>dergesundheit beispielsweise unterstützt und fördert das Land<br />

Veranstaltungen, <strong>die</strong> Eltern und Multiplikatoren schulen, um Unfälle bei den Kle<strong>in</strong>sten zu<br />

vermeiden. Denn viele Unfälle im Verkehr oder im Haushalt können natürlich durch zielgerichtete<br />

Maßnahmen und Verhaltensweisen verh<strong>in</strong>dert werden. E<strong>in</strong> anschauliches Beispiel<br />

ist das von der Techniker Krankenkasse <strong>in</strong> Kooperation mit dem Land durchgeführte Projekt<br />

der Riesenküche. Ich weiß nicht, ob Sie sie kennen. Es ist e<strong>in</strong>e Ausstellung, <strong>in</strong> der Erwachsene<br />

aus der K<strong>in</strong>derperspektive <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er im Größenverhältnis von K<strong>in</strong>dern <strong>die</strong> Umgebung<br />

und <strong>die</strong> Gefahren, wie heiße Herdplatten, kochende Flüssigkeiten oder umkippende Stühle,<br />

wahrnehmen können und es ist e<strong>in</strong>e erleuchtende Erkenntnis, wenn man mit dem Kopf<br />

mal an den Stiel e<strong>in</strong>er Pfanne anstößt, <strong>die</strong> auf dem Herd steht. Man kann dann sehr schnell<br />

nachempf<strong>in</strong>den, wie schnell e<strong>in</strong> entsprechender Unfall passiert.<br />

Me<strong>in</strong>e sehr geehrten Herren, me<strong>in</strong>e sehr geehrten D<strong>am</strong>en, ich glaube, das ist ausreichend<br />

für e<strong>in</strong> Grußwort. Ich hoffe, ich konnte ihnen e<strong>in</strong>ige wenige, kle<strong>in</strong>e Positionen der Landesregierung<br />

zu wichtigen Positionen im Bereich der Gesundheit und der Unfallversicherung<br />

deutlich machen. Ich wünsche Ihnen, dass Sie e<strong>in</strong>e ertragreiche <strong>Tagung</strong> haben und viele<br />

neue Erkenntnisse mit nach Hause nehmen können, dass Sie sich gut austauschen können.<br />

Und ich danke natürlich nochmal der <strong>Deutsche</strong>n Gesetzlichen Unfallversicherung, Landesverband<br />

Mitte, Herrn Dr. Platz und natürlich auch Herrn Wirthl für <strong>die</strong> Vorbereitung und auch<br />

für das hohe Engagement <strong>in</strong> der Sache Unfallversicherung. Vielen Dank, weiterh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e gute<br />

Kooperation, gutes Gel<strong>in</strong>gen und Ihnen allen wünsche ich weiterh<strong>in</strong> erfolgreiche, gute Arbeit<br />

im S<strong>in</strong>ne der Menschen für <strong>die</strong> wir alle da s<strong>in</strong>d. Herzlichen Dank und viel Vergnügen.<br />

14


Prof. Dr. Peter Kirschner<br />

Begrüßung<br />

Sehr verehrte Frau M<strong>in</strong>ister<strong>in</strong>, vielen herzlichen Dank für Ihr Grußwort. Die moderate Aussage<br />

gibt ja Grund zu hoffen, dass das Weiterleben, speziell der Unfallchirurgie auch auf der<br />

politischen Bühne anerkannt und unterstützt wird.<br />

Sehr geehrter Herr Dr. Platz, verehrte Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen, sehr geehrte D<strong>am</strong>en und<br />

Herren aus den Verwaltungen,<br />

zur 29. <strong>Unfallmediz<strong>in</strong>ische</strong>n <strong>Tagung</strong> des Landesverbandes Mitte der <strong>Deutsche</strong>n Gesetzlichen<br />

Unfallversicherung möchte auch ich Sie hier <strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z ganz herzlich willkommen heißen. In<br />

manchen D<strong>in</strong>gen sche<strong>in</strong>t <strong>die</strong> Zeit stehen zu bleiben. So beim Titel <strong>die</strong>ser traditionsreichen<br />

Veranstaltung unserer <strong>Unfallmediz<strong>in</strong>ische</strong>n <strong>Tagung</strong>. Natürlich ist <strong>die</strong> Bezeichnung Unfall-<br />

mediz<strong>in</strong> nach wie vor der umfassende Titel für verschiedenste Auslöser und Ursachen, Be-<br />

handlungsarten und Fachdiszipl<strong>in</strong>en sowie Versicherungs- und Versorgungsfragen. Er wird<br />

zu Recht für e<strong>in</strong>e Veranstaltung geführt, <strong>die</strong> sich mit der Fortentwicklung all <strong>die</strong>ser Fragen<br />

zeitgemäß ause<strong>in</strong>andersetzen muss, um sie darzustellen und zu bearbeiten. Nebenbei muss<br />

natürlich auch <strong>die</strong> Entwicklung der Tätigkeitsfelder verfolgt werden, um <strong>die</strong> sich ändernden<br />

Ansprüche und Erkenntnisse zu verarbeiten. Dabei komme ich zur Zus<strong>am</strong>menführung der<br />

Fächer Orthopä<strong>die</strong> und Unfallchirurgie. Der neue Facharzt wird bereits als Titel geführt,<br />

wobei allerd<strong>in</strong>gs auffällige Unterschiede <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen K<strong>am</strong>mern <strong>die</strong> Vergaben begleiten.<br />

Die idealistische Zielsetzung der Kompetenz aus e<strong>in</strong>er Hand lässt sich nicht mit der gleichen<br />

Geschw<strong>in</strong>digkeit <strong>in</strong> der Weiterbildung realisieren. Umso problematischer entwickelt sich<br />

aus <strong>die</strong>ser Art der Titelvergabe e<strong>in</strong>e Chancenungleichheit für junge Kollegen im Fach.<br />

Nun haben <strong>die</strong> beiden wissenschaftlichen Fachgesellschaften der Orthopäden und Unfall-<br />

chirurgen im Sommer bereits den nächsten Schritt vollzogen und e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>s<strong>am</strong>e <strong>Deutsche</strong><br />

Gesellschaft für Orthopä<strong>die</strong> und Unfallchirurgie gegründet. D<strong>am</strong>it wird es wichtig<br />

werden, unfallchirurgische Kompetenz besonders <strong>in</strong> den Versorgungskrankenhäusern so zu<br />

erhalten, dass sie wie bisher rund um <strong>die</strong> Uhr – und das ganzjährig – zur Verfügung steht.<br />

Nicht nur das derzeitige F<strong>in</strong>anzierungssystem bietet dazu <strong>am</strong> wenigsten Unterstützung, s<strong>in</strong>d<br />

doch unfallchirurgische Leistungen meist vergleichsweise bescheiden bewertet. Alle<strong>in</strong>e<br />

hierdurch schon wird <strong>die</strong> Stellung des Unfallchirurgen im neuen Fachgebiet erheblich<br />

benachteiligt. Umso wichtiger ist es, dass <strong>die</strong> <strong>Deutsche</strong> Gesetzliche Unfallversicherung<br />

auch weiterh<strong>in</strong> zu ihrer Forderung steht, <strong>die</strong> Qualifikation des D-Arztes an den Erwerb des<br />

Schwerpunktes spezielle Unfallchirurgie, der kompetentesten Weiterbildungsstufe im Fach,<br />

zu b<strong>in</strong>den. Un<strong>über</strong>sehbar wird natürlich <strong>die</strong> Entwicklung <strong>in</strong> der praktizierenden Mediz<strong>in</strong> mit<br />

Bildung von Netzwerken und Zentren für bestimmte Behandlungsmethoden <strong>die</strong> Spezialisierung<br />

weiter vorantreiben. Der Konflikt zwischen weitreichender Kompetenz und hohem<br />

fachlichen Wissensstand wird uns <strong>in</strong> Zukunft viele neue Arten von Versorgungsmodellen<br />

bescheren. Daher ist es wesentlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Fach wie der Unfallverletzenversorgung den<br />

hohen Spezialisierungsgrad zu erhalten.<br />

Me<strong>in</strong>e D<strong>am</strong>en und Herren, zu <strong>die</strong>sen Forderungen trägt e<strong>in</strong>e <strong>Tagung</strong> wie <strong>die</strong>se nicht wenig bei.<br />

Aktuelle Themen der Unfallmediz<strong>in</strong> spiegeln das Progr<strong>am</strong>m wider und wir, Herr Hoffmann<br />

15


Begrüßung<br />

und ich, haben uns bemüht e<strong>in</strong>e wissenschaftlich <strong>in</strong>teressante Veranstaltung vorzubereiten.<br />

Wir hoffen nun, dass Ihre Erwartungen erfüllt werden. Der Landesverband hat uns <strong>die</strong>sbezüglich<br />

jegliche Unterstützung zuteil werden lassen. Es ist uns gelungen, profilierte<br />

Referenten für <strong>die</strong>se <strong>Tagung</strong> e<strong>in</strong>zuladen. Ihnen sei vorab für Ihre Bereitschaft sehr herzlich<br />

gedankt. Lassen Sie uns nun mit dem Progr<strong>am</strong>m beg<strong>in</strong>nen. Ich wünsche uns <strong>in</strong>teressante<br />

Vorträge und Diskussionen und Ihnen zwei erlebnisreiche Tage hier <strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z.<br />

Vielen herzlichen Dank.<br />

16


Vortragsfolge<br />

I. Sitzung<br />

Thoraxtrauma – Update<br />

Vorsitz: P. Kirschner, Ma<strong>in</strong>z/C. J. Schirren, Bad Nauheim<br />

Thoraxtrauma – Update<br />

Rippenfrakturen, Sternumfrakturen, Komb<strong>in</strong>ationsverletzungen (Sternum,<br />

Rippen, Wirbelsäule)<br />

Autoren<br />

I. Marzi, W. Daecke, F. Walcher<br />

Zus<strong>am</strong>menfassung<br />

Verletzungen des Thorax s<strong>in</strong>d bei annähernd 60 % der Polytraumapatienten und bei direktem<br />

Anpralltrauma festzustellen. Die Primärdiagnostik des Thorax erfolgt beim Schwerverletzten<br />

mittlerweile neben dem Thorax-Röntgenbild regelhaft mittels Spiral-Computertomographie<br />

mit Kontrastmittelgabe, da hiermit blutungsrelevante <strong>in</strong>nere Verletzungen von<br />

Herz, Gefäßen oder Lunge <strong>am</strong> besten erfasst werden können. Die knöchernen Verletzungen<br />

können ebenfalls mittels CT-Rekonstruktion festgestellt werden, wobei hier <strong>die</strong> konventionelle<br />

Röntgendiagnostik ihren Stellenwert beibehält. Die häufigste lebensrettende<br />

Primärmaßnahme ist <strong>die</strong> Positionierung e<strong>in</strong>er Thoraxdra<strong>in</strong>age zur Entlastung von Hämato-<br />

Pneumothoraces. Die im CT-früh erkannten Lungenkontusionen werden im Rahmen des<br />

präventiven Versorgungskonzeptes durch Lagerungstherapie und moderne Beatmungskonzepte<br />

so behandelt, dass <strong>die</strong> Komplikationsrate der Pneumonien und sekundären Organschäden<br />

m<strong>in</strong>imiert wird. Die Behandlung der knöchernen Verletzungen ist differenziert und<br />

reicht von konservativer Behandlung der Sternum-und Rippenfrakturen <strong>über</strong> <strong>die</strong> offene<br />

Stabilisierung der Schultergürtelverletzungen bis h<strong>in</strong> zur m<strong>in</strong>imal-<strong>in</strong>vasiven Osteosynthese<br />

der Brustwirbelfrakturen.<br />

Schlüsselwörter<br />

Polytrauma – Thoraxdra<strong>in</strong>age – Computertomographie – Lungenkontusion – Schultergürtelverletzungen<br />

– Sternumverletzungen – Osteosynthese<br />

Summary<br />

Chest <strong>in</strong>juries are found <strong>in</strong> almost 60% of multiple trauma patients and <strong>in</strong> direct blunt<br />

traumas. In addition to chest x-rays, primary diagnostics of the thorax <strong>in</strong> the seriously<br />

<strong>in</strong>jured today should correctly <strong>in</strong>clude spiral computed tomography with contrast medium<br />

as this best visualises <strong>in</strong>ternal <strong>in</strong>juries to the heart, vessels or lungs for possibly relevant<br />

bleed<strong>in</strong>g. Bony <strong>in</strong>juries can also be determ<strong>in</strong>ed by CT reconstruction although conventional<br />

radiological diagnosis reta<strong>in</strong>s its value. The most common life-sav<strong>in</strong>g primary <strong>in</strong>tervention<br />

17


Thoraxtrauma – Update<br />

is position<strong>in</strong>g a chest tube to relieve pressure on haemato-pneumothorax. Any pulmonary<br />

contusion recognised early by CT is treated by the preventive care concept with patient<br />

position<strong>in</strong>g and modern ventilation methods to m<strong>in</strong>imise the rate of pneumonic complications<br />

and secondary organ d<strong>am</strong>age. Treatment of bone <strong>in</strong>jury is differentiated and ranges<br />

from conservative treatment for sternal and costal fractures to open stabilisation of shoulder<br />

girdle <strong>in</strong>juries and m<strong>in</strong>imally <strong>in</strong>vasive osteosynthesis of dorsal vertebral fractures.<br />

Keywords<br />

Multiple trauma – thoracic dra<strong>in</strong>age – computed tomography – pulmonary contusion –<br />

shoulder girdle <strong>in</strong>juries – sternal <strong>in</strong>juries – osteosynthesis<br />

Aktuelle Themen beim Thoraxtrauma betreffen <strong>in</strong>sbesondere <strong>die</strong> Diagnostik, <strong>die</strong> Akuttherapie<br />

und <strong>die</strong> Behandlung von Komb<strong>in</strong>ationsverletzungen. Das Thoraxtrauma ist regelhaft<br />

beim Polytrauma-Patienten festzustellen, wobei der kl<strong>in</strong>ische Verdacht bereits vom Notarzt<br />

oder im Rahmen des ATLS-Traumakonzeptes vermutet werden kann. Bei der Inspektion und<br />

Palpation zeigen sich äußere Verletzungszeichen im Bereich des Thorax mit Krepitation,<br />

Instabilität oder Hautemphysem; <strong>die</strong> Auskultation ergibt häufig e<strong>in</strong> verm<strong>in</strong>dertes Atemgeräusch.<br />

Zur Standarddiagnostik gehört <strong>die</strong> Röntgen- Thoraxaufnahme als erste Röntgenaufnahme<br />

im Rahmen der Schockraumbehandlung e<strong>in</strong>es schwerverletzten Patienten. Auch im<br />

Rahmen der Sonographie des Abdomens kann e<strong>in</strong> Hämatothorax mit diagnostiziert werden.<br />

Bei schwer verletzten Patienten gehört jedoch heute <strong>die</strong> Sprial-Computertomographie des<br />

Körperst<strong>am</strong>mes und des Schädels mit Kontrastmittel zum Standard der Initialdiagnostik. Im<br />

Vordergrund stehen Organverletzungen der Lunge, der Pneumothorax, der Hämatothorax<br />

sowie <strong>die</strong> Verletzungen der großen Gefäße.<br />

Im Rahmen der Qualitätssicherung des Traumaregisters der <strong>Deutsche</strong>n Gesellschaft für Unfallchirurgie<br />

s<strong>in</strong>d bundesweit im Jahre 2007 11 M<strong>in</strong>uten verstrichen bis <strong>die</strong> 1. Röntgen-Thoraxaufnahme<br />

bei e<strong>in</strong>em Patienten erfolgt ist. In e<strong>in</strong>zelnen Kl<strong>in</strong>iken und Traumazentren ist<br />

<strong>die</strong>s deutlich ger<strong>in</strong>ger, was <strong>am</strong> e<strong>in</strong>gespielten Traum<strong>am</strong>anagement liegt. Die Notwendigkeit<br />

zur weitergehenden Diagnostik e<strong>in</strong>es Thoraxtrauma durch Computertomographie ergibt sich<br />

bei jedem schweren Polytrauma und schon alle<strong>in</strong>e aus der Notwendigkeit e<strong>in</strong>en ventralen<br />

Spannungspneumothorax zu erkennen, der leicht auf Nativ-Röntgenaufnahme des Thorax<br />

nicht zu erkennen ist. Die Ursache für das Übersehen e<strong>in</strong>es ventralen Spannungspneumothorax<br />

ist <strong>in</strong> Abb. 1 exemplarisch dargestellt. Der Vorteil der Computertomographie <strong>in</strong> der<br />

Diagnostik ist <strong>in</strong> Abb. 2 illustriert und kann von wesentlicher Bedeutung <strong>in</strong> der Primär- und<br />

Sekundärdiagnostik des Thorax se<strong>in</strong>.<br />

Die Häufigkeit des Thoraxtraumas liegt laut DGU Traumaregister 2007 bei 58% bei den<br />

schwer verletzten Patienten.<br />

Ursachen des Thoraxtraumas s<strong>in</strong>d <strong>über</strong>wiegend PKW-Unfälle, Motorradunfälle und Stürze<br />

<strong>über</strong> oder unter 3 Meter, wie Abb. 3 exemplarisch für <strong>die</strong> Universitätskl<strong>in</strong>ik Frankfurt hergibt.<br />

Neben der Initialdiagnostik des Thoraxtraumas gehört auch <strong>die</strong> unmittelbare operative<br />

Intervention nach Diagnosestellung e<strong>in</strong>es Pneu-, oder Hämatothorax. Diese ergibt sich im<br />

Wesentlichen durch <strong>die</strong> E<strong>in</strong>lage von Thoraxdra<strong>in</strong>agen, <strong>die</strong> üblicherweise <strong>über</strong> im 5. ICR auf<br />

18


Thoraxtrauma – Update<br />

der rechten oder l<strong>in</strong>ken Seite <strong>in</strong> der vorderen Axillarl<strong>in</strong>ie (Bülau-dra<strong>in</strong>age) oder bei ventralen<br />

Spannungspneumothoraxis durch e<strong>in</strong>e Monaldi-dra<strong>in</strong>age im 2. ICR gelöst wird. Relativ<br />

selten ist e<strong>in</strong>e Eröffnung des Thorax mit operativer Blutstillung erforderlich<br />

In den letzten Jahren hat sich als Standardtherapie <strong>die</strong> k<strong>in</strong>etische Therapie im Drehbett (Rotationsbett)<br />

durchgesetzt. Durch <strong>die</strong>se Lagerungstherapie mit Drehen des Patienten um 60°<br />

<strong>in</strong> beiden Richtungen kommt es zu rascheren Flüssigkeitsauflösung und Verteilung, so dass<br />

<strong>die</strong> Belüftung der Lunge optimiert werden kann. Bei schweren Thoraxtraumen mit erheblich<br />

bee<strong>in</strong>trächtigter Oxygenierung des Patienten ist im E<strong>in</strong>zelfall auch <strong>die</strong> Bauchlagerung des<br />

Patienten <strong>in</strong>termittierend notwendig um <strong>die</strong> dorsalen Anteile der Lunge für den Gasaustausch<br />

wieder zu rekrutieren. Die k<strong>in</strong>etische- und Lagerungstherapie ist zwischenzeitlich<br />

etablierter Standard und <strong>in</strong> jedem Fall <strong>in</strong>diziert für<br />

1. CT gesicherte Lungenkontusionen.<br />

2. Für e<strong>in</strong>en Verletzungsgrad mit mehr als 25 Punkte im ISS.<br />

3. Auch schon beim kl<strong>in</strong>ischen Verdacht auf e<strong>in</strong>e Lungenkontusion bei adäquatem Trauma.<br />

Die Stu<strong>die</strong>nergebnisse der k<strong>in</strong>etischen Lagerungstherapie zeigen hier e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige raschere<br />

Verbesserung der Oxygenierung und stellen e<strong>in</strong> unverzichtbares Mittel der primären<br />

Schwerverletztentherapie dar.<br />

Auch <strong>die</strong> Behandlungsoptionen beim Thoraxtrauma haben sich deutlich verbessert durch<br />

verschiedene Verfahren mit CPAP/ASB sowie PEEP- Behandlung <strong>über</strong> 72 Stunden mit e<strong>in</strong>em<br />

Druck von 15 Millibar. Die Standardisierung von Wean<strong>in</strong>gkonzepten zur Entwöhnung von der<br />

Beatmung haben zu e<strong>in</strong>er Verbesserung der Behandlung des Thoraxtraumas beigetragen.<br />

Neben der Verletzung der Pleurahöhlen ergeben sich zahlreiche weitere Komplikationsmöglichkeiten<br />

und Begleitverletzungen beim Thoraxtrauma. Die Rippenfrakturen gehen<br />

immanent mit dem Thoraxtrauma e<strong>in</strong>her und bedürfen <strong>in</strong> aller Regel ke<strong>in</strong>er spezifischen<br />

Behandlung, bis auf <strong>die</strong> oben genannten Beatmungsmodalitäten und e<strong>in</strong>e ausreichende<br />

Schmerztherapie. Die Pneumo- und Hämatothoraces müssen regelhaft entlastet werden und<br />

auch im weiteren Verlauf muss auf das Auftreten sekundärer ventraler Spannungspneumothoraces<br />

geachtet werden, <strong>in</strong>sbesondere bei e<strong>in</strong>er Verschlechterung der Beatmungssituation<br />

e<strong>in</strong>es Patienten im Intensivbehandlungsverlauf muss frühzeitig an e<strong>in</strong>e CT-Kontrolle des<br />

Thorax gedacht werden.<br />

Als weitere mögliche Zusatzverletzungen können Parenchymverletzungen der Lunge,<br />

Bronchialrupturen, Herzkontusionen, Herzbeutelt<strong>am</strong>ponaden, Zwerchfellrupturen und <strong>in</strong><br />

sehr seltenen Fällen auch Ösophagusverletzungen auftreten, auf <strong>die</strong> hier aber nicht weiter<br />

e<strong>in</strong>gegangen wird.<br />

Abhängig von der Energie und vom Kraftfaktor treten auch verschiedenste knöcherne Verletzungen<br />

auf (Abb. 4). Hierzu zählen: Rippenfrakturen, Wirbelsäulenverletzungen, Sternumfraktur,<br />

Schultereckgelenkverletzungen, Claviculafrakturen, Scapulafrakturen. Gerade<br />

auch das Auftreten von Frakturen der Brustwirbelsäule, vor allem auch bei Vorhandense<strong>in</strong><br />

19


Thoraxtrauma – Update<br />

e<strong>in</strong>er Sternumverletzung, muss als Zeichen e<strong>in</strong>er großen Instabilität gewertet werden. Die<br />

Analyse des knöchernen Skelettes <strong>in</strong> der Computertomographie des Polytraumas bedarf<br />

daher e<strong>in</strong>er außerordentlichen Sorgfalt. Komb<strong>in</strong>ationsverletzungen des Thorax mit der<br />

Wirbelsäule treten <strong>in</strong>sges<strong>am</strong>t <strong>in</strong> 18% auf.<br />

Verletzungen des Sternums treten <strong>in</strong>sbesondere bei angeschnallten Fahrern und bei<br />

Beifahrern auf, wie <strong>in</strong> Abb. 5 illustriert. In der Regel s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Verletzungen im seitlichen<br />

Röntgenbild zu erkennen, im E<strong>in</strong>zelfall jedoch auch nur durch e<strong>in</strong>e Computertomographie.<br />

Es handelt sich <strong>in</strong>sges<strong>am</strong>t um e<strong>in</strong>e seltene Verletzung mit 0,6% und e<strong>in</strong>er Mortalität von<br />

0,7%. Als wesentliche Begleitverletzungen treten retrosternale Hämatome auf, seltener<br />

Verletzungen der HWS, Rippenfrakturen und pulmonale Verletzungen.<br />

Sternoclaviculaluxationen f<strong>in</strong>det man <strong>in</strong>sbesondere bei seitlicher Krafte<strong>in</strong>wirkung, Verschüttung<br />

oder Quetschtrauma oder Sturz bei ausgestrecktem Arm. Sternoclaviculaluxationen<br />

können leicht <strong>über</strong>sehen werden und s<strong>in</strong>d häufig erst <strong>in</strong> der Computertomographie zu<br />

diagnostizieren. Die Komplikationsrate bei dorsalen Verletzungen ist mit 25% relativ hoch,<br />

anderseits ist <strong>die</strong> operative Therapie auch problematisch und führt immer zu kosmetisch<br />

bleibenden E<strong>in</strong>schränkungen.<br />

E<strong>in</strong>e häufige, <strong>in</strong>sbesondere bei Motorradfahrern auftretende schwere Begleitverletzung<br />

ist <strong>die</strong> sogenannte Float<strong>in</strong>g Shoulder. Die Float<strong>in</strong>g Shoulder bezeichnet e<strong>in</strong>e Instabilität<br />

der Aufhängung des Armes durch gleichzeitige Clavicula- und Scapulaverletzung (Abb. 6).<br />

Die Diagnose e<strong>in</strong>er Float<strong>in</strong>g Shoulder kann frühzeitig durch e<strong>in</strong>e erhebliche Hämatombildung<br />

festgestellt werden, wobei hier immer auch <strong>die</strong> Durchblutung des Armes nochmals<br />

<strong>über</strong>prüft werden muss. In E<strong>in</strong>zelfall muss hier auch e<strong>in</strong>e Angiographie erfolgen um e<strong>in</strong>e<br />

Subclavia- oder Axillarisverletzung auszuschließen. E<strong>in</strong>e Float<strong>in</strong>g Shoulder muss frühzeitig<br />

operativ stabilisiert werden, wobei hier je nach Situation entweder nur <strong>die</strong> Clavicula, nur <strong>die</strong><br />

Scapula oder beides operativ mittels Plattenosteosynthese stabilisiert werden muss.<br />

Zus<strong>am</strong>menfassend kann festgehalten werden, dass das Thoraxtrauma <strong>in</strong> annähernd 60%<br />

Bestandteil der Verletzung e<strong>in</strong>es schwer verletzten Patienten ist. Im Rahmen e<strong>in</strong>es standardisierten<br />

Schockraumprotokolls kann im Röntgenbild des Thorax und vor allem <strong>in</strong> der Computertomographie<br />

<strong>die</strong> Diagnostik der Thoraxverletzungen erfolgen. Hierbei ist neben den<br />

Parenchymverletzungen der Lunge vor allem an e<strong>in</strong>en Pneumothorax, Hämatothorax aber<br />

auch an knöcherne Verletzungen, <strong>in</strong>sbesondere der BrustwirbelsäuIe und des Sternums zu<br />

denken. Auch <strong>die</strong> angrenzenden Verletzungen des Schultergürtels s<strong>in</strong>d bei der kl<strong>in</strong>ischen<br />

Untersuchung mit zu berücksichtigen.<br />

Das standardisierte Therapiekonzept be<strong>in</strong>haltet e<strong>in</strong>e Lagerungstherapie mit optimierten<br />

Beatmungsprotokollen für <strong>die</strong> Lungenverletzungen, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e Verh<strong>in</strong>derung sekundärer<br />

Lungen<strong>in</strong>fektionen und Komplikationen vermeiden soll.<br />

Die Sternumverletzungen werden praktisch immer konservativ behandelt, <strong>in</strong>stabile Verletzungen<br />

der Brustwirbelsäule praktisch immer operativ, möglichst m<strong>in</strong>imal<strong>in</strong>vasiv und frühzeitig<br />

um e<strong>in</strong>e rasche Mobilisierung und Intensivbehandlung des Patienten zu ermöglichen.<br />

20


Thoraxtrauma – Update<br />

Die Verletzungen des Schultergürtels erfordern h<strong>in</strong>gegen e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dividuelle Behandlung mit<br />

dem Ziel e<strong>in</strong>er raschen Rehabilitation des Patienten.<br />

Literatur<br />

Frank J, Marzi I.<br />

Schockraummanagement.<br />

Zentralblatt für Chirurgie 121: 943-949, 1996<br />

Huber-Wagner S, Lefer<strong>in</strong>g R, Qvick LM, Körner M, Kay MV, Pfeifer KJ, Reiser M, Mutschler W,<br />

Kanz KG; Work<strong>in</strong>g Group on Polytrauma of the German Trauma Society.<br />

Effect of whole-body CT dur<strong>in</strong>g trauma resuscitation on survival: a retrospective,<br />

multicentre study.<br />

Lancet. 2009 Apr 25;373(9673):1455-61. Epub 2009 Mar 25.<br />

http://www.traumaregister.de/de/<strong>in</strong>dex.htm<br />

Kühne CA, Ruchholtz S, Voggenreiter G, Eggebrecht H, Paffrath T, Waydhas C,<br />

Nast-Kolb D; AG Polytrauma DGU<br />

Traumatische Aortenverletzungen beim Polytrauma<br />

Unfallchirurg. 2005, 108:279-87<br />

Marzi I, Risse N, Wierc<strong>in</strong>ski A, Rose S, Mutschler W. Thorax-Spiral CT <strong>in</strong> der Primärdiagnostik<br />

und Intensivbehandlung des Polytraumapatienten<br />

Langenbecks Arch Chir Suppl Kongressbd. 1996;113:928-30<br />

Waydhas C, S. Sauerland and AG Notfallmediz<strong>in</strong> der <strong>Deutsche</strong>n Gesellschaft für Unfallchirurgie<br />

Thoraxtrauma und Thoraxdra<strong>in</strong>age: Diagnostik und Therapie – E<strong>in</strong> systematisches Review<br />

Notfall & Rettungsmediz<strong>in</strong>, Volume 6, 2003<br />

Westhoff J and B<strong>in</strong>gold TM<br />

Intensivmediz<strong>in</strong>isches Behandlungsprotokoll bei Thoraxtrauma mit Lungenkontusion<br />

Trauma und Berufskrankheit, Volume 9, Number 3 / September 2007<br />

Waydhas C, Nast-Kolb D.<br />

Thoraxtrauma. Teil 1: Signifikanz – Symptome – Diagnostik<br />

Unfallchirurg. 2006, 109: 777-84<br />

Waydhas C, Nast-Kolb D.<br />

Thoraxtrauma. Teil 2: Management spezieller Verletzungen<br />

Unfallchirurg. 2006, 109(10):881-92<br />

21


Thoraxtrauma – Update<br />

Abb. 2: Risiko des Übersehens e<strong>in</strong>es ventralen Pneumothorax<br />

22<br />

Abb Abb.�1� 1 Röntgen<br />

Okkulter�ventraler�<br />

Pneumothorax�im�<br />

Nativ� Röntgen<br />

Röntgen g<br />

Abb. Abb.�2�a� 2 a Abb. Abb.�2�b 2 b<br />

Konventionelles�Röntgen CT<br />

Abb. 1: Schematische<br />

Darstellung e<strong>in</strong>es occulten<br />

ventralen Pneumathorax<br />

<strong>in</strong> der Nativ-<br />

Röntgendiagnostik. Durch<br />

e<strong>in</strong> Röntgenstrahlengang<br />

AP zeigt sich <strong>über</strong>all<br />

Lungengewebe. Der<br />

Pneumothorax ist nicht<br />

darstellbar. Auch das<br />

Röntgenbild seitlich<br />

würde e<strong>in</strong>en Pneumothorax<br />

nicht nachweisen, da<br />

e<strong>in</strong>seitig <strong>die</strong> Lunge voll<br />

ausgebildet ist und auf<br />

der Gegenseite nicht<br />

ausgebildet ist.<br />

Abb. 2a: Konventionelles Röntgenbild e<strong>in</strong>es Thoraxtrauma ohne erkennbaren Pneumothorax nur mit Hämatothorax<br />

auf der l<strong>in</strong>ken Seite<br />

Abb. 2b: Gleicher Patient mit Nachweis e<strong>in</strong>es Hämatothorax rechts und l<strong>in</strong>ks sowie Nachweis e<strong>in</strong>es beidseitigen<br />

ventralen Pneumothorax<br />

Diese beiden schematischen Zeichnungen belegen warum e<strong>in</strong>e CT Aufnahme <strong>in</strong> der Initialdiagnostik und <strong>in</strong> der<br />

Verlaufsdiagnostik des Polytraumas zum Ausschluss e<strong>in</strong>es Pneumothorax erforderlich ist.<br />

n<br />

Lungenstruktur<br />

L<br />

u<br />

n<br />

g<br />

e<br />

n<br />

s<br />

t<br />

r<br />

u<br />

k<br />

t<br />

u<br />

r


Abb Abb.�3� 3<br />

16,5<br />

Abb. 3: Unfallursachen bei Thoraxtrauma Unikl<strong>in</strong>ik Frankfurt 2007<br />

Abb.�4<br />

9,9<br />

Unfallursachen bei Thoraxtrauma [%]<br />

4,9<br />

�Rippenfrakturen�(meist�multipel)<br />

�Wirbelsäulenverletzungen<br />

�Wirbelsäulenverletzungen<br />

�Sternumfraktur<br />

�SC�Luxation,�AC�Verletzungen�<br />

�Claviculafraktur<br />

�Scapulafraktur<br />

�Komb<strong>in</strong>ationen<br />

�Komb<strong>in</strong>ationen<br />

3,8<br />

33 33,0 0<br />

8,2<br />

5,5<br />

Thoraxtrauma – Update<br />

18 18,1 1<br />

Fußgänger Radfahrer Motorrad PKW/LKW<br />

Sturz > 3m Sturz < 3m Suizid Gewalt<br />

Abb.�5<br />

Abb. 4: Knöcherne<br />

Verletzungen beim<br />

Thoraxtrauma<br />

Abb. 5: Sternumverletzung<br />

bei e<strong>in</strong>em 61jährigen<br />

Patienten mit Anpralltrauma<br />

<strong>am</strong> Lenkrad.<br />

Dislozierte Sternumfraktur<br />

im seitlichen Strahlengang<br />

23


Thoraxtrauma – Update<br />

Kontakt:<br />

24<br />

Abb.�6 Abb. 6: Float<strong>in</strong>g Shoulder bei<br />

e<strong>in</strong>em 26-jährigen Patienten mit<br />

Claviculafraktur und Skapulafraktur<br />

Marzi, Ingo, Prof. Dr. med.<br />

Direktor der Kl<strong>in</strong>ik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie<br />

Kl<strong>in</strong>ikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt <strong>am</strong> Ma<strong>in</strong><br />

Theodor-Stern-Kai 7, 60596 Frankfurt/M.


C. J. Schirren/Tra<strong>in</strong>er, Bad Nauheim<br />

Lungenverletzungen<br />

Manuskript lag zum Zeitpunkt des Drucks nicht vor.<br />

Thoraxtrauma – Update<br />

25


J. Ennker, Lahr<br />

Herzverletzungen und Verletzungen großer thorakaler Gefäße<br />

Autoren<br />

S. Bauer und J. Ennker<br />

Zus<strong>am</strong>menfassung<br />

Verletzungen des Brustkorbes <strong>in</strong> Form von penetrierenden Verletzungen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Deutschland<br />

immer noch e<strong>in</strong> seltenes Krankheitsbild. Bei Autounfällen kommt es bei 25% aller<br />

schweren Autounfälle zu e<strong>in</strong>er Mitbeteiligung des Brustkorbes. Von <strong>die</strong>sen 25% der<br />

verletzten Patienten zeigen <strong>in</strong> etwa 18% Mischbilder von Verletzungen der <strong>in</strong>trathorakalen<br />

Gefäße <strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ation mit Hämatothorax, <strong>in</strong>stabilem Thorax, Lungenverletzungen und<br />

Pneumothorax. Genau wie bei allen anderen Verletzungsmustern muss zunächst auch bei<br />

Verletzungen der Gefäße und des Herzens zunächst e<strong>in</strong>e Beurteilung des Unfallherganges<br />

und d<strong>am</strong>it e<strong>in</strong>e Abschätzung der e<strong>in</strong>gewirkten Kräfte durchgeführt werden. Aufgrund<br />

<strong>die</strong>ser Beurteilung des Unfallherganges kann darauf geschlossen werden, wie groß der<br />

Schaden im Brustkorb se<strong>in</strong> kann (1). So genannte Niedrigenergieverletzungen be<strong>in</strong>halten<br />

<strong>die</strong> Akzelerations- und Dezelerationstraumen sowie <strong>die</strong> peripheren Verletzungen durch<br />

langs<strong>am</strong>fliegende Geschosse. Mittel- und Hochenergieverletzungen f<strong>in</strong>den sich meistens <strong>in</strong><br />

Fromm von penetrierenden Thoraxverletzungen durch Hochgeschw<strong>in</strong>digkeitsgeschosse und<br />

Schusswaffen.<br />

Davon abzugrenzen s<strong>in</strong>d so genannte Crushverletzungen, bei denen es durch E<strong>in</strong>klemmung<br />

(Kompression mit hoher Kraft) des Körpers es zu Verletzungen der thorakalen Organe und<br />

Gefäße kommen kann.<br />

Im Gegensatz zur sonst üblichen Diagnosekette mit Untersuchung, Beurteilung der kl<strong>in</strong>ischen<br />

Situation, Bildgebung und Diagnosestellung, ist bei penetrierenden Verletzungen<br />

der großen Gefäße oder des Herzen unmittelbares Handeln angesagt. Die Diagnostik und<br />

Behandlung laufen bei <strong>die</strong>sen Krankheitsbildern parallel ab (7).<br />

Schlüsselworte:<br />

Aortenverletzung – Herzverletzung – Thoraxtrauma<br />

Thoraxtrauma – Update<br />

Summary<br />

Penetrat<strong>in</strong>g chest <strong>in</strong>juries are still a rare cl<strong>in</strong>ical picture <strong>in</strong> Germany. 25% of all serious road<br />

traffic accidents <strong>in</strong>volve the chest. About 18% of these 25% patients <strong>in</strong>jured show mixed<br />

pictures of <strong>in</strong>juries of the <strong>in</strong>trathoracic vessels <strong>in</strong> comb<strong>in</strong>ation with haemothorax, unstable<br />

thorax, lung <strong>in</strong>juries, and pneumothorax. As with all other <strong>in</strong>jury constellations, the course<br />

of events of an accident with trauma to the vessels and the heart must first be evaluated to<br />

assess the forces that acted on them. This evaluation enables us to estimate how severe the<br />

<strong>in</strong>trathoracic d<strong>am</strong>age actually is (1). So-called low energy <strong>in</strong>juries <strong>in</strong>clude acceleration and<br />

deceleration trauma, and peripheral <strong>in</strong>juries caused by low-velocity projectiles. Moderate<br />

27


Thoraxtrauma – Update<br />

to high energy <strong>in</strong>juries usually present as penetrat<strong>in</strong>g chest <strong>in</strong>juries caused by high velocity<br />

projectiles and firearms.<br />

These must be differentiated from crush <strong>in</strong>juries <strong>in</strong> which entrapment (compression with<br />

high forces) of the body can lead to <strong>in</strong>juries of the thoracic organs and vessels.<br />

In contrast to the otherwise standard diagnostic cha<strong>in</strong> with ex<strong>am</strong><strong>in</strong>ation, assessment of the<br />

cl<strong>in</strong>ical situation, imag<strong>in</strong>g, and diagnosis, immediate action is required for penetrat<strong>in</strong>g <strong>in</strong>juries<br />

of the major vessels or the heart. In these cl<strong>in</strong>ical pictures, diagnostics and treatment<br />

run parallel (7).<br />

Key words:<br />

aortic <strong>in</strong>jury, heart <strong>in</strong>jury, thoracic trauma<br />

Zur Anatomie des Thorax und der großen Gefäße im Thorax<br />

Das Herz ist <strong>in</strong>sges<strong>am</strong>t e<strong>in</strong> durch den knöchernen Brustkorb sehr gut geschütztes Organ.<br />

Jedoch ist es relativ elastisch im Brustkorb aufgehängt. Die Fixierung des Herzens erfolgt<br />

durch <strong>die</strong> großen venösen Gefäße, durch den l<strong>in</strong>ken Vorhof und durch <strong>die</strong> Hauptschlagader.<br />

Die Hauptschlagader selbst wird durch e<strong>in</strong>e Dreipunktfixierung im Brustkorb fixiert.<br />

Der e<strong>in</strong>e Fixationspunkt ist der Aortenannulus, er stellt zudem <strong>die</strong> Verb<strong>in</strong>dung zum Herzen<br />

dar. E<strong>in</strong> zweiter Fixpunkt ist das Lig<strong>am</strong>entum arteriosum, welches e<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung zur<br />

Pulmonalarterie herstellt. Und dann gibt es als dritten Fixierungspunkt den Hiatus aorticus,<br />

<strong>die</strong>s ist der Punkt, bei dem <strong>die</strong> Hauptschlagader durch das Zwerchfell tritt. Im Thorax f<strong>in</strong>den<br />

sich weiter <strong>die</strong> Vena cava superior, <strong>die</strong> Vena cava <strong>in</strong>ferior, <strong>die</strong> Arteria pulmonalis, <strong>die</strong> Venae<br />

pulmonales sowie den Oesophagus. Über <strong>die</strong> Lungenstrombahn und <strong>die</strong> Verletzungen der<br />

Lungen soll <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Zus<strong>am</strong>menfassung nicht e<strong>in</strong>gegangen werden.<br />

Nach der Häufigkeit werden nun <strong>die</strong> verschiedenen pathophysiologischen Zus<strong>am</strong>menhänge<br />

beim Thoraxtrauma mit kardiovaskulärer Beteiligung erläutert.<br />

Das <strong>am</strong> häufigsten vorkommende Krankheitsbild stellt <strong>die</strong> myokardiale Kontusion dar.<br />

Bei etwa 76% der Patienten mit schwerem Thoraxtrauma ist <strong>die</strong>se zu f<strong>in</strong>den. Sie betrifft<br />

meist den rechten Vorhof und den rechten Ventrikel. Im Ultraschall f<strong>in</strong>det sich bei <strong>die</strong>sem<br />

Krankheitsbild e<strong>in</strong>e Kontraktilitätsm<strong>in</strong>derung. Das <strong>am</strong> häufigsten auftretende kl<strong>in</strong>ische<br />

Krankheitsbild ist mit e<strong>in</strong>em Low Cardiac Output Syndrom unterschiedlicher Ausprägung<br />

vere<strong>in</strong>bar. Ausgelöst wird <strong>die</strong>ses Krankheitsbild durch e<strong>in</strong>e Veränderung der Erregbarkeit<br />

der Myokardzellen, <strong>die</strong> dann zu Rhythmusproblemen führt. Aufgrund <strong>die</strong>ser Arrhythmien<br />

kann es dann zu e<strong>in</strong>em zunehmenden Pumpversagen des Herzen kommen oder sogar zur<br />

Ausbildung e<strong>in</strong>es kardiogenen Schocks. Weitere direkte Traumata des Myokards können zudem<br />

zu e<strong>in</strong>em myokardialen Hämatom führen, welches sich dann bis zur Ausbildung e<strong>in</strong>er<br />

Myokardnekrose fortsetzen kann. Weitere konsekutive Probleme nach e<strong>in</strong>er myokardialen<br />

Kontusion s<strong>in</strong>d E<strong>in</strong>blutungen <strong>in</strong> das Epikard, <strong>die</strong> dann zu e<strong>in</strong>em Hämatoperikard und/oder<br />

zu e<strong>in</strong>er zunehmenden Perikardt<strong>am</strong>ponade führen können. Die kl<strong>in</strong>ischen Auswirkungen<br />

stellen sich oft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Schwellung der Brustwand (Hämatom der Pectoralismuskulatur) als<br />

Ausdruck des Thoraxtraums, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Tachykar<strong>die</strong> oder Rhythmusstörungen dar. Es können<br />

retrosternale Schmerzen ähnlich wie Ang<strong>in</strong>a pectoris Symptomatik auftreten.<br />

28


Thoraxtrauma – Update<br />

Besonders zu beachten s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Zus<strong>am</strong>menhang knöcherne Bruchverletzungen wir<br />

Rippen- oder sternale Frakturen.<br />

Perikardt<strong>am</strong>ponade<br />

Bei weniger als 2% aller schweren Thoraxtraumen tritt e<strong>in</strong>e Perikardt<strong>am</strong>ponade auf.<br />

Unter e<strong>in</strong>er Perikardt<strong>am</strong>ponade versteht man <strong>die</strong> Beh<strong>in</strong>derung der Herzfüllung durch<br />

Blut- oder andere Flüssigkeiten im geschlossenen Herzbeutel. Dadurch kommt es vor allem<br />

zu e<strong>in</strong>er Kompression der rechten Herzhöhle und e<strong>in</strong>er so genannten oberen und unteren<br />

E<strong>in</strong>flussstauung, da durch <strong>die</strong> Flüssigkeit oder Blut im Perikard <strong>die</strong> Füllung des rechten<br />

Herzens bee<strong>in</strong>trächtigt wird. Die Mortalität e<strong>in</strong>er Perikardt<strong>am</strong>ponade im Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es Thoraxtraumas<br />

ist sehr hoch. Die Gründe für <strong>die</strong> Ausbildung e<strong>in</strong>er Perikardt<strong>am</strong>ponade können<br />

<strong>die</strong> Verletzung e<strong>in</strong>er Koronararterie, e<strong>in</strong>e Kontusionsblutung aus dem Myokard oder e<strong>in</strong>e<br />

Blutung aus der Aorta se<strong>in</strong>.<br />

Pathophysiologisch wird das Herz im Herzbeutel durch das Blut komprimiert. Es kann davon<br />

ausgegangen werden, dass bereits 200-300 ml Blut erheblich <strong>die</strong> Kontraktilität des Herzens<br />

bee<strong>in</strong>trächtigen. E<strong>in</strong>e Therapieform stellt e<strong>in</strong>e Perikardiozentese dar, bei der bereits <strong>die</strong><br />

Abpunktion von 20 ml Flüssigkeit aus dem Perikard oft e<strong>in</strong>e erhebliche Verbesserung der<br />

Hämodyn<strong>am</strong>ik hervorrufen kann. Kl<strong>in</strong>isch kann e<strong>in</strong>e Perikardt<strong>am</strong>ponade aufgrund der<br />

Dyspnoe, e<strong>in</strong>er möglichen Zyanose mit oberer E<strong>in</strong>flussstauung sowie der so genannten<br />

Beck’schen Trias (Halsvenenstauung) leise Herztöne, Hypotension und niedrige Blut-<br />

druck<strong>am</strong>plitude festgestellt werden. Das Kussmaulzeichen, bei dem ke<strong>in</strong> Kollaps der Halsvenen<br />

bei der E<strong>in</strong>atmung zu sehen ist, e<strong>in</strong> paradoxer Impuls, Blutdruckabfall um mehr als<br />

10 mmHg während der E<strong>in</strong>atmung und das Oberflächen-EKG mit Amplitudenschwankungen<br />

können weitere H<strong>in</strong>weise für e<strong>in</strong>e Perikardt<strong>am</strong>ponade se<strong>in</strong>.<br />

Das größte diagnostische und <strong>am</strong> schnellsten herbeizuführende Diagnostikum stellt e<strong>in</strong>deutig<br />

<strong>die</strong> transthorakale oder transösophagiale Ultraschalluntersuchung des Thorax und des<br />

Herzens mit se<strong>in</strong>em Herzbeutel dar. Da <strong>die</strong>se oft unter Beatmung nur e<strong>in</strong>geschränkt möglich<br />

ist, empfiehlt sich auch <strong>in</strong> der <strong>die</strong>ser Konstellation nach Ausschluß e<strong>in</strong>er Oesophagusperforation<br />

<strong>die</strong> Durchführung e<strong>in</strong>es transoesophagialen Echos. Bei hämodyn<strong>am</strong>isch <strong>in</strong>stabilen<br />

Patienten sollte auf <strong>die</strong> Durchführung e<strong>in</strong>es CTs mit vorhergehendem Transport verzichtet<br />

werden.<br />

Die Therapie der Perikardt<strong>am</strong>ponade besteht dar<strong>in</strong>, <strong>die</strong>se so schnell als möglich zu entlasten.<br />

Dieses ist <strong>über</strong> e<strong>in</strong>e mediane Sternotomie oder <strong>über</strong> e<strong>in</strong>e l<strong>in</strong>kslaterale Thorakotomie<br />

möglich. E<strong>in</strong> subxyphoidaler Zugang kann ebenfalls gewählt werden.<br />

Ausbildung e<strong>in</strong>es Herzwandaneurysmas oder e<strong>in</strong>er Herzwandruptur:<br />

Dieses Krankheitsbild f<strong>in</strong>det sich nur bei extremsten Thoraxtraumata und <strong>die</strong>se beiden<br />

Enditäten treten oft sekundär als Folge e<strong>in</strong>es größeren Myokard<strong>in</strong>farktes im Rahmen des<br />

Traumas auf. Die H<strong>in</strong>weise auf <strong>die</strong>ses Krankheitsbildes stellen oft ausgeprägte Sternum-<br />

Und Serienfrakturen dar, es kommt fast regelmäßig zum Ausbilden e<strong>in</strong>er Perikardt<strong>am</strong>ponade<br />

und es können zudem Probleme an den Klappen auftreten wie z.B. Klappenrupturen,<br />

Sehenfadenabriß an den Klappen. Je nach dem welche Klappe betroffen ist, kommt es<br />

zum akut zum Auftreten e<strong>in</strong>es Rechts- oder L<strong>in</strong>ksherzversagens. Bei e<strong>in</strong>er Ruptur e<strong>in</strong>es<br />

29


Thoraxtrauma – Update<br />

Herzwandaneurysmas kommt es meistens nach e<strong>in</strong>em schweren <strong>in</strong>itialen Schmerzerereignis<br />

zum Erlöschen der Vitalzeichen des Patienten und Reanimationsmaßnahmen mit e<strong>in</strong>er<br />

externen Herz-Druck-Massage s<strong>in</strong>d erfolglos.<br />

Die Sterblichkeit an der freien Ruptur e<strong>in</strong>es Herzwandaneurysmas ist hoch und kann mit<br />

anekdotischem Überleben von Patienten <strong>am</strong> besten dargestellt werden.<br />

Traumatische Verletzungen der Gefäße<br />

Bei Akzelerations- oder Dezelerationstraumata kommt es nur bei sehr schweren Traumata<br />

zu e<strong>in</strong>er Verletzung der Aorta. Die Mortalität wird <strong>in</strong> der Literatur zwischen 85 und 95%<br />

angegeben. Wenn das <strong>in</strong>itiale Traumaereignis mit Ausbildung e<strong>in</strong>er gedeckten Aortenruptur<br />

oder Dissektion <strong>über</strong>lebt wird, dann beträgt <strong>die</strong> Mortalität 30% nach 6 Stunden und 50%<br />

nach 24 Stunden und 70% Mortalität nach e<strong>in</strong>er Woche. Die Verletzung konzentriert sich<br />

meist auf <strong>die</strong> Fixpunkte der Aorta, <strong>die</strong> wir ausführlich im E<strong>in</strong>leitungskapitel erläutert haben.<br />

Die Symptome stellen oft e<strong>in</strong>e rapide Verschlechterung der Vitalzeichen dar und als kl<strong>in</strong>ische<br />

Zeichen f<strong>in</strong>den sich e<strong>in</strong> Pulsdefizit zwischen der rechten und der l<strong>in</strong>ken oberen oder<br />

unteren Extremität. An weiteren vorstellbaren Gefäßverletzungen s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Ruptur der Vena<br />

cava superior oder <strong>in</strong>ferior an ihren Fixationspunkten <strong>in</strong>nerhalb des Thorax meist an den<br />

Durchtrittstellen durch das Perikard. Durch <strong>die</strong> Blutung aus den Venen kommt es eben-<br />

falls zum Ausbilden e<strong>in</strong>er Perikardt<strong>am</strong>ponade, <strong>in</strong>sbesondere <strong>die</strong> Kl<strong>in</strong>ik, <strong>die</strong> gleich ist wie<br />

bei e<strong>in</strong>er akuten Perikardt<strong>am</strong>ponade ist wegweisend. Bei E<strong>in</strong>riss von großen Gefäßen im<br />

Mediast<strong>in</strong>um tritt Blut <strong>in</strong>s Mediast<strong>in</strong>um aus und komprimiert zum Teil <strong>die</strong> großen venösen<br />

Gefäße und vor allem auch <strong>die</strong> Speiseröhre. Die Symptome s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> gleichen wie bei e<strong>in</strong>em<br />

penetrierenden Trauma mit Verletzung des Herzens und der Gefäße. Es kommt zur Hypovolämie<br />

und Ausbildung e<strong>in</strong>es Schocks. Im Röntgenbild ist e<strong>in</strong>e Verbreiterung des Mediast<strong>in</strong>ums<br />

sichtbar.<br />

Versorgung der Verletzungsarten <strong>am</strong> Herzen und den großen Gefäßen<br />

Je nach der Ausprägung und der hämodyn<strong>am</strong>ischen Auswirkung der Verletzung sollte e<strong>in</strong>e<br />

sofortige Versorgung der penetrierenden kardialen Verletzungen bzw. e<strong>in</strong>er penetrierenden<br />

Gefäßverletzung erfolgen. In der Regel können bei Stich- und Schussverletzungen des<br />

30<br />

Versorgung von Verletzungen mit Nähten und tangentialem<br />

Ausklemmen.<br />

Die Versorgung erfolgt <strong>in</strong> der Regel im Rahmen der Notfallbehandlung<br />

im Schockraum <strong>über</strong> e<strong>in</strong>e l<strong>in</strong>kslaterale großzügig<br />

durchgeführte Thorakotomie, bei der der Herzbeutel eröffnet<br />

wird und e<strong>in</strong>e digitale Kontrolle der Blutung durchgeführt<br />

werden kann (1, 3, 6, 7).<br />

Zur Kontrolle der Verletzung können auch Hilfsmittel wie<br />

Foley- oder Fogarthykatheter e<strong>in</strong>gesetzt werden, <strong>die</strong> im l<strong>in</strong>ken<br />

Cavum geblockt und an <strong>die</strong> <strong>in</strong>nere Herzwand zurückgezogen<br />

werden. D<strong>am</strong>it wird e<strong>in</strong> blutdichter Verschluß der penetrierenden<br />

Herzverletzung erzielt.


Thoraxtrauma – Update<br />

Herzens, sofern <strong>die</strong>se <strong>in</strong>itial <strong>über</strong>lebt werden, <strong>die</strong> Verletzungen des l<strong>in</strong>ken oder meist des<br />

rechten Ventrikels mit Nähten versorgt werden.<br />

Abb. Die Abbildungen zeigen <strong>die</strong> Versorgung von<br />

penetrierenden Verletzungen des Herzen, <strong>die</strong> via e<strong>in</strong>er<br />

lateralen Notfallthorakotomie mit e<strong>in</strong>em Fogarthykatheter<br />

gestoppt wurden (www.tauma.org)<br />

Die weiteren Vorgehensweisen bei e<strong>in</strong>er Thoraxverletzung mit Verdacht der Verletzung der großen Gefäße und<br />

des Herzens s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Algorhythmus obenstehend dargestellt.<br />

31


Thoraxtrauma – Update<br />

Kommt es zu e<strong>in</strong>er Hypotension oder zu e<strong>in</strong>er Ausbildung e<strong>in</strong>es Low Cardiac Output<br />

Syndroms, welches als Ursache e<strong>in</strong>e kardiale Verletzung oder e<strong>in</strong>e Verletzung e<strong>in</strong>es großen<br />

Gefäßes nach sich zieht, so werden <strong>die</strong> üblichen Notfallversorgungsmaßnahmen mit Legen<br />

von großlumigen Zugängen und Sicherung der Atemwege, Gabe von Volumen, Plasma-<br />

Expandern und Thoraxdra<strong>in</strong>agen durchgeführt.<br />

32


Thoraxtrauma – Update<br />

Ist e<strong>in</strong>e hämodyn<strong>am</strong>ische Stabilität zu erzielen, kann im OP e<strong>in</strong>e geordnete Versorgung<br />

bei parallel laufender Diagnostik durchgeführt werden. Ist <strong>die</strong> Hämodyn<strong>am</strong>ik des Patienten<br />

auch unter <strong>die</strong>sen Maßnahmen weiterh<strong>in</strong> <strong>in</strong>stabil, so sollte <strong>die</strong> Möglichkeit der Operation<br />

im Schockraum als sogenannte emergency department Thorakotomie (edT) angedacht werden<br />

(7). Ist e<strong>in</strong>e Notfallversorgung im Schockraum erfolgt, so wird der Patient dann anschließend<br />

nach hämodyn<strong>am</strong>ischer Stabilisierung und Initialversorgung der größten Verletzungen<br />

im OP endgültig versorgt (7). Des Weiteren ist bei der Verletzung von großen Gefäßen<br />

und des Herzens mit nachfolgender operativer Versorgung nach hämodyn<strong>am</strong>ischer Stabilisierung<br />

dann e<strong>in</strong>e weitere Fe<strong>in</strong>diagnostik erforderlich. Die Fe<strong>in</strong>diagnostik be<strong>in</strong>haltet e<strong>in</strong>e<br />

Darstellung der ges<strong>am</strong>ten Klappenfunktionen (5) des Herzens <strong>in</strong>cl. der Gefäßversorgung<br />

(Koronarangiographie). Es müssen zudem Defekte der <strong>in</strong>traartrialen und <strong>in</strong>tracavitären<br />

Septen ausgeschlossen werden. Bei Verletzungen der großen Gefäße s<strong>in</strong>d unbed<strong>in</strong>gt bildgebende<br />

Verfahren <strong>in</strong> Form von Angio-CT durchzuführen, so dass e<strong>in</strong>e genaue Darstellung<br />

der supraaortalen Äste des ges<strong>am</strong>ten Aortenrohres durchgeführt werden können (4,5,6).<br />

Stellen sich nach Akutversorgung von Gefäßen im Angio-CT weiterh<strong>in</strong> Pathologien dar, so<br />

können <strong>die</strong>se <strong>in</strong>terventionell mit Stents versorgt werden (5).<br />

Traumatische Aortenrupturen<br />

E<strong>in</strong>e traumatische Aortenruptur im Rahmen e<strong>in</strong>es Akzellerations- oder Dezellerationstraumas<br />

tritt meist nicht isoliert sondern oft im Rahmen e<strong>in</strong>es Polytraumas auf. Das Polytrauma<br />

entsteht meist durch <strong>die</strong> großen wirkenden Kräfte, denen der Patient ausgesetzt<br />

wird. Die Problematik der traumatischen Aortenruptur besteht dar<strong>in</strong>, dass <strong>die</strong> konventionelle<br />

chirurgische Versorgung mit Anschluß an <strong>die</strong> Herz-Lungen-Masch<strong>in</strong>e bei e<strong>in</strong>em<br />

polytraumatisierten Patienten oft zu großen Blutverlusten der meist frakturierten Becken-<br />

Oberschenkelgebieten führt, so dass schlussendlich <strong>in</strong>traoperativ e<strong>in</strong> hohes Risiko für den<br />

Patienten besteht, an der notwendigen gefäßchirurgischen Maßnahme zu verbluten (4,5,7).<br />

E<strong>in</strong>e Alternative hierzu stellen transaortal e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>genden bezogene Aortenstents dar, bei<br />

denen e<strong>in</strong>e Versorgung e<strong>in</strong>er traumatischen Aortenruptur endovaskulär möglich wird. Dieses<br />

Vorgehen hat bei <strong>die</strong>sem polytraumatisierten Patienten sicherlich Vorteile, setzt jedoch<br />

voraus, dass e<strong>in</strong> geeignetes Zentrum <strong>in</strong>nerhalb kürzester Zeit gefunden wird, welches <strong>in</strong> der<br />

Lage <strong>die</strong> traumatische Aortenruptur mit e<strong>in</strong>em Stentgraft zu versorgen und <strong>die</strong> bestehenden<br />

Begleitverletzungen adequat mitzuversorgen. Die Zentren für endovaskuläre Stentversorgung<br />

s<strong>in</strong>d meist an herzchirurgische Kl<strong>in</strong>iken angebunden (4, 7).<br />

E<strong>in</strong>e Versorgung e<strong>in</strong>er traumatischen Aortendissektion setzt daher zum e<strong>in</strong>en das Bereitstellen<br />

e<strong>in</strong>es kompletten OP-Saales sowie e<strong>in</strong>er kompletten Diagnostike<strong>in</strong>heit im OP voraus.<br />

Diese Voraussetzungen s<strong>in</strong>d nur mit Hilfe e<strong>in</strong>es sogenannten Hybridoperationssaales gegeben,<br />

<strong>in</strong> welchem sowohl <strong>die</strong> Diagnostik als auch <strong>die</strong> Versorgung sofort durchgeführt werden<br />

kann. Dieses ist bisher nur <strong>in</strong> wenigen Kl<strong>in</strong>iken <strong>in</strong> Deutschland der Regelfall.<br />

E<strong>in</strong> weitere Unsicherheit <strong>in</strong> der <strong>in</strong>terventionellen Versorgung <strong>die</strong>ses Krankheitsbildes ist,<br />

dass <strong>die</strong> Langzeitergebnisse der Stentversorgung bei akuter traumatischer Aortendissektion<br />

noch nicht klar s<strong>in</strong>d. Die akute Stentversorgung stellt jedoch zur Zeit für <strong>die</strong> Akutphase<br />

sicherlich <strong>die</strong> beste Möglichkeit dar, um <strong>die</strong> Aorta zum<strong>in</strong>dest temporär zu versorgen (4).<br />

33


Thoraxtrauma – Update<br />

Literatur:<br />

1. Asensio JA, Berne JD, Demetriades D, Chan L, Murray J, Falabella A, Gomez H, Chahwan S,<br />

Velmahos G, Cornwell EE, Belzberg H, Shoemaker W, Berne TV. One hundred five penetrat<strong>in</strong>g<br />

cardiac <strong>in</strong>juries: a 2-year prospective evaluation. J Trauma. 1998 Jun;44(6): 1073-82<br />

2. Asensio JA, Murray J, Demetriades D, Berne J, Cornwell E, Berne TV. Penetrat<strong>in</strong>g cardiac<br />

<strong>in</strong>juries: a prospective study of variables predict<strong>in</strong>g outcomes. J Am Coll Surg. 1998 Jan;<br />

186(1): 24-34<br />

3. Bizzarri F, Mattia C, Ricci M, Chirichilli I, Santo C, Rose D, Muzzi L, Pugliese G, Frati G,<br />

Sart<strong>in</strong>i P, Ferrari R, Della Rocca C, Laghi A. Traumatic aortic arch false aneurysm after<br />

blunt chest trauma <strong>in</strong> a motocross rider. J Cardiothorac Surg. 2008 May 1; 3:23.<br />

4. Semih Buz, Burkhart Zipfel, Sead Mulahasanovic, Miralem Pasic, Yuguo Weng, Roland<br />

Hetzer. Conventional surgical repair and endovascular treatment of acute traumatic aortic<br />

rupture. EurJCardThroac Surg 33 (2008) 143-151<br />

5. Da Col U, Di Lazzaro D, Di Manici G, Affronti A, Bardelli G, Di Bella I, Ragni T. Aortic valve<br />

repair after blunt chest trauma: repair of traumatic aortic valve rupture. J Card Surg. 2007<br />

May-Jun;22(3): 221-3.<br />

6. Degiannis E, Loogna P, Doll D, Bonanno F, Bowley DM, Smith MD. Penetrat<strong>in</strong>g cardiac<br />

<strong>in</strong>juries: recent experience <strong>in</strong> South Africa. World J Surg; 2006 Jul;30(7): 1258-64<br />

7. Navid F, Gleason TG. Great vessel and cardiac trauma: diagnostic and management<br />

strategies. Sem<strong>in</strong> Thorac Cardiovasc Surg. 2008 Spr<strong>in</strong>g;20(1): 31-8<br />

Kontakt:<br />

Ennker, Jürgen, Priv. Doz. Dr. med.<br />

Ärztlicher Direktor MediCl<strong>in</strong> Herzzentrum Lahr/Baden<br />

Chefarzt der Kl<strong>in</strong>ik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie<br />

Hohbergweg 2, 77933 Lahr<br />

34


II. Sitzung<br />

Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll –<br />

Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie<br />

– Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll –<br />

Vorsitz: K. H. W<strong>in</strong>ker, Erfurt/V. Ril<strong>in</strong>ger, Frankfurt<br />

S. Ruchholtz, Marburg/A. Hedtmann, H<strong>am</strong>burg<br />

Sonographie<br />

Manuskript lag zum Zeitpunkt des Drucks nicht vor.<br />

35


J. Blum, Worms<br />

Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll –<br />

Die Computertomographie <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – was ist wann s<strong>in</strong>nvoll?<br />

Zus<strong>am</strong>menfassung<br />

Die Computertomographie stellt e<strong>in</strong>en wesentlichen Bestandteil <strong>in</strong> der modernen unfall-<br />

chirurgischen Diagnostik dar. Sie verdrängt weder <strong>die</strong> unfallchirurgische An<strong>am</strong>nese-<br />

erhebung, noch <strong>die</strong> körperliche Untersuchung. Auch <strong>die</strong> konventionelle radiologische<br />

Diagnostik und Sonographie haben weiterh<strong>in</strong> ihren Stellenwert. Dennoch hat das CT <strong>in</strong>zwischen<br />

beim Polytrauma-Scan e<strong>in</strong>e führende Rolle e<strong>in</strong>genommen. Die CT-Diagnostik<br />

beim Thorax-, Abdomen-, Becken- und Wirbelsäulenverletzten, wie auch beim Schädel-<br />

Hirn-Trauma ermöglicht e<strong>in</strong>e professionelle E<strong>in</strong>schätzung und Therapieplanung.<br />

Bei komplexen Gelenkfrakturen, wie auch bei komplexen Hand- und Fußtraumen kommt<br />

dem CT e<strong>in</strong>e Schlüsselrolle zu. Bei den Schaftfrakturen langer Röhrenknochen ist sie von<br />

untergeordneter Bedeutung, bei der Rotationsbestimmung nach Frakturversorgung h<strong>in</strong>gegen<br />

kann <strong>die</strong> Bestimmung mit hoher Genauigkeit erfolgen.<br />

Dennoch muss ihre Indikation kritisch h<strong>in</strong>terfragt werden, jede nicht gerechtfertigte Anwendung<br />

stellt e<strong>in</strong>e unzulässige Körperverletzung dar, da es auch weiterh<strong>in</strong> viele Verletzungssituationen<br />

gibt, <strong>in</strong> denen <strong>die</strong> Computertomographie ke<strong>in</strong>e wesentliche Information für e<strong>in</strong><br />

verbessertes Ausheilungsergebnis bietet.<br />

Schlüsselworte<br />

Computertomographie, Spiral-CT, Polytrauma, Gelenkfraktur, Wirbelfraktur, Beckenfraktur<br />

Summary<br />

Computerized Tomography <strong>in</strong> Trauma Surgery – what makes sense and when?<br />

Computerized tomography today is an <strong>in</strong>tegral part of modern diagnostics <strong>in</strong> trauma surgery.<br />

It does not substitute trauma history tak<strong>in</strong>g or physical ex<strong>am</strong><strong>in</strong>ation. Furthermore conventional<br />

radiological diagnostics and ultra-sounds have their relevant stand<strong>in</strong>g even today.<br />

Nevertheless CT has now the lead<strong>in</strong>g role <strong>in</strong> polytrauma-scann<strong>in</strong>g.<br />

CT-diagnostics <strong>in</strong> thoracic, abdom<strong>in</strong>al, pelvic and sp<strong>in</strong>e <strong>in</strong>juries, as well as <strong>in</strong> acute head<br />

trauma enhance a professional prognosis and therapy plan<strong>in</strong>g.<br />

In complex jo<strong>in</strong>t fractures, as also <strong>in</strong> complex hand and foot trauma CT has a key-role. In<br />

long bone diaphyseal fractures its significance is low, but the evaluation of rotational errors<br />

after fracture treatment can be performed with high precision.<br />

Nevertheless the <strong>in</strong>dication for a CT-scan must be questioned critically, s<strong>in</strong>ce not <strong>in</strong>dicated<br />

applications mean a violation of body <strong>in</strong>tegrity, s<strong>in</strong>ce there are without doubt many <strong>in</strong>jury<br />

situations where computer tomography will not offer significant <strong>in</strong>formation <strong>in</strong> order to<br />

reach an optimized treatment result.<br />

37


Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll –<br />

Keywords<br />

Computertomography, spiral-CT, polytrauma, articular fracture, sp<strong>in</strong>e fracture, pelvic<br />

fracture<br />

1. E<strong>in</strong>leitung – Computertomographie <strong>in</strong> der Unfallchirurgie<br />

Die Computertomographie (CT) ist heute aus dem unfallchirurgischen Alltag <strong>in</strong> Deutschland<br />

nicht mehr wegzudenken. Kaum e<strong>in</strong> kl<strong>in</strong>isch tätiger Unfallchirurg sieht für sich e<strong>in</strong>e professionelle<br />

Arbeitsplattform, wenn er nicht unmittelbar auf e<strong>in</strong> CT zugreifen kann. Genauso<br />

werden <strong>die</strong> D-Ärzte im niedergelassenen Bereich e<strong>in</strong>e enge Kooperation mit radiologischen<br />

Praxen e<strong>in</strong>gehen, <strong>die</strong> <strong>über</strong> e<strong>in</strong>en Computertomographen verfügen.<br />

In erster L<strong>in</strong>ie <strong>die</strong>nt das CT hierbei als primäres diagnostisches Werkzeug, welches entscheidende<br />

Informationen <strong>in</strong> der Entscheidungsf<strong>in</strong>dung e<strong>in</strong>er adäquaten Therapie bei Verletzungen<br />

liefern soll. Andererseits bestehen klare Anhaltspunkte, wo das CT auch nach<br />

e<strong>in</strong>er primären Therapie <strong>in</strong> der Beurteilung des weiteren Verlaufes hilfreiche Details liefert.<br />

Speziellen Zentren vorbehalten ist der <strong>in</strong>traoperative E<strong>in</strong>satz e<strong>in</strong>es Computertomographen,<br />

wenn es um operationsbezogene Details geht, <strong>die</strong> durch konventionelles Röntgen nicht<br />

erreichbar s<strong>in</strong>d.<br />

Der Unfallchirurg erwartet pr<strong>in</strong>zipiell von den schichtweisen Darstellungen e<strong>in</strong>es CTs Verletzungsdetails,<br />

<strong>die</strong> er durch An<strong>am</strong>nese und körperliche Untersuchung, aber auch konventionelles<br />

Röntgen und Sonographie oder andere diagnostische Verfahren nicht <strong>in</strong> gleicher<br />

Klarheit und Sichtweise erhalten kann. Er verspricht sich, dadurch e<strong>in</strong> besseres Verständnis<br />

für <strong>die</strong> Verletzungsform und –schwere, für <strong>die</strong> d<strong>am</strong>it erbundenen dreidimensionalen Verletzungsrelationen<br />

und somit auch für <strong>die</strong> günstigste und an <strong>die</strong> <strong>in</strong>dividuelle Verletzung<br />

optimal angepasste Therapiewahl, e<strong>in</strong>schließlich der Operationsplanung vor Osteosynthesen,<br />

zu erwerben.<br />

Diese Erwartung ist genährt durch <strong>die</strong> Tatsache, dass <strong>die</strong> Computertomographie aufgrund<br />

ihrer axialen Schnittebenen, ihrer <strong>über</strong>lagerungsfreien Darstellung und der Möglichkeit der<br />

Beurteilung der Organe und Weichteile, wie auch der relativ e<strong>in</strong>fachen Lagerung des Verletzten<br />

bedeutende Vorteile gegen<strong>über</strong> der konventionellen Röntgendiagnostik besitzt.<br />

Bewusst wurde <strong>die</strong> Reihenfolge der diagnostischen Sequenz mit An<strong>am</strong>nese und körperlicher<br />

Untersuchung angeführt. Die Gefahr <strong>in</strong> der Verwendung e<strong>in</strong>er bee<strong>in</strong>druckenden und<br />

hochtechnisierten diagnostischen Methode, wie der CT, liegt <strong>in</strong> der Versuchung, klassische<br />

Verfahren, wie <strong>die</strong> Erhebung der Unfallan<strong>am</strong>nese, aber auch der exakten und umfassenden<br />

körperlichen Untersuchung zu unterschätzen. Es muss auch von den unfallchirurgischen<br />

Ausbildern sicherlich <strong>in</strong> der Gegenwart und Zukunft weiter darauf Wert gelegt werden,<br />

<strong>die</strong>se Priorität zu verdeutlichen.<br />

Die E<strong>in</strong>ordnung der CT nach dem konventionellen Röntgen und m<strong>in</strong>imal-<strong>in</strong>vasiven Sonographie<br />

ist sicher heute noch für das Monotrauma gültig, hat aber durch <strong>die</strong> technische und<br />

logistische Weiterentwicklung der Spiral-Computertomographie und des d<strong>am</strong>it verbunde-<br />

38


Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll –<br />

nen „Traumascans“ beim Schwerverletzten und polytraumatisierten Patienten e<strong>in</strong>e deutliche<br />

E<strong>in</strong>schränkung erfahren.<br />

Gegen<strong>über</strong> dem polypragmatischen Gebrauch der CT <strong>in</strong> der Unfallchirurgie sei auf<br />

deren heute noch hohe Strahlungsexposition, aber auch je nach Modell längere Untersuchungszeiten<br />

und höhere Anfälligkeit gegen<strong>über</strong> Bewegungs- und Metallartefakten<br />

h<strong>in</strong>gewiesen.<br />

2. Computertomographie beim Schädel-Hirn-Trauma<br />

Schon Ende des 70er Jahre konnte nachgewiesen werden, dass der E<strong>in</strong>satz der Computertomographie<br />

<strong>die</strong> Prognose bei Schädel-Hirn-Traumen wesentlich verbessert hat. Zwar kann<br />

<strong>die</strong> native Röntgendiagnostik wesentliche H<strong>in</strong>weise auf das Vorliegen von Schädelfrakturen<br />

liefern, wodurch ggf. auf <strong>in</strong>trakranielle Läsionen geschlossen werden kann. Nicht selten<br />

werden solche Frakturen erst bei der CT-Untersuchung entdeckt, wobei der wichtigste <strong>in</strong>formative<br />

diagnostische Gew<strong>in</strong>n <strong>die</strong> Detektion epiduraler, subduraler oder subarachnoidaler<br />

Blutungen, <strong>in</strong>tracranieller Kontusionen, Verletzungen der Gehirnsubstanz und <strong>die</strong> Verlagerung<br />

von Gehirnanteilen darstellt. Die daraus abgeleitete Information zur Entscheidung<br />

<strong>über</strong> konservative oder operative Maßnahmen ist fund<strong>am</strong>ental, <strong>die</strong> Frage, ob <strong>die</strong> CT bei<br />

Schädel-Hirn-Traumen s<strong>in</strong>nvoll ist, wird weltweit mit „Ja“ beantwortet. H<strong>in</strong>zu kommt <strong>die</strong><br />

deutlich bessere Beurteilungsqualität von Verletzungen des Gesichtsschädels im Vergleich<br />

zur nativen Röntgendiagnostik.<br />

Wann <strong>die</strong> Computertomographie bei Schädel-Hirn-Traumen s<strong>in</strong>nvoll ist, hängt von der<br />

Verletzungsschwere und den d<strong>am</strong>it verbundenen äußeren wie auch neurologischen Verletzungszeichen<br />

ab, was wiederum <strong>die</strong> Wichtigkeit der Erhebung von (hier meist Fremd-)<br />

An<strong>am</strong>nese und körperlich-neurologischer Untersuchung belegt. Sicherlich uns<strong>in</strong>nig ist<br />

<strong>die</strong> Computertomographie bei Schädel-Hirn-Traumen ersten Grades, allerd<strong>in</strong>gs sollte bei<br />

Zweifeln e<strong>in</strong>es höhergradigen Schädel-Hirn-Traumas direkt e<strong>in</strong>e Computertomographie<br />

angestrebt werden.<br />

Zeigt <strong>die</strong> primäre CT e<strong>in</strong>e deutliche Diskrepanz zwischen neurologischer Schwere und<br />

e<strong>in</strong>em weitgehend unauffälligen CT, so planen wir hier e<strong>in</strong>e Kontroll-CT <strong>in</strong>nerhalb der<br />

nächsten 6–12 Stunden an, bei Befundverschlechtung auch entsprechend früher.<br />

Die Notwendigkeit weiterer Kontrolluntersuchungen auch nach erfolgter Therapie ist<br />

abhängig vom Verlauf.<br />

3. Computertomographie beim Polytrauma e<strong>in</strong>schließlich Thorax- und<br />

Abdom<strong>in</strong>altrauma<br />

Die Weiterentwicklung des Spiral-CT ermöglichte es bereits <strong>in</strong> den frühen 90er Jahren,<br />

<strong>die</strong> Computertomographie auch <strong>in</strong> der Akutdiagnostik polytraumatisierter Patienten e<strong>in</strong>zusetzen.<br />

War d<strong>am</strong>als noch mit deutlichen Schwierigkeiten, wie logistische Probleme, lange<br />

Untersuchungszeiten, ungeübtes Personal und hohem Datenanfall bei niedrigen Speicher-<br />

39


Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll –<br />

kapazitäten zu kämpfen, so haben sowohl <strong>die</strong> bee<strong>in</strong>druckenden technologischen Fortschritte<br />

wie auch <strong>die</strong> Erstellung s<strong>in</strong>nvoller Untersuchungs-Algorithmen, ausgefeilte logistische<br />

Konzepte und <strong>die</strong> d<strong>am</strong>it verbundene Schulung aller Beteiligten zu e<strong>in</strong>er nun rout<strong>in</strong>ierten<br />

Anwendung des CT-Traumascans geführt.<br />

Der E<strong>in</strong>satz der Computertomographie ist somit heute bei polytraumatisierten Patienten<br />

als s<strong>in</strong>nvoll e<strong>in</strong>zustufen. Die Frage nach dem „wann?“ ist auch e<strong>in</strong>deutig zu benennen.<br />

Sobald nach der Bergungsphase <strong>am</strong> Unfallort und der primären Stabilisierungsphase im<br />

Schockraum möglich, muss zügig der Traumascan durchgeführt werden. Die daraus neben<br />

der Verletzungs<strong>über</strong>sicht mögliche Fe<strong>in</strong>diagnostik <strong>am</strong> CT-Bildschirm kann dann parallel<br />

zur Überleitung des Unfallverletzten <strong>in</strong> den OP erfolgen.<br />

Dennoch sollte <strong>die</strong> Indikationsstellung zum Ganzkörper-Traumascan auf ihre Berechtigung<br />

<strong>über</strong>prüft werden, denn auch mit modernen Geräten besteht e<strong>in</strong>e nicht ger<strong>in</strong>ge Strahlenexposition.<br />

Die Auflösung der Übersichtsprogr<strong>am</strong>me des Spiral-CT muss hoch genug se<strong>in</strong>,<br />

um konventionelle Röntgenaufnahmen zu ersetzen, <strong>die</strong> Scan- und Rechenzeiten müssen so<br />

kurz wie möglich se<strong>in</strong>. Das Gerät muss sehr nahe <strong>am</strong>, im idealen Fall sogar im Schockraum<br />

<strong>in</strong>tegriert se<strong>in</strong>. 24-Stunden täglich verfügbares Fachpersonal muss hochwertig geschult zur<br />

Verfügung stehen.<br />

Neben dem primären Traumascan beim polytraumatisierten Patienten kann im weiteren<br />

Verlauf e<strong>in</strong>e zweite Computertomographie notwendig werden, wenn es um <strong>die</strong> Versorgung<br />

aufschiebbarer Verletzungsfolgen geht, wie beispielsweise epi- und metaphysärer Frakturen,<br />

<strong>die</strong> nun nach e<strong>in</strong>igen Tagen ihre def<strong>in</strong>itive Osteosynthese erfordern und bei denen der<br />

Datensatz des Traumscans noch nicht befriedigende Detailtreue bietet.<br />

4. Computertomographie bei Wirbelsäulenverletzungen<br />

Verletzungen, und hierbei <strong>in</strong>sbesondere Frakturen der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule,<br />

treten sowohl als Monoverletzungen, als auch im Kontext e<strong>in</strong>es Polytraumas auf.<br />

Bei Letzteren werden <strong>die</strong>se <strong>in</strong> der Regel im Rahmen des Traumascans erkannt und auch im<br />

Wesentlichen bereits klassifizierbar. Bei den Monoverletzungen, <strong>in</strong>sbesondere bei jenen<br />

ohne neurologische Symptomatik, ist <strong>die</strong> Computertomographie nicht das primäre diagnostische<br />

Mittel, sondern <strong>die</strong> konventionelle Radiologie.<br />

In Fokus des diagnostischen und therapeutischen Interesses stehen <strong>die</strong> Wirbelkörperh<strong>in</strong>terkante<br />

und der knöcherne Sp<strong>in</strong>alkanal.<br />

Bei <strong>in</strong>stabilen Frakturen streben wir zügig <strong>die</strong> Computertomographie an. Wenn konventionell<br />

ke<strong>in</strong> Verdacht auf e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>stabile Frakturform, aber dennoch e<strong>in</strong>e neurologische Symptomatik<br />

vorliegt oder sich rasch entwickelt, so ist e<strong>in</strong>e Computertomographie direkt <strong>in</strong>diziert.<br />

Nicht selten wird beispielsweise e<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>terkantenbeteiligung mit Kompression erst im<br />

CT erkannt. Sagittale, koronare oder paraaxiale Rekonstruktionen erlauben es oft, das Verletzungsausmaß<br />

besser zu erfassen.<br />

Die Untersuchung sollte Knochen- und Weichteilfenster be<strong>in</strong>halten, um auch begleitende<br />

Hämatome etc. erkennen zu können.<br />

40


Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll –<br />

Sowohl nach konservativem Vorgehen, wie auch bei operativer Stabilisierung wird <strong>die</strong><br />

Computertomographie ihren hohen Stellenwert zur Verlaufsbewertung behalten, da sie<br />

Details offenbart, <strong>die</strong> im konventionellen Röntgen nicht so e<strong>in</strong>deutig zu bewerten s<strong>in</strong>d. Dies<br />

gilt selbst bei e<strong>in</strong>er gewissen E<strong>in</strong>schränkung durch Metallartefakte wie nach der Pedikel-<br />

und Wirbelkörper<strong>in</strong>strumentierung oder Cage-Implantation.<br />

Wenig hilfreich ist <strong>die</strong> Computertomographie <strong>in</strong> der Klärung der Frage nach alten oder<br />

frischen Frakturen, <strong>in</strong>sbesondere bei den osteoporotischen Frakturen. Hier ist <strong>die</strong> MRT<br />

vorzuziehen.<br />

5. Computertomographie bei Verletzungen des Beckens und Hüftgelenkes<br />

Schwere Becken- und Azetabulumfrakturen treten meist im Rahmen e<strong>in</strong>es Polytraumas auf,<br />

so dass hier bereits im Rahmen des Traumascans deren vitale Bedrohlichkeit und Verknüpfung<br />

mit <strong>in</strong>trapelv<strong>in</strong>en Organ- und Weichteilverletzungen erkannt werden kann. Zum<strong>in</strong>dest<br />

kann hierbei <strong>in</strong> der Regel <strong>die</strong> Frage nach der Notwendigkeit e<strong>in</strong>es Beckenfixateurs oder<br />

e<strong>in</strong>er Beckenzw<strong>in</strong>ge zus<strong>am</strong>men mit dem kl<strong>in</strong>ischen Bild des Patienten sehr rasch entschieden<br />

werden. Moderne Computertomographen erlauben <strong>in</strong> der Regel auch <strong>die</strong> verfe<strong>in</strong>erte<br />

Auswertung der Datensätze e<strong>in</strong>schließlich drei-dimensionaler Rekonstruktionen, so dass<br />

auch für <strong>die</strong> def<strong>in</strong>itiven anspruchsvollen Osteosynthesen <strong>die</strong> nötige Information verfügbar<br />

ist.<br />

Auch für <strong>die</strong> geplante Versorgung solcher Frakturen ausserhalb der primären Notfallsituation<br />

halten wir <strong>die</strong> Computertomographie für unerlässlich. Die alle<strong>in</strong>ige Verwendung<br />

konventioneller Ala- und Obturator- bzw. Inlet- und Outletaufnahmen zus<strong>am</strong>men mit der<br />

Becken<strong>über</strong>sicht wird als nicht ausreichend angesehen.<br />

Gleiches gilt für Frakturen des Hüftkopfes (Pipk<strong>in</strong>-Frakturen), <strong>die</strong> durch e<strong>in</strong>e CT verfe<strong>in</strong>ert<br />

untersucht und klassifiziert wird, bevor das operative Konzept festgelegt wird.<br />

Bei den Verletzungen des Beckens und Hüftgelenkes und deren konservativer oder eher<br />

operativer Versorgung spielt <strong>die</strong> Computertomographie auch im Verlauf e<strong>in</strong>e Rolle sowohl<br />

bei der Beurteilung von Frakturfragmentrepositionen und –alignement, wie auch bezüglich<br />

der e<strong>in</strong>liegenden Implantate. Beispielsweise <strong>die</strong> korrekte Lage von Sakralschrauben oder<br />

<strong>die</strong> extraartikuläre Position von Schrauben im Rahmen der Azetabulumplattenosteosynthese<br />

lässt sich nur im CT e<strong>in</strong>deutig klären.<br />

Bei Osteotomien fehlverheilter Becken- oder Azetabulumfrakturen ist <strong>die</strong> Computertomographie<br />

unbed<strong>in</strong>gte Vorraussetzung <strong>in</strong> der Operationsplanung.<br />

6. Computertomographie bei Gelenkverletzungen<br />

Die Computertomographie ist e<strong>in</strong>e anerkannte Doma<strong>in</strong>e <strong>in</strong> der Beurteilung und Operationsplanung<br />

epi- und metaphysärer Frakturen an Schulter, Ellenbogen, Handgelenk und Hand,<br />

Kniegelenk, Sprunggelenk und Fuß. In der Regel besteht bei den geschlossenen Frakturen<br />

41


Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll –<br />

auch genügend Zeit, <strong>die</strong>se Untersuchung geplant und ohne Zeitdruck durchzuführen. Da <strong>die</strong><br />

Maxime <strong>in</strong> der operativen Behandlung solcher Frakturen <strong>die</strong> anatomische und stufenfreie<br />

Wiederherstellung der Gelenkflächen und ihrer räumlichen Ausrichtung liegt, erfordert <strong>die</strong>s<br />

e<strong>in</strong> Detailwissen der Frakturform und -klassifikation, das <strong>in</strong> der Regel durch konventionelle<br />

Röntgendiagnostik, aber oft auch durch den direkten E<strong>in</strong>blick während der Operation nicht<br />

zu erreichen ist.<br />

Selbst bei den sehr häufigen, aber teilweise unterschätzen Frakturformen, wie beispielsweise<br />

den distalen Radiusfrakturen und den proximalen Humerusfrakturen lässt sich e<strong>in</strong><br />

Trend h<strong>in</strong> zum vermehrten E<strong>in</strong>satz der Computertomographie zur Operationsplanung erkennen.<br />

Dies korreliert mit den <strong>in</strong>zwischen höheren Operationsfrequenzen solcher Frakturen.<br />

Natürlich muss der CT-E<strong>in</strong>satz auch hier begründet se<strong>in</strong>. E<strong>in</strong> weitgehend undislozierte<br />

subcapitale Humerusfraktur oder e<strong>in</strong>e isolierte re<strong>in</strong> extraartikuläre distale Radiusfraktur<br />

wird selten e<strong>in</strong> CT erfordern. Allerd<strong>in</strong>gs je komplexer und Gelenkflächen-bezogener <strong>die</strong><br />

Fraktur, umso mehr muss <strong>die</strong> Frage nach e<strong>in</strong>er CT <strong>über</strong>legt werden - <strong>die</strong>s <strong>in</strong>sbesondere bei<br />

jungen und sportlich <strong>am</strong>bitionierten Patienten.<br />

Komplexe Verletzungen des Schultergürtels, <strong>in</strong>sbesondere auch der Schultergelenkspfanne,<br />

s<strong>in</strong>d ohne CT kaum sachgerecht e<strong>in</strong>zustufen. Als Screen<strong>in</strong>g nach re<strong>in</strong>en Schulterluxationen<br />

ist h<strong>in</strong>gegen das MRT <strong>über</strong>legen.<br />

Proximale Tibiafrakturen, wie auch Frakturen des Pilon tibiale stellen nahezu immer e<strong>in</strong>e<br />

Indikation zur computertomographischen Untersuchung dar, <strong>in</strong>sbesondere wenn sie epiphysärer<br />

Natur s<strong>in</strong>d.<br />

Die früher geübte Praxis, auch Knieb<strong>in</strong>nenverletzungen mittels CT (und ggf. <strong>in</strong>traartikulärer<br />

Insufflation) zu untersuchen, ist weitgehend durch <strong>die</strong> Überlegenheit des MRT verlassen<br />

worden.<br />

Frakturen der Handwurzel, Fußwurzel wie auch des Rückfußes s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Regel als Gelenkfrakturen<br />

e<strong>in</strong>zustufen. Hier besitzt <strong>die</strong> Computertomographie e<strong>in</strong>en hohen Stellenwert.<br />

Unstrittig ist seit vielen Jahren <strong>die</strong> CT-Diagnostik bei Rückfußfrakturen. Die Komplexizität<br />

von Calcaneus-, aber auch Talusfrakturen und -luxationen ist mit konventionellen Röntgenaufnahmen,<br />

oft auch mit Spezialaufnahmen wie z.B. nach Broden nur unzureichend zu<br />

erfassen. Das gleiche gilt für komplexe Komb<strong>in</strong>ationsverletzungen mit Luxationen des<br />

Rück-, Mittel- und Vorfußes, wo für uns e<strong>in</strong>e CT obligat ist.<br />

Analog ist <strong>die</strong>s auf <strong>die</strong> Handwurzel zu <strong>über</strong>tragen. Auch bei den Scaphoidfrakturen ist der<br />

Anspruch an e<strong>in</strong>e perfekte anatomische Rekonstruktion gestiegen, so dass der Trend deutlich<br />

wird, <strong>die</strong> Diagnostik nicht nur auf <strong>die</strong> Scaphoid-Quartett-Spezialaufnahmen zu begrenzen,<br />

sondern e<strong>in</strong>e Computertomographie zur Operationsplanung voranzustellen.<br />

H<strong>in</strong>gegen ist bezüglich der Frage nach Weichteilverletzungen, wie beispielsweise Verletzungen<br />

des TFCC, <strong>die</strong> MRT e<strong>in</strong>deutig <strong>über</strong>legen.<br />

Die technischen Möglichkeiten moderner Computertomographen erlauben <strong>in</strong> der Regel <strong>die</strong><br />

spektakuläre und animierte dreidimensionale Rekonstruktions-Darstellung. Sicherlich kann<br />

dadurch für e<strong>in</strong>e Reihe von komplexen Frakturtypen e<strong>in</strong>e nahezu reelle Sichtweise erzeugt<br />

werden, <strong>die</strong> im Gegensatz zur <strong>in</strong>tellektuellen Komb<strong>in</strong>ation e<strong>in</strong>zelner (zweidimensioneller)<br />

42


Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll –<br />

Schnittebenen leichter und gefälliger ersche<strong>in</strong>t. Dennoch ersetzt <strong>die</strong>s nicht <strong>die</strong> Bildbetrachtung<br />

klassischer CT-Schnitte, da hier manche Operationsschritte weit besser und tiefgreifender<br />

geplant werden können, weil Überlagerungseffekte wegfallen.<br />

7. Computertomographie bei Schaftfrakturen langer Röhrenknochen<br />

Die diaphysären Frakturen langer Röhrenknochen werden beim Polytraumatisierten <strong>in</strong> der<br />

Regel im Traumascan erkannt. Dennoch ist das CT nicht <strong>die</strong> Methode der Wahl oder e<strong>in</strong><br />

Regelzusatz <strong>in</strong> der Diagnostik solcher Frakturen. Auch heute noch ist weitgehend das konventionelle<br />

Röntgen <strong>in</strong> zwei Ebenen ausreichend. Die CT-basierte Navigation diaphysärer<br />

Frakturen langer Röhrenknochen spielt e<strong>in</strong>e marg<strong>in</strong>ale Rolle.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs <strong>die</strong>nt <strong>die</strong> CT durchaus <strong>in</strong> der postoperativen Rotationskontrolle, <strong>in</strong>sbesondere<br />

von Femurfrakturen, wenn hier Zweifel angezeigt s<strong>in</strong>d.<br />

8. Fazit<br />

Die Computertomographie ist <strong>in</strong> der Unfallchirurgie etabliert. Als Unterstützung <strong>in</strong> der Diagnostik<br />

und E<strong>in</strong>schätzung von Verletzungsfolgen ist sie heute von hoher Wichtigkeit, für <strong>die</strong><br />

Planung und Kontrolle unfallchirurgischer Therapien <strong>in</strong> vielen Fällen unerlässlich. Dennoch<br />

muss ihre Indikation kritisch h<strong>in</strong>terfragt werden, jede nicht gerechtfertigte Anwendung stellt<br />

e<strong>in</strong>e unzulässige Körperverletzung dar, da es auch weiterh<strong>in</strong> viele Verletzungssituationen<br />

gibt, <strong>in</strong> denen <strong>die</strong> Computertomographie ke<strong>in</strong>e wesentliche Information für e<strong>in</strong> verbessertes<br />

Ausheilungsergebnis bietet.<br />

Wünschenswert wäre für <strong>die</strong> CT-Entwicklung e<strong>in</strong>e weitere Verbesserung der Arbeitsgeschw<strong>in</strong>digkeit<br />

und Verlässlichkeit, der Detailtreue, aber auch der Preisgünstigkeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Welt zunehmend knapperer Mittel <strong>in</strong> der Krankenhaus- und Praxislandschaft.<br />

Literatur<br />

Bücheler E., Lackner K.-J., Thelen M.: E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>die</strong> Radiologie: Diagnostik und<br />

Intervention<br />

Thieme, Stuttgart 2005<br />

Choudhury M.Z.B. et al.: An observational study of computed tomography (CT) ex<strong>am</strong><strong>in</strong>ation<br />

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Löw R., D<strong>über</strong> C., Schweden F., Lehmann L., Blum J., Thelen M.: Ganzkörper-Spiral-CT zur<br />

Primärdiagnostik polytraumatisierter Patienten unter Notfallbed<strong>in</strong>gungen<br />

Fortschr. Röntgenstr. (1997) 166: 382-388<br />

43


Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll –<br />

Löw R., D<strong>über</strong> C., Kreitner K. F., Blum J., Rommens P. M., Schweden F., Thelen M.<br />

Radiologische Diagnostik polytraumatisierter Patienten – Management unter Verwendung<br />

der Ganzkörper-Spiral-Computertomographie<br />

Dt. Ärztebl. (2001) 98: 1496-1501<br />

Möller T. B., Reif E.: Atlas der Schnittbildanatomie: Muskuloskelettales System.<br />

Thieme, Stuttgart 2008<br />

Schmitt R., Fröhner S.: Computertomographie. In: Schmitt R., Lang U.: Bildgebende<br />

Diagnostik der Hand.<br />

Thieme, Stuttgart 2004<br />

Zimmermann R.A. et al.: Cranial computed tomography <strong>in</strong> diagnosis and management<br />

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Amer. J. Roentgenol. (1978), 27-34<br />

Zocholl G., Heller M.: Computer-Tomographie <strong>in</strong> der Traumatologie. In: Thelen M. et al.:<br />

Radiologische Diagnsotik der Verletzungen von Knochen und Gelenken.<br />

Thieme, Stuttgart 1993<br />

Kontakt:<br />

Blum, Jochen, Prof. Dr. med.<br />

Chefarzt der Kl<strong>in</strong>ik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie<br />

Kl<strong>in</strong>ikum Worms<br />

Akad. Lehrkrankenhaus der Johannes Gutenberg-Universität Ma<strong>in</strong>z<br />

67550 Worms<br />

44


Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll –<br />

T. J. Vogl, Chr. Fiebig<br />

Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist s<strong>in</strong>nvoll?<br />

MRT aus radiologischer Sicht<br />

Zus<strong>am</strong>menfassung<br />

Die erweiterte bildgebende Diagnostik mit neuester Spulen- und Sequenztechnik stellt<br />

e<strong>in</strong>en wichtigen diagnostischen Bestandteil für <strong>die</strong> richtige Diagnosestellung <strong>in</strong> der Unfallchirurgie<br />

dar. Bei Untersuchungen mit Feldstärken ab 1,5T sollten Protokolle zum E<strong>in</strong>satz<br />

kommen, <strong>die</strong> spezifisch <strong>die</strong> Fragestellung an das muskuloskelettale System und deren<br />

Pathologie erlaubt zu verifizieren. Im Folgenden werden <strong>die</strong> exakten Indikationsstelllungen<br />

<strong>über</strong> das Kniegelenk, das Schultergelenk und <strong>die</strong> Wirbelsäule dokumentiert und erarbeitet.<br />

Abhängig von der kl<strong>in</strong>ischen Thematik kommen <strong>die</strong> zitierten Untersuchungsprotokolle zum<br />

E<strong>in</strong>satz. Indikationsstellung und Ergebnisse müssen dabei im E<strong>in</strong>zelfall präzisiert werden.<br />

Schlüsselwörter<br />

CT, MRT, Traumatologie, Kniegelenk, Schultergelenk, Wirbelsäule<br />

Summary<br />

Imag<strong>in</strong>g diagnostics with the latest sequence developments and coil techniques is essential<br />

for the exact diagnosis <strong>in</strong> trauma surgery. In ex<strong>am</strong><strong>in</strong>ations with field strengths from 1.5 Tesla<br />

onwards protocols should be applied, which specifically allow verification of diagnosis re-<br />

gard<strong>in</strong>g the musculoskeletal system and its pathologies. In the follow<strong>in</strong>g exact <strong>in</strong>dication for<br />

the knee jo<strong>in</strong>t, the shoulder jo<strong>in</strong>t and the vertebral column are documented and evaluated.<br />

Depend<strong>in</strong>g on the cl<strong>in</strong>ical topic the ex<strong>am</strong><strong>in</strong>ation protocols mentioned above are applied.<br />

Indication and results need to be specified <strong>in</strong> the <strong>in</strong>dividual cases.<br />

Key words<br />

CT, MRI, traumatology, knee jo<strong>in</strong>t, shoulder jo<strong>in</strong>t, vertebral column<br />

E<strong>in</strong>leitung<br />

Die Aufgabenstellung der radiologischen Diagnostik <strong>in</strong>klusive der bildgebenden Diagnostik,<br />

der Computertomographie und des MRT ist <strong>die</strong> zur Verfügungstellung von bildgebenden<br />

Verfahren rund um <strong>die</strong> Uhr mit jeweils höchster Auflösung und präzisen diagnostischen und<br />

topographischen Informationen. Im Folgenden sollen e<strong>in</strong>mal <strong>die</strong> Indikationen zum E<strong>in</strong>satz<br />

der MRT <strong>in</strong> der Traumatologie vorgestellt werden. Dies soll anhand von drei Organsystemen<br />

wie dem Kniegelenk, dem Schultergelenk und der Wirbelsäule dokumentiert werden.<br />

Kniegelenk<br />

Das Kniegelenk, das durch Muskeln, e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>neren und äußeren Seitenband, e<strong>in</strong>em vor-<br />

deren und h<strong>in</strong>tern Kreuzband, und dem <strong>in</strong>neren und äußeren Meniskus stabilisiert wird,<br />

neigt als bandgesichertes Gelenk bei Verletzungen zur Instabilität. Daher ist es notwendig,<br />

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Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll –<br />

traumatische Veränderungen frühzeitig zu erkennen und gegebenenfalls zu behandeln,<br />

bevor <strong>die</strong> Statik des Gelenkes bee<strong>in</strong>flusst wird. Die häufigsten Verletzungen des lig<strong>am</strong>entären<br />

Halteapparats beziehen sich auf <strong>die</strong> Kreuz- bzw. Seitenbänder. Verletzungen der<br />

Gelenkkapsel stellen ke<strong>in</strong>e primäre Indikation zur MRT, sie können aber im Verlauf der<br />

Untersuchung mitbeurteilt werden. Begleitende Gelenkergüsse und Hoffa-Fettkörperschwellungen<br />

mit Imp<strong>in</strong>gement stellen sich ebenso aussagekräftig dar, wie Bone-Bruise<br />

und Kapselzysten. Der Ablauf der Untersuchung sollte anhand des Protokolls erfolgen und<br />

alle Gelenkstrukturen umfassen.<br />

Meniskusstrukturen<br />

Um <strong>die</strong> Menisken <strong>in</strong> ihrem vollen Umfang ausreichend darzustellen, werden sagittale und<br />

koronare Schichten erstellt. Somit werden B<strong>in</strong>nenödeme und Rupturen sowie angrenzende<br />

Strukturen <strong>in</strong> ihrer Lage zum Meniskus sicher abgebildet. Dadurch lässt sich <strong>die</strong> Grade<strong>in</strong>teilung<br />

der Verletzung feststellen. Im Gegensatz zur diagnostischen Arthroskopie können<br />

so alle Verletzungsgrade erkannt werden. Verletzungen der Grade I und II s<strong>in</strong>d als B<strong>in</strong>nenschäden<br />

des Meniskus zu werten. Sie werden mit ke<strong>in</strong>em anderen Verfahren abgebildet<br />

(Abb.1). Diagnostische Arthroskopien stellen <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Fall ke<strong>in</strong>e Alternative dar, da <strong>die</strong><br />

Läsion ke<strong>in</strong>en Bezug zur Meniskusoberfläche hat. Diese ist weiterh<strong>in</strong> glatt begrenzt und<br />

unverletzt, während sich im Meniskusb<strong>in</strong>nenraum erste strukturelle Veränderungen zeigen.<br />

Grad-I-Verletzungen beruhen auf e<strong>in</strong>er punktuellen Umwandlung der kollagenösen Matrix<br />

mit Schwächung der fibrillären Struktur. Das entstehende Mikroödem stellt sich als Aufhellung<br />

gut abgrenzbar zum übrigen Knorpelgewebe dar. Grad-II-Verletzungen s<strong>in</strong>d als e<strong>in</strong><br />

Fortschreiten der ödematösen Veränderung entlang der Kollagenfibrillen zu werten. Ihre<br />

Signalverstärkung ist deutlich kontrastreicher und der räumliche Verlauf der Läsion ist<br />

ausgedehnter. In vielen Fällen kommt es zur Schwächung und Zerreißung der Kollagenfibrillen<br />

durch andauernde Belastung. Grad-III-Verletzungen s<strong>in</strong>d auch während der diagnostischen<br />

Arthroskopie gut zu erkennen, da sie <strong>die</strong> Knorpeloberfläche erreichen und hier zur<br />

deutlichen Rissbildung führen. Im MRT stellen sie sich als longitud<strong>in</strong>ale Signalverstärkungen<br />

dar. Je nach Rissverlauf und -tiefe kann das zum Knieb<strong>in</strong>nenraum gerichtete Fragment<br />

dislozieren. Dies ist hauptsächlich bei zirkulär verlaufenden Rupturen der Fall, jedoch nicht<br />

<strong>die</strong> Regel. Bei erfolgter Dislokation e<strong>in</strong>es zirkulär rupturierten Meniskusfragmentes <strong>in</strong> den<br />

Interkondylenraum spricht man von e<strong>in</strong>em Korbhenkelriss. Die koronaren Schichten weisen<br />

<strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Fall e<strong>in</strong>en nach medial verplumpten Meniskus mit stumpfem Margo medialis auf.<br />

Im Bereich des vorderen Kreuzbandansatzes lässt sich zusätzlich das dislozierte Meniskusfragment<br />

abgrenzen. Die sagittalen Schichten stellen <strong>die</strong>ses dislozierte Fragment <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

longitud<strong>in</strong>alen Ausdehnung dar. Es ersche<strong>in</strong>t als bandförmige Struktur unterhalb des Verlaufes<br />

des h<strong>in</strong>teren Kreuzbandes. Dem Aussehen nach wird es das Zeichen des „doppelten<br />

h<strong>in</strong>teren Kreuzbandes“ genannt.<br />

Bandapparat des Kniegelenkes<br />

Die Stabilität des Kniegelenkes wird hauptsächlich <strong>über</strong> den Bandapparat gewährleistet.<br />

Hierzu zählen das mediale und laterale Kollateralband, das vordere und h<strong>in</strong>tere Kreuzband,<br />

sowie das Patellarband und <strong>die</strong> Quadrizepssehne. Mehrere kle<strong>in</strong>ere Bänder wie das Lig<strong>am</strong>entum<br />

transversum, Lig<strong>am</strong>entum meniskofemorale anterius und posterius s<strong>in</strong>d an der<br />

46


Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll –<br />

Aufrechterhaltung der Stabilität weniger beteiligt.<br />

Sie verh<strong>in</strong>dern eher <strong>die</strong> Dislokation von Kle<strong>in</strong>strukturen<br />

wie Menisken und Gelenkkapsel und<br />

ermöglichen somit den orthograden Bewegungsablauf<br />

ohne Imp<strong>in</strong>gementsyndrome. Ist es zur<br />

Verletzung der gelenkstabilisierenden Bänder<br />

gekommen, bietet <strong>die</strong> MRT hervorragende diagnostische<br />

Möglichkeiten. In der Regel gel<strong>in</strong>gt <strong>die</strong><br />

Darstellung aller relevanten Bandstrukturen<br />

<strong>über</strong>lagerungsfrei, und Pathologien können anhand<br />

der morphologischen Veränderungen sowie<br />

der Signalalteration dargestellt werden.<br />

Abb. 1:<br />

MRT Ruptur des Innenmeniskushorns<br />

Die Seitenbänder des Kniegelenkes<br />

Das Lig<strong>am</strong>entum collaterale mediale (Innenband)<br />

entspr<strong>in</strong>gt dem medialen Fenurkondylus und verläuft kapsulär nach distal zur medialen<br />

Fläche der Tibia. Es setzt <strong>über</strong> e<strong>in</strong>e Länge von ca. 5–7 cm hier an. In se<strong>in</strong>em Verlauf ist es<br />

fest mit dem Innenmeniskus verbunden und hält <strong>die</strong>sen während der Bewegung des Kniegelenkes<br />

<strong>in</strong> Position. Krafte<strong>in</strong>wirkungen von lateral, wie z.B. Valgusstress oder Distorsionstraumen,<br />

können das Band schädigen. In den meisten Fällen geht <strong>die</strong> Verletzung des Innenbandes<br />

mit komb<strong>in</strong>ierten Verletzungen des Kniegelenkes e<strong>in</strong>her. Der kapsuläre Verlauf des<br />

Innenbandes und <strong>die</strong> Verb<strong>in</strong>dung zum Innenmeniskus komplizieren <strong>die</strong> Verletzungen. Bei<br />

adäquater Krafte<strong>in</strong>wirkung kann der Meniskus vom Band getrennt werden und se<strong>in</strong>e Führung<br />

verlieren. Im MRT ersche<strong>in</strong>t der Meniskus nach lateral verlagert, und im Bereich der<br />

ursprünglichen Verb<strong>in</strong>dung kann e<strong>in</strong> Ödem, eventuell e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>blutung, nachgewiesen werden.<br />

Diese Verletzung betrifft <strong>am</strong> ehesten <strong>die</strong> tiefere Bandschicht, wobei <strong>die</strong> oberflächlichen<br />

Bandschichten noch ausreichend Gelenkstabilität bieten. E<strong>in</strong>e komplette Ruptur des Innenbandes<br />

kann kl<strong>in</strong>isch durch <strong>die</strong> Aufklappbarkeit bei Valgusstress sowie <strong>die</strong> schmerzhafte<br />

Lokalisation nachgewiesen werden. Im MRT ist <strong>die</strong> Kont<strong>in</strong>uität des Bandes unterbrochen<br />

und <strong>die</strong> Rupturenden wirken diffus aufgetrieben. Das angrenzende Weichteilgewebe ist im<br />

Seitenvergleich verdickt, was dem begleitenden Ödem entspricht; <strong>die</strong> Abgrenzbarkeit des<br />

Bandes zum umgebenden Gewebe ist erschwert. In den meisten Fällen kann Bone-Bruise<br />

nachgewiesen werden an den Insertionsstellen, <strong>am</strong> ehesten im Bereich des Femurkondylus,<br />

da das Band im Gegensatz zur tibialen Insertion e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>ere Ansatzfläche f<strong>in</strong>det. Ossäre<br />

Ausrisse des Innenbandes können schon im a.p.-Nativröntgen dargestellt werden. Teilrupturen<br />

betreffen <strong>am</strong> ehesten <strong>die</strong> tieferen Bandschichten und <strong>die</strong> Verb<strong>in</strong>dung zum Innenmeniskus.<br />

Im MRT ist <strong>die</strong> gelenkseitige Fläche des Innenbandes <strong>in</strong> ihrer Kont<strong>in</strong>uität unterbrochen,<br />

e<strong>in</strong> sublig<strong>am</strong>entäres Ödem ist im Kapselbereich nachzuweisen. Reißt der Innenmeniskus<br />

vom Innenband ab, liegt <strong>in</strong> vielen e<strong>in</strong> Hämarthos vor. Das Lig<strong>am</strong>entum collaterale<br />

laterale enspr<strong>in</strong>gt im Bereich des lateralen Femurkondylus und zieht extrakapsulär nach<br />

dorsokaudal. Es setzt im Bereich des Fibulaköpfchens an und strahlt <strong>in</strong> <strong>die</strong> komplexe Bandsicherung<br />

des tibiofibularen Gelenkes e<strong>in</strong>. Verletzungen entstehen bei Varusstress mit<br />

Innenrotation des Unterschenkels. In der MRT stellt sich <strong>die</strong> Außenbandverletzung ähnlich<br />

der Innenbandverletzung dar, wobei <strong>die</strong> Separation vom Außenmeniskus hier physiologisch<br />

47


Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll –<br />

ist. Kl<strong>in</strong>isch imponieren lokaler Druckschmerz sowie <strong>die</strong> vermehrte Varusaufklappbarkeit. In<br />

den meisten Fällen wird <strong>die</strong> isolierte Verletzung des Bandes nicht durch e<strong>in</strong>en Gelenkerguss<br />

begleitet. Ödem und flaue Abgrenzbarkeit zum umgebenden Weichteilmantel sowie Kont<strong>in</strong>uitätsunterbrechung<br />

s<strong>in</strong>d aber im Falle der Ruptur dargestellt.<br />

Die Kreuzbänder des Kniegelenkes<br />

Das vordere und das h<strong>in</strong>tere Kreuzband werden auf Bildern sagittaler Schichtung <strong>am</strong> aussagekräftigsten<br />

dargestellt. Aufgrund ihres Durchmessers von ca. 1 cm und ihrer guten Kontrastierung<br />

gegen das umgebende Gewebe s<strong>in</strong>d sie leicht zu lokalisieren und zu beurteilen.<br />

Das vordere Kreuzband entspr<strong>in</strong>gt an der Facies medialis des Condylus femoris lateralis<br />

im dorsalen Drittel. Es verläuft umgeben von e<strong>in</strong>er derben, perilig<strong>am</strong>entären Fascie nach<br />

ventrocaudal und setzt im ventralen Bereich der Em<strong>in</strong>entia <strong>in</strong>tercondylaris an. Se<strong>in</strong>e Länge<br />

beträgt ca. 2,5–4 cm. Die Hauptaufgabe des vorderen Kreuzbandes ist <strong>die</strong> Stabilisierung des<br />

Kniegelenkes <strong>in</strong> Extension. Das h<strong>in</strong>tere Kreuzband entspr<strong>in</strong>gt an der Facies medialis des<br />

Condylus femoris medialis und verläuft, das vordere Kreuzband von medial kreuzend, nach<br />

dorsocaudal. Es setzt an der Em<strong>in</strong>entia <strong>in</strong>tercondylaris im dorsalen Bereich an. Se<strong>in</strong>e Signal<strong>in</strong>tensität<br />

im MRT ist im Vergleich zum vorderen Kreuzband etwas ger<strong>in</strong>ger, da se<strong>in</strong><br />

Fettgehalt im Vergleich niedriger ausfällt. Ebenso wie das vordere Kreuzband ist es von<br />

e<strong>in</strong>em derben Fascienschlauch umgeben. Bei adäquaten Traumen kann es zu Rupturen der<br />

Kreuzbänder kommen (Abb.2). Ist das vordere Kreuzband betroffen. kommt es zu Instabilitäten<br />

der Tibia zum Femur nach ventral. Kl<strong>in</strong>isch kann <strong>die</strong> vordere Schublade im Rahmen des<br />

Lachmann-Tests festgestellt werden. Der Umfang <strong>die</strong>ses tibialen Ventralshifts muss aber<br />

nicht mit dem Grad der Kreuzbandverletzung korrelieren, da im akuten Fall <strong>die</strong> Schwellung<br />

des umgebenden Weichteilmantels, e<strong>in</strong> eventuell aufgetretener Gelenkerguss oder Begleitverletzungen<br />

das Testergebnis verfälschen. Isolierte Kreuzbandverletzungen ohne Begleiterguss<br />

oder Schwellung s<strong>in</strong>d äußerst selten. Zur Sicherung der Diagnose ist <strong>die</strong> MRT <strong>die</strong><br />

geeignete Methode. Hier stellt sich <strong>die</strong> komplette Ruptur des vorderen Kreuzbandes, mit<br />

Ruptur des Fascienschlauches, als Kont<strong>in</strong>uitätsunterbrechung dar. Die Rupturenden wirken<br />

aufgetrieben, der femorale Bandabschnitt ist nach dorsal verlagert. E<strong>in</strong> beg<strong>in</strong>nendes perilig<strong>am</strong>entäres<br />

Ödem kann durch se<strong>in</strong>e Signal<strong>in</strong>tensität bei oberflächlicher Beurteilung e<strong>in</strong>e<br />

Bandkont<strong>in</strong>uität vortäuschen. Begleitend s<strong>in</strong>d subchondrale Bone-Bruise-Herde an den<br />

Ansatzlokalisationen des Bandes zu beobachten. Diese resultieren aus e<strong>in</strong>er dem Trauma<br />

entsprechenden Überbeanspruchung des lig<strong>am</strong>entär-ossären Übergangs. Bei Distorsionstraumen<br />

mit folgender Bandverletzung kann Bone-Bruise auch im mittleren Drittel des<br />

lateralen Femurcondylus und als Contré-Coup im dorsalen Bereich des lateralen Tibiaplateaus<br />

nachgewiesen werden. Sie treten als Folge e<strong>in</strong>er kurzzeitigen E<strong>in</strong>stauchung <strong>in</strong> Distorsionsstellung<br />

auf. Rupturen des vorderen Kreuzbandes ohne Beteiligung des Fascienschlauches<br />

erhalten <strong>die</strong> Kont<strong>in</strong>uität <strong>in</strong> der MRT. In <strong>die</strong>sem Fall ist aber <strong>die</strong> B<strong>in</strong>nenstruktur des<br />

Bandes aufgelockert und das Band weist e<strong>in</strong>e leichte bauchige Kontur auf. Sie resultiert aus<br />

dem bandnahen Ödem und kann leicht <strong>über</strong>sehen werden. Da <strong>die</strong> meisten Traumen des<br />

Kniegelenkes <strong>in</strong> Extension stattf<strong>in</strong>den, ist das vordere Kreuzband von Rupturen häufiger<br />

betroffen. Das h<strong>in</strong>tere Kreuzband ist mit 3–4 cm etwas länger und deutlich seltener betroffen<br />

als das vordere Kreuzband. Außerdem treten Rupturen hier <strong>in</strong> den wenigsten Fällen<br />

isoliert auf. Oft werden Begleitverletzungen, wie Seitenbandrupturen und dorsale Kapsel-<br />

48


Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll –<br />

schäden beobachtet. Dies macht <strong>die</strong> kl<strong>in</strong>ische<br />

Diagnose deutlich schwerer, und <strong>die</strong> MRT kann<br />

hier ihre Aussagekraft beweisen.<br />

Das Schultergelenk<br />

Die MRT stellt e<strong>in</strong>es der aussagekräftigsten diagnostischen<br />

Verfahren zur Beurteilung der physiologischen<br />

und pathologischen Verhältnisse im<br />

Schulterbereich dar. Dies beruht vor allem auf der<br />

Anatomie der Schulter. Der Humeruskopf kommuniziert<br />

nur <strong>über</strong> etwa 35% se<strong>in</strong>er chondralen<br />

Oberfläche mit dem Processus glenoidalis der<br />

Abb. 2:<br />

Scapula. Um trotzdem e<strong>in</strong>e ausreichende Stabili-<br />

MRT Ruptur des vorderen Kreuzbandes<br />

tät zu erreichen, umgreifen verschiedene Muskelsysteme<br />

manschettenartig <strong>die</strong> Gelenkzone. Bei<br />

Verletzungen <strong>die</strong>ser stabilisierenden Systeme kommt es zu Weichteilschäden, <strong>die</strong> aufgrund<br />

der hohen Signal<strong>in</strong>tensität im MRT sehr gut nachvollzogen werden. Ebenso können Läsionen<br />

im Knorpelbereich und der Bursae sowie der Sehnenansätze und des Labrum glenoidale<br />

genau detektiert werden. Ausgereifte Untersuchungsprotokolle und zumutbare Aquisitionszeiten<br />

machen <strong>die</strong> MRT hier unerlässlich. Gewissenhafte kl<strong>in</strong>ische Untersuchungen mit<br />

Dokumentation der Schmerztriggerpunkte und der Bewegungse<strong>in</strong>schränkung erleichtern<br />

<strong>die</strong> Auswertung der MRT-Daten und ermöglichen ihre kl<strong>in</strong>ische Korrelation.<br />

Die Rotatorenmanschette<br />

Die wichtigste stabilisierende muskuläre Struktur im Bereich der Schulter stellt <strong>die</strong> so<br />

genannte Rotatorenmanschette (RM) dar. Sie setzt sich aus M. teres m<strong>in</strong>or, M. suprasp<strong>in</strong>atus,<br />

M. <strong>in</strong>frasp<strong>in</strong>atus, sowie M. subscapularis zus<strong>am</strong>men. Diese Muskeln umgreifen <strong>in</strong> ihrem<br />

Verlauf den Humeruskopf von ventral und dorsal. Geschlossen betrachtet wirken sie <strong>in</strong><br />

ihrer Ges<strong>am</strong>theit wie e<strong>in</strong>e muskuläre Gelenkkapsel. Anhaltend e<strong>in</strong>seitige Belastungen und<br />

traumatische Vorfälle führen zur Degeneration bzw. Ruptur e<strong>in</strong>es Teils der RM. Am häufigsten<br />

ist der M. suprasp<strong>in</strong>atus betroffen. Dieser kann bei Insuffizienzverhalten e<strong>in</strong>en Humerushochstand<br />

auslösen und somit zwischen Humeruskopf und Subakromialfacette e<strong>in</strong>klemmen.<br />

Dieser Umstand ist das <strong>am</strong> häufigsten beobachtete posterosuperiore Imp<strong>in</strong>gementsyndrom,<br />

welches daher <strong>am</strong> ehesten degenerativer Genese ist. Dabei zeigt sich der<br />

Subakromialraum deutlich verschmälert, der M. suprasp<strong>in</strong>atus wirkt signal<strong>in</strong>tensiviert und<br />

aufgetrieben. Diese ödematöse Veränderung forciert <strong>die</strong> kl<strong>in</strong>ischen Syndrome zusätzlich, es<br />

resultiert der so genannte „Pa<strong>in</strong>ful Arc“ bei Abduktion und Elevation. In vielen Fällen wird<br />

e<strong>in</strong>e zusätzliche Ansatztend<strong>in</strong>itis mit Bursitis calcarea beschrieben, wobei oft e<strong>in</strong> umschriebenes<br />

Kalkdepot kranial des Tuberculum majus <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung tritt. Das Ausmaß des Humeruskopfhochstandes<br />

kann anhand der Korrespondenz des caudalen Abschnittes der glenoidalen<br />

Gelenkfläche mit der caudalen Knochenknorpelgrenze der medialseitigen Gelenkfläche<br />

des Humerus bestimmt werden. Diese sollten <strong>in</strong> coronarer Schichtung auf e<strong>in</strong>er Höhe<br />

liegen. Die Untersuchung hierzu sollte ohne Belastung und nicht im Zuge der röntgenologischen<br />

AC-Gelenksdiagnostik erfolgen. Die Beurteilung der ossären Konturen im Bereich des<br />

49


Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll –<br />

Subakromialraumes ist ebenso notwendig, da osteophytäre Anbauten besonders im Bereich<br />

der lateralen Clavicula zu chronischem Abrieb mit Schwächung der Suprasp<strong>in</strong>atussehne<br />

führen. Seltener kommt es <strong>am</strong> Schultergelenk zu degenerativen Verletzungen des M. subscapularis.<br />

Dessen Sehne kann zwischen Processus coracoideus und Humeruskopf e<strong>in</strong>klemmen<br />

und ähnliche Beschwerden wie oben beschrieben auslösen. Der MRT-Nachweis gel<strong>in</strong>gt<br />

<strong>am</strong> besten <strong>in</strong> sagittaler Schichtung. Auch hier imponiert e<strong>in</strong>e aufgetriebene, meist unscharf<br />

abzugrenzende Sehne mit peritend<strong>in</strong>ösem Ödem. Bei Komplettrupturen von Anteilen der<br />

RM s<strong>in</strong>d <strong>die</strong>se <strong>in</strong> ihrem Verlauf nicht mehr vollständig zu verfolgen. Die Muskelbäuche der<br />

betroffenen Strukturen haben sich zurückgezogen und s<strong>in</strong>d atroph. Die sonst gut abgrenzbaren<br />

Sehnen enden fransig aufgelockert im ödematös veränderten Weichteilmantel. Das<br />

Ödem resultiert aus der chronischen Entzündung bei anhaltender Belastung unter Destabilisierung.<br />

Hier sollte auch <strong>die</strong> An<strong>am</strong>nese gründlich erhoben werden. E<strong>in</strong> medik<strong>am</strong>entös<br />

vorbehandelter Patient kann unter Umständen ke<strong>in</strong>e entzündungsbed<strong>in</strong>gten Weichteilschwellungen<br />

aufweisen. Trotzdem sollte hier <strong>die</strong> Verletzung der RM nicht unterschlagen<br />

werden. Als wichtigste stabilisierende Struktur bei bestehender RM-Läsion ist <strong>die</strong> lange<br />

Bizepssehne anzusehen. Sie verläuft im Sulcus bicipitalis nach proximal und setzt <strong>am</strong> cranialen<br />

Rand des Processus glenoidalis an. In ihrem Verlauf <strong>über</strong>w<strong>in</strong>det sie den Humeruskopf<br />

cranial und hält ihn somit <strong>in</strong> der glenoidalen Pfanne. Ihr Zustand muss im MRT-<strong>Bericht</strong><br />

angeführt und beurteilt werden.<br />

Das Labrum glenoidale<br />

Bei Zustand nach Luxation des Schultergelenkes stellt sich <strong>in</strong> den meisten Fällen e<strong>in</strong>e<br />

Verletzung des chondralen Labrum glenoidale dar. Diese äußert sich kl<strong>in</strong>isch <strong>in</strong> deutlich<br />

schmerzhafter Bewegungse<strong>in</strong>schränkung und rezidivierender Luxationsneigung. Radiologisch<br />

kann im MRT e<strong>in</strong>e hohe Signal<strong>in</strong>tensität, unphysiologische Konturen des Labrums<br />

mit abnormer Mobilität und Rissbildung nachgewiesen werden. Je nach Verletzungsmuster<br />

s<strong>in</strong>d verschiedene Abschnitte betroffen. Da <strong>am</strong> häufigsten <strong>die</strong> ventrocaudale Luxation beobachtet<br />

wird, ist das Labrum glenoidale im caudalen Bereich <strong>am</strong> ehesten verletzt (Abb. 3).<br />

Hier kommt es zu Partialdehiszenz der Labrumbasis mit Ödem oder Komplettablösung<br />

vom ossären Processus glenoidalis. In seltenen<br />

Fällen kann e<strong>in</strong> Umschlagen des Labrums <strong>in</strong> den<br />

Gelenkspalt erfolgen. Alle B<strong>in</strong>nenechos des Labrums<br />

s<strong>in</strong>d verdächtig und weisen auf e<strong>in</strong>e Verletzung.<br />

Diese Veränderungen s<strong>in</strong>d <strong>am</strong> besten im<br />

coronaren Schichtmuster dargestellt, wobei <strong>die</strong><br />

höchstmögliche Auflösung angestrebt werden<br />

sollte.<br />

Abb. 3:<br />

MRT Bankart-Läsion bei Zustand nach Luxation<br />

50<br />

Die Wirbelsäule<br />

Die Wirbelsäule stellt aufgrund ihrer Anatomie<br />

und strukturellen Beschaffenheit e<strong>in</strong> ideales<br />

Organ zur MRT-Diagnostik dar.Physiologisch<br />

grenzen sich Bandscheiben, Wirbelkörper, lig<strong>am</strong>entäre<br />

Strukturen, Liquor und Medulla auf-


Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll –<br />

Labrumverletzungen<br />

Bankart-Läsion Ventrocaudale Verletzung des SLAP-Läsion Typ II<br />

Labrums nach Luxationsverletzung SLAP-Läsion Typ III bei<br />

mit Abriss des Labrums und eventuell<br />

begleitendem ossären Defekt<br />

bei ossärer Beteiligung<br />

ALPSA-Läsion Abtrennung des Labrums bei SLAP-Läsion Typ IV<br />

bestehender Periost- und Kapsel- SLAP-Läsion Typ V bei<br />

kont<strong>in</strong>uität und eventuell begleitender<br />

Dislokation des Labrums<br />

Dislokation<br />

GLAD-Läsion E<strong>in</strong>riss der Labrumbasis mit<br />

Beteiligung des Gelenkknorpels<br />

SLAP-Läsion Typ VI<br />

Bennet-Läsion Longitud<strong>in</strong>alriss im dorsocaudalen<br />

Labrum<br />

SLAP-Läsion Typ VII<br />

SLAP-Läsion Verletzung des cranialen Glenoids<br />

mit E<strong>in</strong>bezug des langen Bicepssehnenansatzes<br />

(TYP I)<br />

HAGL-Läsion<br />

grund ihres hohen Weichteilkontrastes deutlich vone<strong>in</strong>ander ab. Artefakte treten bei entsprechender<br />

Untersuchungsprotokollierung nur selten auf. Im orthopädischen Bereich<br />

kommt hauptsächlich <strong>die</strong> Diagnostik von degenerativen Veränderungen, Frakturen und<br />

Fehlstellungen bzw. Missbildungen <strong>in</strong> Betracht.<br />

Der Bandscheibenschaden (BSS)<br />

Die Bandscheibenprotrusion zeichnet sich durch das Übertreten der Bandscheibengrenze<br />

<strong>über</strong> <strong>die</strong> Wirbelkörperkante aus. Dabei kann Bandscheibenmaterial nach ventral oder<br />

dorsal verlagert werden. Die Bandscheibe ist im Falle der Protrusion <strong>in</strong>takt, der Anulus<br />

fibrosus ist nicht rupturiert. Im MRT zeichnet sich hauptsächlich der Nucleus pulposus ab,<br />

da <strong>die</strong> Anteile des Anulus fibrosus und <strong>die</strong> angrenzenden Weichteilstrukturen e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge<br />

Signal<strong>in</strong>tensität aufweisen. Somit gibt <strong>die</strong> MRT bei Bandscheibenprotrusion nicht das wahre<br />

Ausmaß der Verlagerung preis, sondern spiegelt e<strong>in</strong>en sche<strong>in</strong>bar ger<strong>in</strong>geren Verletzungsgrad<br />

wider. Indirekte Zeichen geben weitere H<strong>in</strong>weise zur aktuellen Morphologie der Verletzung.<br />

So werden Asymmetrien der duralen Strukturen, Verdrängung des Myelons zur<br />

kontralateralen Seite sowie begleitende entzündliche Veränderungen im Bereich der Nervenwurzel<br />

als Par<strong>am</strong>eter zur Bestimmung des Verletzungsgrades herangezogen. Ebenso<br />

kann nicht vom Ausmaß des Bandscheibenschadens auf <strong>die</strong> begleitende kl<strong>in</strong>ische Symptomatik<br />

geschlossen werden. Um den BSS aussagekräftig darstellen zu können, werden<br />

sagittale und axiale Schichten angefertigt. Voraussetzung für <strong>die</strong> aussagekräftige Beurteilung<br />

s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Kriterien der hohen örtlichen Auflösung mit ger<strong>in</strong>ger effektiver Schichtdicke<br />

und der Aquisition ausreichender Daten zur Darstellung <strong>in</strong> multiplanaren Rekonstruk-<br />

tionen.<br />

51


Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll –<br />

Zus<strong>am</strong>menfassende Bewertung<br />

Derzeitige MR-Protokolle beziehen sich im Wesentlichen auf vergleichende Wertung von<br />

1,5 Tesla gegen<strong>über</strong> 3 Tesla. Dabei kann klar<br />

gezeigt werden, dass für 3.0 Tesla e<strong>in</strong> erhöhtes<br />

Auflösungsvermögen besteht, <strong>in</strong>sbesondere für<br />

Läsionen des Knorpels sowie für diskrete Banddiagnostik.<br />

Bei Verdacht auf Wirbelsäulenfraktur<br />

und unklare Befunde <strong>in</strong> der Computertomographie<br />

stellt <strong>die</strong> Kernsp<strong>in</strong>tomographie e<strong>in</strong> wichtiges<br />

bildgebendes Untersuchungsverfahren dar<br />

(Abb.4). Zukünftige Entwicklungen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbesondere<br />

ausgerichtet auf <strong>die</strong> volumetrische Untersuchung<br />

des Gelenkknorpels, <strong>die</strong> Evaluation der<br />

Knorpelqualität <strong>in</strong>sbesondere bezüglich Protondichte<br />

und transversale Relaxationszeiten den<br />

Abb. 4:<br />

Kollagengehalt sowie den Wassergehalt betref-<br />

MRT Fraktur der LWK III<br />

fend. Therapiekontrollen von Knorpel-Chondrosen<br />

und Knorpelzelltransplantation s<strong>in</strong>d weitere<br />

wichtige Schwerpunkte.<br />

Kontakt:<br />

Vogl, Thomas, Prof. Dr.<br />

Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie<br />

Kl<strong>in</strong>ikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität<br />

Theodor-Stern-Kai 7<br />

60590 Frankfurt <strong>am</strong> Ma<strong>in</strong><br />

52


H. G. Hermichen, Neuss<br />

Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler –<br />

Bedrohung oder Unterstützung<br />

Manuskript lag zum Zeitpunkt des Drucks nicht vor.<br />

Impulsreferat<br />

53


III. Sitzung<br />

Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

Vorsitz: K. Weise, Tüb<strong>in</strong>gen/A. R. Platz, Ma<strong>in</strong>z<br />

Assessor. jur. N. Erl<strong>in</strong>ghagen,<br />

Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

Rechtliche Grundlagen<br />

Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

Zus<strong>am</strong>menfassung:<br />

Die gesetzlichen Unfallversicherungsträger haben im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens<br />

im Feststellungsverfahren <strong>die</strong> Auswahl der Beweismittel vorzunehmen. Die Beauftragung<br />

von Gutachten muss planvoll, zweckgerichtet und sorgfältig vorbereitet se<strong>in</strong>. Der Gutachter<br />

ist dabei durch präzise Fragen zu leiten. Alle Beteiligte, Unfallversicherungsträger, Versicherte<br />

und Gutachter verb<strong>in</strong>det das geme<strong>in</strong>s<strong>am</strong>e Interesse an e<strong>in</strong>er möglichst objektiven,<br />

auf aktueller wissenschaftlicher Kenntnis beruhenden, das Gleichheitsgebot beachtenden<br />

und gerichtsfesten Begutachtung. Dabei ist der versicherte und zu begutachtende Bürger<br />

im Rahmen der verfassungsmäßig garantierten Grundrechte Partner und nicht Objekt im<br />

Verfahren. Der unfallversicherungsrechtliche Rahmen ist gesetzt und durch den Gutachter<br />

zu beachten. Gutachten s<strong>in</strong>d durch den ausgewählten Gutachter selbst zu erstatten, Abweichungen<br />

davon führen zum Beweisverwertungsverbot. Jeder Beteiligte hat durch <strong>die</strong><br />

gewissenhafte Wahrnehmung se<strong>in</strong>er Aufgaben <strong>die</strong> Qualität der Begutachtung stetig zu<br />

verbessern.<br />

Schlüsselwörter:<br />

Gesetzliche Unfallversicherung, Feststellungsverfahren, Begutachtung, Versicherter,<br />

Rechte, Sachverständiger<br />

Summary:<br />

Statutory accident <strong>in</strong>surers are obliged to select the evidence with<strong>in</strong> the context of their<br />

dutiful discretion <strong>in</strong> declaratory proceed<strong>in</strong>gs. Orders for expert reports must be well<br />

planned, target-oriented, and carefully prepared. The expert must be guided by precise<br />

questions. All those <strong>in</strong>volved, accident <strong>in</strong>surers, the <strong>in</strong>sured persons and the expert share<br />

a common <strong>in</strong>terest: an expert report that is as objective as possible, is based on the latest<br />

scientific understand<strong>in</strong>g, that observes the pr<strong>in</strong>ciple of equality, and will withstand court<br />

scrut<strong>in</strong>y. With<strong>in</strong> his constitutionally guaranteed rights the <strong>in</strong>sured citizen undergo<strong>in</strong>g the<br />

ex<strong>am</strong><strong>in</strong>ation is a partner <strong>in</strong> the proceed<strong>in</strong>gs, not an object. The fr<strong>am</strong>ework is set by accident<br />

<strong>in</strong>surance law, and must be observed by the ex<strong>am</strong><strong>in</strong><strong>in</strong>g expert. Expert reports must be<br />

55


Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

presented by the selected expert him/herself, deviations from this lead to the evidence<br />

be<strong>in</strong>g declared <strong>in</strong>admissible. It is the duty of all those <strong>in</strong>volved to fulfil his/her obligations<br />

conscientiously to constantly improve the quality of expert reports.<br />

Keywords:<br />

Statutory accident <strong>in</strong>surance, declaratory proceed<strong>in</strong>gs, expert report<strong>in</strong>g, <strong>in</strong>sured persons,<br />

rights, ex<strong>am</strong><strong>in</strong><strong>in</strong>g experts<br />

Am Anfang des kurzen Überblicks zu den rechtlichen Grundlagen der Begutachtung im<br />

Rahmen der Gesetzlichen Unfallversicherung soll zunächst e<strong>in</strong>e Geschichte stehen, <strong>die</strong> <strong>in</strong><br />

me<strong>in</strong>er Heimatstadt Bonn dargestellt ist:<br />

„Als e<strong>in</strong>st e<strong>in</strong> König <strong>die</strong> Bl<strong>in</strong>den se<strong>in</strong>es Reiches e<strong>in</strong>en Elefanten betasten ließ, beschrieb<br />

e<strong>in</strong> jeder <strong>die</strong>sen auf se<strong>in</strong>e Weise.<br />

So me<strong>in</strong>te der e<strong>in</strong>e, der den Rüssel umf<strong>in</strong>g, dass <strong>die</strong>s e<strong>in</strong>e Schlange und der Stoßzahn e<strong>in</strong><br />

Schwert sei. E<strong>in</strong> anderer umfasste e<strong>in</strong> Be<strong>in</strong> und dachte, es sei der St<strong>am</strong>m e<strong>in</strong>es Baumes,<br />

während se<strong>in</strong> Nachbar das Ohr für e<strong>in</strong> gewaltiges Kohlblatt hielt. Jener, der das Schwänzchen<br />

befühlte, glaubte e<strong>in</strong>en Wurm zu greifen, und dem Fünften schien <strong>die</strong> rissige Haut<br />

e<strong>in</strong>e Felswand zu se<strong>in</strong>.<br />

Alles zus<strong>am</strong>men aber war e<strong>in</strong> Elefant.<br />

56


Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

So machte e<strong>in</strong> jeder se<strong>in</strong>e eigene Erfahrung und fand se<strong>in</strong>e eigene Wahrheit, so wie auch<br />

Sehende oft nur Teilwahrheiten erkennen und der absoluten Wahrheit gegen<strong>über</strong> Bl<strong>in</strong>de<br />

s<strong>in</strong>d.“<br />

Auch bei der Begutachtung begegnen sich – wie <strong>in</strong> unserer Geschichte – mehrere Beteiligte,<br />

<strong>die</strong> – jeder für sich – e<strong>in</strong>e eigene Wahrnehmung und Sicht ihrer Rolle und ihrer Beziehung<br />

zu den beiden anderen Akteuren haben. Unfallversicherungsträger, Gutachter und versicherte<br />

Person, das bedeutet drei verschiedene Beteiligte, drei verschiedene Beziehungen<br />

zue<strong>in</strong>ander und drei verschiedene Blickw<strong>in</strong>kel auf <strong>die</strong> gleiche Sache. Es ist Aufgabe des<br />

Rechts, <strong>die</strong> Rollen der Beteiligten zu def<strong>in</strong>ieren, Rechte und Pflichten festzulegen, das Vorgehen<br />

im Feststellungsverfahren zu steuern und auf das angestrebte Ziel e<strong>in</strong>er möglichst<br />

auf objektiven Feststellungen beruhenden Rechtsanwendung auszurichten.<br />

In dem hier zur Verfügung stehenden Rahmen können nur e<strong>in</strong>zelne Aspekte der Rechtsgrundlagen<br />

der Begutachtung im S<strong>in</strong>ne von „Schlaglichtern“ angesprochen werden. Sie<br />

sollen sich, <strong>in</strong> der Reihenfolge Ihrer Beteiligung im Verfahren, an den Akteuren ausrichten:<br />

1. Begutachtung aus der Sicht des Unfallversicherungsträgers:<br />

Als Körperschaften öffentlichen Rechts betreiben <strong>die</strong> Träger der gesetzlichen Unfallversicherung<br />

neben ihrer Rolle als Dienstleister <strong>in</strong> der Prävention und der Rehabilitation natürlich<br />

auch Rechtsanwendung. Als Teil der vollziehenden Gewalt s<strong>in</strong>d sie dabei nach dem<br />

Grundgesetz an Gesetz und Recht gebunden und unterliegen <strong>in</strong> vollem Umfang der (sozial-)<br />

gerichtlichen Kontrolle. Anders als es <strong>die</strong> öffentliche und veröffentlichte Diskussion oft<br />

glauben lassen will, s<strong>in</strong>d sie im Feststellungsverfahren nicht Partei, sondern ihrer Konstruktion<br />

nach neutrales Werkzeug gesetzgeberischen Willens im Sozialsystem. Ihr Ziel muss<br />

im Rahmen des Rechts der „gerichtsfeste“ Interessenausgleich zwischen den beteiligten<br />

Sozialpartnern se<strong>in</strong>.<br />

57


Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

Rechtsanwendung bedarf sicherer tatsächlicher Grundlagen. Deswegen beauftragt § 20<br />

Sozialgesetzbuch X <strong>die</strong> Unfallversicherungsträger, den Sachverhalt von Amts wegen zu<br />

ermitteln. Sie haben dabei alle für den E<strong>in</strong>zelfall bedeuts<strong>am</strong>en, auch <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Beteiligten<br />

günstigen Umstände zu berücksichtigen. Die Behörde (und das s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Unfallversicherungsträger<br />

nun e<strong>in</strong>mal formal) muss also aktiv handeln und darf dabei auf ke<strong>in</strong>em Auge<br />

bl<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>. Das Recht gibt dem Unfallversicherungsträger bei se<strong>in</strong>en Ermittlungen e<strong>in</strong>en<br />

weiten Spielraum <strong>in</strong> der Wahl der Beweismittel. Nach pflichtgemäßem Ermessen be<strong>die</strong>nt<br />

er sich der Beweismittel, <strong>die</strong> er zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Der<br />

Kanon ist breit gefächert, er kann Auskünfte jeder Art e<strong>in</strong>holen, Beteiligte anhören, Zeugen<br />

und Sachverständige vernehmen oder deren schriftliche oder elektronische Äußerung e<strong>in</strong>holen,<br />

Urkunden und Akten beiziehen und den Augensche<strong>in</strong> e<strong>in</strong>nehmen.<br />

Aber <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Breite der Möglichkeiten der Ermittlung liegt auch gelegentlich e<strong>in</strong> Problem<br />

im Feststellungsverfahren. Es besteht <strong>die</strong> Gefahr, dass <strong>in</strong> der Sachbearbeitung nach dem<br />

Pr<strong>in</strong>zip verfahren wird:“ Viel nützt viel! Je mehr Unterlagen, <strong>Bericht</strong>e, Stellungnahmen und<br />

Gutachten ich habe, desto mehr Sicherheit habe ich auch für me<strong>in</strong>e Entscheidungen.“ Auswahl<br />

der Beweismittel nach pflichtgemäßem Ermessen bedeutet aber gerade <strong>die</strong> Abkehr<br />

vom „Jäger und S<strong>am</strong>mler“ zum zielgerichteten, im besten S<strong>in</strong>ne ökonomisch handelnden<br />

Ermittler, der sich genau <strong>über</strong>legt, welcher Weg der kürzeste zum Ziel ist. E<strong>in</strong>schränkung<br />

bedeutet dabei nicht unbed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>en Qualitätsverlust, sondern lediglich <strong>die</strong> Abkehr von<br />

mechanischen Reaktionen. Ob nun e<strong>in</strong> (evtl. weiteres) Gutachten wirklich erforderlich ist<br />

und welchen Zwecken <strong>die</strong>ses genau <strong>die</strong>nen soll, ist <strong>in</strong> jedem E<strong>in</strong>zelfall präzise und kritisch<br />

zu prüfen. Kann <strong>die</strong> anstehende Frage aus dem Akten<strong>in</strong>halt heraus eigentlich schon beantwortet<br />

werden, ist Selbstbeschränkung und der Mut zur Entscheidung Pflicht. So mancher<br />

komplizierte Sachverhalt wird nicht dadurch klarer, dass er dem zweiten, dritten oder vierten<br />

Sachverständigen vorgelegt wird, soweit <strong>die</strong> Vorgutachten sich sauber an <strong>die</strong> tatsächlichen<br />

und rechtlichen „Spielregeln“ gehalten haben. Auch für begründete Zweifel und<br />

offene, nicht weiter zu klärende Fragen sieht das Recht Lösungswege z.B. <strong>über</strong> Beweislastregeln<br />

vor. E<strong>in</strong>en begründeten Rest an Unsicherheit zu ertragen, d<strong>am</strong>it muss <strong>die</strong> Sachbearbeitung<br />

oft leben.<br />

Neben dem „Jäger und S<strong>am</strong>mler“ gibt es (natürlich nur ganz selten) manchmal aber auch<br />

noch e<strong>in</strong>en anderen Typus von Sachbearbeiter: Die große Zahl hochqualifizierter und hochgeschätzter<br />

Sachbearbeiter<strong>in</strong>nen und Sachbearbeiter möge mir den Scherz verzeihen: Man<br />

könnte ihn als „Facharzt für Verwaltungsmediz<strong>in</strong>“ bezeichnen. Ohne mediz<strong>in</strong>isches Staatsex<strong>am</strong>en<br />

und Approbation, aber geprägt von z.T. jahrzehntelang anges<strong>am</strong>melter Erfahrung<br />

neigt <strong>die</strong>ser dazu, se<strong>in</strong>e Me<strong>in</strong>ung an <strong>die</strong> Stelle der Äußerungen der fachmediz<strong>in</strong>ischen Gutachter<br />

zu setzen und <strong>die</strong>se gar nicht erst zu fragen oder den Versuch zu machen, <strong>die</strong>se nicht<br />

nur klärend zu befragen, sondern zu belehren. Hier gilt für <strong>die</strong> Sachbearbeitung: „Schuster<br />

bleib bei de<strong>in</strong>en Leisten!“ Verwaltungstechnischer oder -juristischer Sachverstand ist bei<br />

aller Erfahrung nicht naturwissenschaftlicher Sachverstand. Im Umgang mit den Gutachtern<br />

ist partnerschaftliche Kommunikation und Verständnis für <strong>die</strong> Reichweite der jeweiligen<br />

Fachkenntnis gefragt. Die Sprache und Denkweise des jeweils anderen Fachs besser begreifen<br />

zu lernen, deshalb s<strong>in</strong>d ja hier und heute Mediz<strong>in</strong>er und Verwaltungsfachleute <strong>in</strong> großer<br />

58


Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

Zahl <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Saal vere<strong>in</strong>t! Die förmliche Feststellung von Körperschäden und mediz<strong>in</strong>ischen<br />

Kausalzus<strong>am</strong>menhängen <strong>in</strong> mediz<strong>in</strong>ischen Fachgutachten als Grundlage u.a. der<br />

Rentenfeststellung sollten nach me<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung bei allen ökonomischen Sichtweisen und<br />

Versuchen zur Beschleunigung der Verfahren auch im S<strong>in</strong>ne beider Sozialpartner weiterh<strong>in</strong><br />

<strong>die</strong> Regel se<strong>in</strong>.<br />

S<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Fragestellungen <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem S<strong>in</strong>ne aber gut herausgearbeitet und ergibt sich <strong>die</strong><br />

Notwendigkeit e<strong>in</strong>er Begutachtung, müssen <strong>die</strong>se Fragen auch e<strong>in</strong>deutig gestellt und dem<br />

Gutachter klar gemacht werden, wie se<strong>in</strong> Sachverstand <strong>die</strong> Entscheidung unterstützen soll.<br />

Die Zivilprozessordnung, <strong>die</strong> auch im Sozialgerichtsverfahren Anwendung f<strong>in</strong>det, weist <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er relativ jungen Vorschrift hier den Weg.<br />

§ 404 a ZPO befasst sich mit der Leitung der Tätigkeit des Sachverständigen, hier heißt es<br />

u.a.:<br />

(1) Das Gericht hat <strong>die</strong> Tätigkeit des Sachverständigen zu leiten und kann ihm für Art und<br />

Umfang se<strong>in</strong>er Tätigkeit Weisungen erteilen.<br />

(2) Soweit es <strong>die</strong> Besonderheit des Falles erfordert, soll das Gericht den Sachverständigen<br />

vor Abfassung der Beweisfrage hören, ihn <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Aufgabe e<strong>in</strong>weisen und ihm auf Verlangen<br />

den Auftrag erläutern.<br />

(3) Bei streitigem Sachverhalt bestimmt das Gericht, welche Tatsachen der Sachverständige<br />

der Begutachtung zugrunde legen soll.<br />

Dieses Progr<strong>am</strong>m kann auch als Auslegungsgrundlage für den o.a. § 21 SGB X <strong>die</strong>nen. Es<br />

verlangt von der Sachbearbeitung <strong>die</strong> Präzisierung, von welchem Sachverhalt der Gutachter<br />

ausgehen soll. Ergibt das Aktenstudium z.B. Hergangsvarianten e<strong>in</strong>es Unfalles, muss der<br />

Sachbearbeiter klarstellen, welcher Sachverhalt nach der Beweislage als Grundlage der<br />

Begutachtung <strong>die</strong>nen soll. Wer e<strong>in</strong>en unbestimmten Auftrag erteilt, erhält zwangsläufig<br />

auch e<strong>in</strong> unbestimmtes Gutachten! Bei komplizierten Sachverhalten und Fragestellungen<br />

ist vorab e<strong>in</strong> klärendes Gespräch zwischen Sachbearbeitung und Gutachter hilfreich, hier<br />

sollten eventuelle Berührungsängste abgebaut werden. Es geht dabei nicht um Absprachen,<br />

sondern um <strong>die</strong> E<strong>in</strong>deutigkeit der Aufgabenstellung.<br />

59


Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

Doch wechseln wir jetzt e<strong>in</strong>mal <strong>die</strong> Perspektive:<br />

2. Begutachtung aus der Sicht der versicherten Person<br />

S<strong>in</strong>d Sie schon e<strong>in</strong>mal begutachtet worden? Wie fühlt sich e<strong>in</strong> mündiger Mitmensch, wenn<br />

er (vielleicht erstmals im Leben) e<strong>in</strong>bestellt, gewogen, gemessen, abgebildet, durchleuchtet,<br />

gebogen, durchbewegt, durch e<strong>in</strong> Krankenhaus geschleust, beschrieben und beurteilt wird?<br />

Das Bundessozialgericht hat kürzlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Entscheidung vom 5.2.2008 (Az: B 2 U 8/07 R)<br />

unter Bezugnahme auf von Wulffen und P. Becker für das sozialgerichtliche Verfahren e<strong>in</strong><br />

Bild gezeichnet, das Anlass zum Nachdenken gibt. Dort ist nachzulesen:<br />

„Das sozialgerichtliche Verfahren ist durch e<strong>in</strong> hohes Maß an Ungleichheit zwischen den<br />

Beteiligten zu Gunsten der Verwaltung geprägt, weil meistens e<strong>in</strong> „normaler“ Mensch gegen<br />

e<strong>in</strong>e Sozialversicherung klagt, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e von ihm begehrte Feststellung oder Sozialleistung<br />

abgelehnt hat. Diesem „normalen“ Menschen, der oftmals durch Armut, Alter, Arbeitslosigkeit<br />

oder körperliche Gebrechen e<strong>in</strong>geschränkt ist, steht e<strong>in</strong>e spezialisierte Fachverwaltung<br />

mit nahezu unbegrenzten f<strong>in</strong>anziellen Ressourcen, besonders ausgebildeten Sachbearbeitern,<br />

entsprechend geschulten Juristen und oftmals Ärzten sowie weiteren Fachwissenschaftlern<br />

gegen<strong>über</strong>. Im Bereich der Unfallversicherungsträger ist dar<strong>über</strong> h<strong>in</strong>aus hervorzuheben,<br />

dass <strong>die</strong>se mittels ihrer Zus<strong>am</strong>menschlüsse <strong>über</strong> eigene Kl<strong>in</strong>iken und große<br />

spezialisierte naturwissenschaftliche und technische Forschungse<strong>in</strong>richtungen ver-<br />

fügen.“<br />

Zugegeben, <strong>die</strong>se Schilderung steht im Zus<strong>am</strong>menhang mit der im konkreten Fall zu klärenden<br />

Fachfrage der Chancengleichheit im Sozialgerichtsprozess und passt vielleicht nicht<br />

ganz zum Thema Begutachtung. Oder doch? Welches Weltbild bzw. welches (Zerr-)Bild von<br />

der Realität der Arbeit der Unfallversicherungsträger spricht aus <strong>die</strong>sen Worten? Stehen wir<br />

den Versicherten „gegen<strong>über</strong>“? Nutzen wir unsere personelle und materielle Ausstattung<br />

tatsächlich gegen <strong>die</strong> Versicherten? Ist e<strong>in</strong>e solche Darstellung gerechtfertigt?<br />

Bei allem Respekt vor unserem höchsten Fachgericht möchte ich dem widersprechen:<br />

Erstens: Es gibt <strong>die</strong> Unfallversicherungsträger <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Form nur, weil der Gesetzgeber,<br />

also <strong>in</strong> unserer Demokratie das Volk, es so will. Dies hat er gerade wieder durch das Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz<br />

grundsätzlich bestätigt.<br />

Zweitens: Viele Tausend Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter der Unfallversicherung entsprechen<br />

mit ihrer Arbeit nach ihrem Gelöbnis nicht nur dem Grundgesetz und den Gesetzen. Sie<br />

fühlen sich besonders im Versicherten dem Mitmenschen <strong>in</strong> schwieriger Lebenslage täglich<br />

neu verpflichtet. Wir stehen den Versicherten bei – nicht gegen<strong>über</strong>!<br />

Drittens: Die Klagestatistik belegt <strong>in</strong>sges<strong>am</strong>t bee<strong>in</strong>druckend <strong>die</strong> Qualität unserer Arbeit<br />

durch <strong>die</strong> Abbildung der uns bestätigenden Entscheidungen unabhängiger Gerichte.<br />

60


Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

Viertens: Die durch <strong>die</strong> Arbeitgeber f<strong>in</strong>anzierten Institutionen der Unfallversicherungsträger<br />

s<strong>in</strong>d bewusst und gewollt den Interessen der Versicherten zu <strong>die</strong>nen bestimmt. Die<br />

Versicherten erkennen <strong>die</strong>s durch ihre Erfahrungen <strong>in</strong> zahlreichen E<strong>in</strong>zelfällen geleitet<br />

auch immer wieder dankbar an.<br />

Fünftens: M.E. darf auf der Grundlage segmentaler Erfahrungen der Justiz nicht auf <strong>die</strong><br />

weit <strong>über</strong>wiegende Zahl der unstreitigen Feststellungsverfahren und der sich <strong>in</strong> ihnen <strong>in</strong><br />

aller Regel zeigenden guten Zus<strong>am</strong>menarbeit aller Beteiligten geschlossen werden.<br />

Aber nicht nur Tatsachen, auch Empf<strong>in</strong>dungen prägen <strong>die</strong> Wahrnehmung. Was also erwartet<br />

der Versicherte auch im Zus<strong>am</strong>menhang mit der Begutachtung von uns? Das ist wohl nur<br />

das, was auch wir uns für uns selbst als Ausfluss unserer verfassungsmäßigen Rechte u.a.<br />

wünschen:<br />

Entsprechend Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) entspricht es der Würde des Menschen,<br />

nicht lediglich Objekt unserer Arbeit zu se<strong>in</strong>, sondern Subjekt, d.h. mitwirkender Partner<br />

im Feststellungsverfahren. Das gilt im Umgang mit der Verwaltung, <strong>die</strong> durch ihre Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />

und Mitarbeiter e<strong>in</strong> menschliches Gesicht erhalten muss und meist auch erhält,<br />

ebenso wie bei der Durchführung der Begutachtung. Hier hilft <strong>in</strong> der großen fremden Kl<strong>in</strong>ik<br />

oder bei dem oft unbekannten Arzt schon e<strong>in</strong>e zugewandte, Ängste abbauende und freundliche<br />

Information <strong>über</strong> den Ablauf und den Grund der e<strong>in</strong>zelnen Untersuchungen.<br />

Entsprechend Art. 2 Abs. 1 GG darf der Versicherte im Rahmen der allgeme<strong>in</strong>en Handlungsfreiheit<br />

auch frei und ohne Sanktionen entscheiden, eventuell e<strong>in</strong>mal nicht mitzuwirken,<br />

z.B. nicht zur Begutachtung zu gehen. Dass <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Fall mangels Mitwirkung Entscheidungen<br />

<strong>über</strong> Leistungen evtl. nicht möglich s<strong>in</strong>d, ist von beiden Seiten zu akzeptieren. Aber<br />

vielleicht kann – wie oben dargestellt – ja auch e<strong>in</strong>mal ohne (weitere) Gutachten entschieden<br />

werden?<br />

61


Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

Entsprechend Art. 3 Abs. 1 und 3 GG und auch als Ausfluss des Sozialstaatspr<strong>in</strong>zips darf er<br />

erwarten, geschützt durch <strong>die</strong> Qualität und Objektivität des Feststellungsverfahrens und<br />

durch e<strong>in</strong>e von hoher, aktueller wissenschaftlicher Sachkenntnis geprägte Begutachtung <strong>in</strong><br />

allen Teilen unseres Landes und im Vergleich mit ähnlich Geschädigten gleich behandelt<br />

und mit den gleichen Leistungen versorgt zu werden.<br />

Entsprechend dem aus dem allgeme<strong>in</strong>en Persönlichkeitsrecht herrührenden Recht auf<br />

<strong>in</strong>formationelle Selbstbestimmung darf er erwarten, als Herr se<strong>in</strong>er Daten im Rahmen des<br />

§ 200 Abs. 2 SGB VII auswählen zu dürfen, welchem Gutachter gegen<strong>über</strong> er se<strong>in</strong>e zum<br />

Teil sehr persönlichen Daten offenbaren möchte. Dabei s<strong>in</strong>d eigene Vorschläge zum Gutachter,<br />

soweit sie fachlich akzeptabel s<strong>in</strong>d, nicht als Störung, sondern im S<strong>in</strong>ne der Akzeptanz<br />

der späteren Entscheidungen grundsätzlich und <strong>in</strong> der Regel als willkommen anzusehen!<br />

Die Regeln unseres Feststellungsverfahrens stehen nicht gegen <strong>die</strong> Versicherten, sie konkretisieren<br />

vielmehr deren verfassungsmäßige Rechte; sie täglich auch im Detail der Begutachtung<br />

zu verwirklichen ist e<strong>in</strong>e ständige Aufgabe. Sprechen wir also mit unseren<br />

versicherten Mitbürger<strong>in</strong>nen und Mitbürgern und nicht nur <strong>über</strong> sie, nehmen wir sie mit auf<br />

den Weg, begleiten wir sie bei der Begutachtung ebenso, wie wir das <strong>in</strong> der Rehabilitation<br />

schon seit langer Zeit erfolgreich tun, dann wird aus gefühlter Übermacht gute Partnerschaft!<br />

3. Begutachtung aus der Sicht des Gutachters<br />

Wird e<strong>in</strong> Arzt mit der Erstattung e<strong>in</strong>es Gutachtens beauftragt, f<strong>in</strong>det <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Handeln<br />

e<strong>in</strong> Rollenwechsel statt: Aus dem heilenden, den Kranken begleitenden Arzt muss nun e<strong>in</strong><br />

zwar freundlicher aber distanziert, objektiv und re<strong>in</strong> von wissenschaftlichem Fachverstand<br />

geprägter Sachverständiger werden.<br />

62


Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

Mit dem Gutachtenauftrag <strong>über</strong>nimmt der Gutachter <strong>die</strong> Pflicht zum sorgfältigen Studium<br />

des Auftrages und der Akten, zur gründlichen Vorbereitung des Untersuchungsterm<strong>in</strong>s, <strong>die</strong><br />

Pflicht zur angemessenen, auf Kommunikation und Information beruhenden Führung des<br />

Probanden und zur vollständigen, sorgfältigen und zügigen Abfassung des Gutachtens.<br />

Im Rahmen e<strong>in</strong>es Werkvertrages stellt er dem Versicherungsträger se<strong>in</strong>e geschulte Wahrnehmungsfähigkeit,<br />

se<strong>in</strong> Fachwissen, se<strong>in</strong>e Erfahrung, se<strong>in</strong>e Kunst der Analyse, besonders<br />

aber se<strong>in</strong>e Fähigkeit zur sorgfältigen schriftlichen Dokumentation zur Verfügung. Se<strong>in</strong><br />

„Werk“ ist (nur) das, was als Ergebnis se<strong>in</strong>er Arbeit auch schriftlich niedergelegt zur Grundlage<br />

des weiteren Verwaltungshandelns wird: Das Gutachten. Dabei ist es von besonderer<br />

Bedeutung, dass <strong>die</strong>ser spezielle, fachlich-wissenschaftlich geprägte Text <strong>die</strong> neutrale Haltung<br />

des Verfassers auch <strong>in</strong> der Wahl der Sprache und der Argumentation zum Ausdruck<br />

kommen lässt. Lassen Formulierungen Zweifel an der Objektivität des Autors aufkommen,<br />

ist das Werk, auch wenn es sonst „richtig“ ist, mangelhaft und nicht verwertbar.<br />

63


Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

Als „Grenzgänger“ zwischen Mediz<strong>in</strong> und (Sozial-)Recht muss sich der Sachverständige auf<br />

<strong>die</strong> besonderen Anforderungen des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung e<strong>in</strong>lassen,<br />

<strong>die</strong>se kennen und bei der Anwendung se<strong>in</strong>es mediz<strong>in</strong>ischen Sachverstands beachten. Auch<br />

<strong>die</strong> zutreffende Verwendung der unfallversicherungsrechtlichen Fachbegriffe zeichnet e<strong>in</strong><br />

qualitativ hochwertiges Gutachten aus.<br />

Schon <strong>die</strong> vorstehenden Bemerkungen zeigen, wie sehr sich <strong>die</strong> Begutachtung an der konkreten<br />

Person des Gutachters ausrichtet: Der Gutachter muss das Vertrauen der Verwaltung<br />

und des zu begutachtenden Menschen besitzen. Die Verwaltung möchte <strong>die</strong> Erfahrung des<br />

angeschriebenen Arztes selbst nutzen, der Versicherte stimmt e<strong>in</strong>er Daten<strong>über</strong>mittlung an<br />

e<strong>in</strong>e natürliche Person, nicht an e<strong>in</strong>e Institution zu!<br />

Zwar darf sich der Gutachter bei der Erstellung des Gutachtens se<strong>in</strong>es mediz<strong>in</strong>ischen Hilfspersonals<br />

be<strong>die</strong>nen, jedoch sollte es e<strong>in</strong>deutig und durch <strong>die</strong> eigene Unterschrift bestätigt<br />

se<strong>in</strong>, wer wirklich Autor und Verantwortlicher für das Gutachten ist. Unterschreibt der Stellvertreter<br />

oder e<strong>in</strong> anderer Arzt das Gutachten, verstößt <strong>die</strong>s gegen das Gutachterauswahlrecht<br />

des Versicherten nach § 200 Abs. 2 SGB VII.<br />

Nach der neuesten Rechtsprechung (BSG v. 5. Februar 2008, Az: B 2 U 8/07 R) würde <strong>die</strong>s<br />

zu e<strong>in</strong>em Verwertungsverbot im Feststellungsverfahren und im anschließenden Streitverfahren<br />

führen. Wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Dom<strong>in</strong>oeffekt wären dann auch <strong>die</strong> auf dem rechtswidrig<br />

entstandenen Gutachten „aufsetzenden“ Gutachten nicht verwertbar! Die Verwaltungen<br />

werden auf <strong>die</strong>sen nicht nur formalen Sachverhalt <strong>in</strong> der kommenden Zeit sicher verstärkt<br />

zu achten haben und bitten dabei <strong>die</strong> Begutachtenden schon jetzt um Mitwirkung und<br />

Verständnis.<br />

64


Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

Fazit:<br />

Alle Beteiligte verb<strong>in</strong>det im Feststellungsverfahren der Unfallversicherungsträger das geme<strong>in</strong>s<strong>am</strong>e<br />

Interesse an e<strong>in</strong>er möglichst objektiven, auf aktueller wissenschaftlicher Kenntnis<br />

beruhenden, das Gleichheitsgebot beachtenden und gerichtsfesten Begutachtung. Der<br />

rechtliche Rahmen ist gesetzt und zu beachten. Dabei ist der versicherte Bürger Partner<br />

und nicht Objekt im Verfahren. Jeder Beteiligte hat durch <strong>die</strong> gewissenhafte Wahrnehmung<br />

se<strong>in</strong>er Aufgaben <strong>die</strong> Qualität der Begutachtung stetig zu verbessern.<br />

P.S.:<br />

Hätten <strong>die</strong> Bl<strong>in</strong>den aus der anfangs erwähnten Geschichte mite<strong>in</strong>ander gesprochen und ihre<br />

Erkenntnisse ausgetauscht, hätten sie erkannt, dass es sich um e<strong>in</strong>en Elefanten handelte!<br />

65


Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

Kontakt:<br />

Erl<strong>in</strong>ghagen, Norbert, Ass. jur.<br />

Geschäftsführer der Bezirksverwaltung Bonn der Bergbau Berufsgenossenschaft<br />

und der Ste<strong>in</strong>bruchs-Berufsgenossenschaft<br />

Peter-Hensen-Straße 1, 53175 Bonn<br />

66


S. Stu<strong>die</strong>r-Fischer<br />

Begutachtung der Schulter<br />

Rotatorenmanschette<br />

Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

Zus<strong>am</strong>menfassung<br />

Zus<strong>am</strong>menhangstrennung der Rotatorenmanschette<br />

Hat der Patient nach e<strong>in</strong>em angeschuldigten Ereignis persistierende Beschwerden an der<br />

Schulter, so ist <strong>die</strong> Eigenan<strong>am</strong>nese des Patienten zu erfragen. Befunde der Gegenseite, der<br />

HWS und der angrenzenden Gelenke s<strong>in</strong>d zu dokumentieren. Elementar für <strong>die</strong> Begutachtung<br />

und <strong>die</strong> Bewertung ist der Unfallhergang <strong>über</strong>haupt. So ist zw<strong>in</strong>gend festzuhalten, ob<br />

<strong>über</strong>haupt e<strong>in</strong> Unfall vorliegt oder ob nicht e<strong>in</strong>e willentliche Bewegung erfolgte. Die Richtung<br />

der e<strong>in</strong>wirkenden Kraft und H<strong>in</strong>weise auf stattgehabte Luxationen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> jedem Falle<br />

schon im ersten sog. D-Arztbericht zu entnehmen. E<strong>in</strong>e ökonomisch e<strong>in</strong>gesetzte Diagnostik<br />

ist entsprechend zu werten.<br />

Schlüsselwörter<br />

Rotatorenmanschette – Ruptur – Begutachtung<br />

Summary<br />

Rotatory cuff tear<br />

If a patient has cont<strong>in</strong>uous problems <strong>in</strong> the shoulder after an <strong>in</strong>jury the past medical<br />

history is to be surveyed. F<strong>in</strong>d<strong>in</strong>gs at the other site, the neck and adjacent jo<strong>in</strong>ts are to be<br />

documented. Elementary for the appraisal is the mechanism of the <strong>in</strong>jury itself. It is mandatory<br />

to assume if there is an <strong>in</strong>jury at all or a voluntary motion. The direction of force and<br />

f<strong>in</strong>d<strong>in</strong>gs of a former luxation are to be reported <strong>in</strong> the primary report (D-Arztbericht). The<br />

economicaly <strong>in</strong>itiated tests should be reevaluated carefully.<br />

Key words<br />

Rotatory cuff – cuff tear – appraisal<br />

Problematik<br />

Die gutachterliche Bewertung e<strong>in</strong>er Zus<strong>am</strong>menhangstrennung ist schwierig und ist häufig<br />

Grundlage und Anlass für rechtliche Ause<strong>in</strong>andersetzungen. Ziel muss es se<strong>in</strong>, <strong>in</strong> der Begutachtung<br />

bei gleichen mediz<strong>in</strong>ischen Sachverhalten e<strong>in</strong>heitliche Beurteilungen abzugeben<br />

[1].<br />

Vorbemerkung<br />

Die Rotatorenmanschette (RM) ist e<strong>in</strong>e Sehnenplatte der Muskeln M. subscapularis,<br />

M. suprasp<strong>in</strong>atus, M. <strong>in</strong>frasp<strong>in</strong>atus und M. teres m<strong>in</strong>or. Funktionell wird <strong>die</strong> Sehne des<br />

67


Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

Caput longum M. bicipitis brachii h<strong>in</strong>zugezählt. Über <strong>die</strong>se Rotatorenmanschette setzt <strong>die</strong><br />

tiefe Schultermuskulatur <strong>am</strong> Oberarmkopf an und zentriert und stabilisiert <strong>die</strong>sen <strong>in</strong> der<br />

Schulterpfanne. Das Sehnengewebe der RM besteht aus mehreren Schichten als Ausdruck<br />

der unterschiedlichen mechanischen Belastung. Die Suprasp<strong>in</strong>atussehne ist <strong>in</strong> ihrem oberflächlichen<br />

Bereich e<strong>in</strong>e Zugsehne und <strong>in</strong> der Tiefe e<strong>in</strong>e Gleitsehne. Defekte der RM gehören<br />

zu den häufigsten krankhaften Befunden des Schultergelenkes. Meist s<strong>in</strong>d <strong>die</strong>se degenerativer<br />

Art [3]. Auch wenn im deutschen Sprachgebrauch <strong>die</strong>se Begriffe ungewöhnlich<br />

kl<strong>in</strong>gen, sollte besser von e<strong>in</strong>er Zus<strong>am</strong>menhangstrennung oder von e<strong>in</strong>er Kont<strong>in</strong>uitätsunterbrechung<br />

gesprochen werden bevor Begehrlichkeiten bei den Patienten geweckt werden.<br />

Auf <strong>die</strong>ser Grund<strong>in</strong>formation sollte <strong>die</strong> Begutachtung basieren.<br />

Erste Informationen<br />

Die Eigenan<strong>am</strong>nese be<strong>in</strong>haltet neben besonderen beruflichen Belastungen <strong>die</strong> sportliche<br />

Aktivität. Hierzu ist festzustellen, ob <strong>die</strong> betroffene Person armbelastende Sportarten ausführt<br />

oder ausführte. Befunde der Gegenseite und der angrenzenden Gelenke s<strong>in</strong>d festzuhalten.<br />

Bereits im D-Arztbericht ist festzulegen ob <strong>über</strong>haupt e<strong>in</strong> Unfall im S<strong>in</strong>ne des Gesetzes<br />

vorliegt oder ob nicht e<strong>in</strong> willentlicher Vorgang beschrieben wird. Die Richtung der<br />

e<strong>in</strong>wirkenden Kraft oder Auftreffen des Körpers auf den Widerstand muss klar und unmissverständlich<br />

dokumentiert werden. Von hohem Interesse ist der H<strong>in</strong>weis auf e<strong>in</strong>e stattgehabte<br />

Luxation. Der Schmerzverlauf ist wichtig; <strong>in</strong>itial schmerzarme Zeiten von e<strong>in</strong>igen<br />

Stunden oder Tagen s<strong>in</strong>d genauso zu schriftlich zu fixieren, wie e<strong>in</strong> sofortiges Schmerzmaximum.<br />

Immer wieder wird vergessen das Verhalten des Betroffenen nach dem Unfall<br />

fest-zuhalten. Dabei ist zu erfassen, ob der Patient se<strong>in</strong>e Arbeit fortgesetzte und wann er<br />

e<strong>in</strong>en Arzt erstmals aufsuchte. Auch nicht D-ärztliche Konsultationen s<strong>in</strong>d bedeutend. Dabei<br />

s<strong>in</strong>d „<strong>in</strong>nerbetriebliche“ Zwänge zu berücksichtigen, wie z. B. drohende Kündigungen<br />

oder hohe Auftragslage bei welchen <strong>die</strong> Patienten erheblich unter Druck gesetzt werden<br />

können [2].<br />

Kl<strong>in</strong>ischer Erstbefund<br />

Im D-Arztbericht muss aufgeführt werden, ob der Patient Schürfmarken oder Hämatome<br />

aufweist. Auch das Nichtvorliegen solcher Veränderungen ist von Bedeutung. Bei der kl<strong>in</strong>ischen<br />

Untersuchung s<strong>in</strong>d der passive Dehnungsschmerz und das Drop-Arm-Phänomän<br />

von immenser Bedeutung. Die Dokumentation des Bewegungsausmaßes nach der Neutral-<br />

Null-Methode ist obligat. Bei der Bewertung der Begleitverletzungen ist dem AC-Gelenk<br />

e<strong>in</strong> Augenmerk zu schenken und <strong>die</strong> Befunde zu fixieren. Auf neurologische Ausfälle z. B.<br />

<strong>am</strong> Plexus brachii oder <strong>am</strong> N. axillaris ist zu achten.<br />

Erste Röntgenaufnahme<br />

Initial werden Röntgenaufnahmen <strong>in</strong> zwei Ebenen angefertigt, evtl. ist auch e<strong>in</strong>e outlet-<br />

view-Aufnahme erforderlich. Dabei ist auf e<strong>in</strong>e exakte E<strong>in</strong>stellung des Gelenkspaltes zu<br />

achten (Abb. 1). Die Abbildungsqualität sollte <strong>die</strong> knöchernen Strukturen des Schultergelenkes<br />

darstellen. Insbesondere muss der subacromiale Raum und dessen Weite zu erkennen<br />

se<strong>in</strong>. Frakturen z. B. an Humeruskopf, Klavikula und Glenoid s<strong>in</strong>d immer auszuschließen<br />

(Abb. 2). Die Standart röntgen aufnahme gibt H<strong>in</strong>weise auf e<strong>in</strong>e vorliegende Omarthrose,<br />

68


Abb. 1:<br />

Röntgenaufnahme der Schulter. Der Humeruskopf<br />

projiziert sich <strong>über</strong> das Glenoid – e<strong>in</strong>e Luxation ist<br />

d<strong>am</strong>it nicht auszuschließen; <strong>die</strong> Qualität der Röntgenaufnahme<br />

ist nicht zu akzeptieren.<br />

Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

Abb. 2:<br />

Die Röntgenaufnahme der Schulter zeigt e<strong>in</strong>e<br />

e<strong>in</strong>gestauchte Fraktur des Humeruskopfes.<br />

Humeruskopfhochstand oder e<strong>in</strong>e bereits vorliegende Cuff-tear-Arthropathie als Zeichen<br />

e<strong>in</strong>es fort geschrit tenen Rotatorenmanschettenschadens.<br />

Sonografie<br />

Wenngleich leicht durchzuführen, ist <strong>die</strong>se Untersuchung extrem untersucherabhängig.<br />

Sie ist sehr gut geeignet als „Kontaktaufnahme“ zu dem Patienten. Aus persönlicher Erfahrung<br />

ist festzustellen, dass Patienten welche sonografisch an der Schulter untersucht wurden<br />

Vertrauen zu dem Untersucher aufbauen. Mit hoher Sicherheit kann der Nachweis e<strong>in</strong>er<br />

<strong>in</strong>takten RM erbracht werden. Das isolierte Vorliegen e<strong>in</strong>es Ergusses ist nicht richtungsführend.<br />

Die Sonografie ist gleichzeitig e<strong>in</strong>e dyn<strong>am</strong>ische Untersuchung, welche e<strong>in</strong>en sehr<br />

guten Überblick bietet <strong>über</strong> das Gleitverhalten des Gewebes und mögliche degenerative<br />

Veränderungen oder „Kalkherde“. E<strong>in</strong>e Aussage <strong>über</strong> das AC-Gelenk ist sofort möglich. Es<br />

muss standardisiert <strong>die</strong> Gegenseite mituntersucht werden (Abb. 3).<br />

Kernsp<strong>in</strong>tomografie<br />

Die Magnetresonanztomografie mit oder ohne Kontrastmittel ist das sensibelste Verfahren<br />

zur Untersuchung der Rotatorenmanschette (Abb. 4). Hiermit gel<strong>in</strong>gt nicht <strong>in</strong>vasiv der Nachweis<br />

oder der Ausschluss von RM-Schäden. E<strong>in</strong>e Retraktion der Sehnenränder oder <strong>die</strong><br />

fettige Degeneration der Sehne lassen sich sehr leicht erkennen. Auch Veränderungen <strong>am</strong><br />

AC-Gelenk stellen sich sehr exakt dar. E<strong>in</strong> Bonebruise im Humeruskopf, e<strong>in</strong>e Bankartläsion<br />

oder das Vorliegen e<strong>in</strong>er Hill-Sachs-Delle sprechen für e<strong>in</strong> Unfallgeschehen.<br />

Arthroskopie<br />

Am Schluss der diagnostischen Kette jedoch immer mit e<strong>in</strong>er therapeutischen Intention,<br />

steht <strong>die</strong> Arthroskopie der Schulter. Dabei ist <strong>die</strong> Menge, Farbe und Konsistenz des Ergusses<br />

69


Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

Abb. 3:<br />

Sonografische Aufnahme Die Rotatorenmanschette der rechten Schulter ist nicht mehr nachweisbar.<br />

zu beschreiben. Der Defekt, falls vorliegend, wird ohne Wertung beschrieben (Abb. 5).<br />

Hierzu s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Abrundung der Ränder, Lage, Richtung und E<strong>in</strong>blutungen anzugeben. Die<br />

Ausdehnung der Dehiszenz und Adaptierbarkeit der Ränder geben dem Gutachter später<br />

Aufschluss auf das Alter der Läsion. Die Beschreibung der Lage und der Zustand der langen<br />

Bicepssehne und der Begleitbefunde wie Bankart-Schaden, Hill-Sachs-Delle, SLAP-Läsion<br />

etc. ist obligat.<br />

Abb. 4:<br />

Kernsp<strong>in</strong>tomografie. Die Rotatorenmanschette ist<br />

durchtrennt, es zeigt sich bereits e<strong>in</strong> Hochstand des<br />

Humeruskopfes mit E<strong>in</strong>engung des subacromialen<br />

Raumes.<br />

70<br />

Abb. 5:<br />

Fotografie des Randes der RM Abgerundete Ränder<br />

und Gefäße<strong>in</strong>sprossung sprechen gegen e<strong>in</strong> frisches<br />

traumatisches Ereignis


Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

Histologie<br />

E<strong>in</strong>e repräsentative Entnahme ist zu fordern. Der Beauftragung der Histologie hat e<strong>in</strong>e<br />

dezi<strong>die</strong>rte Fragestellung zu folgen. E<strong>in</strong>e Entnahme später als drei Monate nach e<strong>in</strong>em fraglichen<br />

Ereignis lässt <strong>in</strong> der Regel ke<strong>in</strong>e zeitliche Zuordnung mehr zu. Das Labor sollte <strong>über</strong><br />

e<strong>in</strong>e entsprechende Erfahrung verfügen. Die Bedeutung der Histologie <strong>in</strong> der Zus<strong>am</strong>menhangsbegutachtung<br />

wird jedoch häufig <strong>über</strong>schätzt.<br />

Diagnostisches Stufenschema<br />

Wie üblich kommt der ersten Dokumentation im D-Arztbericht und der Unfallmeldung e<strong>in</strong>e<br />

enorme Bedeutung zu. Nicht alle Patienten bedürfen e<strong>in</strong>er MRT. E<strong>in</strong>e Zweitkonsultation<br />

etwa zwei Wochen nach e<strong>in</strong>em evtl. Unfall wird angeschlossen. Hier werden <strong>die</strong> ersten<br />

Untersuchungen ggf. wiederholt und Zweituntersuchungen veranlasst. Etwa vier Wochen<br />

nach dem Unfall sollte <strong>die</strong> def<strong>in</strong>itive Festlegung <strong>über</strong> den Schaden an der Rotatorenmanschette<br />

erfolgt se<strong>in</strong>. Im günstigen Fall kann dann unverzüglich evtl. mit der operativen<br />

Therapie begonnen werden (siehe Tabelle rechts). Im Falle e<strong>in</strong>er frühen Festlegung der<br />

Ursächlichkeit ist <strong>die</strong> Begutachtung entbehrlich.<br />

Literatur<br />

1. Loew M, Habermeyer P, Wiedermann E, Rickert M, Gohlke F, (2000) Empfehlungen<br />

zu Diagnostik und Begutachtung der traumatischen Rotatorenmanschettenläsion.<br />

Unfallchiurg 103: 417-426<br />

2. Schönberger G, Mertens G, Valent<strong>in</strong> H, Arbeitsunfall und Berufskrankheiten (2003).<br />

7. Auflage, Erich Schmidt Verlag<br />

3. Weber M, (2004) Empfehlungen zur Begutachtung von Schäden der Rotatorenmanschette.<br />

DGU – Mittteilungen und Nachrichten Suppl/2004 27-33<br />

Diagnostisches Stufenschema zur Diagnostik bei möglichem<br />

Rotatorenmanschettenschaden<br />

• Unfallzeitpunkt<br />

– Erstkonsultation<br />

– Dokumentation: Was liegt vor und was nicht?<br />

• zwei Wochen nach dem Unfall<br />

– Zweitkonsultation, Befunde im Verlauf<br />

– Verlaufsröntgen, erneute Sonografie<br />

– Veranlassung weitergehender Untersuchungen<br />

• vier Wochen nach dem Unfall<br />

def<strong>in</strong>itive Festlegung <strong>über</strong> Schaden an der Rotatorenmanschette –<br />

Beg<strong>in</strong>n der Therapie<br />

71


Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

Kontakt<br />

Stu<strong>die</strong>r-Fischer, Stefan, Dr. med.<br />

Leiter der Sektion für Schulter- und Ellbogenchirurgie<br />

Oberarzt der Kl<strong>in</strong>ik für Unfallchirurgie und Orthopä<strong>die</strong><br />

Berufsgenossenschaftliche Unfallkl<strong>in</strong>ik Ludwigshafen<br />

– Unfallchirurgische Kl<strong>in</strong>ik an der Universität Heidelberg –<br />

Ludwig-Guttmann-Straße 13<br />

67071 Ludwigshafen a. Rh.<br />

72


K. Weise, F. Schröter<br />

Begutachtung des Kniegelenkes bei Meniskus- und Bandläsionen<br />

Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

Zus<strong>am</strong>menfassung<br />

Die Begutachtung von Meniskus- und Kapsel-Band-Verletzungen <strong>am</strong> Kniegelenk ist e<strong>in</strong>e<br />

gleichermaßen schwierige wie verantwortungsvolle Aufgabe. Pathomechanisches Verständnis<br />

für <strong>die</strong> Geschehensabläufe und e<strong>in</strong>e angemessene Bewertung von An<strong>am</strong>nese und<br />

dokumentiertem Erstkörperschaden s<strong>in</strong>d unabd<strong>in</strong>gbare Voraussetzung für <strong>die</strong> Kausalitätsprüfung<br />

und Zus<strong>am</strong>menhangsbeurteilung. Durch Heranziehen von etablierten Prüf- und<br />

Bewertungskriterien unter Zuhilfenahme von Checklisten ist e<strong>in</strong>e Beurteilung im S<strong>in</strong>ne der<br />

Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit möglich. Aufgrund der häufig bestehenden Schwierigkeiten <strong>in</strong> der<br />

Abgrenzung von anlagebed<strong>in</strong>gten oder vorbestehenden Veränderungen gehört <strong>die</strong> Begutachtung<br />

der Folgen stattgehabter Meniskus- und Kapsel-Band-Läsionen <strong>in</strong> <strong>die</strong> Hände des<br />

Erfahrenen.<br />

Schlüsselwörter:<br />

Begutachtung, Meniskus-/Bandverletzungen Kniegelenk<br />

Summary<br />

The medical assessment of meniscus and capsule-lig<strong>am</strong>ent <strong>in</strong>juries on the knee jo<strong>in</strong>t is<br />

an equally difficult and responsible task. Pathomechanical understand<strong>in</strong>g of the events<br />

described and an appropriate evaluation of the medical history and documentation of<br />

primary <strong>in</strong>jury/<strong>in</strong>juries are an <strong>in</strong>dispensable condition for the causality ex<strong>am</strong><strong>in</strong>ation and<br />

connection evaluation. By utiliz<strong>in</strong>g established test and valuation criteria with the help of<br />

check lists, an evaluation <strong>in</strong> the sense of probability is possible. Due to the difficulties <strong>in</strong><br />

the classification of congenital or previously exist<strong>in</strong>g abnormalities the medical assess-<br />

ment of appeared meniscus and capsule-lig<strong>am</strong>ent lesions, belongs <strong>in</strong> the hands of an<br />

expert.<br />

Keywords:<br />

Expert op<strong>in</strong>ion, torn menisci/lig<strong>am</strong>ents knee<br />

E<strong>in</strong>führung<br />

Verletzungen und Überlastungsschäden <strong>am</strong> Kniegelenk s<strong>in</strong>d deswegen vielfach Gegenstand<br />

der Begutachtung, weil sie e<strong>in</strong>erseits häufig vorkommen, andererseits Traumafolgen von<br />

anlagebed<strong>in</strong>gten bzw. vorbestehenden Läsionen oft nur schwer abgrenzbar s<strong>in</strong>d. Das Verständnis<br />

für Pathologie und Pathomechanik der meist durch komplexe Traumen verursachten<br />

Verletzungen <strong>am</strong> Kapsel-Band-Apparat bzw. den Menisci ist unabd<strong>in</strong>gbare Voraussetzung,<br />

um <strong>in</strong>sbesondere <strong>die</strong> Zus<strong>am</strong>menhänge zwischen dem angeschuldigten Unfallereignis<br />

73


Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

und dem verbliebenen Schaden gutachtlich beurteilen zu können. Dabei ist zu berücksichtigen,<br />

dass Kniegelenksverletzungen <strong>in</strong> der <strong>über</strong>wiegenden Mehrzahl der Fälle als Komb<strong>in</strong>ationstraumen,<br />

seltener als Monoverletzung imponieren. Die gutachtliche Bewertung und<br />

E<strong>in</strong>schätzung gel<strong>in</strong>gt umso leichter, je exakter der Erstbefund e<strong>in</strong>schließlich des Unfallhergangs<br />

dokumentiert ist und je mehr objektive Untersuchungsdaten beispielsweise <strong>in</strong> Gestalt<br />

e<strong>in</strong>es zeitnah angefertigten, technisch e<strong>in</strong>wandfreien Kernsp<strong>in</strong>tomogr<strong>am</strong>ms oder gar<br />

<strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es schriftlichen und bildlichen Arthroskopiebefundes zur Verfügung stehen. E<strong>in</strong><br />

lückenloses Vorerkrankungenverzeichnis sowie allfällige Befunde aus der Zeit vor dem im<br />

Rede stehenden Unfall s<strong>in</strong>d weitere Hilfen, welche für e<strong>in</strong>e gutachtliche Beurteilung des<br />

Zus<strong>am</strong>menhanges große Bedeutung besitzen.<br />

Aus mediz<strong>in</strong>ischer Sicht bestehen regelmäßig dann ke<strong>in</strong>e Zweifel an e<strong>in</strong>er Kausalitätsbeziehung<br />

zwischen Ereignis und Knieb<strong>in</strong>nenschaden, wenn nachstehende Kriterien erfüllt<br />

s<strong>in</strong>d:<br />

• Das Ereignis ist unstreitig belegt<br />

• Die akute Symptomatik führte zum Niederlegen der beruflichen Tätigkeit<br />

• Der zeitnah erhobene Lokalbefund ist dokumentiert<br />

• Frische Verletzungszeichen wie Hämatom und/oder e<strong>in</strong> Hämarthros s<strong>in</strong>d nachgewiesen<br />

• Zeichen e<strong>in</strong>er frischen Zerreißung s<strong>in</strong>d belegt (nach F. Schröter)<br />

Aus versicherungsrechtlicher Sicht entsteht dann e<strong>in</strong>e Kausalitätsproblematik, wenn es<br />

sich um e<strong>in</strong> Schadensbild aus sog. <strong>in</strong>nerer Ursache handelt. Beispiel hierfür ist <strong>die</strong> konstitutionell<br />

bed<strong>in</strong>gte Kniescheiben (Sub-)Luxation, <strong>die</strong> Begleitschäden im S<strong>in</strong>ne osteochondraler<br />

Frakturen oder e<strong>in</strong>er Ruptur des vorderen Kreuzbandes verursachen kann, welche ihrerseits<br />

als frische Verletzung imponieren. Nur wenn bei e<strong>in</strong>em solchen Ereignis e<strong>in</strong>e relevante<br />

E<strong>in</strong>wirkung von außen im S<strong>in</strong>ne der Def<strong>in</strong>ition e<strong>in</strong>er Verletzung belegt ist, handelt es sich<br />

zweifelfrei um e<strong>in</strong>e Unfallfolge, ansonsten muss von e<strong>in</strong>er Schädigung aus <strong>in</strong>nerer Ursache<br />

ausgegangen werden, <strong>die</strong> nicht mehr unter Versicherungsschutz fällt.<br />

Die weitaus meisten Knieb<strong>in</strong>nenschäden entstehen durch <strong>in</strong>direkte Krafte<strong>in</strong>leitungen, bei<br />

welchen <strong>die</strong> Gewalt nicht direkt <strong>am</strong> Knie e<strong>in</strong>wirkt. Dadurch verursachte Läsionen führen<br />

regelhaft durch das so benannte „subluxation movement“ zu Komb<strong>in</strong>ationsverletzungen,<br />

ausgelöst durch<br />

• Achsenstress, der <strong>die</strong> Kollateralbänder, <strong>die</strong> Kapsel und fallweise Menisci und Knorpel<br />

schädigen kann<br />

• Rotationsstress, der <strong>die</strong> Kreuzbänder und Menisci, aber auch Knorpel und <strong>die</strong> Gelenkkapsel<br />

gefährdet<br />

• Komb<strong>in</strong>ierten Stress (Achse, Rotation), der sämtliche Knieb<strong>in</strong>nenstrukturen <strong>in</strong>klusive<br />

des Streckapparates erfassen kann<br />

Die aufgrund der häufig schwer nachvollziehbaren und oft komplexen Unfallmechanik<br />

und der mangelhaften Erhebung und Dokumentation des Erstbefundes schwierigen Zus<strong>am</strong>menhangsbeurteilungen<br />

sollten dazu veranlassen, mit derartigen Gutachten nur erfahrene<br />

Sachverständige zu betrauen. Auch <strong>die</strong>se sollten sich vorzugsweise an e<strong>in</strong>e Art Checkliste<br />

von Prüfkriterien halten, <strong>die</strong> folgende E<strong>in</strong>zelschritte umfasst:<br />

74


Tabelle 1:<br />

Prüfkriterien<br />

Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

• Altan<strong>am</strong>nese: Knieerkrankungen, -unfälle, Sport<br />

• Unfallan<strong>am</strong>nese:<br />

– Knie „irgendwie“ erreicht?<br />

– In Rede stehende Knieb<strong>in</strong>nenstrukturen gefährdet?<br />

• Zeit<strong>in</strong>tervall der Symptomatik: Sofort oder verzögert?<br />

• Schwellung/Erguss: Schnell (Blut) oder langs<strong>am</strong> (meist serös)?<br />

• Verhalten nach Unfall: Weiter gearbeitet? Erster Arztbesuch wann?<br />

• Erstschadensbild: Was wurde wann und von wem „wie“ belegt?<br />

• Schützende Strukturen mitbeteiligt?<br />

• Bildbefunde: Frisch oder alt? MRT: Bone bruises?<br />

• Arthroskopiebefund: Frisch oder alt?<br />

• Histologie: Frisch oder alt?<br />

• Verlaufsanalyse<br />

Ist auf <strong>die</strong>se Weise e<strong>in</strong>e frische Knieb<strong>in</strong>nenläsion zeitnah zum angeschuldigten Unfall<br />

umfassend und exakt dokumentiert, ist <strong>die</strong> Altan<strong>am</strong>nese <strong>in</strong> Richtung früherer Verletzungen<br />

nachgewiesenermaßen leer, hat nach dem Unfall ke<strong>in</strong> konkurrierendes Ereignis mehr stattgefunden<br />

und kann e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nere Ursache ausgeschlossen werden ist <strong>die</strong> Kausalität kaum<br />

anzuzweifeln und <strong>die</strong> Zus<strong>am</strong>menhangsbeurteilung unproblematisch. Eher unwahrsche<strong>in</strong>lich<br />

ist e<strong>in</strong>e Kausalitätsverknüpfung <strong>in</strong> den Fällen, bei welchen, oft nach e<strong>in</strong>em längeren<br />

zeitlichen Intervall zwischen dem Unfallereignis und der Begutachtung, im Rahmen der<br />

retrospektiven Aufklärung<br />

• Ke<strong>in</strong>e „gekoppelte Subluxation“ stattgehabt hat<br />

• E<strong>in</strong>e entsprechende Sofortsymptomatik nicht belegt ist<br />

• Die berufliche Tätigkeit nicht unterbrochen wurde<br />

• H<strong>in</strong>weise auf Begleitläsionen fehlen<br />

• Ke<strong>in</strong>e sog. Brückensymptomatik besteht<br />

Geradezu unwahrsche<strong>in</strong>lich wird e<strong>in</strong> Kausalzus<strong>am</strong>menhang, wenn <strong>die</strong> An<strong>am</strong>nese schon vor<br />

dem Unfall mit nachgewiesenen Verletzungen oder Knieb<strong>in</strong>nenschäden belastet ist, wenn<br />

davor wiederkehrend das Kniegelenk betreffende Unfälle bekannt s<strong>in</strong>d bzw. wenn zum<br />

Zeitpunkt der ersten Untersuchung nach dem Unfall bereits Zeichen e<strong>in</strong>er Arthrose bestanden.<br />

Die Kausalitätsprüfung für derartige Spätschäden kann durch nachfolgende Checkliste<br />

erleichtert werden. (Siehe Tabelle 2 auf der folgenden Seite.)<br />

Durch konsequentes „Abarbeiten“ der e<strong>in</strong>zelnen Prüfschritte können fehlerhafte Beurteilungen<br />

der Kausalität <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em hohen Prozentsatz vermieden werden, auch wenn e<strong>in</strong>e<br />

restliche Fehlerquelle nicht völlig zu vermeiden se<strong>in</strong> wird.<br />

75


Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

Tabelle 2:<br />

Begutachtung des Meniskusschaden<br />

Die isolierte traumatische Schädigung e<strong>in</strong>es gesunden Meniskus gehört zu den absoluten<br />

Ausnahmen, weil dafür e<strong>in</strong>e erhebliche Gewalte<strong>in</strong>wirkung auf das flektierte und rotierte<br />

Knie gefordert wird. Wegen der h<strong>in</strong>reichenden Mobilität und Dehnungsfestigkeit des gesunden<br />

Meniskusgewebes <strong>in</strong>nerhalb physiologischer Grenzen ist e<strong>in</strong>e isolierte Meniskusverletzung<br />

kaum denkbar. Werden <strong>die</strong> physiologischen Grenzen der Belastbarkeit <strong>über</strong>schritten<br />

s<strong>in</strong>d begleitende Läsionen <strong>am</strong> und im Kniegelenk zu erwarten. Beispielsweise entsteht<br />

e<strong>in</strong>e Meniskusverletzung als Begleitläsion im Rahmen e<strong>in</strong>es komb<strong>in</strong>ierten Achsen- und<br />

Rotationsstresses bei e<strong>in</strong>er Ruptur des vorderen Kreuzbandes. Für e<strong>in</strong>en auf der Basis<br />

degenerativer Meniskusveränderungen entstehenden Korbhenkelriss s<strong>in</strong>d frische Mechanismen<br />

wie das Aufstehen aus der Hocke bekannt. Die verschiedenen Rissformen e<strong>in</strong>es<br />

Meniskus werden möglichen Ursachen wie folgt zugeordnet:<br />

• Degeneration<br />

– Horizontalriss<br />

– Lappenriss<br />

– Komplexriss<br />

76<br />

Beurteilungskriterien<br />

Unfallfolge Pro Kontra<br />

Altan<strong>am</strong>nese leer belastet<br />

Hergang „gekoppelte Subluxation“ Bagatelle<br />

Aktivität nach Unfall e<strong>in</strong>gestellt fortgesetzt<br />

Symptomatik sofort verzögert<br />

erheblich mäßig<br />

wegweisend unspezifisch<br />

Erstbefund verletzungstypisch Reizknie<br />

Erguss/Hämarthros Trocken<br />

Begleitläsionen ja ne<strong>in</strong><br />

MRT Subchondrales Ödem Ke<strong>in</strong> oder chronisches<br />

<strong>über</strong> ca. 6 Monate rückläufig subchondrales Ödem,<br />

Übergang <strong>in</strong> Spongiosa-<br />

verfettung<br />

Isolierte Läsion ne<strong>in</strong> ja<br />

Vorbestehende Arthrose ne<strong>in</strong> ja


• Traumatisch möglich<br />

– Längsriss<br />

– Radiärriss<br />

• Mehrzeitige Ausdehnung e<strong>in</strong>es Risses<br />

– Korbhenkelriss<br />

Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

Gefährdet ist e<strong>in</strong> Meniskus bei Kniebeugung und Außenrotation des Unterschenkels <strong>in</strong>folge<br />

Zugspannung, Druckbelastung im H<strong>in</strong>terhornbereich und e<strong>in</strong>er Art Gewebeverformung mit<br />

Fältelung. Ungeeignete Mechanismen für <strong>die</strong> Schädigung e<strong>in</strong>es gesunden Mechanismus<br />

s<strong>in</strong>d:<br />

• Jegliche Krafte<strong>in</strong>wirkung auf e<strong>in</strong> gestrecktes Knie<br />

• Stauchungsbelastung (Fraktur)<br />

• Direktes Anstoßen des Kniegelenkes<br />

• Sturz auf das Kniegelenk<br />

• Ausrutschen oder Stolpern<br />

• Aufstehen aus der Hocke<br />

• Alltagsübliche Drehbewegungen<br />

Zus<strong>am</strong>menfassend ist festzuhalten, dass unter gutachtlichen Aspekten<br />

• Ke<strong>in</strong> unfallbed<strong>in</strong>gter Meniskusschaden anzunehmen ist, wenn Bewegungen/Belastungen<br />

des Kniegelenkes <strong>in</strong> physiologischem Ausmaß stattf<strong>in</strong>den<br />

• Es für unfallbed<strong>in</strong>gte Läsionen spricht, wenn physiologische Grenzen <strong>über</strong>schritten<br />

werden müssen oder Bewegungen <strong>in</strong> unphysiologische Richtungen stattf<strong>in</strong>den<br />

• Schützende Strukturen wie der Kapsel-Band-Apparat <strong>über</strong>wunden bzw. geschädigt se<strong>in</strong><br />

müssen<br />

Hilfreich zur Beurteilung des zeitlichen Intervalls bei Meniskusverletzungen ist <strong>die</strong><br />

Histologie mit Beurteilung der e<strong>in</strong>zelnen Sta<strong>die</strong>n der Reparation.<br />

Tabelle3<br />

Reparative Prozesse bei Meniskusriss<br />

Ablauf des Reparationsversuches<br />

• Kondensiertes Fibr<strong>in</strong> an Oberfläche der Riss-Stelle<br />

• Proliferation der Knorpelzellen (Brutkapseln)<br />

• Proliferation der B<strong>in</strong>degewebszellen<br />

• E<strong>in</strong>sprossung von Fibroblasten, Angioblasten und Gefäßen<br />

• Blutabbau mit Hämosider<strong>in</strong>ablagerung<br />

• Zellreiches B<strong>in</strong>degewebe an Rissrändern (nach 4 bis 6 Wochen)<br />

• Narbenbildung (nach 4–5 Monaten)<br />

Wertung der Histologie abhängig von zeitlicher Distanz Unfall ± OP<br />

nach Gässner, (1982: BG-Schriftenreihe Heft 47)<br />

77


Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

Die gutachtliche Beurteilung des Kausalzus<strong>am</strong>menhanges orientiert sich an nachstehenden<br />

standardisierten Prüfkriterien:<br />

1. Schadensmechanismus: Exakte Analyse des Hergangs nach Art, Größe und Richtung der<br />

e<strong>in</strong>wirkenden Kräfte<br />

2. Funktionelles Schadensbild: Verletzungsspezifischer Funktionsverlust unmittelbar nach<br />

dem Unfall mit sofortiger Arbeitsniederlegung und alsbaldigem Arztkontakt<br />

3. Strukturelles Schadensbild: Nachweis verletzungsspezifischer/-beweisender struktureller<br />

Veränderungen (z.B. MRT, Arthroskopie etc.)<br />

Die Zus<strong>am</strong>menhangsbeurteilung des (nicht berufsbed<strong>in</strong>gten) Meniskusschadens ist schwierig<br />

und komplex, gehört <strong>in</strong> <strong>die</strong> Verantwortung e<strong>in</strong>es erfahrenen Gutachters und wird erheblich<br />

erleichtert durch e<strong>in</strong>e exakte und umfassende Erstdokumentation unter E<strong>in</strong>beziehung<br />

von Bildgebung und, wenn verfügbar, arthroskopischen <strong>Bericht</strong>en und fe<strong>in</strong>geweblichen<br />

Untersuchungen.<br />

Begutachtung bei Bandläsionen<br />

Läsionen bzw. Instabilitäten der Kniegelenksbänder sowie der Kapsel s<strong>in</strong>d meist Folge von<br />

Komb<strong>in</strong>ationstraumen im S<strong>in</strong>ne von Kompressions-Scher-Mechanismen oder unphysiologischer<br />

Dehnung/Überdehnung. Diese auch als gekoppelte Subluxation bezeichnete Gewalte<strong>in</strong>wirkung<br />

gefährdet durch unphysiologische Belastungen regelhaft mehrere Knieb<strong>in</strong>nenstrukturen,<br />

so dass stets nach derartigen Begleitläsionen, wie z.B. dem H<strong>in</strong>terhornriss des<br />

Außenmeniskus bei der VKB-Ruptur oder <strong>die</strong>se begleitende Kollateralbandrisse gefahndet<br />

werden muss. Für <strong>die</strong> Begutachtung s<strong>in</strong>d u.a. Kenntnisse des Gefährdungspotentials des<br />

VKB bei unterschiedlichen Kniegelenkspositionen von Bedeutung. Das VKB ist<br />

• <strong>in</strong> Strecknähe angespannt<br />

• durch Überstreckung rissgefährdet<br />

• <strong>in</strong> Innenrotation des Unterschenkels von Rupturen bedroht<br />

Mögliche pathomechanische Konstellationen für e<strong>in</strong>en VKB-Riss s<strong>in</strong>d:<br />

Tabelle 4:<br />

78<br />

Pathomechanische Vorstellungen zum VKB-Schaden<br />

• Innenrotation des Unterschenkels <strong>in</strong> Strecknähe:<br />

– Eigentlich nur vorstellbar mit Begleitverletzungen <strong>am</strong> Außenmeniskus,<br />

<strong>am</strong> Außenrand<br />

• Krafte<strong>in</strong>wirkung von h<strong>in</strong>ten auf den Schienbe<strong>in</strong>kopf (selten) bei angew<strong>in</strong>keltem Knie<br />

• Gewalts<strong>am</strong>e Hyperextension durch Tritt vor das gestreckte Knie:<br />

– Begleitverletzungen im Kniekehlenbereich zu erwarten<br />

• „big bump flat land<strong>in</strong>g“<br />

– Maximale Innervation der Quadrizepsmuskualtur <strong>in</strong> Kniebeugung (z.B. Skisport !)


Das h<strong>in</strong>tere Kreuzband (HKB) ist angespannt bei<br />

• Rückversetzung Tibiakopf <strong>in</strong> Kniebeugestellung<br />

• Innenrotation der Tibia bei <strong>in</strong>takten Menisken<br />

• Maximaler Beugung und Innenrotation des Unterschenkels<br />

Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

Nachstehende pathomechanische E<strong>in</strong>wirkungen für HKB-Rupturen s<strong>in</strong>d denkbar:<br />

• Direktes Trauma<br />

– anteriorer Anprall (z.B. Torhüter)<br />

– prätibialer Anprall (z.B. „Dashboard Injury“)<br />

– Sturz nach vorn auf das gebeugte Kniegelenk<br />

• Indirektes Trauma<br />

– Hyperflexion des Kniegelenkes<br />

Probleme bei der Beurteilung des Unfallherganges liegen <strong>in</strong> der Blitzartigkeit des Geschehensablaufs<br />

und der dadurch e<strong>in</strong>geschränkten Rekonstruierbarkeit pathomechanischer<br />

E<strong>in</strong>wirkungen. Prüfkriterien für das „Alter“ der Bandläsion können se<strong>in</strong>:<br />

Tabelle 5:<br />

Prüfkriterien:<br />

• Symptomenentwicklung, 1. Arztkontakt<br />

• Kl<strong>in</strong>ischer Erstbefund (z.B. Hämatom, Schwellung, Hämarthros etc.)<br />

• Bildbefunde (Rö., MRT etc.)<br />

• Arthroskopischer Befund<br />

• Histologischer Befund<br />

• Verlaufsanalyse<br />

Die Genauigkeit von kernsp<strong>in</strong>tomografischen Untersuchungen wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>schlägigen Publikationen<br />

mit e<strong>in</strong>er Sensitivität von 96% und e<strong>in</strong>er Spezifität von 98% angegeben. Hierbei<br />

ist <strong>in</strong>sbesondere <strong>die</strong> Differenzierung zwischen e<strong>in</strong>er frischen Ruptur und chronischen bzw.<br />

degenerativen Veränderungen von Bedeutung, was speziell durch qualitativ hochwertige<br />

und zeitnah zum Unfall angefertigte Kernsp<strong>in</strong>tomogr<strong>am</strong>me gel<strong>in</strong>gt. Als Checkliste zur Differenzierung<br />

eignet sich auch hier Tabelle 2. Im 2004 erschienenen Supplementband der<br />

„Mitteilungen und Nachrichten der <strong>Deutsche</strong>n Gesellschaft für Unfallchirurgie“ zur Begutachtung<br />

des VKB-Schadens s<strong>in</strong>d entsprechende Empfehlungen mitgeteilt.<br />

Zus<strong>am</strong>menfassend s<strong>in</strong>d bei der Beurteilung von Bandläsionen <strong>am</strong> Kniegelenk folgende<br />

Kriterien zu berücksichtigen:<br />

• Es handelt sich stets um E<strong>in</strong>zelfallbeurteilungen<br />

• Alle<strong>in</strong>e aufgrund der Analyse des Unfallhergang ist e<strong>in</strong>e Zus<strong>am</strong>menhangsbeurteilung nicht<br />

möglich<br />

• Die Pro-/Kontraabwägung ist im S<strong>in</strong>ne der „e<strong>in</strong>fachen“ Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit vorzunehmen<br />

79


Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

• Mögliche MdE-E<strong>in</strong>schätzungen bei Folgen e<strong>in</strong>er Kapsel-Band-Verletzung s<strong>in</strong>d:<br />

muskulär kompensierte Instabilität 10 v.H.<br />

muskulär nicht kompensierte Instabilität 20 v.H.<br />

stabilisierende Orthese erforderlich 30 v.H.<br />

zusätzliche wesentliche Funktionse<strong>in</strong>schränkungen 40 v.H.<br />

Fazit:<br />

Die Begutachtung von Meniskusschäden und Bandläsionen <strong>am</strong> Kniegelenk ist e<strong>in</strong>e glei-<br />

chermaßen schwierige wie verantwortungsvolle Aufgabe. Pathomechanisches Verständnis<br />

im H<strong>in</strong>blick auf <strong>die</strong> Beurteilung des Geschehensablaufs, <strong>die</strong> sorgfältige Erhebung der<br />

An<strong>am</strong>nese e<strong>in</strong>schließlich der Altan<strong>am</strong>nese, <strong>die</strong> exakte Auswertung dokumentierter kl<strong>in</strong>ischer,<br />

radiologischer und arthroskopischer Befunde unter Berücksichtigung allfälliger histologischer<br />

Untersuchungen s<strong>in</strong>d wesentliche Grundlage der Kausalitätsprüfung. Standardisierte<br />

Prüfkriterien unter Anwendung etablierter Checklisten erleichtern <strong>die</strong> Zus<strong>am</strong>menhangsbeurteilung.<br />

Je exakter und umfänglicher <strong>die</strong> Dokumentation der Erstbefunde, desto<br />

e<strong>in</strong>facher und korrekter ist <strong>die</strong> gutachtliche Beurteilung. Daraus kann man logischerweise<br />

ableiten und fordern, dass gerade auch im Rahmen von Heilverfahren zu Lasten der gesetzlichen<br />

Unfallversicherung e<strong>in</strong>e zeitnahe und umfassende <strong>Bericht</strong>erstattung erfolgen muss,<br />

welche dem sachverständigen Gutachter bei se<strong>in</strong>er Kausalitätsbewertung wesentliche<br />

Unterstützung gewährt.<br />

Literatur<br />

1. Contzen H (1985): Begutachtung des Meniskusschadens<br />

Unfallchirurg 88: 6<br />

2. Felenda M, Dittel KK (1992): Die Bedeutung der Segond-Ausrissfraktur als Zeichen e<strong>in</strong>er<br />

komplexen lig<strong>am</strong>entären Kniegelenksverletzung<br />

Akt Traumatol 22: 120-122<br />

3. Geyer M, Wirth CJ (1991): E<strong>in</strong> neuer Verletzungsmechanismus des vorderen Kreuzbandes<br />

Unfallchirurg 94: 69-72<br />

4. Hertel P (1996): Frische und alte Kniebandverletzungen<br />

Unfallchirurg 99: 686-700<br />

5. Hertel P (1997): Die Entstehung von Knieb<strong>in</strong>nenverletzungen<br />

BG-Schriftreihe 99: 43-48<br />

6. Hofmann G, Probst J (1985): Die Begutachtung des Meniskusschadens aus chirurgischer<br />

Sicht<br />

BG-Schriftenreihe 56: 195-200<br />

7. Jerosch J, Castro WHM, Halm H, Assheuer J (1993) Kernsp<strong>in</strong>tomographische Meniskusbefunde<br />

bei asymptomatischen Probanden<br />

Unfallchirurg 96: 457-461<br />

8. Kohn D, Schneider G, Dienst M, Rupp S (2002) Diagnostik der Ruptur des vorderen<br />

Kreuzbandes<br />

Orthopäde 31: 719-730<br />

80


Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

9. Ludolph E, Heitemeyer U (1986): Die Begutachtung des Menikusschadens<br />

Unfallchirurgie 12: 4, 215-219<br />

10. Ludolph E, Weber M, Besig K (1996): Die Begutachtung des isolierten Meniskus-<br />

schadens<br />

Die BG 10: 563-567<br />

11. Mazzotti I, He<strong>in</strong> MF, Castro WHM (2002): Der isolierte traumatische Menikusriss –<br />

gibt es neue Erkenntnisse?<br />

Versicherungsmediz<strong>in</strong> 54: 172-175<br />

12. Schröter F (1988): Beratungsärztliche Bobachtungen zum „unklaren Knieschaden“ mit<br />

der Erstdiagnose „Meniskusverletzung“<br />

Gutachtenkolloquium 3, Spr<strong>in</strong>ger Verlag: 141-154<br />

13. Weber M (1994): Die Beurteilung des Unfallzus<strong>am</strong>menhanges von Meniskusschäden<br />

Orthopäde 23: 171-178<br />

14. Weber M, Hertel P, Weise K (2004): Der vordere Kreuzbandschaden<br />

Empfehlungen zur Begutachtung, Supplementband „Mitteilungen und Nachrichten der<br />

<strong>Deutsche</strong>n Gesellschaft für Unfallchirurgie“<br />

Kontakt:<br />

Weise, Kuno, Prof. Dr. med.<br />

Ärztlicher Direktor<br />

Berufsgenossenschaftliche Unfallkl<strong>in</strong>ik<br />

Schnarrenbergstr. 95<br />

72076 Tüb<strong>in</strong>gen<br />

Schröter, Frank, Dr. med.<br />

Institut für Mediz<strong>in</strong>ische Begutachtung<br />

Landgraf-Karl-Str. 21<br />

34131 Kassel<br />

81


R. Kraus, R. Schnettler<br />

Gutachten bei Osteitis<br />

Expert op<strong>in</strong>ion <strong>in</strong> osteitis<br />

Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

Zus<strong>am</strong>menfassung<br />

Bei der Begutachtung e<strong>in</strong>er posttraumatischen Knochenentzündung (Osteitis) s<strong>in</strong>d drei<br />

spezielle Aspekte der Erkrankung besonders zu würdigen: der Verletzungszus<strong>am</strong>menhang,<br />

der Aktivitätsgrad und etwaige Folgeerkrankungen. Während <strong>die</strong> Kausalität im Falle e<strong>in</strong>er<br />

akuten Osteitis meist klar ist, kann <strong>die</strong>ser bei e<strong>in</strong>er chronischen Osteitis nicht manchmal<br />

auf den ersten Blick klar se<strong>in</strong> und erst durch e<strong>in</strong>e subtile Würdigung der An<strong>am</strong>nese anerkannt<br />

werden. Differential-diagnostisch ist e<strong>in</strong>e hämatogene Osteitis auszuschließen. Die<br />

Bewertung der Osteitisfolgen <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er MdE richtet sich nach dem Aktivitätsgrad der<br />

Erkrankung und kann nur e<strong>in</strong>e Momentaufnahme se<strong>in</strong>. Bei ruhender Osteitis <strong>über</strong> e<strong>in</strong>en<br />

Zeitraum von mehr als 3–5 Jahren wird von e<strong>in</strong>er sogenannten Heilungsbewährung ausgegangen.<br />

E<strong>in</strong> genereller Osteitis –Aufschlag soll dann nicht gewährt werden. Nicht <strong>über</strong>sehen<br />

werden dürfen Folgeerkrankungen der chronischen Osteitis. Unter Ihnen s<strong>in</strong>d vor allem<br />

<strong>die</strong> Amyloidose und das Narben- oder Fistelkarz<strong>in</strong>om zu nennen. Bei deren Bewertung kann<br />

<strong>die</strong> Veranlassung Zusatzgutachten aus anderen Fachgebieten notwendig se<strong>in</strong>.<br />

Schlüsselwörter:<br />

akute Osteitis, chronische Osteitis, Fraktur, Gutachten, Amyloidose, Plattenepithel-<br />

karz<strong>in</strong>om<br />

Summary<br />

Prepar<strong>in</strong>g an expert op<strong>in</strong>ion <strong>in</strong> case of a post-traumatic osteitis, three special aspects have<br />

to be referred to: accident-connection (causality), grade of activity and follow<strong>in</strong>g, connected<br />

diseases. Causality most often is clear <strong>in</strong> cases of acute osteitis, but may be subject to further<br />

<strong>in</strong>vestigations <strong>in</strong> chronic osteitis. Haematogenic osteitis has to be ruled out. Rat<strong>in</strong>g the<br />

sequelae of an osteitis as a degree of impediment is dependent on the activity of the osteitis.<br />

Follow-up diseases are not to be missed. Amongst them <strong>am</strong>yloidosis and squ<strong>am</strong>ous cell<br />

carc<strong>in</strong>oma are most common. Rat<strong>in</strong>g their sequelae additional expert op<strong>in</strong>ions from other<br />

medical fields may be necessary.<br />

Keywords:<br />

acute osteitis, chronic osteitis, fracture, expert op<strong>in</strong>ion, <strong>am</strong>yloidosis, squ<strong>am</strong>ous cell<br />

carc<strong>in</strong>oma<br />

83


Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

E<strong>in</strong>leitung<br />

Die posttraumatische und postoperative Osteitis stellt nach wie vor e<strong>in</strong>e große Herausforde-<br />

rung für den behandelnden Chirurgen dar und geht oft mit e<strong>in</strong>er schwerwiegenden Leidensverschlimmerung<br />

und Leidensverlängerung für den Verletzten e<strong>in</strong>her. Dennoch muss heute<br />

nicht mehr, wie noch vor weniger als 30 Jahren von e<strong>in</strong>er Kapitulation des Therapeuten und<br />

Gutachters gesprochen werden (1).<br />

Es muss zwischen e<strong>in</strong>er exogenen Osteitis e<strong>in</strong>erseits und e<strong>in</strong>er endogenen (hämatogenen)<br />

Osteitis andererseits unterschieden werden. Außerdem ist e<strong>in</strong>e Differenzierung zwischen<br />

e<strong>in</strong>er akuten Osteitis und e<strong>in</strong>er chronischen Osteitis notwendig. Während <strong>die</strong> akute Osteitis<br />

<strong>in</strong>nerhalb von vier Wochen nach e<strong>in</strong>em Unfall oder e<strong>in</strong>er Operation auftritt und meist<br />

mit akuten Entzündungszeichen wie Fieber, Schmerzen und erhöhten laborchemischen<br />

Infektpar<strong>am</strong>etern e<strong>in</strong>hergeht, kann e<strong>in</strong>e chronische Osteitis Monate und Jahre nach dem<br />

ursächlichen Ereignis auftreten. Systemische Entzündungspar<strong>am</strong>eter können völlig fehlen.<br />

Sie ist vielmehr gekennzeichnet durch Sequester- oder Fistelbildungen und e<strong>in</strong>en rezidivierenden<br />

Verlauf.<br />

Die Häufigkeit der akuten exogenen Osteitis liegt bei 0,1 – 1,7% nach Elektiv-E<strong>in</strong>griffen <strong>am</strong><br />

Skelettsystem (6), bei 1–8% nach operativer Versorgung geschlossener Frakturen (3) und<br />

bei 3 – <strong>über</strong> 40% bei der Behandlung offener Frakturen <strong>in</strong> Abhängigkeit vom begleitenden<br />

Weichteilschaden (8). Vergleichbare Zahlen für das Auftreten chronischer Osteitiden gibt<br />

es leider nicht (5).<br />

Die derzeit aktuellen Behandlungsoptionen, -algorithmen und –richtl<strong>in</strong>ien sollen nicht Ge-<br />

genstand <strong>die</strong>ses Aufsatzes se<strong>in</strong>. Hierzu darf auf <strong>die</strong> aktuelle Literatur verwiesen werden (9,15).<br />

Wird <strong>in</strong> Zus<strong>am</strong>menhang mit e<strong>in</strong>er Osteitis e<strong>in</strong>e berufsgenossenschaftliche Begutachtung,<br />

sei es zur Feststellung e<strong>in</strong>er M<strong>in</strong>derung der Erwerbsfähigkeit oder auch des Unfallzus<strong>am</strong>menhangs<br />

notwendig, so s<strong>in</strong>d drei Gesichtspunkte zu beachten:<br />

– Ist <strong>die</strong> <strong>in</strong> Frage stehende Osteitis tatsächlich <strong>in</strong> ursächlichem Zus<strong>am</strong>menhang mit der<br />

erlittenen, angeschuldigten Unfallverletzung zu sehen? Dabei ist <strong>die</strong> Differenzierung<br />

zwischen exogener und hämatogener Osteitis von Bedeutung.<br />

– Welche E<strong>in</strong>schränkung der Gebrauchsfähigkeit der betroffenen Körperregion bzw. welche<br />

M<strong>in</strong>derung der Erwerbsfähigkeit ist der Osteitis zuzuschreiben und erweitert <strong>die</strong>se <strong>die</strong><br />

Funktionsbee<strong>in</strong>trächtigung durch <strong>die</strong> unmittelbaren Verletzungsfolgen?<br />

– Liegen Folgekrankheiten der Osteitis vor, stehen <strong>die</strong>se <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zw<strong>in</strong>genden Zus<strong>am</strong>menhang<br />

und welche eigene MdE bed<strong>in</strong>gen Sie. S<strong>in</strong>d zur Beurteilung <strong>die</strong>ser Folgekrankheiten<br />

fachfremde Zusatzgutachten e<strong>in</strong>zuholen?<br />

Zus<strong>am</strong>menhangsfrage<br />

Zur Anerkennung der exogenen Ursache e<strong>in</strong>er Osteitis werden vier Voraussetzungen<br />

gefordert, ohne deren Vorliegen das Vorliegen e<strong>in</strong>er unfallbed<strong>in</strong>gten Osteitis <strong>in</strong> Zweifel<br />

gezogen werden muss.<br />

84


Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

– E<strong>in</strong> Unfall muss zweifelsfrei vorgelegen haben.<br />

– Es muss e<strong>in</strong>e erhebliche Gewalte<strong>in</strong>wirkung stattgefunden haben.<br />

– Der Unfall muss nachweislich <strong>die</strong> von der Osteitis betroffene Körperregion betroffen<br />

haben.<br />

– Das Auftreten der Erkrankung muss <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em erkennbaren zeitlichen Zus<strong>am</strong>menhang mit<br />

dem Unfallereignis gestanden haben.<br />

– Nicht zwangsläufig zu fordern ist im Gegensatz dazu das Vorliegen e<strong>in</strong>es Knochenbruchs<br />

oder e<strong>in</strong>er offenen Verletzung im Rahmen des angeschuldigten Unfallereignisses.<br />

Die Def<strong>in</strong>ition des Unfallereignisses als „plötzlich und unerwartet, kurzzeitig von außen<br />

auf den Körper e<strong>in</strong>wirkendes Ereignis“ muss <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Zus<strong>am</strong>menhang als Grundvoraussetzung<br />

für <strong>die</strong> berufsgenossenschaftliche E<strong>in</strong>trittspflicht gesehen werden und unterscheidet<br />

sich im Falle e<strong>in</strong>er posttraumatischen Osteitis nicht von anderen Zus<strong>am</strong>menhangs-<br />

und Kausalitätsfragen.<br />

Das Ausmaß der Gewalte<strong>in</strong>wirkung wird als entscheidend für <strong>die</strong> Entstehung e<strong>in</strong>er Osteitis<br />

angesehen. E<strong>in</strong>e Bagatellverletzung führt zum<strong>in</strong>dest beim gesunden und <strong>in</strong>sbesondere im-<br />

munkompetenten Individuum nicht zu e<strong>in</strong>er solch schwerwiegenden Komplikation. Dabei ist<br />

jedoch zu beachten, dass bei Vorliegen lokal oder systematisch herabgesetzter Infektabwehr<br />

(D. mellitus, Kortikoid-Therapie, etc.) auch m<strong>in</strong>dere Unfallereignisse e<strong>in</strong>e Osteitis nach sich<br />

ziehen können (10).<br />

Im Gegensatz zur hämatogenen Osteitis, <strong>die</strong> als dissem<strong>in</strong>ierende Erkrankung besondere<br />

Prädilektionsorte kennt und e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>deutigen Altersgipfel im K<strong>in</strong>des- und Jugendalter<br />

hat, tritt <strong>die</strong> posttraumatische Osteitis primär <strong>am</strong> Ort des Verletzungsereignisses auf und<br />

führt ihrerseits nur selten und nach langem Krankheitsverlauf als Infektherd zu „septischen<br />

Metastasen“, dann meist <strong>in</strong> der Peripherie der betroffenen Extremität. Sie tritt <strong>in</strong> jedem<br />

Verletzungsalter auf.<br />

Obwohl <strong>die</strong> posttraumatische Osteitis zweifelsohne <strong>am</strong> häufigsten nach offenen Frakturen<br />

auftritt, ist e<strong>in</strong>e solche jedoch auch nach schweren Weichteilverletzungen mit und ohne<br />

Eröffnung des Hautmantels, aber ohne begleitenden Knochenbruch, beschrieben. Ebenfalls<br />

denkbar s<strong>in</strong>d Frakturen ohne begleitende Hautverletzung als kausaler Ausgangspunkt e<strong>in</strong>er<br />

exogenen Osteitis. Unter den beschriebenen Gesichtspunkten ist selbstverständlich auch<br />

<strong>die</strong> postoperative Osteitis, auch nach der Behandlung, <strong>in</strong>sbesondere der Osteosynthese,<br />

ursprünglich geschlossener Frakturen zu begutachten.<br />

Die Forderung nach dem unmittelbaren zeitlichen Zus<strong>am</strong>menhang der Verletzung m kt dem<br />

Auftreten der Erkrankung gilt für <strong>die</strong> akute Osteitis. Von e<strong>in</strong>er solchen wird ausgegangen,<br />

wenn es <strong>in</strong> den ersten vier Wochen nach Verletzung bzw. Operation zu e<strong>in</strong>er Knochenentzündung<br />

kommt. Weniger e<strong>in</strong>deutig ist der zeitliche Zus<strong>am</strong>menhang bei der Erstmanifestation<br />

e<strong>in</strong>er chronischen Osteitis Monate oder gar Jahre nach dem angeschuldigten Ereignis. Ist<br />

der angeschuldigte Unfall, bzw. <strong>die</strong> operative Behandlung dessen Verletzungsfolgen jedoch<br />

pr<strong>in</strong>zipiell geeignet e<strong>in</strong>e Osteitis herbeizuführen, so ist <strong>in</strong> den meisten Fällen e<strong>in</strong> kausaler<br />

85


Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

Zus<strong>am</strong>menhang herzustellen. Die Annahme, dass e<strong>in</strong>e chronische Osteitis nur nach Ablauf<br />

e<strong>in</strong>er akuten Osteitis anzuerkennen ist, bzw. zum<strong>in</strong>dest Brückensymptome wie Hämatom<br />

oder Fieber im Verlauf zu fordern s<strong>in</strong>d (16), kann nicht mehr aufrecht erhalten werden (5).<br />

Fallbeispiel<br />

Der zum Unfallzeitpunkt 42-jährige Patient erlitt bei e<strong>in</strong>em Verkehrsunfall e<strong>in</strong>e geschlossene<br />

laterale Schienbe<strong>in</strong>kopffraktur (AO: 41 B3). Diese wurde offen reponiert und<br />

plattenosteosynthetisch stabilisiert. Der postoperative Verlauf ist völlig unauffällig. Die<br />

Wiedervorstellung erfolgt nach 28 Monaten mit e<strong>in</strong>er erstmals vor drei Wochen aufgetretenen<br />

massiven, schmerzhaften, <strong>über</strong>wärmten Rötung und Schwellung <strong>am</strong> lateralen<br />

Schienbe<strong>in</strong>kopf. E<strong>in</strong>e Fistel <strong>am</strong> proximalen Narbenpol sezerniert massiv eitrig. Radiologisch<br />

besteht e<strong>in</strong>e chronische Osteitis des Schienbe<strong>in</strong>kopfes mit ausgedehnter Exkavation<br />

(Abb. 1a). Im Rahmen der sofort durchgeführten Revision mit Metallentfernung und<br />

radikalem Debridement wird e<strong>in</strong>e ca. 1 cm durchmessende sequestrierte Kortikalisscherbe<br />

entfernt. Es kann Staphylokokkus aureus nachgewiesen werden. In e<strong>in</strong>er zweiten Sitzung<br />

wird erneut debri<strong>die</strong>rt und e<strong>in</strong> lokaler Antbiotikaträger (Perossal ® , 50 Pellets, getränkt mit<br />

1 g Vancomyc<strong>in</strong> ® ) e<strong>in</strong>gelegt. Danach ist der Patient Infekt- und Rezidivfrei (Abb. 1b, 1c).<br />

Obwohl nach der Primärbehandlung ke<strong>in</strong>e akute, postoperative Osteitis aufgetreten war<br />

und auch im Verlauf von <strong>über</strong> zwei Jahren ke<strong>in</strong>e Brückensymptome zu eruieren waren,<br />

ist der kausale Zus<strong>am</strong>menhang der Exazerbation der chronischen Osteitis mit der Fraktur<br />

und deren chirurgischer Versorgung zweifelsfrei gegeben.<br />

Abb. 1a:<br />

Posttraumatische, postoperative Osteitis 28 Monate nach Schienbe<strong>in</strong>kopffraktur<br />

Abb. 1c<br />

Abb. 1b, c:<br />

Radiologischer Zustand 3 Jahre nach operativer Sanierung mit Reiz- und Fistelfreien Narbenverhältnissen<br />

Gutachterliche Bewertung<br />

Im Stadium der akuten exogenen Osteitis wird e<strong>in</strong>e gutachterliche Bewertung zur Feststellung<br />

e<strong>in</strong>er MdE <strong>in</strong> der Regel noch nicht stattf<strong>in</strong>den. Diese wird, so es nicht zur Sanierung<br />

86<br />

Abb. 1a Abb. 1b


Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

der akuten Osteitis gekommen ist, im Übergang zur bzw. bei schon manifester oder exazerbierter<br />

chronischer Osteitis durchgeführt werden.<br />

Die gutachterliche Bewertung e<strong>in</strong>er Verletzung des Bewegungsapparates mit nachfolgender<br />

Osteitis wird <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie bestimmt von der Funktionse<strong>in</strong>schränkung der betroffenen<br />

Körperregion und unterscheidet sich d<strong>am</strong>it nicht von jeder anderen gutachterlichen Bewer-<br />

tung (2). Während noch <strong>in</strong> den achtziger und neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts<br />

e<strong>in</strong> genereller Osteomyelitis „Zuschlag“ (MdE + 10%, (1)) gewährt wurde oder aber <strong>die</strong><br />

Rezidivgefahr selbst bei derzeit <strong>in</strong>aktiver Osteitis bei der Festsetzung der MdE zu berücksichtigen<br />

empfohlen wurde (14), wird <strong>die</strong>s <strong>in</strong> der aktuellen Literatur abgelehnt (2,4,5,1)<br />

Ausgehend von der Annahme, dass bei e<strong>in</strong>er chronischen Osteitis nie von e<strong>in</strong>er Ausheilung<br />

gesprochen werden darf (9), s<strong>in</strong>d auf Grund verbesserter Therapiemöglichkeiten doch<br />

zum<strong>in</strong>dest langfristige rezidivfreie Intervalle zu erreichen. Unter <strong>die</strong>sem Gesichtspunkt wird<br />

nach drei Jahren Rezidivlosigkeit von der sogenannten Heilungsbewährung ausgegangen.<br />

Ist e<strong>in</strong> solcher Zustand erreicht, ist es aktuell absolut gerechtfertigt ke<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>derung der<br />

Erwerbsfähigkeit (MdE 0%) bezüglich der chronischen Osteitis anzunehmen. Es ist jedoch<br />

unumgänglich, im Falle e<strong>in</strong>es später auftretenden Rezidivs e<strong>in</strong>e erneute Begutachtung<br />

vorzunehmen. Wie im rezidivfreien Intervall kann jedoch auch <strong>die</strong>se wiederum nur e<strong>in</strong>e<br />

Momentaufnahme der Erkrankung darstellen und ist dementsprechend revi<strong>die</strong>rbar. Liegen<br />

aber zum Gutachtenzeitpunkt Symptome der chronischen Osteitis vor, so ist entsprechend<br />

derer Ausprägung und dem Aktivitätszustand des chronischen Entzündungsgeschehens e<strong>in</strong>e<br />

MdE für <strong>die</strong> Osteitis neben der MdE für funktionelle E<strong>in</strong>schränkungen zu gewähren (Tab.1).<br />

Tabelle 1:<br />

Aktivitätsbezogene Sta<strong>die</strong>ne<strong>in</strong>teilung der chronischen Osteitis und näherungsweise<br />

Höhe der adäquaten MdE nach (4).<br />

Stadium/Aktivität MdE<br />

Ruhende Osteitis (Inaktivität m<strong>in</strong>destens 5 Jahre, 0–10%<br />

Stichwort: „Heilungsbewährung“)<br />

Chronische Osteitis<br />

– ger<strong>in</strong>ggradig<br />

(lokal begrenzt, ger<strong>in</strong>ge Aktivität, ger<strong>in</strong>ge Sekretion, ke<strong>in</strong>e ~20%<br />

allgeme<strong>in</strong>en Krankheitszeichen)<br />

– mittelgradig<br />

(ausgedehnt, häufige oder ständige Sekretion, laborchemische ~50%<br />

Entzündungspar<strong>am</strong>eter erhöht, allgeme<strong>in</strong>e Krankheitszeichen)<br />

– schwergradig<br />

(ausgedehnt unter Weichteil<strong>in</strong>filtration und ständiger > 70%<br />

starker Sekretion, Sequesterabstoßung, deutliche<br />

laborchemische Entzündungszeichen, häufige<br />

Krankheitsschübe mit Fieber)<br />

87


Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

88<br />

Beispiele zur Berechnung der MdE<br />

1) Chronische Osteitis des Schienbe<strong>in</strong>kopfes nach osteosynthetisch versorgter Fraktur,<br />

5 Jahre rezidivfrei, ke<strong>in</strong>e Sekretion. Bewegungse<strong>in</strong>schränkung des Kniegelenkes<br />

0-5-140 Grad, Valgusfehlstellung von 6 Grad ohne radiologische Zeichen e<strong>in</strong>er<br />

Gonarthrose.<br />

MdE: Funktionell 10%, ke<strong>in</strong>e Veränderung durch <strong>die</strong> Osteitis <strong>in</strong> der Phase der Heilungsbewährung,<br />

Ges<strong>am</strong>t-MdE: 10%<br />

2) Chronische Osteitis des Fersenbe<strong>in</strong>s nach offener Fraktur mit therapieresistenter<br />

Fistel, ständige Sekretion, mehrfach tägliche Verbandwechsel, etwa vierteljährliche<br />

Exazerbation mit erhöhtem CRP. E<strong>in</strong>steifung des unteren Sprunggelenkes und<br />

Bewegungse<strong>in</strong>schränkung des OSG auf 0-0-20 Grad. Schmerzfreie Gehstrecke 30 m.<br />

Notwendigkeit orthopädischen Schuhwerks.<br />

MdE: Funktionell 20%, Osteitis bezogen 30%, Ges<strong>am</strong>t-MdE 50%<br />

Ähnliche und <strong>in</strong> ihrer Auswirkung zu vergleichende Berechnungsgrundlagen ergeben sich<br />

auch für <strong>die</strong> Gebrauchsunfähigkeit nach der Gliedertaxe im Rahmen der privaten Unfallversicherung<br />

(5,17).<br />

Folgeerkrankungen<br />

Bei e<strong>in</strong>er langjährig bestehenden chronischen Osteitis kann es zu schwerwiegenden lokalen<br />

oder systemischen Folgeerkrankungen kommen, von denen nur <strong>die</strong> beiden häufigsten und<br />

dr<strong>am</strong>atischsten angesprochen werden sollen.<br />

Amyloidose<br />

Bei der Amyloidose liegt e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>terstitielle Ablagerung abnormer Prote<strong>in</strong>e im vor, <strong>die</strong> zur<br />

Funktionsm<strong>in</strong>derung bis h<strong>in</strong> zum Ausfall des betroffenen Organs führen kann. Die Eiweißkörper<br />

werden von Plasmazell-L<strong>in</strong>ien synthetisiert, <strong>die</strong> sich im Rahmen der Abwehr e<strong>in</strong>es<br />

chronischen Infektes monoklonal vermehren. Während <strong>die</strong>ser Entstehungsmechanismus<br />

früher als sekundäre Amyloidose bezeichnet wurde, spricht man nach neuerer Literatur von<br />

e<strong>in</strong>er A-A-Amyloidose (13). Das dabei gebildete pathologische Eiweiß ist Serum Amyloid A,<br />

e<strong>in</strong>e akute Phase Prote<strong>in</strong> wie <strong>die</strong> bekannten Entzündungseiweiße Haptoglob<strong>in</strong> oder CRP<br />

(C reaktives Prote<strong>in</strong>). Die Serum Amyloid A Bildung ist autosomal rezessiv vererbbar oder<br />

eben Folge e<strong>in</strong>er chronischen Entzündung wie e<strong>in</strong>er Osteitis (6).<br />

Die Amyloidose befällt generalisiert oder lokalisiert verschiedene Organe, bevorzugt<br />

Leber, Milz und Nieren, aber auch den Herzmuskel sowie andere glatte und quergestreifte<br />

Muskulatur. Der Nachweis kann histologisch durch Biopsie des betroffenen Organs geführt<br />

werden. Die Kausaliät kann bei lang bestehender Osteitis leicht hergestellt werden. Für <strong>die</strong><br />

E<strong>in</strong>schätzung der Organschädigung und der daraus erwachsenden MdE ist e<strong>in</strong> <strong>in</strong>ternistisches<br />

Fachgutachten notwendig (5).


Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

Plattenepithelkarz<strong>in</strong>om<br />

Plattenepithelkarz<strong>in</strong>ome (seltener Basalzellkarz<strong>in</strong>ome) treten <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es Fistel-<br />

oder Narbenkarz<strong>in</strong>oms im Verlauf e<strong>in</strong>er chronischen Osteitis mit e<strong>in</strong>er Häufigkeit von<br />

0,2 -1,5% der Fälle auf. Das Intervall seit dem Unfallereignis ist <strong>in</strong> der Regel extrem lang<br />

und kann bis zu 30 Jahre betragen (7,11). Die Kausalität ist leicht herzustellen, es ist jedoch<br />

zu fordern, dass das Karz<strong>in</strong>om unmittelbar im Bereich e<strong>in</strong>er chronischen Fistel, e<strong>in</strong>es chronischen<br />

Ulkus oder e<strong>in</strong>er Narbe entsteht. Für fernab, wenn auch an der gleichen Extremität<br />

auftretende Karz<strong>in</strong>ome ist ke<strong>in</strong> Zus<strong>am</strong>menhang herzustellen. Da <strong>die</strong> Behandlung meist <strong>in</strong><br />

der Amputation der befallenen Extremität bestehen muss ist <strong>die</strong> Beurteilung der MdE im<br />

Rahmen des unfallchirurgischen Gutachtens leicht, ist es jedoch bereits zu e<strong>in</strong>er Metastasierung<br />

gekommen, müssen eventuell andere Fachgebiete h<strong>in</strong>zugezogen werden.<br />

Fallbeispiel<br />

E<strong>in</strong> 53-jähriger Patient hatte 21 Jahre zuvor e<strong>in</strong>e Zerquetschung des l<strong>in</strong>ken Vorfußes<br />

erlitten. Es wurde e<strong>in</strong>e atypische Vorfuß<strong>am</strong>putation durchgeführt. In mehrjährigen Abständen<br />

k<strong>am</strong> es zu sezernierenden Fistelbildungen im Narbenbereich, seit 2 Jahren besteht hier<br />

e<strong>in</strong>e therapieresistente, sich stetig vergrößernde Exulceration. Radiologisch liegen ke<strong>in</strong>e<br />

Osteolysen, vor (Abb. 2a). Kl<strong>in</strong>isch besteht e<strong>in</strong> fast 8 cm durchmessendes Ulcus (Abb. 2b) aus<br />

dem durch Biopsie histologisch e<strong>in</strong> Plattenepithelkarz<strong>in</strong>om gesichert werden konnte. Die<br />

Therapie der Wahl besteht <strong>in</strong> der Unterschenkel<strong>am</strong>putation, <strong>die</strong> Prognose ist abhängig von<br />

e<strong>in</strong>er etwaig schon stattgefundenen lymphogenen Metastasierung.<br />

Abb. 2a<br />

Abb. 2b<br />

Abb. 2a:<br />

Röntgen-Darstellung des atypischen Mittelfußstumpfes 21 Jahre nach Quetschverletzung und primärer<br />

Amputationsbehandlung.<br />

Abb. 2b:<br />

Makroskopischer Aspekt e<strong>in</strong>es exulzieriernden Plattenepithelkarzionoms <strong>am</strong> lateralen Vorfußstumpf.<br />

89


Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

Schlussfolgerungen<br />

Bei der Begutachtung e<strong>in</strong>er Osteitis muss zunächst zum Unfallzus<strong>am</strong>menhang Stellung<br />

genommen werden. Danach s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Folgen der Osteitis <strong>in</strong> Abhängigkeit von deren Aktivitätsgrad<br />

zu bewerten und der Beurteilung der Funktionse<strong>in</strong>schränkung h<strong>in</strong>zu zu fügen. E<strong>in</strong><br />

genereller Osteitis-Zuschlag soll nicht gewährt werden. Bei e<strong>in</strong>er langjährig bestehenden,<br />

chronischen Osteitis müssen gegebenenfalls schwerwiegende Folgeerkrankungen auch<br />

unter H<strong>in</strong>zuziehung von Zusatzgutachten mit begutachtet werden.<br />

Literatur:<br />

1. Ahrens W: Die Begutachtung nach Knochen- und Gelenk<strong>in</strong>fektionen. In: Zimmer W,<br />

Schmidt HGK (Hrsg.): Heft 54, <strong>Bericht</strong> <strong>über</strong> <strong>die</strong> <strong>Unfallmediz<strong>in</strong>ische</strong> <strong>Tagung</strong> anlässlich<br />

des 25-jährigen Bestehens des Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhauses <strong>in</strong><br />

Re<strong>in</strong>bek bei H<strong>am</strong>burg <strong>am</strong> 28. und 29. September 1984<br />

2. Böhm H.J., Kortmann H.-R.: Besonderheiten bei der Begutachtung der Osteitis. Trauma<br />

Berufskrankh. 2002, 4, 340-343<br />

3. Boxma H, Broekhuizen T, Patka P, Oost<strong>in</strong>g H. Randomised controlled trial of s<strong>in</strong>gle-dose<br />

antibiotic prophylaxis <strong>in</strong> surgical treatment of closed fractures: the Dutch Trauma Trial.<br />

Lancet. 1996, 347, 1133-1137<br />

4. Carstens C: Osteitis. In: Weise K, Schiltenwolf M.: Grundkurs Orthopädisch-unfallchirurgische<br />

Begutachtung. Spr<strong>in</strong>ger 2008<br />

5. Diefenbeck M, Beickert R, Hofmann GO: Begutachtung der Osteitis. Trauma Berufskrankh.<br />

epub ahead of pr<strong>in</strong>t 17.10.2008<br />

6. Espehaug B, Engesaeter LB, Vollset SE, Havel<strong>in</strong> LI, Langeland N. Antibiotic prophylaxis<br />

<strong>in</strong> total hip arthroplasty. Review of 10,905 primary cemented total hip replacements<br />

reported to the Norwegian arthroplasty register, 1987 to 1995. J Bone Jo<strong>in</strong>t Surg Br. 1997,<br />

79, 590-595.<br />

7. Fasch<strong>in</strong>gbauer M, Jürgens C, Schmidt HGK, Wolter D: Ergebnisse der Behandlung von<br />

Narben- und Fistelcarc<strong>in</strong>omen. Chirurg 1995, 66, 1141–1145<br />

8. Gagey O, Doyon F, Dell<strong>am</strong>onica P, Carsenti-Etesse H, Desplaces N, Tancrède C, Evrard J.<br />

Infection prophylaxis <strong>in</strong> open leg fractures. A randomized study of 616 cases. Rev Chir<br />

Orthop Reparatrice Appar Mot. 1999, 85, 328-336.<br />

9. Hofmann GO (Hrsg): Chronische Osteitis. Urban & Fischer Verlag, München 2004<br />

10. Klemm K: Begutachtung bei posttraumatischer Osteomyelitis. In: Contzen H (Hrsg.):<br />

Heft 49, <strong>Bericht</strong> <strong>über</strong> <strong>die</strong> <strong>Unfallmediz<strong>in</strong>ische</strong> <strong>Tagung</strong> <strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z 6./7. November 1982<br />

11. Laffosse JM, Bensafi H, Accadbled F, Fabié F, Tricoire JL, Puget J. Squ<strong>am</strong>ous-cell<br />

carc<strong>in</strong>oma and osteomyelitis: three cases and a review of the literature. Rev Chir Orthop<br />

Reparatrice Appar Mot. 2007, 93, 72-77<br />

12. Mollowitz G.G. (Hrsg.): Der Unfallmann. 12. Auflage, Spr<strong>in</strong>ger Verlag, Berl<strong>in</strong> 1998<br />

13. Röcken C, Ernst J, Hund E, Michels H, Perz J, Saeger W, Sezer O, Spuler S, Willig F,<br />

Schmidt H: Interdiszipl<strong>in</strong>äre Leitl<strong>in</strong>ien zur Diagnostik und Therapie der extrazerebralen<br />

Amyloidosen. Dtsch Med Wochenschr 2006, 131, Suppl 2, S45-66<br />

14. Rompe G, Erlenkämper A (Hrsg.): Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane.<br />

3. Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart 1998<br />

90


Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />

15. Schnettler R, Ste<strong>in</strong>au H-U (Hrsg): Septische Knochenchirurgie. Thieme Verlag, Stuttgart<br />

2004<br />

16. Schönbergher A, Mehrtens G, Valent<strong>in</strong> H. Arbeitsunfall und Berufskrankheit. 7. Auflage,<br />

Erich Schmidt Verlag, Berl<strong>in</strong> 2003<br />

17. Thomann K.-D., Schröter F., Grosser V. (Hrsg.): Orthopädisch-unfallchirurgische<br />

Begutachtung: Praxis der kl<strong>in</strong>ischen Begutachtung. Urban & Fischer Verlag, München,<br />

2008<br />

Kontakt:<br />

Kraus, Rolf, Dr. med.<br />

Geschäftsführender Oberarzt<br />

der Kl<strong>in</strong>ik und Polikl<strong>in</strong>ik für Unfallchirurgie<br />

Standort Gießen<br />

Kl<strong>in</strong>ikum der Justus-Liebig-Universität<br />

Rudolf-Buchheim-Straße 7, 35392 Gießen<br />

91


IV. Sitzung<br />

Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />

Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />

Vorsitz: G. O. Hofmann, Halle/R. Schnettler, Gießen<br />

G. O. Hofmann, C. Röhm, A. Tiemann<br />

Weichgewebsmanagement<br />

Zus<strong>am</strong>menfassung:<br />

E<strong>in</strong> korrektes primäres und sekundäres Weichgewebsmanagment bei entsprechenden<br />

Verletzungen und Erkrankungen <strong>in</strong> Traumatologie und Orthopä<strong>die</strong> hat wesentlichen E<strong>in</strong>fluss<br />

auf das rekonstruktive und funktionelle Ges<strong>am</strong>tergebnis bei der Wiederherstellung<br />

e<strong>in</strong>er Extremität. Während das primäre Weichgewebsmanagement unter notfallmäßigen<br />

Bed<strong>in</strong>gungen vom behandelnden Unfallchirurgen e<strong>in</strong>e richtige und schnelle Entscheidungsf<strong>in</strong>dung<br />

bei Amputationsverletzungen, offenen Frakturen sowie Decollementverletzungen<br />

erfordert, f<strong>in</strong>det sekundäres Weichgewebsmanagement <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie bei hoch elektiven<br />

E<strong>in</strong>griffen <strong>in</strong> der Wiederherstellungschirurgie statt. Hierbei ist das sekundäre Weichgewebsmanagement<br />

bei bereits e<strong>in</strong>getretenen, manifesten Komplikationen e<strong>in</strong> wesentlicher<br />

Bestandteil e<strong>in</strong>es ganzheitlichen Therapiekonzeptes bei der Behandlung chronischer<br />

Osteitiden, endo- oder periprothetischen Infektionen sowie <strong>in</strong> der muskuloskelettalen<br />

Tumorchirurgie.<br />

Schlüsselwörter:<br />

Weichteilschaden, Weichgewebsmanagement, primär, sekundär<br />

Summary:<br />

Correct primary and secondary soft tissue management of correspond<strong>in</strong>g <strong>in</strong>juries and<br />

diseases <strong>in</strong> traumatology and orthopaedics has a major <strong>in</strong>fluence on the reconstructive<br />

and functional overall outcome when reconstruct<strong>in</strong>g an extremity. Primary soft tissue<br />

management under emergency conditions requires rapid and correct decision-mak<strong>in</strong>g from<br />

the attend<strong>in</strong>g traumatologist <strong>in</strong> cases of <strong>am</strong>putation <strong>in</strong>juries, open fractures, and deglov<strong>in</strong>g<br />

<strong>in</strong>juries. Secondary soft tissue management <strong>in</strong> reconstructive surgery mostly takes place<br />

as highly elective procedures. In such cases, secondary soft tissue management for exist<strong>in</strong>g<br />

manifest complications is a major element of a holistic treatment concept <strong>in</strong> the treatment<br />

of chronic osteitis, endo- and periprosthetic <strong>in</strong>fections and <strong>in</strong> surgery for musculoskeletal<br />

tumours.<br />

93


Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />

Keywords:<br />

Soft tissue <strong>in</strong>jury, soft tissue management, primary, secondary<br />

Der sorgfältige und problemspezifische Umgang mit den Weichgewebsstrukturen Haut,<br />

Subkutangewebe, Faszien, Muskulatur, Gefäßen und Nerven <strong>in</strong> Traumatologie und Orthopä<strong>die</strong><br />

orientiert sich an der zugrundeliegenden Verletzung oder Erkrankung. Dement-<br />

sprechend wird unterschieden zwischen e<strong>in</strong>em primären und e<strong>in</strong>em sekundären Weichgewebsmanagement<br />

(Tab. 1).<br />

Das primäre Weichgewebsmanagement f<strong>in</strong>det <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Notfallsituation bei Amputationsverletzungen,<br />

offenen Frakturen und Decollement-Verletzungen se<strong>in</strong>e Anwendung. Nicht<br />

zu unterschätzen ist das Gefahrenpotenzial <strong>in</strong> der Beurteilung des primären Weichgewebsschadens<br />

bei geschlossenen Frakturen. Demgegen<strong>über</strong> steht das sekundäre Weichgewebsmanagement<br />

im Rahmen der elektiven Behandlung von chronischen Osteitiden, endo- bzw.<br />

periprothetischen Infektionen, Weichgewebs<strong>in</strong>fektionen und <strong>in</strong> der Tumorchirurgie.<br />

Tabelle 1:<br />

Primäres Sekundäres<br />

Weichgewebsmanagement Weichgewebsmanagement<br />

94<br />

• Notfallsituation • Elektiver E<strong>in</strong>griff<br />

• Offene Frakturen • Chronische Osteitis<br />

• Decollementverletzungen • Endo-/Periprothetische Infektionen<br />

• Amputationsverletzungen • Weichgewebs<strong>in</strong>fektionen<br />

• Geschlossene Frakturen! • Tumorchirurgie<br />

• Voraussetzung für erfolgreiches<br />

Weichgewebsmanagement:<br />

Sanierung der Grunderkrankung!<br />

Primäres Weichgewebsmanagement<br />

Das primäre Weichgewebsmanagement im Rahmen von Amputationsverletzungen, offenen<br />

und geschlossenen Frakturen sowie von Decollement-Verletzungen stellt an den Behandler<br />

deshalb e<strong>in</strong> hohes Maß an Anforderungen, weil es sich durchweg um Notfallsituationen<br />

handelt, <strong>die</strong> e<strong>in</strong> schnelles Entscheiden notwendig machen. Die Indikation zur primären<br />

Amputation e<strong>in</strong>er Extremität kann als technische Indikation oder als vitale Indikation gestellt<br />

werden (4, 11). Bei e<strong>in</strong>er technischen Indikation zur primären Amputation liegt e<strong>in</strong><br />

Gewebeschaden mit vollständigem oder subtotalem Verlust der Extremität vor, der aufgrund<br />

des Ausmaßes der Zerstörung und der Verschmutzung unabhängig vom Ges<strong>am</strong>tzustand<br />

des Patienten ke<strong>in</strong>e Rekonstruktion mehr ermöglicht (z. B. Amputationsverletzungen im<br />

Rahmen von Eisenbahnunfällen, von landwirtschaftlichen Verletzungen etc.) (Abb. 1). E<strong>in</strong>e<br />

vitale Indikation zur primären Amputation ergibt sich <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie im Rahmen der Poly-


Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />

traumaversorgung. Begleitende Körperhöhlenverletzungen (Schädelhirntrauma, Thorax-,<br />

Abdom<strong>in</strong>alverletzungen, Beckenfrakturen) limitieren ganz entscheidend <strong>die</strong> generellen<br />

operativen Versorgungsmöglichkeiten des Patienten <strong>in</strong> den ersten 6 – 12 Stunden. Diesem<br />

Umstand muss vielfach durch e<strong>in</strong>e „life bevor limb“ Rechnung getragen werden. Bei beiden<br />

Indikationen bedeutet das adäquate Weichgewebsmanagement, dass <strong>die</strong> Amputation vielfach<br />

offen durchgeführt werden muss und erst nach e<strong>in</strong>er 2., 3. oder x. Revision bei stabilisierter<br />

Ges<strong>am</strong>tsituation des Patienten e<strong>in</strong>e zeitversetzte sekundäre myoplastische Deckung<br />

des Stumpfes erfolgen kann. Die Entscheidung für e<strong>in</strong>en Gliedmaßenerhalt oder e<strong>in</strong>e<br />

primäre Amputation unter vitaler Indikation kann durch verschiedene Entscheidungsalgorithmen<br />

unterstützt werden (Tab. 2). Der Vorteil <strong>die</strong>ser Algorithmen besteht ganz entscheidend<br />

dar<strong>in</strong>, dass sie den Behandler zum Abarbeiten verschiedener Beurteilungspar<strong>am</strong>eter<br />

und d<strong>am</strong>it zu e<strong>in</strong>er ganzheitlichen Betrachtung der Verletzung und des Verletzten zw<strong>in</strong>gen<br />

und d<strong>am</strong>it <strong>die</strong> medicolegale Sicherheit <strong>in</strong> der Behandlung erhöhen. Die Anwendung e<strong>in</strong>es<br />

solchen Scores nimmt dem Operateur jedoch niemals <strong>die</strong> Entscheidung für oder gegen den<br />

Gliedmaßenerhalt ab. Die ausschließliche und ungeteilte Verantwortung hierfür verbleibt<br />

Tabelle 2:<br />

Prädikative Entscheidungsscores für/gegen Gliedmaßenerhalt<br />

Abb. 1:<br />

Technische Indikation zur primären<br />

Amputation.<br />

Eisenbahnunfall: beidseitige traumatische<br />

Unterschenkelabtrennung<br />

durch Überrollen.<br />

• Mangeled Extremity Syndrome Index (MES) • Nach Gregory et al (6), 1985<br />

• Predictive Salvage Index (PSI): • nach Howe et al. (13), 1987<br />

• Hannover Fracture Scale (HFS): • nach Südk<strong>am</strong>p et al. (27), 1989<br />

• Mangled Extremity Severety Score (MESS): • nach Helfet et al (9), 1990<br />

• Limb Salvage Index (LSI) • nach Russel et al (24), 1991<br />

• Modifizierter “MESS” (NISSSA): • nach Mc N<strong>am</strong>ara et al (16), 1994<br />

95


Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />

immer nach der Beurteilung des kl<strong>in</strong>ischen Ges<strong>am</strong>tzustandes des Verletzten beim Operateur.<br />

Entschließt man sich zur Durchführung e<strong>in</strong>er primären Amputation oder Exartikulation,<br />

sollte im S<strong>in</strong>ne des Weichgewebsmanagements an <strong>die</strong> Verwendung des Amputats<br />

als Gewebeersatzlager für autologe Transplantationen (Haut, Knochen, Nerven) gedacht<br />

werden.<br />

Bei offenen Frakturen f<strong>in</strong>det das Ausmaß der Weichgewebsschädigung E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong> <strong>die</strong> entsprechenden<br />

Klassifikationen (7, 8, 17, 29) (Tab. 3). Offene Frakturen s<strong>in</strong>d je nach Schweregrad<br />

mit Infektionsraten zwischen 14 und 33 % behaftet. Es gilt als gesichert, dass im S<strong>in</strong>ne<br />

der Infektionsprophylaxe bereits <strong>in</strong> der präkl<strong>in</strong>ischen Erstversorgung e<strong>in</strong>e Antibiotikumprophylaxe<br />

durchgeführt werden soll. Boxmer et al (3) konnten 1996 zeigen, dass sich d<strong>am</strong>it<br />

<strong>die</strong> Infektionsrate nach offenen Frakturen von 8,3 % auf 3,6 % senken ließ. Auch <strong>die</strong> Wirks<strong>am</strong>keit<br />

e<strong>in</strong>er lokalen Antibiose als adjuvante Maßnahme bei offenen Frakturen ist bewiesen.<br />

Ostermann et al (19) konnten zeigen, dass sich d<strong>am</strong>it <strong>die</strong> Infektionsrate von 12 auf<br />

3,7 % senken lässt. Ke<strong>in</strong>esfalls ersetzt <strong>die</strong> Antibiotikumprophylaxe aber e<strong>in</strong> adäquates<br />

chirurgisches Vorgehen bei offenen Frakturen. Alle chirurgischen Maßnahmen s<strong>in</strong>d unter<br />

notfallmäßiger Indikation zur OP durchzuführen. Das umfangreiche Debridement zerstörter<br />

Weichgewebsstrukturen und aus dem Gewebeverband herausgelöster Knochenfragmente<br />

<strong>die</strong>nt der Prophylaxe von Infektionen. E<strong>in</strong>e gründliche Nekrektomie unterstützt <strong>die</strong> phagozytotische<br />

Aktivität des körpereigenen Abwehrsystems und reduziert <strong>die</strong> sekundäre Hist<strong>am</strong><strong>in</strong>-<br />

und Prostagland<strong>in</strong>-Belastung. Dies wiederum hilft, <strong>die</strong> Aufrechterhaltung der Mikrozirkulation<br />

im verletzten Gewebe sicherzustellen. Wann immer möglich, sollte auf den<br />

E<strong>in</strong>satz e<strong>in</strong>er Blutsperre verzichtet werden, um nicht zusätzlich zum traumatischen Gewebeschaden<br />

e<strong>in</strong>en sekundären Ischämie- und Reperfusionsschaden zu setzen. Der E<strong>in</strong>griff<br />

wird <strong>in</strong> der <strong>über</strong>wiegenden Zahl der Fälle mit externer Stabilisation und temporärem<br />

Wundverschluss abgeschlossen.<br />

Die Beurteilung des Weichgewebsschadens bei geschlossenen Frakturen ist ungleich<br />

schwieriger als bei offenen (17, 29). Auch hier unterstützen Beurteilungsalgorithmen <strong>die</strong><br />

Tabelle 3:<br />

Klassifikation des Gewebeschadens bei offenen Frakturen.<br />

Nach Tscherne und Oestern (29)<br />

96<br />

Grad I Durchspießung der Haut, unbedeutende Kont<strong>am</strong><strong>in</strong>ation, e<strong>in</strong>fache Frakturformen<br />

Grad II Durchtrennung der Haut, umschriebene Haut- und Weichteilkontusion,<br />

mittelschwere Kont<strong>am</strong><strong>in</strong>ation, alle Frakturformen<br />

Grad III Ausgedehnte Weichteildestruktion, häufig Gefäß- und Nervenverletzungen,<br />

starke Wundkont<strong>am</strong><strong>in</strong>ation, ausgedehnte Knochenzertrümmerung (z. B. Schußbruch,<br />

offene Frakturen mit Gefäßverletzungen der großen Extremitätenarterien)<br />

Grad IV Totale und subtotale Amputation, Durchtrennung der wichtigsten anatomischen<br />

Strukturen, vollständige Ischämie


Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />

Entscheidungsf<strong>in</strong>dung (Tab. 4). Zusätzliche Schnitt- und Schürfwunden an e<strong>in</strong>er Extremität,<br />

ausgedehnte Hämatome und kontusionierte Hautweichteilbezirke müssen Zweifel an e<strong>in</strong>er<br />

„e<strong>in</strong>fachen geschlossenen Fraktur“ aufkommen lassen. Die Wahl des richtigen Operationszeitpunktes<br />

ist von entscheidender Bedeutung, weil e<strong>in</strong> sekundär fortschreitender Gewebeuntergang<br />

bei zu früh vollzogener def<strong>in</strong>itiver osteosynthetischer Versorgung zu e<strong>in</strong>em ausgedehnten<br />

Haut- und Weichgewebsuntergang führen kann. Ersche<strong>in</strong>t der Haut-/Weichgewebsschaden<br />

bei geschlossenen Frakturen als suspekt, sollte e<strong>in</strong>er externen Stabilisation<br />

der Fraktur der Vorrang gegeben werden. Der Stellenwert e<strong>in</strong>er zusätzlich antibiotischen<br />

Tabelle 4:<br />

Klassifikation des Gewebeschadens bei geschlossenen Frakturen.<br />

Nach Tscherne und Oestern (29)<br />

Grad 0 Fehlende oder unbedeutende Weichteilverletzung, <strong>in</strong>direkter Verletzungs-<br />

mechanismus, e<strong>in</strong>fache Frakturformen<br />

(z. B. Unterschenkelfraktur des Skifahrers)<br />

Grad I Oberflächliche Schürfung oder Kontusion durch Fragmentdruck von <strong>in</strong>nen,<br />

e<strong>in</strong>fache bis mittelschwere Frakturform<br />

(z. B. OSG-Luxationsfraktur)<br />

Grad II Tiefe kont<strong>am</strong><strong>in</strong>ierte Schürfung sowie Haut- oder Muskelkontusion durch<br />

direkte Krafte<strong>in</strong>wirkung, drohendes Kompartmentsyndrom mit mittelschweren<br />

bis schwere Frakturformen<br />

(z. B. Zweitetagenfraktur der Tibia bei Stoßstangenanprall)<br />

Grad III Ausgedehnte Hautkontusion, -quetsch und/oder Zerstörung der Muskulatur,<br />

subkutanes Décollement, manifestes Kompartment, Verletzung e<strong>in</strong>es Hauptgefäßes,<br />

schwere Frakturformen<br />

(z. B. Trümmerfraktur)<br />

Abschirmung <strong>in</strong> <strong>die</strong>sen Situationen ist nicht gesichert. E<strong>in</strong>e PTT-wirks<strong>am</strong>e Hepar<strong>in</strong>isierung<br />

und e<strong>in</strong>e zusätzliche rheologische Therapie können, sofern ke<strong>in</strong>e Kontra<strong>in</strong>dikationen (Schädelhirntrauma!)<br />

vorliegen, <strong>die</strong> lokale Rekonvaleszenz und Stabilisation des Weichgewebes<br />

fördern. Der Vorteil e<strong>in</strong>er verzögerten def<strong>in</strong>itiven Frakturversorgung gegen<strong>über</strong> der primären<br />

bei geschlossenen Frakturen mit höhergradigem Weichgewebsschaden ist <strong>in</strong> der Literatur<br />

(1, 2 ,5, 14, 18, 20-23) vielfach gesichert.<br />

Zu e<strong>in</strong>em adäquaten Weichgewebsmanagement bei geschlossenen Verletzungen gehört<br />

auch <strong>die</strong> Erkennung und adäquate Therapie des Kompartmentsyndroms. Physiologischerweise<br />

liegt der Gewebedruck <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>takten muskulären Kompartment unter 10 mm Hg.<br />

Steigt er auf Werte zwischen 30 bis 40 mm Hg liegt e<strong>in</strong> drohendes, bei Werten <strong>über</strong> 40 mm<br />

Hg e<strong>in</strong> manifestes Kompartmentsyndrom (25, 26) vor. Die genaue Bestimmung des Kompartmentdruckes<br />

mittels direkter Messung sollte aber niemals alle<strong>in</strong>ige Entscheidungsgrundlage<br />

für oder gegen e<strong>in</strong>e operative Intervention se<strong>in</strong>. Die Indikation zur Durchführung e<strong>in</strong>er<br />

97


Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />

vollständigen Dermatofasciotomie bleibt letztendlich immer e<strong>in</strong>e kl<strong>in</strong>ische. Das Leitsyndrom<br />

des Kompartmentsyndroms ist der akut e<strong>in</strong>setzende heftige Schmerz und <strong>die</strong> Schwellung<br />

<strong>über</strong> der betroffenen Muskelloge. Dem Muskeldehnungsschmerz (M. flexor hallucis) kommt<br />

dabei gleichs<strong>am</strong> <strong>in</strong>dikatorischer Charakter zu. Die periphere arterielle Strombahn verbleibt<br />

ebenso wie <strong>die</strong> Kapillarzirkulation im Frühstadium <strong>in</strong>takt, was zu Fehl<strong>in</strong>terpretationen<br />

führen kann. Nach 40 bis 60 M<strong>in</strong>uten tritt e<strong>in</strong>e Muskelschwäche und im weiter fortgeschrittenen<br />

Stadium e<strong>in</strong> Sensibilitätsverlust <strong>über</strong> der betroffenen Region auf. Der Pulsverlust<br />

stellt das fortgeschrittene Stadium e<strong>in</strong>es irreversiblen Kompartmentsyndroms dar. Notfallmäßig<br />

sollten sämtliche konstr<strong>in</strong>gierenden Verbände entfernt werden. Die absolute Indikation<br />

zur sofortigen vollständigen Dermatofasciotomie wurde bereits erwähnt. Postoperativ<br />

stellen leichte Hochlagerung, kontrollierte Volumentherapie und lokale Kryotherapie adjuvante<br />

Maßnahmen dar.<br />

Bei Decollementverletzungen kommt es zu e<strong>in</strong>er Dissektion zwischen dem Subkutangewebe<br />

und der darunter liegenden Faszie, was zum sofortigen Ausfall der Blutversorgung der<br />

betreffenden Haut- und Subkutanareale führt. Offene Decollementverletzungen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />

ihrem Ausmaß leicht zu erkennen. E<strong>in</strong>e Schwierigkeit ergibt oft <strong>die</strong> richtige Beurteilung des<br />

Ausmaßes bei geschlossenen Decollementverletzungen. In 30 % der Fälle wird das Vorliegen<br />

bzw. das Ausmaß e<strong>in</strong>er solchen geschlossenen Decollementverletzung <strong>über</strong>sehen.<br />

Die Demaskierung des von der Zirkulation abgetrennten Haut-/Weichgewebsareals stellt<br />

sich vielfach erst nach Tagen oder Wochen e<strong>in</strong>. Je länger <strong>die</strong>se Verletzungen mit ihren<br />

ausgedehnten subkutanen Hämatombildungen und der zunehmenden Nekrotisierung<br />

des nicht mehr perfun<strong>die</strong>rten Weichgewebes unentdeckt bleiben, desto größer wird das<br />

Risiko weitergehender, teilweise letal verlaufender Komplikationen (nekrotisierende<br />

Fasciitis!).<br />

Der Wundverschluss beim primären Weichgewebsmanagement gel<strong>in</strong>gt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em erheblichen<br />

Anteil der Fälle <strong>über</strong> <strong>die</strong> primäre Naht. Allerd<strong>in</strong>gs erhöht e<strong>in</strong> <strong>in</strong> unnötiger Weise zu<br />

früh erzwungener Wundverschluss das Nekrose- und Infektionsrisiko. Der Zeitpunkt der<br />

biologischen Wundabdeckung richtet sich ganz wesentlich nach den im Haut-/Weichgewebsdefekt<br />

frei liegenden Strukturen. Offene Gelenke und freiliegende Nerven müssen<br />

möglichst schnell, ggf. sogar mit plastisch-chirurgischen Maßnahmen gedeckt werden. Bei<br />

freiliegenden Gefäßen ist der tolerable Zeitraum etwas länger anzusetzen (b<strong>in</strong>nen 3 Tagen),<br />

bei freiliegendem, nicht deperiostiertem Knochen sollte <strong>die</strong> Deckung b<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>er Woche<br />

angestrebt werden. Bef<strong>in</strong>det sich im Defekt nur gut durchblutete Muskulatur, lässt sich<br />

durch e<strong>in</strong>e temporäre Abdeckung mit Kunsthaut unter Umständen noch e<strong>in</strong> längerer Zeitraum<br />

<strong>über</strong>brücken.<br />

Ist aufgrund des zeitlichen Verlaufes und der Retraktion der Hautränder e<strong>in</strong> primärer<br />

Wundverschluss nicht mehr möglich, haben sich <strong>die</strong> verschiedenen Techniken der<br />

Dermatotraktion bewährt. Nach Fasciotomie und Vorlegen s. g. Lager- oder Ankernähte lässt<br />

sich e<strong>in</strong>e sukzessive Wundrandadaptation, oftmals bis zum kompletten Wundverschluss<br />

durchführen. Verbleibende Restdefekte lassen sich ohne Mühe mittels Spalthautplastik<br />

decken (Abb. 2).<br />

Auch e<strong>in</strong>e primäre Verkürzung e<strong>in</strong>er Extremität, <strong>in</strong>sbesondere bei gleichzeitig vorliegendem<br />

diaphysärem Knochendefekt sollte im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es primären Weichgewebsmanagement <strong>in</strong><br />

Betracht gezogen werden (Abb. 3). Durch e<strong>in</strong>e Verkürzung lässt sich vielfach <strong>die</strong> Spannung<br />

98


Abb. 2a<br />

Abb. 2c<br />

Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />

aus dem Gewebe nehmen, was e<strong>in</strong>en primären oder verzögert primären Wundverschluss<br />

erleichtert. Die Entscheidung zu e<strong>in</strong>er primären Verkürzung sollte <strong>in</strong>sbesondere vor dem<br />

H<strong>in</strong>tergrund der heute zur Verfügung stehenden technischen Verfahren zur sekundären<br />

Knochenverlängerung erleichtert werden. Nach Abschluss der Wundheilung, Konsoli<strong>die</strong>rung<br />

der Weichgewebe und Ausheilung der Fraktur lässt sich verlorengegangene diaphysäre<br />

Knochenstrecke mit den verschiedenen Verfahren der Kallusdistraktion wieder<br />

gew<strong>in</strong>nen.<br />

Sekundäres Weichgewebsmanagement<br />

Abb. 2b<br />

Abb. 2:<br />

Sukzessive Wundverkle<strong>in</strong>erung durch Dermatotraktion<br />

a) zu Beg<strong>in</strong>n der Wundverkle<strong>in</strong>erung<br />

b) Lagernähte <strong>über</strong> der temporären Wundabdeckung.<br />

Defekt bereits verkle<strong>in</strong>ert.<br />

c) Erreichter Wundverschluss.<br />

Sekundäres Weichgewebsmanagement ist bei bereits e<strong>in</strong>getretenen, manifesten Komplikationen<br />

wesentlicher Bestandteil des Therapiekonzeptes. Bei chronischer Osteitis, endo- oder<br />

Abb. 3a<br />

Abb. 3b<br />

Abb. 3: Primäre Verkürzung e<strong>in</strong>es Oberschenkels bei gleichzeitig vorliegendem Femur- und Weichgewebsdefekt<br />

a) OP-Situs<br />

b) Durchleuchtung vor Verkürzung bei bereits e<strong>in</strong>liegendem retrogradem Femurnagel<br />

99


Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />

periprothetischen Infektionen sowie <strong>in</strong> der muskuloskelettalen Tumorchirurgie handelt es<br />

sich um elektive E<strong>in</strong>griffe, deren Durchführung e<strong>in</strong>e subtile Operationsplanung zugrunde<br />

liegen sollte. Die absolute Voraussetzung für e<strong>in</strong> erfolgreiches Weichgewebsmanagement<br />

bei <strong>die</strong>sen Komplikationen ist <strong>die</strong> Sanierung der Grunderkrankung.<br />

In der Therapie der chronischen Osteitis ist das 3-phasige Behandlungskonzept, welches<br />

wir erstmals 2000 vorgeschlagen haben (10, 12, 15), mittlerweile allgeme<strong>in</strong> akzeptierter<br />

Standard:<br />

• Phase 1: Infektsanierung<br />

• Phase 2: Weichgewebsrekonstruktion<br />

• Phase 3: Rekonstruktion des knöchernen und/oder Gelenkdefektes<br />

Dem Bemühen Rechnung tragend, e<strong>in</strong>e weitgehende Sanierung der Infektion zu erreichen,<br />

muss das notwendige Resektionsausmaß für Knochen und Weichgewebe präoperativ<br />

geplant werden. Den verschiedenen bildgebenden Untersuchungsverfahren kommt aber<br />

e<strong>in</strong>e höchst unterschiedliche Wertigkeit zu. Geme<strong>in</strong>s<strong>am</strong> ist allen Verfahren (konventionelle<br />

Projektionsradiographie, Computertomographie, Kernsp<strong>in</strong>tomographie, alle Formen der<br />

Sz<strong>in</strong>tigrafie, Positronenemissionstomographie), dass sie dem Operateur zur Festlegung des<br />

notwendigen und ausreichenden Resektionsausmaßes nur bed<strong>in</strong>gt Hilfestellung bieten.<br />

Auch <strong>die</strong> an unseren Kl<strong>in</strong>iken e<strong>in</strong>geführten „bakteriologischen Schichtuntersuchungen“<br />

(Abb. 4), bei denen zur Planung des späteren Resektionsausmaßes zunächst aus verdächtigen<br />

Knochenarealen mit Di<strong>am</strong>anthohlfräsen Gewebeproben gewonnen werden, <strong>die</strong> dann<br />

bakteriologisch untersucht werden, lässt ke<strong>in</strong>e Festlegung der Resektionsgrenzen mit<br />

dem Anspruch auf absolute Sicherheit zu. Bei der chronischen Osteitis verbleibt stets das<br />

Restrisiko sowohl der <strong>über</strong> das Notwendige h<strong>in</strong>ausgehende „Überresektion“ als das Zurücklassen<br />

von Infektnestern im Knochen durch e<strong>in</strong> zu ger<strong>in</strong>ges Resektionsausmaß.<br />

Wir führen <strong>in</strong> der Phase der Infektsanierung das radikale Knochen- und Weichgewebsdebridement<br />

<strong>in</strong> völliger Analogie zu den Grundsätzen der Tumorchirurgie <strong>am</strong> Skelett durch.<br />

Der E<strong>in</strong>satz des Fixateur externe <strong>die</strong>nt der temporären Stabilisation der Extremität (Abb. 5).<br />

Abb. 4:<br />

„Bakteriologische Schichtuntersuchung“ nach Lokalisation der „verdächtigen Bezirke“ (4b)<br />

unter Durchleuchtung (4a) mittels Bohrkerngew<strong>in</strong>nung durch Hohlbohrer (4c)<br />

100<br />

Abb. 4a<br />

Abb. 4b<br />

Abb. 4c


Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />

In 2- bis 3-tägigen Abständen erfolgen progr<strong>am</strong>mierte Revisionen mit Lavage, E<strong>in</strong>satz lokaler<br />

Wirkstoffträger und temporärem Wundverschluss mittels Okklusionsverbänden bis zur<br />

nachgewiesenen Infektfreiheit (12). Das Erreichen e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>fektfreien Infektsituation stellt <strong>die</strong><br />

Ziell<strong>in</strong>ie der Phase 1 und den Übergang zur Phase 2, zur Rekonstruktion des Weichgewebsmantels<br />

dar.<br />

Je nach Umfang des Haut-/Weichgewebsdefektes können hier lokale Lappenplastiken (Tab. 5)<br />

oder freie vaskularisierte Lappentransplantationen (Tab. 6) zum E<strong>in</strong>satz kommen. Daraus<br />

ergibt sich zwangsläufig für <strong>die</strong> Planung und Durchführung solcher E<strong>in</strong>griffe e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>stitutionalisierte<br />

Zus<strong>am</strong>menarbeit mit e<strong>in</strong>er plastisch-chirurgischen Abteilung oder Kl<strong>in</strong>ik. Für <strong>die</strong><br />

Phase 3, <strong>die</strong> Rekonstruktion des knöchernen und Gelenkdefektes stehen <strong>die</strong> <strong>in</strong> Tab. 7 aufgeführten<br />

Verfahren zur Verfügung, welche aber hier nicht weiter erörtert werden sollen.<br />

5a<br />

5b<br />

Abb. 5:<br />

Chronische Osteitis <strong>am</strong> Unterschenkel mit Weichgewebsdefekt (5a), im dazugehörigen Röntgenbild (5b).<br />

Resektat (5c), Defekt (5d) und zugehöriges Röntgenbild (5e).<br />

E<strong>in</strong>e steigende Anzahl von primärendoprothetischen E<strong>in</strong>griffen an den großen Körpergelenken<br />

<strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit demographischen Faktoren und e<strong>in</strong>er zunehmenden Komorbidität<br />

der betroffenen Patienten lässt der Problematik der endo- und periprothetischen Infektionen<br />

<strong>in</strong> Zukunft e<strong>in</strong>en derzeit schwer e<strong>in</strong>zuschätzenden Stellenwert erlangen. Auch hierbei<br />

stellt e<strong>in</strong> adäquates Haut- und Weichgewebsmanagement e<strong>in</strong>e wichtige Voraussetzung für<br />

den Erfolg rekonstruktiv endoprothetischer Verfahren dar. Die Hierarchie der Therapieziele<br />

bei <strong>die</strong>sen Infektionen gliedert sich nach absteigender Wichtigkeit wie folgt:<br />

Tabelle 5:<br />

Phase 1: Weichteildeckung, lokale Lappenplastiken<br />

• Lokale Schwenklappen<br />

• M. gastrocnemius<br />

• M. soleus<br />

• M. gracilis<br />

• VY-Plastik<br />

5c<br />

5d<br />

5e<br />

101


Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />

Tabelle 6:<br />

Phase 2: Weichteildeckung, freie, vaskulasierte Lappen<br />

Tabelle 7:<br />

1. Infektfreiheit<br />

2. Erhaltung e<strong>in</strong>er stabilen Extremität<br />

3. Erhaltung e<strong>in</strong>es mobilen Gelenkes<br />

4. Schmerzfreiheit<br />

Die Sanierung des Haut-/Weichgewebsmantels <strong>über</strong> e<strong>in</strong>er geplanten Revisionsendoprothese<br />

ist neben der stabilen Verankerung der Endoprothesenkomponenten e<strong>in</strong>e Conditio<br />

s<strong>in</strong>e qua non. Oftmals be<strong>in</strong>haltet <strong>die</strong>ses operative Weichgewebsmanagement nicht nur <strong>die</strong><br />

Wiederherstellung des Hautweichgewebsmantels, sondern auch <strong>die</strong> operativ-technische<br />

Implementierung der erforderlichen aktiven Bewegungsumsetzung, <strong>in</strong>sbesondere bei der<br />

Kniegelenksendoprothetik (Rekonstruktion des Streckapparates). Auch bei der Behandlung<br />

<strong>die</strong>ser Krankheitsbilder ist <strong>in</strong> den meisten Fällen e<strong>in</strong>e Kooperation mit der plastischen<br />

Chirurgie unumgänglich.<br />

Nicht unerwähnt bleiben sollen aus ganzheitlicher Sicht <strong>die</strong>ser meist schwer betroffenen<br />

Patienten alle adjuvanten Therapieformen. Der Stellenwert von Physio- und Ergotherapie<br />

steht außer Diskussion. Die Wirks<strong>am</strong>keit der hyperbaren Sauerstoffbehandlung ist nach<br />

wie vor nicht gesichert (28). Allgeme<strong>in</strong> roborierende Maßnahmen, wie Stärkung des Immunsystems<br />

durch adjuvante, mitunter auch alternativ-mediz<strong>in</strong>ische Ansätze s<strong>in</strong>d zwar nicht<br />

durch Stu<strong>die</strong>n belegt, sollten aber auch im S<strong>in</strong>ne der notwendigen Patientenmotivation<br />

großzügig mite<strong>in</strong>bezogen werden. Die lange Krankheitsdauer <strong>die</strong>ser Erkrankungen mit den<br />

102<br />

• M. latissimus dorsi<br />

• M. parascapularis<br />

• M. rectus abdom<strong>in</strong>is<br />

• M. gastrocnemius<br />

• M. radialis<br />

• M. abductor hallucis<br />

• Ingu<strong>in</strong>al-Lappen<br />

Phase 3: Ersatz des Knochen-/Gelenkdefektes<br />

• Autologe Spongiosaplastik<br />

• Kallusdistraktion<br />

• Umkehrplastiken<br />

• Alloplastischer Ersatz<br />

• Mikrovaskuläre, autologe Knochentransplantation (Fibula, Rippe, Beckenk<strong>am</strong>m,<br />

Scapula)<br />

• Allogene, vaskularisierte Transplantationen (Femurdiaphysen, Kniegelenke)


Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />

notwendigerweise ausgedehnten Hospitalisierungsphasen erfordert vielfach e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive<br />

psychische Betreuung der Patienten. Auch bleibt es ärztliche Aufgabe, <strong>die</strong> Patienten bezüglich<br />

ihrer möglicherweise vorhandenen Risikofaktoren (Übergewicht, Nikot<strong>in</strong>abusus) entsprechend<br />

zu bee<strong>in</strong>flussen. E<strong>in</strong> solches ganzheitliches Ges<strong>am</strong>tkonzept für Patienten mit<br />

chronischen Osteitiden oder mehrfach septischen revisionsendoprothetischen E<strong>in</strong>griffen<br />

sollte alle<strong>in</strong> schon unter dem Gesichtspunkt der Personal<strong>in</strong>tensivität aller genannten Maßnahmen<br />

entsprechend ausgestatteten Zentren vorbehalten bleiben.<br />

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103


Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />

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Kontakt:<br />

Hofmann, Gunther O., Prof. Dr. med. Dr. rer. nat.<br />

Ärztlicher Direktor Berufsgenossenschaftliche Kl<strong>in</strong>iken Bergmannstrost<br />

Merseburger Straße 165, 06112 Halle<br />

Direktor der Kl<strong>in</strong>ik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie<br />

Kl<strong>in</strong>ikum der Friedrich-Schiller-Universität, Erlanger Allee 101, 07747 Jena<br />

104


V. Heppert, P. Herrmann, P. Thoele<br />

Gelenk<strong>in</strong>fekt und <strong>in</strong>fizierte Endoprothese<br />

Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />

Zus<strong>am</strong>menfassung<br />

Gelenks<strong>in</strong>fektionen s<strong>in</strong>d relativ seltene Komplikationen. Allerd<strong>in</strong>gs nimmt <strong>die</strong> Rate <strong>in</strong>fizierter<br />

Endoprothesen deutlich zu. Dies liegt begründet <strong>in</strong> der Tatsache, dass <strong>die</strong> Anzahl von<br />

Neuimplantationen drastisch ansteigt.<br />

Im septischen Krankengut e<strong>in</strong>er Unfallkl<strong>in</strong>ik ist das Problem völlig anders gelagert. Dort<br />

erhält man durch <strong>die</strong> Zuweisungen e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige Negativselektion (32,33,9,1,34) mehrfach<br />

voroperierter Patienten mit erheblichen funktionellen Defiziten zur Aufnahme. Zudem s<strong>in</strong>d<br />

<strong>die</strong> Ursachen der Infektionen zu mannigfaltig. Dennoch können, gerade wegen großer Fallzahlen,<br />

s<strong>in</strong>nvolle Daten <strong>über</strong> Behandlungserfolge mit Funktionsangaben erstellt werden<br />

(32,33,9,1,34).<br />

• Der Zeitpunkt der Diagnosestellung und umgehend e<strong>in</strong>geleiteter aggressiver Therapie ist<br />

entscheidend für das Spätergebnis. Jeder akute Gelenk<strong>in</strong>fekt ist e<strong>in</strong> Notfall, der umgehend<br />

revi<strong>die</strong>rt werden muß.<br />

• Die alle<strong>in</strong>ige Punktion und Spülung ist ke<strong>in</strong>e ausreichende Therapie („medical-dra<strong>in</strong>age“<br />

• Sorgfältige postoperative Kontrolle, kl<strong>in</strong>isch und laborchemisch, ist daher unverzichtbar.<br />

Das CRP nimmt hierbei bisher e<strong>in</strong>e Schlüsselstellung e<strong>in</strong> (1,2)<br />

• Alle<strong>in</strong>ige Antibiotikagabe ohne operative Revision ergibt ke<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n.<br />

• Beim chronischen Infekt wird jedes Implantat entfernt<br />

• Des<strong>in</strong>fizierende Spüllösungen oder Zusetzung von Antibiotika haben das Risiko der<br />

Knorpelschädigung und sollte nach heutigem Kenntnisstand nicht durchgeführt werden<br />

(1,17,34).<br />

• Der negative Keimnachweis schließt den Infekt nicht aus.<br />

• Infektbehandlung <strong>am</strong> Gelenk bedeutet Schadensbegrenzung. Im <strong>in</strong>dividuellen Fall muss<br />

zwischen Arthrodese, Resektionsarthroplastik bzw. Endoprothese das für den speziellen<br />

Patienten optimale Behandlungsverfahren gewählt werden.<br />

Die persönliche Erfahrung des Behandlers im Umgang mit Gelenk<strong>in</strong>fektionen ist entscheidend<br />

für das Outcome des Patienten<br />

Schlüsselworte:<br />

Gelenk<strong>in</strong>fektion, Infizierte Endoprothese, Radikales Debridement, Prothesenwechsel,<br />

Arthrodese, Knorpelschäden<br />

Summary<br />

Jo<strong>in</strong>t <strong>in</strong>fections are rare complications, but the rate of <strong>in</strong>fected arthroplasty raises significantly<br />

due to the fact that more and more arthroplasties are made. We can see <strong>in</strong> our<br />

Trauma level 1 center a negative selection of these patients (32,33,9,1,34) hav<strong>in</strong>g suffered<br />

multiple revisions and are present<strong>in</strong>g funct<strong>in</strong>al deficits.<br />

105


Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />

What is fact?<br />

• Diagnosis of <strong>in</strong>fection should be f<strong>in</strong>ished as early as possible. Acute <strong>in</strong>fection is an<br />

emergency case and should be operated as soon as possible.<br />

• Medical-dra<strong>in</strong>age alone is no therapy<br />

• Cl<strong>in</strong>ical supervision after operation is mandatory. CRP control is efficient (1,2)<br />

• Adm<strong>in</strong>istration of antibiotics without operation is a fault.<br />

• In chronic <strong>in</strong>fection the implant should be removed.<br />

• Dis<strong>in</strong>fectant fluids provoke cartilage d<strong>am</strong>age (1,17,34).<br />

• Even without grow<strong>in</strong>g germs it can be an <strong>in</strong>fection.<br />

• Infection therapy means d<strong>am</strong>age control. Follow<strong>in</strong>g possible operations should be<br />

discussed critically with the patient.<br />

• The septic experience of the surgeon is most important for patients outcome.<br />

Key words:<br />

Jo<strong>in</strong>t <strong>in</strong>fection, <strong>in</strong>fected arthroplasty, radical debridement, septic arthroplasty exchange,<br />

arthrodesis, cartilage d<strong>am</strong>age.<br />

Jede Infektion e<strong>in</strong>es Gelenkes ist e<strong>in</strong> multifaktorielles Geschehen und stellt nach wie vor<br />

große Anforderungen an den behandelnden Arzt (1,2). Dabei muss bedacht werden, dass<br />

Infektionen e<strong>in</strong>es Gelenkes e<strong>in</strong>e unterschiedliche Wertigkeit haben, wenn e<strong>in</strong> Kunstgelenk<br />

e<strong>in</strong>liegt. Die Frühdiagnostik e<strong>in</strong>er solchen Infektion ist zus<strong>am</strong>men mit e<strong>in</strong>em daraus resultierenden<br />

aggressiven chirurgischen Vorgehen das entscheidende Kriterium für das spätere<br />

Endergebnis des Patienten. Sorgfältige Überwachung e<strong>in</strong>es Patienten <strong>in</strong>sbesondere nach<br />

Punktion oder Operation s<strong>in</strong>d unverzichtbar Es mangelt häufig an der persönlichen <strong>in</strong>dividuellen<br />

Erfahrung im Umgang mit <strong>die</strong>ser Komplikation.<br />

Unwidersprochen ist aber <strong>die</strong> Beobachtung, dass nur <strong>die</strong> sofortige kompetente Behandlung<br />

gute Langzeitergebnisse sichert (3,4,5) und jede Verzögerung nachteilige Folgen für den<br />

Patienten mit sich br<strong>in</strong>gt (5,6).<br />

Für den Patienten, den <strong>die</strong>se Komplikation persönlich betrifft, ist es unverständlich, wie es<br />

dazu hat kommen können. Neben der persönlichen Verunsicherung spielen sozialmediz<strong>in</strong>ische<br />

Aspekte e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle (1,7) <strong>in</strong> der Ges<strong>am</strong>tproblematik.<br />

Funktionelle Folgeschäden (8,9,10), persistierende Schmerzen und längere stationäre Behandlungszeiten,<br />

<strong>in</strong> seltenen E<strong>in</strong>zelfällen sogar der Tod des Patienten s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Folge zu spät<br />

erkannter Infektionen und führen oft zu erheblichen Haftpflichtforderungen (9,4,11).<br />

Die kl<strong>in</strong>ische Erfahrung zeigt, dass <strong>die</strong> beg<strong>in</strong>nende Infektion oft zu spät erkannt wird, um<br />

<strong>die</strong>se Folgeschäden m<strong>in</strong>imieren zu können (12). Dem Faktor „Zeit“ kommt somit höchste<br />

Priorität zu.<br />

Der Infekt nach Punktion ist extrem selten. Anders berichtet bei Gelenkpunktionen von e<strong>in</strong>er<br />

Empyem<strong>in</strong>zidenz von nur 0,034‰ (13). Dennoch darf man <strong>die</strong>s nicht unterschätzen, da sich<br />

der Ablauf nicht von dem nach Fraktur unterscheidet. Die Auswirkungen auf den Knorpel s<strong>in</strong>d<br />

gleich. Der zeitliche Ablauf ist auch hier der entscheidende Faktor. Die Realität zeigt, dass<br />

<strong>in</strong>sbesondere nach Punktion nach wie vor zu spät – eben wegen der niedrigen Inzidenz – an<br />

106


Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />

e<strong>in</strong>en beg<strong>in</strong>nenden Infekt gedacht wird. Die Behandlung beg<strong>in</strong>nt erst dann, wenn sich bereits<br />

irreversible Knorpelschädigungen bzw. e<strong>in</strong> chronischer Infekt manifestiert haben.<br />

Akute Infektion<br />

• Ohne e<strong>in</strong>liegende Endoprothese:<br />

Hier geht es um den Erhalt des Knorpels und dem Faktor Zeit kommt e<strong>in</strong>e immens wichtige<br />

Bedeutung bei. Die grundlegenden Arbeiten gehen auf Riegels und Nielsen zurück<br />

(14). Bereits 24 Stunden nach Infektionsbeg<strong>in</strong>n werden lysosomale Enzyme <strong>in</strong> den Gelenkraum<br />

freigesetzt. Erst nach weiteren 2–3 Tagen f<strong>in</strong>den sich beg<strong>in</strong>nende kl<strong>in</strong>ische Infektzeichen.<br />

Freigesetzte vermehrt produzierte Glycos<strong>am</strong><strong>in</strong>e führen rasch zur Knorpelerweichung<br />

und zur Auffaserung der Knorpeloberfläche. E<strong>in</strong>wandernde polymorphkernige Leukozyten<br />

zerfallen nach Aufnahme der Bakterien. Lysosomale Enzyme werden hierdurch freigesetzt.<br />

Zusätzlich wirkt <strong>die</strong> Leukozytenprote<strong>in</strong>ase mit ihrer enzymatischen Wirkung synergistisch<br />

(14) auf <strong>die</strong> Knorpelzerstörung. Durch proteolytische Enzyme aus Leukozyten und<br />

Synovia werden aus der Knorpelmatrix Proteoglycane herausgelöst. Die entzündungsbed<strong>in</strong>gten<br />

Fibr<strong>in</strong>beläge blockieren Absorptionen und beh<strong>in</strong>dern zusätzlich <strong>die</strong> Knorpelernährung<br />

(7). All <strong>die</strong>se Mechanismen laufen <strong>in</strong>nerhalb von 7 Tagen ab (1). Danach beg<strong>in</strong>nt<br />

der chronische Infekt. Bei 10-tägiger E<strong>in</strong>wirkung muss bereits mit e<strong>in</strong>er Arthroserate von<br />

25% gerechnet werden (15)<br />

Gächter teilt <strong>die</strong> Infekte <strong>in</strong> 4 Sta<strong>die</strong>n (16,17):<br />

• Stadium 1<br />

trübe Synovia, Rötung der Synovia, mögliche Petechien, negative Radiologie<br />

• Stadium 2<br />

Schwere Entzündung mit Fibr<strong>in</strong>ablagerung, Pus, negative Radiologie<br />

• Stadium 3<br />

Syoviaverdickung, Bildung von Kompartimenten, noch negative Radiologie<br />

• Stadium 4<br />

Aggressive Infiltration des Pannus, Unterm<strong>in</strong>ierung des Knorpels, radiologische sub-<br />

chondrale Osteolysen, knöcherne Erosionen und Zystenbildungen<br />

Auch <strong>die</strong> Synovia nimmt teil <strong>am</strong> Prozess der Gelenkdestruktion. Auf das auslösende Agens<br />

reagiert <strong>die</strong> Synovia ab Tag 3 mit e<strong>in</strong>er unspezifischen Hypertrophie unabhängig vom auslösenden<br />

Erreger (14). Bereits nach 11 Tagen kann e<strong>in</strong>e bis zu 5 fache Hypertrophie der<br />

Synovia vorliegen. Zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt beg<strong>in</strong>nt sie, den Knorpel als sogenannter Pannus<br />

zu <strong>über</strong>wuchern. Die Ernährung der Knorpelzellen wird hierdurch zusätzlich empf<strong>in</strong>dlich<br />

gestört, da <strong>die</strong>se <strong>über</strong>wiegend durch Perfusion aus der Gelenkflüssigkeit erfolgt. Ab Tag 17<br />

der Gelenk<strong>in</strong>fektion f<strong>in</strong>det man e<strong>in</strong>en Durchbruch der Gelenkkapsel, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Ankylose nach<br />

5 Wochen irreversibel e<strong>in</strong>leitet (1,14).<br />

Alle<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Spülung des Gelenkes <strong>in</strong> der Frühphase mit Entfernung der im Gelenk vor-<br />

handenen Leukozyten führt zu e<strong>in</strong>er Verm<strong>in</strong>derung des Ges<strong>am</strong>tschadens, da <strong>die</strong> Leukozytenprote<strong>in</strong>ase<br />

somit nicht ihre schädlichen Auswirkungen auf den Knorpel ausüben<br />

konnte (1,18).<br />

107


Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />

Akute Infektion<br />

• Endoprothese<br />

Hier wird <strong>die</strong> Def<strong>in</strong>ition Früh<strong>in</strong>fekt mittlerweile auf e<strong>in</strong>en Zeitraum von 3–4 Wochen<br />

limitiert (5). Gerade e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>liegende Endoprothese bedeutet hierbei den wesentlichen<br />

pathogenetischen Faktor. Dar<strong>über</strong> h<strong>in</strong>ausgehend konnte e<strong>in</strong>drucksvoll nachgewiesen<br />

werden, daß Bakterien, <strong>die</strong> adhärent auf Oberflächen von Endoprothesen haften, e<strong>in</strong>e<br />

Resistenz gegen <strong>die</strong> bakterizide Wirkung von Antibiotika entwickeln können und <strong>die</strong>ses<br />

veränderte Resistenzmuster sogar beibehalten, wenn sie sich von der Oberfläche des<br />

Implantates wieder entfernt haben (19). Liegt <strong>die</strong> Verdoppelungszeit von Bakterien<br />

üblicherweise bei ca. 35 m<strong>in</strong>, so reduziert sie sich bei liegendem Implantat auf bis zu<br />

4 Stunden, je nach Erreger.<br />

Die Fähigkeit vieler Erreger, e<strong>in</strong>en sogenannten Biofilm zu produzieren, schützt <strong>die</strong>se dann<br />

zusätzlich vor dem Angriff von Antibiotika (20,21). Dieser Biofilm besteht vorwiegend aus<br />

extrazellulären Zuckern. E<strong>in</strong> stabiles mikrobiologisches System kann unterhalb <strong>die</strong>ses<br />

Biofilms entstehen und dort jahrelang kl<strong>in</strong>isch unauffällig bleiben. Zu e<strong>in</strong>em späteren Zeitpunkt<br />

– aus bisher ungeklärter Ursache – können <strong>die</strong> Bakterien dann jederzeit wieder aktiv<br />

werden (21). Und <strong>die</strong>s muss E<strong>in</strong>gang f<strong>in</strong>den <strong>in</strong> unsere therapeutischen Überlegungen, da<br />

<strong>die</strong>ser Biofilm wesentlich verantwortlich ist für <strong>die</strong> Problematik des Infektes. bei e<strong>in</strong>liegender<br />

Endoprothese.<br />

Diagnostik der akuten Gelenk<strong>in</strong>fektion<br />

Der oben geschilderte Verlauf des Infektgeschehens verdeutlicht <strong>die</strong> zeitliche Dr<strong>in</strong>glich-<br />

keit der Diagnosestellung <strong>die</strong>ser Komplikation, da nur <strong>die</strong> frühzeitige aggressive operative<br />

Therapie e<strong>in</strong> gutes funktionelles Outcome für den Patienten bietet (1). Unser diagnostischer<br />

Algorythmus:<br />

1. Kl<strong>in</strong>ik<br />

– Schmerzhafte Bewegungse<strong>in</strong>schränkung des Gelenkes<br />

– Rötung und Schwellung des betroffenen Gelenkes<br />

– Überwärmung<br />

– Fieber (oft subfebril)<br />

2. Gelenkpunktion<br />

Diese <strong>die</strong>nt der Gew<strong>in</strong>nung des optischen Aspektes und zur Bestimmung der Zellzahl<br />

des Punktates. Leukozytenzahl > 30000 Zellen / ccm spricht für e<strong>in</strong> Infektgeschehen.<br />

Da <strong>die</strong> Anzüchtung mikrobiologischer Kulturen aus dem Punktat bis zu 14 Tage dauern<br />

kann, darf <strong>die</strong>ser Befund nie abgewartet werden bis zum Therapiebeg<strong>in</strong>n.<br />

3. Labordiagnostik<br />

Das CRP (C-reaktives Prote<strong>in</strong>) hat sich als s<strong>in</strong>nvollster Marker erwiesen (1).<br />

4. Bildgebende Diagnostik<br />

E<strong>in</strong> normales Röntgenbild des betroffenen Gelenkes <strong>in</strong> 2 Ebenen ist s<strong>in</strong>nvoll MRT, CT<br />

108


Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />

oder Sz<strong>in</strong>tigraphie s<strong>in</strong>d ebenso wie spezielle serologische Tests nur bei spezifischer<br />

Indikationsstellung erforderlich (22).<br />

Therapie akute Infektion<br />

Initiale „bl<strong>in</strong>de“Antibiotikagaben führen zur zunehmenden Verschleierung der Befunde (17).<br />

Beim Früh<strong>in</strong>fekt e<strong>in</strong>es Gelenkes taucht immer <strong>die</strong> Frage auf, ob man arthroskopisch oder<br />

offen revi<strong>die</strong>rt. Diese immer wiederholte Diskussion vernachlässigt <strong>die</strong> Tatsache, dass nur<br />

<strong>die</strong> wenigsten Gelenke des menschlichen Körpers <strong>über</strong>haupt arthroskopierbar s<strong>in</strong>d. Zwar<br />

berichtet <strong>die</strong> Literatur davon, dass sich 95% aller Infektionen <strong>in</strong> den großen Gelenken<br />

abspielen (4,7). Aber <strong>die</strong> Frage muss erlaubt se<strong>in</strong>, ob all <strong>die</strong> Infektionen der kle<strong>in</strong>en Gelenke<br />

<strong>in</strong> Stu<strong>die</strong>n wirklich erfasst werden (1).<br />

Schauen wir auf <strong>die</strong> arthroskopierbaren Gelenke, so ist durch <strong>die</strong> enorme Ausweitung<br />

arthroskopischer Behandlungverfahren e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>deutiger Trend h<strong>in</strong> zum m<strong>in</strong>imal<strong>in</strong>vasiven<br />

Verfahren zu verzeichnen (12,7,17). Verkürzte Behandlungszeiten und frühzeitigere Mobilisation<br />

der Gelenke wurden beschrieben. Die Rate der Infektberuhigung wurde <strong>in</strong> der aktuellen<br />

Literatur von 80% (23) bis 92% (16,17) angegeben.<br />

Auch bei arthroskopisch extrem spezialisierten Zentren wird der Erfolg im Stadium III nach<br />

Gächter nur mit 67% bei mehrfachen Spülungen dokumentiert (24). Andere Autoren sehen<br />

daher <strong>die</strong> Indikation zur offenen Revision abhängig von der Dauer der Infektion (24), um<br />

auch <strong>die</strong> tieferen <strong>in</strong>fizierten Synovialschichten zu erreichen und der Arthroseentwicklung<br />

entgegenzuwirken (15,25). Sogar bei primär völlig offener Behandlung des Gelenkes mit<br />

E<strong>in</strong>lage von PMMA-Ketten wurden Erfolgsraten von bis zu 96,4% beschrieben (25).<br />

Als Spülflüssigkeit sollte man nur R<strong>in</strong>gerlösung verwenden. Der hyal<strong>in</strong>e Gelenkknorpel ist<br />

äußerst vulnerabel. Bereits ger<strong>in</strong>gfügige ph-Verschiebungen können verheerende Folgeschäden<br />

nach sich ziehen. Infektbed<strong>in</strong>gte Knorpelläsionen werden dann u.U. iatrogen weiter<br />

verschlimmert (1). E<strong>in</strong>igkeit besteht <strong>in</strong> der Literatur dar<strong>über</strong>, dass R<strong>in</strong>gerlösung als e<strong>in</strong>zige<br />

Lösung ke<strong>in</strong> Risiko <strong>in</strong> sich birgt (26,8,27,28,10,29). Obwohl der gedankliche Ansatz, mit<br />

Antibiotika bzw. Des<strong>in</strong>fektionslösungen zu spülen, nachvollziehbar se<strong>in</strong> mag, ist <strong>die</strong>s nicht<br />

zu empfehlen. Antibiotikazusätze s<strong>in</strong>d nicht <strong>in</strong>diziert (17,30), da sie zu ph-Verschiebungen<br />

bis h<strong>in</strong>ab zu pH 5 bei Gent<strong>am</strong>yc<strong>in</strong> führen können (30).<br />

Nach sorgfältigem Debridement der Synovia legen wir e<strong>in</strong>en lokalen Antibiotikumträger<br />

(resorbierbar) e<strong>in</strong> und verordnen e<strong>in</strong> systemisches Antibiotikum für 10 Tage.<br />

Kommt es nicht zur Infektberuhigung (Kl<strong>in</strong>ik, CRP Verlauf) wird umgehend erneut<br />

revi<strong>die</strong>rt.<br />

• Beim Früh<strong>in</strong>fekt e<strong>in</strong>er Endoprothese sollte nur bei ganz kurzem Zeit<strong>in</strong>tervall nach E<strong>in</strong>bau<br />

<strong>die</strong> Arthroskopie als Therapie angedacht werden. E<strong>in</strong> Erhaltungsversuch der Endoprothese<br />

ist immer gerechtfertigt. Hierzu wird offen revi<strong>die</strong>rt und <strong>die</strong> Synovia debri<strong>die</strong>rt. Alle beweglichen<br />

Teile werden gewechselt und gegen neue ausgetauscht. Das Kunstgelenk wird<br />

mechanisch gere<strong>in</strong>igt, <strong>die</strong> Jet Lavage unterstützend verwendet. Das ges<strong>am</strong>te Gelenk wird<br />

mit e<strong>in</strong>er Des<strong>in</strong>fektionslösung gefüllt (ist ja ke<strong>in</strong> Knorpel mehr vorhanden) und danach<br />

noch e<strong>in</strong>mal gespült. Lokale Antibiotikumträger werden im Gelenk platziert. E<strong>in</strong> sorgfältiger<br />

Wundverschluss ist obligat. Beim Erhaltungsversuch e<strong>in</strong>es Kunstgelenkes verwenden<br />

wir e<strong>in</strong>e 6 wöchige adjuvante Antibiotikumtherapie.<br />

109


Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />

Kommt es nicht zur Infektberuhigung, <strong>in</strong>sbesondere bei Vorliegen multiresistenter Erreger<br />

wird <strong>die</strong> Endoprothese ausgebaut.<br />

In jedem Fall erfolgt e<strong>in</strong>e frühfunktionelle Nachbehandlung, um E<strong>in</strong>steifungen durch Verklebungen<br />

der Gelenke zu m<strong>in</strong>imieren.<br />

Chronische Infektion:<br />

Bei der chronischen Infektion ist der Faktor Zeit <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Dr<strong>in</strong>glichkeit nicht mehr gegeben,<br />

da sich e<strong>in</strong>erseits Knorpelschäden bereits manifestiert haben andererseits <strong>die</strong> Biofilmbildung<br />

bei e<strong>in</strong>liegender Prothese abgeschlossen ist. Von e<strong>in</strong>er chronischen Infektion sprechen<br />

wir, wenn <strong>die</strong> Dauer des Infektes länger als 3 Wochen dauert. Bekannt ist, dass e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>mal<br />

bakteriell besiedeltes Metallimplantat z.B. e<strong>in</strong> Kunstgelenk, nicht mehr steril wird (31),<br />

sodass der Ausbau stattf<strong>in</strong>den muss.<br />

Diagnostik der chronischen Infektion<br />

1. Kl<strong>in</strong>ik<br />

– Schmerzhafte Bewegungse<strong>in</strong>schränkung des Gelenkes<br />

– Rötung und Schwellung des betroffenen Gelenkes<br />

– Überwärmung<br />

– Fieber nur selten vorliegend<br />

2. Gelenkpunktion<br />

Beim chronischen Infekt sollte vor OP der Erreger bekannt se<strong>in</strong>, um gezielt antibiotisch<br />

e<strong>in</strong>greifen zu können. Um <strong>die</strong> Sicherheit zu erhöhen sollte 14 Tage zuvor ke<strong>in</strong> Antibiotikum<br />

gegeben werden. Die Punktion erfolgt unter sterilsten Kriterien ohne Lokalanästhesie.<br />

3. Labordiagnostik<br />

Das CRP (C-reaktives Prote<strong>in</strong>) hat sich auch hier als s<strong>in</strong>nvollster Marker erwiesen (1).<br />

4. Bildgebende Diagnostik<br />

E<strong>in</strong> normales Röntgenbild des betroffenen Gelenkes <strong>in</strong> 2 Ebenen ist s<strong>in</strong>nvoll. Die<br />

Sz<strong>in</strong>tigraphie ist als Screen<strong>in</strong>g Methode bei low-grade Infektion hilfreich (22). MRT<br />

bzw. CT s<strong>in</strong>d speziellen Fragestellungen vorbehalten<br />

Therapie chronische Infektion<br />

Initiale „bl<strong>in</strong>de“Antibiotikagaben führen auch hier zur zunehmenden Verschleierung der<br />

Befunde (17).<br />

Abgesehen von septischen Notsituationen, bei denen oft nur e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>itiale Entlastung anzuraten<br />

ist, sollte vor Operation der Erreger bekannt se<strong>in</strong>. In jedem Fall wird offen revi<strong>die</strong>rt.<br />

Dem radikalen Debridement kommt <strong>die</strong> Schlüsselstellung zu. Alles nekrotische Gewebe und<br />

Implantate werden entfernt, das Gelenk mit der Jet Lavage gespült und dra<strong>in</strong>iert.<br />

Lokale Antibiose:<br />

• Kollagen Vlies jetzt auch mit verschiedenen Antibiotika erhältlich<br />

110


Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />

• PMMA Ketten zeigen <strong>die</strong> höchste Freisetzungsk<strong>in</strong>etik wegen der größten Ges<strong>am</strong>toberfläche,<br />

müssen aber wieder entfernt werden (25).<br />

• Spacer werden kontrovers diskutiert. Sie erhalten <strong>die</strong> Länge nach Prothesenausbau und<br />

e<strong>in</strong>e gewisse Restbeweglichkeit. Nachteilig s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> ger<strong>in</strong>gen Antibiotikumkonzentrationen,<br />

e<strong>in</strong>e Luxationstendenz >30 Prozent und Zirconiumabrieb.<br />

Folgee<strong>in</strong>griffe:<br />

• Die Arthrodese wird <strong>am</strong> Hüftgelenk de facto nicht mehr durchgeführt, für das Kniegelenk<br />

ist <strong>die</strong>s e<strong>in</strong>e gute Option wobei <strong>die</strong> Ergebnisse besser s<strong>in</strong>d, wenn sie frühzeitig angedacht<br />

wird und nicht erst nach mehreren gescheiterten Wechseloperationen.<br />

• Die Resektionsarthroplastik wird an der oberen Extremität als e<strong>in</strong> Verfahren gesehen,<br />

Funktion zu erhalten. Die Girdlestonesituation <strong>am</strong> Hüftgelenk ist nach wie vor e<strong>in</strong>e Rückzugsmöglichkeit.<br />

• Der erneute E<strong>in</strong>bau e<strong>in</strong>es Kunstgelenkes nach Infektion muss <strong>in</strong> jedem Fall abhängig<br />

gemacht werden vom Ges<strong>am</strong>tzustand des Patienten und der knöchernen Situation nach<br />

Debridement. Diese Operationen sollten <strong>in</strong> darauf spezialisierten Zentren erfolgen. Ob<br />

<strong>die</strong>s e<strong>in</strong>zeitig oder zweizeitig erfolgen soll, ist nach wie vor umstritten. Auch <strong>die</strong> Frage<br />

zementiert versus zementfrei wird nie gelöst werden.<br />

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Kontakt<br />

Heppert, Volkmar, Dr.<br />

Chefarzt der Abtlg. für Septische Chirurgie Knochen- Gelenk- und Prothesen<strong>in</strong>fektionen<br />

BG Unfallkl<strong>in</strong>ik Ludwigshafen<br />

Ludwig Guttmannstr. 13<br />

67071 Ludwigshafen<br />

113


G. Walter<br />

Osteitis – Früh<strong>in</strong>fekt<br />

Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />

Zus<strong>am</strong>menfassung<br />

Die akute posttraumatischen Osteitis stellt e<strong>in</strong>e seltene, aber sehr ernste Komplikation dar.<br />

Sie ist bis heute nicht e<strong>in</strong>heitlich def<strong>in</strong>iert, <strong>in</strong>sbesondere wird <strong>die</strong> Grenze zwischen Früh-<br />

und Spät<strong>in</strong>fektion unterschiedlich gezogen. In Abhängigkeit von lokalen und systemischen<br />

Risikofaktoren ist mit e<strong>in</strong>em Auftreten bei zwei bis <strong>über</strong> 40% der Patienten zu rechnen.<br />

E<strong>in</strong>e Kostensteigerung um den Faktor 5 bis 7,5% im Vergleich zu e<strong>in</strong>em unkomplizierten<br />

Verlauf ist zu erwarten. Pathophysiologisch führen sowohl das Trauma, als auch therapeutische<br />

Maßnahmen zu e<strong>in</strong>er lokalen und systemischen Schädigung der körpereigenen Abwehr,<br />

E<strong>in</strong>zelheiten werden erläutert.<br />

Die Diagnose wird <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie aufgrund der kl<strong>in</strong>ischen Untersuchung gestellt.<br />

Zur Therapie wird e<strong>in</strong> Algorithmus erläutert, der sich <strong>in</strong> der Abteilung für septische Chirurgie<br />

seit Jahren bewährt hat: Erhaltungsversuche bei stabilem Implantat, Verfahrenswechsel<br />

und Etappenrevisionen bei ausbleibender Infektberuhigung. E<strong>in</strong>e spezifische antibiotische<br />

Behandlung wird begleitend systemisch und fakultativ lokal durchgeführt.<br />

Die Nachbehandlung erfolgt <strong>in</strong> enger Zus<strong>am</strong>menarbeit mit der Abteilung für Rehabilitation.<br />

Schlüsselwörter<br />

Akute posttraumatische osteitis, Früh<strong>in</strong>fektion, Implantat-assoziierte osteitis, klassische<br />

Entzündungszeichen, Verfahrenswechsel, Behandlungsalgorithmus.<br />

Summary<br />

The early posttraumatic osteomyelitis is a rare but serious complication. Until now, there<br />

is no consensus on the def<strong>in</strong>ition; especially the differentiation to the late or chronic form<br />

is <strong>in</strong> dispute. Depend<strong>in</strong>g on the patient´s risk factors, <strong>in</strong> 1 to over 40% early <strong>in</strong>fection may<br />

occur. It has been calculated that treatment costs rise 5 to 7,5-fold compared to an uncomplicated<br />

course. Trauma and therapeutical procedures cause local and systemic depression<br />

of immunity, thus facilitat<strong>in</strong>g bacterial growth and <strong>in</strong>fection, details are outl<strong>in</strong>ed.<br />

The early detection of cl<strong>in</strong>ical signs is most important to diagnose acute exogenous osteomyelitis.<br />

A treatment algorithm is presented, which is practiced <strong>in</strong> our department with good<br />

results s<strong>in</strong>ce several years: retention of stable implants, change and revision procedures as<br />

long as the <strong>in</strong>fection is not cured. Antibiotics are adm<strong>in</strong>istrated via <strong>in</strong>travenous or oral and,<br />

case-by-case, local methods.<br />

The postoperative treatment is well coord<strong>in</strong>ated with physiotherapists to rega<strong>in</strong> function as<br />

soon as possible.<br />

Keywords<br />

Acute posttraumatic osteomyelitis, early <strong>in</strong>fection, implant-associated osteomyelitis,<br />

card<strong>in</strong>al signs of <strong>in</strong>fl<strong>am</strong>mation, change of procedure, treatment algorithm.<br />

115


Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />

E<strong>in</strong>leitung<br />

Die akute Osteitis wird gemäß ihrer Entstehung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e hämatogene und e<strong>in</strong>e posttraumatische<br />

Form e<strong>in</strong>geteilt. Während Erstere <strong>in</strong> den Industrieländern heute ke<strong>in</strong>e Rolle mehr<br />

spielt, bezeichnet Letztere e<strong>in</strong>e zwar seltene, aber sehr ernste Komplikation. So behandelte<br />

<strong>die</strong> Abteilung für Septische Chirurgie im Jahr 2007 etwa 900 Patienten stationär, <strong>die</strong> an den<br />

Folgen e<strong>in</strong>er posttraumatischen oder postoperativen Knochen<strong>in</strong>fektion litten, jedoch nur<br />

fünf mit e<strong>in</strong>er Osteomyelitis, <strong>die</strong> durch e<strong>in</strong>e Infektion <strong>über</strong> <strong>die</strong> Blutbahn ausgelöst wurde.<br />

Im Folgenden soll deshalb ausschließlich auf <strong>die</strong> verletzungsbed<strong>in</strong>gte Knochenentzündung<br />

e<strong>in</strong>gegangen werden.<br />

Def<strong>in</strong>itionsgemäß handelt es sich um e<strong>in</strong>e „bakterielle Infektion der Weichgewebe, des<br />

Implantatlagers und der heilenden Fraktur <strong>in</strong>nerhalb von acht Wochen nach dem Trauma<br />

oder postoperativ“ (Hofmann GO, Inf. d. Knochen u Gelenke, U&F, 2004).<br />

Der zeitliche Abstand zum Unfallereignis, welcher <strong>die</strong> Grenze zwischen Früh- und Spät<strong>in</strong>fektion<br />

markiert, ist nicht e<strong>in</strong>heitlich festgelegt, sodass sich e<strong>in</strong> Methoden- und Ergebnis-<br />

Vergleich zwischen verschiedenen Kl<strong>in</strong>iken schwierig gestaltet. Legt man <strong>die</strong> Biofilmetheorie<br />

und Erfahrungen aus der Endoprothetik zu Grunde, so s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Resultate von Erhaltungsversuchen<br />

nach der vierten postoperativen Woche deutlich schlechter. Es bietet sich als<br />

so auch bei der akuten Osteitis an, nach dem 28. Tag von e<strong>in</strong>em Spät<strong>in</strong>fekt mit der Tendenz<br />

zur Chronifizierung zu sprechen.<br />

Epidemiologie<br />

Generell muss nach operativen E<strong>in</strong>griffen <strong>in</strong> Orthopä<strong>die</strong> und Unfallchirurgie mit e<strong>in</strong>er Infektionsrate<br />

von 2 bis 3% gerechnet werden. Bei offenen Frakturen steigt sie mit dem Grad der<br />

Weichteilverletzung stark an. Liegen zusätzlich lokale und systemische Risikofaktoren vor,<br />

z.B. bei Diabetikern mit Mikro- und Makro-Angiopathie, so treten bei bis zu 50% der Patienten<br />

septische Komplikationen auf.<br />

Mehrkosten für <strong>die</strong> akute posttraumatische Osteitis werden <strong>in</strong> der Literatur mit 17.000 Euro<br />

beziffert, <strong>die</strong> stationäre Behandlung verlängert sich durchschnittlich um 15 Tage. Berücksichtigt<br />

man <strong>die</strong> Aufwendungen für Arznei, Heil und Hilfsmittel sowie Rentenzahlungen,<br />

steigen <strong>die</strong> Kosten um das fünf bis 7,5 fache gegen<strong>über</strong> e<strong>in</strong>em unkomplizierten Verlauf. In<br />

10 bis 30% geht <strong>die</strong> akute <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e chronische Osteitis <strong>über</strong>, wofür dann bereits vor zehn<br />

Jahren Fallkosten <strong>in</strong> Höhe von e<strong>in</strong>er Million DM errechnet wurden.<br />

Pathophysiologie<br />

Das Infektionsrisiko wird durch das Ausmaß des lokalen Schadens und der Anzahl sowie<br />

Virulenz der Erreger bestimmt. Der lokale Schaden setzt sich aus dem Unfall, dem Operationstrauma<br />

und dem e<strong>in</strong>gebrachten Implantat zus<strong>am</strong>men. Er trifft auf e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dividuell<br />

unterschiedliche Abwehrsituation, <strong>die</strong> durch lokale und systemische Risikofaktoren bed<strong>in</strong>gt<br />

ist. Je größer der Schaden, je schlechter <strong>die</strong> Immunkompetenz, umso ger<strong>in</strong>ger ist <strong>die</strong> erforderliche<br />

Keimzahl, der es bedarf, e<strong>in</strong>e Infektion auszulösen.<br />

Pathophysiologisch verursacht das Trauma zunächst e<strong>in</strong> Gewebe Ödem, welches zu e<strong>in</strong>er<br />

umschriebenen M<strong>in</strong>derdurchblutung führt. Der Zellstoffwechsel wird katabol, es entstehen<br />

e<strong>in</strong>e Gewebe Hypoxie und Azidose. Dadurch erhöht sich <strong>die</strong> Gefäßpermeabilität weiter,<br />

sodass sich das Ödem verstärkt. Diese Prozesse führen direkt zu e<strong>in</strong>er Suppression der<br />

116


Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />

T-Zellen mit verm<strong>in</strong>derter Bildung von Interleuk<strong>in</strong> 2 und Interferon G<strong>am</strong>ma, somit zu e<strong>in</strong>er<br />

Reduktion der körpereigenen Abwehrkraft.<br />

Das E<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen von Implantaten bewirkt e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>schränkung der Phagozytosefähigkeit von<br />

Makrophagen, bed<strong>in</strong>gt durch e<strong>in</strong>e direkte toxische Wirkung von Chrom aber auch von Titan.<br />

Die Entstehung von Totraum steigert das lokale Immundefizit, <strong>die</strong> Anwesenheit von Fremdkörpern<br />

reduziert <strong>die</strong> <strong>in</strong>fektauslösende M<strong>in</strong>dest-Keimmenge um den Faktor 10 hoch fünf.<br />

Bakterien wechseln von der planktonischen <strong>in</strong> <strong>die</strong> sessile Phase und werden durch stark<br />

verlangs<strong>am</strong>te Stoffwechselvorgänge und Reproduktionszyklen sowie <strong>die</strong> Bildung<br />

e<strong>in</strong>er schützenden Schleimschicht gegen<strong>über</strong> gängigen Antibiotika unempf<strong>in</strong>dlich. Nach<br />

heutigen Vorstellungen ist <strong>die</strong> Biofilmbildung spätestens nach vier Wochen abgeschlossen,<br />

e<strong>in</strong>e Infektberuhigung ist dann nur noch durch e<strong>in</strong>e vollständige Metallentfernung zu erreichen.<br />

Das Schadensereignis und <strong>die</strong> Keim-Inokulation können wir nicht bee<strong>in</strong>flussen. Auch <strong>die</strong><br />

lokalen und systemischen Risikofaktoren s<strong>in</strong>d vorgegeben und können allenfalls postoperativ<br />

gebessert werden. Das Operationstrauma kann jedoch durch <strong>die</strong> Wahl des geeigneten<br />

Zeitpunktes und Implantates sowie durch e<strong>in</strong> gewebeschonendes, atraumatisches und<br />

dennoch zügiges Vorgehen von uns bestimmt werden. Nicht zuletzt deshalb hat sich e<strong>in</strong>e<br />

mehrzeitige Versorgung von offenen Frakturen bewährt.<br />

Viele Risikofaktoren, welche <strong>die</strong> Entstehung e<strong>in</strong>er posttraumatischen Infektion begünstigen,<br />

s<strong>in</strong>d bekannt, sie werden von verschiedenen Autoren jedoch unterschiedlich gewichtet.<br />

Diabetiker erweisen sich nicht <strong>in</strong> allen Stu<strong>die</strong>n als vermehrt gefährdet. Offensichtlich ist das<br />

Ausmaß der bereits zum Schadense<strong>in</strong>tritt manifesten, sekundären Organkomplikationen<br />

wesentlich. Nicht beziffert s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Risiken <strong>in</strong>folge e<strong>in</strong>er aggressiven Antikoagulationstherapie<br />

bei Rhythmusstörungen oder alten, tiefen Be<strong>in</strong>venenthrombosen. Diese Patienten<br />

neigen zu postoperativen Hämatomen, <strong>die</strong> sich oft im weiteren Verlauf <strong>in</strong>fizieren. Dass der<br />

E<strong>in</strong>fluss von <strong>über</strong>mäßigem Nikot<strong>in</strong>- und Alkoholkonsum der Wundheilung abträglich ist,<br />

kann nicht als allgeme<strong>in</strong> bekannt vorausgesetzt werden.<br />

Diagnose<br />

Abb. 1:<br />

Die Diagnose der akuten posttraumati-<br />

Akute posttraumatische<br />

schen osteitis wird <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie kl<strong>in</strong>isch<br />

Osteitis nach Platten-<br />

gestellt. Beim Vorliegen der klassischen<br />

osteosynthese e<strong>in</strong>er<br />

Entzündungszeichen gel<strong>in</strong>gt <strong>die</strong>s prob-<br />

proximalen Humeruslemlos,<br />

führend s<strong>in</strong>d meistens der wieder<br />

fraktur l<strong>in</strong>ks. Achter<br />

auftretende Schmerz und e<strong>in</strong>e Verschlech-<br />

postoperativer Tag.<br />

terung der Funktion. Diese beiden Symptome<br />

s<strong>in</strong>d so lange suspekt, bis e<strong>in</strong>e Früh<strong>in</strong>fektion<br />

ausgeschlossen ist. Treten e<strong>in</strong>e<br />

Schwellung, Rötung, Überwärmung oder<br />

trübe Sezernation h<strong>in</strong>zu, so gibt es an der<br />

Diagnose e<strong>in</strong>er Früh<strong>in</strong>fektion ke<strong>in</strong>e Zweifel<br />

mehr (Abbildung 1).<br />

Die wichtigsten Laborpar<strong>am</strong>eter s<strong>in</strong>d das CRP und <strong>die</strong> BSG. Zu beachten ist e<strong>in</strong> Wiedere<strong>in</strong>stieg<br />

nach dem dritten postoperativen Tag, wichtig ist also <strong>die</strong> Verlaufsbeurteilung. Neuere<br />

117


Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />

Laborpar<strong>am</strong>eter wie Interleuk<strong>in</strong>-6 oder Tumornekrosefaktor-α bieten aufgrund ihrer kurzen<br />

Halbwertszeit Vorteile, haben sich aber <strong>in</strong> der Praxis bisher noch nicht durchgesetzt. Röntgenaufnahmen<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Regel wenig ergiebig, aber unverzichtbar um e<strong>in</strong>e Implantatdislokation<br />

auszuschließen.<br />

Vor allem im Frühstadium oder bei volum<strong>in</strong>ösen Weichteilen kann <strong>die</strong> Sonographie zum<br />

Nachweis von pathologischen Flüssigkeitsans<strong>am</strong>mlungen hilfreich se<strong>in</strong>. Suspekte Formationen<br />

werden punktiert und auf Keime und Granulozyten untersucht. Leukozytenzahlen<br />

größer 1700/ml und mehr als 65% Granulozyten s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>fektverdächtig.<br />

Therapie<br />

Ziel unserer Maßnahmen muss es se<strong>in</strong>, Infekte anhaltend zu beruhigen und e<strong>in</strong>e knöcherne<br />

Konsoli<strong>die</strong>rung zu erreichen. Die Funktion der Gliedmaße muss wiederhergestellt werden,<br />

doch gilt <strong>in</strong> der septischen Chirurgie unverändert der therapeutische Grundsatz „Infektion<br />

vor Funktion“. Also muss mit höchster Priorität zunächst der Infekt saniert werden. Falls<br />

erforderlich ist dazu e<strong>in</strong>e temporäre Immobilisation der anteiligen Gelenke <strong>in</strong> Kauf zu<br />

nehmen, denn bei ausbleibender Infektberuhigung ist e<strong>in</strong> massiver Funktions- oder sogar<br />

Gliedmaßenverlust zu befürchten. Deshalb ist <strong>die</strong> vor<strong>über</strong>gehende Ruhigstellung der angrenzenden<br />

Gelenke e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>fizierten Gliedmaße auch heute noch e<strong>in</strong>e therapeutische<br />

Option. In jedem Falle muss der Übergang von der akuten <strong>in</strong> <strong>die</strong> chronische Verlaufsform<br />

verh<strong>in</strong>dert werden.<br />

Bei e<strong>in</strong>er stabilen Osteosynthese wird zunächst e<strong>in</strong> Erhaltungsversuch unternommen. Sensible<br />

Erreger vorausgesetzt, ist auch bei strenger Indikation <strong>die</strong> Implantation von PMMA<br />

Ketten <strong>in</strong>diziert. Etappenrevisionen werden fakultativ durchgeführt, nach knöcherner Konsoli<strong>die</strong>rung<br />

erfolgt <strong>die</strong> vorzeitige Metallentfernung.<br />

Scheitert der Erhaltungsversuch s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Regel e<strong>in</strong>e Implantatentfernung und Sequestrektomie<br />

oder sogar e<strong>in</strong>e Segmentresektion erforderlich. Die dabei notwendigerweise entstehenden<br />

Knochendefekte werden nach Infektberuhigung mittels Segmenttransport oder<br />

autologer Spongiosaplastik aufgefüllt.<br />

Ist <strong>die</strong> Osteosynthese <strong>in</strong>stabil, so wird das Implantat entfernt und e<strong>in</strong> Fixateur extern angelegt.<br />

Die Verletzung kann d<strong>am</strong>it ausbehandelt werden, bei erhaltener Immun Kompetenz<br />

und guten Weichteilverhältnissen ist auch e<strong>in</strong> Verfahrenswechsel möglich.<br />

Für ausgedehnte ossäre Defekte stehen der Segmenttransport metaphysär, Endoprothesen<br />

oder Arthrodesen bei gelenknahen Verletzungen zur Verfügung.<br />

Zum Wechsel und zur Reosteosynthese kann nahezu <strong>die</strong> ges<strong>am</strong>te Palette der unfallchirurgischen<br />

Verfahren <strong>in</strong> Betracht gezogen werden. Das Arbeitspferd der septischen Chirurgie<br />

ist nach wie vor der Fixateur externe, der auch heute noch den Großteil der Implantate<br />

ausmacht. Bei gegebener Indikation s<strong>in</strong>d aber w<strong>in</strong>kelstabile Platten und Kompressionsmarknägel<br />

bedenkenswerte Alternativen, <strong>die</strong> erhebliche Vorteile bieten. Auch Endoprothesen<br />

können bei der post<strong>in</strong>fektiösen Gelenkdestruktion erfolgreich e<strong>in</strong>gesetzt werden<br />

(Abbildung 2).<br />

Nachbehandlung<br />

Postoperativ erfolgt <strong>in</strong> enger Zus<strong>am</strong>menarbeit mit der Rehabilitationsabteilung e<strong>in</strong>e<br />

Frühmobilisation mit Teil- oder Vollbelastung der verletzten Extremität nach Maßgabe<br />

118


Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />

Abb. 2:<br />

Algorithmus zur Therapie der akuten posttraumatischen Osteitis. Behandlungskonzept der Abteilung für septische<br />

Chirurgie der BG Unfallkl<strong>in</strong>ik Frankfurt <strong>am</strong> Ma<strong>in</strong>.<br />

des Operateurs. Aktive Bewegungsübungen und Lymphdra<strong>in</strong>agen werden mit dem Ziel e<strong>in</strong>er<br />

raschen Abschwellung so früh wie möglich verordnet.<br />

Die antibiotische Behandlung erfolgt gemäß Austestung der zuletzt gewonnen Gewebeproben<br />

<strong>über</strong> fünf bis zehn Tage. Nach <strong>die</strong>ser Zeit sollte kl<strong>in</strong>isch und laborchemisch e<strong>in</strong>e Infektberuhigung<br />

e<strong>in</strong>getreten se<strong>in</strong>, andernfalls ist e<strong>in</strong>e operative Re<strong>in</strong>tervention erforderlich,<br />

wenn nicht ohneh<strong>in</strong> planmäßige Etappenrevisionen, beispielsweise bei e<strong>in</strong>em Gelenk<strong>in</strong>fekt,<br />

vorgesehen waren.<br />

Im weiteren Verlauf streben wir e<strong>in</strong>e vollständige Metallentfernung an, sobald e<strong>in</strong>e knöcherne<br />

Konsoli<strong>die</strong>rung e<strong>in</strong>getreten ist.<br />

Kontakt<br />

Walter, Gerhard, Dr. med.<br />

Arzt für Chirurgie/Unfallchirurgie<br />

– Chefarzt der Abteilung Septische Chirurgie –<br />

Friedberger Landstr. 430<br />

D-60389 Frankfurt <strong>am</strong> Ma<strong>in</strong><br />

119


U.-J. Gerlach, C. Grimme, R. Schoop<br />

Infekt – (Defekt) – Pseudarthrose<br />

Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />

Zus<strong>am</strong>menfassung:<br />

Die Infekt-Defekt-Pseudarthrose ist e<strong>in</strong>e schwerwiegende Komplikation der Unfallchirurgie<br />

und Orthopä<strong>die</strong>. Es handelt sich um e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation von chronischer Knochen<strong>in</strong>fektion,<br />

Instabilität und knöchernen Defekt. Die Diagnose ist zu stellen durch An<strong>am</strong>nese, kl<strong>in</strong>ischen<br />

Befund, bildgebende Verfahren und <strong>die</strong> Bakteriologie, d.h. der Nachweis der Erreger mit<br />

Bestimmung derer Resistenz.<br />

Die Therapie hat <strong>in</strong> mehreren Schritten zu erfolgen. Entscheidend ist der erste Schritt. Um<br />

e<strong>in</strong>e dauerhafte Infektberuhigung zu erreichen ist e<strong>in</strong> radikales Enffernen aller avitalen<br />

und entzündeten Knochen- und Weichteilgewebes notwendig. E<strong>in</strong>liegendes Osteosynthesematerial<br />

ist zu entfernen, <strong>die</strong> Restabilisierung erfolgt <strong>über</strong> e<strong>in</strong>en Fixateur externe. Es werden<br />

lokale AntIbiotikumträger e<strong>in</strong>gelegt. Bei Infektberuhigung hat im nächsten Schritt<br />

der Verschluss möglicherweise bestehender Hautweichteil-Defekte zu erfolgen. Im dritten<br />

Schritt ist der Knochendefektaufbau durchzuführen, bei zirkulären knöchernen Defekten<br />

bis 3,0 cm <strong>über</strong> Spongiosaplastik, bei zirkulären defekten <strong>über</strong> 3,0 cm durch Segmenttransport.<br />

Schlüsselwörter:<br />

Infekt-Defekt-Pseudarthrose – Instabilität – chronische Knochen<strong>in</strong>fektion – Knochen-<br />

defekt – lokale Antibiotikumträger – Sequestrektomie<br />

Abstract:<br />

The non-unlon due to <strong>in</strong>fection (osteomyelitis) and <strong>in</strong>stability, often comb<strong>in</strong>ed with a bone<br />

defect, is a severe complication <strong>in</strong> traumatic and orthopaedic surgery. The diagnosis is based<br />

on the medical history, the ex<strong>am</strong><strong>in</strong>ation and radiology (X-ray, CT-scan, MRI). Is is necessary<br />

to know preoperatively the k<strong>in</strong>d of bacteria and the resistance versus antibiotics. The therapy<br />

has to be performed <strong>in</strong> several steps. The first step is the decisive step. A radical removal of<br />

all <strong>in</strong>fected and dead bone and soft tissues is important. Foreign material has to be removed,<br />

a new stabilization is done with an external fixator. Local antibiotic therapy happens by<br />

implantation of antibiotic beads. The next step is the ciosure of soft tissue defects, the third<br />

step the reconstruction of the bone defects. Circular bone defects smaller than 3,0 cm are<br />

reconstructed with cancelous bone graft, bone defects larger than 3,0 cm with segmental<br />

transport with the 11izarov fixator.<br />

Key words:<br />

<strong>in</strong>fect non-union – <strong>in</strong>stability – chronic osteomyelitis – bone defectlocal antibiotic carrier –<br />

sequestrectomy<br />

121


Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />

Bei e<strong>in</strong>er erworbenen Pseudarthrose ist es 6 oder mehr Monate nach e<strong>in</strong>er Fraktur zu<br />

ke<strong>in</strong>er ausreichenden knöchernen Durchbauung gekommen. Pseudarthrosen s<strong>in</strong>d bed<strong>in</strong>gt<br />

durch unzureichende Ruhigstellung der Fraktur, durch Defekte, durch Infekte, durch<br />

schlechte lokale Vaskularisation oder durch Medik<strong>am</strong>ente (Cortison, Zytostatika).<br />

Die Pseudarthrosen müssen unterschieden werden <strong>in</strong> aseptische und septische Pseudarthrosen,<br />

da e<strong>in</strong> deutlicher Unterschied <strong>in</strong> der Therapie und Prognose vorliegt.<br />

Die <strong>in</strong>fizierte Pseudarthrose ist <strong>die</strong> Komb<strong>in</strong>ation von zwei schwerwiegenden lokalen Komplikationen<br />

– Instabilität und Infektion. Es handelt sich um e<strong>in</strong>e komplizierte Sonderform<br />

der chronischen Osteitis. Bei der Infekt-Defekt-Pseudarthrose liegt neben Instabilität und<br />

Infektion noch e<strong>in</strong> Knochenfekt größer als 1,0 cm vor. Häufig vergesellschaftet mit der Infekt-<br />

Defekt-Pseudarthrose s<strong>in</strong>d Haut- Weichteildefekte, Durchblutungs- und oder Nervenschäden<br />

sowie Inaktivitäts-und Bewegungsmangelschäden wie Gelenkkontrakturen und Muskelm<strong>in</strong>derung.<br />

Knochen<strong>in</strong>fektionen werden durch Bakterien, Pilze, eventuell auch durch spezielle weitere<br />

Mikroorganismen ausgelöst. Der häufigste Erreger von Knochen<strong>in</strong>fektionen ist Staphyiococcus<br />

aureus, bei E<strong>in</strong>liegen von Fremdmaterial – <strong>in</strong>terne Osteosynthesen oder Endoprothesen<br />

– gew<strong>in</strong>nt zunehmend Staphylococcus epidermidis (Hautkeim) Bedeutung, weil speziell<br />

<strong>die</strong>ser Keim <strong>in</strong> der Lage ist, sich auf Fremdmaterial zu vermehren und durch e<strong>in</strong>e Schleimkapsel<br />

vor der körpereigenen Infektabwehr zu schützen. Aus therapeutischer Sicht gew<strong>in</strong>nen<br />

zunehmend resistente und multiresistente Bakterien an Bedeutung, wie z.B. MRSA,<br />

ORSA oder ESBL.<br />

Das Ersche<strong>in</strong>ungsbild der Knochen<strong>in</strong>fektion ist außerordentlich „bunt“, weil <strong>die</strong> Infektionsentwicklung<br />

e<strong>in</strong>erseits von der speziellen <strong>in</strong>dividuellen Situation und von der Potenz der<br />

körpereigenen Abwehr, anderseits von den Fähigkeiten der auslösenden Infektionserreger<br />

abhängig ist. Daneben spielen für das kl<strong>in</strong>ische Ersche<strong>in</strong>ungsbild das Alter und eventuell<br />

bestehende Zweiterkrankungen des Patienten e<strong>in</strong>e erhebliche Rolle.<br />

Die Infektionen werden durch viele Faktoren gebahnt, <strong>in</strong>sbesondere s<strong>in</strong>d Diabetes mellitus,<br />

arterielle Durchblutungsstörungen, venöse Stasen, spezielle Hauterkrankungen, Medik<strong>am</strong>entene<strong>in</strong>nahmen,<br />

Alkohol- und Nikot<strong>in</strong>abusus, Erkrankungen aus dem rheumatoiden<br />

Formenkreis und viele weitere Faktoren zu nennen, so dass Kl<strong>in</strong>ik und <strong>in</strong>dividueller Verlauf<br />

der Knochen<strong>in</strong>fektion außerordentlich unterschiedlich se<strong>in</strong> können.<br />

Für das Auftreten e<strong>in</strong>er Knochen<strong>in</strong>fektion ist neben der Art und Virulenz der auslösenden<br />

Erreger und der lokalen Situation <strong>in</strong>sbesondere <strong>die</strong> Qualität der <strong>in</strong>dividuellen Infektionsabwehr<br />

von entscheidender Bedeutung.<br />

Die Behandlung der Infekt-Defekt-Pseudarthrose ist grundsätzlich aufwändig, teuer und<br />

erfordert neben spezieller chirurgischer Therapie stets parallel das ges<strong>am</strong>te Spektrum<br />

der Frührehabilitation, denn das Ziel der Infektionsbehandlung ist <strong>die</strong> Wiederherstellung<br />

e<strong>in</strong>er belastungsfähigen und funktionsfähigen Extremität oder des betreffenden Körperabschnittes.<br />

122


Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />

Aufgrund vieler unterschiedlicher Probleme ist <strong>die</strong> Rezidivquote bei Knochen<strong>in</strong>fektionen<br />

relativ hoch. Die Problematik der Knochen<strong>in</strong>fektionsbehandlung wird häufig und vielerorts<br />

erheblich unterschätzt. Die Knochen<strong>in</strong>fektionsbehandlung gehört <strong>in</strong> Spezialabteilungen,<br />

speziell dann, wenn erste Behandlungsversuche erfolglos gewesen waren.<br />

Bei der Diagnostik der Infektpseudarthrose steht <strong>die</strong> An<strong>am</strong>neseerhebung und der kl<strong>in</strong>i-<br />

sche Befund im Vordergrund. Kl<strong>in</strong>ische für e<strong>in</strong>e Infektion typische Leitsymptome wie <strong>die</strong><br />

klassischen Infektzeichen (Rubor, Dolor, Functio laesa) können vorliegen, s<strong>in</strong>d häufig aber<br />

nicht sehr ausgeprägt. Bei lange bestehenden Infektionen, speziell mit e<strong>in</strong>liegendem Fremdmaterial,<br />

s<strong>in</strong>d Fistelungen durch <strong>die</strong> Haut nicht selten. Diese alle<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d allerd<strong>in</strong>gs ke<strong>in</strong><br />

Beweis für das Vorliegen e<strong>in</strong>er Knochen<strong>in</strong>fektion, denn Fistelungen gibt es ebenso bei<br />

<strong>in</strong>fiziertem Hämatom, e<strong>in</strong>liegendem <strong>in</strong>fiziertem Fremdkörper oder Sehnen- und Weichteil<strong>in</strong>fektionen.<br />

Zur Sicherung der Diagnose e<strong>in</strong>er Infekt-Pseudarthrose können Laboruntersuchungen<br />

hilfreich se<strong>in</strong> (Leukozyten, BSG, C-reaktives Prote<strong>in</strong>). Zur Diagnostik der Infekt-Pseudarthrosen<br />

gehört <strong>in</strong>sbesondere <strong>die</strong> Bakteriologie, d.h. der Nachweis der Erreger mit Bestimmung<br />

derer Resistenz. Zum Nachweis der bakteriellen Erreger hat <strong>die</strong> Entnahme von Material<br />

zur bakteriologischen Untersuchung korrekt zu erfolgen, Abwisch- oder Abtupfpräparate<br />

erbr<strong>in</strong>gen seltener e<strong>in</strong>e Keimnachweis als Gewebsproben. Es ist e<strong>in</strong>e Gewebsprobe oder<br />

e<strong>in</strong> Abradat e<strong>in</strong>zusenden. Es sollten ke<strong>in</strong>e bakteriologischen Abstriche aus Eiter genommen<br />

werden, da Eiter häufig steril ist. E<strong>in</strong> fehlender Keimnachweis bei möglicherweise vorliegendem<br />

Defekt oder Sekretion aus e<strong>in</strong>er Wunde schließt e<strong>in</strong>e Infektion nicht aus. Aufgrund<br />

von vorausgehender Antibiotikatherapie kann trotz fehlenden Keimnachweises e<strong>in</strong>e Infektion<br />

vorliegen.<br />

Bildgebende Verfahren wie Röntgen, MRT, <strong>die</strong> 3-Phasen- Skelettsz<strong>in</strong>tigraphie br<strong>in</strong>gen<br />

weitere Information und s<strong>in</strong>d bei der Diagnosestellung der InfektPseudarthrose <strong>in</strong>diziert.<br />

An erster Stelle steht <strong>die</strong> konventionelle Rö-Aufnahme, man erkennt im Falle e<strong>in</strong>er Infektion<br />

periostale Reaktionen, Osteolysen, Resorptionszonen oder Sequester.<br />

Dar<strong>über</strong> h<strong>in</strong>aus muss <strong>die</strong> präoperative Diagnostik folgende Punkte klären: Keimart und<br />

Resistenz, Infektausdehnung, speziell Gelenkbeteiligung, Ausdehnung der Sequestrierung,<br />

Begleiterkrankungen.<br />

Die Therapie der Infektpseudarthrose gliedert sich grundsätzlich <strong>in</strong> mehrere Schritte.<br />

Dabei kommt dem ersten Schritt, der Infektionsberuhigung, <strong>die</strong> entscheidende Bedeutung<br />

zu. Die Therapie gliedert sich <strong>in</strong> aller Regel <strong>in</strong> m<strong>in</strong>destens drei operative Schritte, wobei<br />

der erste Schritt <strong>die</strong> Infektionsberuhigung, der zweite Schritt den Weichteildefektverschluss,<br />

der dritte Schritt schließlich den Knochendefektaufbau darstellt. Parallel zu <strong>die</strong>sen operativen<br />

Schritten muss während der ges<strong>am</strong>ten Behandlung das umfassende Rehabilitationsprogr<strong>am</strong>m<br />

mit Physiotherapie, Hydro-, Ergo- und Sporttherapie sowie Gehschultherapie<br />

stattf<strong>in</strong>den, weil <strong>in</strong> aller Regel zum<strong>in</strong>dest bei den chronischen Knochen<strong>in</strong>fektionen weitreichende<br />

Funktionsm<strong>in</strong>derungen der <strong>in</strong>fizierten Extremität oder des Körperabschnittes<br />

bestehen.<br />

123


Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />

Entscheidend für den ersten Schritt ist das radikale chirurgische Vorgehen. Das e<strong>in</strong>liegende<br />

Osteosynthesematerial muss entfernt werden, <strong>die</strong> Stabilisierung hat dann durch e<strong>in</strong>en<br />

Fixateur externe zu erfolgen. Lokal ist e<strong>in</strong>e radikale Sequestrektomie notwendig, wobei<br />

alle avitalen bzw. entzündlich veränderten Knochen- und Weichteilanteile radikal ent-<br />

fernt werden müssen. Anschließend erfolgt <strong>die</strong> E<strong>in</strong>lage e<strong>in</strong>es lokalen Antibiotikumträgers<br />

(Septopal ® , Gentacoll ® , Septocoll ® ). Besteht neben der Knochen<strong>in</strong>fektion gleichzeitig e<strong>in</strong>e<br />

Geienk<strong>in</strong>fektion, ist unbed<strong>in</strong>gt<br />

<strong>in</strong> dem E<strong>in</strong>griff der Knochen<strong>in</strong>fektberuhigung gleichzeitig <strong>die</strong> Gelenk<strong>in</strong>fektionsbehandlung<br />

vorzunehmen. Postoperativ sollte e<strong>in</strong>e kurzzeitige systemische Antibiose (7–10 Tage) durchgeführt<br />

werden.<br />

Bestehen bei Infekt-Defekt-Pseudarthrosen größere Hautweichteildefekte, s<strong>in</strong>d <strong>die</strong>se <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em zweiten operativen Schritt zu decken, entweder durch lokale plastische MaBnahmen<br />

oder durch freie Lappenplastiken. Die endgültige Weichteildeckung hat frühzeitig und stabil<br />

zu erfolgen. Bei größeren Defekten ist <strong>die</strong> Zus<strong>am</strong>menarbeit mit den plastischen Chirurgen<br />

sehr hilfreich.<br />

E<strong>in</strong> resultierender Knochendefekt nach radikaler Sequestrektomie wird nach Infektberuhigung<br />

und nach Deckung e<strong>in</strong>es möglicherweise bestehenden Hautweichteildefektes wieder<br />

aufgebaut. Zirkuläre Knochendefekte bis zu 3,0 cm werden durch Sponglosaplastik wieder<br />

aufgefüllt. Die Sponglosa wird <strong>in</strong> aller Regel aus dem h<strong>in</strong>teren beckenk<strong>am</strong>m entnommen.<br />

Bei zirkulären knöchernen Defekten <strong>über</strong> 3,0 cm cm erfolgt der Defektaufbau durch Segmenttransport<br />

<strong>über</strong> den R<strong>in</strong>gfixateur externe nach llizarov.<br />

Parallel zu den oben genannten Maßnahmen ist das umfassende Rehabilitationsprogr<strong>am</strong>m<br />

mit Physiotherapie, Ergo- und Sporttherapie sowie Gehschultherapie durchzuführen.<br />

Nach Aufbau des Knochendefektes, der nach Spongiosaplastik frühestens <strong>in</strong> drei oder vier<br />

Monaten durch E<strong>in</strong>bau der transplantierten Sponglosa gegeben ist, nach Segmenttransport<br />

nach der entsprechenden Transport- und Konsoli<strong>die</strong>rungszeit, erfolgt der Abbau der Fixateure,<br />

wobei radiologisch e<strong>in</strong> Knochendurchbau vorliegen sollte. Die Knochenstabilität ist<br />

zum Zeitpunkt der Enffernung der Fixateure bei uns häufig nur mäßig hoch, deshalb verwenden<br />

wir nach Enffernen der Fixateure sogenannte teilentiastende Gehapparate, <strong>die</strong><br />

<strong>am</strong> Unterschenkel sich an den Kondylen und <strong>am</strong> Tiblakopf abstützen, <strong>am</strong> Oberschenkel <strong>am</strong><br />

Tuber ischiadicum, und <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e Teilbelastung des Be<strong>in</strong>es gestatten. Nach Enffernen des<br />

Fixateurs und Anfertigen des Gehapparates wird anfangs immer mit 10 kg teilbelastet. Entsprechend<br />

der weiteren knöchernen Konsoli<strong>die</strong>rung, <strong>die</strong> durch im Verlauf angefertigte<br />

Rö-Aufnahmen kontrolliert wird, kann <strong>die</strong> Tellbelastung sukzessive zur Vollbelastung gesteigert<br />

werden. Nach erreichen der Vollbelastung kann der Gehapparat dann abtra<strong>in</strong>iert<br />

werden, ggf. ist <strong>die</strong> Versorgung mit orthopädischen Schuhwerk erforderlich.<br />

124


Kontakt:<br />

Dr. Ulf-Joachim Gerlach<br />

Septische Knochen- und Gelenkchirurgie<br />

Berufsgenossenschaftliches Unfallkrankenhaus H<strong>am</strong>burg,<br />

Bergedorfer Str. 10,<br />

D-21033 H<strong>am</strong>burg<br />

1a: AP-Ansicht 1b: Seitansicht<br />

Abb. 1: Röntgenbild e<strong>in</strong>er Infekt-Pseudarthrose nach<br />

Osteosynthese e<strong>in</strong>er distalen Tibiafraktur<br />

3a: AP-Ansicht 3b: Seitansicht<br />

Abb. 1: Rö-Befund nach Spongiosaplastik<br />

Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />

2a: Ansicht ap 2b: Seitansicht<br />

Abb. 2: Rö-Aufnahme nach Sequestrektomie,<br />

E<strong>in</strong>lage lokaler Antibiotikumträger und Stabilisierung<br />

im Ilizarov-R<strong>in</strong>gfixateur<br />

4a: Ansicht ap 4b: Seitansicht<br />

Abb. 1: Röntgenbefund nach E<strong>in</strong>bau der Spongiosa<br />

und Abnahme des R<strong>in</strong>gfixateures<br />

125


V. Sitzung<br />

Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />

Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />

Vorsitz: A. Wentzensen, Ludwigshafen/R. Hoffmann, Frankfurt<br />

K. J. Burkhart, P. M. Rommens, L. P. Müller<br />

Lig<strong>am</strong>entäre Verletzungen und Luxationen des Ellenbogens<br />

Zus<strong>am</strong>menfassung:<br />

Die Ellenbogenluxation ist <strong>die</strong> zweithäufigste Luxation des menschlichen Körpers. Die<br />

Luxationsrichtung ist <strong>in</strong> 80–90% dorsoradial. Lig<strong>am</strong>entäre Begleitverletzungen s<strong>in</strong>d obligat.<br />

Aufgrund des Luxationsmechanismus von lateral nach medial, ist das LCL <strong>in</strong> 100% der Fälle<br />

rupturiert, gefolgt von der ventralen und dorsalen Kapsel. Das MCL rupturiert zuletzt und<br />

kann auch bei der vollständigen Luxation durchaus <strong>in</strong>takt bleiben. E<strong>in</strong>fache Luxationen<br />

werden nach e<strong>in</strong>er Ruhigstellung von wenigen Tagen <strong>in</strong> der Schl<strong>in</strong>ge oder im Oberarmgips<br />

<strong>in</strong> 90°-Beugung frühfunktionell therapiert. Die Prognose ist gut, <strong>die</strong> Reluxationsrate mit<br />

ca. 2% niedrig. Luxationsfrakturen dagegen müssen meist operativ versorgt werden. Die<br />

Prognose ist deutlich schlechter und abhängig von den knöchernen Begleitverletzungen,<br />

wobei Radiuskopf und Processus coronoideus von besonderer Bedeutung s<strong>in</strong>d.<br />

Schlüsselwörter:<br />

Ellenbogenluxation, Luxationsfraktur, Instabilität, Radiuskopf und Processus coronoideus<br />

Summary:<br />

The elbow dislocation is the second most dislocation of the human body. In 80–90% the<br />

elbow dislocates posteroradial. Injuries of the lig<strong>am</strong>ents are obligatory. Due to the dislocation<br />

mechanism from lateral to medial, the LCL is ruptured <strong>in</strong> 100% of the cases, followed by<br />

the dorsal and ventral capsule. The MCL tears at last and may stay <strong>in</strong>tact even <strong>in</strong> cases of<br />

complete dislocations. Simple dislocations are treated conservatively with immobilisation<br />

<strong>in</strong> a cast or sl<strong>in</strong>g for few days and adjacent physiotherapy. The prognosis is good and redislocation<br />

rate is low with approximately 2%. Dislocation fractures on the other hand have<br />

to be treated operatively <strong>in</strong> most of the cases. The prognosis is clearly worse and depends<br />

on the concomitant <strong>in</strong>juries, whereas the radial head and coronoid process are of particular<br />

importance.<br />

Keywords:<br />

elbow dislocation, fracture dislocation, <strong>in</strong>stability, radial head, coronoid process<br />

127


Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />

Anatomie und Biomechanik<br />

Die Stabilität des Ellenbogengelenkes wird durch dyn<strong>am</strong>ische und statische Faktoren gewährleistet.<br />

Zu den statischen zählen <strong>die</strong> Gelenkführung und der Kapselbandapparat, wobei<br />

dem medialen Kollateralband (MCL) <strong>die</strong> wohl bedeutendste Rolle anzurechnen ist. Die<br />

dyn<strong>am</strong>ischen Faktoren werden durch <strong>die</strong> Muskulatur repräsentiert. Tabelle 1 gibt e<strong>in</strong>e Übersicht<br />

<strong>über</strong> den Anteil der e<strong>in</strong>zelnen Faktoren an der Ges<strong>am</strong>tstabilität unter verschiedenen<br />

Belastungsmodalitäten.<br />

Unter Valgusstress ist der Kapselbandapparat von entscheidender Bedeutung für <strong>die</strong> Stabilität.<br />

Das MCL wirkt hier als primärer Stabilisator, während <strong>die</strong> Gelenkführung – also der<br />

Radiuskopf, der bei Valgusstress als knöchernes Widerlager <strong>die</strong>nt – nur e<strong>in</strong>e sekundäre<br />

Rolle spielt. Unter Varusstress h<strong>in</strong>gegen kommt der knöchernen Gelenkführung <strong>die</strong> Funktion<br />

des primären Stabilisators zu. Das laterale Kollateralband (LCL) ist von untergeordneter<br />

Rolle. Stabilisator gegen Distraktion ist der Kapselbandapparat, während Radiuskopf und<br />

Processus coronoideus Kompressionskräften entgegenwirken.<br />

Epidemiologie, Unfallmechanismus und Begleitverletzungen<br />

Die Luxation des Ellenbogens ist nach der Schulterluxation <strong>die</strong> zweithäufigste und macht<br />

etwa 20% aller Luxationen aus. Während isolierte Luxationen eher beim jüngeren Patienten<br />

im Rahmen von sportlichen Aktivitäten auftreten, f<strong>in</strong>det man Luxationsfrakturen eher<br />

bei Patienten zwischen 50 und 60 Jahren. Der Unfallmechanismus ist meist e<strong>in</strong> Sturz auf<br />

den ausgestreckten Arm komb<strong>in</strong>iert mit Valgusstress und e<strong>in</strong>er Sup<strong>in</strong>ationskomponente.<br />

Folgende Luxationsrichtungen werden unterschieden:<br />

1. dorsal<br />

2. ventral<br />

3. dorsomedial<br />

4. dorsoradial<br />

5. divergierend<br />

Wie von O‘Driscoll beschrieben kommt es aufgrund des ger<strong>in</strong>geren Widerstandes des lateralen<br />

Kompartimentes zunächst zu e<strong>in</strong>er Zerreissung des Lateralen Kollateralbandes, <strong>die</strong><br />

sich <strong>über</strong> <strong>die</strong> dorsale und ventrale Kapsel nach medial fortsetzt. Hierdurch lässt sich erklä-<br />

128<br />

Valgusstress Varusstress<br />

Extension 90° Flexion Extension 90° Flexion<br />

MCL 31% 54% - -<br />

LCL - - 14% 9%<br />

Kapsel 38% 10% 32% 13%<br />

Gelenkführung 31% 33% 55% 75%<br />

Tabelle 1:<br />

Anteile der Lig<strong>am</strong>ente, Weichteile und knöchernen Strukturen an der Ges<strong>am</strong>tstabilität unter verschiedenen<br />

Gelenkstellung und Belastungen.


Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />

ren, dass 80–90% aller Luxation nach dorsoradial erfolgen. Unterschieden wird <strong>die</strong> e<strong>in</strong>fache<br />

Luxation, bei der „nur“ lig<strong>am</strong>entäre Verletzungen vorliegen, von der Luxationsfraktur.<br />

In ca. 20–50% aller Fälle kommt es zu knöchernen Begleitverletzungen. Betroffen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />

absteigender Reihenfolge der Radiuskopf, gefolgt von Processus coronoideus und distalem<br />

Humerus. Von e<strong>in</strong>er „terrible triad of the elbow“ spricht man, wenn neben der MCL-Ruptur<br />

Frakturen des Radiuskopf und Processus coronoideus vorliegen.<br />

E<strong>in</strong>teilung und kl<strong>in</strong>ische Untersuchung<br />

Von essentieller Bedeutung ist <strong>die</strong> Stabilitätsprüfung nach Reposition, um e<strong>in</strong>e verbliebene<br />

Instabilität auszuschließen, <strong>die</strong> folgendermaßen e<strong>in</strong>geteilt werden kann:<br />

I°: objektiv (Untersucher) <strong>in</strong>stabil, subjektiv (Patient) stabil<br />

II°: objektiv und subjektiv <strong>in</strong>stabil<br />

Das Gelenk wird von der Extension <strong>in</strong> <strong>die</strong> (volle) Flexion durchbewegt. Varus- und Valgusstress<br />

müssen jeweils <strong>in</strong> Streck- und 30°-Beugestellung ausgeübt werden. Hierbei muss<br />

besonders auf Schmerzen und e<strong>in</strong>e vermehrte Aufklappbarkeit geachtet werden. Weitere<br />

Tests zur Detektion von Instabilitäten s<strong>in</strong>d der Chair-Rise-Test, Liegestütze sowie der Pivot-<br />

Shift-Test. Mit dem Pivot-Shift-Test kann <strong>die</strong> sogenannte posterolaterale Rotations<strong>in</strong>stabilität<br />

diagnostiziert werden. Der Patient liegt mit im Schultergelenk exten<strong>die</strong>rtem und adduziertem<br />

Arm auf dem Rücken, während der Ellenbogen 20–30° flektiert ist. Unter Ausübung<br />

von Sup<strong>in</strong>ation und Valgusstress mit zunehmender axialer Kompression kann e<strong>in</strong>e Subluxation<br />

des Radiuskopfes provoziert werden. Durch Flexion und Pronation wird wieder<br />

reponiert.<br />

Therapie<br />

Bei E<strong>in</strong>treffen des Patienten muss zunächst der neurovaskuläre Status erhoben verhoben<br />

werden. Röntgenbilder <strong>in</strong> 2 Ebenen sollten vor der Reposition erhoben werden, um Stellungsverhältnisse<br />

und knöcherne Begleitverletzungen beurteilen zu können. Unter Analgose<strong>die</strong>rung<br />

kann dann versucht werden, den Ellenbogen geschlossen zu reponieren. Dabei<br />

liegt der Patient auf dem Rücken, der verletzte Arm bef<strong>in</strong>det sich vor se<strong>in</strong>er Brust. Die Reposition<br />

erfolgt unter Zug <strong>am</strong> proximalen Unterarm entlang der Humeruslängsachse und an<br />

der Hand entlang der Unterarmachse, während e<strong>in</strong> Assistent den Oberarm fixiert und gegenzieht.<br />

Nach erfolgreicher Reposition wird unter Bildwandlerkontrolle <strong>die</strong> Stabilität<br />

<strong>über</strong>prüft wie oben beschrieben. Varus- und Valgus<strong>in</strong>stabilitäten können häufig festgestellt<br />

werden. Der neurovaskuläre Status muss unbed<strong>in</strong>gt erneut erhoben und das Repositionsergebnis<br />

mit Röntgenbildern <strong>in</strong> 2 Ebenen dokumentiert werden.<br />

Im Falle e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>fachen Luxation ohne Reluxationsneigung reicht <strong>die</strong> Ruhigstellung des<br />

Ellenbogens <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er dorsalen Gipsschiene oder Armschl<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> 90°-Beugestellung für<br />

maximal e<strong>in</strong>e Woche (Case 1). Mit der stabilisierenden Physiotherapie unter Vermeidung<br />

von Varus- und Valgusstress kann sofort begonnen werden, sofern es <strong>die</strong> Schmerzsymptomatik<br />

des Patienten zulässt. Die Prognose ist im Allgeme<strong>in</strong>en als gut zu bezeichnen, da <strong>die</strong><br />

lig<strong>am</strong>entären Verletzungen unter frühfunktioneller Therapie meist folgenlos ausheilen,<br />

wenn ke<strong>in</strong>e knöchernen Begleitverletzungen vorliegen. Josefsson et al. verglichen 1987 <strong>in</strong><br />

129


Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />

A B C D<br />

Case 1:<br />

E<strong>in</strong>fache Ellenbogenluxation (1 A+B) mit gutem radiologischem Ergebnis nach 5 Monaten (1 C+D).<br />

e<strong>in</strong>er prospektiv randomisierten Stu<strong>die</strong> <strong>die</strong> operative Naht des MCL und LCL (n=15) mit der<br />

konservativen Therapie (n=15) mittels Gipsruhigstellung. In allen Fällen konnte nach der<br />

Reposition e<strong>in</strong>e mediale Instabilität nachgewiesen werden. Nach e<strong>in</strong>em Follow-up von<br />

5 Jahren lag ke<strong>in</strong> signifikanter Unterschied vor. Maripuri et al. berichteten 2007 <strong>über</strong> signifikant<br />

bessere Ergebnisse nach Ruhigstellung mittels Armschl<strong>in</strong>ge und frühfunktioneller<br />

Therapie gegen<strong>über</strong> der Gipsruhigstellung für 2 Wochen. Reluxationen traten nicht auf.<br />

Fazit: e<strong>in</strong>fache Luxation – e<strong>in</strong>fache Therapie. Chronische Instabilitäten entwickeln sich<br />

lediglich <strong>in</strong> 2%.<br />

Die Luxationsfrakturen gehen jedoch noch immer mit e<strong>in</strong>er deutlich schlechteren Prognose<br />

e<strong>in</strong>her – abhängig von den Begleitverletzungen. McKee et al. berichteten 2005 <strong>über</strong> 8 Komplikationen<br />

bei 34 Patienten mit e<strong>in</strong>er terrible triad of the elbow: 1 Infekt, 1 rezidivierende<br />

Luxation, 2 radioulnare Synostosen und Ankylosen, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e Arthrolyse erforderlich mach-<br />

ten. Entscheidend für das Outcome nach Luxationsfrakturen ist das frühzeitige Erkennen<br />

und Versorgen der Begleitverletzungen – <strong>in</strong>sbesondere der Radiuskopf- und Coronoidfrakturen.<br />

1. Radiuskopffrakturen:<br />

Radiuskopffrakturen, <strong>die</strong> im Rahmen e<strong>in</strong>er Luxation auftreten, werden als Mason IV-Frakturen<br />

klassifiziert. Wenn es sich um e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>eres oder nicht-disloziertes Fragment ohne<br />

funktionelle Relevanz handelt, ist ke<strong>in</strong>e Osteosynthese erforderlich. Es handelt sich jedoch<br />

meist um Trümmerfrakturen nach hochenergetischem Trauma, <strong>die</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em hohen Prozentsatz<br />

der Fälle mit e<strong>in</strong>er Ruptur des MCL e<strong>in</strong>hergehen. Dann ist e<strong>in</strong>e Osteosynthese unumgänglich.<br />

Falls <strong>die</strong> Fraktur nicht rekonstruierbar ist, muss e<strong>in</strong> endoprothetischer Ersatz erfolgen<br />

(Case 2). Die alle<strong>in</strong>ige Resektion sollte <strong>in</strong> der akuten Fraktursituation nicht durchgeführt<br />

werden, da sie <strong>die</strong> Entstehung von Instabilitäten begünstigt.<br />

2. Processus coronoideus-Frakturen:<br />

Der Processus coronoideus ist aus mehreren Gründen von entscheidender Bedeutung für<br />

<strong>die</strong> Ellenbogenstabilität: Zum e<strong>in</strong>en wirkt er bei Axialkräften als knöchernes Widerlager,<br />

zum anderen <strong>die</strong>nt er als Ansatz für das anteriore Bündel des MCL, das für <strong>die</strong> Stabilität<br />

besonders wichtig ist. Außerdem <strong>die</strong>nt er als Ansatz für <strong>die</strong> ventrale Kapsel und den<br />

130


Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />

M. brachialis. Er frakturiert <strong>in</strong> ca. 2 – 15% aller Ellenbogenluxationen. Nach Regan und<br />

Morrey werden 3 Typen unterschieden:<br />

Typ I: kle<strong>in</strong>es Spitzenfragment<br />

Typ II: Fragmentgröße kle<strong>in</strong>er als 50% des Coronoids<br />

Typ III: Fragmentgröße größer als 50% des Coronoids<br />

Typ I-Frakturen können konservativ therapiert werden, solange sicher ausgeschlossen<br />

ist, dass das anteriore Bündel des MCL nicht knöchern ausgerissen ist. Dies ist im konventionellen<br />

Röngenbild aufgrund von Überlagerungen oftmals schwer zu beurteilen und muss<br />

notfalls mittels CT <strong>über</strong>prüft werden. Nicht selten verbirgt sich h<strong>in</strong>ter e<strong>in</strong>em konventionellradiologischen<br />

Spitzenfragment e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>stabile Typ II-Fraktur. Dann liegt e<strong>in</strong>e Instabilität<br />

vor, und es muss e<strong>in</strong>e osteosynthetische Stabilisierung erfolgen. Es muss auch im a.p.-Bild<br />

auf das Tuberculum sublime – den knöchernen Ansatz des MCL <strong>am</strong> Coronoid – geachtet<br />

werden. Diese können sich <strong>in</strong> der seitlichen Projektion ebenfalls als „harmloses“ Spitzenfragment<br />

darstellen (Case 3). E<strong>in</strong>e OP-Indikation besteht auch, wenn das Spitzenfragment<br />

als freier Gelenkkörper Beschwerden bereitet.<br />

Typ II-Frakturen müssen ebenfalls auf ihre Stabilität <strong>über</strong>prüft werden. Bei nach ventroradial<br />

verlaufenden Schrägfrakturen und Horizontalfrakturen ist das anteriore Bündel meist<br />

nicht betroffen. Hier kann e<strong>in</strong> konservatives Vorgehen erwogen werden. E<strong>in</strong>e Instabilität<br />

liegt - wie bereits beschrieben – vor, wenn bei schrägem mediodorsalem Frakturverlauf<br />

der Ansatz des anterioren MCL-Bündels betroffen ist (Case 3). Zur sicheren Beurteilung des<br />

Frakturverlaufes sollte e<strong>in</strong> CT durchgeführt werden. Weiterh<strong>in</strong> führen begleitende Radius-<br />

A B C<br />

D<br />

E<br />

Case 2:<br />

Ellenbogenluxationsfraktur (2 A+B) mit nicht rekonstruierbarer Fraktur des Radiuskopfes (2 C+D), versorgt mit<br />

geschlossener Reposition und postprimärer Implantation e<strong>in</strong>er Radiuskopfprothese nach Judet (2 E+F).<br />

F<br />

131


Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />

A B C<br />

D E F<br />

Case 3:<br />

Coronoidfraktur mit konventionell radiologischem Spitzenfragment und leicht zu <strong>über</strong>sehender Abrissfraktur des<br />

Tuberculum sublime (Pfeil) (3 A+B). In den CT-Schnitten zeigt sich sehr schön der mediodorsale Frakturverlauf (3 C)<br />

und das Tuberculum sublime-Fragment (3 D). Versorgung mittels Plattenosteosynthese, freier Schraube und<br />

Fadenanker (3 E+F).<br />

kopffrakturen oftmals zur Instabilität – terrible triade of the elbow. Instabile Typ II-Frakturen<br />

müssen unbed<strong>in</strong>gt operativ stabilisiert werden.<br />

Typ III-Frakturen s<strong>in</strong>d generell <strong>in</strong>stabil: Das knöcherne Widerlager gegen Axialkräfte fehlt,<br />

MCL, ventrale Kapsel und ggf. der M. brachialis s<strong>in</strong>d knöchern ausgerissen. Diese Frakturen<br />

führen d<strong>am</strong>it quasi zwangsläufig zur Instabilität und s<strong>in</strong>d daher „ausnahmslos“ operativ zu<br />

versorgen.<br />

Literatur:<br />

1. An K, Morrey BF. Biomechanics of the elbow. In: Morrey BF: The elbow and ist disorders,<br />

3rd edition, Saunders, Philadelphia, 2000: 74-83.<br />

2. Josefsson PO, Gentz CF, Johnell O, Wendeberg B. Surgical versus nonsurgical treatment<br />

of lig<strong>am</strong>entous <strong>in</strong>juries follow<strong>in</strong>g dislocations of the elbow jo<strong>in</strong>t. Cl<strong>in</strong> Orthop Relat Res,<br />

1987, 214(1): 165-169.<br />

3. Maripuri SN, Debnath UK, Rao P, Mohanty K. Simple elbow dislocation <strong>am</strong>ong<br />

adults: a comparative study of two different methods of treatment. Injury, 2007, 38(11):<br />

1254-1258.<br />

4. Korner J, Lill H, Hepp P. Funktionelle Anatomie und Biomechanik. In: Josten, Lill:<br />

Ellenbogenverletzungen, Ste<strong>in</strong>kopf, Darmstadt, 2002: 1-13.<br />

132


Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />

5. Lill H, Korner J, Josten C. Luxationen und Instabilitäten. In: Josten, Lill: Ellenbogenverletzungen,<br />

Ste<strong>in</strong>kopf, Darmstadt, 2002: 99-123.<br />

6. McKee MD, Pugh DM, Wild LM, Schemitsch EH, K<strong>in</strong>g GJ. Standard surgical protocol<br />

to treat elbow dislocation with radial head and coronoid fractures. Surgical technique.<br />

J Bone Jo<strong>in</strong>t Surg, 2005, 87(suppl.1): 22-31.<br />

7. Morrey BF, Ann KN. Articular and lig<strong>am</strong>entous contributions to the stability of the elbow<br />

jo<strong>in</strong>t. Am J Sports Med, 1983, 11(5): 315-319.<br />

8. O‘Driscoll SW, Morrey BF, Kor<strong>in</strong>ek S, An KN. Elbow subluxation and dislocation.<br />

A spectrum of <strong>in</strong>stability-Cl<strong>in</strong> Orthop Relat Res, 1992, 280(7): 186-197<br />

9. Saati AZ, McKee MD. Fracture-dislocation of the elbow: diagnosis, treatment and<br />

prognosis. Hand Cl<strong>in</strong>, 2004, 20(4):405-415.<br />

10. Sotereanos D, Hotchkiss RN. Complex Traumatic Elbow Dislocations. In: Green,<br />

Hotchkiss, Pederson, Wolfe: Green‘s Operative Hand Surgery, 5th edition, Elsevier,<br />

Curchill Liv<strong>in</strong>gstgon, 2005: 907-918.<br />

Kontakt:<br />

Burkhart, Klaus J., Dr. med.<br />

Rommens, M., Univ.-Prof. Dr. med. Dr. h.c. Pol<br />

Müller, Lars P., PD Dr. med.<br />

Zentrum für Unfallchirurgie und Orthopä<strong>die</strong><br />

Universitätsmediz<strong>in</strong> der<br />

Johannes Gutenberg-Universität Ma<strong>in</strong>z<br />

Langenbeckstraße 1<br />

55131 Ma<strong>in</strong>z<br />

133


A. Wentzensen, Ludwigshafen<br />

Distale Humerusfrakturen<br />

Manuskript lag zum Zeitpunkt des Drucks nicht vor.<br />

Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />

135


K. Wenda<br />

Olecranon- und Monteggiafrakturen<br />

Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />

Zus<strong>am</strong>menfassung:<br />

Olecranonfrakturen werden operativ versorgt, e<strong>in</strong>fache Frakturen mit e<strong>in</strong>er Zuggurtung,<br />

komplexe Frakturen mit e<strong>in</strong>er Plattenosteosynthese. Entscheidend ist <strong>die</strong> rout<strong>in</strong>emäßige<br />

Suche nach den vielfältigen Zusatzverletzungen und deren adaequate Behandlung.<br />

Monteggiafrakturen s<strong>in</strong>d im Erwachsenenalter selten und im K<strong>in</strong>desalter häufig. Entscheidend<br />

ist <strong>die</strong> exakte Stellung des Humeroradialgelenkes nach Reposition der Ulna.<br />

Schlüsselwörter:<br />

Olecranonfraktur, Monteggialäsion<br />

Summary:<br />

Internal fixation is the treatment of choice for olecranon fractures. Simple fractures<br />

are stabilized with tension band wir<strong>in</strong>g, complex fracture with plates. Rout<strong>in</strong>ely typical<br />

additional lesions should be searched and adaequately treated.<br />

Key words:<br />

Olecranon fracture, Monteggia lesion<br />

Das Olecranon- der sogenannte Ellenhaken – ist der proximalste gelenkbildende Teil<br />

der Ulna. Olecrononfrakturen treten isoliert und als Komb<strong>in</strong>ationsverletzung auf. Zu unterscheiden<br />

s<strong>in</strong>d:<br />

• E<strong>in</strong>fache Olecranonfrakturen<br />

• Olecranonfrakturen mit Keil und komplexe Olecranonfrakturen<br />

• Olecranonfrakturen mit Ellenbogenluxation<br />

• Komb<strong>in</strong>ation mit Radiusköpfchenfrakturen<br />

• Komb<strong>in</strong>ation mit Frakturen des Processus coronoideus<br />

• Komb<strong>in</strong>ation mit distalen Humerusfrakturen<br />

• Komb<strong>in</strong>ation mit lig<strong>am</strong>entärer Instabilität<br />

Für <strong>die</strong> kl<strong>in</strong>ische Praxis ergibt sich <strong>die</strong> Notwendigkeit, bei jeder Olecranonfraktur auf den<br />

Röntgenbildern genau nach den typischen Zusatzverletzungen zu suchen. Ergibt <strong>die</strong> Analyse<br />

e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Olecranonfraktur muss wie bei jeder Fraktur <strong>die</strong> Weichteilsituation genau<br />

evaluiert werden. In der Regel bietet sich bei e<strong>in</strong>fachen Olecranonfrakturen <strong>die</strong> primäre<br />

Osteosynthese an.<br />

Die Operation kann sowohl <strong>in</strong> Rücken als auch <strong>in</strong> Bauchlage durchgeführt werden. Bei<br />

e<strong>in</strong>fachen Frakturen kann man <strong>in</strong> der Regel auf den Aufwand der Bauchlage verzichten.<br />

137


Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />

Bei komplexen Frakturen s<strong>in</strong>d jedoch Reposition und Bildwandlerkontrolle <strong>in</strong> Bauchlage<br />

wesentlich e<strong>in</strong>facher, so daß komplexe Frakturen <strong>in</strong> Bauchlage operiert werden sollten.<br />

Bei e<strong>in</strong>fachen Frakturen ist <strong>die</strong> Zuggurtungsosteosynthese Standard, e<strong>in</strong>ige Regeln s<strong>in</strong>d<br />

jedoch unbed<strong>in</strong>gt zu beachten:<br />

Nach der Reposition und dem E<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen der Drähte muss e<strong>in</strong>e Bildwandlerkontrolle<br />

erfolgen, weil sich immer mal doch Fehllagen ergeben.<br />

Die Drähte sollten knapp <strong>über</strong> <strong>die</strong> Gegencorticalis plaziert werden. Intr<strong>am</strong>edulläre Drähte<br />

bieten ke<strong>in</strong>en ausreichenden Halt. Weites <strong>über</strong>stehen der Drähte kann Ossifikationen bis<br />

h<strong>in</strong> zu Synostosen verursachen.<br />

Die Drähte sollten parallel e<strong>in</strong>gebracht werden, weil der Zuggurtungseffekt der Cerclage bei<br />

funktioneller Bewegung sonst nicht e<strong>in</strong>tritt. Im Frakturspalt sich kreuzende Drähte sperren<br />

und beh<strong>in</strong>dern <strong>die</strong> Knochenheilung.<br />

Die Drähte müssen nach legen der Cerclage um 180° umgebogen und sicher <strong>über</strong> den<br />

Cerclagedraht plaziert werden.<br />

Nach vollendeter Osteosynthese müssen Pro- und Sup<strong>in</strong>ation <strong>in</strong>traoperativ frei durchführbar<br />

se<strong>in</strong>, gelegentlich zeigt sich e<strong>in</strong>e, auf e<strong>in</strong>en <strong>in</strong> den Radius gebohrten Draht zurückzuführende<br />

Bewegungstörung.<br />

E<strong>in</strong>e regelrechte Zuggurtungsosteosynthese kann gipsfrei funktionell nachbehandelt<br />

werden.<br />

Bei Osteoporose kommen Fehlschläge der Zuggurtungsosteosynthese auch bei e<strong>in</strong>fachen<br />

Olecranonfrakturen vor. Plattenosteosynthesen mit w<strong>in</strong>kelstabilen Schrauben bef<strong>in</strong>den sich<br />

derzeit <strong>in</strong> der kl<strong>in</strong>ischen Erprobung. Inwieweit d<strong>am</strong>it bessere Ergebnisse erzielt werden<br />

können, bleibt abzuwarten.<br />

Olecranonfrakturen mit Biegungskeil s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>stabiler als e<strong>in</strong>fache Frakturen. Zus<strong>am</strong>men mit<br />

e<strong>in</strong>er Zugschraubenfixation des Biegungskeiles kann mit e<strong>in</strong>er Zuggurtung gelegentlich<br />

noch ausreichende Stabilität erzielt werden, Dreifragmentfrakturen s<strong>in</strong>d der Grenzbereich<br />

zwischen Zuggurtunsosteosynthese und Platte, ab vier Fragmenten sollte e<strong>in</strong>e Plattenosteosynthese<br />

durchgeführt werden, entweder mit e<strong>in</strong>er um den Ellenhaken umgebogenen<br />

Rekonstruktionsplatte oder vorzugsweise mit e<strong>in</strong>er der neuen speziellen Formplatten mit<br />

w<strong>in</strong>kelstabilen Schrauben.<br />

Verriegelungsnägel für <strong>die</strong> proximale Ulna bef<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> der kl<strong>in</strong>ischen Erprobung, Vorteile<br />

können bei langstreckigen Frakturen der Ulna erwartet werden.<br />

Bei Zusatzverletzungen erfolgt <strong>die</strong> Osteosynthese des Olecranon wie oben für <strong>die</strong> e<strong>in</strong>fachen<br />

Frakturen dargelegt.<br />

Frakturen des Capitulum Humeri und des Epicondylus– meist des Epicondylus radialis –<br />

müssen mit Schrauben refixiert werden.<br />

Im Bereich des Processus coronoideus wird zwischen stabilen und <strong>in</strong>stabilen Verletzungen<br />

unterschieden. Frakturen der Spitze des Processus coronoideus s<strong>in</strong>d stabil, bei größeren<br />

Fragmenten, <strong>die</strong> refixiert werden müssen, birgt e<strong>in</strong> ventraler Zugang immer <strong>die</strong> Gefahr<br />

ausgeprägter postoperativer Ossifikationen mit Bewegungse<strong>in</strong>schränkung und sollte nur<br />

dann durchgeführt werden, wenn ohne e<strong>in</strong>e Schraubenfixation von ventral ke<strong>in</strong>e aus-<br />

reichende Stabilität erzielt werden kann. In Komb<strong>in</strong>ation mit Olecranonfrakturen werden<br />

große Fragmente des Processus coronoideus besser von dorsal mit Schrauben neben oder<br />

durch <strong>die</strong> Platte fixiert.<br />

138


Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />

Abb. 1:<br />

Monteggiaäquivalent beim älteren Patienten mit nicht s<strong>in</strong>nvoll rekonstruierbarer Radiuskopffraktur:<br />

Der erhaltene Processus coronoideus ist wichtig für <strong>die</strong> Stabilität<br />

H<strong>in</strong>sichtlich der Stabilität besonders <strong>in</strong> den ersten Wochen nach der Verletzung s<strong>in</strong>d Komb<strong>in</strong>ationen<br />

von Frakturen des Processus coronoideus und des Radiusköpfchens natürlich<br />

kritischer als isolierte Frakturen, <strong>die</strong> sogenannte Terrible Triade ist e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation von<br />

lig<strong>am</strong>entäreren Verletzungen mit Frakturen des Processus coronoideus und des Radiusköpfchen<br />

und stellt <strong>die</strong> <strong>in</strong>stabilste Verletzungsform dar.<br />

Für <strong>die</strong> Versorgung von begleitenden Radiusköpfchenfrakturen besteht e<strong>in</strong>e Vielzahl von<br />

therapeutischen Optionen. E<strong>in</strong>fache Radiusköpfchenfrakturen können oft durch den dorsalen<br />

Zugang mittels Schraubenostosynthese mitversorgt werden. Bei komplexen Radiusköpfchenfrakturen<br />

gelten <strong>die</strong> Regeln der Versorgung <strong>die</strong>ser Fraktur zumeist <strong>über</strong> e<strong>in</strong>en zusätzlichen<br />

radialen Zugang. Bei jungen Patienten sollte <strong>die</strong> Rekonstruktion des Radiusköpfchens<br />

immer angestrebt werden. Bei nicht rekonstruierbaren Radiusköpfchenfrakturen<br />

kommt e<strong>in</strong>e Radiusköpfchenprothese <strong>in</strong> Betracht, <strong>die</strong> Indikation hierzu sollte jedoch bei<br />

jungen Patienten wegen Folgeproblemen im Langzeitverlauf nur mit großer Zurückhaltung<br />

gestellt werden. E<strong>in</strong>ige Autoren empfehlen bei sehr jungen Patienten sogar, e<strong>in</strong>e Radiusköpfchenprothese<br />

nur zeitweilig bis zur sicheren Ausheilung der Bänder zu belassen und<br />

dann zu entfernen. Dies kann auch e<strong>in</strong>e Option bei e<strong>in</strong>er Essex-Lopresti Läsion mit Zerreißung<br />

der membrana <strong>in</strong>terossea se<strong>in</strong>.<br />

Bei älteren Patienten wird <strong>die</strong> Indikation zur Radiusköpfchenresektion (Abb.1) bei komplexen<br />

Frakturen im eigenen Krankengut grosszügig gestellt, weil Bewegungse<strong>in</strong>schränkungen<br />

nach aufwendigen Osteosynthesen häufig s<strong>in</strong>d und dauerhafte kl<strong>in</strong>isch relevante Instabilitäten<br />

bei der Komb<strong>in</strong>ation von Olecranonfrakturen mit Radiusköpfchenfrakturen zum<strong>in</strong>dest<br />

<strong>in</strong> der eigenen kl<strong>in</strong>ischen Erfahrung niemals vorkommen.<br />

Die transolecranische Ellenbogenluxationsfraktur stellt <strong>die</strong> proximalste Form e<strong>in</strong>er Monteggia-Verletzung<br />

dar (Abb.2). Bei der klassischen Monteggia-Fraktur handelt es sich um<br />

e<strong>in</strong>e proximale Ulnafraktur mit Radiusköpfchenluxation, mitverletzt s<strong>in</strong>d immer <strong>die</strong> Bänder<br />

des proximalen Radioulnargelenkes, des Humeroradialgelenkes und <strong>die</strong> Membrana <strong>in</strong>terossea.<br />

Unter Monteggia-Äquivalenten (Monteggia like lesions) versteht man alle proximalen<br />

Ulnaschaftfrakturen mit <strong>über</strong> <strong>die</strong> Luxation h<strong>in</strong>ausgehenden Schädigungen des proximalen<br />

Radioulnargelenkes und des Humeroradialgelenkes, z.B. mit Radiusköpfchenfrakturen und<br />

Frakturen des Processus Coronoideus.<br />

139


Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />

Abb. 2:<br />

Transolecranische Luxationsfraktur (proximalste Montegiafraktur).<br />

Versorgung mit Rekonstruktionsplatte und Verschraubung des Processus Coronoideus durch <strong>die</strong> Platte<br />

Monteggiafrakturen s<strong>in</strong>d bei Erwachsenen selten und im K<strong>in</strong>desalter häufig. Im Krankengut<br />

der Freiburger Universitätskl<strong>in</strong>ik fanden Konrad et. al. <strong>in</strong> zehn Jahren 63 Erwachsene mit<br />

Monteggiafrakturen oder ihren Äquivalenten. 73% hatten e<strong>in</strong> gutes Ergebnis, allerd<strong>in</strong>gs<br />

mussten immerh<strong>in</strong> 26% nach der Erstoperation noch e<strong>in</strong>mal revi<strong>die</strong>rt werden. Luxationen<br />

des Radiuskopfes nach dorsal und zusätzliche Frakturen des Radiuskopfes und des Processus<br />

coronoideus waren erwartungsgemäß prognostisch ungünstig.<br />

Bei Ulnaschaftfrakturen muss immer das Ellenbogengelenk im seitlichen Strahlengang<br />

h<strong>in</strong>sichtlich möglicher Luxations- oder Subluxationsstellungen des Radiusköpfchens <strong>über</strong>prüft<br />

werden. Wichtig ist bei Ulnafrakturen <strong>die</strong> röntgenologische Darstellung des ges<strong>am</strong>ten<br />

Unterarmes e<strong>in</strong>schließlich Handgelenk, um Fehlstellungen im distalen Radiulnargelenk und<br />

Essex-Lopresti-Läsionen zu erkennen, <strong>die</strong> zwar selten aber von erheblicher Konsequenz<br />

s<strong>in</strong>d, weil <strong>über</strong>sehene Läsionen später nur sehr schwer zu rekonstruieren s<strong>in</strong>d.<br />

Bei Erwachsenen ist <strong>die</strong> Plattenosteosynthese der Ulna <strong>die</strong> Standardversorgung, k<strong>in</strong>dliche<br />

Ulnafrakturen werden heute meist mit elastisch stabilisierenden <strong>in</strong>tr<strong>am</strong>edullären Nägeln<br />

versorgt.<br />

Bei k<strong>in</strong>dlichen Verletzungen ist es wichtig zu wissen, dass Radiusköpfchenluxationen ohne<br />

Fraktur der Ulna vorkommen können.Man kann versuchen <strong>die</strong> „bow<strong>in</strong>g ulna“ zurückzubiegen,<br />

wenn <strong>die</strong>s nicht gel<strong>in</strong>gt ist e<strong>in</strong>e Osteotomie der Ulna und Stabilisierung mit e<strong>in</strong>er Platte<br />

oder e<strong>in</strong>em Fixateur externe erforderlich. Die Repostion des Radiusköpchen mit Zwang und<br />

temporärer Bohrdrahtfixation ist obsolet, weil es nach Entfenung des Bohrdrahtes regelhaft<br />

erneut zur Luxation kommt.<br />

Kontakt:<br />

Wenda, Klaus, Prof. Dr. med.<br />

Direktor der Kl<strong>in</strong>ik für Unfall-, Hand- und Orthopädische Chirurgie<br />

HSK Dr. Horst Schmidt Kl<strong>in</strong>ik<br />

Ludwig-Erhard-Straße 100, 65199 Wiesbaden<br />

140


H. W<strong>in</strong>kler<br />

K<strong>in</strong>dliche Ellenbogenfrakturen<br />

Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />

Zus<strong>am</strong>menfassung<br />

K<strong>in</strong>dliche Frakturen unterscheiden sich erheblich von Frakturen im Erwachsenenalter.<br />

Unfallmechanismen oder Fragmentzahl spielen im Gegensatz zu Frakturen des Erwachsenen<br />

e<strong>in</strong>e untergeordnete Rolle; wesentlich entscheidender s<strong>in</strong>d Frakturlokalisation und<br />

Fragmentmorphologie. Bei noch offenen Wachstumsfugen weichen Frakturmorphologie,<br />

Therapiealgorithmus und Outcome erheblich von denen der Erwachsenen ab. Die bee<strong>in</strong>flussenden<br />

Faktoren der Heilung und Behandlung s<strong>in</strong>d determ<strong>in</strong>iert vom biologischen Alter<br />

und der Wachstumspotenz der Fuge. Der Prozess der Spontankorrektur und des Remodel<strong>in</strong>g<br />

muss prospektiv <strong>in</strong> <strong>die</strong> Behandlungs<strong>über</strong>legungen e<strong>in</strong>fließen. Hierbei s<strong>in</strong>d schon bei Behandlungsbeg<strong>in</strong>n<br />

<strong>die</strong> Grenzen und Möglichkeiten des Remodel<strong>in</strong>g abzuschätzen.<br />

Bei extraartikulären Frakturen kann man <strong>in</strong> gewissen Grenzen Spontankorrekturen erwarten.<br />

So ist <strong>in</strong> vielen Fällen e<strong>in</strong>e anatomisch exakte Reposition nicht erforderlich, andererseits<br />

aber können zu große Fehlstellungen nicht belassen werden. Grundsätzlich gilt, je<br />

jünger das verletze K<strong>in</strong>d ist, umso größere Fehlstellungen können im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>e<br />

Spontankorrektur akzeptiert werden. Bei allen <strong>in</strong>traartikulären Frakturen darf ke<strong>in</strong>e<br />

Spontankorrektur erwartet werden. Tendenziell geht auch <strong>die</strong> Behandlung von k<strong>in</strong>dlichen<br />

Frakturen mehr zu operativen Stabilisierungen. In jedem E<strong>in</strong>zelfall muss der behandelnde<br />

Arzt sich fragen, ob <strong>in</strong>vasive Maßnahmen erforderlich s<strong>in</strong>d.<br />

Schlüsselwörter<br />

K<strong>in</strong>dliche Frakturen, Ellenbogen, Rotationsfehler, Spontankorrektur<br />

Summary<br />

Childhood fractures differ considerably from fractures <strong>in</strong> the adulthood. The mechanism<br />

and the number of fragments are far less essential than <strong>in</strong> fracture of the adult. Of vital<br />

importance however are fracture localization and morphology of the fragment. While the<br />

epiphysis is still open fracture morphology, therapy logarithm and outcome deviate considerably<br />

<strong>in</strong> comparison to adults. The ma<strong>in</strong> <strong>in</strong>fluenc<strong>in</strong>g factor of the cure and treatment<br />

is determent from biological age and growth power of the epiphysis. The process of spontaneous<br />

correction and re- modell<strong>in</strong>g has to be prospectively <strong>in</strong>tegrated <strong>in</strong>to the treatment<br />

thoughts. Therefore possibilities and limits of the re-modell<strong>in</strong>g have to be evaluated already<br />

at the beg<strong>in</strong>n<strong>in</strong>g of treatment.<br />

In extraarticular fractures it can be expected that spontaneous corrections will take place<br />

<strong>in</strong> certa<strong>in</strong> limits. Therefore <strong>in</strong> many cases an exact anatomically reposition is obsolete,<br />

on the other hand too dist<strong>in</strong>ct malpositions can not be tolerated. Basically it applies; the<br />

younger the <strong>in</strong>jured child is, much greater malposition can be tolerated <strong>in</strong> expectation of<br />

spontaneous correction. In all <strong>in</strong>traarticular fractures no spontaneous correction is to be<br />

141


Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />

expected. There is a tendency that treatment of childhood fractures is carried out by<br />

surgical procedure. It is a s<strong>in</strong>gle case decision that has to be made by the surgeon <strong>in</strong> charge<br />

of the treatment whether there are surgical procedures necessary or not.<br />

Key words<br />

Childhood fractures, Elbow-jo<strong>in</strong>t, Malrotation, spontaneous correction<br />

Die Behandlung k<strong>in</strong>dlicher Ellenbogenfrakturen ist e<strong>in</strong>e komplexe Aufgabe, da man anatomisch<br />

und funktionell mit 3 Gelenken und 6 Knochenkernen konfrontiert wird. Je jünger das<br />

K<strong>in</strong>d ist, umso schwieriger ist <strong>die</strong> Beurteilung von Röntgenaufnahmen zur Diagnosestellung<br />

e<strong>in</strong>er knöchernen Verletzung, da <strong>die</strong> Knochenkernentwicklung nicht zeitgleich abläuft (Abb.1).<br />

Nach anatomisch morphologischen Kriterien teilen wir <strong>die</strong> Frakturen im Bereich des Ellenbogengelenks<br />

<strong>in</strong> <strong>die</strong> Abschnitte distaler Humerus, Olecranon und Radiusköpfchen e<strong>in</strong>. Am<br />

distalen Humerus muß zwischen suprakondylären, transkondylären und epikondylären<br />

Frakturen unterschieden werden.<br />

Diagnostisch ist im allgeme<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>e konventionelle Röntgenuntersuchung ausreichend.<br />

Nur <strong>in</strong> seltenen Fällen wird man zusätzlich auf e<strong>in</strong>e MRT- oder CT-Untersuchung angewiesen<br />

se<strong>in</strong>. Die Röntgendiagnostik ermöglicht auch beim wachsenden Skelett <strong>die</strong> Überprüfung<br />

bestimmter anatomischer Landmarken und W<strong>in</strong>kelstellungen. In allen Projektionsebenen<br />

muß der proximalen Radius auf das Capitulum humeri ausgerichtet se<strong>in</strong>. In der ap-Projektion<br />

ermöglicht der Baumann-W<strong>in</strong>kel und <strong>in</strong> der Seitaufnahme der Diaphysen-Epiphysenw<strong>in</strong>kel<br />

bzw. <strong>die</strong> Rogers-Hilfsl<strong>in</strong>ien e<strong>in</strong>e Stellungsbeurteilung (Abb. 2, 3 ).<br />

Abb. 1:<br />

Entwicklung der Knochenkerne <strong>am</strong> k<strong>in</strong>dlichen<br />

Ellenbogengelenk<br />

142<br />

Abb. 2:<br />

Baumann-W<strong>in</strong>kel α<br />

(aus Weber, BG; Brunner, Ch; Freuler, F. Die Frakturenbehandlung<br />

bei K<strong>in</strong>dern und Jugendlichen Spr<strong>in</strong>ger-Verlag)


Distaler Humerus<br />

Suprakondyläre Frakturen (6,5 %)<br />

Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />

Abb. 3:<br />

Rogers-Hilfsl<strong>in</strong>ien zur Stellungsbeurteilung <strong>am</strong> distalen Humerus, (a) anatomisch, (b) Extension, (c) Flexion<br />

Suprakondyläre Frakturen s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> typischen Frakturen des K<strong>in</strong>desalters; sie kommen beim<br />

Erwachsenen selten vor. Häufigkeitsgipfel ist das 5. bis 7. Lebensjahr. Es handelt sich meist<br />

um <strong>die</strong> Folgen e<strong>in</strong>es Sturzes auf den ausgestreckten oder gebeugten Arm. Ziel der Behandlung<br />

ist <strong>die</strong> funktionelle Wiederherstellung mit vollem Bewegungsumfang und der Vermeidung<br />

von Achsfehlstellungen des Armes.<br />

Die AO Klassifikation k<strong>in</strong>dlicher Frakturen unterscheidet nach dem Ausmaß der Dislokation<br />

4 Typen. (Tab. 1) Bei unverschobenen Frakturen ist e<strong>in</strong>e konservative Behandlung möglich,<br />

wobei <strong>die</strong> Problematik e<strong>in</strong>er Ausheilung <strong>in</strong> Varusfehlstellung zu beachten ist. Die operative<br />

Typ I undisloziert (stabil)<br />

Typ II disloziert <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Ebene (Ante- oder Rekurvation) (drohend <strong>in</strong>stabil)<br />

Typ III disloziert <strong>in</strong> 2 Ebenen Ante- oder Rekurvation, Rotation oder<br />

Seitverschiebung (<strong>in</strong>stabil)<br />

Typ IV disloziert <strong>in</strong> 3 Ebenen Ante- oder Rekurvation, Rotation,<br />

Seitverschiebung) (<strong>in</strong>stabil)<br />

Tabelle 1:<br />

Klassifikation suprakondylärer Humerusfrakturen nach der AO pediatric classification<br />

143


Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />

– ke<strong>in</strong>e Varus- oder Valgusfehlstellung<br />

– 6 Jahre ke<strong>in</strong>e Ante- oder Rekurvation; ke<strong>in</strong> Remodel<strong>in</strong>g möglich<br />

– ke<strong>in</strong>e Rotationsfehler<br />

Tabelle 2:<br />

Toleranzgrenzen bei suprakondylären Humerusfrakturen<br />

Behandlung stellt e<strong>in</strong>e erhebliche Herausforderung an den Traumatologen dar. Hierbei<br />

ist zu berücksichtigen, dass verbliebene Ante- oder Rekurvationsfehlstellungen zu Funktionsdefiziten<br />

<strong>in</strong> Beugung oder Streckung führen können. Das Problem der Vermeidung von<br />

Rotationsfehlstellungen stellt sich sowohl bei der konservativen wie bei der operativen<br />

Behandlung. Da <strong>die</strong> distale Wachstumsfuge nur etwa 20% zum Längenwachstum des Oberarmes<br />

beiträgt, ist <strong>die</strong> Korrekturpotenz reduziert. (Tab. 2) Bis zum 6.–7. Lebensjahr s<strong>in</strong>d<br />

Fehlstellungen kompensierbar. E<strong>in</strong>e Spontankorrektur e<strong>in</strong>er Rotationsfehlstellung oder<br />

e<strong>in</strong>e Korrektur e<strong>in</strong>er Varus- und Valgusdeformität ist nicht möglich.<br />

E<strong>in</strong>e absolute Notfall<strong>in</strong>dikation stellt <strong>die</strong> Pulslosigkeit des Unterarmes bei dislozierter,<br />

suprakondylärer Fraktur dar. Hier hat unmittelbar e<strong>in</strong>e Reposition zu erfolgen; e<strong>in</strong>e Duplexsonographie,<br />

gelegentlich auch e<strong>in</strong>e Gefäßdarstellung s<strong>in</strong>d obligat, um <strong>die</strong> Durchblutung<br />

des Armes zu gewährleisten. Therapieziel ist e<strong>in</strong> kompletter Bewegungsumfang des Ellenbogengelenkes<br />

und <strong>die</strong> Vermeidung e<strong>in</strong>es Cubitus varus.<br />

E<strong>in</strong>e konservative Behandlung, beispielsweise <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Blount’schen Verband, ist denkbar,<br />

wenn e<strong>in</strong>e Rotation des distalen Gelenkblocks sicher ausgeschlossen werden kann. Röntgenologisch<br />

ist <strong>die</strong> Fehlstellung an dem sogenannten Rotationssporn erkennbar. Regelmäßige<br />

Röntgenkontrollen s<strong>in</strong>d obligat. Die E<strong>in</strong>stellung des distalen Oberarmes kann mit<br />

Hilfe der Rogers-Hilfsl<strong>in</strong>ien kontrolliert werden, da e<strong>in</strong>e exakte W<strong>in</strong>kelmessung <strong>in</strong> den<br />

meisten Fällen nicht suffizient möglich ist (Abb. 4a,b). Aufgrund der verstärkten Beugung im<br />

Ellenbogengelenk besteht <strong>die</strong> Gefahr e<strong>in</strong>es Kompartmentsyndromes im Bereich des Unterarmes.<br />

Abb. 4a Abb. 4a<br />

144<br />

Abb. 4a:<br />

Dislokation des distalen Humerus <strong>in</strong><br />

Innenrotation und Varusfehlstellung<br />

(aus Weber, BG; Brunner, Ch; Freuler, F.<br />

Die Frakturenbehandlung bei K<strong>in</strong>dern und<br />

Jugendlichen Spr<strong>in</strong>ger-Verlag)<br />

Abb. 4b:<br />

Röntgenologisch ist <strong>die</strong> Rotationsfehlstellung<br />

an dem ventralen Knochensporn<br />

erkennbar


Abb. 5a<br />

Abb. 5d<br />

Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />

Abb. 5b Abb. 5c<br />

Abb. 5a–d:<br />

Dislozierte supracondyläre Humerusfraktur, Stabilisierung<br />

mit gekreuzten Kirschner-Drähten von radial und ulnar<br />

Die operative Behandlung wird immer bei Typ-III und Typ-IV-Fraktur zur Anwendung<br />

kommen. Zu <strong>über</strong>legen ist, ob auch e<strong>in</strong>e prophylaktische Stabilisierung bereits bei e<strong>in</strong>er<br />

Typ-II-Fraktur s<strong>in</strong>nvoll ist. Üblicherweise wird <strong>die</strong> Stabilisierung mit Kirschner-Drähten<br />

gekreuzt von radial und ulnar oder nur vor radial vorgenommen. Die Reposition ist meistens<br />

geschlossen möglich; offene Repositionen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Regel bei e<strong>in</strong>em Repositionsh<strong>in</strong>dernis<br />

oder bei extrem hoher Instabilität erforderlich (Abb. 5). Als Komplikationen müssen Schä-<br />

Abb. 6:<br />

Nach knöcherner Ausheilung verbliebener<br />

Rotationssporn mit kl<strong>in</strong>isch vermehrter<br />

Varusfehlstellung<br />

145


Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />

digungen des Nervus ulnaris durch Kirschner-Drähte oder gegebenenfalls bei externer<br />

Fixateurbehandlung auch Schädigungen im Bereich des Nervus radialis genannt werden.<br />

Der Cubitus varus stellt e<strong>in</strong>e wesentliche Komplikation dar, <strong>die</strong> <strong>in</strong> der Regel erst nach Ausheilung<br />

erkennbar wird. Allerd<strong>in</strong>gs ist <strong>die</strong>se Komplikation bereits röntgenologisch an dem<br />

sogenannten Rotationssporn des distalen Humerus erkennbar. Dieser entsteht durch e<strong>in</strong>e<br />

Rotation des distalen Humerus gegen<strong>über</strong> dem Humersschaft. (Abb. 6).<br />

Bei röntgenologischem Nachweis e<strong>in</strong>es Rotationssporns ist e<strong>in</strong>e zeitnahe Korrektur<br />

erforderlich; e<strong>in</strong>e Spontankorrektur ist nicht möglich<br />

Transkondyläre Frakturen (1,8 %)<br />

Bei den transkondylären Frakturen handelt sich ausschließlich um <strong>in</strong>traartikuläre Frakturen<br />

Sie betreffen den Kondylus ulnaris, den Kondylus radialis oder betreffen beide Kondylen<br />

<strong>in</strong> Form von Y-Frakturen. Bei e<strong>in</strong>er Dislokation mit e<strong>in</strong>er Gelenkstufe > 2 mm besteht e<strong>in</strong>e<br />

Operations<strong>in</strong>dikation. Die Diagnostik kann schwierig se<strong>in</strong>. In konventionellen Röntgenaufnahmen<br />

s<strong>in</strong>d sie gelegentlich schwer zu erkennen. Im E<strong>in</strong>zelfall kann e<strong>in</strong>e MRT-Diagnostik<br />

s<strong>in</strong>nvoll se<strong>in</strong>. Die relativ schwierig erkennbaren Frakturen des Kondylus radialis können<br />

primär e<strong>in</strong>e nur ger<strong>in</strong>gfügige Dislokation aufweisen, neigen aber zu e<strong>in</strong>er sekundären<br />

Dislokation, sodass zu deren Ausschluss 3–5 Tage nach Behandlungsbeg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>e gipsfreie<br />

Röntgenkontrolle erforderlich ist. Bei e<strong>in</strong>er Dislokation sollte wenn möglich e<strong>in</strong>e stabile<br />

Schraubenosteosynthese vorgenommen werden. Kirschner-Drähte bieten ke<strong>in</strong>e ausreichende<br />

Stabilität und können aufgrund der persistierenden Instabilität zu e<strong>in</strong>em Mehrwachstum<br />

im Bereich des Kondylus radialis führen, mit der Folge e<strong>in</strong>es Cubitus varus. Nur<br />

bei Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>dern und sehr kle<strong>in</strong>em metaphysärem Fragment kann e<strong>in</strong>e Osteosynthese mit<br />

Kirschner-Drähten erforderlich werden. Bei konservativer Behandlung und sekundärer<br />

Dislokation im Gips ist auch e<strong>in</strong> Cubitus valgus möglich (Abb. 7a,b).<br />

A B<br />

146<br />

Abb. 7a,b:<br />

Condylus radialis-Fraktur (a),<br />

Versorgung mit stabiler<br />

Schraubenosteosynthese (b)


A B<br />

Epikondyläre Frakturen (1,3 %)<br />

Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />

Frakturen der Epikondylen s<strong>in</strong>d häufig Folge e<strong>in</strong>er stattgehabten Ellenbogenluxation. Besonders<br />

häufig s<strong>in</strong>d derartige Frakturen im Bereich des Epikondylus ulnaris, <strong>die</strong> sich gelegentlich<br />

sogar <strong>in</strong> das Gelenk e<strong>in</strong>schlagen können. Es handelt sich um Apophysenfrakturen,<br />

welche ke<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss auf das Längenwachstum haben und lediglich an der Formgebung<br />

des distalen Humerus beteiligt s<strong>in</strong>d. Die Grenze der Dislokation wird im Allgeme<strong>in</strong>en bei<br />

e<strong>in</strong>em Ausmaß von 5 mm gesehen. Bis zu <strong>die</strong>ser Dislokation ist e<strong>in</strong>e konservative Behandlung<br />

möglich; dar<strong>über</strong> h<strong>in</strong>ausgehende Verschiebungen der Epikondylen sollten operativ<br />

durch Kirschner-Drähte oder kanülierte Schrauben fixiert werden (Abb. 8a,b).<br />

In das Gelenk e<strong>in</strong>geschlagene Fragmente des Epikondylus ulnaris stellen <strong>in</strong> jedem Fall<br />

e<strong>in</strong>e OP-Indikation dar<br />

Olecranonfrakturen (0,8 %)<br />

Frakturen des Olecranons s<strong>in</strong>d bei K<strong>in</strong>dern extrem selten. Sie s<strong>in</strong>d im S<strong>in</strong>ne von Monteggia-<br />

Verletzungen oft <strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ation mit Frakturen des Radius bzw. des Radiusköpfchen zu<br />

f<strong>in</strong>den. Wir f<strong>in</strong>den <strong>in</strong>tra- und extraartikuläre Frakturen, <strong>die</strong>se können undisloziert se<strong>in</strong> und<br />

bedürfen dann lediglich e<strong>in</strong>er konservativen Behandlung. Achsfehler <strong>in</strong> der Frontalebene<br />

sollten nicht toleriert werden, da <strong>die</strong>se bestehen bleiben und nicht spontan korrigiert werden.<br />

Das ger<strong>in</strong>ge Ausmaß der Dislokation erklärt sich durch das sehr kräftige Periost, welches<br />

e<strong>in</strong>en zuggurtenden Effekt ausübt. Abkippungen nach ventral können im Bereich der<br />

proximalen Ulna sekundär zu e<strong>in</strong>em Streckdefizit führen. Bei Frakturspalten <strong>die</strong> <strong>in</strong> das<br />

Gelenk h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>reichen und e<strong>in</strong> Ausmaß von 2–3 mm erreichen, sollte e<strong>in</strong>e operative Versorgung<br />

mit Zuggurtung oder Platte durchgeführt werden.<br />

Dislokationen und Gelenkstufen >2 mm stellen e<strong>in</strong>e OP-Indikation dar<br />

Abb. 8a,b:<br />

Abbruch des Epikondylus ulnaris<br />

nach Ellenbogenluxation<br />

147


Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />

Grad 1 Abkippung < 20°<br />

Grad 2 Abkippung 20–45°<br />

Grad 3 Abkippung 25–80°<br />

Grad 4 Abkippung >80°<br />

Tabelle 3:<br />

Frakturklassifikation nach Metaizeau<br />

Radiusköpfchenfrakturen (1,3 %)<br />

Frakturen des Radiusköpfchens s<strong>in</strong>d seltene Frakturen. Die Besonderheit besteht dar<strong>in</strong>,<br />

dass se<strong>in</strong>e Durchblutung als e<strong>in</strong>e Endstrombahnversorgung ausgelegt ist. Jede Fraktur und<br />

jeder Repositionsversuch kann e<strong>in</strong>e Störung der periostalen Durchblutung mit e<strong>in</strong>er avaskulären<br />

Nekrose e<strong>in</strong>er Verplumpung des Radiusköpfchense<strong>in</strong>treten zur Folge haben. Fehlstellungen<br />

bis 50° können nach von Laer bis zum 10. Lebensjahr spontan korrigiert werden.<br />

(Tab. 3 )<br />

Bei den subkapitalen Frakturen unterscheiden wir zwischen Stauchungs-, Grünholz- und<br />

vollständigen Frakturen sowie Frakturen mit Epiphysenbeteiligung. Immer besteht e<strong>in</strong>e<br />

Rotationse<strong>in</strong>schränkung. Bei der konventionellen Röntgenuntersuchung kann gelegent-<br />

lich <strong>die</strong> Angulation des Radiushalses zu e<strong>in</strong>er Fehl<strong>in</strong>terpretation im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>e<br />

Fehlstellung führen. Die Therapie sollte möglichst atraumatisch durchgeführt werden. Die<br />

konser-vative Therapie muss altersabhängig <strong>am</strong> Ausmaß der Abkippung des Radiusköpfchens<br />

orientiert werden. Während bis zum 10. Lebensjahr im Allgeme<strong>in</strong>en Fehlstellungen<br />

und Abkippungen bis 50–60% toleriert werden, sollten Fehlstellungen von 10–20% <strong>über</strong><br />

dem 10. Lebensjahr nicht akzeptiert werden. In der Regel ist e<strong>in</strong>e geschlossene Reposi-<br />

tion möglich; gelegentlich kann perkutan <strong>die</strong> Reposition mit Hilfe von Kirschner-Drähten,<br />

bzw. e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>tr<strong>am</strong>edullär e<strong>in</strong>geführten, elastisch stabilen Nagel vorgenommen werden<br />

(Abb.9).<br />

Die transartikuläre Fixation mit Kirschner-Drähten ist obsolet, da mit Nekrosen des<br />

Radiusköpfchens zu rechnen ist.<br />

Zus<strong>am</strong>menfassend ist festzustellen, dass <strong>die</strong> Behandlung k<strong>in</strong>dlicher Ellenbogenfraktu-<br />

ren sehr viel Wissen um <strong>die</strong> Ausbildung der Knochenkerne, <strong>die</strong> Durchblutungssituation<br />

und <strong>die</strong> Möglichkeiten der Spontankorrektur des k<strong>in</strong>dlichen Knochens erfordert. Die<br />

Therapieentscheidung wird immer durch <strong>die</strong> spontane Korrekturpotenz des Knochens<br />

bee<strong>in</strong>flusst. Insbesondere belassene Fehlstellungen, bei denen man e<strong>in</strong>e Spontankorrektur<br />

im Laufe des Wachstums erwartet, stellen den behandelnden Arzt vor schwierige Aufgaben,<br />

wobei <strong>die</strong>se Fehlstellungen <strong>in</strong>sbesondere gegen<strong>über</strong> den Eltern des K<strong>in</strong>des vertreten<br />

werden müssen und <strong>die</strong>s e<strong>in</strong>en wesentlichen Teil der Behandlungsanstrengungen ausmacht.<br />

148


A B<br />

Literatur<br />

Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />

We<strong>in</strong>berg, A-M; Fischerauer, E; Castellani, C. Frakturen der oberen Extremität beim K<strong>in</strong>d<br />

Teil I, Orthopä<strong>die</strong> und Unfallchirurgie up2date 3/2008, 1-20<br />

We<strong>in</strong>berg, A-M; Amerstorfer, F; Fischerauer, E. Frakturen der oberen Extremität beim K<strong>in</strong>d<br />

Teil II, Orthopä<strong>die</strong> und Unfallchirurgie up2date 3/2008, 21-40<br />

von Laer, L; Kraus, R; L<strong>in</strong>hart, WE. Frakturen und Luxationen im K<strong>in</strong>desalter<br />

5. Aufl. Thieme Stuttgart New York 2007<br />

Weber, BG; Brunner, Ch; Freuler, F. Die Frakturenbehandlung bei K<strong>in</strong>dern und Jugendlichen<br />

Spr<strong>in</strong>ger-Verlag Berl<strong>in</strong> Heidelberg New York 1979<br />

Kontakt<br />

W<strong>in</strong>kler, Hartmut, Priv.-Doz. Dr.<br />

Kl<strong>in</strong>ik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie<br />

Westpfalz-Kl<strong>in</strong>ikum Standort I<br />

Hellmut-Hartert-Str. 1<br />

67655 Kaiserslautern<br />

D<br />

C<br />

Abb. 9a–d:<br />

Dislozierte Radiushalsfraktur<br />

(a), perkutane<br />

Reposition mit e<strong>in</strong>em<br />

Kirschner-Draht (b), <strong>in</strong>tr<strong>am</strong>edulläre<br />

Stabilisierung<br />

mit ESIN (c,d)<br />

149


R. Hoffmann, L. Becker<br />

Ellenbogenprothese nach Trauma<br />

Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />

Zus<strong>am</strong>menfassung:<br />

Im Rahmen der operativen Versorgung schwerer Verletzungen des älteren Patienten stellt<br />

sich häufig das Problem schlechter Knochenqualität und den d<strong>am</strong>it verbundenen schwierigen<br />

Vorraussetzungen für e<strong>in</strong>e stabile Osteosynthese. Auch Revisionse<strong>in</strong>griffe und bereits<br />

vorbestehende degenerative Gelenkveränderungen schränken <strong>die</strong> Therapieoptionen deutlich<br />

e<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>e zusätzliche Versorgungsmöglichkeit stellt hier <strong>die</strong> primäre oder sekundäre<br />

Implantation e<strong>in</strong>er Totalendoprothese des Ellenbogens dar. Hierfür stehen gekoppelte<br />

Prothesenmodelle zur Verfügung, <strong>die</strong> auch e<strong>in</strong>e gewisse Varus-/Valgusbeweglichkeit zur<br />

M<strong>in</strong>derung der Lockerungsraten erlauben. Im Vergleich erreichen ältere Patienten mit e<strong>in</strong>er<br />

Trümmerfraktur und e<strong>in</strong>er Prothese bessere funktionelle Ergebnisse und e<strong>in</strong>e niedrigere<br />

Komplikationsrate als Patienten mit e<strong>in</strong>er osteosynthetischen Versorgung. Auf Grund der<br />

guten Ergebnisse im Rahmen der Versorgung von Unfallverletzungen des älteren Patienten<br />

stellt <strong>die</strong> Ellenbogenprothese e<strong>in</strong>e wichtige Behandlungsmöglichkeit dar und sollte bei der<br />

Therapieplanung mit berücksichtigt werden.<br />

Schlüsselwörter:<br />

Distale Humerusfraktur, Ellenbogenprothese, Alterstraumatologie, Ellenbogen,<br />

Osteoporose, Arthroplastik<br />

Summary:<br />

Poor bone quality is a major problem for the surgical treatment of severe elbow <strong>in</strong>juries<br />

of the older patient. The chance to achieve a stable osteosynthesis is usually limited. The<br />

options for revision surgery after failed ostesynthesis or patients with pseudarthrosis or<br />

pre-exist<strong>in</strong>g degenerative jo<strong>in</strong>t alteration are even more limited. In such cases the primary<br />

or secondary total arthroplasty of the elbow can be an additional alternative. There are<br />

different types of sloppy h<strong>in</strong>ged prosthetic designs available allow<strong>in</strong>g a small range of varus<br />

and valgus movement to prevent loosen<strong>in</strong>g. Stu<strong>die</strong>s showed that older patients who received<br />

a total arthroplasty for treatment of a severe fracture of the distal humerus had a significant<br />

better functional outcome and a lower rate of complications compared to patients with<br />

an osteosynthesis. These encourag<strong>in</strong>g results prove, that total arthroplasty of the elbow is<br />

a reasonable treatment option for severe elbow trauma of the older patient.<br />

Keywords:<br />

Distal fracture of the humerus, prosthesis, geriatric trauma, elbow, osteoporosis, arthroplasty<br />

Epidemiologie:<br />

Altersschwerpunkt für das Auftreten von Frakturen des distalen Humerus s<strong>in</strong>d weibliche<br />

Patienten <strong>über</strong> 80 Jahre. Altersadaptiert ist hier mit e<strong>in</strong>er Häufigkeit von ca. 28/100.000/Jahr<br />

zu rechnen. Auf Grund der zunehmenden Überalterung der Gesellschaft wird es bis zum<br />

151


Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />

Jahre 2030 <strong>in</strong>sges<strong>am</strong>t zu e<strong>in</strong>er deutlichen Zunahme der Alterstraumatologie und e<strong>in</strong>er Verdreifachung<br />

der Patienten mit distalen Humerusfrakturen kommen. In <strong>die</strong>sem Patientenkollektiv<br />

zeigt sich e<strong>in</strong>e hohe Rate an begleitenden Komorbiditäten, häufig e<strong>in</strong>e vorbestehende<br />

Osteoporose sowie e<strong>in</strong>e mangelnde Compliance. Auch zeigen sich vermehrt schwere<br />

Abscher- oder Trümmerfrakturen.<br />

Es stellt sich bei <strong>die</strong>sen Patienten im Rahmen der Primärversorgung und bei Komplikationen<br />

bzw. Versagen der osteosynthetischen Versorgung <strong>die</strong> Frage, ob <strong>die</strong> Implantation e<strong>in</strong>er<br />

Ellenbogentotalendoprothese als Behandlungsoption <strong>in</strong> Frage kommt. (Athwal et al. 2008,<br />

Morrey 2000)<br />

Literatur:<br />

In der Literatur f<strong>in</strong>den sich praktisch nur retrospektive Untersuchungen (Level IV) zur Versorgung<br />

distaler Humerusfrakturen mit e<strong>in</strong>er Endoprothese. Es konnte jedoch z.B. bei der<br />

Untersuchung von Charissoux et al. gezeigt werden, daß ältere Patienten bei endoprothetischer<br />

Versorgung e<strong>in</strong>er distalen Humerustrümmerfraktur weniger Komplikationen, e<strong>in</strong>e<br />

ger<strong>in</strong>gere Rate an operativen Revisionen sowie e<strong>in</strong>e bessere Funktion bzw. Patientenzufriedenheit<br />

aufwiesen, als Patienten mit e<strong>in</strong>er osteosynthetischen Versorgung. Auch McKee<br />

et al. empfehlen nach e<strong>in</strong>er multicenter Stu<strong>die</strong> zum Vergleich Prothese vs. Osteosynthese<br />

bei Trümmerfrakturen des distalen Humerus älterer Patienten <strong>die</strong> Versorgung mit e<strong>in</strong>er<br />

Prothese bei nicht zu erwartender stabiler Versorgung durch e<strong>in</strong>e konventionelle Osteosynthese.<br />

Der Anteil <strong>die</strong>ser Patienten lag <strong>in</strong> dem untersuchten Patientengut bei immerh<strong>in</strong><br />

25%. (Charissoux et al. 2008, McKee et al. 2009)<br />

Prothesendesign:<br />

Seit Verwendung der Ellenbogenprothesen haben sich teilgekoppelte („sloppy h<strong>in</strong>ged“)<br />

Modelle mit e<strong>in</strong>er zusätzlichen Varus-/Valgusbeweglichkeit von ca. 6–8° durchgesetzt<br />

(s. Abb. 1). Die früher verwendeten starr gekoppelten Prothesen führten <strong>über</strong> e<strong>in</strong>e hohe<br />

mechanische Belastung, vor allem im Bereich des Humerus, zu hohen Lockerungsraten. Um<br />

<strong>die</strong> humerale Prothesenkomponente weiter zu entlasten verfügen e<strong>in</strong>ige Prothesenmodelle<br />

zusätzlich <strong>über</strong> e<strong>in</strong>en sogenannten humeralen Flansch (z.B. Coonrad-Morrey) an der ventralen<br />

Prothesenseite, um <strong>die</strong> Zug- und Druckbelastung sowie Torsionskräfte zu verm<strong>in</strong>dern.<br />

Ungekoppelte Prothesenmodelle mit re<strong>in</strong>em Oberflächenersatz spielen bei der Frakturversorgung<br />

ke<strong>in</strong>e Rolle.<br />

Indikationen:<br />

Die Indikationen für e<strong>in</strong>e primäre Implantation besteht bei schweren C-Frakturen (nach<br />

AO Klassifikation) des distalen Humerus oder komplexen Luxationsfrakturen, <strong>die</strong> mit konventionellen<br />

Operationstechniken nicht zufriedenstellend rekonstruiert werden können.<br />

Liegt e<strong>in</strong>e schlechte Knochenqualität bei e<strong>in</strong>er Osteoporose vor, so ist ebenfalls e<strong>in</strong>e Prothesenimplantation<br />

zu erwägen, da e<strong>in</strong>e ausreichende Stabilisierung durch e<strong>in</strong>e Osteosynthese<br />

oft nicht möglich ist. Bei Fehlen oder ke<strong>in</strong>er Möglichkeit der Rekonstuktion der Kondylen<br />

ist <strong>die</strong> Verwendung e<strong>in</strong>er gekoppelten Prothese mit langen Schäften durch <strong>die</strong> alle<strong>in</strong>ige<br />

Verankerung im Markraum ebenfalls möglich. Bei ausgeprägten und oder schmerzhaften<br />

vorbestehenden Gelenkdestruktionen z.B. im Rahmen e<strong>in</strong>er rheumatoiden Arthritis ist<br />

152


a b c d<br />

Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />

Abb. 1:<br />

Beispiele für gängige Prothesenmodelle: Coonrad-Morrey (a), GSB III (b), Discovery (c) und <strong>die</strong> ungekoppelte IBP (d)<br />

gegebenenfalls auch bei A oder B-Frakturen nach AO-Klassifikation e<strong>in</strong>e Indikation für e<strong>in</strong>e<br />

Prothese zu diskutieren. Sekundäre Implantationen s<strong>in</strong>d im Rahmen der Versorgung von<br />

posttraumatischen Arthrosen, gelenknahen Pseudarthrosen sowie als „salvage procedure“<br />

bei gescheiterten Osteosynthesen oder Implantatversagen möglich (s. Abb 2). Ziel der primären<br />

Ellenbogenprothese bei Unfallverletzten ist <strong>die</strong> Erhaltung der Beweglichkeit sowie<br />

e<strong>in</strong>e Verkürzung der Rekonvaleszenz. (Müller et al. 2005, Morrey 2000, Loehr et al. 2003)<br />

OP-Technik:<br />

Auf <strong>die</strong> im Vortrag beschriebene Operationstechnik wird hier bewusst verzichtet. Es sei<br />

hier auf <strong>die</strong> e<strong>in</strong>schlägige Literatur und <strong>die</strong> Operationsanleitungen der e<strong>in</strong>zelnen Prothesenhersteller<br />

verwiesen (s. Abb. 1).<br />

Nachbehandlung:<br />

Entfernung der Wunddra<strong>in</strong>agen nach ca. 48 h sowie Durchführung von physikalischer<br />

Therapie (Kryotherapie, Lymphdra<strong>in</strong>age). E<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>malige Antibiotikagabe, z.B e<strong>in</strong>es Cephalospor<strong>in</strong><br />

der 2. oder 3. Generation, ist als perioperative Prophylaxe <strong>in</strong> der Regel ausreichend.<br />

Präoperativ sollte e<strong>in</strong>e Schmerzkatheteranlage erfolgen, um <strong>die</strong> Schmerztherapie sowie<br />

<strong>die</strong> physiotherapeutische Beübung zu vere<strong>in</strong>fachen. Direkt nach der Implantation kann mit<br />

passiven Bewegungsübungen unter Anleitung begonnen werden, gegebenenfalls auch unter<br />

Verwendung e<strong>in</strong>er Motorschiene. Um den <strong>in</strong>traoperativ abpräparierten Streckapparat zu<br />

schonen und e<strong>in</strong>e feste E<strong>in</strong>heilung zu ermöglichen sollte <strong>in</strong> den ersten Wochen ke<strong>in</strong>e Belastung<br />

<strong>über</strong> 1–2 kg erfolgen. Um das Risiko e<strong>in</strong>er Auslockerung der Prothese zu verm<strong>in</strong>dern, ist<br />

langfristig e<strong>in</strong>e Gewichtslimitierung für Heben und Tragen von 4–5 kg sowie das Vermeiden<br />

repetitiver Bewegungen mit mehr als 1 kg notwendig. Auch alle Schlag- und Wurfsportarten<br />

und Betätigungen mit hoher Beanspruchung des Ellenbogens <strong>in</strong> Sport und Beruf sollten<br />

vermieden werden.<br />

Durchführung von postoperativen Röntgenkontrollen <strong>in</strong> 2 Ebenen sowie Verlaufskontrollen<br />

nach 6 Wochen sowie dann e<strong>in</strong>mal jährlich. (Chochole und Wlk 2008, Morrey 2000)<br />

Ergebnisse:<br />

In der größten vorliegenden Stu<strong>die</strong> bezüglich der Standzeiten von Ellenbogenprothesen<br />

zeigten sich an Hand der Conrad/Morrey Prothese mit e<strong>in</strong>em Nachsorgeuntersuchungszeitraum<br />

von bis zu 31 Jahren sehr gute Werte. Nach 10 Jahren waren noch ca. 80% und nach<br />

153


Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />

▲ Abb. 2a<br />

Abb. 2:<br />

Indikationen für e<strong>in</strong>e Ellenbogenprothese. Implantatversagen (a), chronische Luxation (b), C3-Fraktur des<br />

Ellenbogens (c)<br />

20 Jahren ca. 60% der Prothesen ohne Anzeichen e<strong>in</strong>es Implantatversagens oder e<strong>in</strong>er<br />

Prothesenlockerung. Insges<strong>am</strong>t zeigten sich gute bis sehr gute funktionelle Ergebnisse.<br />

Auch bei der Nachuntersuchung von 20 Patienten im eigenen Patientengut zeigten sich sehr<br />

gute funktionelle Ergebnisse. Es wurden im Mayo-Elbow-Performance-Score durchschnittlich<br />

96 von 100 möglichen Punkten erreicht. Im Schnitt wiesen <strong>die</strong> Patienten e<strong>in</strong>e ROM für<br />

Extension/Flexion von etwa 95° bei weitgehend une<strong>in</strong>geschränkten Umwendbewegungen<br />

auf. In der Regel verbleibt bei den Patienten nach e<strong>in</strong>er Ellenbogenprothese e<strong>in</strong> Streckdefizit<br />

von ca. 20°, <strong>die</strong> Flexion ist jedoch bis ca. 115°–120° gut möglich. Der <strong>über</strong>wiegende<br />

Anteil der Patienten ist im Alltag beschwerdefrei und nicht wesentlich e<strong>in</strong>geschränkt, jedoch<br />

bei <strong>in</strong> der Regel verm<strong>in</strong>dertem Funktionsanspruch auf Grund des mittleren Patientenalters<br />

von <strong>über</strong> 70 Jahren. (Aldridge et al. 2006, Prasad und Dent 2008, eigene Daten)<br />

Fazit:<br />

Im Rahmen der Alterstraumatologie ist <strong>die</strong> Ellenbogentotalendoprothese aus unserer<br />

Sicht e<strong>in</strong>e wichtige zusätzliche Behandlungsoption sowohl für <strong>die</strong> primäre aus auch für<br />

<strong>die</strong> sekundäre Versorgung schwerer Verletzungen des Ellenbogens. Ihr E<strong>in</strong>satz sollte vor<br />

154<br />

► Abb. 2b1 ►► Abb. 2b2<br />

◄◄ Abb. 2c1 ◄ Abb. 2c2<br />

▼ Abb. 2c3


Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />

allem bei älteren Patienten mit schlechter Knochenqualität und/oder Trümmerfrakturen<br />

sowie bei Vorschäden im Rahmen der Therapieplanung mit erwogen werden.<br />

Literatur:<br />

Abb. 3:<br />

postoperative<br />

Röntgenkontrolle<br />

nach Implantation<br />

Aldridge III JM, Lightdale NR, Mallon WJ, Coonrad RW. 2006. Total elbow arthroplasty with<br />

the Coonrad/Coonrad-Morrey prosthesis. A 10- to 31-year survival analysis. J Bone Jo<strong>in</strong>t Surg<br />

Br. 2006 Apr; 88(4):509-14.<br />

Athwal GS, Goetz TJ, Pollock JW, Faber KJ. 2008. Prosthetic replacement for distal humerus<br />

fractures. Orthop Cl<strong>in</strong> North Am 39(2): 201-212<br />

Charissoux JL, Mabit C, Fourastier J, Beccari R, Emily S, Capelli M, Mal<strong>in</strong>gue E, Mansat P,<br />

Hubert L, Proust J, Bratu D, Veillard D, Grandmaison FL, Apard T, Mart<strong>in</strong>el V, Bonnevialle N.<br />

2008. Comm<strong>in</strong>uted <strong>in</strong>tra-articular fractures of the distal humerus <strong>in</strong> elderly patients. Rev<br />

Chir Orthop Reparatrice Appar Mot. 94(4 Suppl): 36-62.<br />

Chochole M, Wlk MV. 2008. Ellenbogen- und Handgelenksendoprothetik beim Rheuma-<br />

tiker – Richtl<strong>in</strong>ien der Rehabilitation. J M<strong>in</strong>er Stoffwechs, 15 (Sonderheft 1):17-20.<br />

Loehr JF, Gschwend N, Simmen BR, Katzer A. 2003. Endoprothetik des Ellenbogens.<br />

Orthopäde, 32:717-722.<br />

McKee M, Veillette C, Hall J, Schemitsch E, Wild L, McCormack R, Perey B, Goetz T, Zomar M,<br />

Moon K. 2009. A multicenter, prospective, randomized, controlled trial of open reduction-<br />

155


Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />

<strong>in</strong>ternal fixation versus total elbow arthroplasty for displaced <strong>in</strong>tra-articular distal humeral<br />

fractures <strong>in</strong> elderly patients. J Shoulder Elbow Surg, 18(1):3-12<br />

Morrey BF. 2000. The elbow and its disorders. Dritte Aufl. Saunders, Philadelphia.<br />

Müller LP, K<strong>am</strong><strong>in</strong>eni S, Rommens PM, Morrey BF. 2005. Primäre totale Ellenbogenprothese<br />

zur Versorgung distaler Humerusfrakturen - Primary Total Elbow Replacement for Fractures<br />

of the Distal Humerus. Operat Orthop Traumatol, 17:119-142.<br />

Prasad N, Dent C. 2008. Outcome of total elbow replacement for distal humeral fractures<br />

<strong>in</strong> the elderly: a comparison of primary surgery and surgery after failed <strong>in</strong>ternal fixation or<br />

conservative treatment. J Bone Jo<strong>in</strong>t Surg Br.2008; 90-B: 343-348.<br />

Kontakt:<br />

Hoffmann, Re<strong>in</strong>hard, Prof. Dr. med.<br />

Ärztlicher Direktor Berufsgenossenschaftliche Unfallkl<strong>in</strong>ik Frankfurt<br />

Friedberger Landstraße 430, 60389 Frankfurt/M.<br />

Chefarzt der Kl<strong>in</strong>ik für Unfallchirurgie und Orthopädische Chirurgie<br />

Kl<strong>in</strong>ikum Offenbach GmbH<br />

Starkenburgr<strong>in</strong>g 66, 63069 Offenbach<br />

156


VI. Sitzung<br />

UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management<br />

UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management<br />

Vorsitz: R. Hoffmann, Frankfurt/A. R. Platz, Ma<strong>in</strong>z<br />

A. Rauch, Ma<strong>in</strong>z<br />

Chr. Wendler, Rüsselsheim<br />

Typische Fallstricke im Reh<strong>am</strong>anagement –<br />

<strong>in</strong> der niedergelassenen Praxis<br />

Zus<strong>am</strong>menfassung:<br />

Die Unfallversicherungsträger praktizieren <strong>in</strong>zwischen fast alle e<strong>in</strong> gutes Reha-Management<br />

das hilft, den Reha-Prozess zielgerichtet und planend zu steuern, so dass im Pr<strong>in</strong>zip <strong>die</strong><br />

Rehabilitation von Unfallverletzten optimal laufen sollte. Dennoch wäre es vermessen zu<br />

behaupten, dass es nicht trotzdem Fälle gibt, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>en suboptimalen Verlauf nehmen. Anhand<br />

e<strong>in</strong>es solchen Falles werden typische Fallstricke im Heilverfahren aufgezeigt, sowohl<br />

auf Seiten der BG, als auch aus der Sicht des niedergelassenen D-Arztes. Vorgestellt wird<br />

e<strong>in</strong>e Schnittverletzung <strong>am</strong> Kle<strong>in</strong>f<strong>in</strong>ger mit Beugesehnenverletzung. Nach anfänglich optimaler<br />

Behandlung, entgleist das Heilverfahren zunehmend. Der Verletzte entgleitet der engmaschigen<br />

Durchgangsärztlichen Betreuung und der Steuerung des Heilverfahrens durch<br />

<strong>die</strong> BG, mit der Folge e<strong>in</strong>er 14-monatigen Behandlungsdauer. Die sich daraus ergebenden<br />

Konsequenzen werden analysiert und vorgestellt.<br />

Schlüsselwörter:<br />

Reha-Management, Reha-Steuerung, Probleme im Heilverfahren, Heilverfahrenssteuerung,<br />

Rehabilitation, Beratungsfacharzt.<br />

Summary:<br />

Today, almost all accident <strong>in</strong>surers practice good rehabilitation management. S<strong>in</strong>ce this<br />

helps <strong>in</strong> plann<strong>in</strong>g and guid<strong>in</strong>g the rehabilitation process to the desired outcome, reha-<br />

bilitation for the victims of <strong>in</strong>juries should, <strong>in</strong> pr<strong>in</strong>ciple, be ideal. Nevertheless, it would be<br />

presumptuous to claim that there are no cases that follow a “suboptimum” course. Just one<br />

such case is used to illustrate the typical stumbl<strong>in</strong>g blocks <strong>in</strong> the treatment process, for both<br />

mutual <strong>in</strong>demnity associations [BG] and from the po<strong>in</strong>t of view of office-based accident<br />

<strong>in</strong>surance consultants [D-Arzt]. The paper presents a laceration of a little f<strong>in</strong>ger with <strong>in</strong>jury<br />

of the flexor tendons. Although <strong>in</strong>itial treatment could not be faulted, the treatment process<br />

bec<strong>am</strong>e <strong>in</strong>creas<strong>in</strong>gly derailed. The patient slipped through the closely woven net of accident<br />

157


UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management<br />

<strong>in</strong>surance consultant treatment and supervision of the treatment process by the BG.<br />

This resulted <strong>in</strong> treatment last<strong>in</strong>g 14 months. The result<strong>in</strong>g consequences are presented<br />

and analysed.<br />

Key words:<br />

Rehabilitation management, rehabilitation supervision, problems <strong>in</strong> the treatment process,<br />

supervis<strong>in</strong>g the treatment process, rehabilitation, consultant<br />

Trotz bestehender Verfahrensrichtl<strong>in</strong>ien im Reha-Management der Berufsgenossenschaften<br />

und Vorgaben <strong>in</strong> der bg-lichen Heilbehandlung durch D-Ärzte und Kl<strong>in</strong>iken kommt<br />

es immer wieder zur Entgleisung von Heilverfahren. Die Folge s<strong>in</strong>d nicht selten <strong>über</strong>lange<br />

Behandlungszeiten und ausufernde Behandlungskosten, ebenso wie unbefriedigende<br />

Behandlungsergebnisse.<br />

Am Beispiel e<strong>in</strong>er Schnittverletzung <strong>am</strong> Kle<strong>in</strong>f<strong>in</strong>ger mit Sehnenverletzung (Fleischerverletzung)<br />

wird e<strong>in</strong> solcher Behandlungsverlauf dargestellt und analysiert. Es handelt sich<br />

um e<strong>in</strong>en 27-jährigen Verletzten, beschäftigt als Zerleger im Akkord <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Schlachthof.<br />

Nach Erstversorgung durch e<strong>in</strong>en H-Arzt erfolgen <strong>die</strong> umgehende Vorstellung des Verletzten<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kl<strong>in</strong>ik der Maximalversorgung und <strong>die</strong> dortige operative Versorgung noch <strong>am</strong><br />

Unfalltag unter stationären Bed<strong>in</strong>gungen. Nach Entlassung aus der Kl<strong>in</strong>ik erfolgt <strong>die</strong> Vorstellung<br />

beim niedergelassenen D-Arzt. Danach beg<strong>in</strong>nt das Heilverfahren zunehmend zu<br />

entgleisen. Nach e<strong>in</strong>maliger Vorstellung beim D-Arzt <strong>am</strong> Entlassungstag aus der stationären<br />

Behandlung, stellt sich der UV erst wieder nach 3 Wochen <strong>in</strong> der Kl<strong>in</strong>ik vor. E<strong>in</strong>e Behandlung<br />

oder Nachschau hatte <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Zeit nicht stattgefunden. Nach Kontrolle, Feststellung<br />

der unbefriedigenden Funktion und nochmaliger Anleitung des Unfallverletzten wird <strong>die</strong>ser<br />

wieder zum D-Arzt verwiesen, wo er wiederum nicht vorstellig wird. Im Verlauf entwickelt<br />

sich e<strong>in</strong>e zunehmende Kontraktur des F<strong>in</strong>gers, <strong>die</strong> zunächst physiotherapeutisch und dann<br />

operativ durch e<strong>in</strong>e Arthrolyse und Tenolyse therapiert wird. Auch der weitere Verlauf ist<br />

unbefriedigend, es entwickelt sich erneut e<strong>in</strong>e Kontraktur, <strong>die</strong> schließlich e<strong>in</strong>e Arthrodese<br />

erforderlich macht. Ungeachtet der durchaus problematischen Verletzung, hätte sich an<br />

mehreren Punkten des Heilverfahrens <strong>die</strong> Möglichkeit zur Intervention ergeben, sowohl<br />

durch <strong>die</strong> Kl<strong>in</strong>ik und den D-Arzt, als auch durch <strong>die</strong> BG. Die Behandlung hätte hierdurch<br />

sicherlich abgekürzt werden können.<br />

Nach Analyse des Falles können folgende Anregungen gegeben werden:<br />

Für den D-Arzt:<br />

• Besondere Berücksichtigung von patientenspezifischen Besonderheiten bzw. Auffälligkeiten<br />

(Compliance, Motivation, Sprachprobleme)<br />

• Frühzeitige, ggf. engmaschige <strong>Bericht</strong>erstattung an <strong>die</strong> BG<br />

• Die Verletzten nicht sich selbst <strong>über</strong>lassen<br />

• Ggf. telefonische Kontaktaufnahme mit BG und mitbehandelnder Kl<strong>in</strong>ik<br />

• Tätigkeitsprofil von der BG e<strong>in</strong>fordern zur Sicherstellung e<strong>in</strong>er zielgerichteten, arbeitsplatzorientierten<br />

Rehabilitation<br />

158


UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management<br />

• Enge Führung des UV, unter Umständen auch mit E<strong>in</strong>bestellung auf Initiative des<br />

D-Arztes und engmaschiger Term<strong>in</strong>vergabe<br />

Für <strong>die</strong> BG:<br />

• Alarmzeichen (wie z.B. Motivationslage des Verletzten, Sprachprobleme, Komplikationen,<br />

sonstige Faktoren, <strong>die</strong> E<strong>in</strong>fluss auf <strong>die</strong> Reha haben könnten) müssen erkannt und ernst<br />

genommen werden, der Fall ist ggf. frühzeitig <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>in</strong>tensive Betreuung durch das Reha-<br />

Management zu <strong>über</strong>nehmen<br />

• Der Beratungsfacharzt ist frühzeitig e<strong>in</strong>zub<strong>in</strong>den – im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Zweitme<strong>in</strong>ung zur<br />

fallbezogenen Reha-Planung, zur Prognose bzgl. des Reha-Verlaufs und ggf. auch zur<br />

Diagnosesicherung<br />

• Die Verletzten dürfen nicht sich selbst <strong>über</strong>lassen werden, sie müssen für ihre eigenen<br />

Reha-Ziele begeistert werden<br />

• Es bedarf e<strong>in</strong>er frühzeitigen telefonischen bzw. persönlichen Kontaktaufnahme mit allen<br />

Beteiligten, <strong>in</strong>sbesondere mit den Verletzten, den Ärzten und dem Arbeitgeber<br />

• Es muss e<strong>in</strong> aussagekräftiges Tätigkeitsprofil erhoben und an <strong>die</strong> Behandler gegeben<br />

werden, wobei praktikable Lösungen <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er kurzen verbalen Beschreibung <strong>in</strong><br />

Verb<strong>in</strong>dung mit e<strong>in</strong>er Fotodokumentation schwer nachvollziehbaren und bürokratischen<br />

Ankreuzbögen vorzuziehen s<strong>in</strong>d<br />

• Gefragt ist e<strong>in</strong>e kreative Bearbeitung – ke<strong>in</strong> „Schema-F“-Vorgehen<br />

• Die BG muss ihre Lotsenfunktion wahrnehmen – nach der Devise „Agieren statt reagieren“<br />

Wesentliche Voraussetzung für e<strong>in</strong>e erfolgreiche Rehabilitation ist e<strong>in</strong>e schnelle und<br />

unbürokratische Kommunikation zwischen allen <strong>am</strong> Reha-Prozess Beteiligten. Insbesondere<br />

<strong>die</strong> behandelnden Ärzte und <strong>die</strong> BG – e<strong>in</strong>schließlich ihrer beratenden Ärzte – sollten<br />

sich als Partner im Reha-Verfahren verstehen, wobei <strong>die</strong> Verletzten bzw. deren berufliche<br />

und soziale Wiedere<strong>in</strong>gliederung im Mittelpunkt allen Handelns stehen. Die BG muss <strong>in</strong><br />

ihrer Lotsenfunktion <strong>die</strong> richtigen Weichen stellen, hierzu ist sie wiederum auf Informationen<br />

durch <strong>die</strong> Behandler angewiesen - angefangen von e<strong>in</strong>er exakten Erstdiagnose bis<br />

h<strong>in</strong> zu eventuellen Hemmnissen im Reha-Prozess. Wenn <strong>die</strong>se Zus<strong>am</strong>menarbeit funktioniert,<br />

können wir auch <strong>in</strong> Zukunft zum Wohl unserer Versicherten dem besonderen BGlichen<br />

Auftrag – der uns von den Krankenkassen unterscheidet – gerecht werden.<br />

Kontakt:<br />

Rauch, Arm<strong>in</strong><br />

Stv. Leiter der Abteilung Rehabilitation<br />

Fleischerei-Berufsgenossenschaft<br />

Lortz<strong>in</strong>gstraße 2, 55127 Ma<strong>in</strong>z<br />

Wendler, Christian, Dr. med.<br />

Arzt für Chirurgie/Unfallchirurgie<br />

Emil-Fuchs-Platz 1, 65428 Rüsselsheim<br />

159


P. Hochste<strong>in</strong>/K. Schumacher<br />

UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management<br />

Typische Fallstricke im Rehabilitations-Management <strong>in</strong> der Akutkl<strong>in</strong>ik<br />

Zus<strong>am</strong>menfassung<br />

Rehabilitations-Management durch <strong>die</strong> Unfallversicherungsträger bedeutet begleiten,<br />

planen, <strong>über</strong>wachen und ggf. <strong>in</strong>tervenieren, um e<strong>in</strong> möglichst optimales Ergebnis für <strong>die</strong><br />

Versicherten zu erzielen. Die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) sieht <strong>die</strong>s als ihre<br />

Verpflichtung gegen<strong>über</strong> Versicherten und Mitgliedern an.<br />

Voraussetzung für Reha-Management ist e<strong>in</strong>e schnelle und offene Kommunikation mit<br />

allen <strong>am</strong> Prozess Beteiligten. Probleme oder Mängel <strong>in</strong> der Kommunikation können <strong>in</strong> allen<br />

Phasen der Rehabilitation Fallstricke darstellen, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e gute und zügige Rehabilitation<br />

verh<strong>in</strong>dern. E<strong>in</strong>en Beitrag zu ihrer Überw<strong>in</strong>dung zu leisten, ist Ziel <strong>die</strong>ses Beitrags.<br />

Schlüsselwörter<br />

Reh<strong>am</strong>anagement, offene Komunikaton, Fallstricke, Kontextfaktoren, Lotsenfunktion.<br />

Summary<br />

Rehabilitation management by accident <strong>in</strong>surance companies means provid<strong>in</strong>g cont<strong>in</strong>uous<br />

support, arrang<strong>in</strong>g, supervis<strong>in</strong>g and – if necessary – <strong>in</strong>terven<strong>in</strong>g, <strong>in</strong> order to achieve the best<br />

possible outcome for the <strong>in</strong>sured. The Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) regards<br />

this as their duty towards <strong>in</strong>sured persons and their members.<br />

Rapid and open communication between all those <strong>in</strong>volved <strong>in</strong> the process is an essential<br />

requirement for Reha management. Problems or deficiencies <strong>in</strong> communication can cause<br />

pitfalls <strong>in</strong> all phases of rehabilitation and prevent effective and speedy rehabilitation. This<br />

purpose of this paper is to suggest ways by which they may be overcome.<br />

Key words<br />

Reha management, open communication, pitfalls, context factors, guid<strong>in</strong>g function.<br />

Warum Reh<strong>am</strong>anagement?<br />

Die Beschäftigung mit typischen Fallstricken im Reha-Management bedeutet <strong>in</strong> ihrer Konsequenz<br />

nichts anderes als Qualitätssicherung. Wir wollen unserer Verpflichtung und unserem<br />

Anspruch nachkommen, <strong>die</strong> Rehabilitation unserer Versicherten mit allen geeigneten<br />

Mitteln sicher zu stellen. Diese Haltung der Berufsgenossenschaften führte schon früher<br />

zu den bekannten und <strong>über</strong>aus bewährten Berufsgenossenschaftlichen Heilverfahren. Wir<br />

161


UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management<br />

haben e<strong>in</strong> großes Interesse daran, <strong>die</strong> Qualität der <strong>in</strong> unserem Auftrag erfolgten mediz<strong>in</strong>ischen<br />

Behandlung zu sichern. Dabei agieren wir <strong>in</strong> dem qualitativ guten System der berufsgenossenschaftlichen<br />

Heilverfahren und haben es daher nur mit e<strong>in</strong>er ger<strong>in</strong>gen Zahl von<br />

problematischen Heilverläufen zu tun.<br />

Die Folgen e<strong>in</strong>er qualitativ schlechten Rehabilitation s<strong>in</strong>d gravierend: Menschliches Leid bis<br />

h<strong>in</strong> zur Invalidität, sozialer Abstieg und hohe Folgekosten für das soziale Sicherungssystem<br />

der gesetzlichen Unfallversicherung.<br />

Sie sollen exemplarisch <strong>am</strong> Beispiel e<strong>in</strong>es 22-jährigen Handwerkers mit e<strong>in</strong>er schlecht<br />

versorgten Sprunggelenksfraktur dargestellt werden.<br />

Die Versorgung der bimalleolären Luxationsfraktur (Fallbeispiel 1) erfolgte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Haus<br />

der Maximalversorgung. Das Ausmaß der Verletzung wurde verkannt, <strong>die</strong> operative Stabilisierung<br />

war unzureichend. Es resultierte e<strong>in</strong> Versagen der Osteosynthese mit Zerstörung<br />

des Sprunggelenkes. Somit musste e<strong>in</strong>e, bei sachgerechter primärer operativer Versorgung<br />

wahrsche<strong>in</strong>lich vermeidbare, Sprunggelenksversteifung erfolgen. Dies hat gravierende<br />

Folgen:<br />

• Verlust e<strong>in</strong>es sicheren und bewusst gewählten Berufes<br />

• Vermeidbare erhebliche E<strong>in</strong>schränkungen der Gesundheit<br />

Fallbeispiel 1:<br />

162


• Umschulung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en nicht geliebten Beruf<br />

• Zusätzliche Behandlungskosten: 20.000,– Euro<br />

• Umschulungskosten: bis zu 100.000,– Euro<br />

• MdE 20% auf Dauer: ca. 100.000,– Euro<br />

• E<strong>in</strong>geschränkte Wettbewerbsfähigkeit auf Dauer<br />

UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management<br />

Derart gravierende Auswirkungen mangelnder Qualität s<strong>in</strong>d allerd<strong>in</strong>gs sehr selten. Es wäre<br />

auch vermessen zu behaupten, dass unerwünschte Unfallfolgen <strong>in</strong> allen Fällen vermeidbar<br />

s<strong>in</strong>d. Es gibt schicksalhafte Verläufe, <strong>die</strong> auch unter optimalen Bed<strong>in</strong>gungen nicht verh<strong>in</strong>dert<br />

werden können. Es gibt allerd<strong>in</strong>gs, wie retrospektive Analysen der Unfallversicherungsträger<br />

gezeigt haben, e<strong>in</strong>e nicht ger<strong>in</strong>ge Zahl von Behandlungs-abläufen, bei denen man<br />

davon ausgehen muss, dass <strong>die</strong> Chance für e<strong>in</strong> besseres Outcome versäumt wurde. Auf <strong>die</strong>se<br />

Erkenntnisse hat <strong>die</strong> VBG vor etwa 8 Jahren mit der Entwicklung und Implementierung von<br />

Rehabilitations-Management reagiert.<br />

Der Reha-Manager als Steuermann, besser Lotse, soll für se<strong>in</strong>e Versicherten den besten<br />

Weg zur Wiederherstellung sicherstellen. Erkennbare Probleme aufdecken, soweit wie<br />

möglich beseitigen und d<strong>am</strong>it Fallstricke im Rehabilitationsprozess elim<strong>in</strong>ieren.<br />

Die Methode „Reha-Management“ hat sich mittlerweile <strong>am</strong> Markt durchgesetzt. Ihre positiven<br />

Effekte s<strong>in</strong>d wissenschaftlich belegt. Es gibt ke<strong>in</strong>e ernst zu nehmenden Stimmen, <strong>die</strong><br />

ihre S<strong>in</strong>nhaftigkeit bestreiten.<br />

Fallauswahl<br />

Bei der Vielzahl der gemeldeten Unfälle ist es nicht notwendig sie dem Reha-Management<br />

zuzuführen. In der Regel s<strong>in</strong>d es <strong>die</strong> mittelschweren und schweren Verletzungen, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>es<br />

Reha-Managements bedürfen.<br />

Die primäre Auswahl der Fälle für das Reha-Management kann, mangels anderweitiger<br />

Informationen nur <strong>über</strong> <strong>die</strong> Diagnose erfolgen! Bei der VBG erfolgt – wie bei den meisten<br />

anderen Berufsgenossenschaften auch – <strong>die</strong> Kategorisierung der Fälle diagnosebezogen.<br />

Über <strong>die</strong> im System h<strong>in</strong>terlegten ICD 10 Schlüssel werden <strong>die</strong> Fälle nach Steuerungstabellen,<br />

<strong>in</strong> drei Bearbeitungskategorien selektiert. Leichtfälle, mittelschwere Fälle des Fall-<br />

Managements und Fälle das Reha-Managments. Dem entsprechen <strong>die</strong> prognostizierten<br />

Behandlungs- und Arbeitsunfähigkeitszeiten, aber auch <strong>die</strong> erwarteten Kostenrahmen und<br />

<strong>die</strong> Bearbeitungs<strong>in</strong>tensität.<br />

E<strong>in</strong> wesentlicher Grund für <strong>die</strong> E<strong>in</strong>führung des Reha-Managements war <strong>die</strong> mangelhafte<br />

Verzahnung der verschiedenen Rehabilitationsphasen. Verschiedentlich wurde von sogenannten<br />

Reha-Löchern gesprochen. Der Grund für <strong>die</strong>se Problematik war und ist mangelnde<br />

Kommunikation zwischen den <strong>am</strong> Reha-Prozess Beteiligten. Folgerichtig wurde <strong>die</strong> VBG-<br />

Methode dialogisches Reha-Management genannt. Die mangelnde Kommunikation ist auch<br />

163


UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management<br />

aus heutiger Sicht immer noch der Fallstrick Nummer 1 für das Reha-Management. Wir<br />

wollen <strong>die</strong>s im Folgenden anhand von Fällen aus der Praxis verdeutlichen.<br />

Fallstricke <strong>in</strong> der Akutphase<br />

Die ersten potenziellen Fallstricke lauern <strong>in</strong> der Phase der Primärdiagnostik und Akutbehandlung.<br />

Hier beg<strong>in</strong>nt meist schon das Dilemma, weil Basisdaten verspätet, unzureichend,<br />

fehlerhaft oder gar nicht <strong>über</strong>mittelt werden. Wenn ke<strong>in</strong>e valide Diagnose gestellt und<br />

<strong>über</strong>mittelt wird, setzt sich <strong>die</strong>ser Fehler <strong>in</strong> der weiteren Fallsteuerung unweigerlich fort.<br />

Der zum Reha-Management als Leitfaden für den „Lotsen“ unterlegte Behandlungskorridor<br />

sowie alle Prognosepar<strong>am</strong>eter s<strong>in</strong>d von <strong>die</strong>sem Basisfehler behaftet.<br />

Dies würde ke<strong>in</strong>e Bedeutung haben, wenn das Heilverfahren optimal laufen würde, was<br />

jedoch leider nicht immer der Fall ist. Zum Abschluss der Akutbehandlung f<strong>in</strong>den wir häufig<br />

e<strong>in</strong>e Lücke <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>leitung s<strong>in</strong>nvoller und notwendiger Rehabilitationsmaßnahmen Rezepte<br />

werden ausgestellt, Beg<strong>in</strong>n und Intensität der Behandlung jedoch nicht durch Absprache<br />

mit den Partnern sichergestellt. Auch im Bereich begleitender Maßnahmen erfolgt e<strong>in</strong>e<br />

unzureichende Kommunikation, so werden erkannte Probleme im sozialen Bereich häufig<br />

nicht zeitgerecht mitgeteilt, der Unfallversicherungsträger kann nicht e<strong>in</strong>greifen, wie es<br />

se<strong>in</strong>e Aufgabe wäre.<br />

Wir wollen <strong>die</strong>s an folgendem Beispielsfall verdeutlichen.<br />

Der Versicherte ist Leiharbeitnehmer, 42 Jahre alt. Er erlitt <strong>am</strong> 05.03.2008 e<strong>in</strong>en Arbeitsunfall.<br />

Hierbei zog er sich e<strong>in</strong>e Tibiakopftrümmerfraktur zu. Er wurde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zum Verletzungsartenverfahren<br />

(VAV) -zugelassenen Haus versorgt. Die erste Kenntnis <strong>über</strong> das<br />

Ereignis erhielten wir <strong>am</strong> 09.04.2008 durch e<strong>in</strong>en H-Arztbericht aus der <strong>am</strong>bulanten Weiterbehandlung.<br />

Am 15.04.08 erhielten wir vom erstbehandelnden Haus sowohl <strong>die</strong> Aufnahmemitteilung<br />

und den Kosten<strong>über</strong>nahmeantrag vom 05.03.08, als auch <strong>die</strong> Entlassungsmitteilung<br />

vom 11.04.08. Bis zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt lag ke<strong>in</strong> D-<strong>Bericht</strong> vor.<br />

E<strong>in</strong> hier sicherlich s<strong>in</strong>nvolles Reha-Management als Unterstützung der ärztlichen Behandlung<br />

konnte daher aufgrund fehlender Informationen nicht zeitnah durchgeführt werden.<br />

Erst <strong>am</strong> 25.04.08 erhielten wir e<strong>in</strong>en Zwischenbericht datiert vom 21.04.08, <strong>die</strong>ser bezog sich<br />

aber auf <strong>die</strong> zwischenzeitlich erfolgte erneute stationäre Aufnahme vom 17.04.08, nicht aber<br />

auf <strong>die</strong> Entlassung vom 03.04.08. Es wurde von e<strong>in</strong>er Wundheilungsstörung nach Tibiakopftrümmerfraktur<br />

berichtet. Als Nebendiagnose wurde im Wortlaut „C2H5OH-Abusus“ angegeben:<br />

„Der Patient weise Verwahrlosungstendenzen auf“.<br />

Der Versicherte wurde von der VBG nach Überprüfung der problematischen häuslichen<br />

Voraussetzungen (alle<strong>in</strong>stehend, ke<strong>in</strong>e Betreuung) <strong>am</strong> 09.05. zur Vermeidung weiterer<br />

Komplikationen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er stationären Rehabilitationse<strong>in</strong>richtung untergebracht. Wobei klar<br />

ist, dass <strong>die</strong> stationäre Maßnahme nur den negativen Begleitumständen geschuldet ist.<br />

164


UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management<br />

Bild 1 Bild 2 Bild 3<br />

Bild 1: pertrochantäre Oberschenkelfraktur – <strong>in</strong> erheblicher Fehlstellung fixiert<br />

Bild 2: Fraktur der Hüftpfanne: Osteosynthese hält Fraktur auf Distanz<br />

Bild 3: Tabiakopffrakrur: Die Fraktur wird <strong>in</strong> erheblicher Impression der Gelenkfläche fixiert<br />

Bei rechtzeitiger und vollständiger Kenntnis der besonderen Umstände <strong>die</strong>ses Falles wäre<br />

viel schneller auf <strong>die</strong> bereits bei der ersten stationären Behandlung im Akutkrankenhaus<br />

bekannten, negativen sozialen Begleitumstände reagiert worden. Diese Kontextfaktoren<br />

s<strong>in</strong>d im Rahmen e<strong>in</strong>es Reha-Managements von enormer Bedeutung und müssen kommuniziert<br />

werden.<br />

Unsere Reha-Manager entwickeln erfahrungsbasiert e<strong>in</strong> Gespür für solche und ähnliche<br />

Fallstricke. Wenn <strong>in</strong> <strong>Bericht</strong>en Nebenbemerkungen, wie im o.g. Fall auftauchen, werden sie<br />

umgehend tätig. Dies betrifft allerd<strong>in</strong>gs durchaus auch mediz<strong>in</strong>ische Aspekte. Erfolgt ke<strong>in</strong>e<br />

exakte Beschreibung des Frakturstandes, sondern Umschreibungen wie befriedigende<br />

Bruchstellung oder reizlos e<strong>in</strong>liegendes Osteosynthesematerial, so führt <strong>die</strong>s <strong>in</strong> vielen<br />

Fällen zur Anforderung von Röntgenbildern.<br />

Drei Beispiele (Bilder 1, 2 und 3) sicherlich höchst problematischer Verletzungsfolgen wurden<br />

<strong>in</strong> der <strong>Bericht</strong>erstattung mit den o.g. Beschreibungen verniedlicht.<br />

In <strong>die</strong>sem Zus<strong>am</strong>menhang ist es auch äußerst <strong>in</strong>teressant, wenn man Beschreibung und<br />

Bewertung von Röntgenbildern während der Behandlung mit denen <strong>am</strong> Ende im Rentenfeststellungsverfahren<br />

gutachterlich erhobenen Beschreibungen und Bewertungen vergleicht.<br />

E<strong>in</strong>e korrekte <strong>Bericht</strong>erstattung ist für e<strong>in</strong>e erfolgreiche Zus<strong>am</strong>menarbeit unerlässliche<br />

Voraussetzung.<br />

Hauptgrund für sche<strong>in</strong>bar verzögerte Rehabilitationsverläufe ist <strong>die</strong> tatsächliche – nicht<br />

kommunizierte – Schwere der Verletzung gefolgt von Komplikationen. Die Kenntnis <strong>die</strong>ser<br />

beiden Faktoren führt zu e<strong>in</strong>er zutreffenden Bewertung der Möglichkeiten unseres Reha-<br />

Managements und nicht zu Konflikten mit den behandelnden Ärzten. Die Unkenntnis <strong>über</strong><br />

Verletzungsschwere oder Komplikationen h<strong>in</strong>gegen erzeugt Zweifel, verursacht <strong>über</strong>flüssige<br />

Nachfragen und d<strong>am</strong>it sowohl bei der VBG als auch bei den Ärzten vermeidbare Aufwände.<br />

165


UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management<br />

Reha-Management soll Defizite bei Behandlungen und Therapie ausgleichen, wenn sie<br />

auszugleichen s<strong>in</strong>d. Hierbei handelt es sich ganz <strong>über</strong>wiegend nicht um ärztliches Versagen,<br />

sondern um Verkettungen vielschichtiger Faktoren. Reha-Management muss <strong>die</strong> für den<br />

Rehabilitationserfolg oftmals entscheidenden, nicht-mediz<strong>in</strong>ischen Kontextfaktoren und<br />

berücksichtigen. Unsere Reha-Manager wissen, dass Arbeitsplatzverlust, Probleme im<br />

f<strong>am</strong>iliären Bereich oder <strong>am</strong> Arbeitsplatz, fehlende Motivation, Suchtproblematiken und<br />

zahlreiche andere Faktoren zur Verlängerung der mediz<strong>in</strong>ischen Behandlung führen können.<br />

Weitere Faktoren können regional sehr unterschiedliche Möglichkeiten der Begleit- und<br />

Nachbehandlung se<strong>in</strong>. Nachvollziehbar und steuerbar werden <strong>die</strong>se Prozesse jedoch erst,<br />

wenn man <strong>die</strong> h<strong>in</strong>dernden Faktoren kennt und gezielt an ihnen arbeiten kann. Auch das<br />

ist <strong>in</strong>tegraler Bestandteil unseres Reha-Managements.<br />

Fallstrickzone zwei<br />

Die zweite potentiell problematische Phase entwickelt sich aus unserer Sicht im Verlauf des<br />

<strong>am</strong>bulanten Heilverfahrens.<br />

Problemlos s<strong>in</strong>d Fälle, <strong>in</strong> denen <strong>die</strong> mediz<strong>in</strong>ische Rehabilitation „zeitgerecht“ <strong>in</strong> <strong>die</strong> Arbeitsfähigkeit<br />

mündet. Sie weisen <strong>in</strong> der Aufarbeitung der Verläufe fast immer e<strong>in</strong>en konsequenten<br />

E<strong>in</strong>satz notwendiger Behandlungsmaßnahmen, e<strong>in</strong>e gute Motivation der Betroffenen<br />

und <strong>die</strong> Abwesenheit von „Störfaktoren“ auf.<br />

Andererseits belegen Analysen von Fehlverläufen, dass <strong>in</strong> <strong>die</strong>sen Fällen <strong>die</strong> mediz<strong>in</strong>ische<br />

Rehabilitation teilweise ohne Konzept erfolgte oder durch <strong>die</strong> Betroffenen selbst nicht<br />

konsequent betrieben wurde. Verläufe mit e<strong>in</strong> bis zweimal wöchentlicher Krankengymnastik<br />

oder immer wieder auftretenden Lücken s<strong>in</strong>d permanent Gründe für e<strong>in</strong>e verzögerte<br />

Wiedere<strong>in</strong>gliederung.<br />

E<strong>in</strong> weiteres Problem zeigt sich <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Phase auch <strong>in</strong> der fehlenden Begrenzung des<br />

eigentlichen mediz<strong>in</strong>ischen Heilverfahrens. Es kommt, zeitlich häufig mit dem Auftreten<br />

sozialer Co-Faktoren verknüpft, zum Fortbestehen erheblicher Beschwerden, obwohl <strong>die</strong>se<br />

mit dem objektivierbaren mediz<strong>in</strong>ischen Befund nicht sicher korreliert werden können.<br />

Dieser Fallstrick lässt sich sehr anschaulich an e<strong>in</strong>em weiteren Beispiel (Fallbeispiel 2)<br />

verdeutlichen.<br />

E<strong>in</strong>e 23 Jahre alte Bankangestellte erleidet bei e<strong>in</strong>em Verkehrsunfall e<strong>in</strong> Thoraxtrauma<br />

sowie e<strong>in</strong>e Becken- und Tibiafraktur. Operativ konnte e<strong>in</strong> optimales Ergebnis erreicht werden.<br />

Auch <strong>in</strong> der anschließenden BGSW Behandlung gab es <strong>die</strong> erwarteten Fortschritte. Trotz<br />

zeitgerechter anatomischer Knochenbruchheilung k<strong>am</strong> es zu Beg<strong>in</strong>n der Arbeits- und Belastungserprobung<br />

zu erheblichen Beschwerden mit Abbruch der Belastungserprobung. Auf<br />

<strong>die</strong> sicherlich auch von dem Behandler wahrgenommene Divergenz zwischen Befund und<br />

166


Fallbeispiel 2:<br />

UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management<br />

Beschwerdebild wurde nicht h<strong>in</strong>gewiesen. Statt dessen wurden weitere Heilbehandlungsmaßnahnen<br />

e<strong>in</strong>geleitet, <strong>die</strong> jedoch sämtlich erfolglos waren. Die sicherlich relevanten<br />

Kontextfaktoren e<strong>in</strong>er sozialen Umfeldproblematik fanden so erst zu e<strong>in</strong>em recht späten<br />

Zeitpunkt <strong>die</strong> erforderliche Beachtung.<br />

Fallstrickzone drei<br />

Probleme durch schlechte Kommunikation drohen auch <strong>am</strong> Ende des mediz<strong>in</strong>ischen Heilverfahrens.<br />

Hier zeigt <strong>die</strong> Erfahrung, dass nicht selten soziale Umfeldprobleme mediz<strong>in</strong>isch abgefedert<br />

werden, obwohl mediz<strong>in</strong>isch e<strong>in</strong> Endzustand bereits längerfristig vorliegt. G<strong>in</strong>g im Laufe der<br />

Behandlung der Arbeitsplatz verloren, so dauert <strong>die</strong> Behandlung ebenso wie <strong>die</strong> Arbeitsunfähigkeit<br />

erfahrungsgemäß erheblich länger, als <strong>in</strong> Fällen, <strong>in</strong> denen <strong>die</strong> Berufstätigkeit<br />

wieder aufgenommen werden konnte.<br />

In vielen Fällen besteht bei den behandelnden Ärzten Unklarheit <strong>über</strong> <strong>die</strong> Arbeitsbeanspruchung.<br />

Dies gilt sowohl für <strong>die</strong> konkreten<br />

Fallbeispiel 2:<br />

Umstände der meist körperlichen Arbeitsbeanspruchung<br />

als auch h<strong>in</strong>sichtlich der<br />

täglichen Arbeitsdauer. Wir erleben es regelmäßig,<br />

dass bei ger<strong>in</strong>gfügig Beschäftigten<br />

(Tätigkeiten im 400,– Euro-Bereich), mit<br />

e<strong>in</strong>er täglichen Arbeitszeit von oftmals nur<br />

zwei bis drei Stunden, von Seiten der behandelnden<br />

Ärzte e<strong>in</strong>e Arbeits- und Belastungserprobung<br />

zur Wiedere<strong>in</strong>gliederung vorgeschlagen<br />

wird.<br />

Ergeben sich aus mediz<strong>in</strong>ischer Sicht<br />

Probleme, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e Arbeits<strong>in</strong>tegration be-<br />

167


UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management<br />

e<strong>in</strong>trächtigen können, so ist <strong>die</strong> Kommunikation mit dem Reha-Manager und e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>-<br />

s<strong>am</strong>es abgestimmtes Vorgehen wichtig. Es ist aber ke<strong>in</strong>eswegs so, dass <strong>die</strong> fehlende Kenn-<br />

tnis der Arbeitsbeanspruchung immer zu e<strong>in</strong>er Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit führen<br />

würde, auch Gegenteiliges ist möglich, wie <strong>die</strong>s e<strong>in</strong> weiteres Beispiel veranschaulicht (Fallbeispiel<br />

3).<br />

Als Beispiel für <strong>die</strong>se Problematik kann <strong>die</strong> Verletzung e<strong>in</strong>es ausgebildeten Hufschmiedes<br />

gelten, der im Metallbau als Leiharbeitsnehmer tätig ist.<br />

Er zieht sich e<strong>in</strong>e komplexe Zeigef<strong>in</strong>gerverletzung zu, <strong>die</strong> im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Grenzzonen-<br />

<strong>am</strong>putation im Grundglied behandelt wurde. Nach 3 Monaten wird von Seiten des behandelnden<br />

Arztes Arbeitsfähigkeit festgestellt. Der Versicherte sieht sich jedoch noch nicht <strong>in</strong><br />

der Lage dazu, <strong>die</strong> Tätigkeit wieder aufzunehmen und wendet sich an se<strong>in</strong>e Berufsgenossenschaft.<br />

Bei der kl<strong>in</strong>ischen Untersuchung zeigt sich e<strong>in</strong>e Amputation im Grundglied des<br />

Zeigef<strong>in</strong>gers mit e<strong>in</strong>er sehr knappen Hautbedeckung. Die E<strong>in</strong>satzfähigkeit der Hand ist<br />

reduziert. Wäre der Versicherte außerhalb des Handwerksbereiches tätig, so wäre e<strong>in</strong>e<br />

Arbeitsfähigkeit plausibel und nachvollziehbar. Im konkreten Fall ist jedoch e<strong>in</strong> Wiedere<strong>in</strong>satz<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Tätigkeit, <strong>in</strong> der der Betroffene mit H<strong>am</strong>mer und Schlaggeräten arbeiten muss,<br />

nicht möglich. E<strong>in</strong>e Analyse des bisherigen Heilverfahrens ergab, dass lediglich Krankengymnastik<br />

verordnet wurde, aber ke<strong>in</strong>e hier sicherlich s<strong>in</strong>nvolle Ergotherapie.<br />

Im Rahmen des Reha-Managements wurde e<strong>in</strong>e ergotherapeutische Behandlung e<strong>in</strong>geleitet,<br />

nach 3 Wochen erreichte der Verletzte e<strong>in</strong>e deutliche Besserung der Handfunktion<br />

bei anhaltender Stumpfempf<strong>in</strong>dlichkeit. Mit dem Versicherten wurde e<strong>in</strong>e auf 3 Wochen<br />

term<strong>in</strong>ierte Arbeits- und Belastungserprobung zur Klärung der Belastbarkeit vere<strong>in</strong>bart.<br />

Als Ergebnis stellte sich heraus, dass wegen der problematischen Stumpfdeckung e<strong>in</strong>e<br />

kraftvolle Handarbeit nicht möglich wurde. Der Betroffene entschloss sich nach Beratung<br />

zu e<strong>in</strong>er Nach<strong>am</strong>putation im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Handverschmälerung.<br />

Notwendige Veränderungen <strong>in</strong> der Kommunikation<br />

Die Notwendigkeit e<strong>in</strong>er veränderten Kommunikation folgt aus der e<strong>in</strong>gangs beschriebenen<br />

Veränderung im berufsgenossenschaftlichen Umfeld.<br />

Hatten wir früher das Modell des bg-lichen Heilverfahrens, mit dem D-Arzt im Zentrum<br />

und dem Sachbearbeiter eher im H<strong>in</strong>tergrund, so br<strong>in</strong>gen sich viele Berufsgenossenschaften<br />

nunmehr stärker als früher <strong>in</strong> das Heilverfahren e<strong>in</strong>. Der Reha-Manager wird als Partner<br />

und Vermittler tätig und steht dem Versicherten und dem D-Arzt zur Seite. Das Reha-Management<br />

kann nur auf gegenseitige Akzeptanz und Verständnis für <strong>die</strong> jeweiligen Kompetenzen<br />

und Aufgaben basieren. Wir halten es für erforderlich um das geme<strong>in</strong>s<strong>am</strong>e Ziel<br />

e<strong>in</strong>er bestmöglichen Rehabilitation für unsere Versicherten zu erreichen. Das moderne<br />

Reha-Management benötigt e<strong>in</strong>e schnelle und offene Kommunikation als Grundvoraussetzung<br />

effektiver Zus<strong>am</strong>menarbeit im Interesse unserer Versicherten.<br />

168


UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management<br />

Wagt man e<strong>in</strong>en Ausblick, so rückt das Reha-Management durch <strong>die</strong> Konzentrierung der<br />

Berufsgenossenschaften auf wenige große Träger mit flächendeckenden Bezirksverwaltungen<br />

räumlich stärker <strong>in</strong> <strong>die</strong> Nähe des Versicherten und somit auch näher an <strong>die</strong> Leistungserbr<strong>in</strong>ger<br />

heran. Es wird sich <strong>in</strong> Zukunft weiterentwickeln zu e<strong>in</strong>em Rehabilitations-Netzwerk<br />

mit der Zielsetzung e<strong>in</strong>er bestmöglichen Wiederherstellung als Ergebnis e<strong>in</strong>es effektiven<br />

Te<strong>am</strong>works.<br />

Kontakt<br />

Hochste<strong>in</strong>, Paul, Dr. med.<br />

Beratender Arzt der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft<br />

Isaac-Fulda-Allee 3, 55124 Ma<strong>in</strong>z<br />

Schumacher, Kay, Ass. jur.<br />

Leiter der Bezirksverwaltung<br />

Verwaltungs-Berufsgenossenschaft<br />

Isaac-Fulda-Allee 3, 55124 Ma<strong>in</strong>z<br />

169


Schlusswort<br />

Prof. Dr. Re<strong>in</strong>hard Hoffmann<br />

Schlusswort<br />

Ich möchte für Sie <strong>die</strong> <strong>Tagung</strong> nochmal ganz kurz Revue passieren lassen und schlagwortartig<br />

zus<strong>am</strong>menfassen.<br />

Zunächst <strong>die</strong> Sitzung gestern zum Thoraxtrauma. Was nehmen wir mit? Nicht erst warten<br />

bis sich Probleme e<strong>in</strong>stellen, sondern sehr früh bei Polytrauma und Lungenkontusion das<br />

RotoRest-Bett® direkt <strong>in</strong>itial e<strong>in</strong>setzen. Rippenosteosynthesen s<strong>in</strong>d out, es sei denn, sie<br />

s<strong>in</strong>d extrem verschoben. Die Thorakoskopie hat e<strong>in</strong>en zunehmenden Stellenwert beim<br />

schweren Thoraxtrauma <strong>in</strong>sbesondere zur Hämatomentlastung. Die großen Gefäßverletzungen<br />

können heute sehr gut mit Stents m<strong>in</strong>imal <strong>in</strong>vasiv versorgt werden. Bei der Bildgebung<br />

ist das konventionelle Röntgenbild immer noch das A und O. Wir haben ja leider immer<br />

mehr Patienten, <strong>die</strong> gar nicht mehr geröntgt wurden, sondern bei denen direkt e<strong>in</strong> Kernsp<strong>in</strong><br />

gemacht wurde. Das ist nicht akzeptabel. Die Sonographie hat ihren Stellenwert <strong>in</strong> der<br />

Praxis, aber auch <strong>in</strong> der Kl<strong>in</strong>ik und vor allen D<strong>in</strong>gen zunehmend <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>. CTs<br />

s<strong>in</strong>d wichtig für <strong>die</strong> Rekonstruktion und für <strong>die</strong> präoperative Planung, zunehmend gerade im<br />

Gelenkbereich. Beim MRT muss man noch sehen, welchen Stellenwert <strong>die</strong> drei Teslaspulen<br />

haben. Das offene MRT ist auch auf dem Vormarsch. Bei den Gutachten haben wir gesehen,<br />

dass Entscheidungskriterien für <strong>die</strong> Kausalität wichtig s<strong>in</strong>d. Wir haben auch gelernt, dass<br />

isolierte, traumatische Meniskusverletzungen offensichtlich doch vorkommen können,<br />

wenn auch sehr, sehr selten. Bei der Wundsitzung haben wir gesehen, dass <strong>die</strong> Kl<strong>in</strong>ik nach<br />

wie vor führend ist. Das ist eigentlich e<strong>in</strong>e B<strong>in</strong>senweisheit, wird aber leider oft vernachlässigt.<br />

E<strong>in</strong> rasches, kompromissloses und konsequentes Handeln ist erforderlich. Wir haben<br />

<strong>über</strong> den Biofilm gehört, wir haben gesehen, dass man bereits nach drei oder spätestens<br />

vier Wochen von e<strong>in</strong>em Spät<strong>in</strong>fekt spricht und dass <strong>die</strong>se schwierigen und komplizierten<br />

Verläufe dann möglichst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em septischen Zentrum behandelt werden sollen. Heute <strong>in</strong><br />

der Ellenbogengelenksitzung haben wir gesehen, dass der Bewegungsfixateur durchaus bei<br />

e<strong>in</strong>igen Indikationen e<strong>in</strong>e Rolle spielt, <strong>die</strong> meisten Luxationen aber konservativ funktionell<br />

gut zur Ausheilung kommen. Wir haben gesehen, dass <strong>die</strong> w<strong>in</strong>kelstabilen Platten für Implantate<br />

auf dem Vormarsch s<strong>in</strong>d und viele Probleme lösen können, aber dass wir durchaus<br />

mit der Endoprothese noch e<strong>in</strong>e Alternative haben. Die letzte Sitzung war <strong>am</strong> heftigsten<br />

diskutiert. Im Reha-Management hat <strong>die</strong> Kommunikation große Bedeutung. Alle Beteiligten<br />

müssen sich um den Patienten kümmern. Kosten müssen reduziert werden. Es handelt sich<br />

nicht nur um e<strong>in</strong>en Fall, sondern immer auch um e<strong>in</strong> persönliches Schicksal.<br />

Ich darf mich bei allen recht herzlich bedanken, <strong>in</strong>sbesondere auch im N<strong>am</strong>en von Prof.<br />

Kirschner beim Landesverband und Herrn Wirthl und <strong>die</strong> ganze Organisation. Alles hat aus<br />

me<strong>in</strong>er Sicht perfekt gepasst, auch das neue Bühnenbild. Ich glaube das ist mal e<strong>in</strong>en Sonderapplaus<br />

wert. Dann natürlich Dank an alle Referenten und Vorsitzenden, an <strong>die</strong> Aussteller,<br />

<strong>die</strong> e<strong>in</strong>e solche Veranstaltungen ja immer erst möglich machen, und natürlich an Sie<br />

als Auditorium für <strong>die</strong> guten und kritischen Beiträge.<br />

171


Die gesetzliche Unfallversicherung – wer wir s<strong>in</strong>d.<br />

Ich freue mich auf e<strong>in</strong> Wiedersehen, spätestens <strong>in</strong> zwei Jahren oder bei anderen Veranstaltungen<br />

natürlich auch sehr gerne, und würde Sie nochmal bitten, <strong>die</strong> Formulare auszufüllen<br />

und entsprechend abzugeben. Ich wünsche Ihnen e<strong>in</strong>e gute Heimfahrt.<br />

Vielen Dank.<br />

172


Verzeichnis der Referenten und Vorsitzenden<br />

Blum, Jochen, Prof. Dr. med.<br />

Chefarzt der Kl<strong>in</strong>ik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie<br />

Chirurgische Kl<strong>in</strong>ik II, Kl<strong>in</strong>ikum Worms gGmbH<br />

Gabriel-von-Seidl-Straße 81, 67550 Worms<br />

Verzeichnis der Referenten und Vorsitzenden<br />

Braunschweig, Ra<strong>in</strong>er, Dr. med.<br />

Direktor der Kl<strong>in</strong>ik für bildgebende Diagnostik und Interventionsradiologie<br />

Berufsgenossenschaftliche Kl<strong>in</strong>iken Bergmannstrost<br />

Merseburger Straße 165, 06112 Halle/Saale<br />

Ennker, Jürgen, Priv. Doz. Dr. med.<br />

Ärztlicher Direktor MediCl<strong>in</strong> Herzzentrum Lahr/Baden<br />

Chefarzt der Kl<strong>in</strong>ik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie<br />

Hohbergweg 2, 77933 Lahr<br />

Erl<strong>in</strong>ghagen, Norbert, Ass. jur.<br />

Geschäftsführer der Bezirksverwaltung Bonn der Bergbau Berufsgenossenschaft<br />

und der Ste<strong>in</strong>bruchs-Berufsgenossenschaft<br />

Peter-Hensen-Straße 1, 53175 Bonn<br />

Gerlach, Ulf Joachim, Dr. med.<br />

Leitender Arzt Septische Knochen- und Weichteilchirurgie,<br />

Berufsgenossenschaftliches Unfallkrankenhaus,<br />

Bergedorfer Straße 10, 21033 H<strong>am</strong>burg<br />

Hedtmann, Achim, Priv. Doz. Dr. med.<br />

Kl<strong>in</strong>ik Fleet<strong>in</strong>sel H<strong>am</strong>burg GmbH & Co KG<br />

Admiralitätsstraße 4, 20459 H<strong>am</strong>burg<br />

Heppert, Volkmar, Dr. med.<br />

Chefarzt der Abteilung für Septische Chirurgie - Knochen-, Gelenkund<br />

Prothesen<strong>in</strong>fektionen<br />

Berufsgenossenschaftliche Unfallkl<strong>in</strong>ik Ludwigshafen<br />

Ludwig-Guttmann-Straße 13, 67071 Ludwigshafen<br />

Hermichen, Honke Georg, Dr. med.<br />

Chefarzt der Kl<strong>in</strong>ik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie/Orthopädische Chirurgie<br />

Städtische Kl<strong>in</strong>iken Neuss, Lukaskrankenhaus GmbH<br />

Preußenstraße 84, 41464 Neuss<br />

Stv. Geschäftsführendes Mitglied bei der Gutachterkommission<br />

für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztek<strong>am</strong>mer Nordrhe<strong>in</strong><br />

Tersteegenstraße 9, 40474 Düsseldorf<br />

173


Verzeichnis der Referenten und Vorsitzenden<br />

Hochste<strong>in</strong>, Paul, Dr. med.<br />

Beratender Arzt der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft<br />

Isaac-Fulda-Allee 3, 55124 Ma<strong>in</strong>z<br />

Hoffmann, Re<strong>in</strong>hard, Prof. Dr. med.<br />

Ärztlicher Direktor Berufsgenossenschaftliche Unfallkl<strong>in</strong>ik Frankfurt<br />

Friedberger Landstraße 430, 60389 Frankfurt/M.<br />

Chefarzt der Kl<strong>in</strong>ik für Unfallchirurgie und Orthopädische Chirurgie<br />

Kl<strong>in</strong>ikum Offenbach GmbH<br />

Starkenburgr<strong>in</strong>g 66, 63069 Offenbach<br />

Hofmann, Gunther O., Prof. Dr. Dr. med.<br />

Ärztlicher Direktor Berufsgenossenschaftliche Kl<strong>in</strong>iken Bergmannstrost<br />

Merseburger Straße 165, 06112 Halle<br />

Direktor der Kl<strong>in</strong>ik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie<br />

Kl<strong>in</strong>ikum der Friedrich-Schiller-Universität<br />

Erlanger Allee 101, 07747 Jena<br />

Jäger, Alw<strong>in</strong>, Dr. med.<br />

Chefarzt der Abteilung für Sportorthopä<strong>die</strong>, Knie- und Schulterchirurgie<br />

Berufsgenossenschaftliche Unfallkl<strong>in</strong>ik Frankfurt<br />

Friedberger Landstraße 430, 60389 Frankfurt/M.<br />

Kirschner, Peter, Prof. Dr. med.<br />

Beratender Arzt<br />

Landesverband Mitte der <strong>Deutsche</strong>n Gesetzlichen Unfallversicherung<br />

(DGUV)<br />

Wilhelm-Theodor-Römheld-Straße 15, 55130 Ma<strong>in</strong>z<br />

Marzi, Ingo, Prof. Dr. med.<br />

Direktor der Kl<strong>in</strong>ik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie<br />

Kl<strong>in</strong>ikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt <strong>am</strong> Ma<strong>in</strong><br />

Theodor-Stern-Kai 7, 60596 Frankfurt/M.<br />

Müller, Lars Peter, Priv. Doz. Dr. med.<br />

Oberarzt der Kl<strong>in</strong>ik und Polikl<strong>in</strong>ik für Unfallchirurgie<br />

Kl<strong>in</strong>ikum der Johannes Gutenberg-Universität<br />

Langenbeckstraße 1, 55131 Ma<strong>in</strong>z<br />

Platz, Albert R., Dr. jur.<br />

Landesdirektor<br />

Landesverband Mitte der <strong>Deutsche</strong>n Gesetzlichen Unfallversicherung<br />

(DGUV)<br />

Wilhelm-Theodor-Römheld-Straße 15, 55130 Ma<strong>in</strong>z<br />

174


Rauch, Arm<strong>in</strong><br />

Stv. Leiter der Abteilung Rehabilitation<br />

Fleischerei-Berufsgenossenschaft<br />

Lortz<strong>in</strong>gstraße 2, 55127 Ma<strong>in</strong>z<br />

Ril<strong>in</strong>ger, Norbert, Prof. Dr. med.<br />

Chefarzt der Abteilung für Diagnostische und Interventionelle<br />

Radiologie<br />

Berufsgenossenschaftliche Unfallkl<strong>in</strong>ik Frankfurt<br />

Friedberger Landstraße 430, 60389 Frankfurt/M.<br />

Ärztlicher Direktor der Kl<strong>in</strong>ikum Offenbach GmbH<br />

Chefarzt des Zentral<strong>in</strong>stituts für Radiologie<br />

Starkenburgr<strong>in</strong>g 66, 63069 Offenbach <strong>am</strong> Ma<strong>in</strong><br />

Rommens, Pol M. Prof. Dr. med. Dr. h.c.<br />

Direktor der Kl<strong>in</strong>ik und Polikl<strong>in</strong>ik für Unfallchirurgie<br />

Kl<strong>in</strong>ikum der Johannes Gutenberg-Universität<br />

Langenbeckstraße 1, 55131 Ma<strong>in</strong>z<br />

Ruchholtz, Steffen, Prof. Dr. med.<br />

Direktor der Kl<strong>in</strong>ik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungs-<br />

chirurgie<br />

Universitätskl<strong>in</strong>ikum Gießen und Marburg GmbH<br />

Bald<strong>in</strong>ger Straße, 35043 Marburg<br />

Schirren, Carl Joachim, Priv.-Doz. Dr. med.<br />

Leiter der Abteilung für Thoraxchirurgie der Kerckhoff-Kl<strong>in</strong>ik<br />

Benekestraße 2 bis 8, 61231 Bad Nauheim<br />

Schnettler, Re<strong>in</strong>hard, Prof. Dr. Dr. med.<br />

Direktor der Kl<strong>in</strong>ik und Polikl<strong>in</strong>ik für Unfallchirurgie<br />

Universitätskl<strong>in</strong>ikum Gießen und Marburg GmbH<br />

Kl<strong>in</strong>ikum der Justus-Liebig-Universität<br />

Rudolf-Buchheim-Straße 7, 35392 Gießen<br />

Schumacher, Kay, Ass. jur.<br />

Leiter der Bezirksverwaltung<br />

Verwaltungs-Berufsgenossenschaft<br />

Isaac-Fulda-Allee 3, 55124 Ma<strong>in</strong>z<br />

Stu<strong>die</strong>r-Fischer, Stefan, Dr. med.<br />

Oberarzt der Kl<strong>in</strong>ik für Unfallchirurgie und Orthopä<strong>die</strong><br />

Berufsgenossenschaftlichen Unfallkl<strong>in</strong>ik Ludwigshafen<br />

Ludwig-Guttmann-Straße 13, 67071 Ludwigshafen<br />

Verzeichnis der Referenten und Vorsitzenden<br />

175


Verzeichnis der Referenten und Vorsitzenden<br />

Vogl, Thomas J., Prof. Dr. med.<br />

Zentrum der Radiologie<br />

Direktor des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie<br />

Kl<strong>in</strong>ikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt<br />

Theodor-Stern-Kai 7, 60596 Frankfurt<br />

Walter, Gerhard, Dr. med.<br />

Chefarzt der Abteilung Septische Chirurgie<br />

Berufsgenossenschaftliche Unfallkl<strong>in</strong>ik Frankfurt<br />

Friedberger Landstraße 430, 60389 Frankfurt/M.<br />

Weise, Kuno, Prof. Dr. med.<br />

Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallkl<strong>in</strong>ik Tüb<strong>in</strong>gen<br />

Schnarrenbergstraße 95, 72076 Tüb<strong>in</strong>gen<br />

Wenda, Klaus, Prof. Dr. med.<br />

Direktor der Kl<strong>in</strong>ik für Unfall-, Hand- und Orthopädische Chirurgie<br />

HSK Dr. Horst Schmidt Kl<strong>in</strong>ik<br />

Ludwig-Erhard-Straße 100, 65199 Wiesbaden<br />

Wendler, Christian, Dr. med.<br />

Arzt für Chirurgie/Unfallchirurgie<br />

Emil-Fuchs-Platz 1, 65428 Rüsselsheim<br />

Wentzensen, Andreas, Prof. Dr. med.<br />

Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallkl<strong>in</strong>ik Ludwigshafen<br />

Ludwig-Guttmann-Straße 13, 67071 Ludwigshafen<br />

W<strong>in</strong>ker, Karl He<strong>in</strong>rich, Prof. Dr. med.<br />

Chefarzt der Kl<strong>in</strong>ik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie<br />

HELIOS Kl<strong>in</strong>ikum<br />

Nordhäuser Straße 74, 99089 Erfurt<br />

W<strong>in</strong>kler, Hartmut, Priv. Doz. Dr. med.<br />

Chefarzt der Kl<strong>in</strong>ik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie<br />

Westpfalz-Kl<strong>in</strong>ikum GmbH<br />

Hellmut-Hartert-Straße 1, 67655 Kaiserslautern<br />

176

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