Bericht über die Unfallmedizinische Tagung in Mainz am - Deutsche ...
Bericht über die Unfallmedizinische Tagung in Mainz am - Deutsche ...
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<strong>Bericht</strong> <strong>über</strong> <strong>die</strong><br />
<strong>Unfallmediz<strong>in</strong>ische</strong> <strong>Tagung</strong><br />
<strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z <strong>am</strong> 8./9. November 2008 | Heft 108
ISBN 3-88383-082-8<br />
© 2009 <strong>Deutsche</strong> Gesetzliche Unfallversicherung<br />
Landesverband Mitte<br />
Ges<strong>am</strong>therstellung:<br />
gzm Grafisches Zentrum Ma<strong>in</strong>z Bödige GmbH<br />
Dekan-Laist-Straße 38, 55129 Ma<strong>in</strong>z
nhalt
Inhaltsverzeichnis<br />
Begrüßung Dr. Albert Platz 9<br />
Grußwort Frau Malu Dreyer 11<br />
Begrüßung Prof. Dr. Peter Kirschner 15<br />
I. Sitzung<br />
Thoraxtrauma – Update Komb<strong>in</strong>ationsverletzungen<br />
Vorsitz: Kirschner, Ma<strong>in</strong>z/Schirren, Bad Nauheim<br />
Rippenfrakturen, Sternumfrakturen, 17<br />
Komb<strong>in</strong>ationsverletzungen (Sternum – Rippen – Wirbelsäule)<br />
Marzi, Frankfurt<br />
Lungenverletzungen 25<br />
Schirren/Tra<strong>in</strong>er, Bad Nauheim<br />
– Manuskript lag zum Zeitpunkt des Drucks nicht vor –<br />
Herzverletzungen und Verletzungen großer thorakaler Gefäße 27<br />
Ennker, Lahr<br />
II. Sitzung<br />
Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll<br />
Vorsitz: Ril<strong>in</strong>ger, Frankfurt/W<strong>in</strong>ker, Erfurt<br />
Sonographie 35<br />
Ruchholtz, Marburg/Hedtmann, H<strong>am</strong>burg<br />
– Manuskript lag zum Zeitpunkt des Drucks nicht vor –<br />
Die Computertomographie <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – was ist s<strong>in</strong>nvoll 37<br />
Blum, Worms/Braunschweig, Halle<br />
Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist s<strong>in</strong>nvoll? 45<br />
MRT aus radiologischer Sicht<br />
Vogl, Frankfurt/Jäger, Frankfurt<br />
Impulsreferat<br />
Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler – 53<br />
Bedrohung oder Unterstützung<br />
Hermichen, Neuss<br />
– Manuskript lag zum Zeitpunkt des Drucks nicht vor –<br />
3
Inhaltsverzeichnis<br />
III. Sitzung<br />
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
Vorsitz: Weise, Tüb<strong>in</strong>gen/Platz, Ma<strong>in</strong>z<br />
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an? 55<br />
Rechtliche Grundlagen<br />
Erl<strong>in</strong>ghagen, Bonn<br />
Begutachtung der Schulter – Rotatorenmanschette 67<br />
Stu<strong>die</strong>r-Fischer, Ludwigshafen<br />
Begutachtung des Kniegelenks bei Meniskus- und Bandläsionen 73<br />
Weise, Tüb<strong>in</strong>gen<br />
Gutachten bei Osteitis – Expert op<strong>in</strong>ion <strong>in</strong> osteitis 83<br />
Schnettler, Gießen<br />
IV. Sitzung<br />
Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />
Vorsitz: Hofmann, Halle/Schnettler, Gießen<br />
4<br />
Weichgewebsmanagement 93<br />
Hofmann, Halle<br />
Gelenk<strong>in</strong>fekt und <strong>in</strong>fizierte Endoprothese 105<br />
Heppert, Ludwigshafen<br />
Osteitis – Früh<strong>in</strong>fekt 115<br />
Walter, Frankfurt<br />
Infekt – (Defekt) – Pseudarthrose 121<br />
Gerlach, H<strong>am</strong>burg
V. Sitzung<br />
Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />
Vorsitz: Wentzensen, Ludwigshafen/Hoffmann, Frankfurt<br />
Lig<strong>am</strong>entäre Verletzungen und Luxationen des Ellenbogens 127<br />
Müller, Ma<strong>in</strong>z<br />
Distale Humerusfrakturen 135<br />
Wentzensen, Ludwigshafen<br />
– Manuskript lag zum Zeitpunkt des Drucks nicht vor –<br />
Olecranon- und Monteggiafrakturen 137<br />
Wenda, Wiesbaden<br />
K<strong>in</strong>dliche Ellenbogenfrakturen 141<br />
W<strong>in</strong>kler, Kaiserslautern<br />
Ellenbogenprothese nach Trauma 151<br />
Hoffmann, Frankfurt<br />
VI. Sitzung<br />
UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management<br />
Vorsitz: Hoffmann, Frankfurt/Platz, Ma<strong>in</strong>z<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Typische Fallstricke im Reh<strong>am</strong>anagement – <strong>in</strong> der niedergelassenen Praxis 157<br />
Rauch, Ma<strong>in</strong>z/Wendler, Rüsselsheim<br />
Fallstricke im Rehabilitations-Management 161<br />
Schumacher, Ma<strong>in</strong>z/Hochste<strong>in</strong>, Ma<strong>in</strong>z<br />
Schlussworte Prof. Dr. Hoffmann 171<br />
Verzeichnis der Referenten und Vorsitzenden 173<br />
5
ußwort
Dr. Albert Platz<br />
Sehr geehrte Frau M<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> Dreyer,<br />
sehr geehrte D<strong>am</strong>en und Herren,<br />
Begrüßung<br />
herzlich willkommen zur 29. <strong>Unfallmediz<strong>in</strong>ische</strong>n <strong>Tagung</strong> des Landesverbandes Mitte der<br />
<strong>Deutsche</strong>n Gesetzlichen Unfallversicherung.<br />
Die <strong>Unfallmediz<strong>in</strong>ische</strong> <strong>Tagung</strong> fällt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e für <strong>die</strong> Unfallversicherungsträger turbulente<br />
Zeit. In der vergangenen Woche wurde das Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz<br />
verkündet. E<strong>in</strong> Gesetz, das ursprünglich als umfassendes Reformgesetz <strong>die</strong> gesetzliche<br />
Unfallversicherung neu ordnen sollte. In dem ersten Entwurf spielte auch das Leistungsrecht<br />
e<strong>in</strong>e wichtige Rolle. Das Reformgesetz wurde <strong>in</strong> der politischen Diskussion zu e<strong>in</strong>em<br />
Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz . Hauptgrund für <strong>die</strong>se Veränderungen war,<br />
dass h<strong>in</strong>sichtlich e<strong>in</strong>er Neuordnung des Leistungsrechts ke<strong>in</strong> Konsens <strong>in</strong> der Politik und ke<strong>in</strong><br />
Konsens bei den beteiligten Sozialpartnern gefunden werden konnte. Wichtigste Ziele des<br />
UVMG s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Organisationsreform der gesetzlichen Unfallversicherung, <strong>die</strong> Lösung der<br />
Altlastenproblematik sowie <strong>die</strong> Modernisierung der Verwaltungsstrukturen. Die Selbstverwaltung<br />
der Unfallversicherungsträger wird beauftragt, durch Fusionen <strong>in</strong> eigener Verantwortung<br />
<strong>die</strong> Zahl der Unfallversicherungsträger deutlich zu reduzieren und d<strong>am</strong>it nachhaltig<br />
leistungsfähige Träger zu schaffen. Die Verteilung der Altlasten wird auf der Basis e<strong>in</strong>es<br />
von der Selbstverwaltung der Berufsgenossenschaften entwickelten Konzepts neu gestaltet<br />
und schließlich wird auch das ges<strong>am</strong>te Vermögensrecht der Unfallversicherungsträger neu<br />
geordnet. Die Reform des Leistungsrechtes und d<strong>am</strong>it auch Fragen, <strong>die</strong> Sie als Leistungserbr<strong>in</strong>ger<br />
<strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie berühren, ist aufgeschoben.<br />
Unabhängig von <strong>die</strong>sem Gesetz haben <strong>die</strong> Spitzenverbände der Unfallversicherungsträger –<br />
der ehemalige Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften und der Bundesverband<br />
der Unfallkassen – im vergangenen Jahr fusioniert. Daraus entstand <strong>die</strong> <strong>Deutsche</strong><br />
Gesetzliche Unfallversicherung e.V. (DGUV). Hieran geknüpft wurde auch e<strong>in</strong>e Neuordnung<br />
der Landesverbände. Der Landesverband Hessen-Mittelrhe<strong>in</strong> und Thür<strong>in</strong>gen wurde zum<br />
Landesverband Mitte und ist nun neben Hessen und Thür<strong>in</strong>gen auch für ges<strong>am</strong>t Rhe<strong>in</strong>land-<br />
Pfalz zuständig. Me<strong>in</strong>e sehr verehrten D<strong>am</strong>en und Herren, ich versichere Ihnen aber, dass<br />
sich lediglich unser N<strong>am</strong>e und unser Zuständigkeits-bereich verändert haben. An der<br />
Qualität unserer Arbeit sowie der guten und partnerschaftlichen Zus<strong>am</strong>menarbeit mit Ihnen<br />
werden wir weiterh<strong>in</strong> festhalten.<br />
Herzlich willkommen heiße ich auch Frau M<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> Malu Dreyer und freue mich sehr, dass<br />
Sie es ermöglichen konnten, <strong>die</strong>se für uns wichtige Veranstaltung mit e<strong>in</strong>em Grußwort zu<br />
eröffnen.<br />
An <strong>die</strong>sem Wochenende haben wir uns e<strong>in</strong> umfangreiches und anspruchsvolles Progr<strong>am</strong>m<br />
vorgenommen. Ich danke ganz besonders den wissenschaftlichen Leitern der <strong>Tagung</strong>, den<br />
Herren Professor Kirschner und Professor Hoffmann für <strong>die</strong> Vorbereitung des Progr<strong>am</strong>ms.<br />
9
Begrüßung<br />
Dass wir mit der Vorbereitung des Progr<strong>am</strong>ms nicht falsch liegen, demonstriert alle<strong>in</strong> schon<br />
<strong>die</strong> Zahl der Anmeldungen. Es s<strong>in</strong>d m<strong>in</strong>destens etwa 900, <strong>die</strong> an der Veranstaltung teilnehmen<br />
werden.<br />
Me<strong>in</strong> besonderer Dank gilt an <strong>die</strong>ser Stelle allerd<strong>in</strong>gs vor allem auch den Referenten, <strong>die</strong><br />
trotz ihrer oft angespannten Term<strong>in</strong>situation nicht gezögert haben, uns heute und morgen<br />
als Vortragende und Moderatoren zur Verfügung zu stehen.<br />
Auch möchte ich mich herzlich bei den Firmen <strong>in</strong> der Industrieausstellung sowie den großzügigen<br />
Sponsoren bedanken, ohne <strong>die</strong> <strong>die</strong> Veranstaltung nicht möglich wäre. Insbesondere<br />
danke ich der Firma Hifi-Klang für <strong>die</strong> Bereitstellung der allerneusten HD-Präsentationstechnologie<br />
sowie den Autoherstellern Audi und Lexus für den Shuttle-Service. Auch unser<br />
Kaffee ist gesponsert, <strong>die</strong>smal von der Firma Tchibo. Allerd<strong>in</strong>gs erlauben wir uns dafür<br />
e<strong>in</strong>en Euro zu nehmen pro Tasse, den wir e<strong>in</strong>em wohltätigen Zweck zukommen lassen,<br />
nämlich dem Landesverband „Früh- und Risikogeborene K<strong>in</strong>der Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz“, der sich<br />
um <strong>die</strong> Verbesserung der Versorgung <strong>die</strong>ser K<strong>in</strong>der und <strong>die</strong> Betreuung der Eltern bemüht.<br />
Es wäre schön, wenn Sie auch das <strong>in</strong>nerlich mittragen und beim Kaffee dann e<strong>in</strong>en Euro<br />
bereithalten.<br />
Ich freue mich, Ihnen – nach e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>formativen Tag – mit unserem heutigen Gesellschaftsabend<br />
e<strong>in</strong> wenig Unterhaltung mit nicht nur kul<strong>in</strong>arischen Genüsse bieten zu können. Für<br />
<strong>die</strong> angemeldeten Gäste haben wir ab 19.00 Uhr den Transfer zum nahe gelegenen Favorite-<br />
Parkhotel organisiert. Bis etwa 20 Uhr stehen Ihnen hierfür Busse im Pendelverkehr zur<br />
Verfügung. Die Busse warten an der Haltestelle vor dem Eisernen Turm <strong>in</strong> der Rhe<strong>in</strong>straße<br />
genau schräg gegen<strong>über</strong> der Rhe<strong>in</strong>goldhalle. Die Pendelbusse können Sie natürlich auch<br />
später für <strong>die</strong> Rückfahrt nutzen.<br />
Soweit zum Organisatorischen. Jetzt darf ich unsere <strong>Tagung</strong> eröffnen und freue mich auf das<br />
Grußwort von Ihnen, Frau M<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> Dreyer.<br />
Vielen Dank, me<strong>in</strong>e D<strong>am</strong>en und Herren.<br />
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Malu Dreyer, M<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> für Arbeit, Soziales, Gesundheit, F<strong>am</strong>ilie und Frauen<br />
des Landes Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz<br />
Grußwort<br />
E<strong>in</strong>en schönen guten Morgen me<strong>in</strong>e sehr geehrten Herren, me<strong>in</strong>e sehr geehrten D<strong>am</strong>en, sehr<br />
geehrter Herr Dr. Platz, sehr geehrter Herr Professor Kirschner, sehr geehrter Herr Professor<br />
Hoffmann, sehr geehrte Teilnehmer <strong>die</strong>ser <strong>Tagung</strong>,<br />
auch ich möchte Sie sehr sehr herzlich begrüßen. Ich freue mich, dass Sie wieder <strong>in</strong> das wunderschöne<br />
Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz gekommen s<strong>in</strong>d, falls Sie aus den angrenzenden Bundesländern<br />
kommen, und ich freue mich auch, dass <strong>die</strong> 29. <strong>Unfallmediz<strong>in</strong>ische</strong> <strong>Tagung</strong>, <strong>die</strong> ja <strong>in</strong>zwischen<br />
Tradition hat, tatsächlich auch immer wieder hier <strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z stattf<strong>in</strong>det <strong>in</strong> unserer schönen<br />
Landeshauptstadt. Ich begrüße Sie herzlich und darf auch alle hochkarätigen Fachkräfte aus<br />
ihrem Bereich herzlich begrüßen.<br />
Sie haben natürlich aktuelle Themen heute zu besprechen, auf <strong>die</strong> ich nicht e<strong>in</strong>gehen kann.<br />
Ich b<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e Mediz<strong>in</strong>er<strong>in</strong>, aber ich möchte e<strong>in</strong> paar Schlaglichter setzen zum Thema Gesundheitspolitik,<br />
aber auch zur Unfallmediz<strong>in</strong> und zum Arbeitsschutz <strong>in</strong>sges<strong>am</strong>t.<br />
Ich sage es immer wieder gern und auch sehr bewusst zu Beg<strong>in</strong>n me<strong>in</strong>er Ausführungen,<br />
dass ich persönlich der Auffassung b<strong>in</strong>, dass wir nach wie vor e<strong>in</strong> Gesundheitssystem <strong>in</strong><br />
Deutschland haben, <strong>über</strong> das wir sehr froh se<strong>in</strong> können, das auch sehr leistungsstark ist und<br />
das immerh<strong>in</strong> auch Arbeitgeber für 4,3 Millionen Menschen <strong>in</strong> unserem Land ist – Tendenz<br />
steigend. Und <strong>die</strong>se Menschen machen gute Arbeit, sie machen e<strong>in</strong>e gute Versorgung, mediz<strong>in</strong>ische<br />
Versorgung auf hohem Niveau, und sie tun es <strong>in</strong> aller Regel auch mit e<strong>in</strong>em außergewöhnlichen<br />
Engagement und dafür möchte ich mich herzlich bedanken bei Ihnen allen,<br />
<strong>die</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Bereich tätig s<strong>in</strong>d. Ich denke, <strong>die</strong> Menschen spüren das immer sehr genau, ob<br />
Ärzte, Ärzt<strong>in</strong>nen, Pfleger, Pfleger<strong>in</strong>nen engagiert und auch mit Herz an der Arbeit s<strong>in</strong>d und<br />
natürlich vorausgesetzt ist immer ihre hohe Kompetenz, <strong>die</strong> sie ja mitbr<strong>in</strong>gen.<br />
Ich möchte nochmal betonen, dass ich der Auffassung b<strong>in</strong>, dass unsere Krankenversicherung<br />
auch vom Pr<strong>in</strong>zip der Solidarität lebt und wenn man <strong>in</strong> Zeiten der F<strong>in</strong>anzkrise e<strong>in</strong>en Blick <strong>in</strong><br />
andere Länder wirft, dann kann man eigentlich nur unglaublich froh se<strong>in</strong>, dass <strong>die</strong> Menschen<br />
hier versichert s<strong>in</strong>d, unabhängig von ihrem <strong>in</strong>dividuellen Krankheitsrisiko, unabhängig von<br />
ihrem <strong>in</strong>dividuellen Geldbeutel. Nach wie vor denke ich, dass das e<strong>in</strong> Ziel se<strong>in</strong> muss, das<br />
auch <strong>in</strong> Zukunft sichergestellt ist. Und d<strong>am</strong>it wäre ich beim Thema „Reform <strong>in</strong> der Gesundheitspolitik“.<br />
Als Sozialpolitiker<strong>in</strong> – ich b<strong>in</strong> jetzt immerh<strong>in</strong> schon 6 ½ Jahre M<strong>in</strong>ister<strong>in</strong>, auch für Gesundheit;<br />
ich glaube ich b<strong>in</strong> <strong>die</strong> Amtsälteste <strong>in</strong>zwischen aller Bundesländern - weiß ich e<strong>in</strong>fach,<br />
Gesundheit ist immer e<strong>in</strong> Thema, das sich im Prozess bef<strong>in</strong>det. Das gilt für Sie, was den medi-<br />
z<strong>in</strong>ischen Wandel betrifft, das gilt aber auch für alle anderen Kriterien, <strong>die</strong> d<strong>am</strong>it zus<strong>am</strong>menhängen<br />
und deshalb haben wir auch immer wieder Reformen und werden auch <strong>in</strong> Zukunft<br />
immer wieder Reformen haben. Das liegt auch <strong>in</strong> der Natur der Sache. Die letzte Reform, das<br />
GKV-WSG – es ist ja vor e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>halb Jahren <strong>in</strong> Kraft getreten – war reichlich umstritten und<br />
11
Grußwort<br />
ist es immer noch. Ich kann sagen, dass ich der Auffassung b<strong>in</strong>, dass nicht alles gefällt, aber<br />
e<strong>in</strong>iges doch auch ganz gut gelungen ist und ich glaube auch, dass <strong>die</strong> Grundausrichtung<br />
<strong>in</strong>sges<strong>am</strong>t stimmt. Ich nenne nur e<strong>in</strong> paar Punkte des neuen Vergütungssystems. Für <strong>die</strong><br />
niedergelassene Ärzteschaft, was aus me<strong>in</strong>er persönlichen Sicht längst, längst <strong>über</strong>fällig<br />
war, ist das ja jetzt auch umgesetzt worden. Es ist e<strong>in</strong> zentrales Kernelement <strong>die</strong>ser Reform<br />
gewesen. Ich b<strong>in</strong> auch ganz optimistisch, dass es im Januar des neuen Jahres, wenn <strong>die</strong>ses<br />
Vergütungssystem e<strong>in</strong>geführt wird, hoffentlich zu e<strong>in</strong>er auskömmlicheren F<strong>in</strong>anzierung der<br />
niedergelassenen Kollegen und Kolleg<strong>in</strong>nen kommt und wir vor allem <strong>über</strong> e<strong>in</strong> transparentes<br />
Vergütungssystem verfügen, <strong>in</strong>dem Sie schon im Januar wissen, was ihre Leistung tatsächlich<br />
auch wert ist, und nicht erst im Herbst.<br />
Wir haben <strong>die</strong> Abkehr von der Grundlohnsummenorientierung <strong>in</strong> den Krankenhäusern,<br />
was ja jetzt verabschiedet worden ist, was aber d<strong>am</strong>als auch schon erklärtes Ziel war <strong>in</strong> der<br />
Reform. Aus me<strong>in</strong>er Sicht elementar wichtig für <strong>die</strong> Krankenhäuser, <strong>die</strong> seit vielen Jahren ja<br />
„unter dem Deckel“ leben, was d<strong>am</strong>it zu tun hat, dass sie immer nur <strong>die</strong> Grundlohnsummenanpassung<br />
erhalten haben. Das wird sich <strong>in</strong> Zukunft ändern und ich denke es ist richtig.<br />
Es ist auch richtig, dass Themen wie <strong>die</strong> Palliativversorgung oder <strong>die</strong> Impfung – bestimmte<br />
Impfungen als Pflichtimpfungen – <strong>in</strong> den Leistungskatalog aufgenommen worden s<strong>in</strong>d.<br />
Und es ist auch richtig, dass der Zugang zu e<strong>in</strong>er bezahlbaren Krankenversicherung für alle<br />
Menschen <strong>in</strong> unserer Gesellschaft sichergestellt wird durch <strong>die</strong>se Reform. Und natürlich b<strong>in</strong><br />
ich auch froh, dass der E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e stärkere Steuerf<strong>in</strong>anzierung vorgenommen worden<br />
ist, weil wir auch absehen können, dass langfristig <strong>die</strong> F<strong>in</strong>anzierung des Gesundheitssystems<br />
natürlich auch immer wieder e<strong>in</strong> Diskussionspunkt se<strong>in</strong> wird. Ich b<strong>in</strong> auch froh dar<strong>über</strong>,<br />
dass uns das Thema F<strong>in</strong>anzierung dann doch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Kompromiss nicht völlig getrennt hat,<br />
sondern dass wir <strong>am</strong> Ende wenigstens geme<strong>in</strong>s<strong>am</strong> <strong>die</strong> Reform h<strong>in</strong>gekriegt haben.<br />
Aber ich sage auch nochmal, <strong>die</strong> unterschiedlichen Ausgangssituationen waren so groß, dass<br />
eben nicht mehr dr<strong>in</strong> war. Der Gesundheitsfond, der ab Januar <strong>in</strong> Kraft treten wird, ist e<strong>in</strong><br />
Kompromiss, er bleibt e<strong>in</strong> Kompromiss, aber er kann weiterentwickelt werden <strong>in</strong> unterschiedlichste<br />
Richtungen und für mich ist besonders relevant, dass dadurch der mobilitätsorientierte<br />
Risikostrukturausgleich e<strong>in</strong>geführt worden ist. Und ich denke, e<strong>in</strong>s muss man hier<br />
vielleicht auch nochmal sagen, es ist auch e<strong>in</strong> Erfolg der Reform, dass <strong>die</strong> Unfälle – und da<br />
b<strong>in</strong> ich jetzt wieder bei Ihnen – d<strong>am</strong>als nicht ausgegliedert worden s<strong>in</strong>d aus dem Leistungskatalog.<br />
Das war ja erklärte Absicht gewesen, um Geld zu sparen. Es wäre aus me<strong>in</strong>er Sicht<br />
auch e<strong>in</strong> Wahns<strong>in</strong>n gewesen, sich alle<strong>in</strong> <strong>die</strong> Abgrenzungsmöglichkeiten vorzustellen, wann<br />
was e<strong>in</strong> versicherter Unfall ist und wann eben nicht. Sie kennen das Problem ja schon aus-<br />
reichend genug zwischen Krankenversicherung und Unfallversicherung. Das wäre aus me<strong>in</strong>er<br />
Sicht <strong>über</strong>haupt gar nicht darstellbar gewesen.<br />
Und d<strong>am</strong>it wären wir auch beim Thema Unfallversicherung. Dr. Platz hat eigentlich alles<br />
Wesentliche gesagt, was es zu <strong>die</strong>sem Thema bezogen auf <strong>die</strong> letzten Monate – und man<br />
kann ja schon fast e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>halb, zwei Jahre sagen – zu sagen ist. Das Gesetz zur Modernisierung<br />
der gesetzlichen Unfallversicherung reduziert sich jetzt eben tatsächlich auf e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e<br />
Organisationsreform. Es s<strong>in</strong>d Anpassungen der Organisation an <strong>die</strong> veränderten Wirtschafts-<br />
12
Grußwort<br />
strukturen. Die Lösung der Altlastenproblematik und natürlich auch <strong>die</strong> Modernisierung der<br />
Verwaltungsstrukturen stehen im Mittelpunkt. Es gab ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>igung <strong>über</strong> das Leistungsrecht,<br />
wobei es auch schwierig zu lösen ist, das möchte ich auch nochmal betonen. Die<br />
Gefahr, dass es zu großen Verwerfungen kommt, ist nicht ger<strong>in</strong>g, aber natürlich muss es e<strong>in</strong><br />
Thema se<strong>in</strong> für <strong>die</strong> nächste Legislaturperiode, auch dar<strong>über</strong> nochmal <strong>in</strong>tensiv zu diskutieren<br />
und an der Stelle auch weiter zu kommen. Aus rhe<strong>in</strong>land-pfälzischer Sicht s<strong>in</strong>d alle gesetzlichen<br />
Regelungen, <strong>die</strong> jetzt getroffen s<strong>in</strong>d, durchaus positiv. Ich habe mich besonders für <strong>die</strong><br />
Organisationsstruktur des Spitzenverbandes als e<strong>in</strong>getragenen Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>gesetzt, was <strong>am</strong><br />
Anfang höchst umstritten war. Das wird jetzt auch so umgesetzt und ich traue es eben auch<br />
der Selbstverwaltung zu, dass <strong>die</strong>se <strong>die</strong> Organisationsreform <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem S<strong>in</strong>ne aus eigener<br />
Kraft bewältigen wird und <strong>die</strong> ersten Anfänge s<strong>in</strong>d ja auch schon gemacht.<br />
Das erklärte Ziel, dass der Fusionsprozess 26 Berufsgenossenschaften auf 9 Träger reduzieren<br />
soll – perspektivisch um Verwaltungskosten zu senken, aber auch <strong>die</strong> Strukturen zu<br />
straffen – ist ja auch sehr energisch angegangen worden, wie wir heute auch schon sehen<br />
<strong>am</strong> veränderten N<strong>am</strong>en und eben auch <strong>am</strong> veränderten Zuständigkeitsbereich <strong>in</strong>sges<strong>am</strong>t.<br />
Für <strong>die</strong> Versicherten gibt es durch <strong>die</strong> gesetzliche Regelung ke<strong>in</strong>e Leistungse<strong>in</strong>schränkungen.<br />
Wie gesagt, das Thema wird uns weiter begleiten und wer weiß, bei Ihrem nächsten, sagen<br />
wir <strong>über</strong>nächsten Kongress, s<strong>in</strong>d wir vielleicht auch im Bereich des Leistungsrechts e<strong>in</strong> Stück<br />
weiter.<br />
Ich möchte gerne noch zwei Sätze verwenden auf das Thema Arbeitsschutz. Das zentrale<br />
Anliegen des Themas Arbeitsschutz ist ja <strong>die</strong> Gestaltung von sicheren, von menschengerechten<br />
Arbeitsplätzen und sie tragen dazu bei, Arbeitsunfälle und arbeitsbed<strong>in</strong>gte Gefahren<br />
natürlich zu verhüten. Noch immer s<strong>in</strong>d arbeitsbed<strong>in</strong>gte Erkrankungen und Expositionen<br />
gegen<strong>über</strong> Gefahrstoffen wie Kälte, Hitze, Nässe, Wärme, Lärm, aber auch Belastungen durch<br />
Term<strong>in</strong>- und Leistungsdruck, Monotonie oder Überforderung sehr weit verbreitet. Letzteres<br />
mit steigender Tendenz.<br />
Mit der Geme<strong>in</strong>s<strong>am</strong>en <strong>Deutsche</strong>n Arbeitsschutzstrategie wollen sich ja Bund, Länder und<br />
<strong>die</strong> Spitzenverbände der gesetzlichen Unfallversicherung auf den Weg machen zu sicheren<br />
und besseren Arbeitsplätzen, bessere Arbeitsplätze auszugestalten im S<strong>in</strong>ne von Prävention.<br />
Natürlich werden wir auch hierzu e<strong>in</strong>en Beitrag leisten. Unfälle ereignen sich an jedem<br />
Ort und zu jeder Zeit, sie treffen plötzlich und unvorhergesehen Menschen jeden Alters. Die<br />
folgenden Zahlen zeigen das Ausmaß arbeitsbed<strong>in</strong>gter und gesundheitlicher Bee<strong>in</strong>trächtigungen.<br />
Im Jahre 2006 gab es <strong>in</strong> Deutschland <strong>über</strong> e<strong>in</strong>e Million meldepflichtiger Arbeitsunfälle,<br />
davon 941 tödliche und fast 23.000 anerkannte Berufskrankheiten. In 2007 ereigneten sich<br />
im Bereich der Unfallversicherungen der gewerblichen Wirtschaft und der öffentlichen Hand<br />
<strong>in</strong>sges<strong>am</strong>t 959.714 meldepflichtige Arbeitsunfälle, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e Arbeitsunfähigkeit von mehr als<br />
3 Tagen oder den Tod zur Folge hatten. Neben den bei der Berufsausübung entstandenen<br />
Unfällen, <strong>die</strong> ca. 15% aller Unfälle ausmachen, ereignen sich im häuslichen Bereich ungefähr<br />
e<strong>in</strong> Drittel – 33 % – <strong>in</strong> der Freizeit 31 %, im Schulbereich 17 und im Verkehr 5 % aller Unfälle.<br />
13
Grußwort<br />
Die gute Versorgung der Verletzten nach e<strong>in</strong>em Unfall setzt natürlich e<strong>in</strong> flächendeckendes<br />
Netz leistungsstarker Versorgungse<strong>in</strong>richtungen voraus. Ich glaube sagen zu dürfen,<br />
dass Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz <strong>über</strong> e<strong>in</strong>e gute Verletztenversorgung von hoher Qualität verfügt. Als<br />
Beispiele möchte ich hier neben den anderen hervorragenden unfallchirurgischen und <strong>am</strong>bulanten<br />
und stationären E<strong>in</strong>richtungen – wie beispielsweise das Katholische Kl<strong>in</strong>ikum,<br />
Herr Prof. Kirschner – <strong>die</strong> BG-Unfallkl<strong>in</strong>ik <strong>in</strong> Ludwigshafen nennen, <strong>die</strong> jetzt ihr vierzigjähriges<br />
Bestehen feiert, aber natürlich auch als Zentrum für Schwerbrandverletzte e<strong>in</strong>en<br />
<strong>in</strong>ternationalen Ruf hat.<br />
So wichtig <strong>die</strong> gute und schnelle Versorgung bei Unfallfolgen ist, so wichtig ist natürlich auch<br />
<strong>die</strong> Prävention von Unfällen. Die seit Jahren rückläufigen Zahlen s<strong>in</strong>d Ergebnisse erfolgreicher<br />
Präventionsarbeit aller Akteure. Prävention ist nun mal auch e<strong>in</strong>e ges<strong>am</strong>tgesellschaftliche<br />
Aufgabe. Ich gehöre zu denen, <strong>die</strong> deshalb auch seit vielen Jahren für e<strong>in</strong> Bundespräventionsgesetz<br />
kämpfen, weil ich glaube, dass man Prävention s<strong>in</strong>nvollerweise wirklich auch zielorientiert<br />
macht mit gebündelten Kräften. Die BGen geben das eigentlich ziemlich gut vor mit ihrer<br />
Herangehensweise. E<strong>in</strong> Präventionsgesetz ist aber leider nach wie vor nicht <strong>in</strong> Sicht, weil man<br />
sich politisch eben nicht e<strong>in</strong>igen kann. Trotzdem bleiben wir da dran und ich glaube, man muss<br />
Mittel und auch Verständigung auf Gesundheitsziele wirklich bündeln, um dann auch entsprechende<br />
Schlagkraft entwickeln zu können.<br />
Die Unfallprävention spielt für uns auch als Landesregierung e<strong>in</strong>e wichtige Rolle. Im Rahmen<br />
der Förderung von K<strong>in</strong>dergesundheit beispielsweise unterstützt und fördert das Land<br />
Veranstaltungen, <strong>die</strong> Eltern und Multiplikatoren schulen, um Unfälle bei den Kle<strong>in</strong>sten zu<br />
vermeiden. Denn viele Unfälle im Verkehr oder im Haushalt können natürlich durch zielgerichtete<br />
Maßnahmen und Verhaltensweisen verh<strong>in</strong>dert werden. E<strong>in</strong> anschauliches Beispiel<br />
ist das von der Techniker Krankenkasse <strong>in</strong> Kooperation mit dem Land durchgeführte Projekt<br />
der Riesenküche. Ich weiß nicht, ob Sie sie kennen. Es ist e<strong>in</strong>e Ausstellung, <strong>in</strong> der Erwachsene<br />
aus der K<strong>in</strong>derperspektive <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er im Größenverhältnis von K<strong>in</strong>dern <strong>die</strong> Umgebung<br />
und <strong>die</strong> Gefahren, wie heiße Herdplatten, kochende Flüssigkeiten oder umkippende Stühle,<br />
wahrnehmen können und es ist e<strong>in</strong>e erleuchtende Erkenntnis, wenn man mit dem Kopf<br />
mal an den Stiel e<strong>in</strong>er Pfanne anstößt, <strong>die</strong> auf dem Herd steht. Man kann dann sehr schnell<br />
nachempf<strong>in</strong>den, wie schnell e<strong>in</strong> entsprechender Unfall passiert.<br />
Me<strong>in</strong>e sehr geehrten Herren, me<strong>in</strong>e sehr geehrten D<strong>am</strong>en, ich glaube, das ist ausreichend<br />
für e<strong>in</strong> Grußwort. Ich hoffe, ich konnte ihnen e<strong>in</strong>ige wenige, kle<strong>in</strong>e Positionen der Landesregierung<br />
zu wichtigen Positionen im Bereich der Gesundheit und der Unfallversicherung<br />
deutlich machen. Ich wünsche Ihnen, dass Sie e<strong>in</strong>e ertragreiche <strong>Tagung</strong> haben und viele<br />
neue Erkenntnisse mit nach Hause nehmen können, dass Sie sich gut austauschen können.<br />
Und ich danke natürlich nochmal der <strong>Deutsche</strong>n Gesetzlichen Unfallversicherung, Landesverband<br />
Mitte, Herrn Dr. Platz und natürlich auch Herrn Wirthl für <strong>die</strong> Vorbereitung und auch<br />
für das hohe Engagement <strong>in</strong> der Sache Unfallversicherung. Vielen Dank, weiterh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e gute<br />
Kooperation, gutes Gel<strong>in</strong>gen und Ihnen allen wünsche ich weiterh<strong>in</strong> erfolgreiche, gute Arbeit<br />
im S<strong>in</strong>ne der Menschen für <strong>die</strong> wir alle da s<strong>in</strong>d. Herzlichen Dank und viel Vergnügen.<br />
14
Prof. Dr. Peter Kirschner<br />
Begrüßung<br />
Sehr verehrte Frau M<strong>in</strong>ister<strong>in</strong>, vielen herzlichen Dank für Ihr Grußwort. Die moderate Aussage<br />
gibt ja Grund zu hoffen, dass das Weiterleben, speziell der Unfallchirurgie auch auf der<br />
politischen Bühne anerkannt und unterstützt wird.<br />
Sehr geehrter Herr Dr. Platz, verehrte Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen, sehr geehrte D<strong>am</strong>en und<br />
Herren aus den Verwaltungen,<br />
zur 29. <strong>Unfallmediz<strong>in</strong>ische</strong>n <strong>Tagung</strong> des Landesverbandes Mitte der <strong>Deutsche</strong>n Gesetzlichen<br />
Unfallversicherung möchte auch ich Sie hier <strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z ganz herzlich willkommen heißen. In<br />
manchen D<strong>in</strong>gen sche<strong>in</strong>t <strong>die</strong> Zeit stehen zu bleiben. So beim Titel <strong>die</strong>ser traditionsreichen<br />
Veranstaltung unserer <strong>Unfallmediz<strong>in</strong>ische</strong>n <strong>Tagung</strong>. Natürlich ist <strong>die</strong> Bezeichnung Unfall-<br />
mediz<strong>in</strong> nach wie vor der umfassende Titel für verschiedenste Auslöser und Ursachen, Be-<br />
handlungsarten und Fachdiszipl<strong>in</strong>en sowie Versicherungs- und Versorgungsfragen. Er wird<br />
zu Recht für e<strong>in</strong>e Veranstaltung geführt, <strong>die</strong> sich mit der Fortentwicklung all <strong>die</strong>ser Fragen<br />
zeitgemäß ause<strong>in</strong>andersetzen muss, um sie darzustellen und zu bearbeiten. Nebenbei muss<br />
natürlich auch <strong>die</strong> Entwicklung der Tätigkeitsfelder verfolgt werden, um <strong>die</strong> sich ändernden<br />
Ansprüche und Erkenntnisse zu verarbeiten. Dabei komme ich zur Zus<strong>am</strong>menführung der<br />
Fächer Orthopä<strong>die</strong> und Unfallchirurgie. Der neue Facharzt wird bereits als Titel geführt,<br />
wobei allerd<strong>in</strong>gs auffällige Unterschiede <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen K<strong>am</strong>mern <strong>die</strong> Vergaben begleiten.<br />
Die idealistische Zielsetzung der Kompetenz aus e<strong>in</strong>er Hand lässt sich nicht mit der gleichen<br />
Geschw<strong>in</strong>digkeit <strong>in</strong> der Weiterbildung realisieren. Umso problematischer entwickelt sich<br />
aus <strong>die</strong>ser Art der Titelvergabe e<strong>in</strong>e Chancenungleichheit für junge Kollegen im Fach.<br />
Nun haben <strong>die</strong> beiden wissenschaftlichen Fachgesellschaften der Orthopäden und Unfall-<br />
chirurgen im Sommer bereits den nächsten Schritt vollzogen und e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>s<strong>am</strong>e <strong>Deutsche</strong><br />
Gesellschaft für Orthopä<strong>die</strong> und Unfallchirurgie gegründet. D<strong>am</strong>it wird es wichtig<br />
werden, unfallchirurgische Kompetenz besonders <strong>in</strong> den Versorgungskrankenhäusern so zu<br />
erhalten, dass sie wie bisher rund um <strong>die</strong> Uhr – und das ganzjährig – zur Verfügung steht.<br />
Nicht nur das derzeitige F<strong>in</strong>anzierungssystem bietet dazu <strong>am</strong> wenigsten Unterstützung, s<strong>in</strong>d<br />
doch unfallchirurgische Leistungen meist vergleichsweise bescheiden bewertet. Alle<strong>in</strong>e<br />
hierdurch schon wird <strong>die</strong> Stellung des Unfallchirurgen im neuen Fachgebiet erheblich<br />
benachteiligt. Umso wichtiger ist es, dass <strong>die</strong> <strong>Deutsche</strong> Gesetzliche Unfallversicherung<br />
auch weiterh<strong>in</strong> zu ihrer Forderung steht, <strong>die</strong> Qualifikation des D-Arztes an den Erwerb des<br />
Schwerpunktes spezielle Unfallchirurgie, der kompetentesten Weiterbildungsstufe im Fach,<br />
zu b<strong>in</strong>den. Un<strong>über</strong>sehbar wird natürlich <strong>die</strong> Entwicklung <strong>in</strong> der praktizierenden Mediz<strong>in</strong> mit<br />
Bildung von Netzwerken und Zentren für bestimmte Behandlungsmethoden <strong>die</strong> Spezialisierung<br />
weiter vorantreiben. Der Konflikt zwischen weitreichender Kompetenz und hohem<br />
fachlichen Wissensstand wird uns <strong>in</strong> Zukunft viele neue Arten von Versorgungsmodellen<br />
bescheren. Daher ist es wesentlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Fach wie der Unfallverletzenversorgung den<br />
hohen Spezialisierungsgrad zu erhalten.<br />
Me<strong>in</strong>e D<strong>am</strong>en und Herren, zu <strong>die</strong>sen Forderungen trägt e<strong>in</strong>e <strong>Tagung</strong> wie <strong>die</strong>se nicht wenig bei.<br />
Aktuelle Themen der Unfallmediz<strong>in</strong> spiegeln das Progr<strong>am</strong>m wider und wir, Herr Hoffmann<br />
15
Begrüßung<br />
und ich, haben uns bemüht e<strong>in</strong>e wissenschaftlich <strong>in</strong>teressante Veranstaltung vorzubereiten.<br />
Wir hoffen nun, dass Ihre Erwartungen erfüllt werden. Der Landesverband hat uns <strong>die</strong>sbezüglich<br />
jegliche Unterstützung zuteil werden lassen. Es ist uns gelungen, profilierte<br />
Referenten für <strong>die</strong>se <strong>Tagung</strong> e<strong>in</strong>zuladen. Ihnen sei vorab für Ihre Bereitschaft sehr herzlich<br />
gedankt. Lassen Sie uns nun mit dem Progr<strong>am</strong>m beg<strong>in</strong>nen. Ich wünsche uns <strong>in</strong>teressante<br />
Vorträge und Diskussionen und Ihnen zwei erlebnisreiche Tage hier <strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z.<br />
Vielen herzlichen Dank.<br />
16
Vortragsfolge<br />
I. Sitzung<br />
Thoraxtrauma – Update<br />
Vorsitz: P. Kirschner, Ma<strong>in</strong>z/C. J. Schirren, Bad Nauheim<br />
Thoraxtrauma – Update<br />
Rippenfrakturen, Sternumfrakturen, Komb<strong>in</strong>ationsverletzungen (Sternum,<br />
Rippen, Wirbelsäule)<br />
Autoren<br />
I. Marzi, W. Daecke, F. Walcher<br />
Zus<strong>am</strong>menfassung<br />
Verletzungen des Thorax s<strong>in</strong>d bei annähernd 60 % der Polytraumapatienten und bei direktem<br />
Anpralltrauma festzustellen. Die Primärdiagnostik des Thorax erfolgt beim Schwerverletzten<br />
mittlerweile neben dem Thorax-Röntgenbild regelhaft mittels Spiral-Computertomographie<br />
mit Kontrastmittelgabe, da hiermit blutungsrelevante <strong>in</strong>nere Verletzungen von<br />
Herz, Gefäßen oder Lunge <strong>am</strong> besten erfasst werden können. Die knöchernen Verletzungen<br />
können ebenfalls mittels CT-Rekonstruktion festgestellt werden, wobei hier <strong>die</strong> konventionelle<br />
Röntgendiagnostik ihren Stellenwert beibehält. Die häufigste lebensrettende<br />
Primärmaßnahme ist <strong>die</strong> Positionierung e<strong>in</strong>er Thoraxdra<strong>in</strong>age zur Entlastung von Hämato-<br />
Pneumothoraces. Die im CT-früh erkannten Lungenkontusionen werden im Rahmen des<br />
präventiven Versorgungskonzeptes durch Lagerungstherapie und moderne Beatmungskonzepte<br />
so behandelt, dass <strong>die</strong> Komplikationsrate der Pneumonien und sekundären Organschäden<br />
m<strong>in</strong>imiert wird. Die Behandlung der knöchernen Verletzungen ist differenziert und<br />
reicht von konservativer Behandlung der Sternum-und Rippenfrakturen <strong>über</strong> <strong>die</strong> offene<br />
Stabilisierung der Schultergürtelverletzungen bis h<strong>in</strong> zur m<strong>in</strong>imal-<strong>in</strong>vasiven Osteosynthese<br />
der Brustwirbelfrakturen.<br />
Schlüsselwörter<br />
Polytrauma – Thoraxdra<strong>in</strong>age – Computertomographie – Lungenkontusion – Schultergürtelverletzungen<br />
– Sternumverletzungen – Osteosynthese<br />
Summary<br />
Chest <strong>in</strong>juries are found <strong>in</strong> almost 60% of multiple trauma patients and <strong>in</strong> direct blunt<br />
traumas. In addition to chest x-rays, primary diagnostics of the thorax <strong>in</strong> the seriously<br />
<strong>in</strong>jured today should correctly <strong>in</strong>clude spiral computed tomography with contrast medium<br />
as this best visualises <strong>in</strong>ternal <strong>in</strong>juries to the heart, vessels or lungs for possibly relevant<br />
bleed<strong>in</strong>g. Bony <strong>in</strong>juries can also be determ<strong>in</strong>ed by CT reconstruction although conventional<br />
radiological diagnosis reta<strong>in</strong>s its value. The most common life-sav<strong>in</strong>g primary <strong>in</strong>tervention<br />
17
Thoraxtrauma – Update<br />
is position<strong>in</strong>g a chest tube to relieve pressure on haemato-pneumothorax. Any pulmonary<br />
contusion recognised early by CT is treated by the preventive care concept with patient<br />
position<strong>in</strong>g and modern ventilation methods to m<strong>in</strong>imise the rate of pneumonic complications<br />
and secondary organ d<strong>am</strong>age. Treatment of bone <strong>in</strong>jury is differentiated and ranges<br />
from conservative treatment for sternal and costal fractures to open stabilisation of shoulder<br />
girdle <strong>in</strong>juries and m<strong>in</strong>imally <strong>in</strong>vasive osteosynthesis of dorsal vertebral fractures.<br />
Keywords<br />
Multiple trauma – thoracic dra<strong>in</strong>age – computed tomography – pulmonary contusion –<br />
shoulder girdle <strong>in</strong>juries – sternal <strong>in</strong>juries – osteosynthesis<br />
Aktuelle Themen beim Thoraxtrauma betreffen <strong>in</strong>sbesondere <strong>die</strong> Diagnostik, <strong>die</strong> Akuttherapie<br />
und <strong>die</strong> Behandlung von Komb<strong>in</strong>ationsverletzungen. Das Thoraxtrauma ist regelhaft<br />
beim Polytrauma-Patienten festzustellen, wobei der kl<strong>in</strong>ische Verdacht bereits vom Notarzt<br />
oder im Rahmen des ATLS-Traumakonzeptes vermutet werden kann. Bei der Inspektion und<br />
Palpation zeigen sich äußere Verletzungszeichen im Bereich des Thorax mit Krepitation,<br />
Instabilität oder Hautemphysem; <strong>die</strong> Auskultation ergibt häufig e<strong>in</strong> verm<strong>in</strong>dertes Atemgeräusch.<br />
Zur Standarddiagnostik gehört <strong>die</strong> Röntgen- Thoraxaufnahme als erste Röntgenaufnahme<br />
im Rahmen der Schockraumbehandlung e<strong>in</strong>es schwerverletzten Patienten. Auch im<br />
Rahmen der Sonographie des Abdomens kann e<strong>in</strong> Hämatothorax mit diagnostiziert werden.<br />
Bei schwer verletzten Patienten gehört jedoch heute <strong>die</strong> Sprial-Computertomographie des<br />
Körperst<strong>am</strong>mes und des Schädels mit Kontrastmittel zum Standard der Initialdiagnostik. Im<br />
Vordergrund stehen Organverletzungen der Lunge, der Pneumothorax, der Hämatothorax<br />
sowie <strong>die</strong> Verletzungen der großen Gefäße.<br />
Im Rahmen der Qualitätssicherung des Traumaregisters der <strong>Deutsche</strong>n Gesellschaft für Unfallchirurgie<br />
s<strong>in</strong>d bundesweit im Jahre 2007 11 M<strong>in</strong>uten verstrichen bis <strong>die</strong> 1. Röntgen-Thoraxaufnahme<br />
bei e<strong>in</strong>em Patienten erfolgt ist. In e<strong>in</strong>zelnen Kl<strong>in</strong>iken und Traumazentren ist<br />
<strong>die</strong>s deutlich ger<strong>in</strong>ger, was <strong>am</strong> e<strong>in</strong>gespielten Traum<strong>am</strong>anagement liegt. Die Notwendigkeit<br />
zur weitergehenden Diagnostik e<strong>in</strong>es Thoraxtrauma durch Computertomographie ergibt sich<br />
bei jedem schweren Polytrauma und schon alle<strong>in</strong>e aus der Notwendigkeit e<strong>in</strong>en ventralen<br />
Spannungspneumothorax zu erkennen, der leicht auf Nativ-Röntgenaufnahme des Thorax<br />
nicht zu erkennen ist. Die Ursache für das Übersehen e<strong>in</strong>es ventralen Spannungspneumothorax<br />
ist <strong>in</strong> Abb. 1 exemplarisch dargestellt. Der Vorteil der Computertomographie <strong>in</strong> der<br />
Diagnostik ist <strong>in</strong> Abb. 2 illustriert und kann von wesentlicher Bedeutung <strong>in</strong> der Primär- und<br />
Sekundärdiagnostik des Thorax se<strong>in</strong>.<br />
Die Häufigkeit des Thoraxtraumas liegt laut DGU Traumaregister 2007 bei 58% bei den<br />
schwer verletzten Patienten.<br />
Ursachen des Thoraxtraumas s<strong>in</strong>d <strong>über</strong>wiegend PKW-Unfälle, Motorradunfälle und Stürze<br />
<strong>über</strong> oder unter 3 Meter, wie Abb. 3 exemplarisch für <strong>die</strong> Universitätskl<strong>in</strong>ik Frankfurt hergibt.<br />
Neben der Initialdiagnostik des Thoraxtraumas gehört auch <strong>die</strong> unmittelbare operative<br />
Intervention nach Diagnosestellung e<strong>in</strong>es Pneu-, oder Hämatothorax. Diese ergibt sich im<br />
Wesentlichen durch <strong>die</strong> E<strong>in</strong>lage von Thoraxdra<strong>in</strong>agen, <strong>die</strong> üblicherweise <strong>über</strong> im 5. ICR auf<br />
18
Thoraxtrauma – Update<br />
der rechten oder l<strong>in</strong>ken Seite <strong>in</strong> der vorderen Axillarl<strong>in</strong>ie (Bülau-dra<strong>in</strong>age) oder bei ventralen<br />
Spannungspneumothoraxis durch e<strong>in</strong>e Monaldi-dra<strong>in</strong>age im 2. ICR gelöst wird. Relativ<br />
selten ist e<strong>in</strong>e Eröffnung des Thorax mit operativer Blutstillung erforderlich<br />
In den letzten Jahren hat sich als Standardtherapie <strong>die</strong> k<strong>in</strong>etische Therapie im Drehbett (Rotationsbett)<br />
durchgesetzt. Durch <strong>die</strong>se Lagerungstherapie mit Drehen des Patienten um 60°<br />
<strong>in</strong> beiden Richtungen kommt es zu rascheren Flüssigkeitsauflösung und Verteilung, so dass<br />
<strong>die</strong> Belüftung der Lunge optimiert werden kann. Bei schweren Thoraxtraumen mit erheblich<br />
bee<strong>in</strong>trächtigter Oxygenierung des Patienten ist im E<strong>in</strong>zelfall auch <strong>die</strong> Bauchlagerung des<br />
Patienten <strong>in</strong>termittierend notwendig um <strong>die</strong> dorsalen Anteile der Lunge für den Gasaustausch<br />
wieder zu rekrutieren. Die k<strong>in</strong>etische- und Lagerungstherapie ist zwischenzeitlich<br />
etablierter Standard und <strong>in</strong> jedem Fall <strong>in</strong>diziert für<br />
1. CT gesicherte Lungenkontusionen.<br />
2. Für e<strong>in</strong>en Verletzungsgrad mit mehr als 25 Punkte im ISS.<br />
3. Auch schon beim kl<strong>in</strong>ischen Verdacht auf e<strong>in</strong>e Lungenkontusion bei adäquatem Trauma.<br />
Die Stu<strong>die</strong>nergebnisse der k<strong>in</strong>etischen Lagerungstherapie zeigen hier e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige raschere<br />
Verbesserung der Oxygenierung und stellen e<strong>in</strong> unverzichtbares Mittel der primären<br />
Schwerverletztentherapie dar.<br />
Auch <strong>die</strong> Behandlungsoptionen beim Thoraxtrauma haben sich deutlich verbessert durch<br />
verschiedene Verfahren mit CPAP/ASB sowie PEEP- Behandlung <strong>über</strong> 72 Stunden mit e<strong>in</strong>em<br />
Druck von 15 Millibar. Die Standardisierung von Wean<strong>in</strong>gkonzepten zur Entwöhnung von der<br />
Beatmung haben zu e<strong>in</strong>er Verbesserung der Behandlung des Thoraxtraumas beigetragen.<br />
Neben der Verletzung der Pleurahöhlen ergeben sich zahlreiche weitere Komplikationsmöglichkeiten<br />
und Begleitverletzungen beim Thoraxtrauma. Die Rippenfrakturen gehen<br />
immanent mit dem Thoraxtrauma e<strong>in</strong>her und bedürfen <strong>in</strong> aller Regel ke<strong>in</strong>er spezifischen<br />
Behandlung, bis auf <strong>die</strong> oben genannten Beatmungsmodalitäten und e<strong>in</strong>e ausreichende<br />
Schmerztherapie. Die Pneumo- und Hämatothoraces müssen regelhaft entlastet werden und<br />
auch im weiteren Verlauf muss auf das Auftreten sekundärer ventraler Spannungspneumothoraces<br />
geachtet werden, <strong>in</strong>sbesondere bei e<strong>in</strong>er Verschlechterung der Beatmungssituation<br />
e<strong>in</strong>es Patienten im Intensivbehandlungsverlauf muss frühzeitig an e<strong>in</strong>e CT-Kontrolle des<br />
Thorax gedacht werden.<br />
Als weitere mögliche Zusatzverletzungen können Parenchymverletzungen der Lunge,<br />
Bronchialrupturen, Herzkontusionen, Herzbeutelt<strong>am</strong>ponaden, Zwerchfellrupturen und <strong>in</strong><br />
sehr seltenen Fällen auch Ösophagusverletzungen auftreten, auf <strong>die</strong> hier aber nicht weiter<br />
e<strong>in</strong>gegangen wird.<br />
Abhängig von der Energie und vom Kraftfaktor treten auch verschiedenste knöcherne Verletzungen<br />
auf (Abb. 4). Hierzu zählen: Rippenfrakturen, Wirbelsäulenverletzungen, Sternumfraktur,<br />
Schultereckgelenkverletzungen, Claviculafrakturen, Scapulafrakturen. Gerade<br />
auch das Auftreten von Frakturen der Brustwirbelsäule, vor allem auch bei Vorhandense<strong>in</strong><br />
19
Thoraxtrauma – Update<br />
e<strong>in</strong>er Sternumverletzung, muss als Zeichen e<strong>in</strong>er großen Instabilität gewertet werden. Die<br />
Analyse des knöchernen Skelettes <strong>in</strong> der Computertomographie des Polytraumas bedarf<br />
daher e<strong>in</strong>er außerordentlichen Sorgfalt. Komb<strong>in</strong>ationsverletzungen des Thorax mit der<br />
Wirbelsäule treten <strong>in</strong>sges<strong>am</strong>t <strong>in</strong> 18% auf.<br />
Verletzungen des Sternums treten <strong>in</strong>sbesondere bei angeschnallten Fahrern und bei<br />
Beifahrern auf, wie <strong>in</strong> Abb. 5 illustriert. In der Regel s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Verletzungen im seitlichen<br />
Röntgenbild zu erkennen, im E<strong>in</strong>zelfall jedoch auch nur durch e<strong>in</strong>e Computertomographie.<br />
Es handelt sich <strong>in</strong>sges<strong>am</strong>t um e<strong>in</strong>e seltene Verletzung mit 0,6% und e<strong>in</strong>er Mortalität von<br />
0,7%. Als wesentliche Begleitverletzungen treten retrosternale Hämatome auf, seltener<br />
Verletzungen der HWS, Rippenfrakturen und pulmonale Verletzungen.<br />
Sternoclaviculaluxationen f<strong>in</strong>det man <strong>in</strong>sbesondere bei seitlicher Krafte<strong>in</strong>wirkung, Verschüttung<br />
oder Quetschtrauma oder Sturz bei ausgestrecktem Arm. Sternoclaviculaluxationen<br />
können leicht <strong>über</strong>sehen werden und s<strong>in</strong>d häufig erst <strong>in</strong> der Computertomographie zu<br />
diagnostizieren. Die Komplikationsrate bei dorsalen Verletzungen ist mit 25% relativ hoch,<br />
anderseits ist <strong>die</strong> operative Therapie auch problematisch und führt immer zu kosmetisch<br />
bleibenden E<strong>in</strong>schränkungen.<br />
E<strong>in</strong>e häufige, <strong>in</strong>sbesondere bei Motorradfahrern auftretende schwere Begleitverletzung<br />
ist <strong>die</strong> sogenannte Float<strong>in</strong>g Shoulder. Die Float<strong>in</strong>g Shoulder bezeichnet e<strong>in</strong>e Instabilität<br />
der Aufhängung des Armes durch gleichzeitige Clavicula- und Scapulaverletzung (Abb. 6).<br />
Die Diagnose e<strong>in</strong>er Float<strong>in</strong>g Shoulder kann frühzeitig durch e<strong>in</strong>e erhebliche Hämatombildung<br />
festgestellt werden, wobei hier immer auch <strong>die</strong> Durchblutung des Armes nochmals<br />
<strong>über</strong>prüft werden muss. In E<strong>in</strong>zelfall muss hier auch e<strong>in</strong>e Angiographie erfolgen um e<strong>in</strong>e<br />
Subclavia- oder Axillarisverletzung auszuschließen. E<strong>in</strong>e Float<strong>in</strong>g Shoulder muss frühzeitig<br />
operativ stabilisiert werden, wobei hier je nach Situation entweder nur <strong>die</strong> Clavicula, nur <strong>die</strong><br />
Scapula oder beides operativ mittels Plattenosteosynthese stabilisiert werden muss.<br />
Zus<strong>am</strong>menfassend kann festgehalten werden, dass das Thoraxtrauma <strong>in</strong> annähernd 60%<br />
Bestandteil der Verletzung e<strong>in</strong>es schwer verletzten Patienten ist. Im Rahmen e<strong>in</strong>es standardisierten<br />
Schockraumprotokolls kann im Röntgenbild des Thorax und vor allem <strong>in</strong> der Computertomographie<br />
<strong>die</strong> Diagnostik der Thoraxverletzungen erfolgen. Hierbei ist neben den<br />
Parenchymverletzungen der Lunge vor allem an e<strong>in</strong>en Pneumothorax, Hämatothorax aber<br />
auch an knöcherne Verletzungen, <strong>in</strong>sbesondere der BrustwirbelsäuIe und des Sternums zu<br />
denken. Auch <strong>die</strong> angrenzenden Verletzungen des Schultergürtels s<strong>in</strong>d bei der kl<strong>in</strong>ischen<br />
Untersuchung mit zu berücksichtigen.<br />
Das standardisierte Therapiekonzept be<strong>in</strong>haltet e<strong>in</strong>e Lagerungstherapie mit optimierten<br />
Beatmungsprotokollen für <strong>die</strong> Lungenverletzungen, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e Verh<strong>in</strong>derung sekundärer<br />
Lungen<strong>in</strong>fektionen und Komplikationen vermeiden soll.<br />
Die Sternumverletzungen werden praktisch immer konservativ behandelt, <strong>in</strong>stabile Verletzungen<br />
der Brustwirbelsäule praktisch immer operativ, möglichst m<strong>in</strong>imal<strong>in</strong>vasiv und frühzeitig<br />
um e<strong>in</strong>e rasche Mobilisierung und Intensivbehandlung des Patienten zu ermöglichen.<br />
20
Thoraxtrauma – Update<br />
Die Verletzungen des Schultergürtels erfordern h<strong>in</strong>gegen e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dividuelle Behandlung mit<br />
dem Ziel e<strong>in</strong>er raschen Rehabilitation des Patienten.<br />
Literatur<br />
Frank J, Marzi I.<br />
Schockraummanagement.<br />
Zentralblatt für Chirurgie 121: 943-949, 1996<br />
Huber-Wagner S, Lefer<strong>in</strong>g R, Qvick LM, Körner M, Kay MV, Pfeifer KJ, Reiser M, Mutschler W,<br />
Kanz KG; Work<strong>in</strong>g Group on Polytrauma of the German Trauma Society.<br />
Effect of whole-body CT dur<strong>in</strong>g trauma resuscitation on survival: a retrospective,<br />
multicentre study.<br />
Lancet. 2009 Apr 25;373(9673):1455-61. Epub 2009 Mar 25.<br />
http://www.traumaregister.de/de/<strong>in</strong>dex.htm<br />
Kühne CA, Ruchholtz S, Voggenreiter G, Eggebrecht H, Paffrath T, Waydhas C,<br />
Nast-Kolb D; AG Polytrauma DGU<br />
Traumatische Aortenverletzungen beim Polytrauma<br />
Unfallchirurg. 2005, 108:279-87<br />
Marzi I, Risse N, Wierc<strong>in</strong>ski A, Rose S, Mutschler W. Thorax-Spiral CT <strong>in</strong> der Primärdiagnostik<br />
und Intensivbehandlung des Polytraumapatienten<br />
Langenbecks Arch Chir Suppl Kongressbd. 1996;113:928-30<br />
Waydhas C, S. Sauerland and AG Notfallmediz<strong>in</strong> der <strong>Deutsche</strong>n Gesellschaft für Unfallchirurgie<br />
Thoraxtrauma und Thoraxdra<strong>in</strong>age: Diagnostik und Therapie – E<strong>in</strong> systematisches Review<br />
Notfall & Rettungsmediz<strong>in</strong>, Volume 6, 2003<br />
Westhoff J and B<strong>in</strong>gold TM<br />
Intensivmediz<strong>in</strong>isches Behandlungsprotokoll bei Thoraxtrauma mit Lungenkontusion<br />
Trauma und Berufskrankheit, Volume 9, Number 3 / September 2007<br />
Waydhas C, Nast-Kolb D.<br />
Thoraxtrauma. Teil 1: Signifikanz – Symptome – Diagnostik<br />
Unfallchirurg. 2006, 109: 777-84<br />
Waydhas C, Nast-Kolb D.<br />
Thoraxtrauma. Teil 2: Management spezieller Verletzungen<br />
Unfallchirurg. 2006, 109(10):881-92<br />
21
Thoraxtrauma – Update<br />
Abb. 2: Risiko des Übersehens e<strong>in</strong>es ventralen Pneumothorax<br />
22<br />
Abb Abb.�1� 1 Röntgen<br />
Okkulter�ventraler�<br />
Pneumothorax�im�<br />
Nativ� Röntgen<br />
Röntgen g<br />
Abb. Abb.�2�a� 2 a Abb. Abb.�2�b 2 b<br />
Konventionelles�Röntgen CT<br />
Abb. 1: Schematische<br />
Darstellung e<strong>in</strong>es occulten<br />
ventralen Pneumathorax<br />
<strong>in</strong> der Nativ-<br />
Röntgendiagnostik. Durch<br />
e<strong>in</strong> Röntgenstrahlengang<br />
AP zeigt sich <strong>über</strong>all<br />
Lungengewebe. Der<br />
Pneumothorax ist nicht<br />
darstellbar. Auch das<br />
Röntgenbild seitlich<br />
würde e<strong>in</strong>en Pneumothorax<br />
nicht nachweisen, da<br />
e<strong>in</strong>seitig <strong>die</strong> Lunge voll<br />
ausgebildet ist und auf<br />
der Gegenseite nicht<br />
ausgebildet ist.<br />
Abb. 2a: Konventionelles Röntgenbild e<strong>in</strong>es Thoraxtrauma ohne erkennbaren Pneumothorax nur mit Hämatothorax<br />
auf der l<strong>in</strong>ken Seite<br />
Abb. 2b: Gleicher Patient mit Nachweis e<strong>in</strong>es Hämatothorax rechts und l<strong>in</strong>ks sowie Nachweis e<strong>in</strong>es beidseitigen<br />
ventralen Pneumothorax<br />
Diese beiden schematischen Zeichnungen belegen warum e<strong>in</strong>e CT Aufnahme <strong>in</strong> der Initialdiagnostik und <strong>in</strong> der<br />
Verlaufsdiagnostik des Polytraumas zum Ausschluss e<strong>in</strong>es Pneumothorax erforderlich ist.<br />
n<br />
Lungenstruktur<br />
L<br />
u<br />
n<br />
g<br />
e<br />
n<br />
s<br />
t<br />
r<br />
u<br />
k<br />
t<br />
u<br />
r
Abb Abb.�3� 3<br />
16,5<br />
Abb. 3: Unfallursachen bei Thoraxtrauma Unikl<strong>in</strong>ik Frankfurt 2007<br />
Abb.�4<br />
9,9<br />
Unfallursachen bei Thoraxtrauma [%]<br />
4,9<br />
�Rippenfrakturen�(meist�multipel)<br />
�Wirbelsäulenverletzungen<br />
�Wirbelsäulenverletzungen<br />
�Sternumfraktur<br />
�SC�Luxation,�AC�Verletzungen�<br />
�Claviculafraktur<br />
�Scapulafraktur<br />
�Komb<strong>in</strong>ationen<br />
�Komb<strong>in</strong>ationen<br />
3,8<br />
33 33,0 0<br />
8,2<br />
5,5<br />
Thoraxtrauma – Update<br />
18 18,1 1<br />
Fußgänger Radfahrer Motorrad PKW/LKW<br />
Sturz > 3m Sturz < 3m Suizid Gewalt<br />
Abb.�5<br />
Abb. 4: Knöcherne<br />
Verletzungen beim<br />
Thoraxtrauma<br />
Abb. 5: Sternumverletzung<br />
bei e<strong>in</strong>em 61jährigen<br />
Patienten mit Anpralltrauma<br />
<strong>am</strong> Lenkrad.<br />
Dislozierte Sternumfraktur<br />
im seitlichen Strahlengang<br />
23
Thoraxtrauma – Update<br />
Kontakt:<br />
24<br />
Abb.�6 Abb. 6: Float<strong>in</strong>g Shoulder bei<br />
e<strong>in</strong>em 26-jährigen Patienten mit<br />
Claviculafraktur und Skapulafraktur<br />
Marzi, Ingo, Prof. Dr. med.<br />
Direktor der Kl<strong>in</strong>ik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie<br />
Kl<strong>in</strong>ikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt <strong>am</strong> Ma<strong>in</strong><br />
Theodor-Stern-Kai 7, 60596 Frankfurt/M.
C. J. Schirren/Tra<strong>in</strong>er, Bad Nauheim<br />
Lungenverletzungen<br />
Manuskript lag zum Zeitpunkt des Drucks nicht vor.<br />
Thoraxtrauma – Update<br />
25
J. Ennker, Lahr<br />
Herzverletzungen und Verletzungen großer thorakaler Gefäße<br />
Autoren<br />
S. Bauer und J. Ennker<br />
Zus<strong>am</strong>menfassung<br />
Verletzungen des Brustkorbes <strong>in</strong> Form von penetrierenden Verletzungen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Deutschland<br />
immer noch e<strong>in</strong> seltenes Krankheitsbild. Bei Autounfällen kommt es bei 25% aller<br />
schweren Autounfälle zu e<strong>in</strong>er Mitbeteiligung des Brustkorbes. Von <strong>die</strong>sen 25% der<br />
verletzten Patienten zeigen <strong>in</strong> etwa 18% Mischbilder von Verletzungen der <strong>in</strong>trathorakalen<br />
Gefäße <strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ation mit Hämatothorax, <strong>in</strong>stabilem Thorax, Lungenverletzungen und<br />
Pneumothorax. Genau wie bei allen anderen Verletzungsmustern muss zunächst auch bei<br />
Verletzungen der Gefäße und des Herzens zunächst e<strong>in</strong>e Beurteilung des Unfallherganges<br />
und d<strong>am</strong>it e<strong>in</strong>e Abschätzung der e<strong>in</strong>gewirkten Kräfte durchgeführt werden. Aufgrund<br />
<strong>die</strong>ser Beurteilung des Unfallherganges kann darauf geschlossen werden, wie groß der<br />
Schaden im Brustkorb se<strong>in</strong> kann (1). So genannte Niedrigenergieverletzungen be<strong>in</strong>halten<br />
<strong>die</strong> Akzelerations- und Dezelerationstraumen sowie <strong>die</strong> peripheren Verletzungen durch<br />
langs<strong>am</strong>fliegende Geschosse. Mittel- und Hochenergieverletzungen f<strong>in</strong>den sich meistens <strong>in</strong><br />
Fromm von penetrierenden Thoraxverletzungen durch Hochgeschw<strong>in</strong>digkeitsgeschosse und<br />
Schusswaffen.<br />
Davon abzugrenzen s<strong>in</strong>d so genannte Crushverletzungen, bei denen es durch E<strong>in</strong>klemmung<br />
(Kompression mit hoher Kraft) des Körpers es zu Verletzungen der thorakalen Organe und<br />
Gefäße kommen kann.<br />
Im Gegensatz zur sonst üblichen Diagnosekette mit Untersuchung, Beurteilung der kl<strong>in</strong>ischen<br />
Situation, Bildgebung und Diagnosestellung, ist bei penetrierenden Verletzungen<br />
der großen Gefäße oder des Herzen unmittelbares Handeln angesagt. Die Diagnostik und<br />
Behandlung laufen bei <strong>die</strong>sen Krankheitsbildern parallel ab (7).<br />
Schlüsselworte:<br />
Aortenverletzung – Herzverletzung – Thoraxtrauma<br />
Thoraxtrauma – Update<br />
Summary<br />
Penetrat<strong>in</strong>g chest <strong>in</strong>juries are still a rare cl<strong>in</strong>ical picture <strong>in</strong> Germany. 25% of all serious road<br />
traffic accidents <strong>in</strong>volve the chest. About 18% of these 25% patients <strong>in</strong>jured show mixed<br />
pictures of <strong>in</strong>juries of the <strong>in</strong>trathoracic vessels <strong>in</strong> comb<strong>in</strong>ation with haemothorax, unstable<br />
thorax, lung <strong>in</strong>juries, and pneumothorax. As with all other <strong>in</strong>jury constellations, the course<br />
of events of an accident with trauma to the vessels and the heart must first be evaluated to<br />
assess the forces that acted on them. This evaluation enables us to estimate how severe the<br />
<strong>in</strong>trathoracic d<strong>am</strong>age actually is (1). So-called low energy <strong>in</strong>juries <strong>in</strong>clude acceleration and<br />
deceleration trauma, and peripheral <strong>in</strong>juries caused by low-velocity projectiles. Moderate<br />
27
Thoraxtrauma – Update<br />
to high energy <strong>in</strong>juries usually present as penetrat<strong>in</strong>g chest <strong>in</strong>juries caused by high velocity<br />
projectiles and firearms.<br />
These must be differentiated from crush <strong>in</strong>juries <strong>in</strong> which entrapment (compression with<br />
high forces) of the body can lead to <strong>in</strong>juries of the thoracic organs and vessels.<br />
In contrast to the otherwise standard diagnostic cha<strong>in</strong> with ex<strong>am</strong><strong>in</strong>ation, assessment of the<br />
cl<strong>in</strong>ical situation, imag<strong>in</strong>g, and diagnosis, immediate action is required for penetrat<strong>in</strong>g <strong>in</strong>juries<br />
of the major vessels or the heart. In these cl<strong>in</strong>ical pictures, diagnostics and treatment<br />
run parallel (7).<br />
Key words:<br />
aortic <strong>in</strong>jury, heart <strong>in</strong>jury, thoracic trauma<br />
Zur Anatomie des Thorax und der großen Gefäße im Thorax<br />
Das Herz ist <strong>in</strong>sges<strong>am</strong>t e<strong>in</strong> durch den knöchernen Brustkorb sehr gut geschütztes Organ.<br />
Jedoch ist es relativ elastisch im Brustkorb aufgehängt. Die Fixierung des Herzens erfolgt<br />
durch <strong>die</strong> großen venösen Gefäße, durch den l<strong>in</strong>ken Vorhof und durch <strong>die</strong> Hauptschlagader.<br />
Die Hauptschlagader selbst wird durch e<strong>in</strong>e Dreipunktfixierung im Brustkorb fixiert.<br />
Der e<strong>in</strong>e Fixationspunkt ist der Aortenannulus, er stellt zudem <strong>die</strong> Verb<strong>in</strong>dung zum Herzen<br />
dar. E<strong>in</strong> zweiter Fixpunkt ist das Lig<strong>am</strong>entum arteriosum, welches e<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung zur<br />
Pulmonalarterie herstellt. Und dann gibt es als dritten Fixierungspunkt den Hiatus aorticus,<br />
<strong>die</strong>s ist der Punkt, bei dem <strong>die</strong> Hauptschlagader durch das Zwerchfell tritt. Im Thorax f<strong>in</strong>den<br />
sich weiter <strong>die</strong> Vena cava superior, <strong>die</strong> Vena cava <strong>in</strong>ferior, <strong>die</strong> Arteria pulmonalis, <strong>die</strong> Venae<br />
pulmonales sowie den Oesophagus. Über <strong>die</strong> Lungenstrombahn und <strong>die</strong> Verletzungen der<br />
Lungen soll <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Zus<strong>am</strong>menfassung nicht e<strong>in</strong>gegangen werden.<br />
Nach der Häufigkeit werden nun <strong>die</strong> verschiedenen pathophysiologischen Zus<strong>am</strong>menhänge<br />
beim Thoraxtrauma mit kardiovaskulärer Beteiligung erläutert.<br />
Das <strong>am</strong> häufigsten vorkommende Krankheitsbild stellt <strong>die</strong> myokardiale Kontusion dar.<br />
Bei etwa 76% der Patienten mit schwerem Thoraxtrauma ist <strong>die</strong>se zu f<strong>in</strong>den. Sie betrifft<br />
meist den rechten Vorhof und den rechten Ventrikel. Im Ultraschall f<strong>in</strong>det sich bei <strong>die</strong>sem<br />
Krankheitsbild e<strong>in</strong>e Kontraktilitätsm<strong>in</strong>derung. Das <strong>am</strong> häufigsten auftretende kl<strong>in</strong>ische<br />
Krankheitsbild ist mit e<strong>in</strong>em Low Cardiac Output Syndrom unterschiedlicher Ausprägung<br />
vere<strong>in</strong>bar. Ausgelöst wird <strong>die</strong>ses Krankheitsbild durch e<strong>in</strong>e Veränderung der Erregbarkeit<br />
der Myokardzellen, <strong>die</strong> dann zu Rhythmusproblemen führt. Aufgrund <strong>die</strong>ser Arrhythmien<br />
kann es dann zu e<strong>in</strong>em zunehmenden Pumpversagen des Herzen kommen oder sogar zur<br />
Ausbildung e<strong>in</strong>es kardiogenen Schocks. Weitere direkte Traumata des Myokards können zudem<br />
zu e<strong>in</strong>em myokardialen Hämatom führen, welches sich dann bis zur Ausbildung e<strong>in</strong>er<br />
Myokardnekrose fortsetzen kann. Weitere konsekutive Probleme nach e<strong>in</strong>er myokardialen<br />
Kontusion s<strong>in</strong>d E<strong>in</strong>blutungen <strong>in</strong> das Epikard, <strong>die</strong> dann zu e<strong>in</strong>em Hämatoperikard und/oder<br />
zu e<strong>in</strong>er zunehmenden Perikardt<strong>am</strong>ponade führen können. Die kl<strong>in</strong>ischen Auswirkungen<br />
stellen sich oft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Schwellung der Brustwand (Hämatom der Pectoralismuskulatur) als<br />
Ausdruck des Thoraxtraums, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Tachykar<strong>die</strong> oder Rhythmusstörungen dar. Es können<br />
retrosternale Schmerzen ähnlich wie Ang<strong>in</strong>a pectoris Symptomatik auftreten.<br />
28
Thoraxtrauma – Update<br />
Besonders zu beachten s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Zus<strong>am</strong>menhang knöcherne Bruchverletzungen wir<br />
Rippen- oder sternale Frakturen.<br />
Perikardt<strong>am</strong>ponade<br />
Bei weniger als 2% aller schweren Thoraxtraumen tritt e<strong>in</strong>e Perikardt<strong>am</strong>ponade auf.<br />
Unter e<strong>in</strong>er Perikardt<strong>am</strong>ponade versteht man <strong>die</strong> Beh<strong>in</strong>derung der Herzfüllung durch<br />
Blut- oder andere Flüssigkeiten im geschlossenen Herzbeutel. Dadurch kommt es vor allem<br />
zu e<strong>in</strong>er Kompression der rechten Herzhöhle und e<strong>in</strong>er so genannten oberen und unteren<br />
E<strong>in</strong>flussstauung, da durch <strong>die</strong> Flüssigkeit oder Blut im Perikard <strong>die</strong> Füllung des rechten<br />
Herzens bee<strong>in</strong>trächtigt wird. Die Mortalität e<strong>in</strong>er Perikardt<strong>am</strong>ponade im Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es Thoraxtraumas<br />
ist sehr hoch. Die Gründe für <strong>die</strong> Ausbildung e<strong>in</strong>er Perikardt<strong>am</strong>ponade können<br />
<strong>die</strong> Verletzung e<strong>in</strong>er Koronararterie, e<strong>in</strong>e Kontusionsblutung aus dem Myokard oder e<strong>in</strong>e<br />
Blutung aus der Aorta se<strong>in</strong>.<br />
Pathophysiologisch wird das Herz im Herzbeutel durch das Blut komprimiert. Es kann davon<br />
ausgegangen werden, dass bereits 200-300 ml Blut erheblich <strong>die</strong> Kontraktilität des Herzens<br />
bee<strong>in</strong>trächtigen. E<strong>in</strong>e Therapieform stellt e<strong>in</strong>e Perikardiozentese dar, bei der bereits <strong>die</strong><br />
Abpunktion von 20 ml Flüssigkeit aus dem Perikard oft e<strong>in</strong>e erhebliche Verbesserung der<br />
Hämodyn<strong>am</strong>ik hervorrufen kann. Kl<strong>in</strong>isch kann e<strong>in</strong>e Perikardt<strong>am</strong>ponade aufgrund der<br />
Dyspnoe, e<strong>in</strong>er möglichen Zyanose mit oberer E<strong>in</strong>flussstauung sowie der so genannten<br />
Beck’schen Trias (Halsvenenstauung) leise Herztöne, Hypotension und niedrige Blut-<br />
druck<strong>am</strong>plitude festgestellt werden. Das Kussmaulzeichen, bei dem ke<strong>in</strong> Kollaps der Halsvenen<br />
bei der E<strong>in</strong>atmung zu sehen ist, e<strong>in</strong> paradoxer Impuls, Blutdruckabfall um mehr als<br />
10 mmHg während der E<strong>in</strong>atmung und das Oberflächen-EKG mit Amplitudenschwankungen<br />
können weitere H<strong>in</strong>weise für e<strong>in</strong>e Perikardt<strong>am</strong>ponade se<strong>in</strong>.<br />
Das größte diagnostische und <strong>am</strong> schnellsten herbeizuführende Diagnostikum stellt e<strong>in</strong>deutig<br />
<strong>die</strong> transthorakale oder transösophagiale Ultraschalluntersuchung des Thorax und des<br />
Herzens mit se<strong>in</strong>em Herzbeutel dar. Da <strong>die</strong>se oft unter Beatmung nur e<strong>in</strong>geschränkt möglich<br />
ist, empfiehlt sich auch <strong>in</strong> der <strong>die</strong>ser Konstellation nach Ausschluß e<strong>in</strong>er Oesophagusperforation<br />
<strong>die</strong> Durchführung e<strong>in</strong>es transoesophagialen Echos. Bei hämodyn<strong>am</strong>isch <strong>in</strong>stabilen<br />
Patienten sollte auf <strong>die</strong> Durchführung e<strong>in</strong>es CTs mit vorhergehendem Transport verzichtet<br />
werden.<br />
Die Therapie der Perikardt<strong>am</strong>ponade besteht dar<strong>in</strong>, <strong>die</strong>se so schnell als möglich zu entlasten.<br />
Dieses ist <strong>über</strong> e<strong>in</strong>e mediane Sternotomie oder <strong>über</strong> e<strong>in</strong>e l<strong>in</strong>kslaterale Thorakotomie<br />
möglich. E<strong>in</strong> subxyphoidaler Zugang kann ebenfalls gewählt werden.<br />
Ausbildung e<strong>in</strong>es Herzwandaneurysmas oder e<strong>in</strong>er Herzwandruptur:<br />
Dieses Krankheitsbild f<strong>in</strong>det sich nur bei extremsten Thoraxtraumata und <strong>die</strong>se beiden<br />
Enditäten treten oft sekundär als Folge e<strong>in</strong>es größeren Myokard<strong>in</strong>farktes im Rahmen des<br />
Traumas auf. Die H<strong>in</strong>weise auf <strong>die</strong>ses Krankheitsbildes stellen oft ausgeprägte Sternum-<br />
Und Serienfrakturen dar, es kommt fast regelmäßig zum Ausbilden e<strong>in</strong>er Perikardt<strong>am</strong>ponade<br />
und es können zudem Probleme an den Klappen auftreten wie z.B. Klappenrupturen,<br />
Sehenfadenabriß an den Klappen. Je nach dem welche Klappe betroffen ist, kommt es<br />
zum akut zum Auftreten e<strong>in</strong>es Rechts- oder L<strong>in</strong>ksherzversagens. Bei e<strong>in</strong>er Ruptur e<strong>in</strong>es<br />
29
Thoraxtrauma – Update<br />
Herzwandaneurysmas kommt es meistens nach e<strong>in</strong>em schweren <strong>in</strong>itialen Schmerzerereignis<br />
zum Erlöschen der Vitalzeichen des Patienten und Reanimationsmaßnahmen mit e<strong>in</strong>er<br />
externen Herz-Druck-Massage s<strong>in</strong>d erfolglos.<br />
Die Sterblichkeit an der freien Ruptur e<strong>in</strong>es Herzwandaneurysmas ist hoch und kann mit<br />
anekdotischem Überleben von Patienten <strong>am</strong> besten dargestellt werden.<br />
Traumatische Verletzungen der Gefäße<br />
Bei Akzelerations- oder Dezelerationstraumata kommt es nur bei sehr schweren Traumata<br />
zu e<strong>in</strong>er Verletzung der Aorta. Die Mortalität wird <strong>in</strong> der Literatur zwischen 85 und 95%<br />
angegeben. Wenn das <strong>in</strong>itiale Traumaereignis mit Ausbildung e<strong>in</strong>er gedeckten Aortenruptur<br />
oder Dissektion <strong>über</strong>lebt wird, dann beträgt <strong>die</strong> Mortalität 30% nach 6 Stunden und 50%<br />
nach 24 Stunden und 70% Mortalität nach e<strong>in</strong>er Woche. Die Verletzung konzentriert sich<br />
meist auf <strong>die</strong> Fixpunkte der Aorta, <strong>die</strong> wir ausführlich im E<strong>in</strong>leitungskapitel erläutert haben.<br />
Die Symptome stellen oft e<strong>in</strong>e rapide Verschlechterung der Vitalzeichen dar und als kl<strong>in</strong>ische<br />
Zeichen f<strong>in</strong>den sich e<strong>in</strong> Pulsdefizit zwischen der rechten und der l<strong>in</strong>ken oberen oder<br />
unteren Extremität. An weiteren vorstellbaren Gefäßverletzungen s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Ruptur der Vena<br />
cava superior oder <strong>in</strong>ferior an ihren Fixationspunkten <strong>in</strong>nerhalb des Thorax meist an den<br />
Durchtrittstellen durch das Perikard. Durch <strong>die</strong> Blutung aus den Venen kommt es eben-<br />
falls zum Ausbilden e<strong>in</strong>er Perikardt<strong>am</strong>ponade, <strong>in</strong>sbesondere <strong>die</strong> Kl<strong>in</strong>ik, <strong>die</strong> gleich ist wie<br />
bei e<strong>in</strong>er akuten Perikardt<strong>am</strong>ponade ist wegweisend. Bei E<strong>in</strong>riss von großen Gefäßen im<br />
Mediast<strong>in</strong>um tritt Blut <strong>in</strong>s Mediast<strong>in</strong>um aus und komprimiert zum Teil <strong>die</strong> großen venösen<br />
Gefäße und vor allem auch <strong>die</strong> Speiseröhre. Die Symptome s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> gleichen wie bei e<strong>in</strong>em<br />
penetrierenden Trauma mit Verletzung des Herzens und der Gefäße. Es kommt zur Hypovolämie<br />
und Ausbildung e<strong>in</strong>es Schocks. Im Röntgenbild ist e<strong>in</strong>e Verbreiterung des Mediast<strong>in</strong>ums<br />
sichtbar.<br />
Versorgung der Verletzungsarten <strong>am</strong> Herzen und den großen Gefäßen<br />
Je nach der Ausprägung und der hämodyn<strong>am</strong>ischen Auswirkung der Verletzung sollte e<strong>in</strong>e<br />
sofortige Versorgung der penetrierenden kardialen Verletzungen bzw. e<strong>in</strong>er penetrierenden<br />
Gefäßverletzung erfolgen. In der Regel können bei Stich- und Schussverletzungen des<br />
30<br />
Versorgung von Verletzungen mit Nähten und tangentialem<br />
Ausklemmen.<br />
Die Versorgung erfolgt <strong>in</strong> der Regel im Rahmen der Notfallbehandlung<br />
im Schockraum <strong>über</strong> e<strong>in</strong>e l<strong>in</strong>kslaterale großzügig<br />
durchgeführte Thorakotomie, bei der der Herzbeutel eröffnet<br />
wird und e<strong>in</strong>e digitale Kontrolle der Blutung durchgeführt<br />
werden kann (1, 3, 6, 7).<br />
Zur Kontrolle der Verletzung können auch Hilfsmittel wie<br />
Foley- oder Fogarthykatheter e<strong>in</strong>gesetzt werden, <strong>die</strong> im l<strong>in</strong>ken<br />
Cavum geblockt und an <strong>die</strong> <strong>in</strong>nere Herzwand zurückgezogen<br />
werden. D<strong>am</strong>it wird e<strong>in</strong> blutdichter Verschluß der penetrierenden<br />
Herzverletzung erzielt.
Thoraxtrauma – Update<br />
Herzens, sofern <strong>die</strong>se <strong>in</strong>itial <strong>über</strong>lebt werden, <strong>die</strong> Verletzungen des l<strong>in</strong>ken oder meist des<br />
rechten Ventrikels mit Nähten versorgt werden.<br />
Abb. Die Abbildungen zeigen <strong>die</strong> Versorgung von<br />
penetrierenden Verletzungen des Herzen, <strong>die</strong> via e<strong>in</strong>er<br />
lateralen Notfallthorakotomie mit e<strong>in</strong>em Fogarthykatheter<br />
gestoppt wurden (www.tauma.org)<br />
Die weiteren Vorgehensweisen bei e<strong>in</strong>er Thoraxverletzung mit Verdacht der Verletzung der großen Gefäße und<br />
des Herzens s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Algorhythmus obenstehend dargestellt.<br />
31
Thoraxtrauma – Update<br />
Kommt es zu e<strong>in</strong>er Hypotension oder zu e<strong>in</strong>er Ausbildung e<strong>in</strong>es Low Cardiac Output<br />
Syndroms, welches als Ursache e<strong>in</strong>e kardiale Verletzung oder e<strong>in</strong>e Verletzung e<strong>in</strong>es großen<br />
Gefäßes nach sich zieht, so werden <strong>die</strong> üblichen Notfallversorgungsmaßnahmen mit Legen<br />
von großlumigen Zugängen und Sicherung der Atemwege, Gabe von Volumen, Plasma-<br />
Expandern und Thoraxdra<strong>in</strong>agen durchgeführt.<br />
32
Thoraxtrauma – Update<br />
Ist e<strong>in</strong>e hämodyn<strong>am</strong>ische Stabilität zu erzielen, kann im OP e<strong>in</strong>e geordnete Versorgung<br />
bei parallel laufender Diagnostik durchgeführt werden. Ist <strong>die</strong> Hämodyn<strong>am</strong>ik des Patienten<br />
auch unter <strong>die</strong>sen Maßnahmen weiterh<strong>in</strong> <strong>in</strong>stabil, so sollte <strong>die</strong> Möglichkeit der Operation<br />
im Schockraum als sogenannte emergency department Thorakotomie (edT) angedacht werden<br />
(7). Ist e<strong>in</strong>e Notfallversorgung im Schockraum erfolgt, so wird der Patient dann anschließend<br />
nach hämodyn<strong>am</strong>ischer Stabilisierung und Initialversorgung der größten Verletzungen<br />
im OP endgültig versorgt (7). Des Weiteren ist bei der Verletzung von großen Gefäßen<br />
und des Herzens mit nachfolgender operativer Versorgung nach hämodyn<strong>am</strong>ischer Stabilisierung<br />
dann e<strong>in</strong>e weitere Fe<strong>in</strong>diagnostik erforderlich. Die Fe<strong>in</strong>diagnostik be<strong>in</strong>haltet e<strong>in</strong>e<br />
Darstellung der ges<strong>am</strong>ten Klappenfunktionen (5) des Herzens <strong>in</strong>cl. der Gefäßversorgung<br />
(Koronarangiographie). Es müssen zudem Defekte der <strong>in</strong>traartrialen und <strong>in</strong>tracavitären<br />
Septen ausgeschlossen werden. Bei Verletzungen der großen Gefäße s<strong>in</strong>d unbed<strong>in</strong>gt bildgebende<br />
Verfahren <strong>in</strong> Form von Angio-CT durchzuführen, so dass e<strong>in</strong>e genaue Darstellung<br />
der supraaortalen Äste des ges<strong>am</strong>ten Aortenrohres durchgeführt werden können (4,5,6).<br />
Stellen sich nach Akutversorgung von Gefäßen im Angio-CT weiterh<strong>in</strong> Pathologien dar, so<br />
können <strong>die</strong>se <strong>in</strong>terventionell mit Stents versorgt werden (5).<br />
Traumatische Aortenrupturen<br />
E<strong>in</strong>e traumatische Aortenruptur im Rahmen e<strong>in</strong>es Akzellerations- oder Dezellerationstraumas<br />
tritt meist nicht isoliert sondern oft im Rahmen e<strong>in</strong>es Polytraumas auf. Das Polytrauma<br />
entsteht meist durch <strong>die</strong> großen wirkenden Kräfte, denen der Patient ausgesetzt<br />
wird. Die Problematik der traumatischen Aortenruptur besteht dar<strong>in</strong>, dass <strong>die</strong> konventionelle<br />
chirurgische Versorgung mit Anschluß an <strong>die</strong> Herz-Lungen-Masch<strong>in</strong>e bei e<strong>in</strong>em<br />
polytraumatisierten Patienten oft zu großen Blutverlusten der meist frakturierten Becken-<br />
Oberschenkelgebieten führt, so dass schlussendlich <strong>in</strong>traoperativ e<strong>in</strong> hohes Risiko für den<br />
Patienten besteht, an der notwendigen gefäßchirurgischen Maßnahme zu verbluten (4,5,7).<br />
E<strong>in</strong>e Alternative hierzu stellen transaortal e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>genden bezogene Aortenstents dar, bei<br />
denen e<strong>in</strong>e Versorgung e<strong>in</strong>er traumatischen Aortenruptur endovaskulär möglich wird. Dieses<br />
Vorgehen hat bei <strong>die</strong>sem polytraumatisierten Patienten sicherlich Vorteile, setzt jedoch<br />
voraus, dass e<strong>in</strong> geeignetes Zentrum <strong>in</strong>nerhalb kürzester Zeit gefunden wird, welches <strong>in</strong> der<br />
Lage <strong>die</strong> traumatische Aortenruptur mit e<strong>in</strong>em Stentgraft zu versorgen und <strong>die</strong> bestehenden<br />
Begleitverletzungen adequat mitzuversorgen. Die Zentren für endovaskuläre Stentversorgung<br />
s<strong>in</strong>d meist an herzchirurgische Kl<strong>in</strong>iken angebunden (4, 7).<br />
E<strong>in</strong>e Versorgung e<strong>in</strong>er traumatischen Aortendissektion setzt daher zum e<strong>in</strong>en das Bereitstellen<br />
e<strong>in</strong>es kompletten OP-Saales sowie e<strong>in</strong>er kompletten Diagnostike<strong>in</strong>heit im OP voraus.<br />
Diese Voraussetzungen s<strong>in</strong>d nur mit Hilfe e<strong>in</strong>es sogenannten Hybridoperationssaales gegeben,<br />
<strong>in</strong> welchem sowohl <strong>die</strong> Diagnostik als auch <strong>die</strong> Versorgung sofort durchgeführt werden<br />
kann. Dieses ist bisher nur <strong>in</strong> wenigen Kl<strong>in</strong>iken <strong>in</strong> Deutschland der Regelfall.<br />
E<strong>in</strong> weitere Unsicherheit <strong>in</strong> der <strong>in</strong>terventionellen Versorgung <strong>die</strong>ses Krankheitsbildes ist,<br />
dass <strong>die</strong> Langzeitergebnisse der Stentversorgung bei akuter traumatischer Aortendissektion<br />
noch nicht klar s<strong>in</strong>d. Die akute Stentversorgung stellt jedoch zur Zeit für <strong>die</strong> Akutphase<br />
sicherlich <strong>die</strong> beste Möglichkeit dar, um <strong>die</strong> Aorta zum<strong>in</strong>dest temporär zu versorgen (4).<br />
33
Thoraxtrauma – Update<br />
Literatur:<br />
1. Asensio JA, Berne JD, Demetriades D, Chan L, Murray J, Falabella A, Gomez H, Chahwan S,<br />
Velmahos G, Cornwell EE, Belzberg H, Shoemaker W, Berne TV. One hundred five penetrat<strong>in</strong>g<br />
cardiac <strong>in</strong>juries: a 2-year prospective evaluation. J Trauma. 1998 Jun;44(6): 1073-82<br />
2. Asensio JA, Murray J, Demetriades D, Berne J, Cornwell E, Berne TV. Penetrat<strong>in</strong>g cardiac<br />
<strong>in</strong>juries: a prospective study of variables predict<strong>in</strong>g outcomes. J Am Coll Surg. 1998 Jan;<br />
186(1): 24-34<br />
3. Bizzarri F, Mattia C, Ricci M, Chirichilli I, Santo C, Rose D, Muzzi L, Pugliese G, Frati G,<br />
Sart<strong>in</strong>i P, Ferrari R, Della Rocca C, Laghi A. Traumatic aortic arch false aneurysm after<br />
blunt chest trauma <strong>in</strong> a motocross rider. J Cardiothorac Surg. 2008 May 1; 3:23.<br />
4. Semih Buz, Burkhart Zipfel, Sead Mulahasanovic, Miralem Pasic, Yuguo Weng, Roland<br />
Hetzer. Conventional surgical repair and endovascular treatment of acute traumatic aortic<br />
rupture. EurJCardThroac Surg 33 (2008) 143-151<br />
5. Da Col U, Di Lazzaro D, Di Manici G, Affronti A, Bardelli G, Di Bella I, Ragni T. Aortic valve<br />
repair after blunt chest trauma: repair of traumatic aortic valve rupture. J Card Surg. 2007<br />
May-Jun;22(3): 221-3.<br />
6. Degiannis E, Loogna P, Doll D, Bonanno F, Bowley DM, Smith MD. Penetrat<strong>in</strong>g cardiac<br />
<strong>in</strong>juries: recent experience <strong>in</strong> South Africa. World J Surg; 2006 Jul;30(7): 1258-64<br />
7. Navid F, Gleason TG. Great vessel and cardiac trauma: diagnostic and management<br />
strategies. Sem<strong>in</strong> Thorac Cardiovasc Surg. 2008 Spr<strong>in</strong>g;20(1): 31-8<br />
Kontakt:<br />
Ennker, Jürgen, Priv. Doz. Dr. med.<br />
Ärztlicher Direktor MediCl<strong>in</strong> Herzzentrum Lahr/Baden<br />
Chefarzt der Kl<strong>in</strong>ik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie<br />
Hohbergweg 2, 77933 Lahr<br />
34
II. Sitzung<br />
Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll –<br />
Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie<br />
– Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll –<br />
Vorsitz: K. H. W<strong>in</strong>ker, Erfurt/V. Ril<strong>in</strong>ger, Frankfurt<br />
S. Ruchholtz, Marburg/A. Hedtmann, H<strong>am</strong>burg<br />
Sonographie<br />
Manuskript lag zum Zeitpunkt des Drucks nicht vor.<br />
35
J. Blum, Worms<br />
Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll –<br />
Die Computertomographie <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – was ist wann s<strong>in</strong>nvoll?<br />
Zus<strong>am</strong>menfassung<br />
Die Computertomographie stellt e<strong>in</strong>en wesentlichen Bestandteil <strong>in</strong> der modernen unfall-<br />
chirurgischen Diagnostik dar. Sie verdrängt weder <strong>die</strong> unfallchirurgische An<strong>am</strong>nese-<br />
erhebung, noch <strong>die</strong> körperliche Untersuchung. Auch <strong>die</strong> konventionelle radiologische<br />
Diagnostik und Sonographie haben weiterh<strong>in</strong> ihren Stellenwert. Dennoch hat das CT <strong>in</strong>zwischen<br />
beim Polytrauma-Scan e<strong>in</strong>e führende Rolle e<strong>in</strong>genommen. Die CT-Diagnostik<br />
beim Thorax-, Abdomen-, Becken- und Wirbelsäulenverletzten, wie auch beim Schädel-<br />
Hirn-Trauma ermöglicht e<strong>in</strong>e professionelle E<strong>in</strong>schätzung und Therapieplanung.<br />
Bei komplexen Gelenkfrakturen, wie auch bei komplexen Hand- und Fußtraumen kommt<br />
dem CT e<strong>in</strong>e Schlüsselrolle zu. Bei den Schaftfrakturen langer Röhrenknochen ist sie von<br />
untergeordneter Bedeutung, bei der Rotationsbestimmung nach Frakturversorgung h<strong>in</strong>gegen<br />
kann <strong>die</strong> Bestimmung mit hoher Genauigkeit erfolgen.<br />
Dennoch muss ihre Indikation kritisch h<strong>in</strong>terfragt werden, jede nicht gerechtfertigte Anwendung<br />
stellt e<strong>in</strong>e unzulässige Körperverletzung dar, da es auch weiterh<strong>in</strong> viele Verletzungssituationen<br />
gibt, <strong>in</strong> denen <strong>die</strong> Computertomographie ke<strong>in</strong>e wesentliche Information für e<strong>in</strong><br />
verbessertes Ausheilungsergebnis bietet.<br />
Schlüsselworte<br />
Computertomographie, Spiral-CT, Polytrauma, Gelenkfraktur, Wirbelfraktur, Beckenfraktur<br />
Summary<br />
Computerized Tomography <strong>in</strong> Trauma Surgery – what makes sense and when?<br />
Computerized tomography today is an <strong>in</strong>tegral part of modern diagnostics <strong>in</strong> trauma surgery.<br />
It does not substitute trauma history tak<strong>in</strong>g or physical ex<strong>am</strong><strong>in</strong>ation. Furthermore conventional<br />
radiological diagnostics and ultra-sounds have their relevant stand<strong>in</strong>g even today.<br />
Nevertheless CT has now the lead<strong>in</strong>g role <strong>in</strong> polytrauma-scann<strong>in</strong>g.<br />
CT-diagnostics <strong>in</strong> thoracic, abdom<strong>in</strong>al, pelvic and sp<strong>in</strong>e <strong>in</strong>juries, as well as <strong>in</strong> acute head<br />
trauma enhance a professional prognosis and therapy plan<strong>in</strong>g.<br />
In complex jo<strong>in</strong>t fractures, as also <strong>in</strong> complex hand and foot trauma CT has a key-role. In<br />
long bone diaphyseal fractures its significance is low, but the evaluation of rotational errors<br />
after fracture treatment can be performed with high precision.<br />
Nevertheless the <strong>in</strong>dication for a CT-scan must be questioned critically, s<strong>in</strong>ce not <strong>in</strong>dicated<br />
applications mean a violation of body <strong>in</strong>tegrity, s<strong>in</strong>ce there are without doubt many <strong>in</strong>jury<br />
situations where computer tomography will not offer significant <strong>in</strong>formation <strong>in</strong> order to<br />
reach an optimized treatment result.<br />
37
Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll –<br />
Keywords<br />
Computertomography, spiral-CT, polytrauma, articular fracture, sp<strong>in</strong>e fracture, pelvic<br />
fracture<br />
1. E<strong>in</strong>leitung – Computertomographie <strong>in</strong> der Unfallchirurgie<br />
Die Computertomographie (CT) ist heute aus dem unfallchirurgischen Alltag <strong>in</strong> Deutschland<br />
nicht mehr wegzudenken. Kaum e<strong>in</strong> kl<strong>in</strong>isch tätiger Unfallchirurg sieht für sich e<strong>in</strong>e professionelle<br />
Arbeitsplattform, wenn er nicht unmittelbar auf e<strong>in</strong> CT zugreifen kann. Genauso<br />
werden <strong>die</strong> D-Ärzte im niedergelassenen Bereich e<strong>in</strong>e enge Kooperation mit radiologischen<br />
Praxen e<strong>in</strong>gehen, <strong>die</strong> <strong>über</strong> e<strong>in</strong>en Computertomographen verfügen.<br />
In erster L<strong>in</strong>ie <strong>die</strong>nt das CT hierbei als primäres diagnostisches Werkzeug, welches entscheidende<br />
Informationen <strong>in</strong> der Entscheidungsf<strong>in</strong>dung e<strong>in</strong>er adäquaten Therapie bei Verletzungen<br />
liefern soll. Andererseits bestehen klare Anhaltspunkte, wo das CT auch nach<br />
e<strong>in</strong>er primären Therapie <strong>in</strong> der Beurteilung des weiteren Verlaufes hilfreiche Details liefert.<br />
Speziellen Zentren vorbehalten ist der <strong>in</strong>traoperative E<strong>in</strong>satz e<strong>in</strong>es Computertomographen,<br />
wenn es um operationsbezogene Details geht, <strong>die</strong> durch konventionelles Röntgen nicht<br />
erreichbar s<strong>in</strong>d.<br />
Der Unfallchirurg erwartet pr<strong>in</strong>zipiell von den schichtweisen Darstellungen e<strong>in</strong>es CTs Verletzungsdetails,<br />
<strong>die</strong> er durch An<strong>am</strong>nese und körperliche Untersuchung, aber auch konventionelles<br />
Röntgen und Sonographie oder andere diagnostische Verfahren nicht <strong>in</strong> gleicher<br />
Klarheit und Sichtweise erhalten kann. Er verspricht sich, dadurch e<strong>in</strong> besseres Verständnis<br />
für <strong>die</strong> Verletzungsform und –schwere, für <strong>die</strong> d<strong>am</strong>it erbundenen dreidimensionalen Verletzungsrelationen<br />
und somit auch für <strong>die</strong> günstigste und an <strong>die</strong> <strong>in</strong>dividuelle Verletzung<br />
optimal angepasste Therapiewahl, e<strong>in</strong>schließlich der Operationsplanung vor Osteosynthesen,<br />
zu erwerben.<br />
Diese Erwartung ist genährt durch <strong>die</strong> Tatsache, dass <strong>die</strong> Computertomographie aufgrund<br />
ihrer axialen Schnittebenen, ihrer <strong>über</strong>lagerungsfreien Darstellung und der Möglichkeit der<br />
Beurteilung der Organe und Weichteile, wie auch der relativ e<strong>in</strong>fachen Lagerung des Verletzten<br />
bedeutende Vorteile gegen<strong>über</strong> der konventionellen Röntgendiagnostik besitzt.<br />
Bewusst wurde <strong>die</strong> Reihenfolge der diagnostischen Sequenz mit An<strong>am</strong>nese und körperlicher<br />
Untersuchung angeführt. Die Gefahr <strong>in</strong> der Verwendung e<strong>in</strong>er bee<strong>in</strong>druckenden und<br />
hochtechnisierten diagnostischen Methode, wie der CT, liegt <strong>in</strong> der Versuchung, klassische<br />
Verfahren, wie <strong>die</strong> Erhebung der Unfallan<strong>am</strong>nese, aber auch der exakten und umfassenden<br />
körperlichen Untersuchung zu unterschätzen. Es muss auch von den unfallchirurgischen<br />
Ausbildern sicherlich <strong>in</strong> der Gegenwart und Zukunft weiter darauf Wert gelegt werden,<br />
<strong>die</strong>se Priorität zu verdeutlichen.<br />
Die E<strong>in</strong>ordnung der CT nach dem konventionellen Röntgen und m<strong>in</strong>imal-<strong>in</strong>vasiven Sonographie<br />
ist sicher heute noch für das Monotrauma gültig, hat aber durch <strong>die</strong> technische und<br />
logistische Weiterentwicklung der Spiral-Computertomographie und des d<strong>am</strong>it verbunde-<br />
38
Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll –<br />
nen „Traumascans“ beim Schwerverletzten und polytraumatisierten Patienten e<strong>in</strong>e deutliche<br />
E<strong>in</strong>schränkung erfahren.<br />
Gegen<strong>über</strong> dem polypragmatischen Gebrauch der CT <strong>in</strong> der Unfallchirurgie sei auf<br />
deren heute noch hohe Strahlungsexposition, aber auch je nach Modell längere Untersuchungszeiten<br />
und höhere Anfälligkeit gegen<strong>über</strong> Bewegungs- und Metallartefakten<br />
h<strong>in</strong>gewiesen.<br />
2. Computertomographie beim Schädel-Hirn-Trauma<br />
Schon Ende des 70er Jahre konnte nachgewiesen werden, dass der E<strong>in</strong>satz der Computertomographie<br />
<strong>die</strong> Prognose bei Schädel-Hirn-Traumen wesentlich verbessert hat. Zwar kann<br />
<strong>die</strong> native Röntgendiagnostik wesentliche H<strong>in</strong>weise auf das Vorliegen von Schädelfrakturen<br />
liefern, wodurch ggf. auf <strong>in</strong>trakranielle Läsionen geschlossen werden kann. Nicht selten<br />
werden solche Frakturen erst bei der CT-Untersuchung entdeckt, wobei der wichtigste <strong>in</strong>formative<br />
diagnostische Gew<strong>in</strong>n <strong>die</strong> Detektion epiduraler, subduraler oder subarachnoidaler<br />
Blutungen, <strong>in</strong>tracranieller Kontusionen, Verletzungen der Gehirnsubstanz und <strong>die</strong> Verlagerung<br />
von Gehirnanteilen darstellt. Die daraus abgeleitete Information zur Entscheidung<br />
<strong>über</strong> konservative oder operative Maßnahmen ist fund<strong>am</strong>ental, <strong>die</strong> Frage, ob <strong>die</strong> CT bei<br />
Schädel-Hirn-Traumen s<strong>in</strong>nvoll ist, wird weltweit mit „Ja“ beantwortet. H<strong>in</strong>zu kommt <strong>die</strong><br />
deutlich bessere Beurteilungsqualität von Verletzungen des Gesichtsschädels im Vergleich<br />
zur nativen Röntgendiagnostik.<br />
Wann <strong>die</strong> Computertomographie bei Schädel-Hirn-Traumen s<strong>in</strong>nvoll ist, hängt von der<br />
Verletzungsschwere und den d<strong>am</strong>it verbundenen äußeren wie auch neurologischen Verletzungszeichen<br />
ab, was wiederum <strong>die</strong> Wichtigkeit der Erhebung von (hier meist Fremd-)<br />
An<strong>am</strong>nese und körperlich-neurologischer Untersuchung belegt. Sicherlich uns<strong>in</strong>nig ist<br />
<strong>die</strong> Computertomographie bei Schädel-Hirn-Traumen ersten Grades, allerd<strong>in</strong>gs sollte bei<br />
Zweifeln e<strong>in</strong>es höhergradigen Schädel-Hirn-Traumas direkt e<strong>in</strong>e Computertomographie<br />
angestrebt werden.<br />
Zeigt <strong>die</strong> primäre CT e<strong>in</strong>e deutliche Diskrepanz zwischen neurologischer Schwere und<br />
e<strong>in</strong>em weitgehend unauffälligen CT, so planen wir hier e<strong>in</strong>e Kontroll-CT <strong>in</strong>nerhalb der<br />
nächsten 6–12 Stunden an, bei Befundverschlechtung auch entsprechend früher.<br />
Die Notwendigkeit weiterer Kontrolluntersuchungen auch nach erfolgter Therapie ist<br />
abhängig vom Verlauf.<br />
3. Computertomographie beim Polytrauma e<strong>in</strong>schließlich Thorax- und<br />
Abdom<strong>in</strong>altrauma<br />
Die Weiterentwicklung des Spiral-CT ermöglichte es bereits <strong>in</strong> den frühen 90er Jahren,<br />
<strong>die</strong> Computertomographie auch <strong>in</strong> der Akutdiagnostik polytraumatisierter Patienten e<strong>in</strong>zusetzen.<br />
War d<strong>am</strong>als noch mit deutlichen Schwierigkeiten, wie logistische Probleme, lange<br />
Untersuchungszeiten, ungeübtes Personal und hohem Datenanfall bei niedrigen Speicher-<br />
39
Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll –<br />
kapazitäten zu kämpfen, so haben sowohl <strong>die</strong> bee<strong>in</strong>druckenden technologischen Fortschritte<br />
wie auch <strong>die</strong> Erstellung s<strong>in</strong>nvoller Untersuchungs-Algorithmen, ausgefeilte logistische<br />
Konzepte und <strong>die</strong> d<strong>am</strong>it verbundene Schulung aller Beteiligten zu e<strong>in</strong>er nun rout<strong>in</strong>ierten<br />
Anwendung des CT-Traumascans geführt.<br />
Der E<strong>in</strong>satz der Computertomographie ist somit heute bei polytraumatisierten Patienten<br />
als s<strong>in</strong>nvoll e<strong>in</strong>zustufen. Die Frage nach dem „wann?“ ist auch e<strong>in</strong>deutig zu benennen.<br />
Sobald nach der Bergungsphase <strong>am</strong> Unfallort und der primären Stabilisierungsphase im<br />
Schockraum möglich, muss zügig der Traumascan durchgeführt werden. Die daraus neben<br />
der Verletzungs<strong>über</strong>sicht mögliche Fe<strong>in</strong>diagnostik <strong>am</strong> CT-Bildschirm kann dann parallel<br />
zur Überleitung des Unfallverletzten <strong>in</strong> den OP erfolgen.<br />
Dennoch sollte <strong>die</strong> Indikationsstellung zum Ganzkörper-Traumascan auf ihre Berechtigung<br />
<strong>über</strong>prüft werden, denn auch mit modernen Geräten besteht e<strong>in</strong>e nicht ger<strong>in</strong>ge Strahlenexposition.<br />
Die Auflösung der Übersichtsprogr<strong>am</strong>me des Spiral-CT muss hoch genug se<strong>in</strong>,<br />
um konventionelle Röntgenaufnahmen zu ersetzen, <strong>die</strong> Scan- und Rechenzeiten müssen so<br />
kurz wie möglich se<strong>in</strong>. Das Gerät muss sehr nahe <strong>am</strong>, im idealen Fall sogar im Schockraum<br />
<strong>in</strong>tegriert se<strong>in</strong>. 24-Stunden täglich verfügbares Fachpersonal muss hochwertig geschult zur<br />
Verfügung stehen.<br />
Neben dem primären Traumascan beim polytraumatisierten Patienten kann im weiteren<br />
Verlauf e<strong>in</strong>e zweite Computertomographie notwendig werden, wenn es um <strong>die</strong> Versorgung<br />
aufschiebbarer Verletzungsfolgen geht, wie beispielsweise epi- und metaphysärer Frakturen,<br />
<strong>die</strong> nun nach e<strong>in</strong>igen Tagen ihre def<strong>in</strong>itive Osteosynthese erfordern und bei denen der<br />
Datensatz des Traumscans noch nicht befriedigende Detailtreue bietet.<br />
4. Computertomographie bei Wirbelsäulenverletzungen<br />
Verletzungen, und hierbei <strong>in</strong>sbesondere Frakturen der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule,<br />
treten sowohl als Monoverletzungen, als auch im Kontext e<strong>in</strong>es Polytraumas auf.<br />
Bei Letzteren werden <strong>die</strong>se <strong>in</strong> der Regel im Rahmen des Traumascans erkannt und auch im<br />
Wesentlichen bereits klassifizierbar. Bei den Monoverletzungen, <strong>in</strong>sbesondere bei jenen<br />
ohne neurologische Symptomatik, ist <strong>die</strong> Computertomographie nicht das primäre diagnostische<br />
Mittel, sondern <strong>die</strong> konventionelle Radiologie.<br />
In Fokus des diagnostischen und therapeutischen Interesses stehen <strong>die</strong> Wirbelkörperh<strong>in</strong>terkante<br />
und der knöcherne Sp<strong>in</strong>alkanal.<br />
Bei <strong>in</strong>stabilen Frakturen streben wir zügig <strong>die</strong> Computertomographie an. Wenn konventionell<br />
ke<strong>in</strong> Verdacht auf e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>stabile Frakturform, aber dennoch e<strong>in</strong>e neurologische Symptomatik<br />
vorliegt oder sich rasch entwickelt, so ist e<strong>in</strong>e Computertomographie direkt <strong>in</strong>diziert.<br />
Nicht selten wird beispielsweise e<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>terkantenbeteiligung mit Kompression erst im<br />
CT erkannt. Sagittale, koronare oder paraaxiale Rekonstruktionen erlauben es oft, das Verletzungsausmaß<br />
besser zu erfassen.<br />
Die Untersuchung sollte Knochen- und Weichteilfenster be<strong>in</strong>halten, um auch begleitende<br />
Hämatome etc. erkennen zu können.<br />
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Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll –<br />
Sowohl nach konservativem Vorgehen, wie auch bei operativer Stabilisierung wird <strong>die</strong><br />
Computertomographie ihren hohen Stellenwert zur Verlaufsbewertung behalten, da sie<br />
Details offenbart, <strong>die</strong> im konventionellen Röntgen nicht so e<strong>in</strong>deutig zu bewerten s<strong>in</strong>d. Dies<br />
gilt selbst bei e<strong>in</strong>er gewissen E<strong>in</strong>schränkung durch Metallartefakte wie nach der Pedikel-<br />
und Wirbelkörper<strong>in</strong>strumentierung oder Cage-Implantation.<br />
Wenig hilfreich ist <strong>die</strong> Computertomographie <strong>in</strong> der Klärung der Frage nach alten oder<br />
frischen Frakturen, <strong>in</strong>sbesondere bei den osteoporotischen Frakturen. Hier ist <strong>die</strong> MRT<br />
vorzuziehen.<br />
5. Computertomographie bei Verletzungen des Beckens und Hüftgelenkes<br />
Schwere Becken- und Azetabulumfrakturen treten meist im Rahmen e<strong>in</strong>es Polytraumas auf,<br />
so dass hier bereits im Rahmen des Traumascans deren vitale Bedrohlichkeit und Verknüpfung<br />
mit <strong>in</strong>trapelv<strong>in</strong>en Organ- und Weichteilverletzungen erkannt werden kann. Zum<strong>in</strong>dest<br />
kann hierbei <strong>in</strong> der Regel <strong>die</strong> Frage nach der Notwendigkeit e<strong>in</strong>es Beckenfixateurs oder<br />
e<strong>in</strong>er Beckenzw<strong>in</strong>ge zus<strong>am</strong>men mit dem kl<strong>in</strong>ischen Bild des Patienten sehr rasch entschieden<br />
werden. Moderne Computertomographen erlauben <strong>in</strong> der Regel auch <strong>die</strong> verfe<strong>in</strong>erte<br />
Auswertung der Datensätze e<strong>in</strong>schließlich drei-dimensionaler Rekonstruktionen, so dass<br />
auch für <strong>die</strong> def<strong>in</strong>itiven anspruchsvollen Osteosynthesen <strong>die</strong> nötige Information verfügbar<br />
ist.<br />
Auch für <strong>die</strong> geplante Versorgung solcher Frakturen ausserhalb der primären Notfallsituation<br />
halten wir <strong>die</strong> Computertomographie für unerlässlich. Die alle<strong>in</strong>ige Verwendung<br />
konventioneller Ala- und Obturator- bzw. Inlet- und Outletaufnahmen zus<strong>am</strong>men mit der<br />
Becken<strong>über</strong>sicht wird als nicht ausreichend angesehen.<br />
Gleiches gilt für Frakturen des Hüftkopfes (Pipk<strong>in</strong>-Frakturen), <strong>die</strong> durch e<strong>in</strong>e CT verfe<strong>in</strong>ert<br />
untersucht und klassifiziert wird, bevor das operative Konzept festgelegt wird.<br />
Bei den Verletzungen des Beckens und Hüftgelenkes und deren konservativer oder eher<br />
operativer Versorgung spielt <strong>die</strong> Computertomographie auch im Verlauf e<strong>in</strong>e Rolle sowohl<br />
bei der Beurteilung von Frakturfragmentrepositionen und –alignement, wie auch bezüglich<br />
der e<strong>in</strong>liegenden Implantate. Beispielsweise <strong>die</strong> korrekte Lage von Sakralschrauben oder<br />
<strong>die</strong> extraartikuläre Position von Schrauben im Rahmen der Azetabulumplattenosteosynthese<br />
lässt sich nur im CT e<strong>in</strong>deutig klären.<br />
Bei Osteotomien fehlverheilter Becken- oder Azetabulumfrakturen ist <strong>die</strong> Computertomographie<br />
unbed<strong>in</strong>gte Vorraussetzung <strong>in</strong> der Operationsplanung.<br />
6. Computertomographie bei Gelenkverletzungen<br />
Die Computertomographie ist e<strong>in</strong>e anerkannte Doma<strong>in</strong>e <strong>in</strong> der Beurteilung und Operationsplanung<br />
epi- und metaphysärer Frakturen an Schulter, Ellenbogen, Handgelenk und Hand,<br />
Kniegelenk, Sprunggelenk und Fuß. In der Regel besteht bei den geschlossenen Frakturen<br />
41
Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll –<br />
auch genügend Zeit, <strong>die</strong>se Untersuchung geplant und ohne Zeitdruck durchzuführen. Da <strong>die</strong><br />
Maxime <strong>in</strong> der operativen Behandlung solcher Frakturen <strong>die</strong> anatomische und stufenfreie<br />
Wiederherstellung der Gelenkflächen und ihrer räumlichen Ausrichtung liegt, erfordert <strong>die</strong>s<br />
e<strong>in</strong> Detailwissen der Frakturform und -klassifikation, das <strong>in</strong> der Regel durch konventionelle<br />
Röntgendiagnostik, aber oft auch durch den direkten E<strong>in</strong>blick während der Operation nicht<br />
zu erreichen ist.<br />
Selbst bei den sehr häufigen, aber teilweise unterschätzen Frakturformen, wie beispielsweise<br />
den distalen Radiusfrakturen und den proximalen Humerusfrakturen lässt sich e<strong>in</strong><br />
Trend h<strong>in</strong> zum vermehrten E<strong>in</strong>satz der Computertomographie zur Operationsplanung erkennen.<br />
Dies korreliert mit den <strong>in</strong>zwischen höheren Operationsfrequenzen solcher Frakturen.<br />
Natürlich muss der CT-E<strong>in</strong>satz auch hier begründet se<strong>in</strong>. E<strong>in</strong> weitgehend undislozierte<br />
subcapitale Humerusfraktur oder e<strong>in</strong>e isolierte re<strong>in</strong> extraartikuläre distale Radiusfraktur<br />
wird selten e<strong>in</strong> CT erfordern. Allerd<strong>in</strong>gs je komplexer und Gelenkflächen-bezogener <strong>die</strong><br />
Fraktur, umso mehr muss <strong>die</strong> Frage nach e<strong>in</strong>er CT <strong>über</strong>legt werden - <strong>die</strong>s <strong>in</strong>sbesondere bei<br />
jungen und sportlich <strong>am</strong>bitionierten Patienten.<br />
Komplexe Verletzungen des Schultergürtels, <strong>in</strong>sbesondere auch der Schultergelenkspfanne,<br />
s<strong>in</strong>d ohne CT kaum sachgerecht e<strong>in</strong>zustufen. Als Screen<strong>in</strong>g nach re<strong>in</strong>en Schulterluxationen<br />
ist h<strong>in</strong>gegen das MRT <strong>über</strong>legen.<br />
Proximale Tibiafrakturen, wie auch Frakturen des Pilon tibiale stellen nahezu immer e<strong>in</strong>e<br />
Indikation zur computertomographischen Untersuchung dar, <strong>in</strong>sbesondere wenn sie epiphysärer<br />
Natur s<strong>in</strong>d.<br />
Die früher geübte Praxis, auch Knieb<strong>in</strong>nenverletzungen mittels CT (und ggf. <strong>in</strong>traartikulärer<br />
Insufflation) zu untersuchen, ist weitgehend durch <strong>die</strong> Überlegenheit des MRT verlassen<br />
worden.<br />
Frakturen der Handwurzel, Fußwurzel wie auch des Rückfußes s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Regel als Gelenkfrakturen<br />
e<strong>in</strong>zustufen. Hier besitzt <strong>die</strong> Computertomographie e<strong>in</strong>en hohen Stellenwert.<br />
Unstrittig ist seit vielen Jahren <strong>die</strong> CT-Diagnostik bei Rückfußfrakturen. Die Komplexizität<br />
von Calcaneus-, aber auch Talusfrakturen und -luxationen ist mit konventionellen Röntgenaufnahmen,<br />
oft auch mit Spezialaufnahmen wie z.B. nach Broden nur unzureichend zu<br />
erfassen. Das gleiche gilt für komplexe Komb<strong>in</strong>ationsverletzungen mit Luxationen des<br />
Rück-, Mittel- und Vorfußes, wo für uns e<strong>in</strong>e CT obligat ist.<br />
Analog ist <strong>die</strong>s auf <strong>die</strong> Handwurzel zu <strong>über</strong>tragen. Auch bei den Scaphoidfrakturen ist der<br />
Anspruch an e<strong>in</strong>e perfekte anatomische Rekonstruktion gestiegen, so dass der Trend deutlich<br />
wird, <strong>die</strong> Diagnostik nicht nur auf <strong>die</strong> Scaphoid-Quartett-Spezialaufnahmen zu begrenzen,<br />
sondern e<strong>in</strong>e Computertomographie zur Operationsplanung voranzustellen.<br />
H<strong>in</strong>gegen ist bezüglich der Frage nach Weichteilverletzungen, wie beispielsweise Verletzungen<br />
des TFCC, <strong>die</strong> MRT e<strong>in</strong>deutig <strong>über</strong>legen.<br />
Die technischen Möglichkeiten moderner Computertomographen erlauben <strong>in</strong> der Regel <strong>die</strong><br />
spektakuläre und animierte dreidimensionale Rekonstruktions-Darstellung. Sicherlich kann<br />
dadurch für e<strong>in</strong>e Reihe von komplexen Frakturtypen e<strong>in</strong>e nahezu reelle Sichtweise erzeugt<br />
werden, <strong>die</strong> im Gegensatz zur <strong>in</strong>tellektuellen Komb<strong>in</strong>ation e<strong>in</strong>zelner (zweidimensioneller)<br />
42
Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll –<br />
Schnittebenen leichter und gefälliger ersche<strong>in</strong>t. Dennoch ersetzt <strong>die</strong>s nicht <strong>die</strong> Bildbetrachtung<br />
klassischer CT-Schnitte, da hier manche Operationsschritte weit besser und tiefgreifender<br />
geplant werden können, weil Überlagerungseffekte wegfallen.<br />
7. Computertomographie bei Schaftfrakturen langer Röhrenknochen<br />
Die diaphysären Frakturen langer Röhrenknochen werden beim Polytraumatisierten <strong>in</strong> der<br />
Regel im Traumascan erkannt. Dennoch ist das CT nicht <strong>die</strong> Methode der Wahl oder e<strong>in</strong><br />
Regelzusatz <strong>in</strong> der Diagnostik solcher Frakturen. Auch heute noch ist weitgehend das konventionelle<br />
Röntgen <strong>in</strong> zwei Ebenen ausreichend. Die CT-basierte Navigation diaphysärer<br />
Frakturen langer Röhrenknochen spielt e<strong>in</strong>e marg<strong>in</strong>ale Rolle.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs <strong>die</strong>nt <strong>die</strong> CT durchaus <strong>in</strong> der postoperativen Rotationskontrolle, <strong>in</strong>sbesondere<br />
von Femurfrakturen, wenn hier Zweifel angezeigt s<strong>in</strong>d.<br />
8. Fazit<br />
Die Computertomographie ist <strong>in</strong> der Unfallchirurgie etabliert. Als Unterstützung <strong>in</strong> der Diagnostik<br />
und E<strong>in</strong>schätzung von Verletzungsfolgen ist sie heute von hoher Wichtigkeit, für <strong>die</strong><br />
Planung und Kontrolle unfallchirurgischer Therapien <strong>in</strong> vielen Fällen unerlässlich. Dennoch<br />
muss ihre Indikation kritisch h<strong>in</strong>terfragt werden, jede nicht gerechtfertigte Anwendung stellt<br />
e<strong>in</strong>e unzulässige Körperverletzung dar, da es auch weiterh<strong>in</strong> viele Verletzungssituationen<br />
gibt, <strong>in</strong> denen <strong>die</strong> Computertomographie ke<strong>in</strong>e wesentliche Information für e<strong>in</strong> verbessertes<br />
Ausheilungsergebnis bietet.<br />
Wünschenswert wäre für <strong>die</strong> CT-Entwicklung e<strong>in</strong>e weitere Verbesserung der Arbeitsgeschw<strong>in</strong>digkeit<br />
und Verlässlichkeit, der Detailtreue, aber auch der Preisgünstigkeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Welt zunehmend knapperer Mittel <strong>in</strong> der Krankenhaus- und Praxislandschaft.<br />
Literatur<br />
Bücheler E., Lackner K.-J., Thelen M.: E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>die</strong> Radiologie: Diagnostik und<br />
Intervention<br />
Thieme, Stuttgart 2005<br />
Choudhury M.Z.B. et al.: An observational study of computed tomography (CT) ex<strong>am</strong><strong>in</strong>ation<br />
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Löw R., D<strong>über</strong> C., Schweden F., Lehmann L., Blum J., Thelen M.: Ganzkörper-Spiral-CT zur<br />
Primärdiagnostik polytraumatisierter Patienten unter Notfallbed<strong>in</strong>gungen<br />
Fortschr. Röntgenstr. (1997) 166: 382-388<br />
43
Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll –<br />
Löw R., D<strong>über</strong> C., Kreitner K. F., Blum J., Rommens P. M., Schweden F., Thelen M.<br />
Radiologische Diagnostik polytraumatisierter Patienten – Management unter Verwendung<br />
der Ganzkörper-Spiral-Computertomographie<br />
Dt. Ärztebl. (2001) 98: 1496-1501<br />
Möller T. B., Reif E.: Atlas der Schnittbildanatomie: Muskuloskelettales System.<br />
Thieme, Stuttgart 2008<br />
Schmitt R., Fröhner S.: Computertomographie. In: Schmitt R., Lang U.: Bildgebende<br />
Diagnostik der Hand.<br />
Thieme, Stuttgart 2004<br />
Zimmermann R.A. et al.: Cranial computed tomography <strong>in</strong> diagnosis and management<br />
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Amer. J. Roentgenol. (1978), 27-34<br />
Zocholl G., Heller M.: Computer-Tomographie <strong>in</strong> der Traumatologie. In: Thelen M. et al.:<br />
Radiologische Diagnsotik der Verletzungen von Knochen und Gelenken.<br />
Thieme, Stuttgart 1993<br />
Kontakt:<br />
Blum, Jochen, Prof. Dr. med.<br />
Chefarzt der Kl<strong>in</strong>ik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie<br />
Kl<strong>in</strong>ikum Worms<br />
Akad. Lehrkrankenhaus der Johannes Gutenberg-Universität Ma<strong>in</strong>z<br />
67550 Worms<br />
44
Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll –<br />
T. J. Vogl, Chr. Fiebig<br />
Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist s<strong>in</strong>nvoll?<br />
MRT aus radiologischer Sicht<br />
Zus<strong>am</strong>menfassung<br />
Die erweiterte bildgebende Diagnostik mit neuester Spulen- und Sequenztechnik stellt<br />
e<strong>in</strong>en wichtigen diagnostischen Bestandteil für <strong>die</strong> richtige Diagnosestellung <strong>in</strong> der Unfallchirurgie<br />
dar. Bei Untersuchungen mit Feldstärken ab 1,5T sollten Protokolle zum E<strong>in</strong>satz<br />
kommen, <strong>die</strong> spezifisch <strong>die</strong> Fragestellung an das muskuloskelettale System und deren<br />
Pathologie erlaubt zu verifizieren. Im Folgenden werden <strong>die</strong> exakten Indikationsstelllungen<br />
<strong>über</strong> das Kniegelenk, das Schultergelenk und <strong>die</strong> Wirbelsäule dokumentiert und erarbeitet.<br />
Abhängig von der kl<strong>in</strong>ischen Thematik kommen <strong>die</strong> zitierten Untersuchungsprotokolle zum<br />
E<strong>in</strong>satz. Indikationsstellung und Ergebnisse müssen dabei im E<strong>in</strong>zelfall präzisiert werden.<br />
Schlüsselwörter<br />
CT, MRT, Traumatologie, Kniegelenk, Schultergelenk, Wirbelsäule<br />
Summary<br />
Imag<strong>in</strong>g diagnostics with the latest sequence developments and coil techniques is essential<br />
for the exact diagnosis <strong>in</strong> trauma surgery. In ex<strong>am</strong><strong>in</strong>ations with field strengths from 1.5 Tesla<br />
onwards protocols should be applied, which specifically allow verification of diagnosis re-<br />
gard<strong>in</strong>g the musculoskeletal system and its pathologies. In the follow<strong>in</strong>g exact <strong>in</strong>dication for<br />
the knee jo<strong>in</strong>t, the shoulder jo<strong>in</strong>t and the vertebral column are documented and evaluated.<br />
Depend<strong>in</strong>g on the cl<strong>in</strong>ical topic the ex<strong>am</strong><strong>in</strong>ation protocols mentioned above are applied.<br />
Indication and results need to be specified <strong>in</strong> the <strong>in</strong>dividual cases.<br />
Key words<br />
CT, MRI, traumatology, knee jo<strong>in</strong>t, shoulder jo<strong>in</strong>t, vertebral column<br />
E<strong>in</strong>leitung<br />
Die Aufgabenstellung der radiologischen Diagnostik <strong>in</strong>klusive der bildgebenden Diagnostik,<br />
der Computertomographie und des MRT ist <strong>die</strong> zur Verfügungstellung von bildgebenden<br />
Verfahren rund um <strong>die</strong> Uhr mit jeweils höchster Auflösung und präzisen diagnostischen und<br />
topographischen Informationen. Im Folgenden sollen e<strong>in</strong>mal <strong>die</strong> Indikationen zum E<strong>in</strong>satz<br />
der MRT <strong>in</strong> der Traumatologie vorgestellt werden. Dies soll anhand von drei Organsystemen<br />
wie dem Kniegelenk, dem Schultergelenk und der Wirbelsäule dokumentiert werden.<br />
Kniegelenk<br />
Das Kniegelenk, das durch Muskeln, e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>neren und äußeren Seitenband, e<strong>in</strong>em vor-<br />
deren und h<strong>in</strong>tern Kreuzband, und dem <strong>in</strong>neren und äußeren Meniskus stabilisiert wird,<br />
neigt als bandgesichertes Gelenk bei Verletzungen zur Instabilität. Daher ist es notwendig,<br />
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Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll –<br />
traumatische Veränderungen frühzeitig zu erkennen und gegebenenfalls zu behandeln,<br />
bevor <strong>die</strong> Statik des Gelenkes bee<strong>in</strong>flusst wird. Die häufigsten Verletzungen des lig<strong>am</strong>entären<br />
Halteapparats beziehen sich auf <strong>die</strong> Kreuz- bzw. Seitenbänder. Verletzungen der<br />
Gelenkkapsel stellen ke<strong>in</strong>e primäre Indikation zur MRT, sie können aber im Verlauf der<br />
Untersuchung mitbeurteilt werden. Begleitende Gelenkergüsse und Hoffa-Fettkörperschwellungen<br />
mit Imp<strong>in</strong>gement stellen sich ebenso aussagekräftig dar, wie Bone-Bruise<br />
und Kapselzysten. Der Ablauf der Untersuchung sollte anhand des Protokolls erfolgen und<br />
alle Gelenkstrukturen umfassen.<br />
Meniskusstrukturen<br />
Um <strong>die</strong> Menisken <strong>in</strong> ihrem vollen Umfang ausreichend darzustellen, werden sagittale und<br />
koronare Schichten erstellt. Somit werden B<strong>in</strong>nenödeme und Rupturen sowie angrenzende<br />
Strukturen <strong>in</strong> ihrer Lage zum Meniskus sicher abgebildet. Dadurch lässt sich <strong>die</strong> Grade<strong>in</strong>teilung<br />
der Verletzung feststellen. Im Gegensatz zur diagnostischen Arthroskopie können<br />
so alle Verletzungsgrade erkannt werden. Verletzungen der Grade I und II s<strong>in</strong>d als B<strong>in</strong>nenschäden<br />
des Meniskus zu werten. Sie werden mit ke<strong>in</strong>em anderen Verfahren abgebildet<br />
(Abb.1). Diagnostische Arthroskopien stellen <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Fall ke<strong>in</strong>e Alternative dar, da <strong>die</strong><br />
Läsion ke<strong>in</strong>en Bezug zur Meniskusoberfläche hat. Diese ist weiterh<strong>in</strong> glatt begrenzt und<br />
unverletzt, während sich im Meniskusb<strong>in</strong>nenraum erste strukturelle Veränderungen zeigen.<br />
Grad-I-Verletzungen beruhen auf e<strong>in</strong>er punktuellen Umwandlung der kollagenösen Matrix<br />
mit Schwächung der fibrillären Struktur. Das entstehende Mikroödem stellt sich als Aufhellung<br />
gut abgrenzbar zum übrigen Knorpelgewebe dar. Grad-II-Verletzungen s<strong>in</strong>d als e<strong>in</strong><br />
Fortschreiten der ödematösen Veränderung entlang der Kollagenfibrillen zu werten. Ihre<br />
Signalverstärkung ist deutlich kontrastreicher und der räumliche Verlauf der Läsion ist<br />
ausgedehnter. In vielen Fällen kommt es zur Schwächung und Zerreißung der Kollagenfibrillen<br />
durch andauernde Belastung. Grad-III-Verletzungen s<strong>in</strong>d auch während der diagnostischen<br />
Arthroskopie gut zu erkennen, da sie <strong>die</strong> Knorpeloberfläche erreichen und hier zur<br />
deutlichen Rissbildung führen. Im MRT stellen sie sich als longitud<strong>in</strong>ale Signalverstärkungen<br />
dar. Je nach Rissverlauf und -tiefe kann das zum Knieb<strong>in</strong>nenraum gerichtete Fragment<br />
dislozieren. Dies ist hauptsächlich bei zirkulär verlaufenden Rupturen der Fall, jedoch nicht<br />
<strong>die</strong> Regel. Bei erfolgter Dislokation e<strong>in</strong>es zirkulär rupturierten Meniskusfragmentes <strong>in</strong> den<br />
Interkondylenraum spricht man von e<strong>in</strong>em Korbhenkelriss. Die koronaren Schichten weisen<br />
<strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Fall e<strong>in</strong>en nach medial verplumpten Meniskus mit stumpfem Margo medialis auf.<br />
Im Bereich des vorderen Kreuzbandansatzes lässt sich zusätzlich das dislozierte Meniskusfragment<br />
abgrenzen. Die sagittalen Schichten stellen <strong>die</strong>ses dislozierte Fragment <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />
longitud<strong>in</strong>alen Ausdehnung dar. Es ersche<strong>in</strong>t als bandförmige Struktur unterhalb des Verlaufes<br />
des h<strong>in</strong>teren Kreuzbandes. Dem Aussehen nach wird es das Zeichen des „doppelten<br />
h<strong>in</strong>teren Kreuzbandes“ genannt.<br />
Bandapparat des Kniegelenkes<br />
Die Stabilität des Kniegelenkes wird hauptsächlich <strong>über</strong> den Bandapparat gewährleistet.<br />
Hierzu zählen das mediale und laterale Kollateralband, das vordere und h<strong>in</strong>tere Kreuzband,<br />
sowie das Patellarband und <strong>die</strong> Quadrizepssehne. Mehrere kle<strong>in</strong>ere Bänder wie das Lig<strong>am</strong>entum<br />
transversum, Lig<strong>am</strong>entum meniskofemorale anterius und posterius s<strong>in</strong>d an der<br />
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Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll –<br />
Aufrechterhaltung der Stabilität weniger beteiligt.<br />
Sie verh<strong>in</strong>dern eher <strong>die</strong> Dislokation von Kle<strong>in</strong>strukturen<br />
wie Menisken und Gelenkkapsel und<br />
ermöglichen somit den orthograden Bewegungsablauf<br />
ohne Imp<strong>in</strong>gementsyndrome. Ist es zur<br />
Verletzung der gelenkstabilisierenden Bänder<br />
gekommen, bietet <strong>die</strong> MRT hervorragende diagnostische<br />
Möglichkeiten. In der Regel gel<strong>in</strong>gt <strong>die</strong><br />
Darstellung aller relevanten Bandstrukturen<br />
<strong>über</strong>lagerungsfrei, und Pathologien können anhand<br />
der morphologischen Veränderungen sowie<br />
der Signalalteration dargestellt werden.<br />
Abb. 1:<br />
MRT Ruptur des Innenmeniskushorns<br />
Die Seitenbänder des Kniegelenkes<br />
Das Lig<strong>am</strong>entum collaterale mediale (Innenband)<br />
entspr<strong>in</strong>gt dem medialen Fenurkondylus und verläuft kapsulär nach distal zur medialen<br />
Fläche der Tibia. Es setzt <strong>über</strong> e<strong>in</strong>e Länge von ca. 5–7 cm hier an. In se<strong>in</strong>em Verlauf ist es<br />
fest mit dem Innenmeniskus verbunden und hält <strong>die</strong>sen während der Bewegung des Kniegelenkes<br />
<strong>in</strong> Position. Krafte<strong>in</strong>wirkungen von lateral, wie z.B. Valgusstress oder Distorsionstraumen,<br />
können das Band schädigen. In den meisten Fällen geht <strong>die</strong> Verletzung des Innenbandes<br />
mit komb<strong>in</strong>ierten Verletzungen des Kniegelenkes e<strong>in</strong>her. Der kapsuläre Verlauf des<br />
Innenbandes und <strong>die</strong> Verb<strong>in</strong>dung zum Innenmeniskus komplizieren <strong>die</strong> Verletzungen. Bei<br />
adäquater Krafte<strong>in</strong>wirkung kann der Meniskus vom Band getrennt werden und se<strong>in</strong>e Führung<br />
verlieren. Im MRT ersche<strong>in</strong>t der Meniskus nach lateral verlagert, und im Bereich der<br />
ursprünglichen Verb<strong>in</strong>dung kann e<strong>in</strong> Ödem, eventuell e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>blutung, nachgewiesen werden.<br />
Diese Verletzung betrifft <strong>am</strong> ehesten <strong>die</strong> tiefere Bandschicht, wobei <strong>die</strong> oberflächlichen<br />
Bandschichten noch ausreichend Gelenkstabilität bieten. E<strong>in</strong>e komplette Ruptur des Innenbandes<br />
kann kl<strong>in</strong>isch durch <strong>die</strong> Aufklappbarkeit bei Valgusstress sowie <strong>die</strong> schmerzhafte<br />
Lokalisation nachgewiesen werden. Im MRT ist <strong>die</strong> Kont<strong>in</strong>uität des Bandes unterbrochen<br />
und <strong>die</strong> Rupturenden wirken diffus aufgetrieben. Das angrenzende Weichteilgewebe ist im<br />
Seitenvergleich verdickt, was dem begleitenden Ödem entspricht; <strong>die</strong> Abgrenzbarkeit des<br />
Bandes zum umgebenden Gewebe ist erschwert. In den meisten Fällen kann Bone-Bruise<br />
nachgewiesen werden an den Insertionsstellen, <strong>am</strong> ehesten im Bereich des Femurkondylus,<br />
da das Band im Gegensatz zur tibialen Insertion e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>ere Ansatzfläche f<strong>in</strong>det. Ossäre<br />
Ausrisse des Innenbandes können schon im a.p.-Nativröntgen dargestellt werden. Teilrupturen<br />
betreffen <strong>am</strong> ehesten <strong>die</strong> tieferen Bandschichten und <strong>die</strong> Verb<strong>in</strong>dung zum Innenmeniskus.<br />
Im MRT ist <strong>die</strong> gelenkseitige Fläche des Innenbandes <strong>in</strong> ihrer Kont<strong>in</strong>uität unterbrochen,<br />
e<strong>in</strong> sublig<strong>am</strong>entäres Ödem ist im Kapselbereich nachzuweisen. Reißt der Innenmeniskus<br />
vom Innenband ab, liegt <strong>in</strong> vielen e<strong>in</strong> Hämarthos vor. Das Lig<strong>am</strong>entum collaterale<br />
laterale enspr<strong>in</strong>gt im Bereich des lateralen Femurkondylus und zieht extrakapsulär nach<br />
dorsokaudal. Es setzt im Bereich des Fibulaköpfchens an und strahlt <strong>in</strong> <strong>die</strong> komplexe Bandsicherung<br />
des tibiofibularen Gelenkes e<strong>in</strong>. Verletzungen entstehen bei Varusstress mit<br />
Innenrotation des Unterschenkels. In der MRT stellt sich <strong>die</strong> Außenbandverletzung ähnlich<br />
der Innenbandverletzung dar, wobei <strong>die</strong> Separation vom Außenmeniskus hier physiologisch<br />
47
Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll –<br />
ist. Kl<strong>in</strong>isch imponieren lokaler Druckschmerz sowie <strong>die</strong> vermehrte Varusaufklappbarkeit. In<br />
den meisten Fällen wird <strong>die</strong> isolierte Verletzung des Bandes nicht durch e<strong>in</strong>en Gelenkerguss<br />
begleitet. Ödem und flaue Abgrenzbarkeit zum umgebenden Weichteilmantel sowie Kont<strong>in</strong>uitätsunterbrechung<br />
s<strong>in</strong>d aber im Falle der Ruptur dargestellt.<br />
Die Kreuzbänder des Kniegelenkes<br />
Das vordere und das h<strong>in</strong>tere Kreuzband werden auf Bildern sagittaler Schichtung <strong>am</strong> aussagekräftigsten<br />
dargestellt. Aufgrund ihres Durchmessers von ca. 1 cm und ihrer guten Kontrastierung<br />
gegen das umgebende Gewebe s<strong>in</strong>d sie leicht zu lokalisieren und zu beurteilen.<br />
Das vordere Kreuzband entspr<strong>in</strong>gt an der Facies medialis des Condylus femoris lateralis<br />
im dorsalen Drittel. Es verläuft umgeben von e<strong>in</strong>er derben, perilig<strong>am</strong>entären Fascie nach<br />
ventrocaudal und setzt im ventralen Bereich der Em<strong>in</strong>entia <strong>in</strong>tercondylaris an. Se<strong>in</strong>e Länge<br />
beträgt ca. 2,5–4 cm. Die Hauptaufgabe des vorderen Kreuzbandes ist <strong>die</strong> Stabilisierung des<br />
Kniegelenkes <strong>in</strong> Extension. Das h<strong>in</strong>tere Kreuzband entspr<strong>in</strong>gt an der Facies medialis des<br />
Condylus femoris medialis und verläuft, das vordere Kreuzband von medial kreuzend, nach<br />
dorsocaudal. Es setzt an der Em<strong>in</strong>entia <strong>in</strong>tercondylaris im dorsalen Bereich an. Se<strong>in</strong>e Signal<strong>in</strong>tensität<br />
im MRT ist im Vergleich zum vorderen Kreuzband etwas ger<strong>in</strong>ger, da se<strong>in</strong><br />
Fettgehalt im Vergleich niedriger ausfällt. Ebenso wie das vordere Kreuzband ist es von<br />
e<strong>in</strong>em derben Fascienschlauch umgeben. Bei adäquaten Traumen kann es zu Rupturen der<br />
Kreuzbänder kommen (Abb.2). Ist das vordere Kreuzband betroffen. kommt es zu Instabilitäten<br />
der Tibia zum Femur nach ventral. Kl<strong>in</strong>isch kann <strong>die</strong> vordere Schublade im Rahmen des<br />
Lachmann-Tests festgestellt werden. Der Umfang <strong>die</strong>ses tibialen Ventralshifts muss aber<br />
nicht mit dem Grad der Kreuzbandverletzung korrelieren, da im akuten Fall <strong>die</strong> Schwellung<br />
des umgebenden Weichteilmantels, e<strong>in</strong> eventuell aufgetretener Gelenkerguss oder Begleitverletzungen<br />
das Testergebnis verfälschen. Isolierte Kreuzbandverletzungen ohne Begleiterguss<br />
oder Schwellung s<strong>in</strong>d äußerst selten. Zur Sicherung der Diagnose ist <strong>die</strong> MRT <strong>die</strong><br />
geeignete Methode. Hier stellt sich <strong>die</strong> komplette Ruptur des vorderen Kreuzbandes, mit<br />
Ruptur des Fascienschlauches, als Kont<strong>in</strong>uitätsunterbrechung dar. Die Rupturenden wirken<br />
aufgetrieben, der femorale Bandabschnitt ist nach dorsal verlagert. E<strong>in</strong> beg<strong>in</strong>nendes perilig<strong>am</strong>entäres<br />
Ödem kann durch se<strong>in</strong>e Signal<strong>in</strong>tensität bei oberflächlicher Beurteilung e<strong>in</strong>e<br />
Bandkont<strong>in</strong>uität vortäuschen. Begleitend s<strong>in</strong>d subchondrale Bone-Bruise-Herde an den<br />
Ansatzlokalisationen des Bandes zu beobachten. Diese resultieren aus e<strong>in</strong>er dem Trauma<br />
entsprechenden Überbeanspruchung des lig<strong>am</strong>entär-ossären Übergangs. Bei Distorsionstraumen<br />
mit folgender Bandverletzung kann Bone-Bruise auch im mittleren Drittel des<br />
lateralen Femurcondylus und als Contré-Coup im dorsalen Bereich des lateralen Tibiaplateaus<br />
nachgewiesen werden. Sie treten als Folge e<strong>in</strong>er kurzzeitigen E<strong>in</strong>stauchung <strong>in</strong> Distorsionsstellung<br />
auf. Rupturen des vorderen Kreuzbandes ohne Beteiligung des Fascienschlauches<br />
erhalten <strong>die</strong> Kont<strong>in</strong>uität <strong>in</strong> der MRT. In <strong>die</strong>sem Fall ist aber <strong>die</strong> B<strong>in</strong>nenstruktur des<br />
Bandes aufgelockert und das Band weist e<strong>in</strong>e leichte bauchige Kontur auf. Sie resultiert aus<br />
dem bandnahen Ödem und kann leicht <strong>über</strong>sehen werden. Da <strong>die</strong> meisten Traumen des<br />
Kniegelenkes <strong>in</strong> Extension stattf<strong>in</strong>den, ist das vordere Kreuzband von Rupturen häufiger<br />
betroffen. Das h<strong>in</strong>tere Kreuzband ist mit 3–4 cm etwas länger und deutlich seltener betroffen<br />
als das vordere Kreuzband. Außerdem treten Rupturen hier <strong>in</strong> den wenigsten Fällen<br />
isoliert auf. Oft werden Begleitverletzungen, wie Seitenbandrupturen und dorsale Kapsel-<br />
48
Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll –<br />
schäden beobachtet. Dies macht <strong>die</strong> kl<strong>in</strong>ische<br />
Diagnose deutlich schwerer, und <strong>die</strong> MRT kann<br />
hier ihre Aussagekraft beweisen.<br />
Das Schultergelenk<br />
Die MRT stellt e<strong>in</strong>es der aussagekräftigsten diagnostischen<br />
Verfahren zur Beurteilung der physiologischen<br />
und pathologischen Verhältnisse im<br />
Schulterbereich dar. Dies beruht vor allem auf der<br />
Anatomie der Schulter. Der Humeruskopf kommuniziert<br />
nur <strong>über</strong> etwa 35% se<strong>in</strong>er chondralen<br />
Oberfläche mit dem Processus glenoidalis der<br />
Abb. 2:<br />
Scapula. Um trotzdem e<strong>in</strong>e ausreichende Stabili-<br />
MRT Ruptur des vorderen Kreuzbandes<br />
tät zu erreichen, umgreifen verschiedene Muskelsysteme<br />
manschettenartig <strong>die</strong> Gelenkzone. Bei<br />
Verletzungen <strong>die</strong>ser stabilisierenden Systeme kommt es zu Weichteilschäden, <strong>die</strong> aufgrund<br />
der hohen Signal<strong>in</strong>tensität im MRT sehr gut nachvollzogen werden. Ebenso können Läsionen<br />
im Knorpelbereich und der Bursae sowie der Sehnenansätze und des Labrum glenoidale<br />
genau detektiert werden. Ausgereifte Untersuchungsprotokolle und zumutbare Aquisitionszeiten<br />
machen <strong>die</strong> MRT hier unerlässlich. Gewissenhafte kl<strong>in</strong>ische Untersuchungen mit<br />
Dokumentation der Schmerztriggerpunkte und der Bewegungse<strong>in</strong>schränkung erleichtern<br />
<strong>die</strong> Auswertung der MRT-Daten und ermöglichen ihre kl<strong>in</strong>ische Korrelation.<br />
Die Rotatorenmanschette<br />
Die wichtigste stabilisierende muskuläre Struktur im Bereich der Schulter stellt <strong>die</strong> so<br />
genannte Rotatorenmanschette (RM) dar. Sie setzt sich aus M. teres m<strong>in</strong>or, M. suprasp<strong>in</strong>atus,<br />
M. <strong>in</strong>frasp<strong>in</strong>atus, sowie M. subscapularis zus<strong>am</strong>men. Diese Muskeln umgreifen <strong>in</strong> ihrem<br />
Verlauf den Humeruskopf von ventral und dorsal. Geschlossen betrachtet wirken sie <strong>in</strong><br />
ihrer Ges<strong>am</strong>theit wie e<strong>in</strong>e muskuläre Gelenkkapsel. Anhaltend e<strong>in</strong>seitige Belastungen und<br />
traumatische Vorfälle führen zur Degeneration bzw. Ruptur e<strong>in</strong>es Teils der RM. Am häufigsten<br />
ist der M. suprasp<strong>in</strong>atus betroffen. Dieser kann bei Insuffizienzverhalten e<strong>in</strong>en Humerushochstand<br />
auslösen und somit zwischen Humeruskopf und Subakromialfacette e<strong>in</strong>klemmen.<br />
Dieser Umstand ist das <strong>am</strong> häufigsten beobachtete posterosuperiore Imp<strong>in</strong>gementsyndrom,<br />
welches daher <strong>am</strong> ehesten degenerativer Genese ist. Dabei zeigt sich der<br />
Subakromialraum deutlich verschmälert, der M. suprasp<strong>in</strong>atus wirkt signal<strong>in</strong>tensiviert und<br />
aufgetrieben. Diese ödematöse Veränderung forciert <strong>die</strong> kl<strong>in</strong>ischen Syndrome zusätzlich, es<br />
resultiert der so genannte „Pa<strong>in</strong>ful Arc“ bei Abduktion und Elevation. In vielen Fällen wird<br />
e<strong>in</strong>e zusätzliche Ansatztend<strong>in</strong>itis mit Bursitis calcarea beschrieben, wobei oft e<strong>in</strong> umschriebenes<br />
Kalkdepot kranial des Tuberculum majus <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung tritt. Das Ausmaß des Humeruskopfhochstandes<br />
kann anhand der Korrespondenz des caudalen Abschnittes der glenoidalen<br />
Gelenkfläche mit der caudalen Knochenknorpelgrenze der medialseitigen Gelenkfläche<br />
des Humerus bestimmt werden. Diese sollten <strong>in</strong> coronarer Schichtung auf e<strong>in</strong>er Höhe<br />
liegen. Die Untersuchung hierzu sollte ohne Belastung und nicht im Zuge der röntgenologischen<br />
AC-Gelenksdiagnostik erfolgen. Die Beurteilung der ossären Konturen im Bereich des<br />
49
Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll –<br />
Subakromialraumes ist ebenso notwendig, da osteophytäre Anbauten besonders im Bereich<br />
der lateralen Clavicula zu chronischem Abrieb mit Schwächung der Suprasp<strong>in</strong>atussehne<br />
führen. Seltener kommt es <strong>am</strong> Schultergelenk zu degenerativen Verletzungen des M. subscapularis.<br />
Dessen Sehne kann zwischen Processus coracoideus und Humeruskopf e<strong>in</strong>klemmen<br />
und ähnliche Beschwerden wie oben beschrieben auslösen. Der MRT-Nachweis gel<strong>in</strong>gt<br />
<strong>am</strong> besten <strong>in</strong> sagittaler Schichtung. Auch hier imponiert e<strong>in</strong>e aufgetriebene, meist unscharf<br />
abzugrenzende Sehne mit peritend<strong>in</strong>ösem Ödem. Bei Komplettrupturen von Anteilen der<br />
RM s<strong>in</strong>d <strong>die</strong>se <strong>in</strong> ihrem Verlauf nicht mehr vollständig zu verfolgen. Die Muskelbäuche der<br />
betroffenen Strukturen haben sich zurückgezogen und s<strong>in</strong>d atroph. Die sonst gut abgrenzbaren<br />
Sehnen enden fransig aufgelockert im ödematös veränderten Weichteilmantel. Das<br />
Ödem resultiert aus der chronischen Entzündung bei anhaltender Belastung unter Destabilisierung.<br />
Hier sollte auch <strong>die</strong> An<strong>am</strong>nese gründlich erhoben werden. E<strong>in</strong> medik<strong>am</strong>entös<br />
vorbehandelter Patient kann unter Umständen ke<strong>in</strong>e entzündungsbed<strong>in</strong>gten Weichteilschwellungen<br />
aufweisen. Trotzdem sollte hier <strong>die</strong> Verletzung der RM nicht unterschlagen<br />
werden. Als wichtigste stabilisierende Struktur bei bestehender RM-Läsion ist <strong>die</strong> lange<br />
Bizepssehne anzusehen. Sie verläuft im Sulcus bicipitalis nach proximal und setzt <strong>am</strong> cranialen<br />
Rand des Processus glenoidalis an. In ihrem Verlauf <strong>über</strong>w<strong>in</strong>det sie den Humeruskopf<br />
cranial und hält ihn somit <strong>in</strong> der glenoidalen Pfanne. Ihr Zustand muss im MRT-<strong>Bericht</strong><br />
angeführt und beurteilt werden.<br />
Das Labrum glenoidale<br />
Bei Zustand nach Luxation des Schultergelenkes stellt sich <strong>in</strong> den meisten Fällen e<strong>in</strong>e<br />
Verletzung des chondralen Labrum glenoidale dar. Diese äußert sich kl<strong>in</strong>isch <strong>in</strong> deutlich<br />
schmerzhafter Bewegungse<strong>in</strong>schränkung und rezidivierender Luxationsneigung. Radiologisch<br />
kann im MRT e<strong>in</strong>e hohe Signal<strong>in</strong>tensität, unphysiologische Konturen des Labrums<br />
mit abnormer Mobilität und Rissbildung nachgewiesen werden. Je nach Verletzungsmuster<br />
s<strong>in</strong>d verschiedene Abschnitte betroffen. Da <strong>am</strong> häufigsten <strong>die</strong> ventrocaudale Luxation beobachtet<br />
wird, ist das Labrum glenoidale im caudalen Bereich <strong>am</strong> ehesten verletzt (Abb. 3).<br />
Hier kommt es zu Partialdehiszenz der Labrumbasis mit Ödem oder Komplettablösung<br />
vom ossären Processus glenoidalis. In seltenen<br />
Fällen kann e<strong>in</strong> Umschlagen des Labrums <strong>in</strong> den<br />
Gelenkspalt erfolgen. Alle B<strong>in</strong>nenechos des Labrums<br />
s<strong>in</strong>d verdächtig und weisen auf e<strong>in</strong>e Verletzung.<br />
Diese Veränderungen s<strong>in</strong>d <strong>am</strong> besten im<br />
coronaren Schichtmuster dargestellt, wobei <strong>die</strong><br />
höchstmögliche Auflösung angestrebt werden<br />
sollte.<br />
Abb. 3:<br />
MRT Bankart-Läsion bei Zustand nach Luxation<br />
50<br />
Die Wirbelsäule<br />
Die Wirbelsäule stellt aufgrund ihrer Anatomie<br />
und strukturellen Beschaffenheit e<strong>in</strong> ideales<br />
Organ zur MRT-Diagnostik dar.Physiologisch<br />
grenzen sich Bandscheiben, Wirbelkörper, lig<strong>am</strong>entäre<br />
Strukturen, Liquor und Medulla auf-
Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll –<br />
Labrumverletzungen<br />
Bankart-Läsion Ventrocaudale Verletzung des SLAP-Läsion Typ II<br />
Labrums nach Luxationsverletzung SLAP-Läsion Typ III bei<br />
mit Abriss des Labrums und eventuell<br />
begleitendem ossären Defekt<br />
bei ossärer Beteiligung<br />
ALPSA-Läsion Abtrennung des Labrums bei SLAP-Läsion Typ IV<br />
bestehender Periost- und Kapsel- SLAP-Läsion Typ V bei<br />
kont<strong>in</strong>uität und eventuell begleitender<br />
Dislokation des Labrums<br />
Dislokation<br />
GLAD-Läsion E<strong>in</strong>riss der Labrumbasis mit<br />
Beteiligung des Gelenkknorpels<br />
SLAP-Läsion Typ VI<br />
Bennet-Läsion Longitud<strong>in</strong>alriss im dorsocaudalen<br />
Labrum<br />
SLAP-Läsion Typ VII<br />
SLAP-Läsion Verletzung des cranialen Glenoids<br />
mit E<strong>in</strong>bezug des langen Bicepssehnenansatzes<br />
(TYP I)<br />
HAGL-Läsion<br />
grund ihres hohen Weichteilkontrastes deutlich vone<strong>in</strong>ander ab. Artefakte treten bei entsprechender<br />
Untersuchungsprotokollierung nur selten auf. Im orthopädischen Bereich<br />
kommt hauptsächlich <strong>die</strong> Diagnostik von degenerativen Veränderungen, Frakturen und<br />
Fehlstellungen bzw. Missbildungen <strong>in</strong> Betracht.<br />
Der Bandscheibenschaden (BSS)<br />
Die Bandscheibenprotrusion zeichnet sich durch das Übertreten der Bandscheibengrenze<br />
<strong>über</strong> <strong>die</strong> Wirbelkörperkante aus. Dabei kann Bandscheibenmaterial nach ventral oder<br />
dorsal verlagert werden. Die Bandscheibe ist im Falle der Protrusion <strong>in</strong>takt, der Anulus<br />
fibrosus ist nicht rupturiert. Im MRT zeichnet sich hauptsächlich der Nucleus pulposus ab,<br />
da <strong>die</strong> Anteile des Anulus fibrosus und <strong>die</strong> angrenzenden Weichteilstrukturen e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge<br />
Signal<strong>in</strong>tensität aufweisen. Somit gibt <strong>die</strong> MRT bei Bandscheibenprotrusion nicht das wahre<br />
Ausmaß der Verlagerung preis, sondern spiegelt e<strong>in</strong>en sche<strong>in</strong>bar ger<strong>in</strong>geren Verletzungsgrad<br />
wider. Indirekte Zeichen geben weitere H<strong>in</strong>weise zur aktuellen Morphologie der Verletzung.<br />
So werden Asymmetrien der duralen Strukturen, Verdrängung des Myelons zur<br />
kontralateralen Seite sowie begleitende entzündliche Veränderungen im Bereich der Nervenwurzel<br />
als Par<strong>am</strong>eter zur Bestimmung des Verletzungsgrades herangezogen. Ebenso<br />
kann nicht vom Ausmaß des Bandscheibenschadens auf <strong>die</strong> begleitende kl<strong>in</strong>ische Symptomatik<br />
geschlossen werden. Um den BSS aussagekräftig darstellen zu können, werden<br />
sagittale und axiale Schichten angefertigt. Voraussetzung für <strong>die</strong> aussagekräftige Beurteilung<br />
s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Kriterien der hohen örtlichen Auflösung mit ger<strong>in</strong>ger effektiver Schichtdicke<br />
und der Aquisition ausreichender Daten zur Darstellung <strong>in</strong> multiplanaren Rekonstruk-<br />
tionen.<br />
51
Erweiterte bildgebende Diagnostik <strong>in</strong> der Unfallchirurgie – Was ist wann s<strong>in</strong>nvoll –<br />
Zus<strong>am</strong>menfassende Bewertung<br />
Derzeitige MR-Protokolle beziehen sich im Wesentlichen auf vergleichende Wertung von<br />
1,5 Tesla gegen<strong>über</strong> 3 Tesla. Dabei kann klar<br />
gezeigt werden, dass für 3.0 Tesla e<strong>in</strong> erhöhtes<br />
Auflösungsvermögen besteht, <strong>in</strong>sbesondere für<br />
Läsionen des Knorpels sowie für diskrete Banddiagnostik.<br />
Bei Verdacht auf Wirbelsäulenfraktur<br />
und unklare Befunde <strong>in</strong> der Computertomographie<br />
stellt <strong>die</strong> Kernsp<strong>in</strong>tomographie e<strong>in</strong> wichtiges<br />
bildgebendes Untersuchungsverfahren dar<br />
(Abb.4). Zukünftige Entwicklungen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbesondere<br />
ausgerichtet auf <strong>die</strong> volumetrische Untersuchung<br />
des Gelenkknorpels, <strong>die</strong> Evaluation der<br />
Knorpelqualität <strong>in</strong>sbesondere bezüglich Protondichte<br />
und transversale Relaxationszeiten den<br />
Abb. 4:<br />
Kollagengehalt sowie den Wassergehalt betref-<br />
MRT Fraktur der LWK III<br />
fend. Therapiekontrollen von Knorpel-Chondrosen<br />
und Knorpelzelltransplantation s<strong>in</strong>d weitere<br />
wichtige Schwerpunkte.<br />
Kontakt:<br />
Vogl, Thomas, Prof. Dr.<br />
Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie<br />
Kl<strong>in</strong>ikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität<br />
Theodor-Stern-Kai 7<br />
60590 Frankfurt <strong>am</strong> Ma<strong>in</strong><br />
52
H. G. Hermichen, Neuss<br />
Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler –<br />
Bedrohung oder Unterstützung<br />
Manuskript lag zum Zeitpunkt des Drucks nicht vor.<br />
Impulsreferat<br />
53
III. Sitzung<br />
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
Vorsitz: K. Weise, Tüb<strong>in</strong>gen/A. R. Platz, Ma<strong>in</strong>z<br />
Assessor. jur. N. Erl<strong>in</strong>ghagen,<br />
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
Rechtliche Grundlagen<br />
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
Zus<strong>am</strong>menfassung:<br />
Die gesetzlichen Unfallversicherungsträger haben im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens<br />
im Feststellungsverfahren <strong>die</strong> Auswahl der Beweismittel vorzunehmen. Die Beauftragung<br />
von Gutachten muss planvoll, zweckgerichtet und sorgfältig vorbereitet se<strong>in</strong>. Der Gutachter<br />
ist dabei durch präzise Fragen zu leiten. Alle Beteiligte, Unfallversicherungsträger, Versicherte<br />
und Gutachter verb<strong>in</strong>det das geme<strong>in</strong>s<strong>am</strong>e Interesse an e<strong>in</strong>er möglichst objektiven,<br />
auf aktueller wissenschaftlicher Kenntnis beruhenden, das Gleichheitsgebot beachtenden<br />
und gerichtsfesten Begutachtung. Dabei ist der versicherte und zu begutachtende Bürger<br />
im Rahmen der verfassungsmäßig garantierten Grundrechte Partner und nicht Objekt im<br />
Verfahren. Der unfallversicherungsrechtliche Rahmen ist gesetzt und durch den Gutachter<br />
zu beachten. Gutachten s<strong>in</strong>d durch den ausgewählten Gutachter selbst zu erstatten, Abweichungen<br />
davon führen zum Beweisverwertungsverbot. Jeder Beteiligte hat durch <strong>die</strong><br />
gewissenhafte Wahrnehmung se<strong>in</strong>er Aufgaben <strong>die</strong> Qualität der Begutachtung stetig zu<br />
verbessern.<br />
Schlüsselwörter:<br />
Gesetzliche Unfallversicherung, Feststellungsverfahren, Begutachtung, Versicherter,<br />
Rechte, Sachverständiger<br />
Summary:<br />
Statutory accident <strong>in</strong>surers are obliged to select the evidence with<strong>in</strong> the context of their<br />
dutiful discretion <strong>in</strong> declaratory proceed<strong>in</strong>gs. Orders for expert reports must be well<br />
planned, target-oriented, and carefully prepared. The expert must be guided by precise<br />
questions. All those <strong>in</strong>volved, accident <strong>in</strong>surers, the <strong>in</strong>sured persons and the expert share<br />
a common <strong>in</strong>terest: an expert report that is as objective as possible, is based on the latest<br />
scientific understand<strong>in</strong>g, that observes the pr<strong>in</strong>ciple of equality, and will withstand court<br />
scrut<strong>in</strong>y. With<strong>in</strong> his constitutionally guaranteed rights the <strong>in</strong>sured citizen undergo<strong>in</strong>g the<br />
ex<strong>am</strong><strong>in</strong>ation is a partner <strong>in</strong> the proceed<strong>in</strong>gs, not an object. The fr<strong>am</strong>ework is set by accident<br />
<strong>in</strong>surance law, and must be observed by the ex<strong>am</strong><strong>in</strong><strong>in</strong>g expert. Expert reports must be<br />
55
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
presented by the selected expert him/herself, deviations from this lead to the evidence<br />
be<strong>in</strong>g declared <strong>in</strong>admissible. It is the duty of all those <strong>in</strong>volved to fulfil his/her obligations<br />
conscientiously to constantly improve the quality of expert reports.<br />
Keywords:<br />
Statutory accident <strong>in</strong>surance, declaratory proceed<strong>in</strong>gs, expert report<strong>in</strong>g, <strong>in</strong>sured persons,<br />
rights, ex<strong>am</strong><strong>in</strong><strong>in</strong>g experts<br />
Am Anfang des kurzen Überblicks zu den rechtlichen Grundlagen der Begutachtung im<br />
Rahmen der Gesetzlichen Unfallversicherung soll zunächst e<strong>in</strong>e Geschichte stehen, <strong>die</strong> <strong>in</strong><br />
me<strong>in</strong>er Heimatstadt Bonn dargestellt ist:<br />
„Als e<strong>in</strong>st e<strong>in</strong> König <strong>die</strong> Bl<strong>in</strong>den se<strong>in</strong>es Reiches e<strong>in</strong>en Elefanten betasten ließ, beschrieb<br />
e<strong>in</strong> jeder <strong>die</strong>sen auf se<strong>in</strong>e Weise.<br />
So me<strong>in</strong>te der e<strong>in</strong>e, der den Rüssel umf<strong>in</strong>g, dass <strong>die</strong>s e<strong>in</strong>e Schlange und der Stoßzahn e<strong>in</strong><br />
Schwert sei. E<strong>in</strong> anderer umfasste e<strong>in</strong> Be<strong>in</strong> und dachte, es sei der St<strong>am</strong>m e<strong>in</strong>es Baumes,<br />
während se<strong>in</strong> Nachbar das Ohr für e<strong>in</strong> gewaltiges Kohlblatt hielt. Jener, der das Schwänzchen<br />
befühlte, glaubte e<strong>in</strong>en Wurm zu greifen, und dem Fünften schien <strong>die</strong> rissige Haut<br />
e<strong>in</strong>e Felswand zu se<strong>in</strong>.<br />
Alles zus<strong>am</strong>men aber war e<strong>in</strong> Elefant.<br />
56
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
So machte e<strong>in</strong> jeder se<strong>in</strong>e eigene Erfahrung und fand se<strong>in</strong>e eigene Wahrheit, so wie auch<br />
Sehende oft nur Teilwahrheiten erkennen und der absoluten Wahrheit gegen<strong>über</strong> Bl<strong>in</strong>de<br />
s<strong>in</strong>d.“<br />
Auch bei der Begutachtung begegnen sich – wie <strong>in</strong> unserer Geschichte – mehrere Beteiligte,<br />
<strong>die</strong> – jeder für sich – e<strong>in</strong>e eigene Wahrnehmung und Sicht ihrer Rolle und ihrer Beziehung<br />
zu den beiden anderen Akteuren haben. Unfallversicherungsträger, Gutachter und versicherte<br />
Person, das bedeutet drei verschiedene Beteiligte, drei verschiedene Beziehungen<br />
zue<strong>in</strong>ander und drei verschiedene Blickw<strong>in</strong>kel auf <strong>die</strong> gleiche Sache. Es ist Aufgabe des<br />
Rechts, <strong>die</strong> Rollen der Beteiligten zu def<strong>in</strong>ieren, Rechte und Pflichten festzulegen, das Vorgehen<br />
im Feststellungsverfahren zu steuern und auf das angestrebte Ziel e<strong>in</strong>er möglichst<br />
auf objektiven Feststellungen beruhenden Rechtsanwendung auszurichten.<br />
In dem hier zur Verfügung stehenden Rahmen können nur e<strong>in</strong>zelne Aspekte der Rechtsgrundlagen<br />
der Begutachtung im S<strong>in</strong>ne von „Schlaglichtern“ angesprochen werden. Sie<br />
sollen sich, <strong>in</strong> der Reihenfolge Ihrer Beteiligung im Verfahren, an den Akteuren ausrichten:<br />
1. Begutachtung aus der Sicht des Unfallversicherungsträgers:<br />
Als Körperschaften öffentlichen Rechts betreiben <strong>die</strong> Träger der gesetzlichen Unfallversicherung<br />
neben ihrer Rolle als Dienstleister <strong>in</strong> der Prävention und der Rehabilitation natürlich<br />
auch Rechtsanwendung. Als Teil der vollziehenden Gewalt s<strong>in</strong>d sie dabei nach dem<br />
Grundgesetz an Gesetz und Recht gebunden und unterliegen <strong>in</strong> vollem Umfang der (sozial-)<br />
gerichtlichen Kontrolle. Anders als es <strong>die</strong> öffentliche und veröffentlichte Diskussion oft<br />
glauben lassen will, s<strong>in</strong>d sie im Feststellungsverfahren nicht Partei, sondern ihrer Konstruktion<br />
nach neutrales Werkzeug gesetzgeberischen Willens im Sozialsystem. Ihr Ziel muss<br />
im Rahmen des Rechts der „gerichtsfeste“ Interessenausgleich zwischen den beteiligten<br />
Sozialpartnern se<strong>in</strong>.<br />
57
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
Rechtsanwendung bedarf sicherer tatsächlicher Grundlagen. Deswegen beauftragt § 20<br />
Sozialgesetzbuch X <strong>die</strong> Unfallversicherungsträger, den Sachverhalt von Amts wegen zu<br />
ermitteln. Sie haben dabei alle für den E<strong>in</strong>zelfall bedeuts<strong>am</strong>en, auch <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Beteiligten<br />
günstigen Umstände zu berücksichtigen. Die Behörde (und das s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Unfallversicherungsträger<br />
nun e<strong>in</strong>mal formal) muss also aktiv handeln und darf dabei auf ke<strong>in</strong>em Auge<br />
bl<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>. Das Recht gibt dem Unfallversicherungsträger bei se<strong>in</strong>en Ermittlungen e<strong>in</strong>en<br />
weiten Spielraum <strong>in</strong> der Wahl der Beweismittel. Nach pflichtgemäßem Ermessen be<strong>die</strong>nt<br />
er sich der Beweismittel, <strong>die</strong> er zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Der<br />
Kanon ist breit gefächert, er kann Auskünfte jeder Art e<strong>in</strong>holen, Beteiligte anhören, Zeugen<br />
und Sachverständige vernehmen oder deren schriftliche oder elektronische Äußerung e<strong>in</strong>holen,<br />
Urkunden und Akten beiziehen und den Augensche<strong>in</strong> e<strong>in</strong>nehmen.<br />
Aber <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Breite der Möglichkeiten der Ermittlung liegt auch gelegentlich e<strong>in</strong> Problem<br />
im Feststellungsverfahren. Es besteht <strong>die</strong> Gefahr, dass <strong>in</strong> der Sachbearbeitung nach dem<br />
Pr<strong>in</strong>zip verfahren wird:“ Viel nützt viel! Je mehr Unterlagen, <strong>Bericht</strong>e, Stellungnahmen und<br />
Gutachten ich habe, desto mehr Sicherheit habe ich auch für me<strong>in</strong>e Entscheidungen.“ Auswahl<br />
der Beweismittel nach pflichtgemäßem Ermessen bedeutet aber gerade <strong>die</strong> Abkehr<br />
vom „Jäger und S<strong>am</strong>mler“ zum zielgerichteten, im besten S<strong>in</strong>ne ökonomisch handelnden<br />
Ermittler, der sich genau <strong>über</strong>legt, welcher Weg der kürzeste zum Ziel ist. E<strong>in</strong>schränkung<br />
bedeutet dabei nicht unbed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>en Qualitätsverlust, sondern lediglich <strong>die</strong> Abkehr von<br />
mechanischen Reaktionen. Ob nun e<strong>in</strong> (evtl. weiteres) Gutachten wirklich erforderlich ist<br />
und welchen Zwecken <strong>die</strong>ses genau <strong>die</strong>nen soll, ist <strong>in</strong> jedem E<strong>in</strong>zelfall präzise und kritisch<br />
zu prüfen. Kann <strong>die</strong> anstehende Frage aus dem Akten<strong>in</strong>halt heraus eigentlich schon beantwortet<br />
werden, ist Selbstbeschränkung und der Mut zur Entscheidung Pflicht. So mancher<br />
komplizierte Sachverhalt wird nicht dadurch klarer, dass er dem zweiten, dritten oder vierten<br />
Sachverständigen vorgelegt wird, soweit <strong>die</strong> Vorgutachten sich sauber an <strong>die</strong> tatsächlichen<br />
und rechtlichen „Spielregeln“ gehalten haben. Auch für begründete Zweifel und<br />
offene, nicht weiter zu klärende Fragen sieht das Recht Lösungswege z.B. <strong>über</strong> Beweislastregeln<br />
vor. E<strong>in</strong>en begründeten Rest an Unsicherheit zu ertragen, d<strong>am</strong>it muss <strong>die</strong> Sachbearbeitung<br />
oft leben.<br />
Neben dem „Jäger und S<strong>am</strong>mler“ gibt es (natürlich nur ganz selten) manchmal aber auch<br />
noch e<strong>in</strong>en anderen Typus von Sachbearbeiter: Die große Zahl hochqualifizierter und hochgeschätzter<br />
Sachbearbeiter<strong>in</strong>nen und Sachbearbeiter möge mir den Scherz verzeihen: Man<br />
könnte ihn als „Facharzt für Verwaltungsmediz<strong>in</strong>“ bezeichnen. Ohne mediz<strong>in</strong>isches Staatsex<strong>am</strong>en<br />
und Approbation, aber geprägt von z.T. jahrzehntelang anges<strong>am</strong>melter Erfahrung<br />
neigt <strong>die</strong>ser dazu, se<strong>in</strong>e Me<strong>in</strong>ung an <strong>die</strong> Stelle der Äußerungen der fachmediz<strong>in</strong>ischen Gutachter<br />
zu setzen und <strong>die</strong>se gar nicht erst zu fragen oder den Versuch zu machen, <strong>die</strong>se nicht<br />
nur klärend zu befragen, sondern zu belehren. Hier gilt für <strong>die</strong> Sachbearbeitung: „Schuster<br />
bleib bei de<strong>in</strong>en Leisten!“ Verwaltungstechnischer oder -juristischer Sachverstand ist bei<br />
aller Erfahrung nicht naturwissenschaftlicher Sachverstand. Im Umgang mit den Gutachtern<br />
ist partnerschaftliche Kommunikation und Verständnis für <strong>die</strong> Reichweite der jeweiligen<br />
Fachkenntnis gefragt. Die Sprache und Denkweise des jeweils anderen Fachs besser begreifen<br />
zu lernen, deshalb s<strong>in</strong>d ja hier und heute Mediz<strong>in</strong>er und Verwaltungsfachleute <strong>in</strong> großer<br />
58
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
Zahl <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Saal vere<strong>in</strong>t! Die förmliche Feststellung von Körperschäden und mediz<strong>in</strong>ischen<br />
Kausalzus<strong>am</strong>menhängen <strong>in</strong> mediz<strong>in</strong>ischen Fachgutachten als Grundlage u.a. der<br />
Rentenfeststellung sollten nach me<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung bei allen ökonomischen Sichtweisen und<br />
Versuchen zur Beschleunigung der Verfahren auch im S<strong>in</strong>ne beider Sozialpartner weiterh<strong>in</strong><br />
<strong>die</strong> Regel se<strong>in</strong>.<br />
S<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Fragestellungen <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem S<strong>in</strong>ne aber gut herausgearbeitet und ergibt sich <strong>die</strong><br />
Notwendigkeit e<strong>in</strong>er Begutachtung, müssen <strong>die</strong>se Fragen auch e<strong>in</strong>deutig gestellt und dem<br />
Gutachter klar gemacht werden, wie se<strong>in</strong> Sachverstand <strong>die</strong> Entscheidung unterstützen soll.<br />
Die Zivilprozessordnung, <strong>die</strong> auch im Sozialgerichtsverfahren Anwendung f<strong>in</strong>det, weist <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er relativ jungen Vorschrift hier den Weg.<br />
§ 404 a ZPO befasst sich mit der Leitung der Tätigkeit des Sachverständigen, hier heißt es<br />
u.a.:<br />
(1) Das Gericht hat <strong>die</strong> Tätigkeit des Sachverständigen zu leiten und kann ihm für Art und<br />
Umfang se<strong>in</strong>er Tätigkeit Weisungen erteilen.<br />
(2) Soweit es <strong>die</strong> Besonderheit des Falles erfordert, soll das Gericht den Sachverständigen<br />
vor Abfassung der Beweisfrage hören, ihn <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Aufgabe e<strong>in</strong>weisen und ihm auf Verlangen<br />
den Auftrag erläutern.<br />
(3) Bei streitigem Sachverhalt bestimmt das Gericht, welche Tatsachen der Sachverständige<br />
der Begutachtung zugrunde legen soll.<br />
Dieses Progr<strong>am</strong>m kann auch als Auslegungsgrundlage für den o.a. § 21 SGB X <strong>die</strong>nen. Es<br />
verlangt von der Sachbearbeitung <strong>die</strong> Präzisierung, von welchem Sachverhalt der Gutachter<br />
ausgehen soll. Ergibt das Aktenstudium z.B. Hergangsvarianten e<strong>in</strong>es Unfalles, muss der<br />
Sachbearbeiter klarstellen, welcher Sachverhalt nach der Beweislage als Grundlage der<br />
Begutachtung <strong>die</strong>nen soll. Wer e<strong>in</strong>en unbestimmten Auftrag erteilt, erhält zwangsläufig<br />
auch e<strong>in</strong> unbestimmtes Gutachten! Bei komplizierten Sachverhalten und Fragestellungen<br />
ist vorab e<strong>in</strong> klärendes Gespräch zwischen Sachbearbeitung und Gutachter hilfreich, hier<br />
sollten eventuelle Berührungsängste abgebaut werden. Es geht dabei nicht um Absprachen,<br />
sondern um <strong>die</strong> E<strong>in</strong>deutigkeit der Aufgabenstellung.<br />
59
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
Doch wechseln wir jetzt e<strong>in</strong>mal <strong>die</strong> Perspektive:<br />
2. Begutachtung aus der Sicht der versicherten Person<br />
S<strong>in</strong>d Sie schon e<strong>in</strong>mal begutachtet worden? Wie fühlt sich e<strong>in</strong> mündiger Mitmensch, wenn<br />
er (vielleicht erstmals im Leben) e<strong>in</strong>bestellt, gewogen, gemessen, abgebildet, durchleuchtet,<br />
gebogen, durchbewegt, durch e<strong>in</strong> Krankenhaus geschleust, beschrieben und beurteilt wird?<br />
Das Bundessozialgericht hat kürzlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Entscheidung vom 5.2.2008 (Az: B 2 U 8/07 R)<br />
unter Bezugnahme auf von Wulffen und P. Becker für das sozialgerichtliche Verfahren e<strong>in</strong><br />
Bild gezeichnet, das Anlass zum Nachdenken gibt. Dort ist nachzulesen:<br />
„Das sozialgerichtliche Verfahren ist durch e<strong>in</strong> hohes Maß an Ungleichheit zwischen den<br />
Beteiligten zu Gunsten der Verwaltung geprägt, weil meistens e<strong>in</strong> „normaler“ Mensch gegen<br />
e<strong>in</strong>e Sozialversicherung klagt, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e von ihm begehrte Feststellung oder Sozialleistung<br />
abgelehnt hat. Diesem „normalen“ Menschen, der oftmals durch Armut, Alter, Arbeitslosigkeit<br />
oder körperliche Gebrechen e<strong>in</strong>geschränkt ist, steht e<strong>in</strong>e spezialisierte Fachverwaltung<br />
mit nahezu unbegrenzten f<strong>in</strong>anziellen Ressourcen, besonders ausgebildeten Sachbearbeitern,<br />
entsprechend geschulten Juristen und oftmals Ärzten sowie weiteren Fachwissenschaftlern<br />
gegen<strong>über</strong>. Im Bereich der Unfallversicherungsträger ist dar<strong>über</strong> h<strong>in</strong>aus hervorzuheben,<br />
dass <strong>die</strong>se mittels ihrer Zus<strong>am</strong>menschlüsse <strong>über</strong> eigene Kl<strong>in</strong>iken und große<br />
spezialisierte naturwissenschaftliche und technische Forschungse<strong>in</strong>richtungen ver-<br />
fügen.“<br />
Zugegeben, <strong>die</strong>se Schilderung steht im Zus<strong>am</strong>menhang mit der im konkreten Fall zu klärenden<br />
Fachfrage der Chancengleichheit im Sozialgerichtsprozess und passt vielleicht nicht<br />
ganz zum Thema Begutachtung. Oder doch? Welches Weltbild bzw. welches (Zerr-)Bild von<br />
der Realität der Arbeit der Unfallversicherungsträger spricht aus <strong>die</strong>sen Worten? Stehen wir<br />
den Versicherten „gegen<strong>über</strong>“? Nutzen wir unsere personelle und materielle Ausstattung<br />
tatsächlich gegen <strong>die</strong> Versicherten? Ist e<strong>in</strong>e solche Darstellung gerechtfertigt?<br />
Bei allem Respekt vor unserem höchsten Fachgericht möchte ich dem widersprechen:<br />
Erstens: Es gibt <strong>die</strong> Unfallversicherungsträger <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Form nur, weil der Gesetzgeber,<br />
also <strong>in</strong> unserer Demokratie das Volk, es so will. Dies hat er gerade wieder durch das Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz<br />
grundsätzlich bestätigt.<br />
Zweitens: Viele Tausend Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter der Unfallversicherung entsprechen<br />
mit ihrer Arbeit nach ihrem Gelöbnis nicht nur dem Grundgesetz und den Gesetzen. Sie<br />
fühlen sich besonders im Versicherten dem Mitmenschen <strong>in</strong> schwieriger Lebenslage täglich<br />
neu verpflichtet. Wir stehen den Versicherten bei – nicht gegen<strong>über</strong>!<br />
Drittens: Die Klagestatistik belegt <strong>in</strong>sges<strong>am</strong>t bee<strong>in</strong>druckend <strong>die</strong> Qualität unserer Arbeit<br />
durch <strong>die</strong> Abbildung der uns bestätigenden Entscheidungen unabhängiger Gerichte.<br />
60
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
Viertens: Die durch <strong>die</strong> Arbeitgeber f<strong>in</strong>anzierten Institutionen der Unfallversicherungsträger<br />
s<strong>in</strong>d bewusst und gewollt den Interessen der Versicherten zu <strong>die</strong>nen bestimmt. Die<br />
Versicherten erkennen <strong>die</strong>s durch ihre Erfahrungen <strong>in</strong> zahlreichen E<strong>in</strong>zelfällen geleitet<br />
auch immer wieder dankbar an.<br />
Fünftens: M.E. darf auf der Grundlage segmentaler Erfahrungen der Justiz nicht auf <strong>die</strong><br />
weit <strong>über</strong>wiegende Zahl der unstreitigen Feststellungsverfahren und der sich <strong>in</strong> ihnen <strong>in</strong><br />
aller Regel zeigenden guten Zus<strong>am</strong>menarbeit aller Beteiligten geschlossen werden.<br />
Aber nicht nur Tatsachen, auch Empf<strong>in</strong>dungen prägen <strong>die</strong> Wahrnehmung. Was also erwartet<br />
der Versicherte auch im Zus<strong>am</strong>menhang mit der Begutachtung von uns? Das ist wohl nur<br />
das, was auch wir uns für uns selbst als Ausfluss unserer verfassungsmäßigen Rechte u.a.<br />
wünschen:<br />
Entsprechend Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) entspricht es der Würde des Menschen,<br />
nicht lediglich Objekt unserer Arbeit zu se<strong>in</strong>, sondern Subjekt, d.h. mitwirkender Partner<br />
im Feststellungsverfahren. Das gilt im Umgang mit der Verwaltung, <strong>die</strong> durch ihre Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />
und Mitarbeiter e<strong>in</strong> menschliches Gesicht erhalten muss und meist auch erhält,<br />
ebenso wie bei der Durchführung der Begutachtung. Hier hilft <strong>in</strong> der großen fremden Kl<strong>in</strong>ik<br />
oder bei dem oft unbekannten Arzt schon e<strong>in</strong>e zugewandte, Ängste abbauende und freundliche<br />
Information <strong>über</strong> den Ablauf und den Grund der e<strong>in</strong>zelnen Untersuchungen.<br />
Entsprechend Art. 2 Abs. 1 GG darf der Versicherte im Rahmen der allgeme<strong>in</strong>en Handlungsfreiheit<br />
auch frei und ohne Sanktionen entscheiden, eventuell e<strong>in</strong>mal nicht mitzuwirken,<br />
z.B. nicht zur Begutachtung zu gehen. Dass <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Fall mangels Mitwirkung Entscheidungen<br />
<strong>über</strong> Leistungen evtl. nicht möglich s<strong>in</strong>d, ist von beiden Seiten zu akzeptieren. Aber<br />
vielleicht kann – wie oben dargestellt – ja auch e<strong>in</strong>mal ohne (weitere) Gutachten entschieden<br />
werden?<br />
61
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
Entsprechend Art. 3 Abs. 1 und 3 GG und auch als Ausfluss des Sozialstaatspr<strong>in</strong>zips darf er<br />
erwarten, geschützt durch <strong>die</strong> Qualität und Objektivität des Feststellungsverfahrens und<br />
durch e<strong>in</strong>e von hoher, aktueller wissenschaftlicher Sachkenntnis geprägte Begutachtung <strong>in</strong><br />
allen Teilen unseres Landes und im Vergleich mit ähnlich Geschädigten gleich behandelt<br />
und mit den gleichen Leistungen versorgt zu werden.<br />
Entsprechend dem aus dem allgeme<strong>in</strong>en Persönlichkeitsrecht herrührenden Recht auf<br />
<strong>in</strong>formationelle Selbstbestimmung darf er erwarten, als Herr se<strong>in</strong>er Daten im Rahmen des<br />
§ 200 Abs. 2 SGB VII auswählen zu dürfen, welchem Gutachter gegen<strong>über</strong> er se<strong>in</strong>e zum<br />
Teil sehr persönlichen Daten offenbaren möchte. Dabei s<strong>in</strong>d eigene Vorschläge zum Gutachter,<br />
soweit sie fachlich akzeptabel s<strong>in</strong>d, nicht als Störung, sondern im S<strong>in</strong>ne der Akzeptanz<br />
der späteren Entscheidungen grundsätzlich und <strong>in</strong> der Regel als willkommen anzusehen!<br />
Die Regeln unseres Feststellungsverfahrens stehen nicht gegen <strong>die</strong> Versicherten, sie konkretisieren<br />
vielmehr deren verfassungsmäßige Rechte; sie täglich auch im Detail der Begutachtung<br />
zu verwirklichen ist e<strong>in</strong>e ständige Aufgabe. Sprechen wir also mit unseren<br />
versicherten Mitbürger<strong>in</strong>nen und Mitbürgern und nicht nur <strong>über</strong> sie, nehmen wir sie mit auf<br />
den Weg, begleiten wir sie bei der Begutachtung ebenso, wie wir das <strong>in</strong> der Rehabilitation<br />
schon seit langer Zeit erfolgreich tun, dann wird aus gefühlter Übermacht gute Partnerschaft!<br />
3. Begutachtung aus der Sicht des Gutachters<br />
Wird e<strong>in</strong> Arzt mit der Erstattung e<strong>in</strong>es Gutachtens beauftragt, f<strong>in</strong>det <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Handeln<br />
e<strong>in</strong> Rollenwechsel statt: Aus dem heilenden, den Kranken begleitenden Arzt muss nun e<strong>in</strong><br />
zwar freundlicher aber distanziert, objektiv und re<strong>in</strong> von wissenschaftlichem Fachverstand<br />
geprägter Sachverständiger werden.<br />
62
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
Mit dem Gutachtenauftrag <strong>über</strong>nimmt der Gutachter <strong>die</strong> Pflicht zum sorgfältigen Studium<br />
des Auftrages und der Akten, zur gründlichen Vorbereitung des Untersuchungsterm<strong>in</strong>s, <strong>die</strong><br />
Pflicht zur angemessenen, auf Kommunikation und Information beruhenden Führung des<br />
Probanden und zur vollständigen, sorgfältigen und zügigen Abfassung des Gutachtens.<br />
Im Rahmen e<strong>in</strong>es Werkvertrages stellt er dem Versicherungsträger se<strong>in</strong>e geschulte Wahrnehmungsfähigkeit,<br />
se<strong>in</strong> Fachwissen, se<strong>in</strong>e Erfahrung, se<strong>in</strong>e Kunst der Analyse, besonders<br />
aber se<strong>in</strong>e Fähigkeit zur sorgfältigen schriftlichen Dokumentation zur Verfügung. Se<strong>in</strong><br />
„Werk“ ist (nur) das, was als Ergebnis se<strong>in</strong>er Arbeit auch schriftlich niedergelegt zur Grundlage<br />
des weiteren Verwaltungshandelns wird: Das Gutachten. Dabei ist es von besonderer<br />
Bedeutung, dass <strong>die</strong>ser spezielle, fachlich-wissenschaftlich geprägte Text <strong>die</strong> neutrale Haltung<br />
des Verfassers auch <strong>in</strong> der Wahl der Sprache und der Argumentation zum Ausdruck<br />
kommen lässt. Lassen Formulierungen Zweifel an der Objektivität des Autors aufkommen,<br />
ist das Werk, auch wenn es sonst „richtig“ ist, mangelhaft und nicht verwertbar.<br />
63
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
Als „Grenzgänger“ zwischen Mediz<strong>in</strong> und (Sozial-)Recht muss sich der Sachverständige auf<br />
<strong>die</strong> besonderen Anforderungen des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung e<strong>in</strong>lassen,<br />
<strong>die</strong>se kennen und bei der Anwendung se<strong>in</strong>es mediz<strong>in</strong>ischen Sachverstands beachten. Auch<br />
<strong>die</strong> zutreffende Verwendung der unfallversicherungsrechtlichen Fachbegriffe zeichnet e<strong>in</strong><br />
qualitativ hochwertiges Gutachten aus.<br />
Schon <strong>die</strong> vorstehenden Bemerkungen zeigen, wie sehr sich <strong>die</strong> Begutachtung an der konkreten<br />
Person des Gutachters ausrichtet: Der Gutachter muss das Vertrauen der Verwaltung<br />
und des zu begutachtenden Menschen besitzen. Die Verwaltung möchte <strong>die</strong> Erfahrung des<br />
angeschriebenen Arztes selbst nutzen, der Versicherte stimmt e<strong>in</strong>er Daten<strong>über</strong>mittlung an<br />
e<strong>in</strong>e natürliche Person, nicht an e<strong>in</strong>e Institution zu!<br />
Zwar darf sich der Gutachter bei der Erstellung des Gutachtens se<strong>in</strong>es mediz<strong>in</strong>ischen Hilfspersonals<br />
be<strong>die</strong>nen, jedoch sollte es e<strong>in</strong>deutig und durch <strong>die</strong> eigene Unterschrift bestätigt<br />
se<strong>in</strong>, wer wirklich Autor und Verantwortlicher für das Gutachten ist. Unterschreibt der Stellvertreter<br />
oder e<strong>in</strong> anderer Arzt das Gutachten, verstößt <strong>die</strong>s gegen das Gutachterauswahlrecht<br />
des Versicherten nach § 200 Abs. 2 SGB VII.<br />
Nach der neuesten Rechtsprechung (BSG v. 5. Februar 2008, Az: B 2 U 8/07 R) würde <strong>die</strong>s<br />
zu e<strong>in</strong>em Verwertungsverbot im Feststellungsverfahren und im anschließenden Streitverfahren<br />
führen. Wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Dom<strong>in</strong>oeffekt wären dann auch <strong>die</strong> auf dem rechtswidrig<br />
entstandenen Gutachten „aufsetzenden“ Gutachten nicht verwertbar! Die Verwaltungen<br />
werden auf <strong>die</strong>sen nicht nur formalen Sachverhalt <strong>in</strong> der kommenden Zeit sicher verstärkt<br />
zu achten haben und bitten dabei <strong>die</strong> Begutachtenden schon jetzt um Mitwirkung und<br />
Verständnis.<br />
64
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
Fazit:<br />
Alle Beteiligte verb<strong>in</strong>det im Feststellungsverfahren der Unfallversicherungsträger das geme<strong>in</strong>s<strong>am</strong>e<br />
Interesse an e<strong>in</strong>er möglichst objektiven, auf aktueller wissenschaftlicher Kenntnis<br />
beruhenden, das Gleichheitsgebot beachtenden und gerichtsfesten Begutachtung. Der<br />
rechtliche Rahmen ist gesetzt und zu beachten. Dabei ist der versicherte Bürger Partner<br />
und nicht Objekt im Verfahren. Jeder Beteiligte hat durch <strong>die</strong> gewissenhafte Wahrnehmung<br />
se<strong>in</strong>er Aufgaben <strong>die</strong> Qualität der Begutachtung stetig zu verbessern.<br />
P.S.:<br />
Hätten <strong>die</strong> Bl<strong>in</strong>den aus der anfangs erwähnten Geschichte mite<strong>in</strong>ander gesprochen und ihre<br />
Erkenntnisse ausgetauscht, hätten sie erkannt, dass es sich um e<strong>in</strong>en Elefanten handelte!<br />
65
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
Kontakt:<br />
Erl<strong>in</strong>ghagen, Norbert, Ass. jur.<br />
Geschäftsführer der Bezirksverwaltung Bonn der Bergbau Berufsgenossenschaft<br />
und der Ste<strong>in</strong>bruchs-Berufsgenossenschaft<br />
Peter-Hensen-Straße 1, 53175 Bonn<br />
66
S. Stu<strong>die</strong>r-Fischer<br />
Begutachtung der Schulter<br />
Rotatorenmanschette<br />
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
Zus<strong>am</strong>menfassung<br />
Zus<strong>am</strong>menhangstrennung der Rotatorenmanschette<br />
Hat der Patient nach e<strong>in</strong>em angeschuldigten Ereignis persistierende Beschwerden an der<br />
Schulter, so ist <strong>die</strong> Eigenan<strong>am</strong>nese des Patienten zu erfragen. Befunde der Gegenseite, der<br />
HWS und der angrenzenden Gelenke s<strong>in</strong>d zu dokumentieren. Elementar für <strong>die</strong> Begutachtung<br />
und <strong>die</strong> Bewertung ist der Unfallhergang <strong>über</strong>haupt. So ist zw<strong>in</strong>gend festzuhalten, ob<br />
<strong>über</strong>haupt e<strong>in</strong> Unfall vorliegt oder ob nicht e<strong>in</strong>e willentliche Bewegung erfolgte. Die Richtung<br />
der e<strong>in</strong>wirkenden Kraft und H<strong>in</strong>weise auf stattgehabte Luxationen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> jedem Falle<br />
schon im ersten sog. D-Arztbericht zu entnehmen. E<strong>in</strong>e ökonomisch e<strong>in</strong>gesetzte Diagnostik<br />
ist entsprechend zu werten.<br />
Schlüsselwörter<br />
Rotatorenmanschette – Ruptur – Begutachtung<br />
Summary<br />
Rotatory cuff tear<br />
If a patient has cont<strong>in</strong>uous problems <strong>in</strong> the shoulder after an <strong>in</strong>jury the past medical<br />
history is to be surveyed. F<strong>in</strong>d<strong>in</strong>gs at the other site, the neck and adjacent jo<strong>in</strong>ts are to be<br />
documented. Elementary for the appraisal is the mechanism of the <strong>in</strong>jury itself. It is mandatory<br />
to assume if there is an <strong>in</strong>jury at all or a voluntary motion. The direction of force and<br />
f<strong>in</strong>d<strong>in</strong>gs of a former luxation are to be reported <strong>in</strong> the primary report (D-Arztbericht). The<br />
economicaly <strong>in</strong>itiated tests should be reevaluated carefully.<br />
Key words<br />
Rotatory cuff – cuff tear – appraisal<br />
Problematik<br />
Die gutachterliche Bewertung e<strong>in</strong>er Zus<strong>am</strong>menhangstrennung ist schwierig und ist häufig<br />
Grundlage und Anlass für rechtliche Ause<strong>in</strong>andersetzungen. Ziel muss es se<strong>in</strong>, <strong>in</strong> der Begutachtung<br />
bei gleichen mediz<strong>in</strong>ischen Sachverhalten e<strong>in</strong>heitliche Beurteilungen abzugeben<br />
[1].<br />
Vorbemerkung<br />
Die Rotatorenmanschette (RM) ist e<strong>in</strong>e Sehnenplatte der Muskeln M. subscapularis,<br />
M. suprasp<strong>in</strong>atus, M. <strong>in</strong>frasp<strong>in</strong>atus und M. teres m<strong>in</strong>or. Funktionell wird <strong>die</strong> Sehne des<br />
67
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
Caput longum M. bicipitis brachii h<strong>in</strong>zugezählt. Über <strong>die</strong>se Rotatorenmanschette setzt <strong>die</strong><br />
tiefe Schultermuskulatur <strong>am</strong> Oberarmkopf an und zentriert und stabilisiert <strong>die</strong>sen <strong>in</strong> der<br />
Schulterpfanne. Das Sehnengewebe der RM besteht aus mehreren Schichten als Ausdruck<br />
der unterschiedlichen mechanischen Belastung. Die Suprasp<strong>in</strong>atussehne ist <strong>in</strong> ihrem oberflächlichen<br />
Bereich e<strong>in</strong>e Zugsehne und <strong>in</strong> der Tiefe e<strong>in</strong>e Gleitsehne. Defekte der RM gehören<br />
zu den häufigsten krankhaften Befunden des Schultergelenkes. Meist s<strong>in</strong>d <strong>die</strong>se degenerativer<br />
Art [3]. Auch wenn im deutschen Sprachgebrauch <strong>die</strong>se Begriffe ungewöhnlich<br />
kl<strong>in</strong>gen, sollte besser von e<strong>in</strong>er Zus<strong>am</strong>menhangstrennung oder von e<strong>in</strong>er Kont<strong>in</strong>uitätsunterbrechung<br />
gesprochen werden bevor Begehrlichkeiten bei den Patienten geweckt werden.<br />
Auf <strong>die</strong>ser Grund<strong>in</strong>formation sollte <strong>die</strong> Begutachtung basieren.<br />
Erste Informationen<br />
Die Eigenan<strong>am</strong>nese be<strong>in</strong>haltet neben besonderen beruflichen Belastungen <strong>die</strong> sportliche<br />
Aktivität. Hierzu ist festzustellen, ob <strong>die</strong> betroffene Person armbelastende Sportarten ausführt<br />
oder ausführte. Befunde der Gegenseite und der angrenzenden Gelenke s<strong>in</strong>d festzuhalten.<br />
Bereits im D-Arztbericht ist festzulegen ob <strong>über</strong>haupt e<strong>in</strong> Unfall im S<strong>in</strong>ne des Gesetzes<br />
vorliegt oder ob nicht e<strong>in</strong> willentlicher Vorgang beschrieben wird. Die Richtung der<br />
e<strong>in</strong>wirkenden Kraft oder Auftreffen des Körpers auf den Widerstand muss klar und unmissverständlich<br />
dokumentiert werden. Von hohem Interesse ist der H<strong>in</strong>weis auf e<strong>in</strong>e stattgehabte<br />
Luxation. Der Schmerzverlauf ist wichtig; <strong>in</strong>itial schmerzarme Zeiten von e<strong>in</strong>igen<br />
Stunden oder Tagen s<strong>in</strong>d genauso zu schriftlich zu fixieren, wie e<strong>in</strong> sofortiges Schmerzmaximum.<br />
Immer wieder wird vergessen das Verhalten des Betroffenen nach dem Unfall<br />
fest-zuhalten. Dabei ist zu erfassen, ob der Patient se<strong>in</strong>e Arbeit fortgesetzte und wann er<br />
e<strong>in</strong>en Arzt erstmals aufsuchte. Auch nicht D-ärztliche Konsultationen s<strong>in</strong>d bedeutend. Dabei<br />
s<strong>in</strong>d „<strong>in</strong>nerbetriebliche“ Zwänge zu berücksichtigen, wie z. B. drohende Kündigungen<br />
oder hohe Auftragslage bei welchen <strong>die</strong> Patienten erheblich unter Druck gesetzt werden<br />
können [2].<br />
Kl<strong>in</strong>ischer Erstbefund<br />
Im D-Arztbericht muss aufgeführt werden, ob der Patient Schürfmarken oder Hämatome<br />
aufweist. Auch das Nichtvorliegen solcher Veränderungen ist von Bedeutung. Bei der kl<strong>in</strong>ischen<br />
Untersuchung s<strong>in</strong>d der passive Dehnungsschmerz und das Drop-Arm-Phänomän<br />
von immenser Bedeutung. Die Dokumentation des Bewegungsausmaßes nach der Neutral-<br />
Null-Methode ist obligat. Bei der Bewertung der Begleitverletzungen ist dem AC-Gelenk<br />
e<strong>in</strong> Augenmerk zu schenken und <strong>die</strong> Befunde zu fixieren. Auf neurologische Ausfälle z. B.<br />
<strong>am</strong> Plexus brachii oder <strong>am</strong> N. axillaris ist zu achten.<br />
Erste Röntgenaufnahme<br />
Initial werden Röntgenaufnahmen <strong>in</strong> zwei Ebenen angefertigt, evtl. ist auch e<strong>in</strong>e outlet-<br />
view-Aufnahme erforderlich. Dabei ist auf e<strong>in</strong>e exakte E<strong>in</strong>stellung des Gelenkspaltes zu<br />
achten (Abb. 1). Die Abbildungsqualität sollte <strong>die</strong> knöchernen Strukturen des Schultergelenkes<br />
darstellen. Insbesondere muss der subacromiale Raum und dessen Weite zu erkennen<br />
se<strong>in</strong>. Frakturen z. B. an Humeruskopf, Klavikula und Glenoid s<strong>in</strong>d immer auszuschließen<br />
(Abb. 2). Die Standart röntgen aufnahme gibt H<strong>in</strong>weise auf e<strong>in</strong>e vorliegende Omarthrose,<br />
68
Abb. 1:<br />
Röntgenaufnahme der Schulter. Der Humeruskopf<br />
projiziert sich <strong>über</strong> das Glenoid – e<strong>in</strong>e Luxation ist<br />
d<strong>am</strong>it nicht auszuschließen; <strong>die</strong> Qualität der Röntgenaufnahme<br />
ist nicht zu akzeptieren.<br />
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
Abb. 2:<br />
Die Röntgenaufnahme der Schulter zeigt e<strong>in</strong>e<br />
e<strong>in</strong>gestauchte Fraktur des Humeruskopfes.<br />
Humeruskopfhochstand oder e<strong>in</strong>e bereits vorliegende Cuff-tear-Arthropathie als Zeichen<br />
e<strong>in</strong>es fort geschrit tenen Rotatorenmanschettenschadens.<br />
Sonografie<br />
Wenngleich leicht durchzuführen, ist <strong>die</strong>se Untersuchung extrem untersucherabhängig.<br />
Sie ist sehr gut geeignet als „Kontaktaufnahme“ zu dem Patienten. Aus persönlicher Erfahrung<br />
ist festzustellen, dass Patienten welche sonografisch an der Schulter untersucht wurden<br />
Vertrauen zu dem Untersucher aufbauen. Mit hoher Sicherheit kann der Nachweis e<strong>in</strong>er<br />
<strong>in</strong>takten RM erbracht werden. Das isolierte Vorliegen e<strong>in</strong>es Ergusses ist nicht richtungsführend.<br />
Die Sonografie ist gleichzeitig e<strong>in</strong>e dyn<strong>am</strong>ische Untersuchung, welche e<strong>in</strong>en sehr<br />
guten Überblick bietet <strong>über</strong> das Gleitverhalten des Gewebes und mögliche degenerative<br />
Veränderungen oder „Kalkherde“. E<strong>in</strong>e Aussage <strong>über</strong> das AC-Gelenk ist sofort möglich. Es<br />
muss standardisiert <strong>die</strong> Gegenseite mituntersucht werden (Abb. 3).<br />
Kernsp<strong>in</strong>tomografie<br />
Die Magnetresonanztomografie mit oder ohne Kontrastmittel ist das sensibelste Verfahren<br />
zur Untersuchung der Rotatorenmanschette (Abb. 4). Hiermit gel<strong>in</strong>gt nicht <strong>in</strong>vasiv der Nachweis<br />
oder der Ausschluss von RM-Schäden. E<strong>in</strong>e Retraktion der Sehnenränder oder <strong>die</strong><br />
fettige Degeneration der Sehne lassen sich sehr leicht erkennen. Auch Veränderungen <strong>am</strong><br />
AC-Gelenk stellen sich sehr exakt dar. E<strong>in</strong> Bonebruise im Humeruskopf, e<strong>in</strong>e Bankartläsion<br />
oder das Vorliegen e<strong>in</strong>er Hill-Sachs-Delle sprechen für e<strong>in</strong> Unfallgeschehen.<br />
Arthroskopie<br />
Am Schluss der diagnostischen Kette jedoch immer mit e<strong>in</strong>er therapeutischen Intention,<br />
steht <strong>die</strong> Arthroskopie der Schulter. Dabei ist <strong>die</strong> Menge, Farbe und Konsistenz des Ergusses<br />
69
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
Abb. 3:<br />
Sonografische Aufnahme Die Rotatorenmanschette der rechten Schulter ist nicht mehr nachweisbar.<br />
zu beschreiben. Der Defekt, falls vorliegend, wird ohne Wertung beschrieben (Abb. 5).<br />
Hierzu s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Abrundung der Ränder, Lage, Richtung und E<strong>in</strong>blutungen anzugeben. Die<br />
Ausdehnung der Dehiszenz und Adaptierbarkeit der Ränder geben dem Gutachter später<br />
Aufschluss auf das Alter der Läsion. Die Beschreibung der Lage und der Zustand der langen<br />
Bicepssehne und der Begleitbefunde wie Bankart-Schaden, Hill-Sachs-Delle, SLAP-Läsion<br />
etc. ist obligat.<br />
Abb. 4:<br />
Kernsp<strong>in</strong>tomografie. Die Rotatorenmanschette ist<br />
durchtrennt, es zeigt sich bereits e<strong>in</strong> Hochstand des<br />
Humeruskopfes mit E<strong>in</strong>engung des subacromialen<br />
Raumes.<br />
70<br />
Abb. 5:<br />
Fotografie des Randes der RM Abgerundete Ränder<br />
und Gefäße<strong>in</strong>sprossung sprechen gegen e<strong>in</strong> frisches<br />
traumatisches Ereignis
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
Histologie<br />
E<strong>in</strong>e repräsentative Entnahme ist zu fordern. Der Beauftragung der Histologie hat e<strong>in</strong>e<br />
dezi<strong>die</strong>rte Fragestellung zu folgen. E<strong>in</strong>e Entnahme später als drei Monate nach e<strong>in</strong>em fraglichen<br />
Ereignis lässt <strong>in</strong> der Regel ke<strong>in</strong>e zeitliche Zuordnung mehr zu. Das Labor sollte <strong>über</strong><br />
e<strong>in</strong>e entsprechende Erfahrung verfügen. Die Bedeutung der Histologie <strong>in</strong> der Zus<strong>am</strong>menhangsbegutachtung<br />
wird jedoch häufig <strong>über</strong>schätzt.<br />
Diagnostisches Stufenschema<br />
Wie üblich kommt der ersten Dokumentation im D-Arztbericht und der Unfallmeldung e<strong>in</strong>e<br />
enorme Bedeutung zu. Nicht alle Patienten bedürfen e<strong>in</strong>er MRT. E<strong>in</strong>e Zweitkonsultation<br />
etwa zwei Wochen nach e<strong>in</strong>em evtl. Unfall wird angeschlossen. Hier werden <strong>die</strong> ersten<br />
Untersuchungen ggf. wiederholt und Zweituntersuchungen veranlasst. Etwa vier Wochen<br />
nach dem Unfall sollte <strong>die</strong> def<strong>in</strong>itive Festlegung <strong>über</strong> den Schaden an der Rotatorenmanschette<br />
erfolgt se<strong>in</strong>. Im günstigen Fall kann dann unverzüglich evtl. mit der operativen<br />
Therapie begonnen werden (siehe Tabelle rechts). Im Falle e<strong>in</strong>er frühen Festlegung der<br />
Ursächlichkeit ist <strong>die</strong> Begutachtung entbehrlich.<br />
Literatur<br />
1. Loew M, Habermeyer P, Wiedermann E, Rickert M, Gohlke F, (2000) Empfehlungen<br />
zu Diagnostik und Begutachtung der traumatischen Rotatorenmanschettenläsion.<br />
Unfallchiurg 103: 417-426<br />
2. Schönberger G, Mertens G, Valent<strong>in</strong> H, Arbeitsunfall und Berufskrankheiten (2003).<br />
7. Auflage, Erich Schmidt Verlag<br />
3. Weber M, (2004) Empfehlungen zur Begutachtung von Schäden der Rotatorenmanschette.<br />
DGU – Mittteilungen und Nachrichten Suppl/2004 27-33<br />
Diagnostisches Stufenschema zur Diagnostik bei möglichem<br />
Rotatorenmanschettenschaden<br />
• Unfallzeitpunkt<br />
– Erstkonsultation<br />
– Dokumentation: Was liegt vor und was nicht?<br />
• zwei Wochen nach dem Unfall<br />
– Zweitkonsultation, Befunde im Verlauf<br />
– Verlaufsröntgen, erneute Sonografie<br />
– Veranlassung weitergehender Untersuchungen<br />
• vier Wochen nach dem Unfall<br />
def<strong>in</strong>itive Festlegung <strong>über</strong> Schaden an der Rotatorenmanschette –<br />
Beg<strong>in</strong>n der Therapie<br />
71
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
Kontakt<br />
Stu<strong>die</strong>r-Fischer, Stefan, Dr. med.<br />
Leiter der Sektion für Schulter- und Ellbogenchirurgie<br />
Oberarzt der Kl<strong>in</strong>ik für Unfallchirurgie und Orthopä<strong>die</strong><br />
Berufsgenossenschaftliche Unfallkl<strong>in</strong>ik Ludwigshafen<br />
– Unfallchirurgische Kl<strong>in</strong>ik an der Universität Heidelberg –<br />
Ludwig-Guttmann-Straße 13<br />
67071 Ludwigshafen a. Rh.<br />
72
K. Weise, F. Schröter<br />
Begutachtung des Kniegelenkes bei Meniskus- und Bandläsionen<br />
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
Zus<strong>am</strong>menfassung<br />
Die Begutachtung von Meniskus- und Kapsel-Band-Verletzungen <strong>am</strong> Kniegelenk ist e<strong>in</strong>e<br />
gleichermaßen schwierige wie verantwortungsvolle Aufgabe. Pathomechanisches Verständnis<br />
für <strong>die</strong> Geschehensabläufe und e<strong>in</strong>e angemessene Bewertung von An<strong>am</strong>nese und<br />
dokumentiertem Erstkörperschaden s<strong>in</strong>d unabd<strong>in</strong>gbare Voraussetzung für <strong>die</strong> Kausalitätsprüfung<br />
und Zus<strong>am</strong>menhangsbeurteilung. Durch Heranziehen von etablierten Prüf- und<br />
Bewertungskriterien unter Zuhilfenahme von Checklisten ist e<strong>in</strong>e Beurteilung im S<strong>in</strong>ne der<br />
Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit möglich. Aufgrund der häufig bestehenden Schwierigkeiten <strong>in</strong> der<br />
Abgrenzung von anlagebed<strong>in</strong>gten oder vorbestehenden Veränderungen gehört <strong>die</strong> Begutachtung<br />
der Folgen stattgehabter Meniskus- und Kapsel-Band-Läsionen <strong>in</strong> <strong>die</strong> Hände des<br />
Erfahrenen.<br />
Schlüsselwörter:<br />
Begutachtung, Meniskus-/Bandverletzungen Kniegelenk<br />
Summary<br />
The medical assessment of meniscus and capsule-lig<strong>am</strong>ent <strong>in</strong>juries on the knee jo<strong>in</strong>t is<br />
an equally difficult and responsible task. Pathomechanical understand<strong>in</strong>g of the events<br />
described and an appropriate evaluation of the medical history and documentation of<br />
primary <strong>in</strong>jury/<strong>in</strong>juries are an <strong>in</strong>dispensable condition for the causality ex<strong>am</strong><strong>in</strong>ation and<br />
connection evaluation. By utiliz<strong>in</strong>g established test and valuation criteria with the help of<br />
check lists, an evaluation <strong>in</strong> the sense of probability is possible. Due to the difficulties <strong>in</strong><br />
the classification of congenital or previously exist<strong>in</strong>g abnormalities the medical assess-<br />
ment of appeared meniscus and capsule-lig<strong>am</strong>ent lesions, belongs <strong>in</strong> the hands of an<br />
expert.<br />
Keywords:<br />
Expert op<strong>in</strong>ion, torn menisci/lig<strong>am</strong>ents knee<br />
E<strong>in</strong>führung<br />
Verletzungen und Überlastungsschäden <strong>am</strong> Kniegelenk s<strong>in</strong>d deswegen vielfach Gegenstand<br />
der Begutachtung, weil sie e<strong>in</strong>erseits häufig vorkommen, andererseits Traumafolgen von<br />
anlagebed<strong>in</strong>gten bzw. vorbestehenden Läsionen oft nur schwer abgrenzbar s<strong>in</strong>d. Das Verständnis<br />
für Pathologie und Pathomechanik der meist durch komplexe Traumen verursachten<br />
Verletzungen <strong>am</strong> Kapsel-Band-Apparat bzw. den Menisci ist unabd<strong>in</strong>gbare Voraussetzung,<br />
um <strong>in</strong>sbesondere <strong>die</strong> Zus<strong>am</strong>menhänge zwischen dem angeschuldigten Unfallereignis<br />
73
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
und dem verbliebenen Schaden gutachtlich beurteilen zu können. Dabei ist zu berücksichtigen,<br />
dass Kniegelenksverletzungen <strong>in</strong> der <strong>über</strong>wiegenden Mehrzahl der Fälle als Komb<strong>in</strong>ationstraumen,<br />
seltener als Monoverletzung imponieren. Die gutachtliche Bewertung und<br />
E<strong>in</strong>schätzung gel<strong>in</strong>gt umso leichter, je exakter der Erstbefund e<strong>in</strong>schließlich des Unfallhergangs<br />
dokumentiert ist und je mehr objektive Untersuchungsdaten beispielsweise <strong>in</strong> Gestalt<br />
e<strong>in</strong>es zeitnah angefertigten, technisch e<strong>in</strong>wandfreien Kernsp<strong>in</strong>tomogr<strong>am</strong>ms oder gar<br />
<strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es schriftlichen und bildlichen Arthroskopiebefundes zur Verfügung stehen. E<strong>in</strong><br />
lückenloses Vorerkrankungenverzeichnis sowie allfällige Befunde aus der Zeit vor dem im<br />
Rede stehenden Unfall s<strong>in</strong>d weitere Hilfen, welche für e<strong>in</strong>e gutachtliche Beurteilung des<br />
Zus<strong>am</strong>menhanges große Bedeutung besitzen.<br />
Aus mediz<strong>in</strong>ischer Sicht bestehen regelmäßig dann ke<strong>in</strong>e Zweifel an e<strong>in</strong>er Kausalitätsbeziehung<br />
zwischen Ereignis und Knieb<strong>in</strong>nenschaden, wenn nachstehende Kriterien erfüllt<br />
s<strong>in</strong>d:<br />
• Das Ereignis ist unstreitig belegt<br />
• Die akute Symptomatik führte zum Niederlegen der beruflichen Tätigkeit<br />
• Der zeitnah erhobene Lokalbefund ist dokumentiert<br />
• Frische Verletzungszeichen wie Hämatom und/oder e<strong>in</strong> Hämarthros s<strong>in</strong>d nachgewiesen<br />
• Zeichen e<strong>in</strong>er frischen Zerreißung s<strong>in</strong>d belegt (nach F. Schröter)<br />
Aus versicherungsrechtlicher Sicht entsteht dann e<strong>in</strong>e Kausalitätsproblematik, wenn es<br />
sich um e<strong>in</strong> Schadensbild aus sog. <strong>in</strong>nerer Ursache handelt. Beispiel hierfür ist <strong>die</strong> konstitutionell<br />
bed<strong>in</strong>gte Kniescheiben (Sub-)Luxation, <strong>die</strong> Begleitschäden im S<strong>in</strong>ne osteochondraler<br />
Frakturen oder e<strong>in</strong>er Ruptur des vorderen Kreuzbandes verursachen kann, welche ihrerseits<br />
als frische Verletzung imponieren. Nur wenn bei e<strong>in</strong>em solchen Ereignis e<strong>in</strong>e relevante<br />
E<strong>in</strong>wirkung von außen im S<strong>in</strong>ne der Def<strong>in</strong>ition e<strong>in</strong>er Verletzung belegt ist, handelt es sich<br />
zweifelfrei um e<strong>in</strong>e Unfallfolge, ansonsten muss von e<strong>in</strong>er Schädigung aus <strong>in</strong>nerer Ursache<br />
ausgegangen werden, <strong>die</strong> nicht mehr unter Versicherungsschutz fällt.<br />
Die weitaus meisten Knieb<strong>in</strong>nenschäden entstehen durch <strong>in</strong>direkte Krafte<strong>in</strong>leitungen, bei<br />
welchen <strong>die</strong> Gewalt nicht direkt <strong>am</strong> Knie e<strong>in</strong>wirkt. Dadurch verursachte Läsionen führen<br />
regelhaft durch das so benannte „subluxation movement“ zu Komb<strong>in</strong>ationsverletzungen,<br />
ausgelöst durch<br />
• Achsenstress, der <strong>die</strong> Kollateralbänder, <strong>die</strong> Kapsel und fallweise Menisci und Knorpel<br />
schädigen kann<br />
• Rotationsstress, der <strong>die</strong> Kreuzbänder und Menisci, aber auch Knorpel und <strong>die</strong> Gelenkkapsel<br />
gefährdet<br />
• Komb<strong>in</strong>ierten Stress (Achse, Rotation), der sämtliche Knieb<strong>in</strong>nenstrukturen <strong>in</strong>klusive<br />
des Streckapparates erfassen kann<br />
Die aufgrund der häufig schwer nachvollziehbaren und oft komplexen Unfallmechanik<br />
und der mangelhaften Erhebung und Dokumentation des Erstbefundes schwierigen Zus<strong>am</strong>menhangsbeurteilungen<br />
sollten dazu veranlassen, mit derartigen Gutachten nur erfahrene<br />
Sachverständige zu betrauen. Auch <strong>die</strong>se sollten sich vorzugsweise an e<strong>in</strong>e Art Checkliste<br />
von Prüfkriterien halten, <strong>die</strong> folgende E<strong>in</strong>zelschritte umfasst:<br />
74
Tabelle 1:<br />
Prüfkriterien<br />
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
• Altan<strong>am</strong>nese: Knieerkrankungen, -unfälle, Sport<br />
• Unfallan<strong>am</strong>nese:<br />
– Knie „irgendwie“ erreicht?<br />
– In Rede stehende Knieb<strong>in</strong>nenstrukturen gefährdet?<br />
• Zeit<strong>in</strong>tervall der Symptomatik: Sofort oder verzögert?<br />
• Schwellung/Erguss: Schnell (Blut) oder langs<strong>am</strong> (meist serös)?<br />
• Verhalten nach Unfall: Weiter gearbeitet? Erster Arztbesuch wann?<br />
• Erstschadensbild: Was wurde wann und von wem „wie“ belegt?<br />
• Schützende Strukturen mitbeteiligt?<br />
• Bildbefunde: Frisch oder alt? MRT: Bone bruises?<br />
• Arthroskopiebefund: Frisch oder alt?<br />
• Histologie: Frisch oder alt?<br />
• Verlaufsanalyse<br />
Ist auf <strong>die</strong>se Weise e<strong>in</strong>e frische Knieb<strong>in</strong>nenläsion zeitnah zum angeschuldigten Unfall<br />
umfassend und exakt dokumentiert, ist <strong>die</strong> Altan<strong>am</strong>nese <strong>in</strong> Richtung früherer Verletzungen<br />
nachgewiesenermaßen leer, hat nach dem Unfall ke<strong>in</strong> konkurrierendes Ereignis mehr stattgefunden<br />
und kann e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nere Ursache ausgeschlossen werden ist <strong>die</strong> Kausalität kaum<br />
anzuzweifeln und <strong>die</strong> Zus<strong>am</strong>menhangsbeurteilung unproblematisch. Eher unwahrsche<strong>in</strong>lich<br />
ist e<strong>in</strong>e Kausalitätsverknüpfung <strong>in</strong> den Fällen, bei welchen, oft nach e<strong>in</strong>em längeren<br />
zeitlichen Intervall zwischen dem Unfallereignis und der Begutachtung, im Rahmen der<br />
retrospektiven Aufklärung<br />
• Ke<strong>in</strong>e „gekoppelte Subluxation“ stattgehabt hat<br />
• E<strong>in</strong>e entsprechende Sofortsymptomatik nicht belegt ist<br />
• Die berufliche Tätigkeit nicht unterbrochen wurde<br />
• H<strong>in</strong>weise auf Begleitläsionen fehlen<br />
• Ke<strong>in</strong>e sog. Brückensymptomatik besteht<br />
Geradezu unwahrsche<strong>in</strong>lich wird e<strong>in</strong> Kausalzus<strong>am</strong>menhang, wenn <strong>die</strong> An<strong>am</strong>nese schon vor<br />
dem Unfall mit nachgewiesenen Verletzungen oder Knieb<strong>in</strong>nenschäden belastet ist, wenn<br />
davor wiederkehrend das Kniegelenk betreffende Unfälle bekannt s<strong>in</strong>d bzw. wenn zum<br />
Zeitpunkt der ersten Untersuchung nach dem Unfall bereits Zeichen e<strong>in</strong>er Arthrose bestanden.<br />
Die Kausalitätsprüfung für derartige Spätschäden kann durch nachfolgende Checkliste<br />
erleichtert werden. (Siehe Tabelle 2 auf der folgenden Seite.)<br />
Durch konsequentes „Abarbeiten“ der e<strong>in</strong>zelnen Prüfschritte können fehlerhafte Beurteilungen<br />
der Kausalität <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em hohen Prozentsatz vermieden werden, auch wenn e<strong>in</strong>e<br />
restliche Fehlerquelle nicht völlig zu vermeiden se<strong>in</strong> wird.<br />
75
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
Tabelle 2:<br />
Begutachtung des Meniskusschaden<br />
Die isolierte traumatische Schädigung e<strong>in</strong>es gesunden Meniskus gehört zu den absoluten<br />
Ausnahmen, weil dafür e<strong>in</strong>e erhebliche Gewalte<strong>in</strong>wirkung auf das flektierte und rotierte<br />
Knie gefordert wird. Wegen der h<strong>in</strong>reichenden Mobilität und Dehnungsfestigkeit des gesunden<br />
Meniskusgewebes <strong>in</strong>nerhalb physiologischer Grenzen ist e<strong>in</strong>e isolierte Meniskusverletzung<br />
kaum denkbar. Werden <strong>die</strong> physiologischen Grenzen der Belastbarkeit <strong>über</strong>schritten<br />
s<strong>in</strong>d begleitende Läsionen <strong>am</strong> und im Kniegelenk zu erwarten. Beispielsweise entsteht<br />
e<strong>in</strong>e Meniskusverletzung als Begleitläsion im Rahmen e<strong>in</strong>es komb<strong>in</strong>ierten Achsen- und<br />
Rotationsstresses bei e<strong>in</strong>er Ruptur des vorderen Kreuzbandes. Für e<strong>in</strong>en auf der Basis<br />
degenerativer Meniskusveränderungen entstehenden Korbhenkelriss s<strong>in</strong>d frische Mechanismen<br />
wie das Aufstehen aus der Hocke bekannt. Die verschiedenen Rissformen e<strong>in</strong>es<br />
Meniskus werden möglichen Ursachen wie folgt zugeordnet:<br />
• Degeneration<br />
– Horizontalriss<br />
– Lappenriss<br />
– Komplexriss<br />
76<br />
Beurteilungskriterien<br />
Unfallfolge Pro Kontra<br />
Altan<strong>am</strong>nese leer belastet<br />
Hergang „gekoppelte Subluxation“ Bagatelle<br />
Aktivität nach Unfall e<strong>in</strong>gestellt fortgesetzt<br />
Symptomatik sofort verzögert<br />
erheblich mäßig<br />
wegweisend unspezifisch<br />
Erstbefund verletzungstypisch Reizknie<br />
Erguss/Hämarthros Trocken<br />
Begleitläsionen ja ne<strong>in</strong><br />
MRT Subchondrales Ödem Ke<strong>in</strong> oder chronisches<br />
<strong>über</strong> ca. 6 Monate rückläufig subchondrales Ödem,<br />
Übergang <strong>in</strong> Spongiosa-<br />
verfettung<br />
Isolierte Läsion ne<strong>in</strong> ja<br />
Vorbestehende Arthrose ne<strong>in</strong> ja
• Traumatisch möglich<br />
– Längsriss<br />
– Radiärriss<br />
• Mehrzeitige Ausdehnung e<strong>in</strong>es Risses<br />
– Korbhenkelriss<br />
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
Gefährdet ist e<strong>in</strong> Meniskus bei Kniebeugung und Außenrotation des Unterschenkels <strong>in</strong>folge<br />
Zugspannung, Druckbelastung im H<strong>in</strong>terhornbereich und e<strong>in</strong>er Art Gewebeverformung mit<br />
Fältelung. Ungeeignete Mechanismen für <strong>die</strong> Schädigung e<strong>in</strong>es gesunden Mechanismus<br />
s<strong>in</strong>d:<br />
• Jegliche Krafte<strong>in</strong>wirkung auf e<strong>in</strong> gestrecktes Knie<br />
• Stauchungsbelastung (Fraktur)<br />
• Direktes Anstoßen des Kniegelenkes<br />
• Sturz auf das Kniegelenk<br />
• Ausrutschen oder Stolpern<br />
• Aufstehen aus der Hocke<br />
• Alltagsübliche Drehbewegungen<br />
Zus<strong>am</strong>menfassend ist festzuhalten, dass unter gutachtlichen Aspekten<br />
• Ke<strong>in</strong> unfallbed<strong>in</strong>gter Meniskusschaden anzunehmen ist, wenn Bewegungen/Belastungen<br />
des Kniegelenkes <strong>in</strong> physiologischem Ausmaß stattf<strong>in</strong>den<br />
• Es für unfallbed<strong>in</strong>gte Läsionen spricht, wenn physiologische Grenzen <strong>über</strong>schritten<br />
werden müssen oder Bewegungen <strong>in</strong> unphysiologische Richtungen stattf<strong>in</strong>den<br />
• Schützende Strukturen wie der Kapsel-Band-Apparat <strong>über</strong>wunden bzw. geschädigt se<strong>in</strong><br />
müssen<br />
Hilfreich zur Beurteilung des zeitlichen Intervalls bei Meniskusverletzungen ist <strong>die</strong><br />
Histologie mit Beurteilung der e<strong>in</strong>zelnen Sta<strong>die</strong>n der Reparation.<br />
Tabelle3<br />
Reparative Prozesse bei Meniskusriss<br />
Ablauf des Reparationsversuches<br />
• Kondensiertes Fibr<strong>in</strong> an Oberfläche der Riss-Stelle<br />
• Proliferation der Knorpelzellen (Brutkapseln)<br />
• Proliferation der B<strong>in</strong>degewebszellen<br />
• E<strong>in</strong>sprossung von Fibroblasten, Angioblasten und Gefäßen<br />
• Blutabbau mit Hämosider<strong>in</strong>ablagerung<br />
• Zellreiches B<strong>in</strong>degewebe an Rissrändern (nach 4 bis 6 Wochen)<br />
• Narbenbildung (nach 4–5 Monaten)<br />
Wertung der Histologie abhängig von zeitlicher Distanz Unfall ± OP<br />
nach Gässner, (1982: BG-Schriftenreihe Heft 47)<br />
77
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
Die gutachtliche Beurteilung des Kausalzus<strong>am</strong>menhanges orientiert sich an nachstehenden<br />
standardisierten Prüfkriterien:<br />
1. Schadensmechanismus: Exakte Analyse des Hergangs nach Art, Größe und Richtung der<br />
e<strong>in</strong>wirkenden Kräfte<br />
2. Funktionelles Schadensbild: Verletzungsspezifischer Funktionsverlust unmittelbar nach<br />
dem Unfall mit sofortiger Arbeitsniederlegung und alsbaldigem Arztkontakt<br />
3. Strukturelles Schadensbild: Nachweis verletzungsspezifischer/-beweisender struktureller<br />
Veränderungen (z.B. MRT, Arthroskopie etc.)<br />
Die Zus<strong>am</strong>menhangsbeurteilung des (nicht berufsbed<strong>in</strong>gten) Meniskusschadens ist schwierig<br />
und komplex, gehört <strong>in</strong> <strong>die</strong> Verantwortung e<strong>in</strong>es erfahrenen Gutachters und wird erheblich<br />
erleichtert durch e<strong>in</strong>e exakte und umfassende Erstdokumentation unter E<strong>in</strong>beziehung<br />
von Bildgebung und, wenn verfügbar, arthroskopischen <strong>Bericht</strong>en und fe<strong>in</strong>geweblichen<br />
Untersuchungen.<br />
Begutachtung bei Bandläsionen<br />
Läsionen bzw. Instabilitäten der Kniegelenksbänder sowie der Kapsel s<strong>in</strong>d meist Folge von<br />
Komb<strong>in</strong>ationstraumen im S<strong>in</strong>ne von Kompressions-Scher-Mechanismen oder unphysiologischer<br />
Dehnung/Überdehnung. Diese auch als gekoppelte Subluxation bezeichnete Gewalte<strong>in</strong>wirkung<br />
gefährdet durch unphysiologische Belastungen regelhaft mehrere Knieb<strong>in</strong>nenstrukturen,<br />
so dass stets nach derartigen Begleitläsionen, wie z.B. dem H<strong>in</strong>terhornriss des<br />
Außenmeniskus bei der VKB-Ruptur oder <strong>die</strong>se begleitende Kollateralbandrisse gefahndet<br />
werden muss. Für <strong>die</strong> Begutachtung s<strong>in</strong>d u.a. Kenntnisse des Gefährdungspotentials des<br />
VKB bei unterschiedlichen Kniegelenkspositionen von Bedeutung. Das VKB ist<br />
• <strong>in</strong> Strecknähe angespannt<br />
• durch Überstreckung rissgefährdet<br />
• <strong>in</strong> Innenrotation des Unterschenkels von Rupturen bedroht<br />
Mögliche pathomechanische Konstellationen für e<strong>in</strong>en VKB-Riss s<strong>in</strong>d:<br />
Tabelle 4:<br />
78<br />
Pathomechanische Vorstellungen zum VKB-Schaden<br />
• Innenrotation des Unterschenkels <strong>in</strong> Strecknähe:<br />
– Eigentlich nur vorstellbar mit Begleitverletzungen <strong>am</strong> Außenmeniskus,<br />
<strong>am</strong> Außenrand<br />
• Krafte<strong>in</strong>wirkung von h<strong>in</strong>ten auf den Schienbe<strong>in</strong>kopf (selten) bei angew<strong>in</strong>keltem Knie<br />
• Gewalts<strong>am</strong>e Hyperextension durch Tritt vor das gestreckte Knie:<br />
– Begleitverletzungen im Kniekehlenbereich zu erwarten<br />
• „big bump flat land<strong>in</strong>g“<br />
– Maximale Innervation der Quadrizepsmuskualtur <strong>in</strong> Kniebeugung (z.B. Skisport !)
Das h<strong>in</strong>tere Kreuzband (HKB) ist angespannt bei<br />
• Rückversetzung Tibiakopf <strong>in</strong> Kniebeugestellung<br />
• Innenrotation der Tibia bei <strong>in</strong>takten Menisken<br />
• Maximaler Beugung und Innenrotation des Unterschenkels<br />
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
Nachstehende pathomechanische E<strong>in</strong>wirkungen für HKB-Rupturen s<strong>in</strong>d denkbar:<br />
• Direktes Trauma<br />
– anteriorer Anprall (z.B. Torhüter)<br />
– prätibialer Anprall (z.B. „Dashboard Injury“)<br />
– Sturz nach vorn auf das gebeugte Kniegelenk<br />
• Indirektes Trauma<br />
– Hyperflexion des Kniegelenkes<br />
Probleme bei der Beurteilung des Unfallherganges liegen <strong>in</strong> der Blitzartigkeit des Geschehensablaufs<br />
und der dadurch e<strong>in</strong>geschränkten Rekonstruierbarkeit pathomechanischer<br />
E<strong>in</strong>wirkungen. Prüfkriterien für das „Alter“ der Bandläsion können se<strong>in</strong>:<br />
Tabelle 5:<br />
Prüfkriterien:<br />
• Symptomenentwicklung, 1. Arztkontakt<br />
• Kl<strong>in</strong>ischer Erstbefund (z.B. Hämatom, Schwellung, Hämarthros etc.)<br />
• Bildbefunde (Rö., MRT etc.)<br />
• Arthroskopischer Befund<br />
• Histologischer Befund<br />
• Verlaufsanalyse<br />
Die Genauigkeit von kernsp<strong>in</strong>tomografischen Untersuchungen wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>schlägigen Publikationen<br />
mit e<strong>in</strong>er Sensitivität von 96% und e<strong>in</strong>er Spezifität von 98% angegeben. Hierbei<br />
ist <strong>in</strong>sbesondere <strong>die</strong> Differenzierung zwischen e<strong>in</strong>er frischen Ruptur und chronischen bzw.<br />
degenerativen Veränderungen von Bedeutung, was speziell durch qualitativ hochwertige<br />
und zeitnah zum Unfall angefertigte Kernsp<strong>in</strong>tomogr<strong>am</strong>me gel<strong>in</strong>gt. Als Checkliste zur Differenzierung<br />
eignet sich auch hier Tabelle 2. Im 2004 erschienenen Supplementband der<br />
„Mitteilungen und Nachrichten der <strong>Deutsche</strong>n Gesellschaft für Unfallchirurgie“ zur Begutachtung<br />
des VKB-Schadens s<strong>in</strong>d entsprechende Empfehlungen mitgeteilt.<br />
Zus<strong>am</strong>menfassend s<strong>in</strong>d bei der Beurteilung von Bandläsionen <strong>am</strong> Kniegelenk folgende<br />
Kriterien zu berücksichtigen:<br />
• Es handelt sich stets um E<strong>in</strong>zelfallbeurteilungen<br />
• Alle<strong>in</strong>e aufgrund der Analyse des Unfallhergang ist e<strong>in</strong>e Zus<strong>am</strong>menhangsbeurteilung nicht<br />
möglich<br />
• Die Pro-/Kontraabwägung ist im S<strong>in</strong>ne der „e<strong>in</strong>fachen“ Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit vorzunehmen<br />
79
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
• Mögliche MdE-E<strong>in</strong>schätzungen bei Folgen e<strong>in</strong>er Kapsel-Band-Verletzung s<strong>in</strong>d:<br />
muskulär kompensierte Instabilität 10 v.H.<br />
muskulär nicht kompensierte Instabilität 20 v.H.<br />
stabilisierende Orthese erforderlich 30 v.H.<br />
zusätzliche wesentliche Funktionse<strong>in</strong>schränkungen 40 v.H.<br />
Fazit:<br />
Die Begutachtung von Meniskusschäden und Bandläsionen <strong>am</strong> Kniegelenk ist e<strong>in</strong>e glei-<br />
chermaßen schwierige wie verantwortungsvolle Aufgabe. Pathomechanisches Verständnis<br />
im H<strong>in</strong>blick auf <strong>die</strong> Beurteilung des Geschehensablaufs, <strong>die</strong> sorgfältige Erhebung der<br />
An<strong>am</strong>nese e<strong>in</strong>schließlich der Altan<strong>am</strong>nese, <strong>die</strong> exakte Auswertung dokumentierter kl<strong>in</strong>ischer,<br />
radiologischer und arthroskopischer Befunde unter Berücksichtigung allfälliger histologischer<br />
Untersuchungen s<strong>in</strong>d wesentliche Grundlage der Kausalitätsprüfung. Standardisierte<br />
Prüfkriterien unter Anwendung etablierter Checklisten erleichtern <strong>die</strong> Zus<strong>am</strong>menhangsbeurteilung.<br />
Je exakter und umfänglicher <strong>die</strong> Dokumentation der Erstbefunde, desto<br />
e<strong>in</strong>facher und korrekter ist <strong>die</strong> gutachtliche Beurteilung. Daraus kann man logischerweise<br />
ableiten und fordern, dass gerade auch im Rahmen von Heilverfahren zu Lasten der gesetzlichen<br />
Unfallversicherung e<strong>in</strong>e zeitnahe und umfassende <strong>Bericht</strong>erstattung erfolgen muss,<br />
welche dem sachverständigen Gutachter bei se<strong>in</strong>er Kausalitätsbewertung wesentliche<br />
Unterstützung gewährt.<br />
Literatur<br />
1. Contzen H (1985): Begutachtung des Meniskusschadens<br />
Unfallchirurg 88: 6<br />
2. Felenda M, Dittel KK (1992): Die Bedeutung der Segond-Ausrissfraktur als Zeichen e<strong>in</strong>er<br />
komplexen lig<strong>am</strong>entären Kniegelenksverletzung<br />
Akt Traumatol 22: 120-122<br />
3. Geyer M, Wirth CJ (1991): E<strong>in</strong> neuer Verletzungsmechanismus des vorderen Kreuzbandes<br />
Unfallchirurg 94: 69-72<br />
4. Hertel P (1996): Frische und alte Kniebandverletzungen<br />
Unfallchirurg 99: 686-700<br />
5. Hertel P (1997): Die Entstehung von Knieb<strong>in</strong>nenverletzungen<br />
BG-Schriftreihe 99: 43-48<br />
6. Hofmann G, Probst J (1985): Die Begutachtung des Meniskusschadens aus chirurgischer<br />
Sicht<br />
BG-Schriftenreihe 56: 195-200<br />
7. Jerosch J, Castro WHM, Halm H, Assheuer J (1993) Kernsp<strong>in</strong>tomographische Meniskusbefunde<br />
bei asymptomatischen Probanden<br />
Unfallchirurg 96: 457-461<br />
8. Kohn D, Schneider G, Dienst M, Rupp S (2002) Diagnostik der Ruptur des vorderen<br />
Kreuzbandes<br />
Orthopäde 31: 719-730<br />
80
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
9. Ludolph E, Heitemeyer U (1986): Die Begutachtung des Menikusschadens<br />
Unfallchirurgie 12: 4, 215-219<br />
10. Ludolph E, Weber M, Besig K (1996): Die Begutachtung des isolierten Meniskus-<br />
schadens<br />
Die BG 10: 563-567<br />
11. Mazzotti I, He<strong>in</strong> MF, Castro WHM (2002): Der isolierte traumatische Menikusriss –<br />
gibt es neue Erkenntnisse?<br />
Versicherungsmediz<strong>in</strong> 54: 172-175<br />
12. Schröter F (1988): Beratungsärztliche Bobachtungen zum „unklaren Knieschaden“ mit<br />
der Erstdiagnose „Meniskusverletzung“<br />
Gutachtenkolloquium 3, Spr<strong>in</strong>ger Verlag: 141-154<br />
13. Weber M (1994): Die Beurteilung des Unfallzus<strong>am</strong>menhanges von Meniskusschäden<br />
Orthopäde 23: 171-178<br />
14. Weber M, Hertel P, Weise K (2004): Der vordere Kreuzbandschaden<br />
Empfehlungen zur Begutachtung, Supplementband „Mitteilungen und Nachrichten der<br />
<strong>Deutsche</strong>n Gesellschaft für Unfallchirurgie“<br />
Kontakt:<br />
Weise, Kuno, Prof. Dr. med.<br />
Ärztlicher Direktor<br />
Berufsgenossenschaftliche Unfallkl<strong>in</strong>ik<br />
Schnarrenbergstr. 95<br />
72076 Tüb<strong>in</strong>gen<br />
Schröter, Frank, Dr. med.<br />
Institut für Mediz<strong>in</strong>ische Begutachtung<br />
Landgraf-Karl-Str. 21<br />
34131 Kassel<br />
81
R. Kraus, R. Schnettler<br />
Gutachten bei Osteitis<br />
Expert op<strong>in</strong>ion <strong>in</strong> osteitis<br />
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
Zus<strong>am</strong>menfassung<br />
Bei der Begutachtung e<strong>in</strong>er posttraumatischen Knochenentzündung (Osteitis) s<strong>in</strong>d drei<br />
spezielle Aspekte der Erkrankung besonders zu würdigen: der Verletzungszus<strong>am</strong>menhang,<br />
der Aktivitätsgrad und etwaige Folgeerkrankungen. Während <strong>die</strong> Kausalität im Falle e<strong>in</strong>er<br />
akuten Osteitis meist klar ist, kann <strong>die</strong>ser bei e<strong>in</strong>er chronischen Osteitis nicht manchmal<br />
auf den ersten Blick klar se<strong>in</strong> und erst durch e<strong>in</strong>e subtile Würdigung der An<strong>am</strong>nese anerkannt<br />
werden. Differential-diagnostisch ist e<strong>in</strong>e hämatogene Osteitis auszuschließen. Die<br />
Bewertung der Osteitisfolgen <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er MdE richtet sich nach dem Aktivitätsgrad der<br />
Erkrankung und kann nur e<strong>in</strong>e Momentaufnahme se<strong>in</strong>. Bei ruhender Osteitis <strong>über</strong> e<strong>in</strong>en<br />
Zeitraum von mehr als 3–5 Jahren wird von e<strong>in</strong>er sogenannten Heilungsbewährung ausgegangen.<br />
E<strong>in</strong> genereller Osteitis –Aufschlag soll dann nicht gewährt werden. Nicht <strong>über</strong>sehen<br />
werden dürfen Folgeerkrankungen der chronischen Osteitis. Unter Ihnen s<strong>in</strong>d vor allem<br />
<strong>die</strong> Amyloidose und das Narben- oder Fistelkarz<strong>in</strong>om zu nennen. Bei deren Bewertung kann<br />
<strong>die</strong> Veranlassung Zusatzgutachten aus anderen Fachgebieten notwendig se<strong>in</strong>.<br />
Schlüsselwörter:<br />
akute Osteitis, chronische Osteitis, Fraktur, Gutachten, Amyloidose, Plattenepithel-<br />
karz<strong>in</strong>om<br />
Summary<br />
Prepar<strong>in</strong>g an expert op<strong>in</strong>ion <strong>in</strong> case of a post-traumatic osteitis, three special aspects have<br />
to be referred to: accident-connection (causality), grade of activity and follow<strong>in</strong>g, connected<br />
diseases. Causality most often is clear <strong>in</strong> cases of acute osteitis, but may be subject to further<br />
<strong>in</strong>vestigations <strong>in</strong> chronic osteitis. Haematogenic osteitis has to be ruled out. Rat<strong>in</strong>g the<br />
sequelae of an osteitis as a degree of impediment is dependent on the activity of the osteitis.<br />
Follow-up diseases are not to be missed. Amongst them <strong>am</strong>yloidosis and squ<strong>am</strong>ous cell<br />
carc<strong>in</strong>oma are most common. Rat<strong>in</strong>g their sequelae additional expert op<strong>in</strong>ions from other<br />
medical fields may be necessary.<br />
Keywords:<br />
acute osteitis, chronic osteitis, fracture, expert op<strong>in</strong>ion, <strong>am</strong>yloidosis, squ<strong>am</strong>ous cell<br />
carc<strong>in</strong>oma<br />
83
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
E<strong>in</strong>leitung<br />
Die posttraumatische und postoperative Osteitis stellt nach wie vor e<strong>in</strong>e große Herausforde-<br />
rung für den behandelnden Chirurgen dar und geht oft mit e<strong>in</strong>er schwerwiegenden Leidensverschlimmerung<br />
und Leidensverlängerung für den Verletzten e<strong>in</strong>her. Dennoch muss heute<br />
nicht mehr, wie noch vor weniger als 30 Jahren von e<strong>in</strong>er Kapitulation des Therapeuten und<br />
Gutachters gesprochen werden (1).<br />
Es muss zwischen e<strong>in</strong>er exogenen Osteitis e<strong>in</strong>erseits und e<strong>in</strong>er endogenen (hämatogenen)<br />
Osteitis andererseits unterschieden werden. Außerdem ist e<strong>in</strong>e Differenzierung zwischen<br />
e<strong>in</strong>er akuten Osteitis und e<strong>in</strong>er chronischen Osteitis notwendig. Während <strong>die</strong> akute Osteitis<br />
<strong>in</strong>nerhalb von vier Wochen nach e<strong>in</strong>em Unfall oder e<strong>in</strong>er Operation auftritt und meist<br />
mit akuten Entzündungszeichen wie Fieber, Schmerzen und erhöhten laborchemischen<br />
Infektpar<strong>am</strong>etern e<strong>in</strong>hergeht, kann e<strong>in</strong>e chronische Osteitis Monate und Jahre nach dem<br />
ursächlichen Ereignis auftreten. Systemische Entzündungspar<strong>am</strong>eter können völlig fehlen.<br />
Sie ist vielmehr gekennzeichnet durch Sequester- oder Fistelbildungen und e<strong>in</strong>en rezidivierenden<br />
Verlauf.<br />
Die Häufigkeit der akuten exogenen Osteitis liegt bei 0,1 – 1,7% nach Elektiv-E<strong>in</strong>griffen <strong>am</strong><br />
Skelettsystem (6), bei 1–8% nach operativer Versorgung geschlossener Frakturen (3) und<br />
bei 3 – <strong>über</strong> 40% bei der Behandlung offener Frakturen <strong>in</strong> Abhängigkeit vom begleitenden<br />
Weichteilschaden (8). Vergleichbare Zahlen für das Auftreten chronischer Osteitiden gibt<br />
es leider nicht (5).<br />
Die derzeit aktuellen Behandlungsoptionen, -algorithmen und –richtl<strong>in</strong>ien sollen nicht Ge-<br />
genstand <strong>die</strong>ses Aufsatzes se<strong>in</strong>. Hierzu darf auf <strong>die</strong> aktuelle Literatur verwiesen werden (9,15).<br />
Wird <strong>in</strong> Zus<strong>am</strong>menhang mit e<strong>in</strong>er Osteitis e<strong>in</strong>e berufsgenossenschaftliche Begutachtung,<br />
sei es zur Feststellung e<strong>in</strong>er M<strong>in</strong>derung der Erwerbsfähigkeit oder auch des Unfallzus<strong>am</strong>menhangs<br />
notwendig, so s<strong>in</strong>d drei Gesichtspunkte zu beachten:<br />
– Ist <strong>die</strong> <strong>in</strong> Frage stehende Osteitis tatsächlich <strong>in</strong> ursächlichem Zus<strong>am</strong>menhang mit der<br />
erlittenen, angeschuldigten Unfallverletzung zu sehen? Dabei ist <strong>die</strong> Differenzierung<br />
zwischen exogener und hämatogener Osteitis von Bedeutung.<br />
– Welche E<strong>in</strong>schränkung der Gebrauchsfähigkeit der betroffenen Körperregion bzw. welche<br />
M<strong>in</strong>derung der Erwerbsfähigkeit ist der Osteitis zuzuschreiben und erweitert <strong>die</strong>se <strong>die</strong><br />
Funktionsbee<strong>in</strong>trächtigung durch <strong>die</strong> unmittelbaren Verletzungsfolgen?<br />
– Liegen Folgekrankheiten der Osteitis vor, stehen <strong>die</strong>se <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zw<strong>in</strong>genden Zus<strong>am</strong>menhang<br />
und welche eigene MdE bed<strong>in</strong>gen Sie. S<strong>in</strong>d zur Beurteilung <strong>die</strong>ser Folgekrankheiten<br />
fachfremde Zusatzgutachten e<strong>in</strong>zuholen?<br />
Zus<strong>am</strong>menhangsfrage<br />
Zur Anerkennung der exogenen Ursache e<strong>in</strong>er Osteitis werden vier Voraussetzungen<br />
gefordert, ohne deren Vorliegen das Vorliegen e<strong>in</strong>er unfallbed<strong>in</strong>gten Osteitis <strong>in</strong> Zweifel<br />
gezogen werden muss.<br />
84
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
– E<strong>in</strong> Unfall muss zweifelsfrei vorgelegen haben.<br />
– Es muss e<strong>in</strong>e erhebliche Gewalte<strong>in</strong>wirkung stattgefunden haben.<br />
– Der Unfall muss nachweislich <strong>die</strong> von der Osteitis betroffene Körperregion betroffen<br />
haben.<br />
– Das Auftreten der Erkrankung muss <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em erkennbaren zeitlichen Zus<strong>am</strong>menhang mit<br />
dem Unfallereignis gestanden haben.<br />
– Nicht zwangsläufig zu fordern ist im Gegensatz dazu das Vorliegen e<strong>in</strong>es Knochenbruchs<br />
oder e<strong>in</strong>er offenen Verletzung im Rahmen des angeschuldigten Unfallereignisses.<br />
Die Def<strong>in</strong>ition des Unfallereignisses als „plötzlich und unerwartet, kurzzeitig von außen<br />
auf den Körper e<strong>in</strong>wirkendes Ereignis“ muss <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Zus<strong>am</strong>menhang als Grundvoraussetzung<br />
für <strong>die</strong> berufsgenossenschaftliche E<strong>in</strong>trittspflicht gesehen werden und unterscheidet<br />
sich im Falle e<strong>in</strong>er posttraumatischen Osteitis nicht von anderen Zus<strong>am</strong>menhangs-<br />
und Kausalitätsfragen.<br />
Das Ausmaß der Gewalte<strong>in</strong>wirkung wird als entscheidend für <strong>die</strong> Entstehung e<strong>in</strong>er Osteitis<br />
angesehen. E<strong>in</strong>e Bagatellverletzung führt zum<strong>in</strong>dest beim gesunden und <strong>in</strong>sbesondere im-<br />
munkompetenten Individuum nicht zu e<strong>in</strong>er solch schwerwiegenden Komplikation. Dabei ist<br />
jedoch zu beachten, dass bei Vorliegen lokal oder systematisch herabgesetzter Infektabwehr<br />
(D. mellitus, Kortikoid-Therapie, etc.) auch m<strong>in</strong>dere Unfallereignisse e<strong>in</strong>e Osteitis nach sich<br />
ziehen können (10).<br />
Im Gegensatz zur hämatogenen Osteitis, <strong>die</strong> als dissem<strong>in</strong>ierende Erkrankung besondere<br />
Prädilektionsorte kennt und e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>deutigen Altersgipfel im K<strong>in</strong>des- und Jugendalter<br />
hat, tritt <strong>die</strong> posttraumatische Osteitis primär <strong>am</strong> Ort des Verletzungsereignisses auf und<br />
führt ihrerseits nur selten und nach langem Krankheitsverlauf als Infektherd zu „septischen<br />
Metastasen“, dann meist <strong>in</strong> der Peripherie der betroffenen Extremität. Sie tritt <strong>in</strong> jedem<br />
Verletzungsalter auf.<br />
Obwohl <strong>die</strong> posttraumatische Osteitis zweifelsohne <strong>am</strong> häufigsten nach offenen Frakturen<br />
auftritt, ist e<strong>in</strong>e solche jedoch auch nach schweren Weichteilverletzungen mit und ohne<br />
Eröffnung des Hautmantels, aber ohne begleitenden Knochenbruch, beschrieben. Ebenfalls<br />
denkbar s<strong>in</strong>d Frakturen ohne begleitende Hautverletzung als kausaler Ausgangspunkt e<strong>in</strong>er<br />
exogenen Osteitis. Unter den beschriebenen Gesichtspunkten ist selbstverständlich auch<br />
<strong>die</strong> postoperative Osteitis, auch nach der Behandlung, <strong>in</strong>sbesondere der Osteosynthese,<br />
ursprünglich geschlossener Frakturen zu begutachten.<br />
Die Forderung nach dem unmittelbaren zeitlichen Zus<strong>am</strong>menhang der Verletzung m kt dem<br />
Auftreten der Erkrankung gilt für <strong>die</strong> akute Osteitis. Von e<strong>in</strong>er solchen wird ausgegangen,<br />
wenn es <strong>in</strong> den ersten vier Wochen nach Verletzung bzw. Operation zu e<strong>in</strong>er Knochenentzündung<br />
kommt. Weniger e<strong>in</strong>deutig ist der zeitliche Zus<strong>am</strong>menhang bei der Erstmanifestation<br />
e<strong>in</strong>er chronischen Osteitis Monate oder gar Jahre nach dem angeschuldigten Ereignis. Ist<br />
der angeschuldigte Unfall, bzw. <strong>die</strong> operative Behandlung dessen Verletzungsfolgen jedoch<br />
pr<strong>in</strong>zipiell geeignet e<strong>in</strong>e Osteitis herbeizuführen, so ist <strong>in</strong> den meisten Fällen e<strong>in</strong> kausaler<br />
85
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
Zus<strong>am</strong>menhang herzustellen. Die Annahme, dass e<strong>in</strong>e chronische Osteitis nur nach Ablauf<br />
e<strong>in</strong>er akuten Osteitis anzuerkennen ist, bzw. zum<strong>in</strong>dest Brückensymptome wie Hämatom<br />
oder Fieber im Verlauf zu fordern s<strong>in</strong>d (16), kann nicht mehr aufrecht erhalten werden (5).<br />
Fallbeispiel<br />
Der zum Unfallzeitpunkt 42-jährige Patient erlitt bei e<strong>in</strong>em Verkehrsunfall e<strong>in</strong>e geschlossene<br />
laterale Schienbe<strong>in</strong>kopffraktur (AO: 41 B3). Diese wurde offen reponiert und<br />
plattenosteosynthetisch stabilisiert. Der postoperative Verlauf ist völlig unauffällig. Die<br />
Wiedervorstellung erfolgt nach 28 Monaten mit e<strong>in</strong>er erstmals vor drei Wochen aufgetretenen<br />
massiven, schmerzhaften, <strong>über</strong>wärmten Rötung und Schwellung <strong>am</strong> lateralen<br />
Schienbe<strong>in</strong>kopf. E<strong>in</strong>e Fistel <strong>am</strong> proximalen Narbenpol sezerniert massiv eitrig. Radiologisch<br />
besteht e<strong>in</strong>e chronische Osteitis des Schienbe<strong>in</strong>kopfes mit ausgedehnter Exkavation<br />
(Abb. 1a). Im Rahmen der sofort durchgeführten Revision mit Metallentfernung und<br />
radikalem Debridement wird e<strong>in</strong>e ca. 1 cm durchmessende sequestrierte Kortikalisscherbe<br />
entfernt. Es kann Staphylokokkus aureus nachgewiesen werden. In e<strong>in</strong>er zweiten Sitzung<br />
wird erneut debri<strong>die</strong>rt und e<strong>in</strong> lokaler Antbiotikaträger (Perossal ® , 50 Pellets, getränkt mit<br />
1 g Vancomyc<strong>in</strong> ® ) e<strong>in</strong>gelegt. Danach ist der Patient Infekt- und Rezidivfrei (Abb. 1b, 1c).<br />
Obwohl nach der Primärbehandlung ke<strong>in</strong>e akute, postoperative Osteitis aufgetreten war<br />
und auch im Verlauf von <strong>über</strong> zwei Jahren ke<strong>in</strong>e Brückensymptome zu eruieren waren,<br />
ist der kausale Zus<strong>am</strong>menhang der Exazerbation der chronischen Osteitis mit der Fraktur<br />
und deren chirurgischer Versorgung zweifelsfrei gegeben.<br />
Abb. 1a:<br />
Posttraumatische, postoperative Osteitis 28 Monate nach Schienbe<strong>in</strong>kopffraktur<br />
Abb. 1c<br />
Abb. 1b, c:<br />
Radiologischer Zustand 3 Jahre nach operativer Sanierung mit Reiz- und Fistelfreien Narbenverhältnissen<br />
Gutachterliche Bewertung<br />
Im Stadium der akuten exogenen Osteitis wird e<strong>in</strong>e gutachterliche Bewertung zur Feststellung<br />
e<strong>in</strong>er MdE <strong>in</strong> der Regel noch nicht stattf<strong>in</strong>den. Diese wird, so es nicht zur Sanierung<br />
86<br />
Abb. 1a Abb. 1b
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
der akuten Osteitis gekommen ist, im Übergang zur bzw. bei schon manifester oder exazerbierter<br />
chronischer Osteitis durchgeführt werden.<br />
Die gutachterliche Bewertung e<strong>in</strong>er Verletzung des Bewegungsapparates mit nachfolgender<br />
Osteitis wird <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie bestimmt von der Funktionse<strong>in</strong>schränkung der betroffenen<br />
Körperregion und unterscheidet sich d<strong>am</strong>it nicht von jeder anderen gutachterlichen Bewer-<br />
tung (2). Während noch <strong>in</strong> den achtziger und neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts<br />
e<strong>in</strong> genereller Osteomyelitis „Zuschlag“ (MdE + 10%, (1)) gewährt wurde oder aber <strong>die</strong><br />
Rezidivgefahr selbst bei derzeit <strong>in</strong>aktiver Osteitis bei der Festsetzung der MdE zu berücksichtigen<br />
empfohlen wurde (14), wird <strong>die</strong>s <strong>in</strong> der aktuellen Literatur abgelehnt (2,4,5,1)<br />
Ausgehend von der Annahme, dass bei e<strong>in</strong>er chronischen Osteitis nie von e<strong>in</strong>er Ausheilung<br />
gesprochen werden darf (9), s<strong>in</strong>d auf Grund verbesserter Therapiemöglichkeiten doch<br />
zum<strong>in</strong>dest langfristige rezidivfreie Intervalle zu erreichen. Unter <strong>die</strong>sem Gesichtspunkt wird<br />
nach drei Jahren Rezidivlosigkeit von der sogenannten Heilungsbewährung ausgegangen.<br />
Ist e<strong>in</strong> solcher Zustand erreicht, ist es aktuell absolut gerechtfertigt ke<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>derung der<br />
Erwerbsfähigkeit (MdE 0%) bezüglich der chronischen Osteitis anzunehmen. Es ist jedoch<br />
unumgänglich, im Falle e<strong>in</strong>es später auftretenden Rezidivs e<strong>in</strong>e erneute Begutachtung<br />
vorzunehmen. Wie im rezidivfreien Intervall kann jedoch auch <strong>die</strong>se wiederum nur e<strong>in</strong>e<br />
Momentaufnahme der Erkrankung darstellen und ist dementsprechend revi<strong>die</strong>rbar. Liegen<br />
aber zum Gutachtenzeitpunkt Symptome der chronischen Osteitis vor, so ist entsprechend<br />
derer Ausprägung und dem Aktivitätszustand des chronischen Entzündungsgeschehens e<strong>in</strong>e<br />
MdE für <strong>die</strong> Osteitis neben der MdE für funktionelle E<strong>in</strong>schränkungen zu gewähren (Tab.1).<br />
Tabelle 1:<br />
Aktivitätsbezogene Sta<strong>die</strong>ne<strong>in</strong>teilung der chronischen Osteitis und näherungsweise<br />
Höhe der adäquaten MdE nach (4).<br />
Stadium/Aktivität MdE<br />
Ruhende Osteitis (Inaktivität m<strong>in</strong>destens 5 Jahre, 0–10%<br />
Stichwort: „Heilungsbewährung“)<br />
Chronische Osteitis<br />
– ger<strong>in</strong>ggradig<br />
(lokal begrenzt, ger<strong>in</strong>ge Aktivität, ger<strong>in</strong>ge Sekretion, ke<strong>in</strong>e ~20%<br />
allgeme<strong>in</strong>en Krankheitszeichen)<br />
– mittelgradig<br />
(ausgedehnt, häufige oder ständige Sekretion, laborchemische ~50%<br />
Entzündungspar<strong>am</strong>eter erhöht, allgeme<strong>in</strong>e Krankheitszeichen)<br />
– schwergradig<br />
(ausgedehnt unter Weichteil<strong>in</strong>filtration und ständiger > 70%<br />
starker Sekretion, Sequesterabstoßung, deutliche<br />
laborchemische Entzündungszeichen, häufige<br />
Krankheitsschübe mit Fieber)<br />
87
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
88<br />
Beispiele zur Berechnung der MdE<br />
1) Chronische Osteitis des Schienbe<strong>in</strong>kopfes nach osteosynthetisch versorgter Fraktur,<br />
5 Jahre rezidivfrei, ke<strong>in</strong>e Sekretion. Bewegungse<strong>in</strong>schränkung des Kniegelenkes<br />
0-5-140 Grad, Valgusfehlstellung von 6 Grad ohne radiologische Zeichen e<strong>in</strong>er<br />
Gonarthrose.<br />
MdE: Funktionell 10%, ke<strong>in</strong>e Veränderung durch <strong>die</strong> Osteitis <strong>in</strong> der Phase der Heilungsbewährung,<br />
Ges<strong>am</strong>t-MdE: 10%<br />
2) Chronische Osteitis des Fersenbe<strong>in</strong>s nach offener Fraktur mit therapieresistenter<br />
Fistel, ständige Sekretion, mehrfach tägliche Verbandwechsel, etwa vierteljährliche<br />
Exazerbation mit erhöhtem CRP. E<strong>in</strong>steifung des unteren Sprunggelenkes und<br />
Bewegungse<strong>in</strong>schränkung des OSG auf 0-0-20 Grad. Schmerzfreie Gehstrecke 30 m.<br />
Notwendigkeit orthopädischen Schuhwerks.<br />
MdE: Funktionell 20%, Osteitis bezogen 30%, Ges<strong>am</strong>t-MdE 50%<br />
Ähnliche und <strong>in</strong> ihrer Auswirkung zu vergleichende Berechnungsgrundlagen ergeben sich<br />
auch für <strong>die</strong> Gebrauchsunfähigkeit nach der Gliedertaxe im Rahmen der privaten Unfallversicherung<br />
(5,17).<br />
Folgeerkrankungen<br />
Bei e<strong>in</strong>er langjährig bestehenden chronischen Osteitis kann es zu schwerwiegenden lokalen<br />
oder systemischen Folgeerkrankungen kommen, von denen nur <strong>die</strong> beiden häufigsten und<br />
dr<strong>am</strong>atischsten angesprochen werden sollen.<br />
Amyloidose<br />
Bei der Amyloidose liegt e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>terstitielle Ablagerung abnormer Prote<strong>in</strong>e im vor, <strong>die</strong> zur<br />
Funktionsm<strong>in</strong>derung bis h<strong>in</strong> zum Ausfall des betroffenen Organs führen kann. Die Eiweißkörper<br />
werden von Plasmazell-L<strong>in</strong>ien synthetisiert, <strong>die</strong> sich im Rahmen der Abwehr e<strong>in</strong>es<br />
chronischen Infektes monoklonal vermehren. Während <strong>die</strong>ser Entstehungsmechanismus<br />
früher als sekundäre Amyloidose bezeichnet wurde, spricht man nach neuerer Literatur von<br />
e<strong>in</strong>er A-A-Amyloidose (13). Das dabei gebildete pathologische Eiweiß ist Serum Amyloid A,<br />
e<strong>in</strong>e akute Phase Prote<strong>in</strong> wie <strong>die</strong> bekannten Entzündungseiweiße Haptoglob<strong>in</strong> oder CRP<br />
(C reaktives Prote<strong>in</strong>). Die Serum Amyloid A Bildung ist autosomal rezessiv vererbbar oder<br />
eben Folge e<strong>in</strong>er chronischen Entzündung wie e<strong>in</strong>er Osteitis (6).<br />
Die Amyloidose befällt generalisiert oder lokalisiert verschiedene Organe, bevorzugt<br />
Leber, Milz und Nieren, aber auch den Herzmuskel sowie andere glatte und quergestreifte<br />
Muskulatur. Der Nachweis kann histologisch durch Biopsie des betroffenen Organs geführt<br />
werden. Die Kausaliät kann bei lang bestehender Osteitis leicht hergestellt werden. Für <strong>die</strong><br />
E<strong>in</strong>schätzung der Organschädigung und der daraus erwachsenden MdE ist e<strong>in</strong> <strong>in</strong>ternistisches<br />
Fachgutachten notwendig (5).
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
Plattenepithelkarz<strong>in</strong>om<br />
Plattenepithelkarz<strong>in</strong>ome (seltener Basalzellkarz<strong>in</strong>ome) treten <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es Fistel-<br />
oder Narbenkarz<strong>in</strong>oms im Verlauf e<strong>in</strong>er chronischen Osteitis mit e<strong>in</strong>er Häufigkeit von<br />
0,2 -1,5% der Fälle auf. Das Intervall seit dem Unfallereignis ist <strong>in</strong> der Regel extrem lang<br />
und kann bis zu 30 Jahre betragen (7,11). Die Kausalität ist leicht herzustellen, es ist jedoch<br />
zu fordern, dass das Karz<strong>in</strong>om unmittelbar im Bereich e<strong>in</strong>er chronischen Fistel, e<strong>in</strong>es chronischen<br />
Ulkus oder e<strong>in</strong>er Narbe entsteht. Für fernab, wenn auch an der gleichen Extremität<br />
auftretende Karz<strong>in</strong>ome ist ke<strong>in</strong> Zus<strong>am</strong>menhang herzustellen. Da <strong>die</strong> Behandlung meist <strong>in</strong><br />
der Amputation der befallenen Extremität bestehen muss ist <strong>die</strong> Beurteilung der MdE im<br />
Rahmen des unfallchirurgischen Gutachtens leicht, ist es jedoch bereits zu e<strong>in</strong>er Metastasierung<br />
gekommen, müssen eventuell andere Fachgebiete h<strong>in</strong>zugezogen werden.<br />
Fallbeispiel<br />
E<strong>in</strong> 53-jähriger Patient hatte 21 Jahre zuvor e<strong>in</strong>e Zerquetschung des l<strong>in</strong>ken Vorfußes<br />
erlitten. Es wurde e<strong>in</strong>e atypische Vorfuß<strong>am</strong>putation durchgeführt. In mehrjährigen Abständen<br />
k<strong>am</strong> es zu sezernierenden Fistelbildungen im Narbenbereich, seit 2 Jahren besteht hier<br />
e<strong>in</strong>e therapieresistente, sich stetig vergrößernde Exulceration. Radiologisch liegen ke<strong>in</strong>e<br />
Osteolysen, vor (Abb. 2a). Kl<strong>in</strong>isch besteht e<strong>in</strong> fast 8 cm durchmessendes Ulcus (Abb. 2b) aus<br />
dem durch Biopsie histologisch e<strong>in</strong> Plattenepithelkarz<strong>in</strong>om gesichert werden konnte. Die<br />
Therapie der Wahl besteht <strong>in</strong> der Unterschenkel<strong>am</strong>putation, <strong>die</strong> Prognose ist abhängig von<br />
e<strong>in</strong>er etwaig schon stattgefundenen lymphogenen Metastasierung.<br />
Abb. 2a<br />
Abb. 2b<br />
Abb. 2a:<br />
Röntgen-Darstellung des atypischen Mittelfußstumpfes 21 Jahre nach Quetschverletzung und primärer<br />
Amputationsbehandlung.<br />
Abb. 2b:<br />
Makroskopischer Aspekt e<strong>in</strong>es exulzieriernden Plattenepithelkarzionoms <strong>am</strong> lateralen Vorfußstumpf.<br />
89
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
Schlussfolgerungen<br />
Bei der Begutachtung e<strong>in</strong>er Osteitis muss zunächst zum Unfallzus<strong>am</strong>menhang Stellung<br />
genommen werden. Danach s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Folgen der Osteitis <strong>in</strong> Abhängigkeit von deren Aktivitätsgrad<br />
zu bewerten und der Beurteilung der Funktionse<strong>in</strong>schränkung h<strong>in</strong>zu zu fügen. E<strong>in</strong><br />
genereller Osteitis-Zuschlag soll nicht gewährt werden. Bei e<strong>in</strong>er langjährig bestehenden,<br />
chronischen Osteitis müssen gegebenenfalls schwerwiegende Folgeerkrankungen auch<br />
unter H<strong>in</strong>zuziehung von Zusatzgutachten mit begutachtet werden.<br />
Literatur:<br />
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Schmidt HGK (Hrsg.): Heft 54, <strong>Bericht</strong> <strong>über</strong> <strong>die</strong> <strong>Unfallmediz<strong>in</strong>ische</strong> <strong>Tagung</strong> anlässlich<br />
des 25-jährigen Bestehens des Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhauses <strong>in</strong><br />
Re<strong>in</strong>bek bei H<strong>am</strong>burg <strong>am</strong> 28. und 29. September 1984<br />
2. Böhm H.J., Kortmann H.-R.: Besonderheiten bei der Begutachtung der Osteitis. Trauma<br />
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Begutachtung. Spr<strong>in</strong>ger 2008<br />
5. Diefenbeck M, Beickert R, Hofmann GO: Begutachtung der Osteitis. Trauma Berufskrankh.<br />
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79, 590-595.<br />
7. Fasch<strong>in</strong>gbauer M, Jürgens C, Schmidt HGK, Wolter D: Ergebnisse der Behandlung von<br />
Narben- und Fistelcarc<strong>in</strong>omen. Chirurg 1995, 66, 1141–1145<br />
8. Gagey O, Doyon F, Dell<strong>am</strong>onica P, Carsenti-Etesse H, Desplaces N, Tancrède C, Evrard J.<br />
Infection prophylaxis <strong>in</strong> open leg fractures. A randomized study of 616 cases. Rev Chir<br />
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9. Hofmann GO (Hrsg): Chronische Osteitis. Urban & Fischer Verlag, München 2004<br />
10. Klemm K: Begutachtung bei posttraumatischer Osteomyelitis. In: Contzen H (Hrsg.):<br />
Heft 49, <strong>Bericht</strong> <strong>über</strong> <strong>die</strong> <strong>Unfallmediz<strong>in</strong>ische</strong> <strong>Tagung</strong> <strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z 6./7. November 1982<br />
11. Laffosse JM, Bensafi H, Accadbled F, Fabié F, Tricoire JL, Puget J. Squ<strong>am</strong>ous-cell<br />
carc<strong>in</strong>oma and osteomyelitis: three cases and a review of the literature. Rev Chir Orthop<br />
Reparatrice Appar Mot. 2007, 93, 72-77<br />
12. Mollowitz G.G. (Hrsg.): Der Unfallmann. 12. Auflage, Spr<strong>in</strong>ger Verlag, Berl<strong>in</strong> 1998<br />
13. Röcken C, Ernst J, Hund E, Michels H, Perz J, Saeger W, Sezer O, Spuler S, Willig F,<br />
Schmidt H: Interdiszipl<strong>in</strong>äre Leitl<strong>in</strong>ien zur Diagnostik und Therapie der extrazerebralen<br />
Amyloidosen. Dtsch Med Wochenschr 2006, 131, Suppl 2, S45-66<br />
14. Rompe G, Erlenkämper A (Hrsg.): Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane.<br />
3. Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart 1998<br />
90
Das BG-Gutachten – Worauf kommt es an?<br />
15. Schnettler R, Ste<strong>in</strong>au H-U (Hrsg): Septische Knochenchirurgie. Thieme Verlag, Stuttgart<br />
2004<br />
16. Schönbergher A, Mehrtens G, Valent<strong>in</strong> H. Arbeitsunfall und Berufskrankheit. 7. Auflage,<br />
Erich Schmidt Verlag, Berl<strong>in</strong> 2003<br />
17. Thomann K.-D., Schröter F., Grosser V. (Hrsg.): Orthopädisch-unfallchirurgische<br />
Begutachtung: Praxis der kl<strong>in</strong>ischen Begutachtung. Urban & Fischer Verlag, München,<br />
2008<br />
Kontakt:<br />
Kraus, Rolf, Dr. med.<br />
Geschäftsführender Oberarzt<br />
der Kl<strong>in</strong>ik und Polikl<strong>in</strong>ik für Unfallchirurgie<br />
Standort Gießen<br />
Kl<strong>in</strong>ikum der Justus-Liebig-Universität<br />
Rudolf-Buchheim-Straße 7, 35392 Gießen<br />
91
IV. Sitzung<br />
Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />
Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />
Vorsitz: G. O. Hofmann, Halle/R. Schnettler, Gießen<br />
G. O. Hofmann, C. Röhm, A. Tiemann<br />
Weichgewebsmanagement<br />
Zus<strong>am</strong>menfassung:<br />
E<strong>in</strong> korrektes primäres und sekundäres Weichgewebsmanagment bei entsprechenden<br />
Verletzungen und Erkrankungen <strong>in</strong> Traumatologie und Orthopä<strong>die</strong> hat wesentlichen E<strong>in</strong>fluss<br />
auf das rekonstruktive und funktionelle Ges<strong>am</strong>tergebnis bei der Wiederherstellung<br />
e<strong>in</strong>er Extremität. Während das primäre Weichgewebsmanagement unter notfallmäßigen<br />
Bed<strong>in</strong>gungen vom behandelnden Unfallchirurgen e<strong>in</strong>e richtige und schnelle Entscheidungsf<strong>in</strong>dung<br />
bei Amputationsverletzungen, offenen Frakturen sowie Decollementverletzungen<br />
erfordert, f<strong>in</strong>det sekundäres Weichgewebsmanagement <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie bei hoch elektiven<br />
E<strong>in</strong>griffen <strong>in</strong> der Wiederherstellungschirurgie statt. Hierbei ist das sekundäre Weichgewebsmanagement<br />
bei bereits e<strong>in</strong>getretenen, manifesten Komplikationen e<strong>in</strong> wesentlicher<br />
Bestandteil e<strong>in</strong>es ganzheitlichen Therapiekonzeptes bei der Behandlung chronischer<br />
Osteitiden, endo- oder periprothetischen Infektionen sowie <strong>in</strong> der muskuloskelettalen<br />
Tumorchirurgie.<br />
Schlüsselwörter:<br />
Weichteilschaden, Weichgewebsmanagement, primär, sekundär<br />
Summary:<br />
Correct primary and secondary soft tissue management of correspond<strong>in</strong>g <strong>in</strong>juries and<br />
diseases <strong>in</strong> traumatology and orthopaedics has a major <strong>in</strong>fluence on the reconstructive<br />
and functional overall outcome when reconstruct<strong>in</strong>g an extremity. Primary soft tissue<br />
management under emergency conditions requires rapid and correct decision-mak<strong>in</strong>g from<br />
the attend<strong>in</strong>g traumatologist <strong>in</strong> cases of <strong>am</strong>putation <strong>in</strong>juries, open fractures, and deglov<strong>in</strong>g<br />
<strong>in</strong>juries. Secondary soft tissue management <strong>in</strong> reconstructive surgery mostly takes place<br />
as highly elective procedures. In such cases, secondary soft tissue management for exist<strong>in</strong>g<br />
manifest complications is a major element of a holistic treatment concept <strong>in</strong> the treatment<br />
of chronic osteitis, endo- and periprosthetic <strong>in</strong>fections and <strong>in</strong> surgery for musculoskeletal<br />
tumours.<br />
93
Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />
Keywords:<br />
Soft tissue <strong>in</strong>jury, soft tissue management, primary, secondary<br />
Der sorgfältige und problemspezifische Umgang mit den Weichgewebsstrukturen Haut,<br />
Subkutangewebe, Faszien, Muskulatur, Gefäßen und Nerven <strong>in</strong> Traumatologie und Orthopä<strong>die</strong><br />
orientiert sich an der zugrundeliegenden Verletzung oder Erkrankung. Dement-<br />
sprechend wird unterschieden zwischen e<strong>in</strong>em primären und e<strong>in</strong>em sekundären Weichgewebsmanagement<br />
(Tab. 1).<br />
Das primäre Weichgewebsmanagement f<strong>in</strong>det <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Notfallsituation bei Amputationsverletzungen,<br />
offenen Frakturen und Decollement-Verletzungen se<strong>in</strong>e Anwendung. Nicht<br />
zu unterschätzen ist das Gefahrenpotenzial <strong>in</strong> der Beurteilung des primären Weichgewebsschadens<br />
bei geschlossenen Frakturen. Demgegen<strong>über</strong> steht das sekundäre Weichgewebsmanagement<br />
im Rahmen der elektiven Behandlung von chronischen Osteitiden, endo- bzw.<br />
periprothetischen Infektionen, Weichgewebs<strong>in</strong>fektionen und <strong>in</strong> der Tumorchirurgie.<br />
Tabelle 1:<br />
Primäres Sekundäres<br />
Weichgewebsmanagement Weichgewebsmanagement<br />
94<br />
• Notfallsituation • Elektiver E<strong>in</strong>griff<br />
• Offene Frakturen • Chronische Osteitis<br />
• Decollementverletzungen • Endo-/Periprothetische Infektionen<br />
• Amputationsverletzungen • Weichgewebs<strong>in</strong>fektionen<br />
• Geschlossene Frakturen! • Tumorchirurgie<br />
• Voraussetzung für erfolgreiches<br />
Weichgewebsmanagement:<br />
Sanierung der Grunderkrankung!<br />
Primäres Weichgewebsmanagement<br />
Das primäre Weichgewebsmanagement im Rahmen von Amputationsverletzungen, offenen<br />
und geschlossenen Frakturen sowie von Decollement-Verletzungen stellt an den Behandler<br />
deshalb e<strong>in</strong> hohes Maß an Anforderungen, weil es sich durchweg um Notfallsituationen<br />
handelt, <strong>die</strong> e<strong>in</strong> schnelles Entscheiden notwendig machen. Die Indikation zur primären<br />
Amputation e<strong>in</strong>er Extremität kann als technische Indikation oder als vitale Indikation gestellt<br />
werden (4, 11). Bei e<strong>in</strong>er technischen Indikation zur primären Amputation liegt e<strong>in</strong><br />
Gewebeschaden mit vollständigem oder subtotalem Verlust der Extremität vor, der aufgrund<br />
des Ausmaßes der Zerstörung und der Verschmutzung unabhängig vom Ges<strong>am</strong>tzustand<br />
des Patienten ke<strong>in</strong>e Rekonstruktion mehr ermöglicht (z. B. Amputationsverletzungen im<br />
Rahmen von Eisenbahnunfällen, von landwirtschaftlichen Verletzungen etc.) (Abb. 1). E<strong>in</strong>e<br />
vitale Indikation zur primären Amputation ergibt sich <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie im Rahmen der Poly-
Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />
traumaversorgung. Begleitende Körperhöhlenverletzungen (Schädelhirntrauma, Thorax-,<br />
Abdom<strong>in</strong>alverletzungen, Beckenfrakturen) limitieren ganz entscheidend <strong>die</strong> generellen<br />
operativen Versorgungsmöglichkeiten des Patienten <strong>in</strong> den ersten 6 – 12 Stunden. Diesem<br />
Umstand muss vielfach durch e<strong>in</strong>e „life bevor limb“ Rechnung getragen werden. Bei beiden<br />
Indikationen bedeutet das adäquate Weichgewebsmanagement, dass <strong>die</strong> Amputation vielfach<br />
offen durchgeführt werden muss und erst nach e<strong>in</strong>er 2., 3. oder x. Revision bei stabilisierter<br />
Ges<strong>am</strong>tsituation des Patienten e<strong>in</strong>e zeitversetzte sekundäre myoplastische Deckung<br />
des Stumpfes erfolgen kann. Die Entscheidung für e<strong>in</strong>en Gliedmaßenerhalt oder e<strong>in</strong>e<br />
primäre Amputation unter vitaler Indikation kann durch verschiedene Entscheidungsalgorithmen<br />
unterstützt werden (Tab. 2). Der Vorteil <strong>die</strong>ser Algorithmen besteht ganz entscheidend<br />
dar<strong>in</strong>, dass sie den Behandler zum Abarbeiten verschiedener Beurteilungspar<strong>am</strong>eter<br />
und d<strong>am</strong>it zu e<strong>in</strong>er ganzheitlichen Betrachtung der Verletzung und des Verletzten zw<strong>in</strong>gen<br />
und d<strong>am</strong>it <strong>die</strong> medicolegale Sicherheit <strong>in</strong> der Behandlung erhöhen. Die Anwendung e<strong>in</strong>es<br />
solchen Scores nimmt dem Operateur jedoch niemals <strong>die</strong> Entscheidung für oder gegen den<br />
Gliedmaßenerhalt ab. Die ausschließliche und ungeteilte Verantwortung hierfür verbleibt<br />
Tabelle 2:<br />
Prädikative Entscheidungsscores für/gegen Gliedmaßenerhalt<br />
Abb. 1:<br />
Technische Indikation zur primären<br />
Amputation.<br />
Eisenbahnunfall: beidseitige traumatische<br />
Unterschenkelabtrennung<br />
durch Überrollen.<br />
• Mangeled Extremity Syndrome Index (MES) • Nach Gregory et al (6), 1985<br />
• Predictive Salvage Index (PSI): • nach Howe et al. (13), 1987<br />
• Hannover Fracture Scale (HFS): • nach Südk<strong>am</strong>p et al. (27), 1989<br />
• Mangled Extremity Severety Score (MESS): • nach Helfet et al (9), 1990<br />
• Limb Salvage Index (LSI) • nach Russel et al (24), 1991<br />
• Modifizierter “MESS” (NISSSA): • nach Mc N<strong>am</strong>ara et al (16), 1994<br />
95
Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />
immer nach der Beurteilung des kl<strong>in</strong>ischen Ges<strong>am</strong>tzustandes des Verletzten beim Operateur.<br />
Entschließt man sich zur Durchführung e<strong>in</strong>er primären Amputation oder Exartikulation,<br />
sollte im S<strong>in</strong>ne des Weichgewebsmanagements an <strong>die</strong> Verwendung des Amputats<br />
als Gewebeersatzlager für autologe Transplantationen (Haut, Knochen, Nerven) gedacht<br />
werden.<br />
Bei offenen Frakturen f<strong>in</strong>det das Ausmaß der Weichgewebsschädigung E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong> <strong>die</strong> entsprechenden<br />
Klassifikationen (7, 8, 17, 29) (Tab. 3). Offene Frakturen s<strong>in</strong>d je nach Schweregrad<br />
mit Infektionsraten zwischen 14 und 33 % behaftet. Es gilt als gesichert, dass im S<strong>in</strong>ne<br />
der Infektionsprophylaxe bereits <strong>in</strong> der präkl<strong>in</strong>ischen Erstversorgung e<strong>in</strong>e Antibiotikumprophylaxe<br />
durchgeführt werden soll. Boxmer et al (3) konnten 1996 zeigen, dass sich d<strong>am</strong>it<br />
<strong>die</strong> Infektionsrate nach offenen Frakturen von 8,3 % auf 3,6 % senken ließ. Auch <strong>die</strong> Wirks<strong>am</strong>keit<br />
e<strong>in</strong>er lokalen Antibiose als adjuvante Maßnahme bei offenen Frakturen ist bewiesen.<br />
Ostermann et al (19) konnten zeigen, dass sich d<strong>am</strong>it <strong>die</strong> Infektionsrate von 12 auf<br />
3,7 % senken lässt. Ke<strong>in</strong>esfalls ersetzt <strong>die</strong> Antibiotikumprophylaxe aber e<strong>in</strong> adäquates<br />
chirurgisches Vorgehen bei offenen Frakturen. Alle chirurgischen Maßnahmen s<strong>in</strong>d unter<br />
notfallmäßiger Indikation zur OP durchzuführen. Das umfangreiche Debridement zerstörter<br />
Weichgewebsstrukturen und aus dem Gewebeverband herausgelöster Knochenfragmente<br />
<strong>die</strong>nt der Prophylaxe von Infektionen. E<strong>in</strong>e gründliche Nekrektomie unterstützt <strong>die</strong> phagozytotische<br />
Aktivität des körpereigenen Abwehrsystems und reduziert <strong>die</strong> sekundäre Hist<strong>am</strong><strong>in</strong>-<br />
und Prostagland<strong>in</strong>-Belastung. Dies wiederum hilft, <strong>die</strong> Aufrechterhaltung der Mikrozirkulation<br />
im verletzten Gewebe sicherzustellen. Wann immer möglich, sollte auf den<br />
E<strong>in</strong>satz e<strong>in</strong>er Blutsperre verzichtet werden, um nicht zusätzlich zum traumatischen Gewebeschaden<br />
e<strong>in</strong>en sekundären Ischämie- und Reperfusionsschaden zu setzen. Der E<strong>in</strong>griff<br />
wird <strong>in</strong> der <strong>über</strong>wiegenden Zahl der Fälle mit externer Stabilisation und temporärem<br />
Wundverschluss abgeschlossen.<br />
Die Beurteilung des Weichgewebsschadens bei geschlossenen Frakturen ist ungleich<br />
schwieriger als bei offenen (17, 29). Auch hier unterstützen Beurteilungsalgorithmen <strong>die</strong><br />
Tabelle 3:<br />
Klassifikation des Gewebeschadens bei offenen Frakturen.<br />
Nach Tscherne und Oestern (29)<br />
96<br />
Grad I Durchspießung der Haut, unbedeutende Kont<strong>am</strong><strong>in</strong>ation, e<strong>in</strong>fache Frakturformen<br />
Grad II Durchtrennung der Haut, umschriebene Haut- und Weichteilkontusion,<br />
mittelschwere Kont<strong>am</strong><strong>in</strong>ation, alle Frakturformen<br />
Grad III Ausgedehnte Weichteildestruktion, häufig Gefäß- und Nervenverletzungen,<br />
starke Wundkont<strong>am</strong><strong>in</strong>ation, ausgedehnte Knochenzertrümmerung (z. B. Schußbruch,<br />
offene Frakturen mit Gefäßverletzungen der großen Extremitätenarterien)<br />
Grad IV Totale und subtotale Amputation, Durchtrennung der wichtigsten anatomischen<br />
Strukturen, vollständige Ischämie
Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />
Entscheidungsf<strong>in</strong>dung (Tab. 4). Zusätzliche Schnitt- und Schürfwunden an e<strong>in</strong>er Extremität,<br />
ausgedehnte Hämatome und kontusionierte Hautweichteilbezirke müssen Zweifel an e<strong>in</strong>er<br />
„e<strong>in</strong>fachen geschlossenen Fraktur“ aufkommen lassen. Die Wahl des richtigen Operationszeitpunktes<br />
ist von entscheidender Bedeutung, weil e<strong>in</strong> sekundär fortschreitender Gewebeuntergang<br />
bei zu früh vollzogener def<strong>in</strong>itiver osteosynthetischer Versorgung zu e<strong>in</strong>em ausgedehnten<br />
Haut- und Weichgewebsuntergang führen kann. Ersche<strong>in</strong>t der Haut-/Weichgewebsschaden<br />
bei geschlossenen Frakturen als suspekt, sollte e<strong>in</strong>er externen Stabilisation<br />
der Fraktur der Vorrang gegeben werden. Der Stellenwert e<strong>in</strong>er zusätzlich antibiotischen<br />
Tabelle 4:<br />
Klassifikation des Gewebeschadens bei geschlossenen Frakturen.<br />
Nach Tscherne und Oestern (29)<br />
Grad 0 Fehlende oder unbedeutende Weichteilverletzung, <strong>in</strong>direkter Verletzungs-<br />
mechanismus, e<strong>in</strong>fache Frakturformen<br />
(z. B. Unterschenkelfraktur des Skifahrers)<br />
Grad I Oberflächliche Schürfung oder Kontusion durch Fragmentdruck von <strong>in</strong>nen,<br />
e<strong>in</strong>fache bis mittelschwere Frakturform<br />
(z. B. OSG-Luxationsfraktur)<br />
Grad II Tiefe kont<strong>am</strong><strong>in</strong>ierte Schürfung sowie Haut- oder Muskelkontusion durch<br />
direkte Krafte<strong>in</strong>wirkung, drohendes Kompartmentsyndrom mit mittelschweren<br />
bis schwere Frakturformen<br />
(z. B. Zweitetagenfraktur der Tibia bei Stoßstangenanprall)<br />
Grad III Ausgedehnte Hautkontusion, -quetsch und/oder Zerstörung der Muskulatur,<br />
subkutanes Décollement, manifestes Kompartment, Verletzung e<strong>in</strong>es Hauptgefäßes,<br />
schwere Frakturformen<br />
(z. B. Trümmerfraktur)<br />
Abschirmung <strong>in</strong> <strong>die</strong>sen Situationen ist nicht gesichert. E<strong>in</strong>e PTT-wirks<strong>am</strong>e Hepar<strong>in</strong>isierung<br />
und e<strong>in</strong>e zusätzliche rheologische Therapie können, sofern ke<strong>in</strong>e Kontra<strong>in</strong>dikationen (Schädelhirntrauma!)<br />
vorliegen, <strong>die</strong> lokale Rekonvaleszenz und Stabilisation des Weichgewebes<br />
fördern. Der Vorteil e<strong>in</strong>er verzögerten def<strong>in</strong>itiven Frakturversorgung gegen<strong>über</strong> der primären<br />
bei geschlossenen Frakturen mit höhergradigem Weichgewebsschaden ist <strong>in</strong> der Literatur<br />
(1, 2 ,5, 14, 18, 20-23) vielfach gesichert.<br />
Zu e<strong>in</strong>em adäquaten Weichgewebsmanagement bei geschlossenen Verletzungen gehört<br />
auch <strong>die</strong> Erkennung und adäquate Therapie des Kompartmentsyndroms. Physiologischerweise<br />
liegt der Gewebedruck <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>takten muskulären Kompartment unter 10 mm Hg.<br />
Steigt er auf Werte zwischen 30 bis 40 mm Hg liegt e<strong>in</strong> drohendes, bei Werten <strong>über</strong> 40 mm<br />
Hg e<strong>in</strong> manifestes Kompartmentsyndrom (25, 26) vor. Die genaue Bestimmung des Kompartmentdruckes<br />
mittels direkter Messung sollte aber niemals alle<strong>in</strong>ige Entscheidungsgrundlage<br />
für oder gegen e<strong>in</strong>e operative Intervention se<strong>in</strong>. Die Indikation zur Durchführung e<strong>in</strong>er<br />
97
Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />
vollständigen Dermatofasciotomie bleibt letztendlich immer e<strong>in</strong>e kl<strong>in</strong>ische. Das Leitsyndrom<br />
des Kompartmentsyndroms ist der akut e<strong>in</strong>setzende heftige Schmerz und <strong>die</strong> Schwellung<br />
<strong>über</strong> der betroffenen Muskelloge. Dem Muskeldehnungsschmerz (M. flexor hallucis) kommt<br />
dabei gleichs<strong>am</strong> <strong>in</strong>dikatorischer Charakter zu. Die periphere arterielle Strombahn verbleibt<br />
ebenso wie <strong>die</strong> Kapillarzirkulation im Frühstadium <strong>in</strong>takt, was zu Fehl<strong>in</strong>terpretationen<br />
führen kann. Nach 40 bis 60 M<strong>in</strong>uten tritt e<strong>in</strong>e Muskelschwäche und im weiter fortgeschrittenen<br />
Stadium e<strong>in</strong> Sensibilitätsverlust <strong>über</strong> der betroffenen Region auf. Der Pulsverlust<br />
stellt das fortgeschrittene Stadium e<strong>in</strong>es irreversiblen Kompartmentsyndroms dar. Notfallmäßig<br />
sollten sämtliche konstr<strong>in</strong>gierenden Verbände entfernt werden. Die absolute Indikation<br />
zur sofortigen vollständigen Dermatofasciotomie wurde bereits erwähnt. Postoperativ<br />
stellen leichte Hochlagerung, kontrollierte Volumentherapie und lokale Kryotherapie adjuvante<br />
Maßnahmen dar.<br />
Bei Decollementverletzungen kommt es zu e<strong>in</strong>er Dissektion zwischen dem Subkutangewebe<br />
und der darunter liegenden Faszie, was zum sofortigen Ausfall der Blutversorgung der<br />
betreffenden Haut- und Subkutanareale führt. Offene Decollementverletzungen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />
ihrem Ausmaß leicht zu erkennen. E<strong>in</strong>e Schwierigkeit ergibt oft <strong>die</strong> richtige Beurteilung des<br />
Ausmaßes bei geschlossenen Decollementverletzungen. In 30 % der Fälle wird das Vorliegen<br />
bzw. das Ausmaß e<strong>in</strong>er solchen geschlossenen Decollementverletzung <strong>über</strong>sehen.<br />
Die Demaskierung des von der Zirkulation abgetrennten Haut-/Weichgewebsareals stellt<br />
sich vielfach erst nach Tagen oder Wochen e<strong>in</strong>. Je länger <strong>die</strong>se Verletzungen mit ihren<br />
ausgedehnten subkutanen Hämatombildungen und der zunehmenden Nekrotisierung<br />
des nicht mehr perfun<strong>die</strong>rten Weichgewebes unentdeckt bleiben, desto größer wird das<br />
Risiko weitergehender, teilweise letal verlaufender Komplikationen (nekrotisierende<br />
Fasciitis!).<br />
Der Wundverschluss beim primären Weichgewebsmanagement gel<strong>in</strong>gt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em erheblichen<br />
Anteil der Fälle <strong>über</strong> <strong>die</strong> primäre Naht. Allerd<strong>in</strong>gs erhöht e<strong>in</strong> <strong>in</strong> unnötiger Weise zu<br />
früh erzwungener Wundverschluss das Nekrose- und Infektionsrisiko. Der Zeitpunkt der<br />
biologischen Wundabdeckung richtet sich ganz wesentlich nach den im Haut-/Weichgewebsdefekt<br />
frei liegenden Strukturen. Offene Gelenke und freiliegende Nerven müssen<br />
möglichst schnell, ggf. sogar mit plastisch-chirurgischen Maßnahmen gedeckt werden. Bei<br />
freiliegenden Gefäßen ist der tolerable Zeitraum etwas länger anzusetzen (b<strong>in</strong>nen 3 Tagen),<br />
bei freiliegendem, nicht deperiostiertem Knochen sollte <strong>die</strong> Deckung b<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>er Woche<br />
angestrebt werden. Bef<strong>in</strong>det sich im Defekt nur gut durchblutete Muskulatur, lässt sich<br />
durch e<strong>in</strong>e temporäre Abdeckung mit Kunsthaut unter Umständen noch e<strong>in</strong> längerer Zeitraum<br />
<strong>über</strong>brücken.<br />
Ist aufgrund des zeitlichen Verlaufes und der Retraktion der Hautränder e<strong>in</strong> primärer<br />
Wundverschluss nicht mehr möglich, haben sich <strong>die</strong> verschiedenen Techniken der<br />
Dermatotraktion bewährt. Nach Fasciotomie und Vorlegen s. g. Lager- oder Ankernähte lässt<br />
sich e<strong>in</strong>e sukzessive Wundrandadaptation, oftmals bis zum kompletten Wundverschluss<br />
durchführen. Verbleibende Restdefekte lassen sich ohne Mühe mittels Spalthautplastik<br />
decken (Abb. 2).<br />
Auch e<strong>in</strong>e primäre Verkürzung e<strong>in</strong>er Extremität, <strong>in</strong>sbesondere bei gleichzeitig vorliegendem<br />
diaphysärem Knochendefekt sollte im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es primären Weichgewebsmanagement <strong>in</strong><br />
Betracht gezogen werden (Abb. 3). Durch e<strong>in</strong>e Verkürzung lässt sich vielfach <strong>die</strong> Spannung<br />
98
Abb. 2a<br />
Abb. 2c<br />
Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />
aus dem Gewebe nehmen, was e<strong>in</strong>en primären oder verzögert primären Wundverschluss<br />
erleichtert. Die Entscheidung zu e<strong>in</strong>er primären Verkürzung sollte <strong>in</strong>sbesondere vor dem<br />
H<strong>in</strong>tergrund der heute zur Verfügung stehenden technischen Verfahren zur sekundären<br />
Knochenverlängerung erleichtert werden. Nach Abschluss der Wundheilung, Konsoli<strong>die</strong>rung<br />
der Weichgewebe und Ausheilung der Fraktur lässt sich verlorengegangene diaphysäre<br />
Knochenstrecke mit den verschiedenen Verfahren der Kallusdistraktion wieder<br />
gew<strong>in</strong>nen.<br />
Sekundäres Weichgewebsmanagement<br />
Abb. 2b<br />
Abb. 2:<br />
Sukzessive Wundverkle<strong>in</strong>erung durch Dermatotraktion<br />
a) zu Beg<strong>in</strong>n der Wundverkle<strong>in</strong>erung<br />
b) Lagernähte <strong>über</strong> der temporären Wundabdeckung.<br />
Defekt bereits verkle<strong>in</strong>ert.<br />
c) Erreichter Wundverschluss.<br />
Sekundäres Weichgewebsmanagement ist bei bereits e<strong>in</strong>getretenen, manifesten Komplikationen<br />
wesentlicher Bestandteil des Therapiekonzeptes. Bei chronischer Osteitis, endo- oder<br />
Abb. 3a<br />
Abb. 3b<br />
Abb. 3: Primäre Verkürzung e<strong>in</strong>es Oberschenkels bei gleichzeitig vorliegendem Femur- und Weichgewebsdefekt<br />
a) OP-Situs<br />
b) Durchleuchtung vor Verkürzung bei bereits e<strong>in</strong>liegendem retrogradem Femurnagel<br />
99
Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />
periprothetischen Infektionen sowie <strong>in</strong> der muskuloskelettalen Tumorchirurgie handelt es<br />
sich um elektive E<strong>in</strong>griffe, deren Durchführung e<strong>in</strong>e subtile Operationsplanung zugrunde<br />
liegen sollte. Die absolute Voraussetzung für e<strong>in</strong> erfolgreiches Weichgewebsmanagement<br />
bei <strong>die</strong>sen Komplikationen ist <strong>die</strong> Sanierung der Grunderkrankung.<br />
In der Therapie der chronischen Osteitis ist das 3-phasige Behandlungskonzept, welches<br />
wir erstmals 2000 vorgeschlagen haben (10, 12, 15), mittlerweile allgeme<strong>in</strong> akzeptierter<br />
Standard:<br />
• Phase 1: Infektsanierung<br />
• Phase 2: Weichgewebsrekonstruktion<br />
• Phase 3: Rekonstruktion des knöchernen und/oder Gelenkdefektes<br />
Dem Bemühen Rechnung tragend, e<strong>in</strong>e weitgehende Sanierung der Infektion zu erreichen,<br />
muss das notwendige Resektionsausmaß für Knochen und Weichgewebe präoperativ<br />
geplant werden. Den verschiedenen bildgebenden Untersuchungsverfahren kommt aber<br />
e<strong>in</strong>e höchst unterschiedliche Wertigkeit zu. Geme<strong>in</strong>s<strong>am</strong> ist allen Verfahren (konventionelle<br />
Projektionsradiographie, Computertomographie, Kernsp<strong>in</strong>tomographie, alle Formen der<br />
Sz<strong>in</strong>tigrafie, Positronenemissionstomographie), dass sie dem Operateur zur Festlegung des<br />
notwendigen und ausreichenden Resektionsausmaßes nur bed<strong>in</strong>gt Hilfestellung bieten.<br />
Auch <strong>die</strong> an unseren Kl<strong>in</strong>iken e<strong>in</strong>geführten „bakteriologischen Schichtuntersuchungen“<br />
(Abb. 4), bei denen zur Planung des späteren Resektionsausmaßes zunächst aus verdächtigen<br />
Knochenarealen mit Di<strong>am</strong>anthohlfräsen Gewebeproben gewonnen werden, <strong>die</strong> dann<br />
bakteriologisch untersucht werden, lässt ke<strong>in</strong>e Festlegung der Resektionsgrenzen mit<br />
dem Anspruch auf absolute Sicherheit zu. Bei der chronischen Osteitis verbleibt stets das<br />
Restrisiko sowohl der <strong>über</strong> das Notwendige h<strong>in</strong>ausgehende „Überresektion“ als das Zurücklassen<br />
von Infektnestern im Knochen durch e<strong>in</strong> zu ger<strong>in</strong>ges Resektionsausmaß.<br />
Wir führen <strong>in</strong> der Phase der Infektsanierung das radikale Knochen- und Weichgewebsdebridement<br />
<strong>in</strong> völliger Analogie zu den Grundsätzen der Tumorchirurgie <strong>am</strong> Skelett durch.<br />
Der E<strong>in</strong>satz des Fixateur externe <strong>die</strong>nt der temporären Stabilisation der Extremität (Abb. 5).<br />
Abb. 4:<br />
„Bakteriologische Schichtuntersuchung“ nach Lokalisation der „verdächtigen Bezirke“ (4b)<br />
unter Durchleuchtung (4a) mittels Bohrkerngew<strong>in</strong>nung durch Hohlbohrer (4c)<br />
100<br />
Abb. 4a<br />
Abb. 4b<br />
Abb. 4c
Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />
In 2- bis 3-tägigen Abständen erfolgen progr<strong>am</strong>mierte Revisionen mit Lavage, E<strong>in</strong>satz lokaler<br />
Wirkstoffträger und temporärem Wundverschluss mittels Okklusionsverbänden bis zur<br />
nachgewiesenen Infektfreiheit (12). Das Erreichen e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>fektfreien Infektsituation stellt <strong>die</strong><br />
Ziell<strong>in</strong>ie der Phase 1 und den Übergang zur Phase 2, zur Rekonstruktion des Weichgewebsmantels<br />
dar.<br />
Je nach Umfang des Haut-/Weichgewebsdefektes können hier lokale Lappenplastiken (Tab. 5)<br />
oder freie vaskularisierte Lappentransplantationen (Tab. 6) zum E<strong>in</strong>satz kommen. Daraus<br />
ergibt sich zwangsläufig für <strong>die</strong> Planung und Durchführung solcher E<strong>in</strong>griffe e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>stitutionalisierte<br />
Zus<strong>am</strong>menarbeit mit e<strong>in</strong>er plastisch-chirurgischen Abteilung oder Kl<strong>in</strong>ik. Für <strong>die</strong><br />
Phase 3, <strong>die</strong> Rekonstruktion des knöchernen und Gelenkdefektes stehen <strong>die</strong> <strong>in</strong> Tab. 7 aufgeführten<br />
Verfahren zur Verfügung, welche aber hier nicht weiter erörtert werden sollen.<br />
5a<br />
5b<br />
Abb. 5:<br />
Chronische Osteitis <strong>am</strong> Unterschenkel mit Weichgewebsdefekt (5a), im dazugehörigen Röntgenbild (5b).<br />
Resektat (5c), Defekt (5d) und zugehöriges Röntgenbild (5e).<br />
E<strong>in</strong>e steigende Anzahl von primärendoprothetischen E<strong>in</strong>griffen an den großen Körpergelenken<br />
<strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit demographischen Faktoren und e<strong>in</strong>er zunehmenden Komorbidität<br />
der betroffenen Patienten lässt der Problematik der endo- und periprothetischen Infektionen<br />
<strong>in</strong> Zukunft e<strong>in</strong>en derzeit schwer e<strong>in</strong>zuschätzenden Stellenwert erlangen. Auch hierbei<br />
stellt e<strong>in</strong> adäquates Haut- und Weichgewebsmanagement e<strong>in</strong>e wichtige Voraussetzung für<br />
den Erfolg rekonstruktiv endoprothetischer Verfahren dar. Die Hierarchie der Therapieziele<br />
bei <strong>die</strong>sen Infektionen gliedert sich nach absteigender Wichtigkeit wie folgt:<br />
Tabelle 5:<br />
Phase 1: Weichteildeckung, lokale Lappenplastiken<br />
• Lokale Schwenklappen<br />
• M. gastrocnemius<br />
• M. soleus<br />
• M. gracilis<br />
• VY-Plastik<br />
5c<br />
5d<br />
5e<br />
101
Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />
Tabelle 6:<br />
Phase 2: Weichteildeckung, freie, vaskulasierte Lappen<br />
Tabelle 7:<br />
1. Infektfreiheit<br />
2. Erhaltung e<strong>in</strong>er stabilen Extremität<br />
3. Erhaltung e<strong>in</strong>es mobilen Gelenkes<br />
4. Schmerzfreiheit<br />
Die Sanierung des Haut-/Weichgewebsmantels <strong>über</strong> e<strong>in</strong>er geplanten Revisionsendoprothese<br />
ist neben der stabilen Verankerung der Endoprothesenkomponenten e<strong>in</strong>e Conditio<br />
s<strong>in</strong>e qua non. Oftmals be<strong>in</strong>haltet <strong>die</strong>ses operative Weichgewebsmanagement nicht nur <strong>die</strong><br />
Wiederherstellung des Hautweichgewebsmantels, sondern auch <strong>die</strong> operativ-technische<br />
Implementierung der erforderlichen aktiven Bewegungsumsetzung, <strong>in</strong>sbesondere bei der<br />
Kniegelenksendoprothetik (Rekonstruktion des Streckapparates). Auch bei der Behandlung<br />
<strong>die</strong>ser Krankheitsbilder ist <strong>in</strong> den meisten Fällen e<strong>in</strong>e Kooperation mit der plastischen<br />
Chirurgie unumgänglich.<br />
Nicht unerwähnt bleiben sollen aus ganzheitlicher Sicht <strong>die</strong>ser meist schwer betroffenen<br />
Patienten alle adjuvanten Therapieformen. Der Stellenwert von Physio- und Ergotherapie<br />
steht außer Diskussion. Die Wirks<strong>am</strong>keit der hyperbaren Sauerstoffbehandlung ist nach<br />
wie vor nicht gesichert (28). Allgeme<strong>in</strong> roborierende Maßnahmen, wie Stärkung des Immunsystems<br />
durch adjuvante, mitunter auch alternativ-mediz<strong>in</strong>ische Ansätze s<strong>in</strong>d zwar nicht<br />
durch Stu<strong>die</strong>n belegt, sollten aber auch im S<strong>in</strong>ne der notwendigen Patientenmotivation<br />
großzügig mite<strong>in</strong>bezogen werden. Die lange Krankheitsdauer <strong>die</strong>ser Erkrankungen mit den<br />
102<br />
• M. latissimus dorsi<br />
• M. parascapularis<br />
• M. rectus abdom<strong>in</strong>is<br />
• M. gastrocnemius<br />
• M. radialis<br />
• M. abductor hallucis<br />
• Ingu<strong>in</strong>al-Lappen<br />
Phase 3: Ersatz des Knochen-/Gelenkdefektes<br />
• Autologe Spongiosaplastik<br />
• Kallusdistraktion<br />
• Umkehrplastiken<br />
• Alloplastischer Ersatz<br />
• Mikrovaskuläre, autologe Knochentransplantation (Fibula, Rippe, Beckenk<strong>am</strong>m,<br />
Scapula)<br />
• Allogene, vaskularisierte Transplantationen (Femurdiaphysen, Kniegelenke)
Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />
notwendigerweise ausgedehnten Hospitalisierungsphasen erfordert vielfach e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive<br />
psychische Betreuung der Patienten. Auch bleibt es ärztliche Aufgabe, <strong>die</strong> Patienten bezüglich<br />
ihrer möglicherweise vorhandenen Risikofaktoren (Übergewicht, Nikot<strong>in</strong>abusus) entsprechend<br />
zu bee<strong>in</strong>flussen. E<strong>in</strong> solches ganzheitliches Ges<strong>am</strong>tkonzept für Patienten mit<br />
chronischen Osteitiden oder mehrfach septischen revisionsendoprothetischen E<strong>in</strong>griffen<br />
sollte alle<strong>in</strong> schon unter dem Gesichtspunkt der Personal<strong>in</strong>tensivität aller genannten Maßnahmen<br />
entsprechend ausgestatteten Zentren vorbehalten bleiben.<br />
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103
Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />
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Kontakt:<br />
Hofmann, Gunther O., Prof. Dr. med. Dr. rer. nat.<br />
Ärztlicher Direktor Berufsgenossenschaftliche Kl<strong>in</strong>iken Bergmannstrost<br />
Merseburger Straße 165, 06112 Halle<br />
Direktor der Kl<strong>in</strong>ik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie<br />
Kl<strong>in</strong>ikum der Friedrich-Schiller-Universität, Erlanger Allee 101, 07747 Jena<br />
104
V. Heppert, P. Herrmann, P. Thoele<br />
Gelenk<strong>in</strong>fekt und <strong>in</strong>fizierte Endoprothese<br />
Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />
Zus<strong>am</strong>menfassung<br />
Gelenks<strong>in</strong>fektionen s<strong>in</strong>d relativ seltene Komplikationen. Allerd<strong>in</strong>gs nimmt <strong>die</strong> Rate <strong>in</strong>fizierter<br />
Endoprothesen deutlich zu. Dies liegt begründet <strong>in</strong> der Tatsache, dass <strong>die</strong> Anzahl von<br />
Neuimplantationen drastisch ansteigt.<br />
Im septischen Krankengut e<strong>in</strong>er Unfallkl<strong>in</strong>ik ist das Problem völlig anders gelagert. Dort<br />
erhält man durch <strong>die</strong> Zuweisungen e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige Negativselektion (32,33,9,1,34) mehrfach<br />
voroperierter Patienten mit erheblichen funktionellen Defiziten zur Aufnahme. Zudem s<strong>in</strong>d<br />
<strong>die</strong> Ursachen der Infektionen zu mannigfaltig. Dennoch können, gerade wegen großer Fallzahlen,<br />
s<strong>in</strong>nvolle Daten <strong>über</strong> Behandlungserfolge mit Funktionsangaben erstellt werden<br />
(32,33,9,1,34).<br />
• Der Zeitpunkt der Diagnosestellung und umgehend e<strong>in</strong>geleiteter aggressiver Therapie ist<br />
entscheidend für das Spätergebnis. Jeder akute Gelenk<strong>in</strong>fekt ist e<strong>in</strong> Notfall, der umgehend<br />
revi<strong>die</strong>rt werden muß.<br />
• Die alle<strong>in</strong>ige Punktion und Spülung ist ke<strong>in</strong>e ausreichende Therapie („medical-dra<strong>in</strong>age“<br />
• Sorgfältige postoperative Kontrolle, kl<strong>in</strong>isch und laborchemisch, ist daher unverzichtbar.<br />
Das CRP nimmt hierbei bisher e<strong>in</strong>e Schlüsselstellung e<strong>in</strong> (1,2)<br />
• Alle<strong>in</strong>ige Antibiotikagabe ohne operative Revision ergibt ke<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n.<br />
• Beim chronischen Infekt wird jedes Implantat entfernt<br />
• Des<strong>in</strong>fizierende Spüllösungen oder Zusetzung von Antibiotika haben das Risiko der<br />
Knorpelschädigung und sollte nach heutigem Kenntnisstand nicht durchgeführt werden<br />
(1,17,34).<br />
• Der negative Keimnachweis schließt den Infekt nicht aus.<br />
• Infektbehandlung <strong>am</strong> Gelenk bedeutet Schadensbegrenzung. Im <strong>in</strong>dividuellen Fall muss<br />
zwischen Arthrodese, Resektionsarthroplastik bzw. Endoprothese das für den speziellen<br />
Patienten optimale Behandlungsverfahren gewählt werden.<br />
Die persönliche Erfahrung des Behandlers im Umgang mit Gelenk<strong>in</strong>fektionen ist entscheidend<br />
für das Outcome des Patienten<br />
Schlüsselworte:<br />
Gelenk<strong>in</strong>fektion, Infizierte Endoprothese, Radikales Debridement, Prothesenwechsel,<br />
Arthrodese, Knorpelschäden<br />
Summary<br />
Jo<strong>in</strong>t <strong>in</strong>fections are rare complications, but the rate of <strong>in</strong>fected arthroplasty raises significantly<br />
due to the fact that more and more arthroplasties are made. We can see <strong>in</strong> our<br />
Trauma level 1 center a negative selection of these patients (32,33,9,1,34) hav<strong>in</strong>g suffered<br />
multiple revisions and are present<strong>in</strong>g funct<strong>in</strong>al deficits.<br />
105
Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />
What is fact?<br />
• Diagnosis of <strong>in</strong>fection should be f<strong>in</strong>ished as early as possible. Acute <strong>in</strong>fection is an<br />
emergency case and should be operated as soon as possible.<br />
• Medical-dra<strong>in</strong>age alone is no therapy<br />
• Cl<strong>in</strong>ical supervision after operation is mandatory. CRP control is efficient (1,2)<br />
• Adm<strong>in</strong>istration of antibiotics without operation is a fault.<br />
• In chronic <strong>in</strong>fection the implant should be removed.<br />
• Dis<strong>in</strong>fectant fluids provoke cartilage d<strong>am</strong>age (1,17,34).<br />
• Even without grow<strong>in</strong>g germs it can be an <strong>in</strong>fection.<br />
• Infection therapy means d<strong>am</strong>age control. Follow<strong>in</strong>g possible operations should be<br />
discussed critically with the patient.<br />
• The septic experience of the surgeon is most important for patients outcome.<br />
Key words:<br />
Jo<strong>in</strong>t <strong>in</strong>fection, <strong>in</strong>fected arthroplasty, radical debridement, septic arthroplasty exchange,<br />
arthrodesis, cartilage d<strong>am</strong>age.<br />
Jede Infektion e<strong>in</strong>es Gelenkes ist e<strong>in</strong> multifaktorielles Geschehen und stellt nach wie vor<br />
große Anforderungen an den behandelnden Arzt (1,2). Dabei muss bedacht werden, dass<br />
Infektionen e<strong>in</strong>es Gelenkes e<strong>in</strong>e unterschiedliche Wertigkeit haben, wenn e<strong>in</strong> Kunstgelenk<br />
e<strong>in</strong>liegt. Die Frühdiagnostik e<strong>in</strong>er solchen Infektion ist zus<strong>am</strong>men mit e<strong>in</strong>em daraus resultierenden<br />
aggressiven chirurgischen Vorgehen das entscheidende Kriterium für das spätere<br />
Endergebnis des Patienten. Sorgfältige Überwachung e<strong>in</strong>es Patienten <strong>in</strong>sbesondere nach<br />
Punktion oder Operation s<strong>in</strong>d unverzichtbar Es mangelt häufig an der persönlichen <strong>in</strong>dividuellen<br />
Erfahrung im Umgang mit <strong>die</strong>ser Komplikation.<br />
Unwidersprochen ist aber <strong>die</strong> Beobachtung, dass nur <strong>die</strong> sofortige kompetente Behandlung<br />
gute Langzeitergebnisse sichert (3,4,5) und jede Verzögerung nachteilige Folgen für den<br />
Patienten mit sich br<strong>in</strong>gt (5,6).<br />
Für den Patienten, den <strong>die</strong>se Komplikation persönlich betrifft, ist es unverständlich, wie es<br />
dazu hat kommen können. Neben der persönlichen Verunsicherung spielen sozialmediz<strong>in</strong>ische<br />
Aspekte e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle (1,7) <strong>in</strong> der Ges<strong>am</strong>tproblematik.<br />
Funktionelle Folgeschäden (8,9,10), persistierende Schmerzen und längere stationäre Behandlungszeiten,<br />
<strong>in</strong> seltenen E<strong>in</strong>zelfällen sogar der Tod des Patienten s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Folge zu spät<br />
erkannter Infektionen und führen oft zu erheblichen Haftpflichtforderungen (9,4,11).<br />
Die kl<strong>in</strong>ische Erfahrung zeigt, dass <strong>die</strong> beg<strong>in</strong>nende Infektion oft zu spät erkannt wird, um<br />
<strong>die</strong>se Folgeschäden m<strong>in</strong>imieren zu können (12). Dem Faktor „Zeit“ kommt somit höchste<br />
Priorität zu.<br />
Der Infekt nach Punktion ist extrem selten. Anders berichtet bei Gelenkpunktionen von e<strong>in</strong>er<br />
Empyem<strong>in</strong>zidenz von nur 0,034‰ (13). Dennoch darf man <strong>die</strong>s nicht unterschätzen, da sich<br />
der Ablauf nicht von dem nach Fraktur unterscheidet. Die Auswirkungen auf den Knorpel s<strong>in</strong>d<br />
gleich. Der zeitliche Ablauf ist auch hier der entscheidende Faktor. Die Realität zeigt, dass<br />
<strong>in</strong>sbesondere nach Punktion nach wie vor zu spät – eben wegen der niedrigen Inzidenz – an<br />
106
Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />
e<strong>in</strong>en beg<strong>in</strong>nenden Infekt gedacht wird. Die Behandlung beg<strong>in</strong>nt erst dann, wenn sich bereits<br />
irreversible Knorpelschädigungen bzw. e<strong>in</strong> chronischer Infekt manifestiert haben.<br />
Akute Infektion<br />
• Ohne e<strong>in</strong>liegende Endoprothese:<br />
Hier geht es um den Erhalt des Knorpels und dem Faktor Zeit kommt e<strong>in</strong>e immens wichtige<br />
Bedeutung bei. Die grundlegenden Arbeiten gehen auf Riegels und Nielsen zurück<br />
(14). Bereits 24 Stunden nach Infektionsbeg<strong>in</strong>n werden lysosomale Enzyme <strong>in</strong> den Gelenkraum<br />
freigesetzt. Erst nach weiteren 2–3 Tagen f<strong>in</strong>den sich beg<strong>in</strong>nende kl<strong>in</strong>ische Infektzeichen.<br />
Freigesetzte vermehrt produzierte Glycos<strong>am</strong><strong>in</strong>e führen rasch zur Knorpelerweichung<br />
und zur Auffaserung der Knorpeloberfläche. E<strong>in</strong>wandernde polymorphkernige Leukozyten<br />
zerfallen nach Aufnahme der Bakterien. Lysosomale Enzyme werden hierdurch freigesetzt.<br />
Zusätzlich wirkt <strong>die</strong> Leukozytenprote<strong>in</strong>ase mit ihrer enzymatischen Wirkung synergistisch<br />
(14) auf <strong>die</strong> Knorpelzerstörung. Durch proteolytische Enzyme aus Leukozyten und<br />
Synovia werden aus der Knorpelmatrix Proteoglycane herausgelöst. Die entzündungsbed<strong>in</strong>gten<br />
Fibr<strong>in</strong>beläge blockieren Absorptionen und beh<strong>in</strong>dern zusätzlich <strong>die</strong> Knorpelernährung<br />
(7). All <strong>die</strong>se Mechanismen laufen <strong>in</strong>nerhalb von 7 Tagen ab (1). Danach beg<strong>in</strong>nt<br />
der chronische Infekt. Bei 10-tägiger E<strong>in</strong>wirkung muss bereits mit e<strong>in</strong>er Arthroserate von<br />
25% gerechnet werden (15)<br />
Gächter teilt <strong>die</strong> Infekte <strong>in</strong> 4 Sta<strong>die</strong>n (16,17):<br />
• Stadium 1<br />
trübe Synovia, Rötung der Synovia, mögliche Petechien, negative Radiologie<br />
• Stadium 2<br />
Schwere Entzündung mit Fibr<strong>in</strong>ablagerung, Pus, negative Radiologie<br />
• Stadium 3<br />
Syoviaverdickung, Bildung von Kompartimenten, noch negative Radiologie<br />
• Stadium 4<br />
Aggressive Infiltration des Pannus, Unterm<strong>in</strong>ierung des Knorpels, radiologische sub-<br />
chondrale Osteolysen, knöcherne Erosionen und Zystenbildungen<br />
Auch <strong>die</strong> Synovia nimmt teil <strong>am</strong> Prozess der Gelenkdestruktion. Auf das auslösende Agens<br />
reagiert <strong>die</strong> Synovia ab Tag 3 mit e<strong>in</strong>er unspezifischen Hypertrophie unabhängig vom auslösenden<br />
Erreger (14). Bereits nach 11 Tagen kann e<strong>in</strong>e bis zu 5 fache Hypertrophie der<br />
Synovia vorliegen. Zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt beg<strong>in</strong>nt sie, den Knorpel als sogenannter Pannus<br />
zu <strong>über</strong>wuchern. Die Ernährung der Knorpelzellen wird hierdurch zusätzlich empf<strong>in</strong>dlich<br />
gestört, da <strong>die</strong>se <strong>über</strong>wiegend durch Perfusion aus der Gelenkflüssigkeit erfolgt. Ab Tag 17<br />
der Gelenk<strong>in</strong>fektion f<strong>in</strong>det man e<strong>in</strong>en Durchbruch der Gelenkkapsel, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Ankylose nach<br />
5 Wochen irreversibel e<strong>in</strong>leitet (1,14).<br />
Alle<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Spülung des Gelenkes <strong>in</strong> der Frühphase mit Entfernung der im Gelenk vor-<br />
handenen Leukozyten führt zu e<strong>in</strong>er Verm<strong>in</strong>derung des Ges<strong>am</strong>tschadens, da <strong>die</strong> Leukozytenprote<strong>in</strong>ase<br />
somit nicht ihre schädlichen Auswirkungen auf den Knorpel ausüben<br />
konnte (1,18).<br />
107
Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />
Akute Infektion<br />
• Endoprothese<br />
Hier wird <strong>die</strong> Def<strong>in</strong>ition Früh<strong>in</strong>fekt mittlerweile auf e<strong>in</strong>en Zeitraum von 3–4 Wochen<br />
limitiert (5). Gerade e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>liegende Endoprothese bedeutet hierbei den wesentlichen<br />
pathogenetischen Faktor. Dar<strong>über</strong> h<strong>in</strong>ausgehend konnte e<strong>in</strong>drucksvoll nachgewiesen<br />
werden, daß Bakterien, <strong>die</strong> adhärent auf Oberflächen von Endoprothesen haften, e<strong>in</strong>e<br />
Resistenz gegen <strong>die</strong> bakterizide Wirkung von Antibiotika entwickeln können und <strong>die</strong>ses<br />
veränderte Resistenzmuster sogar beibehalten, wenn sie sich von der Oberfläche des<br />
Implantates wieder entfernt haben (19). Liegt <strong>die</strong> Verdoppelungszeit von Bakterien<br />
üblicherweise bei ca. 35 m<strong>in</strong>, so reduziert sie sich bei liegendem Implantat auf bis zu<br />
4 Stunden, je nach Erreger.<br />
Die Fähigkeit vieler Erreger, e<strong>in</strong>en sogenannten Biofilm zu produzieren, schützt <strong>die</strong>se dann<br />
zusätzlich vor dem Angriff von Antibiotika (20,21). Dieser Biofilm besteht vorwiegend aus<br />
extrazellulären Zuckern. E<strong>in</strong> stabiles mikrobiologisches System kann unterhalb <strong>die</strong>ses<br />
Biofilms entstehen und dort jahrelang kl<strong>in</strong>isch unauffällig bleiben. Zu e<strong>in</strong>em späteren Zeitpunkt<br />
– aus bisher ungeklärter Ursache – können <strong>die</strong> Bakterien dann jederzeit wieder aktiv<br />
werden (21). Und <strong>die</strong>s muss E<strong>in</strong>gang f<strong>in</strong>den <strong>in</strong> unsere therapeutischen Überlegungen, da<br />
<strong>die</strong>ser Biofilm wesentlich verantwortlich ist für <strong>die</strong> Problematik des Infektes. bei e<strong>in</strong>liegender<br />
Endoprothese.<br />
Diagnostik der akuten Gelenk<strong>in</strong>fektion<br />
Der oben geschilderte Verlauf des Infektgeschehens verdeutlicht <strong>die</strong> zeitliche Dr<strong>in</strong>glich-<br />
keit der Diagnosestellung <strong>die</strong>ser Komplikation, da nur <strong>die</strong> frühzeitige aggressive operative<br />
Therapie e<strong>in</strong> gutes funktionelles Outcome für den Patienten bietet (1). Unser diagnostischer<br />
Algorythmus:<br />
1. Kl<strong>in</strong>ik<br />
– Schmerzhafte Bewegungse<strong>in</strong>schränkung des Gelenkes<br />
– Rötung und Schwellung des betroffenen Gelenkes<br />
– Überwärmung<br />
– Fieber (oft subfebril)<br />
2. Gelenkpunktion<br />
Diese <strong>die</strong>nt der Gew<strong>in</strong>nung des optischen Aspektes und zur Bestimmung der Zellzahl<br />
des Punktates. Leukozytenzahl > 30000 Zellen / ccm spricht für e<strong>in</strong> Infektgeschehen.<br />
Da <strong>die</strong> Anzüchtung mikrobiologischer Kulturen aus dem Punktat bis zu 14 Tage dauern<br />
kann, darf <strong>die</strong>ser Befund nie abgewartet werden bis zum Therapiebeg<strong>in</strong>n.<br />
3. Labordiagnostik<br />
Das CRP (C-reaktives Prote<strong>in</strong>) hat sich als s<strong>in</strong>nvollster Marker erwiesen (1).<br />
4. Bildgebende Diagnostik<br />
E<strong>in</strong> normales Röntgenbild des betroffenen Gelenkes <strong>in</strong> 2 Ebenen ist s<strong>in</strong>nvoll MRT, CT<br />
108
Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />
oder Sz<strong>in</strong>tigraphie s<strong>in</strong>d ebenso wie spezielle serologische Tests nur bei spezifischer<br />
Indikationsstellung erforderlich (22).<br />
Therapie akute Infektion<br />
Initiale „bl<strong>in</strong>de“Antibiotikagaben führen zur zunehmenden Verschleierung der Befunde (17).<br />
Beim Früh<strong>in</strong>fekt e<strong>in</strong>es Gelenkes taucht immer <strong>die</strong> Frage auf, ob man arthroskopisch oder<br />
offen revi<strong>die</strong>rt. Diese immer wiederholte Diskussion vernachlässigt <strong>die</strong> Tatsache, dass nur<br />
<strong>die</strong> wenigsten Gelenke des menschlichen Körpers <strong>über</strong>haupt arthroskopierbar s<strong>in</strong>d. Zwar<br />
berichtet <strong>die</strong> Literatur davon, dass sich 95% aller Infektionen <strong>in</strong> den großen Gelenken<br />
abspielen (4,7). Aber <strong>die</strong> Frage muss erlaubt se<strong>in</strong>, ob all <strong>die</strong> Infektionen der kle<strong>in</strong>en Gelenke<br />
<strong>in</strong> Stu<strong>die</strong>n wirklich erfasst werden (1).<br />
Schauen wir auf <strong>die</strong> arthroskopierbaren Gelenke, so ist durch <strong>die</strong> enorme Ausweitung<br />
arthroskopischer Behandlungverfahren e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>deutiger Trend h<strong>in</strong> zum m<strong>in</strong>imal<strong>in</strong>vasiven<br />
Verfahren zu verzeichnen (12,7,17). Verkürzte Behandlungszeiten und frühzeitigere Mobilisation<br />
der Gelenke wurden beschrieben. Die Rate der Infektberuhigung wurde <strong>in</strong> der aktuellen<br />
Literatur von 80% (23) bis 92% (16,17) angegeben.<br />
Auch bei arthroskopisch extrem spezialisierten Zentren wird der Erfolg im Stadium III nach<br />
Gächter nur mit 67% bei mehrfachen Spülungen dokumentiert (24). Andere Autoren sehen<br />
daher <strong>die</strong> Indikation zur offenen Revision abhängig von der Dauer der Infektion (24), um<br />
auch <strong>die</strong> tieferen <strong>in</strong>fizierten Synovialschichten zu erreichen und der Arthroseentwicklung<br />
entgegenzuwirken (15,25). Sogar bei primär völlig offener Behandlung des Gelenkes mit<br />
E<strong>in</strong>lage von PMMA-Ketten wurden Erfolgsraten von bis zu 96,4% beschrieben (25).<br />
Als Spülflüssigkeit sollte man nur R<strong>in</strong>gerlösung verwenden. Der hyal<strong>in</strong>e Gelenkknorpel ist<br />
äußerst vulnerabel. Bereits ger<strong>in</strong>gfügige ph-Verschiebungen können verheerende Folgeschäden<br />
nach sich ziehen. Infektbed<strong>in</strong>gte Knorpelläsionen werden dann u.U. iatrogen weiter<br />
verschlimmert (1). E<strong>in</strong>igkeit besteht <strong>in</strong> der Literatur dar<strong>über</strong>, dass R<strong>in</strong>gerlösung als e<strong>in</strong>zige<br />
Lösung ke<strong>in</strong> Risiko <strong>in</strong> sich birgt (26,8,27,28,10,29). Obwohl der gedankliche Ansatz, mit<br />
Antibiotika bzw. Des<strong>in</strong>fektionslösungen zu spülen, nachvollziehbar se<strong>in</strong> mag, ist <strong>die</strong>s nicht<br />
zu empfehlen. Antibiotikazusätze s<strong>in</strong>d nicht <strong>in</strong>diziert (17,30), da sie zu ph-Verschiebungen<br />
bis h<strong>in</strong>ab zu pH 5 bei Gent<strong>am</strong>yc<strong>in</strong> führen können (30).<br />
Nach sorgfältigem Debridement der Synovia legen wir e<strong>in</strong>en lokalen Antibiotikumträger<br />
(resorbierbar) e<strong>in</strong> und verordnen e<strong>in</strong> systemisches Antibiotikum für 10 Tage.<br />
Kommt es nicht zur Infektberuhigung (Kl<strong>in</strong>ik, CRP Verlauf) wird umgehend erneut<br />
revi<strong>die</strong>rt.<br />
• Beim Früh<strong>in</strong>fekt e<strong>in</strong>er Endoprothese sollte nur bei ganz kurzem Zeit<strong>in</strong>tervall nach E<strong>in</strong>bau<br />
<strong>die</strong> Arthroskopie als Therapie angedacht werden. E<strong>in</strong> Erhaltungsversuch der Endoprothese<br />
ist immer gerechtfertigt. Hierzu wird offen revi<strong>die</strong>rt und <strong>die</strong> Synovia debri<strong>die</strong>rt. Alle beweglichen<br />
Teile werden gewechselt und gegen neue ausgetauscht. Das Kunstgelenk wird<br />
mechanisch gere<strong>in</strong>igt, <strong>die</strong> Jet Lavage unterstützend verwendet. Das ges<strong>am</strong>te Gelenk wird<br />
mit e<strong>in</strong>er Des<strong>in</strong>fektionslösung gefüllt (ist ja ke<strong>in</strong> Knorpel mehr vorhanden) und danach<br />
noch e<strong>in</strong>mal gespült. Lokale Antibiotikumträger werden im Gelenk platziert. E<strong>in</strong> sorgfältiger<br />
Wundverschluss ist obligat. Beim Erhaltungsversuch e<strong>in</strong>es Kunstgelenkes verwenden<br />
wir e<strong>in</strong>e 6 wöchige adjuvante Antibiotikumtherapie.<br />
109
Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />
Kommt es nicht zur Infektberuhigung, <strong>in</strong>sbesondere bei Vorliegen multiresistenter Erreger<br />
wird <strong>die</strong> Endoprothese ausgebaut.<br />
In jedem Fall erfolgt e<strong>in</strong>e frühfunktionelle Nachbehandlung, um E<strong>in</strong>steifungen durch Verklebungen<br />
der Gelenke zu m<strong>in</strong>imieren.<br />
Chronische Infektion:<br />
Bei der chronischen Infektion ist der Faktor Zeit <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Dr<strong>in</strong>glichkeit nicht mehr gegeben,<br />
da sich e<strong>in</strong>erseits Knorpelschäden bereits manifestiert haben andererseits <strong>die</strong> Biofilmbildung<br />
bei e<strong>in</strong>liegender Prothese abgeschlossen ist. Von e<strong>in</strong>er chronischen Infektion sprechen<br />
wir, wenn <strong>die</strong> Dauer des Infektes länger als 3 Wochen dauert. Bekannt ist, dass e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>mal<br />
bakteriell besiedeltes Metallimplantat z.B. e<strong>in</strong> Kunstgelenk, nicht mehr steril wird (31),<br />
sodass der Ausbau stattf<strong>in</strong>den muss.<br />
Diagnostik der chronischen Infektion<br />
1. Kl<strong>in</strong>ik<br />
– Schmerzhafte Bewegungse<strong>in</strong>schränkung des Gelenkes<br />
– Rötung und Schwellung des betroffenen Gelenkes<br />
– Überwärmung<br />
– Fieber nur selten vorliegend<br />
2. Gelenkpunktion<br />
Beim chronischen Infekt sollte vor OP der Erreger bekannt se<strong>in</strong>, um gezielt antibiotisch<br />
e<strong>in</strong>greifen zu können. Um <strong>die</strong> Sicherheit zu erhöhen sollte 14 Tage zuvor ke<strong>in</strong> Antibiotikum<br />
gegeben werden. Die Punktion erfolgt unter sterilsten Kriterien ohne Lokalanästhesie.<br />
3. Labordiagnostik<br />
Das CRP (C-reaktives Prote<strong>in</strong>) hat sich auch hier als s<strong>in</strong>nvollster Marker erwiesen (1).<br />
4. Bildgebende Diagnostik<br />
E<strong>in</strong> normales Röntgenbild des betroffenen Gelenkes <strong>in</strong> 2 Ebenen ist s<strong>in</strong>nvoll. Die<br />
Sz<strong>in</strong>tigraphie ist als Screen<strong>in</strong>g Methode bei low-grade Infektion hilfreich (22). MRT<br />
bzw. CT s<strong>in</strong>d speziellen Fragestellungen vorbehalten<br />
Therapie chronische Infektion<br />
Initiale „bl<strong>in</strong>de“Antibiotikagaben führen auch hier zur zunehmenden Verschleierung der<br />
Befunde (17).<br />
Abgesehen von septischen Notsituationen, bei denen oft nur e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>itiale Entlastung anzuraten<br />
ist, sollte vor Operation der Erreger bekannt se<strong>in</strong>. In jedem Fall wird offen revi<strong>die</strong>rt.<br />
Dem radikalen Debridement kommt <strong>die</strong> Schlüsselstellung zu. Alles nekrotische Gewebe und<br />
Implantate werden entfernt, das Gelenk mit der Jet Lavage gespült und dra<strong>in</strong>iert.<br />
Lokale Antibiose:<br />
• Kollagen Vlies jetzt auch mit verschiedenen Antibiotika erhältlich<br />
110
Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />
• PMMA Ketten zeigen <strong>die</strong> höchste Freisetzungsk<strong>in</strong>etik wegen der größten Ges<strong>am</strong>toberfläche,<br />
müssen aber wieder entfernt werden (25).<br />
• Spacer werden kontrovers diskutiert. Sie erhalten <strong>die</strong> Länge nach Prothesenausbau und<br />
e<strong>in</strong>e gewisse Restbeweglichkeit. Nachteilig s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> ger<strong>in</strong>gen Antibiotikumkonzentrationen,<br />
e<strong>in</strong>e Luxationstendenz >30 Prozent und Zirconiumabrieb.<br />
Folgee<strong>in</strong>griffe:<br />
• Die Arthrodese wird <strong>am</strong> Hüftgelenk de facto nicht mehr durchgeführt, für das Kniegelenk<br />
ist <strong>die</strong>s e<strong>in</strong>e gute Option wobei <strong>die</strong> Ergebnisse besser s<strong>in</strong>d, wenn sie frühzeitig angedacht<br />
wird und nicht erst nach mehreren gescheiterten Wechseloperationen.<br />
• Die Resektionsarthroplastik wird an der oberen Extremität als e<strong>in</strong> Verfahren gesehen,<br />
Funktion zu erhalten. Die Girdlestonesituation <strong>am</strong> Hüftgelenk ist nach wie vor e<strong>in</strong>e Rückzugsmöglichkeit.<br />
• Der erneute E<strong>in</strong>bau e<strong>in</strong>es Kunstgelenkes nach Infektion muss <strong>in</strong> jedem Fall abhängig<br />
gemacht werden vom Ges<strong>am</strong>tzustand des Patienten und der knöchernen Situation nach<br />
Debridement. Diese Operationen sollten <strong>in</strong> darauf spezialisierten Zentren erfolgen. Ob<br />
<strong>die</strong>s e<strong>in</strong>zeitig oder zweizeitig erfolgen soll, ist nach wie vor umstritten. Auch <strong>die</strong> Frage<br />
zementiert versus zementfrei wird nie gelöst werden.<br />
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Kontakt<br />
Heppert, Volkmar, Dr.<br />
Chefarzt der Abtlg. für Septische Chirurgie Knochen- Gelenk- und Prothesen<strong>in</strong>fektionen<br />
BG Unfallkl<strong>in</strong>ik Ludwigshafen<br />
Ludwig Guttmannstr. 13<br />
67071 Ludwigshafen<br />
113
G. Walter<br />
Osteitis – Früh<strong>in</strong>fekt<br />
Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />
Zus<strong>am</strong>menfassung<br />
Die akute posttraumatischen Osteitis stellt e<strong>in</strong>e seltene, aber sehr ernste Komplikation dar.<br />
Sie ist bis heute nicht e<strong>in</strong>heitlich def<strong>in</strong>iert, <strong>in</strong>sbesondere wird <strong>die</strong> Grenze zwischen Früh-<br />
und Spät<strong>in</strong>fektion unterschiedlich gezogen. In Abhängigkeit von lokalen und systemischen<br />
Risikofaktoren ist mit e<strong>in</strong>em Auftreten bei zwei bis <strong>über</strong> 40% der Patienten zu rechnen.<br />
E<strong>in</strong>e Kostensteigerung um den Faktor 5 bis 7,5% im Vergleich zu e<strong>in</strong>em unkomplizierten<br />
Verlauf ist zu erwarten. Pathophysiologisch führen sowohl das Trauma, als auch therapeutische<br />
Maßnahmen zu e<strong>in</strong>er lokalen und systemischen Schädigung der körpereigenen Abwehr,<br />
E<strong>in</strong>zelheiten werden erläutert.<br />
Die Diagnose wird <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie aufgrund der kl<strong>in</strong>ischen Untersuchung gestellt.<br />
Zur Therapie wird e<strong>in</strong> Algorithmus erläutert, der sich <strong>in</strong> der Abteilung für septische Chirurgie<br />
seit Jahren bewährt hat: Erhaltungsversuche bei stabilem Implantat, Verfahrenswechsel<br />
und Etappenrevisionen bei ausbleibender Infektberuhigung. E<strong>in</strong>e spezifische antibiotische<br />
Behandlung wird begleitend systemisch und fakultativ lokal durchgeführt.<br />
Die Nachbehandlung erfolgt <strong>in</strong> enger Zus<strong>am</strong>menarbeit mit der Abteilung für Rehabilitation.<br />
Schlüsselwörter<br />
Akute posttraumatische osteitis, Früh<strong>in</strong>fektion, Implantat-assoziierte osteitis, klassische<br />
Entzündungszeichen, Verfahrenswechsel, Behandlungsalgorithmus.<br />
Summary<br />
The early posttraumatic osteomyelitis is a rare but serious complication. Until now, there<br />
is no consensus on the def<strong>in</strong>ition; especially the differentiation to the late or chronic form<br />
is <strong>in</strong> dispute. Depend<strong>in</strong>g on the patient´s risk factors, <strong>in</strong> 1 to over 40% early <strong>in</strong>fection may<br />
occur. It has been calculated that treatment costs rise 5 to 7,5-fold compared to an uncomplicated<br />
course. Trauma and therapeutical procedures cause local and systemic depression<br />
of immunity, thus facilitat<strong>in</strong>g bacterial growth and <strong>in</strong>fection, details are outl<strong>in</strong>ed.<br />
The early detection of cl<strong>in</strong>ical signs is most important to diagnose acute exogenous osteomyelitis.<br />
A treatment algorithm is presented, which is practiced <strong>in</strong> our department with good<br />
results s<strong>in</strong>ce several years: retention of stable implants, change and revision procedures as<br />
long as the <strong>in</strong>fection is not cured. Antibiotics are adm<strong>in</strong>istrated via <strong>in</strong>travenous or oral and,<br />
case-by-case, local methods.<br />
The postoperative treatment is well coord<strong>in</strong>ated with physiotherapists to rega<strong>in</strong> function as<br />
soon as possible.<br />
Keywords<br />
Acute posttraumatic osteomyelitis, early <strong>in</strong>fection, implant-associated osteomyelitis,<br />
card<strong>in</strong>al signs of <strong>in</strong>fl<strong>am</strong>mation, change of procedure, treatment algorithm.<br />
115
Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />
E<strong>in</strong>leitung<br />
Die akute Osteitis wird gemäß ihrer Entstehung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e hämatogene und e<strong>in</strong>e posttraumatische<br />
Form e<strong>in</strong>geteilt. Während Erstere <strong>in</strong> den Industrieländern heute ke<strong>in</strong>e Rolle mehr<br />
spielt, bezeichnet Letztere e<strong>in</strong>e zwar seltene, aber sehr ernste Komplikation. So behandelte<br />
<strong>die</strong> Abteilung für Septische Chirurgie im Jahr 2007 etwa 900 Patienten stationär, <strong>die</strong> an den<br />
Folgen e<strong>in</strong>er posttraumatischen oder postoperativen Knochen<strong>in</strong>fektion litten, jedoch nur<br />
fünf mit e<strong>in</strong>er Osteomyelitis, <strong>die</strong> durch e<strong>in</strong>e Infektion <strong>über</strong> <strong>die</strong> Blutbahn ausgelöst wurde.<br />
Im Folgenden soll deshalb ausschließlich auf <strong>die</strong> verletzungsbed<strong>in</strong>gte Knochenentzündung<br />
e<strong>in</strong>gegangen werden.<br />
Def<strong>in</strong>itionsgemäß handelt es sich um e<strong>in</strong>e „bakterielle Infektion der Weichgewebe, des<br />
Implantatlagers und der heilenden Fraktur <strong>in</strong>nerhalb von acht Wochen nach dem Trauma<br />
oder postoperativ“ (Hofmann GO, Inf. d. Knochen u Gelenke, U&F, 2004).<br />
Der zeitliche Abstand zum Unfallereignis, welcher <strong>die</strong> Grenze zwischen Früh- und Spät<strong>in</strong>fektion<br />
markiert, ist nicht e<strong>in</strong>heitlich festgelegt, sodass sich e<strong>in</strong> Methoden- und Ergebnis-<br />
Vergleich zwischen verschiedenen Kl<strong>in</strong>iken schwierig gestaltet. Legt man <strong>die</strong> Biofilmetheorie<br />
und Erfahrungen aus der Endoprothetik zu Grunde, so s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Resultate von Erhaltungsversuchen<br />
nach der vierten postoperativen Woche deutlich schlechter. Es bietet sich als<br />
so auch bei der akuten Osteitis an, nach dem 28. Tag von e<strong>in</strong>em Spät<strong>in</strong>fekt mit der Tendenz<br />
zur Chronifizierung zu sprechen.<br />
Epidemiologie<br />
Generell muss nach operativen E<strong>in</strong>griffen <strong>in</strong> Orthopä<strong>die</strong> und Unfallchirurgie mit e<strong>in</strong>er Infektionsrate<br />
von 2 bis 3% gerechnet werden. Bei offenen Frakturen steigt sie mit dem Grad der<br />
Weichteilverletzung stark an. Liegen zusätzlich lokale und systemische Risikofaktoren vor,<br />
z.B. bei Diabetikern mit Mikro- und Makro-Angiopathie, so treten bei bis zu 50% der Patienten<br />
septische Komplikationen auf.<br />
Mehrkosten für <strong>die</strong> akute posttraumatische Osteitis werden <strong>in</strong> der Literatur mit 17.000 Euro<br />
beziffert, <strong>die</strong> stationäre Behandlung verlängert sich durchschnittlich um 15 Tage. Berücksichtigt<br />
man <strong>die</strong> Aufwendungen für Arznei, Heil und Hilfsmittel sowie Rentenzahlungen,<br />
steigen <strong>die</strong> Kosten um das fünf bis 7,5 fache gegen<strong>über</strong> e<strong>in</strong>em unkomplizierten Verlauf. In<br />
10 bis 30% geht <strong>die</strong> akute <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e chronische Osteitis <strong>über</strong>, wofür dann bereits vor zehn<br />
Jahren Fallkosten <strong>in</strong> Höhe von e<strong>in</strong>er Million DM errechnet wurden.<br />
Pathophysiologie<br />
Das Infektionsrisiko wird durch das Ausmaß des lokalen Schadens und der Anzahl sowie<br />
Virulenz der Erreger bestimmt. Der lokale Schaden setzt sich aus dem Unfall, dem Operationstrauma<br />
und dem e<strong>in</strong>gebrachten Implantat zus<strong>am</strong>men. Er trifft auf e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dividuell<br />
unterschiedliche Abwehrsituation, <strong>die</strong> durch lokale und systemische Risikofaktoren bed<strong>in</strong>gt<br />
ist. Je größer der Schaden, je schlechter <strong>die</strong> Immunkompetenz, umso ger<strong>in</strong>ger ist <strong>die</strong> erforderliche<br />
Keimzahl, der es bedarf, e<strong>in</strong>e Infektion auszulösen.<br />
Pathophysiologisch verursacht das Trauma zunächst e<strong>in</strong> Gewebe Ödem, welches zu e<strong>in</strong>er<br />
umschriebenen M<strong>in</strong>derdurchblutung führt. Der Zellstoffwechsel wird katabol, es entstehen<br />
e<strong>in</strong>e Gewebe Hypoxie und Azidose. Dadurch erhöht sich <strong>die</strong> Gefäßpermeabilität weiter,<br />
sodass sich das Ödem verstärkt. Diese Prozesse führen direkt zu e<strong>in</strong>er Suppression der<br />
116
Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />
T-Zellen mit verm<strong>in</strong>derter Bildung von Interleuk<strong>in</strong> 2 und Interferon G<strong>am</strong>ma, somit zu e<strong>in</strong>er<br />
Reduktion der körpereigenen Abwehrkraft.<br />
Das E<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen von Implantaten bewirkt e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>schränkung der Phagozytosefähigkeit von<br />
Makrophagen, bed<strong>in</strong>gt durch e<strong>in</strong>e direkte toxische Wirkung von Chrom aber auch von Titan.<br />
Die Entstehung von Totraum steigert das lokale Immundefizit, <strong>die</strong> Anwesenheit von Fremdkörpern<br />
reduziert <strong>die</strong> <strong>in</strong>fektauslösende M<strong>in</strong>dest-Keimmenge um den Faktor 10 hoch fünf.<br />
Bakterien wechseln von der planktonischen <strong>in</strong> <strong>die</strong> sessile Phase und werden durch stark<br />
verlangs<strong>am</strong>te Stoffwechselvorgänge und Reproduktionszyklen sowie <strong>die</strong> Bildung<br />
e<strong>in</strong>er schützenden Schleimschicht gegen<strong>über</strong> gängigen Antibiotika unempf<strong>in</strong>dlich. Nach<br />
heutigen Vorstellungen ist <strong>die</strong> Biofilmbildung spätestens nach vier Wochen abgeschlossen,<br />
e<strong>in</strong>e Infektberuhigung ist dann nur noch durch e<strong>in</strong>e vollständige Metallentfernung zu erreichen.<br />
Das Schadensereignis und <strong>die</strong> Keim-Inokulation können wir nicht bee<strong>in</strong>flussen. Auch <strong>die</strong><br />
lokalen und systemischen Risikofaktoren s<strong>in</strong>d vorgegeben und können allenfalls postoperativ<br />
gebessert werden. Das Operationstrauma kann jedoch durch <strong>die</strong> Wahl des geeigneten<br />
Zeitpunktes und Implantates sowie durch e<strong>in</strong> gewebeschonendes, atraumatisches und<br />
dennoch zügiges Vorgehen von uns bestimmt werden. Nicht zuletzt deshalb hat sich e<strong>in</strong>e<br />
mehrzeitige Versorgung von offenen Frakturen bewährt.<br />
Viele Risikofaktoren, welche <strong>die</strong> Entstehung e<strong>in</strong>er posttraumatischen Infektion begünstigen,<br />
s<strong>in</strong>d bekannt, sie werden von verschiedenen Autoren jedoch unterschiedlich gewichtet.<br />
Diabetiker erweisen sich nicht <strong>in</strong> allen Stu<strong>die</strong>n als vermehrt gefährdet. Offensichtlich ist das<br />
Ausmaß der bereits zum Schadense<strong>in</strong>tritt manifesten, sekundären Organkomplikationen<br />
wesentlich. Nicht beziffert s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Risiken <strong>in</strong>folge e<strong>in</strong>er aggressiven Antikoagulationstherapie<br />
bei Rhythmusstörungen oder alten, tiefen Be<strong>in</strong>venenthrombosen. Diese Patienten<br />
neigen zu postoperativen Hämatomen, <strong>die</strong> sich oft im weiteren Verlauf <strong>in</strong>fizieren. Dass der<br />
E<strong>in</strong>fluss von <strong>über</strong>mäßigem Nikot<strong>in</strong>- und Alkoholkonsum der Wundheilung abträglich ist,<br />
kann nicht als allgeme<strong>in</strong> bekannt vorausgesetzt werden.<br />
Diagnose<br />
Abb. 1:<br />
Die Diagnose der akuten posttraumati-<br />
Akute posttraumatische<br />
schen osteitis wird <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie kl<strong>in</strong>isch<br />
Osteitis nach Platten-<br />
gestellt. Beim Vorliegen der klassischen<br />
osteosynthese e<strong>in</strong>er<br />
Entzündungszeichen gel<strong>in</strong>gt <strong>die</strong>s prob-<br />
proximalen Humeruslemlos,<br />
führend s<strong>in</strong>d meistens der wieder<br />
fraktur l<strong>in</strong>ks. Achter<br />
auftretende Schmerz und e<strong>in</strong>e Verschlech-<br />
postoperativer Tag.<br />
terung der Funktion. Diese beiden Symptome<br />
s<strong>in</strong>d so lange suspekt, bis e<strong>in</strong>e Früh<strong>in</strong>fektion<br />
ausgeschlossen ist. Treten e<strong>in</strong>e<br />
Schwellung, Rötung, Überwärmung oder<br />
trübe Sezernation h<strong>in</strong>zu, so gibt es an der<br />
Diagnose e<strong>in</strong>er Früh<strong>in</strong>fektion ke<strong>in</strong>e Zweifel<br />
mehr (Abbildung 1).<br />
Die wichtigsten Laborpar<strong>am</strong>eter s<strong>in</strong>d das CRP und <strong>die</strong> BSG. Zu beachten ist e<strong>in</strong> Wiedere<strong>in</strong>stieg<br />
nach dem dritten postoperativen Tag, wichtig ist also <strong>die</strong> Verlaufsbeurteilung. Neuere<br />
117
Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />
Laborpar<strong>am</strong>eter wie Interleuk<strong>in</strong>-6 oder Tumornekrosefaktor-α bieten aufgrund ihrer kurzen<br />
Halbwertszeit Vorteile, haben sich aber <strong>in</strong> der Praxis bisher noch nicht durchgesetzt. Röntgenaufnahmen<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Regel wenig ergiebig, aber unverzichtbar um e<strong>in</strong>e Implantatdislokation<br />
auszuschließen.<br />
Vor allem im Frühstadium oder bei volum<strong>in</strong>ösen Weichteilen kann <strong>die</strong> Sonographie zum<br />
Nachweis von pathologischen Flüssigkeitsans<strong>am</strong>mlungen hilfreich se<strong>in</strong>. Suspekte Formationen<br />
werden punktiert und auf Keime und Granulozyten untersucht. Leukozytenzahlen<br />
größer 1700/ml und mehr als 65% Granulozyten s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>fektverdächtig.<br />
Therapie<br />
Ziel unserer Maßnahmen muss es se<strong>in</strong>, Infekte anhaltend zu beruhigen und e<strong>in</strong>e knöcherne<br />
Konsoli<strong>die</strong>rung zu erreichen. Die Funktion der Gliedmaße muss wiederhergestellt werden,<br />
doch gilt <strong>in</strong> der septischen Chirurgie unverändert der therapeutische Grundsatz „Infektion<br />
vor Funktion“. Also muss mit höchster Priorität zunächst der Infekt saniert werden. Falls<br />
erforderlich ist dazu e<strong>in</strong>e temporäre Immobilisation der anteiligen Gelenke <strong>in</strong> Kauf zu<br />
nehmen, denn bei ausbleibender Infektberuhigung ist e<strong>in</strong> massiver Funktions- oder sogar<br />
Gliedmaßenverlust zu befürchten. Deshalb ist <strong>die</strong> vor<strong>über</strong>gehende Ruhigstellung der angrenzenden<br />
Gelenke e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>fizierten Gliedmaße auch heute noch e<strong>in</strong>e therapeutische<br />
Option. In jedem Falle muss der Übergang von der akuten <strong>in</strong> <strong>die</strong> chronische Verlaufsform<br />
verh<strong>in</strong>dert werden.<br />
Bei e<strong>in</strong>er stabilen Osteosynthese wird zunächst e<strong>in</strong> Erhaltungsversuch unternommen. Sensible<br />
Erreger vorausgesetzt, ist auch bei strenger Indikation <strong>die</strong> Implantation von PMMA<br />
Ketten <strong>in</strong>diziert. Etappenrevisionen werden fakultativ durchgeführt, nach knöcherner Konsoli<strong>die</strong>rung<br />
erfolgt <strong>die</strong> vorzeitige Metallentfernung.<br />
Scheitert der Erhaltungsversuch s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Regel e<strong>in</strong>e Implantatentfernung und Sequestrektomie<br />
oder sogar e<strong>in</strong>e Segmentresektion erforderlich. Die dabei notwendigerweise entstehenden<br />
Knochendefekte werden nach Infektberuhigung mittels Segmenttransport oder<br />
autologer Spongiosaplastik aufgefüllt.<br />
Ist <strong>die</strong> Osteosynthese <strong>in</strong>stabil, so wird das Implantat entfernt und e<strong>in</strong> Fixateur extern angelegt.<br />
Die Verletzung kann d<strong>am</strong>it ausbehandelt werden, bei erhaltener Immun Kompetenz<br />
und guten Weichteilverhältnissen ist auch e<strong>in</strong> Verfahrenswechsel möglich.<br />
Für ausgedehnte ossäre Defekte stehen der Segmenttransport metaphysär, Endoprothesen<br />
oder Arthrodesen bei gelenknahen Verletzungen zur Verfügung.<br />
Zum Wechsel und zur Reosteosynthese kann nahezu <strong>die</strong> ges<strong>am</strong>te Palette der unfallchirurgischen<br />
Verfahren <strong>in</strong> Betracht gezogen werden. Das Arbeitspferd der septischen Chirurgie<br />
ist nach wie vor der Fixateur externe, der auch heute noch den Großteil der Implantate<br />
ausmacht. Bei gegebener Indikation s<strong>in</strong>d aber w<strong>in</strong>kelstabile Platten und Kompressionsmarknägel<br />
bedenkenswerte Alternativen, <strong>die</strong> erhebliche Vorteile bieten. Auch Endoprothesen<br />
können bei der post<strong>in</strong>fektiösen Gelenkdestruktion erfolgreich e<strong>in</strong>gesetzt werden<br />
(Abbildung 2).<br />
Nachbehandlung<br />
Postoperativ erfolgt <strong>in</strong> enger Zus<strong>am</strong>menarbeit mit der Rehabilitationsabteilung e<strong>in</strong>e<br />
Frühmobilisation mit Teil- oder Vollbelastung der verletzten Extremität nach Maßgabe<br />
118
Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />
Abb. 2:<br />
Algorithmus zur Therapie der akuten posttraumatischen Osteitis. Behandlungskonzept der Abteilung für septische<br />
Chirurgie der BG Unfallkl<strong>in</strong>ik Frankfurt <strong>am</strong> Ma<strong>in</strong>.<br />
des Operateurs. Aktive Bewegungsübungen und Lymphdra<strong>in</strong>agen werden mit dem Ziel e<strong>in</strong>er<br />
raschen Abschwellung so früh wie möglich verordnet.<br />
Die antibiotische Behandlung erfolgt gemäß Austestung der zuletzt gewonnen Gewebeproben<br />
<strong>über</strong> fünf bis zehn Tage. Nach <strong>die</strong>ser Zeit sollte kl<strong>in</strong>isch und laborchemisch e<strong>in</strong>e Infektberuhigung<br />
e<strong>in</strong>getreten se<strong>in</strong>, andernfalls ist e<strong>in</strong>e operative Re<strong>in</strong>tervention erforderlich,<br />
wenn nicht ohneh<strong>in</strong> planmäßige Etappenrevisionen, beispielsweise bei e<strong>in</strong>em Gelenk<strong>in</strong>fekt,<br />
vorgesehen waren.<br />
Im weiteren Verlauf streben wir e<strong>in</strong>e vollständige Metallentfernung an, sobald e<strong>in</strong>e knöcherne<br />
Konsoli<strong>die</strong>rung e<strong>in</strong>getreten ist.<br />
Kontakt<br />
Walter, Gerhard, Dr. med.<br />
Arzt für Chirurgie/Unfallchirurgie<br />
– Chefarzt der Abteilung Septische Chirurgie –<br />
Friedberger Landstr. 430<br />
D-60389 Frankfurt <strong>am</strong> Ma<strong>in</strong><br />
119
U.-J. Gerlach, C. Grimme, R. Schoop<br />
Infekt – (Defekt) – Pseudarthrose<br />
Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />
Zus<strong>am</strong>menfassung:<br />
Die Infekt-Defekt-Pseudarthrose ist e<strong>in</strong>e schwerwiegende Komplikation der Unfallchirurgie<br />
und Orthopä<strong>die</strong>. Es handelt sich um e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation von chronischer Knochen<strong>in</strong>fektion,<br />
Instabilität und knöchernen Defekt. Die Diagnose ist zu stellen durch An<strong>am</strong>nese, kl<strong>in</strong>ischen<br />
Befund, bildgebende Verfahren und <strong>die</strong> Bakteriologie, d.h. der Nachweis der Erreger mit<br />
Bestimmung derer Resistenz.<br />
Die Therapie hat <strong>in</strong> mehreren Schritten zu erfolgen. Entscheidend ist der erste Schritt. Um<br />
e<strong>in</strong>e dauerhafte Infektberuhigung zu erreichen ist e<strong>in</strong> radikales Enffernen aller avitalen<br />
und entzündeten Knochen- und Weichteilgewebes notwendig. E<strong>in</strong>liegendes Osteosynthesematerial<br />
ist zu entfernen, <strong>die</strong> Restabilisierung erfolgt <strong>über</strong> e<strong>in</strong>en Fixateur externe. Es werden<br />
lokale AntIbiotikumträger e<strong>in</strong>gelegt. Bei Infektberuhigung hat im nächsten Schritt<br />
der Verschluss möglicherweise bestehender Hautweichteil-Defekte zu erfolgen. Im dritten<br />
Schritt ist der Knochendefektaufbau durchzuführen, bei zirkulären knöchernen Defekten<br />
bis 3,0 cm <strong>über</strong> Spongiosaplastik, bei zirkulären defekten <strong>über</strong> 3,0 cm durch Segmenttransport.<br />
Schlüsselwörter:<br />
Infekt-Defekt-Pseudarthrose – Instabilität – chronische Knochen<strong>in</strong>fektion – Knochen-<br />
defekt – lokale Antibiotikumträger – Sequestrektomie<br />
Abstract:<br />
The non-unlon due to <strong>in</strong>fection (osteomyelitis) and <strong>in</strong>stability, often comb<strong>in</strong>ed with a bone<br />
defect, is a severe complication <strong>in</strong> traumatic and orthopaedic surgery. The diagnosis is based<br />
on the medical history, the ex<strong>am</strong><strong>in</strong>ation and radiology (X-ray, CT-scan, MRI). Is is necessary<br />
to know preoperatively the k<strong>in</strong>d of bacteria and the resistance versus antibiotics. The therapy<br />
has to be performed <strong>in</strong> several steps. The first step is the decisive step. A radical removal of<br />
all <strong>in</strong>fected and dead bone and soft tissues is important. Foreign material has to be removed,<br />
a new stabilization is done with an external fixator. Local antibiotic therapy happens by<br />
implantation of antibiotic beads. The next step is the ciosure of soft tissue defects, the third<br />
step the reconstruction of the bone defects. Circular bone defects smaller than 3,0 cm are<br />
reconstructed with cancelous bone graft, bone defects larger than 3,0 cm with segmental<br />
transport with the 11izarov fixator.<br />
Key words:<br />
<strong>in</strong>fect non-union – <strong>in</strong>stability – chronic osteomyelitis – bone defectlocal antibiotic carrier –<br />
sequestrectomy<br />
121
Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />
Bei e<strong>in</strong>er erworbenen Pseudarthrose ist es 6 oder mehr Monate nach e<strong>in</strong>er Fraktur zu<br />
ke<strong>in</strong>er ausreichenden knöchernen Durchbauung gekommen. Pseudarthrosen s<strong>in</strong>d bed<strong>in</strong>gt<br />
durch unzureichende Ruhigstellung der Fraktur, durch Defekte, durch Infekte, durch<br />
schlechte lokale Vaskularisation oder durch Medik<strong>am</strong>ente (Cortison, Zytostatika).<br />
Die Pseudarthrosen müssen unterschieden werden <strong>in</strong> aseptische und septische Pseudarthrosen,<br />
da e<strong>in</strong> deutlicher Unterschied <strong>in</strong> der Therapie und Prognose vorliegt.<br />
Die <strong>in</strong>fizierte Pseudarthrose ist <strong>die</strong> Komb<strong>in</strong>ation von zwei schwerwiegenden lokalen Komplikationen<br />
– Instabilität und Infektion. Es handelt sich um e<strong>in</strong>e komplizierte Sonderform<br />
der chronischen Osteitis. Bei der Infekt-Defekt-Pseudarthrose liegt neben Instabilität und<br />
Infektion noch e<strong>in</strong> Knochenfekt größer als 1,0 cm vor. Häufig vergesellschaftet mit der Infekt-<br />
Defekt-Pseudarthrose s<strong>in</strong>d Haut- Weichteildefekte, Durchblutungs- und oder Nervenschäden<br />
sowie Inaktivitäts-und Bewegungsmangelschäden wie Gelenkkontrakturen und Muskelm<strong>in</strong>derung.<br />
Knochen<strong>in</strong>fektionen werden durch Bakterien, Pilze, eventuell auch durch spezielle weitere<br />
Mikroorganismen ausgelöst. Der häufigste Erreger von Knochen<strong>in</strong>fektionen ist Staphyiococcus<br />
aureus, bei E<strong>in</strong>liegen von Fremdmaterial – <strong>in</strong>terne Osteosynthesen oder Endoprothesen<br />
– gew<strong>in</strong>nt zunehmend Staphylococcus epidermidis (Hautkeim) Bedeutung, weil speziell<br />
<strong>die</strong>ser Keim <strong>in</strong> der Lage ist, sich auf Fremdmaterial zu vermehren und durch e<strong>in</strong>e Schleimkapsel<br />
vor der körpereigenen Infektabwehr zu schützen. Aus therapeutischer Sicht gew<strong>in</strong>nen<br />
zunehmend resistente und multiresistente Bakterien an Bedeutung, wie z.B. MRSA,<br />
ORSA oder ESBL.<br />
Das Ersche<strong>in</strong>ungsbild der Knochen<strong>in</strong>fektion ist außerordentlich „bunt“, weil <strong>die</strong> Infektionsentwicklung<br />
e<strong>in</strong>erseits von der speziellen <strong>in</strong>dividuellen Situation und von der Potenz der<br />
körpereigenen Abwehr, anderseits von den Fähigkeiten der auslösenden Infektionserreger<br />
abhängig ist. Daneben spielen für das kl<strong>in</strong>ische Ersche<strong>in</strong>ungsbild das Alter und eventuell<br />
bestehende Zweiterkrankungen des Patienten e<strong>in</strong>e erhebliche Rolle.<br />
Die Infektionen werden durch viele Faktoren gebahnt, <strong>in</strong>sbesondere s<strong>in</strong>d Diabetes mellitus,<br />
arterielle Durchblutungsstörungen, venöse Stasen, spezielle Hauterkrankungen, Medik<strong>am</strong>entene<strong>in</strong>nahmen,<br />
Alkohol- und Nikot<strong>in</strong>abusus, Erkrankungen aus dem rheumatoiden<br />
Formenkreis und viele weitere Faktoren zu nennen, so dass Kl<strong>in</strong>ik und <strong>in</strong>dividueller Verlauf<br />
der Knochen<strong>in</strong>fektion außerordentlich unterschiedlich se<strong>in</strong> können.<br />
Für das Auftreten e<strong>in</strong>er Knochen<strong>in</strong>fektion ist neben der Art und Virulenz der auslösenden<br />
Erreger und der lokalen Situation <strong>in</strong>sbesondere <strong>die</strong> Qualität der <strong>in</strong>dividuellen Infektionsabwehr<br />
von entscheidender Bedeutung.<br />
Die Behandlung der Infekt-Defekt-Pseudarthrose ist grundsätzlich aufwändig, teuer und<br />
erfordert neben spezieller chirurgischer Therapie stets parallel das ges<strong>am</strong>te Spektrum<br />
der Frührehabilitation, denn das Ziel der Infektionsbehandlung ist <strong>die</strong> Wiederherstellung<br />
e<strong>in</strong>er belastungsfähigen und funktionsfähigen Extremität oder des betreffenden Körperabschnittes.<br />
122
Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />
Aufgrund vieler unterschiedlicher Probleme ist <strong>die</strong> Rezidivquote bei Knochen<strong>in</strong>fektionen<br />
relativ hoch. Die Problematik der Knochen<strong>in</strong>fektionsbehandlung wird häufig und vielerorts<br />
erheblich unterschätzt. Die Knochen<strong>in</strong>fektionsbehandlung gehört <strong>in</strong> Spezialabteilungen,<br />
speziell dann, wenn erste Behandlungsversuche erfolglos gewesen waren.<br />
Bei der Diagnostik der Infektpseudarthrose steht <strong>die</strong> An<strong>am</strong>neseerhebung und der kl<strong>in</strong>i-<br />
sche Befund im Vordergrund. Kl<strong>in</strong>ische für e<strong>in</strong>e Infektion typische Leitsymptome wie <strong>die</strong><br />
klassischen Infektzeichen (Rubor, Dolor, Functio laesa) können vorliegen, s<strong>in</strong>d häufig aber<br />
nicht sehr ausgeprägt. Bei lange bestehenden Infektionen, speziell mit e<strong>in</strong>liegendem Fremdmaterial,<br />
s<strong>in</strong>d Fistelungen durch <strong>die</strong> Haut nicht selten. Diese alle<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d allerd<strong>in</strong>gs ke<strong>in</strong><br />
Beweis für das Vorliegen e<strong>in</strong>er Knochen<strong>in</strong>fektion, denn Fistelungen gibt es ebenso bei<br />
<strong>in</strong>fiziertem Hämatom, e<strong>in</strong>liegendem <strong>in</strong>fiziertem Fremdkörper oder Sehnen- und Weichteil<strong>in</strong>fektionen.<br />
Zur Sicherung der Diagnose e<strong>in</strong>er Infekt-Pseudarthrose können Laboruntersuchungen<br />
hilfreich se<strong>in</strong> (Leukozyten, BSG, C-reaktives Prote<strong>in</strong>). Zur Diagnostik der Infekt-Pseudarthrosen<br />
gehört <strong>in</strong>sbesondere <strong>die</strong> Bakteriologie, d.h. der Nachweis der Erreger mit Bestimmung<br />
derer Resistenz. Zum Nachweis der bakteriellen Erreger hat <strong>die</strong> Entnahme von Material<br />
zur bakteriologischen Untersuchung korrekt zu erfolgen, Abwisch- oder Abtupfpräparate<br />
erbr<strong>in</strong>gen seltener e<strong>in</strong>e Keimnachweis als Gewebsproben. Es ist e<strong>in</strong>e Gewebsprobe oder<br />
e<strong>in</strong> Abradat e<strong>in</strong>zusenden. Es sollten ke<strong>in</strong>e bakteriologischen Abstriche aus Eiter genommen<br />
werden, da Eiter häufig steril ist. E<strong>in</strong> fehlender Keimnachweis bei möglicherweise vorliegendem<br />
Defekt oder Sekretion aus e<strong>in</strong>er Wunde schließt e<strong>in</strong>e Infektion nicht aus. Aufgrund<br />
von vorausgehender Antibiotikatherapie kann trotz fehlenden Keimnachweises e<strong>in</strong>e Infektion<br />
vorliegen.<br />
Bildgebende Verfahren wie Röntgen, MRT, <strong>die</strong> 3-Phasen- Skelettsz<strong>in</strong>tigraphie br<strong>in</strong>gen<br />
weitere Information und s<strong>in</strong>d bei der Diagnosestellung der InfektPseudarthrose <strong>in</strong>diziert.<br />
An erster Stelle steht <strong>die</strong> konventionelle Rö-Aufnahme, man erkennt im Falle e<strong>in</strong>er Infektion<br />
periostale Reaktionen, Osteolysen, Resorptionszonen oder Sequester.<br />
Dar<strong>über</strong> h<strong>in</strong>aus muss <strong>die</strong> präoperative Diagnostik folgende Punkte klären: Keimart und<br />
Resistenz, Infektausdehnung, speziell Gelenkbeteiligung, Ausdehnung der Sequestrierung,<br />
Begleiterkrankungen.<br />
Die Therapie der Infektpseudarthrose gliedert sich grundsätzlich <strong>in</strong> mehrere Schritte.<br />
Dabei kommt dem ersten Schritt, der Infektionsberuhigung, <strong>die</strong> entscheidende Bedeutung<br />
zu. Die Therapie gliedert sich <strong>in</strong> aller Regel <strong>in</strong> m<strong>in</strong>destens drei operative Schritte, wobei<br />
der erste Schritt <strong>die</strong> Infektionsberuhigung, der zweite Schritt den Weichteildefektverschluss,<br />
der dritte Schritt schließlich den Knochendefektaufbau darstellt. Parallel zu <strong>die</strong>sen operativen<br />
Schritten muss während der ges<strong>am</strong>ten Behandlung das umfassende Rehabilitationsprogr<strong>am</strong>m<br />
mit Physiotherapie, Hydro-, Ergo- und Sporttherapie sowie Gehschultherapie<br />
stattf<strong>in</strong>den, weil <strong>in</strong> aller Regel zum<strong>in</strong>dest bei den chronischen Knochen<strong>in</strong>fektionen weitreichende<br />
Funktionsm<strong>in</strong>derungen der <strong>in</strong>fizierten Extremität oder des Körperabschnittes<br />
bestehen.<br />
123
Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />
Entscheidend für den ersten Schritt ist das radikale chirurgische Vorgehen. Das e<strong>in</strong>liegende<br />
Osteosynthesematerial muss entfernt werden, <strong>die</strong> Stabilisierung hat dann durch e<strong>in</strong>en<br />
Fixateur externe zu erfolgen. Lokal ist e<strong>in</strong>e radikale Sequestrektomie notwendig, wobei<br />
alle avitalen bzw. entzündlich veränderten Knochen- und Weichteilanteile radikal ent-<br />
fernt werden müssen. Anschließend erfolgt <strong>die</strong> E<strong>in</strong>lage e<strong>in</strong>es lokalen Antibiotikumträgers<br />
(Septopal ® , Gentacoll ® , Septocoll ® ). Besteht neben der Knochen<strong>in</strong>fektion gleichzeitig e<strong>in</strong>e<br />
Geienk<strong>in</strong>fektion, ist unbed<strong>in</strong>gt<br />
<strong>in</strong> dem E<strong>in</strong>griff der Knochen<strong>in</strong>fektberuhigung gleichzeitig <strong>die</strong> Gelenk<strong>in</strong>fektionsbehandlung<br />
vorzunehmen. Postoperativ sollte e<strong>in</strong>e kurzzeitige systemische Antibiose (7–10 Tage) durchgeführt<br />
werden.<br />
Bestehen bei Infekt-Defekt-Pseudarthrosen größere Hautweichteildefekte, s<strong>in</strong>d <strong>die</strong>se <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em zweiten operativen Schritt zu decken, entweder durch lokale plastische MaBnahmen<br />
oder durch freie Lappenplastiken. Die endgültige Weichteildeckung hat frühzeitig und stabil<br />
zu erfolgen. Bei größeren Defekten ist <strong>die</strong> Zus<strong>am</strong>menarbeit mit den plastischen Chirurgen<br />
sehr hilfreich.<br />
E<strong>in</strong> resultierender Knochendefekt nach radikaler Sequestrektomie wird nach Infektberuhigung<br />
und nach Deckung e<strong>in</strong>es möglicherweise bestehenden Hautweichteildefektes wieder<br />
aufgebaut. Zirkuläre Knochendefekte bis zu 3,0 cm werden durch Sponglosaplastik wieder<br />
aufgefüllt. Die Sponglosa wird <strong>in</strong> aller Regel aus dem h<strong>in</strong>teren beckenk<strong>am</strong>m entnommen.<br />
Bei zirkulären knöchernen Defekten <strong>über</strong> 3,0 cm cm erfolgt der Defektaufbau durch Segmenttransport<br />
<strong>über</strong> den R<strong>in</strong>gfixateur externe nach llizarov.<br />
Parallel zu den oben genannten Maßnahmen ist das umfassende Rehabilitationsprogr<strong>am</strong>m<br />
mit Physiotherapie, Ergo- und Sporttherapie sowie Gehschultherapie durchzuführen.<br />
Nach Aufbau des Knochendefektes, der nach Spongiosaplastik frühestens <strong>in</strong> drei oder vier<br />
Monaten durch E<strong>in</strong>bau der transplantierten Sponglosa gegeben ist, nach Segmenttransport<br />
nach der entsprechenden Transport- und Konsoli<strong>die</strong>rungszeit, erfolgt der Abbau der Fixateure,<br />
wobei radiologisch e<strong>in</strong> Knochendurchbau vorliegen sollte. Die Knochenstabilität ist<br />
zum Zeitpunkt der Enffernung der Fixateure bei uns häufig nur mäßig hoch, deshalb verwenden<br />
wir nach Enffernen der Fixateure sogenannte teilentiastende Gehapparate, <strong>die</strong><br />
<strong>am</strong> Unterschenkel sich an den Kondylen und <strong>am</strong> Tiblakopf abstützen, <strong>am</strong> Oberschenkel <strong>am</strong><br />
Tuber ischiadicum, und <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e Teilbelastung des Be<strong>in</strong>es gestatten. Nach Enffernen des<br />
Fixateurs und Anfertigen des Gehapparates wird anfangs immer mit 10 kg teilbelastet. Entsprechend<br />
der weiteren knöchernen Konsoli<strong>die</strong>rung, <strong>die</strong> durch im Verlauf angefertigte<br />
Rö-Aufnahmen kontrolliert wird, kann <strong>die</strong> Tellbelastung sukzessive zur Vollbelastung gesteigert<br />
werden. Nach erreichen der Vollbelastung kann der Gehapparat dann abtra<strong>in</strong>iert<br />
werden, ggf. ist <strong>die</strong> Versorgung mit orthopädischen Schuhwerk erforderlich.<br />
124
Kontakt:<br />
Dr. Ulf-Joachim Gerlach<br />
Septische Knochen- und Gelenkchirurgie<br />
Berufsgenossenschaftliches Unfallkrankenhaus H<strong>am</strong>burg,<br />
Bergedorfer Str. 10,<br />
D-21033 H<strong>am</strong>burg<br />
1a: AP-Ansicht 1b: Seitansicht<br />
Abb. 1: Röntgenbild e<strong>in</strong>er Infekt-Pseudarthrose nach<br />
Osteosynthese e<strong>in</strong>er distalen Tibiafraktur<br />
3a: AP-Ansicht 3b: Seitansicht<br />
Abb. 1: Rö-Befund nach Spongiosaplastik<br />
Wundmanagement und Infektion – Aktuelle Konzepte<br />
2a: Ansicht ap 2b: Seitansicht<br />
Abb. 2: Rö-Aufnahme nach Sequestrektomie,<br />
E<strong>in</strong>lage lokaler Antibiotikumträger und Stabilisierung<br />
im Ilizarov-R<strong>in</strong>gfixateur<br />
4a: Ansicht ap 4b: Seitansicht<br />
Abb. 1: Röntgenbefund nach E<strong>in</strong>bau der Spongiosa<br />
und Abnahme des R<strong>in</strong>gfixateures<br />
125
V. Sitzung<br />
Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />
Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />
Vorsitz: A. Wentzensen, Ludwigshafen/R. Hoffmann, Frankfurt<br />
K. J. Burkhart, P. M. Rommens, L. P. Müller<br />
Lig<strong>am</strong>entäre Verletzungen und Luxationen des Ellenbogens<br />
Zus<strong>am</strong>menfassung:<br />
Die Ellenbogenluxation ist <strong>die</strong> zweithäufigste Luxation des menschlichen Körpers. Die<br />
Luxationsrichtung ist <strong>in</strong> 80–90% dorsoradial. Lig<strong>am</strong>entäre Begleitverletzungen s<strong>in</strong>d obligat.<br />
Aufgrund des Luxationsmechanismus von lateral nach medial, ist das LCL <strong>in</strong> 100% der Fälle<br />
rupturiert, gefolgt von der ventralen und dorsalen Kapsel. Das MCL rupturiert zuletzt und<br />
kann auch bei der vollständigen Luxation durchaus <strong>in</strong>takt bleiben. E<strong>in</strong>fache Luxationen<br />
werden nach e<strong>in</strong>er Ruhigstellung von wenigen Tagen <strong>in</strong> der Schl<strong>in</strong>ge oder im Oberarmgips<br />
<strong>in</strong> 90°-Beugung frühfunktionell therapiert. Die Prognose ist gut, <strong>die</strong> Reluxationsrate mit<br />
ca. 2% niedrig. Luxationsfrakturen dagegen müssen meist operativ versorgt werden. Die<br />
Prognose ist deutlich schlechter und abhängig von den knöchernen Begleitverletzungen,<br />
wobei Radiuskopf und Processus coronoideus von besonderer Bedeutung s<strong>in</strong>d.<br />
Schlüsselwörter:<br />
Ellenbogenluxation, Luxationsfraktur, Instabilität, Radiuskopf und Processus coronoideus<br />
Summary:<br />
The elbow dislocation is the second most dislocation of the human body. In 80–90% the<br />
elbow dislocates posteroradial. Injuries of the lig<strong>am</strong>ents are obligatory. Due to the dislocation<br />
mechanism from lateral to medial, the LCL is ruptured <strong>in</strong> 100% of the cases, followed by<br />
the dorsal and ventral capsule. The MCL tears at last and may stay <strong>in</strong>tact even <strong>in</strong> cases of<br />
complete dislocations. Simple dislocations are treated conservatively with immobilisation<br />
<strong>in</strong> a cast or sl<strong>in</strong>g for few days and adjacent physiotherapy. The prognosis is good and redislocation<br />
rate is low with approximately 2%. Dislocation fractures on the other hand have<br />
to be treated operatively <strong>in</strong> most of the cases. The prognosis is clearly worse and depends<br />
on the concomitant <strong>in</strong>juries, whereas the radial head and coronoid process are of particular<br />
importance.<br />
Keywords:<br />
elbow dislocation, fracture dislocation, <strong>in</strong>stability, radial head, coronoid process<br />
127
Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />
Anatomie und Biomechanik<br />
Die Stabilität des Ellenbogengelenkes wird durch dyn<strong>am</strong>ische und statische Faktoren gewährleistet.<br />
Zu den statischen zählen <strong>die</strong> Gelenkführung und der Kapselbandapparat, wobei<br />
dem medialen Kollateralband (MCL) <strong>die</strong> wohl bedeutendste Rolle anzurechnen ist. Die<br />
dyn<strong>am</strong>ischen Faktoren werden durch <strong>die</strong> Muskulatur repräsentiert. Tabelle 1 gibt e<strong>in</strong>e Übersicht<br />
<strong>über</strong> den Anteil der e<strong>in</strong>zelnen Faktoren an der Ges<strong>am</strong>tstabilität unter verschiedenen<br />
Belastungsmodalitäten.<br />
Unter Valgusstress ist der Kapselbandapparat von entscheidender Bedeutung für <strong>die</strong> Stabilität.<br />
Das MCL wirkt hier als primärer Stabilisator, während <strong>die</strong> Gelenkführung – also der<br />
Radiuskopf, der bei Valgusstress als knöchernes Widerlager <strong>die</strong>nt – nur e<strong>in</strong>e sekundäre<br />
Rolle spielt. Unter Varusstress h<strong>in</strong>gegen kommt der knöchernen Gelenkführung <strong>die</strong> Funktion<br />
des primären Stabilisators zu. Das laterale Kollateralband (LCL) ist von untergeordneter<br />
Rolle. Stabilisator gegen Distraktion ist der Kapselbandapparat, während Radiuskopf und<br />
Processus coronoideus Kompressionskräften entgegenwirken.<br />
Epidemiologie, Unfallmechanismus und Begleitverletzungen<br />
Die Luxation des Ellenbogens ist nach der Schulterluxation <strong>die</strong> zweithäufigste und macht<br />
etwa 20% aller Luxationen aus. Während isolierte Luxationen eher beim jüngeren Patienten<br />
im Rahmen von sportlichen Aktivitäten auftreten, f<strong>in</strong>det man Luxationsfrakturen eher<br />
bei Patienten zwischen 50 und 60 Jahren. Der Unfallmechanismus ist meist e<strong>in</strong> Sturz auf<br />
den ausgestreckten Arm komb<strong>in</strong>iert mit Valgusstress und e<strong>in</strong>er Sup<strong>in</strong>ationskomponente.<br />
Folgende Luxationsrichtungen werden unterschieden:<br />
1. dorsal<br />
2. ventral<br />
3. dorsomedial<br />
4. dorsoradial<br />
5. divergierend<br />
Wie von O‘Driscoll beschrieben kommt es aufgrund des ger<strong>in</strong>geren Widerstandes des lateralen<br />
Kompartimentes zunächst zu e<strong>in</strong>er Zerreissung des Lateralen Kollateralbandes, <strong>die</strong><br />
sich <strong>über</strong> <strong>die</strong> dorsale und ventrale Kapsel nach medial fortsetzt. Hierdurch lässt sich erklä-<br />
128<br />
Valgusstress Varusstress<br />
Extension 90° Flexion Extension 90° Flexion<br />
MCL 31% 54% - -<br />
LCL - - 14% 9%<br />
Kapsel 38% 10% 32% 13%<br />
Gelenkführung 31% 33% 55% 75%<br />
Tabelle 1:<br />
Anteile der Lig<strong>am</strong>ente, Weichteile und knöchernen Strukturen an der Ges<strong>am</strong>tstabilität unter verschiedenen<br />
Gelenkstellung und Belastungen.
Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />
ren, dass 80–90% aller Luxation nach dorsoradial erfolgen. Unterschieden wird <strong>die</strong> e<strong>in</strong>fache<br />
Luxation, bei der „nur“ lig<strong>am</strong>entäre Verletzungen vorliegen, von der Luxationsfraktur.<br />
In ca. 20–50% aller Fälle kommt es zu knöchernen Begleitverletzungen. Betroffen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />
absteigender Reihenfolge der Radiuskopf, gefolgt von Processus coronoideus und distalem<br />
Humerus. Von e<strong>in</strong>er „terrible triad of the elbow“ spricht man, wenn neben der MCL-Ruptur<br />
Frakturen des Radiuskopf und Processus coronoideus vorliegen.<br />
E<strong>in</strong>teilung und kl<strong>in</strong>ische Untersuchung<br />
Von essentieller Bedeutung ist <strong>die</strong> Stabilitätsprüfung nach Reposition, um e<strong>in</strong>e verbliebene<br />
Instabilität auszuschließen, <strong>die</strong> folgendermaßen e<strong>in</strong>geteilt werden kann:<br />
I°: objektiv (Untersucher) <strong>in</strong>stabil, subjektiv (Patient) stabil<br />
II°: objektiv und subjektiv <strong>in</strong>stabil<br />
Das Gelenk wird von der Extension <strong>in</strong> <strong>die</strong> (volle) Flexion durchbewegt. Varus- und Valgusstress<br />
müssen jeweils <strong>in</strong> Streck- und 30°-Beugestellung ausgeübt werden. Hierbei muss<br />
besonders auf Schmerzen und e<strong>in</strong>e vermehrte Aufklappbarkeit geachtet werden. Weitere<br />
Tests zur Detektion von Instabilitäten s<strong>in</strong>d der Chair-Rise-Test, Liegestütze sowie der Pivot-<br />
Shift-Test. Mit dem Pivot-Shift-Test kann <strong>die</strong> sogenannte posterolaterale Rotations<strong>in</strong>stabilität<br />
diagnostiziert werden. Der Patient liegt mit im Schultergelenk exten<strong>die</strong>rtem und adduziertem<br />
Arm auf dem Rücken, während der Ellenbogen 20–30° flektiert ist. Unter Ausübung<br />
von Sup<strong>in</strong>ation und Valgusstress mit zunehmender axialer Kompression kann e<strong>in</strong>e Subluxation<br />
des Radiuskopfes provoziert werden. Durch Flexion und Pronation wird wieder<br />
reponiert.<br />
Therapie<br />
Bei E<strong>in</strong>treffen des Patienten muss zunächst der neurovaskuläre Status erhoben verhoben<br />
werden. Röntgenbilder <strong>in</strong> 2 Ebenen sollten vor der Reposition erhoben werden, um Stellungsverhältnisse<br />
und knöcherne Begleitverletzungen beurteilen zu können. Unter Analgose<strong>die</strong>rung<br />
kann dann versucht werden, den Ellenbogen geschlossen zu reponieren. Dabei<br />
liegt der Patient auf dem Rücken, der verletzte Arm bef<strong>in</strong>det sich vor se<strong>in</strong>er Brust. Die Reposition<br />
erfolgt unter Zug <strong>am</strong> proximalen Unterarm entlang der Humeruslängsachse und an<br />
der Hand entlang der Unterarmachse, während e<strong>in</strong> Assistent den Oberarm fixiert und gegenzieht.<br />
Nach erfolgreicher Reposition wird unter Bildwandlerkontrolle <strong>die</strong> Stabilität<br />
<strong>über</strong>prüft wie oben beschrieben. Varus- und Valgus<strong>in</strong>stabilitäten können häufig festgestellt<br />
werden. Der neurovaskuläre Status muss unbed<strong>in</strong>gt erneut erhoben und das Repositionsergebnis<br />
mit Röntgenbildern <strong>in</strong> 2 Ebenen dokumentiert werden.<br />
Im Falle e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>fachen Luxation ohne Reluxationsneigung reicht <strong>die</strong> Ruhigstellung des<br />
Ellenbogens <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er dorsalen Gipsschiene oder Armschl<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> 90°-Beugestellung für<br />
maximal e<strong>in</strong>e Woche (Case 1). Mit der stabilisierenden Physiotherapie unter Vermeidung<br />
von Varus- und Valgusstress kann sofort begonnen werden, sofern es <strong>die</strong> Schmerzsymptomatik<br />
des Patienten zulässt. Die Prognose ist im Allgeme<strong>in</strong>en als gut zu bezeichnen, da <strong>die</strong><br />
lig<strong>am</strong>entären Verletzungen unter frühfunktioneller Therapie meist folgenlos ausheilen,<br />
wenn ke<strong>in</strong>e knöchernen Begleitverletzungen vorliegen. Josefsson et al. verglichen 1987 <strong>in</strong><br />
129
Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />
A B C D<br />
Case 1:<br />
E<strong>in</strong>fache Ellenbogenluxation (1 A+B) mit gutem radiologischem Ergebnis nach 5 Monaten (1 C+D).<br />
e<strong>in</strong>er prospektiv randomisierten Stu<strong>die</strong> <strong>die</strong> operative Naht des MCL und LCL (n=15) mit der<br />
konservativen Therapie (n=15) mittels Gipsruhigstellung. In allen Fällen konnte nach der<br />
Reposition e<strong>in</strong>e mediale Instabilität nachgewiesen werden. Nach e<strong>in</strong>em Follow-up von<br />
5 Jahren lag ke<strong>in</strong> signifikanter Unterschied vor. Maripuri et al. berichteten 2007 <strong>über</strong> signifikant<br />
bessere Ergebnisse nach Ruhigstellung mittels Armschl<strong>in</strong>ge und frühfunktioneller<br />
Therapie gegen<strong>über</strong> der Gipsruhigstellung für 2 Wochen. Reluxationen traten nicht auf.<br />
Fazit: e<strong>in</strong>fache Luxation – e<strong>in</strong>fache Therapie. Chronische Instabilitäten entwickeln sich<br />
lediglich <strong>in</strong> 2%.<br />
Die Luxationsfrakturen gehen jedoch noch immer mit e<strong>in</strong>er deutlich schlechteren Prognose<br />
e<strong>in</strong>her – abhängig von den Begleitverletzungen. McKee et al. berichteten 2005 <strong>über</strong> 8 Komplikationen<br />
bei 34 Patienten mit e<strong>in</strong>er terrible triad of the elbow: 1 Infekt, 1 rezidivierende<br />
Luxation, 2 radioulnare Synostosen und Ankylosen, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e Arthrolyse erforderlich mach-<br />
ten. Entscheidend für das Outcome nach Luxationsfrakturen ist das frühzeitige Erkennen<br />
und Versorgen der Begleitverletzungen – <strong>in</strong>sbesondere der Radiuskopf- und Coronoidfrakturen.<br />
1. Radiuskopffrakturen:<br />
Radiuskopffrakturen, <strong>die</strong> im Rahmen e<strong>in</strong>er Luxation auftreten, werden als Mason IV-Frakturen<br />
klassifiziert. Wenn es sich um e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>eres oder nicht-disloziertes Fragment ohne<br />
funktionelle Relevanz handelt, ist ke<strong>in</strong>e Osteosynthese erforderlich. Es handelt sich jedoch<br />
meist um Trümmerfrakturen nach hochenergetischem Trauma, <strong>die</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em hohen Prozentsatz<br />
der Fälle mit e<strong>in</strong>er Ruptur des MCL e<strong>in</strong>hergehen. Dann ist e<strong>in</strong>e Osteosynthese unumgänglich.<br />
Falls <strong>die</strong> Fraktur nicht rekonstruierbar ist, muss e<strong>in</strong> endoprothetischer Ersatz erfolgen<br />
(Case 2). Die alle<strong>in</strong>ige Resektion sollte <strong>in</strong> der akuten Fraktursituation nicht durchgeführt<br />
werden, da sie <strong>die</strong> Entstehung von Instabilitäten begünstigt.<br />
2. Processus coronoideus-Frakturen:<br />
Der Processus coronoideus ist aus mehreren Gründen von entscheidender Bedeutung für<br />
<strong>die</strong> Ellenbogenstabilität: Zum e<strong>in</strong>en wirkt er bei Axialkräften als knöchernes Widerlager,<br />
zum anderen <strong>die</strong>nt er als Ansatz für das anteriore Bündel des MCL, das für <strong>die</strong> Stabilität<br />
besonders wichtig ist. Außerdem <strong>die</strong>nt er als Ansatz für <strong>die</strong> ventrale Kapsel und den<br />
130
Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />
M. brachialis. Er frakturiert <strong>in</strong> ca. 2 – 15% aller Ellenbogenluxationen. Nach Regan und<br />
Morrey werden 3 Typen unterschieden:<br />
Typ I: kle<strong>in</strong>es Spitzenfragment<br />
Typ II: Fragmentgröße kle<strong>in</strong>er als 50% des Coronoids<br />
Typ III: Fragmentgröße größer als 50% des Coronoids<br />
Typ I-Frakturen können konservativ therapiert werden, solange sicher ausgeschlossen<br />
ist, dass das anteriore Bündel des MCL nicht knöchern ausgerissen ist. Dies ist im konventionellen<br />
Röngenbild aufgrund von Überlagerungen oftmals schwer zu beurteilen und muss<br />
notfalls mittels CT <strong>über</strong>prüft werden. Nicht selten verbirgt sich h<strong>in</strong>ter e<strong>in</strong>em konventionellradiologischen<br />
Spitzenfragment e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>stabile Typ II-Fraktur. Dann liegt e<strong>in</strong>e Instabilität<br />
vor, und es muss e<strong>in</strong>e osteosynthetische Stabilisierung erfolgen. Es muss auch im a.p.-Bild<br />
auf das Tuberculum sublime – den knöchernen Ansatz des MCL <strong>am</strong> Coronoid – geachtet<br />
werden. Diese können sich <strong>in</strong> der seitlichen Projektion ebenfalls als „harmloses“ Spitzenfragment<br />
darstellen (Case 3). E<strong>in</strong>e OP-Indikation besteht auch, wenn das Spitzenfragment<br />
als freier Gelenkkörper Beschwerden bereitet.<br />
Typ II-Frakturen müssen ebenfalls auf ihre Stabilität <strong>über</strong>prüft werden. Bei nach ventroradial<br />
verlaufenden Schrägfrakturen und Horizontalfrakturen ist das anteriore Bündel meist<br />
nicht betroffen. Hier kann e<strong>in</strong> konservatives Vorgehen erwogen werden. E<strong>in</strong>e Instabilität<br />
liegt - wie bereits beschrieben – vor, wenn bei schrägem mediodorsalem Frakturverlauf<br />
der Ansatz des anterioren MCL-Bündels betroffen ist (Case 3). Zur sicheren Beurteilung des<br />
Frakturverlaufes sollte e<strong>in</strong> CT durchgeführt werden. Weiterh<strong>in</strong> führen begleitende Radius-<br />
A B C<br />
D<br />
E<br />
Case 2:<br />
Ellenbogenluxationsfraktur (2 A+B) mit nicht rekonstruierbarer Fraktur des Radiuskopfes (2 C+D), versorgt mit<br />
geschlossener Reposition und postprimärer Implantation e<strong>in</strong>er Radiuskopfprothese nach Judet (2 E+F).<br />
F<br />
131
Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />
A B C<br />
D E F<br />
Case 3:<br />
Coronoidfraktur mit konventionell radiologischem Spitzenfragment und leicht zu <strong>über</strong>sehender Abrissfraktur des<br />
Tuberculum sublime (Pfeil) (3 A+B). In den CT-Schnitten zeigt sich sehr schön der mediodorsale Frakturverlauf (3 C)<br />
und das Tuberculum sublime-Fragment (3 D). Versorgung mittels Plattenosteosynthese, freier Schraube und<br />
Fadenanker (3 E+F).<br />
kopffrakturen oftmals zur Instabilität – terrible triade of the elbow. Instabile Typ II-Frakturen<br />
müssen unbed<strong>in</strong>gt operativ stabilisiert werden.<br />
Typ III-Frakturen s<strong>in</strong>d generell <strong>in</strong>stabil: Das knöcherne Widerlager gegen Axialkräfte fehlt,<br />
MCL, ventrale Kapsel und ggf. der M. brachialis s<strong>in</strong>d knöchern ausgerissen. Diese Frakturen<br />
führen d<strong>am</strong>it quasi zwangsläufig zur Instabilität und s<strong>in</strong>d daher „ausnahmslos“ operativ zu<br />
versorgen.<br />
Literatur:<br />
1. An K, Morrey BF. Biomechanics of the elbow. In: Morrey BF: The elbow and ist disorders,<br />
3rd edition, Saunders, Philadelphia, 2000: 74-83.<br />
2. Josefsson PO, Gentz CF, Johnell O, Wendeberg B. Surgical versus nonsurgical treatment<br />
of lig<strong>am</strong>entous <strong>in</strong>juries follow<strong>in</strong>g dislocations of the elbow jo<strong>in</strong>t. Cl<strong>in</strong> Orthop Relat Res,<br />
1987, 214(1): 165-169.<br />
3. Maripuri SN, Debnath UK, Rao P, Mohanty K. Simple elbow dislocation <strong>am</strong>ong<br />
adults: a comparative study of two different methods of treatment. Injury, 2007, 38(11):<br />
1254-1258.<br />
4. Korner J, Lill H, Hepp P. Funktionelle Anatomie und Biomechanik. In: Josten, Lill:<br />
Ellenbogenverletzungen, Ste<strong>in</strong>kopf, Darmstadt, 2002: 1-13.<br />
132
Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />
5. Lill H, Korner J, Josten C. Luxationen und Instabilitäten. In: Josten, Lill: Ellenbogenverletzungen,<br />
Ste<strong>in</strong>kopf, Darmstadt, 2002: 99-123.<br />
6. McKee MD, Pugh DM, Wild LM, Schemitsch EH, K<strong>in</strong>g GJ. Standard surgical protocol<br />
to treat elbow dislocation with radial head and coronoid fractures. Surgical technique.<br />
J Bone Jo<strong>in</strong>t Surg, 2005, 87(suppl.1): 22-31.<br />
7. Morrey BF, Ann KN. Articular and lig<strong>am</strong>entous contributions to the stability of the elbow<br />
jo<strong>in</strong>t. Am J Sports Med, 1983, 11(5): 315-319.<br />
8. O‘Driscoll SW, Morrey BF, Kor<strong>in</strong>ek S, An KN. Elbow subluxation and dislocation.<br />
A spectrum of <strong>in</strong>stability-Cl<strong>in</strong> Orthop Relat Res, 1992, 280(7): 186-197<br />
9. Saati AZ, McKee MD. Fracture-dislocation of the elbow: diagnosis, treatment and<br />
prognosis. Hand Cl<strong>in</strong>, 2004, 20(4):405-415.<br />
10. Sotereanos D, Hotchkiss RN. Complex Traumatic Elbow Dislocations. In: Green,<br />
Hotchkiss, Pederson, Wolfe: Green‘s Operative Hand Surgery, 5th edition, Elsevier,<br />
Curchill Liv<strong>in</strong>gstgon, 2005: 907-918.<br />
Kontakt:<br />
Burkhart, Klaus J., Dr. med.<br />
Rommens, M., Univ.-Prof. Dr. med. Dr. h.c. Pol<br />
Müller, Lars P., PD Dr. med.<br />
Zentrum für Unfallchirurgie und Orthopä<strong>die</strong><br />
Universitätsmediz<strong>in</strong> der<br />
Johannes Gutenberg-Universität Ma<strong>in</strong>z<br />
Langenbeckstraße 1<br />
55131 Ma<strong>in</strong>z<br />
133
A. Wentzensen, Ludwigshafen<br />
Distale Humerusfrakturen<br />
Manuskript lag zum Zeitpunkt des Drucks nicht vor.<br />
Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />
135
K. Wenda<br />
Olecranon- und Monteggiafrakturen<br />
Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />
Zus<strong>am</strong>menfassung:<br />
Olecranonfrakturen werden operativ versorgt, e<strong>in</strong>fache Frakturen mit e<strong>in</strong>er Zuggurtung,<br />
komplexe Frakturen mit e<strong>in</strong>er Plattenosteosynthese. Entscheidend ist <strong>die</strong> rout<strong>in</strong>emäßige<br />
Suche nach den vielfältigen Zusatzverletzungen und deren adaequate Behandlung.<br />
Monteggiafrakturen s<strong>in</strong>d im Erwachsenenalter selten und im K<strong>in</strong>desalter häufig. Entscheidend<br />
ist <strong>die</strong> exakte Stellung des Humeroradialgelenkes nach Reposition der Ulna.<br />
Schlüsselwörter:<br />
Olecranonfraktur, Monteggialäsion<br />
Summary:<br />
Internal fixation is the treatment of choice for olecranon fractures. Simple fractures<br />
are stabilized with tension band wir<strong>in</strong>g, complex fracture with plates. Rout<strong>in</strong>ely typical<br />
additional lesions should be searched and adaequately treated.<br />
Key words:<br />
Olecranon fracture, Monteggia lesion<br />
Das Olecranon- der sogenannte Ellenhaken – ist der proximalste gelenkbildende Teil<br />
der Ulna. Olecrononfrakturen treten isoliert und als Komb<strong>in</strong>ationsverletzung auf. Zu unterscheiden<br />
s<strong>in</strong>d:<br />
• E<strong>in</strong>fache Olecranonfrakturen<br />
• Olecranonfrakturen mit Keil und komplexe Olecranonfrakturen<br />
• Olecranonfrakturen mit Ellenbogenluxation<br />
• Komb<strong>in</strong>ation mit Radiusköpfchenfrakturen<br />
• Komb<strong>in</strong>ation mit Frakturen des Processus coronoideus<br />
• Komb<strong>in</strong>ation mit distalen Humerusfrakturen<br />
• Komb<strong>in</strong>ation mit lig<strong>am</strong>entärer Instabilität<br />
Für <strong>die</strong> kl<strong>in</strong>ische Praxis ergibt sich <strong>die</strong> Notwendigkeit, bei jeder Olecranonfraktur auf den<br />
Röntgenbildern genau nach den typischen Zusatzverletzungen zu suchen. Ergibt <strong>die</strong> Analyse<br />
e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Olecranonfraktur muss wie bei jeder Fraktur <strong>die</strong> Weichteilsituation genau<br />
evaluiert werden. In der Regel bietet sich bei e<strong>in</strong>fachen Olecranonfrakturen <strong>die</strong> primäre<br />
Osteosynthese an.<br />
Die Operation kann sowohl <strong>in</strong> Rücken als auch <strong>in</strong> Bauchlage durchgeführt werden. Bei<br />
e<strong>in</strong>fachen Frakturen kann man <strong>in</strong> der Regel auf den Aufwand der Bauchlage verzichten.<br />
137
Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />
Bei komplexen Frakturen s<strong>in</strong>d jedoch Reposition und Bildwandlerkontrolle <strong>in</strong> Bauchlage<br />
wesentlich e<strong>in</strong>facher, so daß komplexe Frakturen <strong>in</strong> Bauchlage operiert werden sollten.<br />
Bei e<strong>in</strong>fachen Frakturen ist <strong>die</strong> Zuggurtungsosteosynthese Standard, e<strong>in</strong>ige Regeln s<strong>in</strong>d<br />
jedoch unbed<strong>in</strong>gt zu beachten:<br />
Nach der Reposition und dem E<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen der Drähte muss e<strong>in</strong>e Bildwandlerkontrolle<br />
erfolgen, weil sich immer mal doch Fehllagen ergeben.<br />
Die Drähte sollten knapp <strong>über</strong> <strong>die</strong> Gegencorticalis plaziert werden. Intr<strong>am</strong>edulläre Drähte<br />
bieten ke<strong>in</strong>en ausreichenden Halt. Weites <strong>über</strong>stehen der Drähte kann Ossifikationen bis<br />
h<strong>in</strong> zu Synostosen verursachen.<br />
Die Drähte sollten parallel e<strong>in</strong>gebracht werden, weil der Zuggurtungseffekt der Cerclage bei<br />
funktioneller Bewegung sonst nicht e<strong>in</strong>tritt. Im Frakturspalt sich kreuzende Drähte sperren<br />
und beh<strong>in</strong>dern <strong>die</strong> Knochenheilung.<br />
Die Drähte müssen nach legen der Cerclage um 180° umgebogen und sicher <strong>über</strong> den<br />
Cerclagedraht plaziert werden.<br />
Nach vollendeter Osteosynthese müssen Pro- und Sup<strong>in</strong>ation <strong>in</strong>traoperativ frei durchführbar<br />
se<strong>in</strong>, gelegentlich zeigt sich e<strong>in</strong>e, auf e<strong>in</strong>en <strong>in</strong> den Radius gebohrten Draht zurückzuführende<br />
Bewegungstörung.<br />
E<strong>in</strong>e regelrechte Zuggurtungsosteosynthese kann gipsfrei funktionell nachbehandelt<br />
werden.<br />
Bei Osteoporose kommen Fehlschläge der Zuggurtungsosteosynthese auch bei e<strong>in</strong>fachen<br />
Olecranonfrakturen vor. Plattenosteosynthesen mit w<strong>in</strong>kelstabilen Schrauben bef<strong>in</strong>den sich<br />
derzeit <strong>in</strong> der kl<strong>in</strong>ischen Erprobung. Inwieweit d<strong>am</strong>it bessere Ergebnisse erzielt werden<br />
können, bleibt abzuwarten.<br />
Olecranonfrakturen mit Biegungskeil s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>stabiler als e<strong>in</strong>fache Frakturen. Zus<strong>am</strong>men mit<br />
e<strong>in</strong>er Zugschraubenfixation des Biegungskeiles kann mit e<strong>in</strong>er Zuggurtung gelegentlich<br />
noch ausreichende Stabilität erzielt werden, Dreifragmentfrakturen s<strong>in</strong>d der Grenzbereich<br />
zwischen Zuggurtunsosteosynthese und Platte, ab vier Fragmenten sollte e<strong>in</strong>e Plattenosteosynthese<br />
durchgeführt werden, entweder mit e<strong>in</strong>er um den Ellenhaken umgebogenen<br />
Rekonstruktionsplatte oder vorzugsweise mit e<strong>in</strong>er der neuen speziellen Formplatten mit<br />
w<strong>in</strong>kelstabilen Schrauben.<br />
Verriegelungsnägel für <strong>die</strong> proximale Ulna bef<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> der kl<strong>in</strong>ischen Erprobung, Vorteile<br />
können bei langstreckigen Frakturen der Ulna erwartet werden.<br />
Bei Zusatzverletzungen erfolgt <strong>die</strong> Osteosynthese des Olecranon wie oben für <strong>die</strong> e<strong>in</strong>fachen<br />
Frakturen dargelegt.<br />
Frakturen des Capitulum Humeri und des Epicondylus– meist des Epicondylus radialis –<br />
müssen mit Schrauben refixiert werden.<br />
Im Bereich des Processus coronoideus wird zwischen stabilen und <strong>in</strong>stabilen Verletzungen<br />
unterschieden. Frakturen der Spitze des Processus coronoideus s<strong>in</strong>d stabil, bei größeren<br />
Fragmenten, <strong>die</strong> refixiert werden müssen, birgt e<strong>in</strong> ventraler Zugang immer <strong>die</strong> Gefahr<br />
ausgeprägter postoperativer Ossifikationen mit Bewegungse<strong>in</strong>schränkung und sollte nur<br />
dann durchgeführt werden, wenn ohne e<strong>in</strong>e Schraubenfixation von ventral ke<strong>in</strong>e aus-<br />
reichende Stabilität erzielt werden kann. In Komb<strong>in</strong>ation mit Olecranonfrakturen werden<br />
große Fragmente des Processus coronoideus besser von dorsal mit Schrauben neben oder<br />
durch <strong>die</strong> Platte fixiert.<br />
138
Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />
Abb. 1:<br />
Monteggiaäquivalent beim älteren Patienten mit nicht s<strong>in</strong>nvoll rekonstruierbarer Radiuskopffraktur:<br />
Der erhaltene Processus coronoideus ist wichtig für <strong>die</strong> Stabilität<br />
H<strong>in</strong>sichtlich der Stabilität besonders <strong>in</strong> den ersten Wochen nach der Verletzung s<strong>in</strong>d Komb<strong>in</strong>ationen<br />
von Frakturen des Processus coronoideus und des Radiusköpfchens natürlich<br />
kritischer als isolierte Frakturen, <strong>die</strong> sogenannte Terrible Triade ist e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation von<br />
lig<strong>am</strong>entäreren Verletzungen mit Frakturen des Processus coronoideus und des Radiusköpfchen<br />
und stellt <strong>die</strong> <strong>in</strong>stabilste Verletzungsform dar.<br />
Für <strong>die</strong> Versorgung von begleitenden Radiusköpfchenfrakturen besteht e<strong>in</strong>e Vielzahl von<br />
therapeutischen Optionen. E<strong>in</strong>fache Radiusköpfchenfrakturen können oft durch den dorsalen<br />
Zugang mittels Schraubenostosynthese mitversorgt werden. Bei komplexen Radiusköpfchenfrakturen<br />
gelten <strong>die</strong> Regeln der Versorgung <strong>die</strong>ser Fraktur zumeist <strong>über</strong> e<strong>in</strong>en zusätzlichen<br />
radialen Zugang. Bei jungen Patienten sollte <strong>die</strong> Rekonstruktion des Radiusköpfchens<br />
immer angestrebt werden. Bei nicht rekonstruierbaren Radiusköpfchenfrakturen<br />
kommt e<strong>in</strong>e Radiusköpfchenprothese <strong>in</strong> Betracht, <strong>die</strong> Indikation hierzu sollte jedoch bei<br />
jungen Patienten wegen Folgeproblemen im Langzeitverlauf nur mit großer Zurückhaltung<br />
gestellt werden. E<strong>in</strong>ige Autoren empfehlen bei sehr jungen Patienten sogar, e<strong>in</strong>e Radiusköpfchenprothese<br />
nur zeitweilig bis zur sicheren Ausheilung der Bänder zu belassen und<br />
dann zu entfernen. Dies kann auch e<strong>in</strong>e Option bei e<strong>in</strong>er Essex-Lopresti Läsion mit Zerreißung<br />
der membrana <strong>in</strong>terossea se<strong>in</strong>.<br />
Bei älteren Patienten wird <strong>die</strong> Indikation zur Radiusköpfchenresektion (Abb.1) bei komplexen<br />
Frakturen im eigenen Krankengut grosszügig gestellt, weil Bewegungse<strong>in</strong>schränkungen<br />
nach aufwendigen Osteosynthesen häufig s<strong>in</strong>d und dauerhafte kl<strong>in</strong>isch relevante Instabilitäten<br />
bei der Komb<strong>in</strong>ation von Olecranonfrakturen mit Radiusköpfchenfrakturen zum<strong>in</strong>dest<br />
<strong>in</strong> der eigenen kl<strong>in</strong>ischen Erfahrung niemals vorkommen.<br />
Die transolecranische Ellenbogenluxationsfraktur stellt <strong>die</strong> proximalste Form e<strong>in</strong>er Monteggia-Verletzung<br />
dar (Abb.2). Bei der klassischen Monteggia-Fraktur handelt es sich um<br />
e<strong>in</strong>e proximale Ulnafraktur mit Radiusköpfchenluxation, mitverletzt s<strong>in</strong>d immer <strong>die</strong> Bänder<br />
des proximalen Radioulnargelenkes, des Humeroradialgelenkes und <strong>die</strong> Membrana <strong>in</strong>terossea.<br />
Unter Monteggia-Äquivalenten (Monteggia like lesions) versteht man alle proximalen<br />
Ulnaschaftfrakturen mit <strong>über</strong> <strong>die</strong> Luxation h<strong>in</strong>ausgehenden Schädigungen des proximalen<br />
Radioulnargelenkes und des Humeroradialgelenkes, z.B. mit Radiusköpfchenfrakturen und<br />
Frakturen des Processus Coronoideus.<br />
139
Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />
Abb. 2:<br />
Transolecranische Luxationsfraktur (proximalste Montegiafraktur).<br />
Versorgung mit Rekonstruktionsplatte und Verschraubung des Processus Coronoideus durch <strong>die</strong> Platte<br />
Monteggiafrakturen s<strong>in</strong>d bei Erwachsenen selten und im K<strong>in</strong>desalter häufig. Im Krankengut<br />
der Freiburger Universitätskl<strong>in</strong>ik fanden Konrad et. al. <strong>in</strong> zehn Jahren 63 Erwachsene mit<br />
Monteggiafrakturen oder ihren Äquivalenten. 73% hatten e<strong>in</strong> gutes Ergebnis, allerd<strong>in</strong>gs<br />
mussten immerh<strong>in</strong> 26% nach der Erstoperation noch e<strong>in</strong>mal revi<strong>die</strong>rt werden. Luxationen<br />
des Radiuskopfes nach dorsal und zusätzliche Frakturen des Radiuskopfes und des Processus<br />
coronoideus waren erwartungsgemäß prognostisch ungünstig.<br />
Bei Ulnaschaftfrakturen muss immer das Ellenbogengelenk im seitlichen Strahlengang<br />
h<strong>in</strong>sichtlich möglicher Luxations- oder Subluxationsstellungen des Radiusköpfchens <strong>über</strong>prüft<br />
werden. Wichtig ist bei Ulnafrakturen <strong>die</strong> röntgenologische Darstellung des ges<strong>am</strong>ten<br />
Unterarmes e<strong>in</strong>schließlich Handgelenk, um Fehlstellungen im distalen Radiulnargelenk und<br />
Essex-Lopresti-Läsionen zu erkennen, <strong>die</strong> zwar selten aber von erheblicher Konsequenz<br />
s<strong>in</strong>d, weil <strong>über</strong>sehene Läsionen später nur sehr schwer zu rekonstruieren s<strong>in</strong>d.<br />
Bei Erwachsenen ist <strong>die</strong> Plattenosteosynthese der Ulna <strong>die</strong> Standardversorgung, k<strong>in</strong>dliche<br />
Ulnafrakturen werden heute meist mit elastisch stabilisierenden <strong>in</strong>tr<strong>am</strong>edullären Nägeln<br />
versorgt.<br />
Bei k<strong>in</strong>dlichen Verletzungen ist es wichtig zu wissen, dass Radiusköpfchenluxationen ohne<br />
Fraktur der Ulna vorkommen können.Man kann versuchen <strong>die</strong> „bow<strong>in</strong>g ulna“ zurückzubiegen,<br />
wenn <strong>die</strong>s nicht gel<strong>in</strong>gt ist e<strong>in</strong>e Osteotomie der Ulna und Stabilisierung mit e<strong>in</strong>er Platte<br />
oder e<strong>in</strong>em Fixateur externe erforderlich. Die Repostion des Radiusköpchen mit Zwang und<br />
temporärer Bohrdrahtfixation ist obsolet, weil es nach Entfenung des Bohrdrahtes regelhaft<br />
erneut zur Luxation kommt.<br />
Kontakt:<br />
Wenda, Klaus, Prof. Dr. med.<br />
Direktor der Kl<strong>in</strong>ik für Unfall-, Hand- und Orthopädische Chirurgie<br />
HSK Dr. Horst Schmidt Kl<strong>in</strong>ik<br />
Ludwig-Erhard-Straße 100, 65199 Wiesbaden<br />
140
H. W<strong>in</strong>kler<br />
K<strong>in</strong>dliche Ellenbogenfrakturen<br />
Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />
Zus<strong>am</strong>menfassung<br />
K<strong>in</strong>dliche Frakturen unterscheiden sich erheblich von Frakturen im Erwachsenenalter.<br />
Unfallmechanismen oder Fragmentzahl spielen im Gegensatz zu Frakturen des Erwachsenen<br />
e<strong>in</strong>e untergeordnete Rolle; wesentlich entscheidender s<strong>in</strong>d Frakturlokalisation und<br />
Fragmentmorphologie. Bei noch offenen Wachstumsfugen weichen Frakturmorphologie,<br />
Therapiealgorithmus und Outcome erheblich von denen der Erwachsenen ab. Die bee<strong>in</strong>flussenden<br />
Faktoren der Heilung und Behandlung s<strong>in</strong>d determ<strong>in</strong>iert vom biologischen Alter<br />
und der Wachstumspotenz der Fuge. Der Prozess der Spontankorrektur und des Remodel<strong>in</strong>g<br />
muss prospektiv <strong>in</strong> <strong>die</strong> Behandlungs<strong>über</strong>legungen e<strong>in</strong>fließen. Hierbei s<strong>in</strong>d schon bei Behandlungsbeg<strong>in</strong>n<br />
<strong>die</strong> Grenzen und Möglichkeiten des Remodel<strong>in</strong>g abzuschätzen.<br />
Bei extraartikulären Frakturen kann man <strong>in</strong> gewissen Grenzen Spontankorrekturen erwarten.<br />
So ist <strong>in</strong> vielen Fällen e<strong>in</strong>e anatomisch exakte Reposition nicht erforderlich, andererseits<br />
aber können zu große Fehlstellungen nicht belassen werden. Grundsätzlich gilt, je<br />
jünger das verletze K<strong>in</strong>d ist, umso größere Fehlstellungen können im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>e<br />
Spontankorrektur akzeptiert werden. Bei allen <strong>in</strong>traartikulären Frakturen darf ke<strong>in</strong>e<br />
Spontankorrektur erwartet werden. Tendenziell geht auch <strong>die</strong> Behandlung von k<strong>in</strong>dlichen<br />
Frakturen mehr zu operativen Stabilisierungen. In jedem E<strong>in</strong>zelfall muss der behandelnde<br />
Arzt sich fragen, ob <strong>in</strong>vasive Maßnahmen erforderlich s<strong>in</strong>d.<br />
Schlüsselwörter<br />
K<strong>in</strong>dliche Frakturen, Ellenbogen, Rotationsfehler, Spontankorrektur<br />
Summary<br />
Childhood fractures differ considerably from fractures <strong>in</strong> the adulthood. The mechanism<br />
and the number of fragments are far less essential than <strong>in</strong> fracture of the adult. Of vital<br />
importance however are fracture localization and morphology of the fragment. While the<br />
epiphysis is still open fracture morphology, therapy logarithm and outcome deviate considerably<br />
<strong>in</strong> comparison to adults. The ma<strong>in</strong> <strong>in</strong>fluenc<strong>in</strong>g factor of the cure and treatment<br />
is determent from biological age and growth power of the epiphysis. The process of spontaneous<br />
correction and re- modell<strong>in</strong>g has to be prospectively <strong>in</strong>tegrated <strong>in</strong>to the treatment<br />
thoughts. Therefore possibilities and limits of the re-modell<strong>in</strong>g have to be evaluated already<br />
at the beg<strong>in</strong>n<strong>in</strong>g of treatment.<br />
In extraarticular fractures it can be expected that spontaneous corrections will take place<br />
<strong>in</strong> certa<strong>in</strong> limits. Therefore <strong>in</strong> many cases an exact anatomically reposition is obsolete,<br />
on the other hand too dist<strong>in</strong>ct malpositions can not be tolerated. Basically it applies; the<br />
younger the <strong>in</strong>jured child is, much greater malposition can be tolerated <strong>in</strong> expectation of<br />
spontaneous correction. In all <strong>in</strong>traarticular fractures no spontaneous correction is to be<br />
141
Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />
expected. There is a tendency that treatment of childhood fractures is carried out by<br />
surgical procedure. It is a s<strong>in</strong>gle case decision that has to be made by the surgeon <strong>in</strong> charge<br />
of the treatment whether there are surgical procedures necessary or not.<br />
Key words<br />
Childhood fractures, Elbow-jo<strong>in</strong>t, Malrotation, spontaneous correction<br />
Die Behandlung k<strong>in</strong>dlicher Ellenbogenfrakturen ist e<strong>in</strong>e komplexe Aufgabe, da man anatomisch<br />
und funktionell mit 3 Gelenken und 6 Knochenkernen konfrontiert wird. Je jünger das<br />
K<strong>in</strong>d ist, umso schwieriger ist <strong>die</strong> Beurteilung von Röntgenaufnahmen zur Diagnosestellung<br />
e<strong>in</strong>er knöchernen Verletzung, da <strong>die</strong> Knochenkernentwicklung nicht zeitgleich abläuft (Abb.1).<br />
Nach anatomisch morphologischen Kriterien teilen wir <strong>die</strong> Frakturen im Bereich des Ellenbogengelenks<br />
<strong>in</strong> <strong>die</strong> Abschnitte distaler Humerus, Olecranon und Radiusköpfchen e<strong>in</strong>. Am<br />
distalen Humerus muß zwischen suprakondylären, transkondylären und epikondylären<br />
Frakturen unterschieden werden.<br />
Diagnostisch ist im allgeme<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>e konventionelle Röntgenuntersuchung ausreichend.<br />
Nur <strong>in</strong> seltenen Fällen wird man zusätzlich auf e<strong>in</strong>e MRT- oder CT-Untersuchung angewiesen<br />
se<strong>in</strong>. Die Röntgendiagnostik ermöglicht auch beim wachsenden Skelett <strong>die</strong> Überprüfung<br />
bestimmter anatomischer Landmarken und W<strong>in</strong>kelstellungen. In allen Projektionsebenen<br />
muß der proximalen Radius auf das Capitulum humeri ausgerichtet se<strong>in</strong>. In der ap-Projektion<br />
ermöglicht der Baumann-W<strong>in</strong>kel und <strong>in</strong> der Seitaufnahme der Diaphysen-Epiphysenw<strong>in</strong>kel<br />
bzw. <strong>die</strong> Rogers-Hilfsl<strong>in</strong>ien e<strong>in</strong>e Stellungsbeurteilung (Abb. 2, 3 ).<br />
Abb. 1:<br />
Entwicklung der Knochenkerne <strong>am</strong> k<strong>in</strong>dlichen<br />
Ellenbogengelenk<br />
142<br />
Abb. 2:<br />
Baumann-W<strong>in</strong>kel α<br />
(aus Weber, BG; Brunner, Ch; Freuler, F. Die Frakturenbehandlung<br />
bei K<strong>in</strong>dern und Jugendlichen Spr<strong>in</strong>ger-Verlag)
Distaler Humerus<br />
Suprakondyläre Frakturen (6,5 %)<br />
Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />
Abb. 3:<br />
Rogers-Hilfsl<strong>in</strong>ien zur Stellungsbeurteilung <strong>am</strong> distalen Humerus, (a) anatomisch, (b) Extension, (c) Flexion<br />
Suprakondyläre Frakturen s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> typischen Frakturen des K<strong>in</strong>desalters; sie kommen beim<br />
Erwachsenen selten vor. Häufigkeitsgipfel ist das 5. bis 7. Lebensjahr. Es handelt sich meist<br />
um <strong>die</strong> Folgen e<strong>in</strong>es Sturzes auf den ausgestreckten oder gebeugten Arm. Ziel der Behandlung<br />
ist <strong>die</strong> funktionelle Wiederherstellung mit vollem Bewegungsumfang und der Vermeidung<br />
von Achsfehlstellungen des Armes.<br />
Die AO Klassifikation k<strong>in</strong>dlicher Frakturen unterscheidet nach dem Ausmaß der Dislokation<br />
4 Typen. (Tab. 1) Bei unverschobenen Frakturen ist e<strong>in</strong>e konservative Behandlung möglich,<br />
wobei <strong>die</strong> Problematik e<strong>in</strong>er Ausheilung <strong>in</strong> Varusfehlstellung zu beachten ist. Die operative<br />
Typ I undisloziert (stabil)<br />
Typ II disloziert <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Ebene (Ante- oder Rekurvation) (drohend <strong>in</strong>stabil)<br />
Typ III disloziert <strong>in</strong> 2 Ebenen Ante- oder Rekurvation, Rotation oder<br />
Seitverschiebung (<strong>in</strong>stabil)<br />
Typ IV disloziert <strong>in</strong> 3 Ebenen Ante- oder Rekurvation, Rotation,<br />
Seitverschiebung) (<strong>in</strong>stabil)<br />
Tabelle 1:<br />
Klassifikation suprakondylärer Humerusfrakturen nach der AO pediatric classification<br />
143
Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />
– ke<strong>in</strong>e Varus- oder Valgusfehlstellung<br />
– 6 Jahre ke<strong>in</strong>e Ante- oder Rekurvation; ke<strong>in</strong> Remodel<strong>in</strong>g möglich<br />
– ke<strong>in</strong>e Rotationsfehler<br />
Tabelle 2:<br />
Toleranzgrenzen bei suprakondylären Humerusfrakturen<br />
Behandlung stellt e<strong>in</strong>e erhebliche Herausforderung an den Traumatologen dar. Hierbei<br />
ist zu berücksichtigen, dass verbliebene Ante- oder Rekurvationsfehlstellungen zu Funktionsdefiziten<br />
<strong>in</strong> Beugung oder Streckung führen können. Das Problem der Vermeidung von<br />
Rotationsfehlstellungen stellt sich sowohl bei der konservativen wie bei der operativen<br />
Behandlung. Da <strong>die</strong> distale Wachstumsfuge nur etwa 20% zum Längenwachstum des Oberarmes<br />
beiträgt, ist <strong>die</strong> Korrekturpotenz reduziert. (Tab. 2) Bis zum 6.–7. Lebensjahr s<strong>in</strong>d<br />
Fehlstellungen kompensierbar. E<strong>in</strong>e Spontankorrektur e<strong>in</strong>er Rotationsfehlstellung oder<br />
e<strong>in</strong>e Korrektur e<strong>in</strong>er Varus- und Valgusdeformität ist nicht möglich.<br />
E<strong>in</strong>e absolute Notfall<strong>in</strong>dikation stellt <strong>die</strong> Pulslosigkeit des Unterarmes bei dislozierter,<br />
suprakondylärer Fraktur dar. Hier hat unmittelbar e<strong>in</strong>e Reposition zu erfolgen; e<strong>in</strong>e Duplexsonographie,<br />
gelegentlich auch e<strong>in</strong>e Gefäßdarstellung s<strong>in</strong>d obligat, um <strong>die</strong> Durchblutung<br />
des Armes zu gewährleisten. Therapieziel ist e<strong>in</strong> kompletter Bewegungsumfang des Ellenbogengelenkes<br />
und <strong>die</strong> Vermeidung e<strong>in</strong>es Cubitus varus.<br />
E<strong>in</strong>e konservative Behandlung, beispielsweise <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Blount’schen Verband, ist denkbar,<br />
wenn e<strong>in</strong>e Rotation des distalen Gelenkblocks sicher ausgeschlossen werden kann. Röntgenologisch<br />
ist <strong>die</strong> Fehlstellung an dem sogenannten Rotationssporn erkennbar. Regelmäßige<br />
Röntgenkontrollen s<strong>in</strong>d obligat. Die E<strong>in</strong>stellung des distalen Oberarmes kann mit<br />
Hilfe der Rogers-Hilfsl<strong>in</strong>ien kontrolliert werden, da e<strong>in</strong>e exakte W<strong>in</strong>kelmessung <strong>in</strong> den<br />
meisten Fällen nicht suffizient möglich ist (Abb. 4a,b). Aufgrund der verstärkten Beugung im<br />
Ellenbogengelenk besteht <strong>die</strong> Gefahr e<strong>in</strong>es Kompartmentsyndromes im Bereich des Unterarmes.<br />
Abb. 4a Abb. 4a<br />
144<br />
Abb. 4a:<br />
Dislokation des distalen Humerus <strong>in</strong><br />
Innenrotation und Varusfehlstellung<br />
(aus Weber, BG; Brunner, Ch; Freuler, F.<br />
Die Frakturenbehandlung bei K<strong>in</strong>dern und<br />
Jugendlichen Spr<strong>in</strong>ger-Verlag)<br />
Abb. 4b:<br />
Röntgenologisch ist <strong>die</strong> Rotationsfehlstellung<br />
an dem ventralen Knochensporn<br />
erkennbar
Abb. 5a<br />
Abb. 5d<br />
Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />
Abb. 5b Abb. 5c<br />
Abb. 5a–d:<br />
Dislozierte supracondyläre Humerusfraktur, Stabilisierung<br />
mit gekreuzten Kirschner-Drähten von radial und ulnar<br />
Die operative Behandlung wird immer bei Typ-III und Typ-IV-Fraktur zur Anwendung<br />
kommen. Zu <strong>über</strong>legen ist, ob auch e<strong>in</strong>e prophylaktische Stabilisierung bereits bei e<strong>in</strong>er<br />
Typ-II-Fraktur s<strong>in</strong>nvoll ist. Üblicherweise wird <strong>die</strong> Stabilisierung mit Kirschner-Drähten<br />
gekreuzt von radial und ulnar oder nur vor radial vorgenommen. Die Reposition ist meistens<br />
geschlossen möglich; offene Repositionen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Regel bei e<strong>in</strong>em Repositionsh<strong>in</strong>dernis<br />
oder bei extrem hoher Instabilität erforderlich (Abb. 5). Als Komplikationen müssen Schä-<br />
Abb. 6:<br />
Nach knöcherner Ausheilung verbliebener<br />
Rotationssporn mit kl<strong>in</strong>isch vermehrter<br />
Varusfehlstellung<br />
145
Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />
digungen des Nervus ulnaris durch Kirschner-Drähte oder gegebenenfalls bei externer<br />
Fixateurbehandlung auch Schädigungen im Bereich des Nervus radialis genannt werden.<br />
Der Cubitus varus stellt e<strong>in</strong>e wesentliche Komplikation dar, <strong>die</strong> <strong>in</strong> der Regel erst nach Ausheilung<br />
erkennbar wird. Allerd<strong>in</strong>gs ist <strong>die</strong>se Komplikation bereits röntgenologisch an dem<br />
sogenannten Rotationssporn des distalen Humerus erkennbar. Dieser entsteht durch e<strong>in</strong>e<br />
Rotation des distalen Humerus gegen<strong>über</strong> dem Humersschaft. (Abb. 6).<br />
Bei röntgenologischem Nachweis e<strong>in</strong>es Rotationssporns ist e<strong>in</strong>e zeitnahe Korrektur<br />
erforderlich; e<strong>in</strong>e Spontankorrektur ist nicht möglich<br />
Transkondyläre Frakturen (1,8 %)<br />
Bei den transkondylären Frakturen handelt sich ausschließlich um <strong>in</strong>traartikuläre Frakturen<br />
Sie betreffen den Kondylus ulnaris, den Kondylus radialis oder betreffen beide Kondylen<br />
<strong>in</strong> Form von Y-Frakturen. Bei e<strong>in</strong>er Dislokation mit e<strong>in</strong>er Gelenkstufe > 2 mm besteht e<strong>in</strong>e<br />
Operations<strong>in</strong>dikation. Die Diagnostik kann schwierig se<strong>in</strong>. In konventionellen Röntgenaufnahmen<br />
s<strong>in</strong>d sie gelegentlich schwer zu erkennen. Im E<strong>in</strong>zelfall kann e<strong>in</strong>e MRT-Diagnostik<br />
s<strong>in</strong>nvoll se<strong>in</strong>. Die relativ schwierig erkennbaren Frakturen des Kondylus radialis können<br />
primär e<strong>in</strong>e nur ger<strong>in</strong>gfügige Dislokation aufweisen, neigen aber zu e<strong>in</strong>er sekundären<br />
Dislokation, sodass zu deren Ausschluss 3–5 Tage nach Behandlungsbeg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>e gipsfreie<br />
Röntgenkontrolle erforderlich ist. Bei e<strong>in</strong>er Dislokation sollte wenn möglich e<strong>in</strong>e stabile<br />
Schraubenosteosynthese vorgenommen werden. Kirschner-Drähte bieten ke<strong>in</strong>e ausreichende<br />
Stabilität und können aufgrund der persistierenden Instabilität zu e<strong>in</strong>em Mehrwachstum<br />
im Bereich des Kondylus radialis führen, mit der Folge e<strong>in</strong>es Cubitus varus. Nur<br />
bei Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>dern und sehr kle<strong>in</strong>em metaphysärem Fragment kann e<strong>in</strong>e Osteosynthese mit<br />
Kirschner-Drähten erforderlich werden. Bei konservativer Behandlung und sekundärer<br />
Dislokation im Gips ist auch e<strong>in</strong> Cubitus valgus möglich (Abb. 7a,b).<br />
A B<br />
146<br />
Abb. 7a,b:<br />
Condylus radialis-Fraktur (a),<br />
Versorgung mit stabiler<br />
Schraubenosteosynthese (b)
A B<br />
Epikondyläre Frakturen (1,3 %)<br />
Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />
Frakturen der Epikondylen s<strong>in</strong>d häufig Folge e<strong>in</strong>er stattgehabten Ellenbogenluxation. Besonders<br />
häufig s<strong>in</strong>d derartige Frakturen im Bereich des Epikondylus ulnaris, <strong>die</strong> sich gelegentlich<br />
sogar <strong>in</strong> das Gelenk e<strong>in</strong>schlagen können. Es handelt sich um Apophysenfrakturen,<br />
welche ke<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss auf das Längenwachstum haben und lediglich an der Formgebung<br />
des distalen Humerus beteiligt s<strong>in</strong>d. Die Grenze der Dislokation wird im Allgeme<strong>in</strong>en bei<br />
e<strong>in</strong>em Ausmaß von 5 mm gesehen. Bis zu <strong>die</strong>ser Dislokation ist e<strong>in</strong>e konservative Behandlung<br />
möglich; dar<strong>über</strong> h<strong>in</strong>ausgehende Verschiebungen der Epikondylen sollten operativ<br />
durch Kirschner-Drähte oder kanülierte Schrauben fixiert werden (Abb. 8a,b).<br />
In das Gelenk e<strong>in</strong>geschlagene Fragmente des Epikondylus ulnaris stellen <strong>in</strong> jedem Fall<br />
e<strong>in</strong>e OP-Indikation dar<br />
Olecranonfrakturen (0,8 %)<br />
Frakturen des Olecranons s<strong>in</strong>d bei K<strong>in</strong>dern extrem selten. Sie s<strong>in</strong>d im S<strong>in</strong>ne von Monteggia-<br />
Verletzungen oft <strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ation mit Frakturen des Radius bzw. des Radiusköpfchen zu<br />
f<strong>in</strong>den. Wir f<strong>in</strong>den <strong>in</strong>tra- und extraartikuläre Frakturen, <strong>die</strong>se können undisloziert se<strong>in</strong> und<br />
bedürfen dann lediglich e<strong>in</strong>er konservativen Behandlung. Achsfehler <strong>in</strong> der Frontalebene<br />
sollten nicht toleriert werden, da <strong>die</strong>se bestehen bleiben und nicht spontan korrigiert werden.<br />
Das ger<strong>in</strong>ge Ausmaß der Dislokation erklärt sich durch das sehr kräftige Periost, welches<br />
e<strong>in</strong>en zuggurtenden Effekt ausübt. Abkippungen nach ventral können im Bereich der<br />
proximalen Ulna sekundär zu e<strong>in</strong>em Streckdefizit führen. Bei Frakturspalten <strong>die</strong> <strong>in</strong> das<br />
Gelenk h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>reichen und e<strong>in</strong> Ausmaß von 2–3 mm erreichen, sollte e<strong>in</strong>e operative Versorgung<br />
mit Zuggurtung oder Platte durchgeführt werden.<br />
Dislokationen und Gelenkstufen >2 mm stellen e<strong>in</strong>e OP-Indikation dar<br />
Abb. 8a,b:<br />
Abbruch des Epikondylus ulnaris<br />
nach Ellenbogenluxation<br />
147
Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />
Grad 1 Abkippung < 20°<br />
Grad 2 Abkippung 20–45°<br />
Grad 3 Abkippung 25–80°<br />
Grad 4 Abkippung >80°<br />
Tabelle 3:<br />
Frakturklassifikation nach Metaizeau<br />
Radiusköpfchenfrakturen (1,3 %)<br />
Frakturen des Radiusköpfchens s<strong>in</strong>d seltene Frakturen. Die Besonderheit besteht dar<strong>in</strong>,<br />
dass se<strong>in</strong>e Durchblutung als e<strong>in</strong>e Endstrombahnversorgung ausgelegt ist. Jede Fraktur und<br />
jeder Repositionsversuch kann e<strong>in</strong>e Störung der periostalen Durchblutung mit e<strong>in</strong>er avaskulären<br />
Nekrose e<strong>in</strong>er Verplumpung des Radiusköpfchense<strong>in</strong>treten zur Folge haben. Fehlstellungen<br />
bis 50° können nach von Laer bis zum 10. Lebensjahr spontan korrigiert werden.<br />
(Tab. 3 )<br />
Bei den subkapitalen Frakturen unterscheiden wir zwischen Stauchungs-, Grünholz- und<br />
vollständigen Frakturen sowie Frakturen mit Epiphysenbeteiligung. Immer besteht e<strong>in</strong>e<br />
Rotationse<strong>in</strong>schränkung. Bei der konventionellen Röntgenuntersuchung kann gelegent-<br />
lich <strong>die</strong> Angulation des Radiushalses zu e<strong>in</strong>er Fehl<strong>in</strong>terpretation im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>e<br />
Fehlstellung führen. Die Therapie sollte möglichst atraumatisch durchgeführt werden. Die<br />
konser-vative Therapie muss altersabhängig <strong>am</strong> Ausmaß der Abkippung des Radiusköpfchens<br />
orientiert werden. Während bis zum 10. Lebensjahr im Allgeme<strong>in</strong>en Fehlstellungen<br />
und Abkippungen bis 50–60% toleriert werden, sollten Fehlstellungen von 10–20% <strong>über</strong><br />
dem 10. Lebensjahr nicht akzeptiert werden. In der Regel ist e<strong>in</strong>e geschlossene Reposi-<br />
tion möglich; gelegentlich kann perkutan <strong>die</strong> Reposition mit Hilfe von Kirschner-Drähten,<br />
bzw. e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>tr<strong>am</strong>edullär e<strong>in</strong>geführten, elastisch stabilen Nagel vorgenommen werden<br />
(Abb.9).<br />
Die transartikuläre Fixation mit Kirschner-Drähten ist obsolet, da mit Nekrosen des<br />
Radiusköpfchens zu rechnen ist.<br />
Zus<strong>am</strong>menfassend ist festzustellen, dass <strong>die</strong> Behandlung k<strong>in</strong>dlicher Ellenbogenfraktu-<br />
ren sehr viel Wissen um <strong>die</strong> Ausbildung der Knochenkerne, <strong>die</strong> Durchblutungssituation<br />
und <strong>die</strong> Möglichkeiten der Spontankorrektur des k<strong>in</strong>dlichen Knochens erfordert. Die<br />
Therapieentscheidung wird immer durch <strong>die</strong> spontane Korrekturpotenz des Knochens<br />
bee<strong>in</strong>flusst. Insbesondere belassene Fehlstellungen, bei denen man e<strong>in</strong>e Spontankorrektur<br />
im Laufe des Wachstums erwartet, stellen den behandelnden Arzt vor schwierige Aufgaben,<br />
wobei <strong>die</strong>se Fehlstellungen <strong>in</strong>sbesondere gegen<strong>über</strong> den Eltern des K<strong>in</strong>des vertreten<br />
werden müssen und <strong>die</strong>s e<strong>in</strong>en wesentlichen Teil der Behandlungsanstrengungen ausmacht.<br />
148
A B<br />
Literatur<br />
Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />
We<strong>in</strong>berg, A-M; Fischerauer, E; Castellani, C. Frakturen der oberen Extremität beim K<strong>in</strong>d<br />
Teil I, Orthopä<strong>die</strong> und Unfallchirurgie up2date 3/2008, 1-20<br />
We<strong>in</strong>berg, A-M; Amerstorfer, F; Fischerauer, E. Frakturen der oberen Extremität beim K<strong>in</strong>d<br />
Teil II, Orthopä<strong>die</strong> und Unfallchirurgie up2date 3/2008, 21-40<br />
von Laer, L; Kraus, R; L<strong>in</strong>hart, WE. Frakturen und Luxationen im K<strong>in</strong>desalter<br />
5. Aufl. Thieme Stuttgart New York 2007<br />
Weber, BG; Brunner, Ch; Freuler, F. Die Frakturenbehandlung bei K<strong>in</strong>dern und Jugendlichen<br />
Spr<strong>in</strong>ger-Verlag Berl<strong>in</strong> Heidelberg New York 1979<br />
Kontakt<br />
W<strong>in</strong>kler, Hartmut, Priv.-Doz. Dr.<br />
Kl<strong>in</strong>ik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie<br />
Westpfalz-Kl<strong>in</strong>ikum Standort I<br />
Hellmut-Hartert-Str. 1<br />
67655 Kaiserslautern<br />
D<br />
C<br />
Abb. 9a–d:<br />
Dislozierte Radiushalsfraktur<br />
(a), perkutane<br />
Reposition mit e<strong>in</strong>em<br />
Kirschner-Draht (b), <strong>in</strong>tr<strong>am</strong>edulläre<br />
Stabilisierung<br />
mit ESIN (c,d)<br />
149
R. Hoffmann, L. Becker<br />
Ellenbogenprothese nach Trauma<br />
Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />
Zus<strong>am</strong>menfassung:<br />
Im Rahmen der operativen Versorgung schwerer Verletzungen des älteren Patienten stellt<br />
sich häufig das Problem schlechter Knochenqualität und den d<strong>am</strong>it verbundenen schwierigen<br />
Vorraussetzungen für e<strong>in</strong>e stabile Osteosynthese. Auch Revisionse<strong>in</strong>griffe und bereits<br />
vorbestehende degenerative Gelenkveränderungen schränken <strong>die</strong> Therapieoptionen deutlich<br />
e<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>e zusätzliche Versorgungsmöglichkeit stellt hier <strong>die</strong> primäre oder sekundäre<br />
Implantation e<strong>in</strong>er Totalendoprothese des Ellenbogens dar. Hierfür stehen gekoppelte<br />
Prothesenmodelle zur Verfügung, <strong>die</strong> auch e<strong>in</strong>e gewisse Varus-/Valgusbeweglichkeit zur<br />
M<strong>in</strong>derung der Lockerungsraten erlauben. Im Vergleich erreichen ältere Patienten mit e<strong>in</strong>er<br />
Trümmerfraktur und e<strong>in</strong>er Prothese bessere funktionelle Ergebnisse und e<strong>in</strong>e niedrigere<br />
Komplikationsrate als Patienten mit e<strong>in</strong>er osteosynthetischen Versorgung. Auf Grund der<br />
guten Ergebnisse im Rahmen der Versorgung von Unfallverletzungen des älteren Patienten<br />
stellt <strong>die</strong> Ellenbogenprothese e<strong>in</strong>e wichtige Behandlungsmöglichkeit dar und sollte bei der<br />
Therapieplanung mit berücksichtigt werden.<br />
Schlüsselwörter:<br />
Distale Humerusfraktur, Ellenbogenprothese, Alterstraumatologie, Ellenbogen,<br />
Osteoporose, Arthroplastik<br />
Summary:<br />
Poor bone quality is a major problem for the surgical treatment of severe elbow <strong>in</strong>juries<br />
of the older patient. The chance to achieve a stable osteosynthesis is usually limited. The<br />
options for revision surgery after failed ostesynthesis or patients with pseudarthrosis or<br />
pre-exist<strong>in</strong>g degenerative jo<strong>in</strong>t alteration are even more limited. In such cases the primary<br />
or secondary total arthroplasty of the elbow can be an additional alternative. There are<br />
different types of sloppy h<strong>in</strong>ged prosthetic designs available allow<strong>in</strong>g a small range of varus<br />
and valgus movement to prevent loosen<strong>in</strong>g. Stu<strong>die</strong>s showed that older patients who received<br />
a total arthroplasty for treatment of a severe fracture of the distal humerus had a significant<br />
better functional outcome and a lower rate of complications compared to patients with<br />
an osteosynthesis. These encourag<strong>in</strong>g results prove, that total arthroplasty of the elbow is<br />
a reasonable treatment option for severe elbow trauma of the older patient.<br />
Keywords:<br />
Distal fracture of the humerus, prosthesis, geriatric trauma, elbow, osteoporosis, arthroplasty<br />
Epidemiologie:<br />
Altersschwerpunkt für das Auftreten von Frakturen des distalen Humerus s<strong>in</strong>d weibliche<br />
Patienten <strong>über</strong> 80 Jahre. Altersadaptiert ist hier mit e<strong>in</strong>er Häufigkeit von ca. 28/100.000/Jahr<br />
zu rechnen. Auf Grund der zunehmenden Überalterung der Gesellschaft wird es bis zum<br />
151
Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />
Jahre 2030 <strong>in</strong>sges<strong>am</strong>t zu e<strong>in</strong>er deutlichen Zunahme der Alterstraumatologie und e<strong>in</strong>er Verdreifachung<br />
der Patienten mit distalen Humerusfrakturen kommen. In <strong>die</strong>sem Patientenkollektiv<br />
zeigt sich e<strong>in</strong>e hohe Rate an begleitenden Komorbiditäten, häufig e<strong>in</strong>e vorbestehende<br />
Osteoporose sowie e<strong>in</strong>e mangelnde Compliance. Auch zeigen sich vermehrt schwere<br />
Abscher- oder Trümmerfrakturen.<br />
Es stellt sich bei <strong>die</strong>sen Patienten im Rahmen der Primärversorgung und bei Komplikationen<br />
bzw. Versagen der osteosynthetischen Versorgung <strong>die</strong> Frage, ob <strong>die</strong> Implantation e<strong>in</strong>er<br />
Ellenbogentotalendoprothese als Behandlungsoption <strong>in</strong> Frage kommt. (Athwal et al. 2008,<br />
Morrey 2000)<br />
Literatur:<br />
In der Literatur f<strong>in</strong>den sich praktisch nur retrospektive Untersuchungen (Level IV) zur Versorgung<br />
distaler Humerusfrakturen mit e<strong>in</strong>er Endoprothese. Es konnte jedoch z.B. bei der<br />
Untersuchung von Charissoux et al. gezeigt werden, daß ältere Patienten bei endoprothetischer<br />
Versorgung e<strong>in</strong>er distalen Humerustrümmerfraktur weniger Komplikationen, e<strong>in</strong>e<br />
ger<strong>in</strong>gere Rate an operativen Revisionen sowie e<strong>in</strong>e bessere Funktion bzw. Patientenzufriedenheit<br />
aufwiesen, als Patienten mit e<strong>in</strong>er osteosynthetischen Versorgung. Auch McKee<br />
et al. empfehlen nach e<strong>in</strong>er multicenter Stu<strong>die</strong> zum Vergleich Prothese vs. Osteosynthese<br />
bei Trümmerfrakturen des distalen Humerus älterer Patienten <strong>die</strong> Versorgung mit e<strong>in</strong>er<br />
Prothese bei nicht zu erwartender stabiler Versorgung durch e<strong>in</strong>e konventionelle Osteosynthese.<br />
Der Anteil <strong>die</strong>ser Patienten lag <strong>in</strong> dem untersuchten Patientengut bei immerh<strong>in</strong><br />
25%. (Charissoux et al. 2008, McKee et al. 2009)<br />
Prothesendesign:<br />
Seit Verwendung der Ellenbogenprothesen haben sich teilgekoppelte („sloppy h<strong>in</strong>ged“)<br />
Modelle mit e<strong>in</strong>er zusätzlichen Varus-/Valgusbeweglichkeit von ca. 6–8° durchgesetzt<br />
(s. Abb. 1). Die früher verwendeten starr gekoppelten Prothesen führten <strong>über</strong> e<strong>in</strong>e hohe<br />
mechanische Belastung, vor allem im Bereich des Humerus, zu hohen Lockerungsraten. Um<br />
<strong>die</strong> humerale Prothesenkomponente weiter zu entlasten verfügen e<strong>in</strong>ige Prothesenmodelle<br />
zusätzlich <strong>über</strong> e<strong>in</strong>en sogenannten humeralen Flansch (z.B. Coonrad-Morrey) an der ventralen<br />
Prothesenseite, um <strong>die</strong> Zug- und Druckbelastung sowie Torsionskräfte zu verm<strong>in</strong>dern.<br />
Ungekoppelte Prothesenmodelle mit re<strong>in</strong>em Oberflächenersatz spielen bei der Frakturversorgung<br />
ke<strong>in</strong>e Rolle.<br />
Indikationen:<br />
Die Indikationen für e<strong>in</strong>e primäre Implantation besteht bei schweren C-Frakturen (nach<br />
AO Klassifikation) des distalen Humerus oder komplexen Luxationsfrakturen, <strong>die</strong> mit konventionellen<br />
Operationstechniken nicht zufriedenstellend rekonstruiert werden können.<br />
Liegt e<strong>in</strong>e schlechte Knochenqualität bei e<strong>in</strong>er Osteoporose vor, so ist ebenfalls e<strong>in</strong>e Prothesenimplantation<br />
zu erwägen, da e<strong>in</strong>e ausreichende Stabilisierung durch e<strong>in</strong>e Osteosynthese<br />
oft nicht möglich ist. Bei Fehlen oder ke<strong>in</strong>er Möglichkeit der Rekonstuktion der Kondylen<br />
ist <strong>die</strong> Verwendung e<strong>in</strong>er gekoppelten Prothese mit langen Schäften durch <strong>die</strong> alle<strong>in</strong>ige<br />
Verankerung im Markraum ebenfalls möglich. Bei ausgeprägten und oder schmerzhaften<br />
vorbestehenden Gelenkdestruktionen z.B. im Rahmen e<strong>in</strong>er rheumatoiden Arthritis ist<br />
152
a b c d<br />
Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />
Abb. 1:<br />
Beispiele für gängige Prothesenmodelle: Coonrad-Morrey (a), GSB III (b), Discovery (c) und <strong>die</strong> ungekoppelte IBP (d)<br />
gegebenenfalls auch bei A oder B-Frakturen nach AO-Klassifikation e<strong>in</strong>e Indikation für e<strong>in</strong>e<br />
Prothese zu diskutieren. Sekundäre Implantationen s<strong>in</strong>d im Rahmen der Versorgung von<br />
posttraumatischen Arthrosen, gelenknahen Pseudarthrosen sowie als „salvage procedure“<br />
bei gescheiterten Osteosynthesen oder Implantatversagen möglich (s. Abb 2). Ziel der primären<br />
Ellenbogenprothese bei Unfallverletzten ist <strong>die</strong> Erhaltung der Beweglichkeit sowie<br />
e<strong>in</strong>e Verkürzung der Rekonvaleszenz. (Müller et al. 2005, Morrey 2000, Loehr et al. 2003)<br />
OP-Technik:<br />
Auf <strong>die</strong> im Vortrag beschriebene Operationstechnik wird hier bewusst verzichtet. Es sei<br />
hier auf <strong>die</strong> e<strong>in</strong>schlägige Literatur und <strong>die</strong> Operationsanleitungen der e<strong>in</strong>zelnen Prothesenhersteller<br />
verwiesen (s. Abb. 1).<br />
Nachbehandlung:<br />
Entfernung der Wunddra<strong>in</strong>agen nach ca. 48 h sowie Durchführung von physikalischer<br />
Therapie (Kryotherapie, Lymphdra<strong>in</strong>age). E<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>malige Antibiotikagabe, z.B e<strong>in</strong>es Cephalospor<strong>in</strong><br />
der 2. oder 3. Generation, ist als perioperative Prophylaxe <strong>in</strong> der Regel ausreichend.<br />
Präoperativ sollte e<strong>in</strong>e Schmerzkatheteranlage erfolgen, um <strong>die</strong> Schmerztherapie sowie<br />
<strong>die</strong> physiotherapeutische Beübung zu vere<strong>in</strong>fachen. Direkt nach der Implantation kann mit<br />
passiven Bewegungsübungen unter Anleitung begonnen werden, gegebenenfalls auch unter<br />
Verwendung e<strong>in</strong>er Motorschiene. Um den <strong>in</strong>traoperativ abpräparierten Streckapparat zu<br />
schonen und e<strong>in</strong>e feste E<strong>in</strong>heilung zu ermöglichen sollte <strong>in</strong> den ersten Wochen ke<strong>in</strong>e Belastung<br />
<strong>über</strong> 1–2 kg erfolgen. Um das Risiko e<strong>in</strong>er Auslockerung der Prothese zu verm<strong>in</strong>dern, ist<br />
langfristig e<strong>in</strong>e Gewichtslimitierung für Heben und Tragen von 4–5 kg sowie das Vermeiden<br />
repetitiver Bewegungen mit mehr als 1 kg notwendig. Auch alle Schlag- und Wurfsportarten<br />
und Betätigungen mit hoher Beanspruchung des Ellenbogens <strong>in</strong> Sport und Beruf sollten<br />
vermieden werden.<br />
Durchführung von postoperativen Röntgenkontrollen <strong>in</strong> 2 Ebenen sowie Verlaufskontrollen<br />
nach 6 Wochen sowie dann e<strong>in</strong>mal jährlich. (Chochole und Wlk 2008, Morrey 2000)<br />
Ergebnisse:<br />
In der größten vorliegenden Stu<strong>die</strong> bezüglich der Standzeiten von Ellenbogenprothesen<br />
zeigten sich an Hand der Conrad/Morrey Prothese mit e<strong>in</strong>em Nachsorgeuntersuchungszeitraum<br />
von bis zu 31 Jahren sehr gute Werte. Nach 10 Jahren waren noch ca. 80% und nach<br />
153
Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />
▲ Abb. 2a<br />
Abb. 2:<br />
Indikationen für e<strong>in</strong>e Ellenbogenprothese. Implantatversagen (a), chronische Luxation (b), C3-Fraktur des<br />
Ellenbogens (c)<br />
20 Jahren ca. 60% der Prothesen ohne Anzeichen e<strong>in</strong>es Implantatversagens oder e<strong>in</strong>er<br />
Prothesenlockerung. Insges<strong>am</strong>t zeigten sich gute bis sehr gute funktionelle Ergebnisse.<br />
Auch bei der Nachuntersuchung von 20 Patienten im eigenen Patientengut zeigten sich sehr<br />
gute funktionelle Ergebnisse. Es wurden im Mayo-Elbow-Performance-Score durchschnittlich<br />
96 von 100 möglichen Punkten erreicht. Im Schnitt wiesen <strong>die</strong> Patienten e<strong>in</strong>e ROM für<br />
Extension/Flexion von etwa 95° bei weitgehend une<strong>in</strong>geschränkten Umwendbewegungen<br />
auf. In der Regel verbleibt bei den Patienten nach e<strong>in</strong>er Ellenbogenprothese e<strong>in</strong> Streckdefizit<br />
von ca. 20°, <strong>die</strong> Flexion ist jedoch bis ca. 115°–120° gut möglich. Der <strong>über</strong>wiegende<br />
Anteil der Patienten ist im Alltag beschwerdefrei und nicht wesentlich e<strong>in</strong>geschränkt, jedoch<br />
bei <strong>in</strong> der Regel verm<strong>in</strong>dertem Funktionsanspruch auf Grund des mittleren Patientenalters<br />
von <strong>über</strong> 70 Jahren. (Aldridge et al. 2006, Prasad und Dent 2008, eigene Daten)<br />
Fazit:<br />
Im Rahmen der Alterstraumatologie ist <strong>die</strong> Ellenbogentotalendoprothese aus unserer<br />
Sicht e<strong>in</strong>e wichtige zusätzliche Behandlungsoption sowohl für <strong>die</strong> primäre aus auch für<br />
<strong>die</strong> sekundäre Versorgung schwerer Verletzungen des Ellenbogens. Ihr E<strong>in</strong>satz sollte vor<br />
154<br />
► Abb. 2b1 ►► Abb. 2b2<br />
◄◄ Abb. 2c1 ◄ Abb. 2c2<br />
▼ Abb. 2c3
Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />
allem bei älteren Patienten mit schlechter Knochenqualität und/oder Trümmerfrakturen<br />
sowie bei Vorschäden im Rahmen der Therapieplanung mit erwogen werden.<br />
Literatur:<br />
Abb. 3:<br />
postoperative<br />
Röntgenkontrolle<br />
nach Implantation<br />
Aldridge III JM, Lightdale NR, Mallon WJ, Coonrad RW. 2006. Total elbow arthroplasty with<br />
the Coonrad/Coonrad-Morrey prosthesis. A 10- to 31-year survival analysis. J Bone Jo<strong>in</strong>t Surg<br />
Br. 2006 Apr; 88(4):509-14.<br />
Athwal GS, Goetz TJ, Pollock JW, Faber KJ. 2008. Prosthetic replacement for distal humerus<br />
fractures. Orthop Cl<strong>in</strong> North Am 39(2): 201-212<br />
Charissoux JL, Mabit C, Fourastier J, Beccari R, Emily S, Capelli M, Mal<strong>in</strong>gue E, Mansat P,<br />
Hubert L, Proust J, Bratu D, Veillard D, Grandmaison FL, Apard T, Mart<strong>in</strong>el V, Bonnevialle N.<br />
2008. Comm<strong>in</strong>uted <strong>in</strong>tra-articular fractures of the distal humerus <strong>in</strong> elderly patients. Rev<br />
Chir Orthop Reparatrice Appar Mot. 94(4 Suppl): 36-62.<br />
Chochole M, Wlk MV. 2008. Ellenbogen- und Handgelenksendoprothetik beim Rheuma-<br />
tiker – Richtl<strong>in</strong>ien der Rehabilitation. J M<strong>in</strong>er Stoffwechs, 15 (Sonderheft 1):17-20.<br />
Loehr JF, Gschwend N, Simmen BR, Katzer A. 2003. Endoprothetik des Ellenbogens.<br />
Orthopäde, 32:717-722.<br />
McKee M, Veillette C, Hall J, Schemitsch E, Wild L, McCormack R, Perey B, Goetz T, Zomar M,<br />
Moon K. 2009. A multicenter, prospective, randomized, controlled trial of open reduction-<br />
155
Ellenbogenverletzungen – Bewährtes und neue Trends<br />
<strong>in</strong>ternal fixation versus total elbow arthroplasty for displaced <strong>in</strong>tra-articular distal humeral<br />
fractures <strong>in</strong> elderly patients. J Shoulder Elbow Surg, 18(1):3-12<br />
Morrey BF. 2000. The elbow and its disorders. Dritte Aufl. Saunders, Philadelphia.<br />
Müller LP, K<strong>am</strong><strong>in</strong>eni S, Rommens PM, Morrey BF. 2005. Primäre totale Ellenbogenprothese<br />
zur Versorgung distaler Humerusfrakturen - Primary Total Elbow Replacement for Fractures<br />
of the Distal Humerus. Operat Orthop Traumatol, 17:119-142.<br />
Prasad N, Dent C. 2008. Outcome of total elbow replacement for distal humeral fractures<br />
<strong>in</strong> the elderly: a comparison of primary surgery and surgery after failed <strong>in</strong>ternal fixation or<br />
conservative treatment. J Bone Jo<strong>in</strong>t Surg Br.2008; 90-B: 343-348.<br />
Kontakt:<br />
Hoffmann, Re<strong>in</strong>hard, Prof. Dr. med.<br />
Ärztlicher Direktor Berufsgenossenschaftliche Unfallkl<strong>in</strong>ik Frankfurt<br />
Friedberger Landstraße 430, 60389 Frankfurt/M.<br />
Chefarzt der Kl<strong>in</strong>ik für Unfallchirurgie und Orthopädische Chirurgie<br />
Kl<strong>in</strong>ikum Offenbach GmbH<br />
Starkenburgr<strong>in</strong>g 66, 63069 Offenbach<br />
156
VI. Sitzung<br />
UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management<br />
UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management<br />
Vorsitz: R. Hoffmann, Frankfurt/A. R. Platz, Ma<strong>in</strong>z<br />
A. Rauch, Ma<strong>in</strong>z<br />
Chr. Wendler, Rüsselsheim<br />
Typische Fallstricke im Reh<strong>am</strong>anagement –<br />
<strong>in</strong> der niedergelassenen Praxis<br />
Zus<strong>am</strong>menfassung:<br />
Die Unfallversicherungsträger praktizieren <strong>in</strong>zwischen fast alle e<strong>in</strong> gutes Reha-Management<br />
das hilft, den Reha-Prozess zielgerichtet und planend zu steuern, so dass im Pr<strong>in</strong>zip <strong>die</strong><br />
Rehabilitation von Unfallverletzten optimal laufen sollte. Dennoch wäre es vermessen zu<br />
behaupten, dass es nicht trotzdem Fälle gibt, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>en suboptimalen Verlauf nehmen. Anhand<br />
e<strong>in</strong>es solchen Falles werden typische Fallstricke im Heilverfahren aufgezeigt, sowohl<br />
auf Seiten der BG, als auch aus der Sicht des niedergelassenen D-Arztes. Vorgestellt wird<br />
e<strong>in</strong>e Schnittverletzung <strong>am</strong> Kle<strong>in</strong>f<strong>in</strong>ger mit Beugesehnenverletzung. Nach anfänglich optimaler<br />
Behandlung, entgleist das Heilverfahren zunehmend. Der Verletzte entgleitet der engmaschigen<br />
Durchgangsärztlichen Betreuung und der Steuerung des Heilverfahrens durch<br />
<strong>die</strong> BG, mit der Folge e<strong>in</strong>er 14-monatigen Behandlungsdauer. Die sich daraus ergebenden<br />
Konsequenzen werden analysiert und vorgestellt.<br />
Schlüsselwörter:<br />
Reha-Management, Reha-Steuerung, Probleme im Heilverfahren, Heilverfahrenssteuerung,<br />
Rehabilitation, Beratungsfacharzt.<br />
Summary:<br />
Today, almost all accident <strong>in</strong>surers practice good rehabilitation management. S<strong>in</strong>ce this<br />
helps <strong>in</strong> plann<strong>in</strong>g and guid<strong>in</strong>g the rehabilitation process to the desired outcome, reha-<br />
bilitation for the victims of <strong>in</strong>juries should, <strong>in</strong> pr<strong>in</strong>ciple, be ideal. Nevertheless, it would be<br />
presumptuous to claim that there are no cases that follow a “suboptimum” course. Just one<br />
such case is used to illustrate the typical stumbl<strong>in</strong>g blocks <strong>in</strong> the treatment process, for both<br />
mutual <strong>in</strong>demnity associations [BG] and from the po<strong>in</strong>t of view of office-based accident<br />
<strong>in</strong>surance consultants [D-Arzt]. The paper presents a laceration of a little f<strong>in</strong>ger with <strong>in</strong>jury<br />
of the flexor tendons. Although <strong>in</strong>itial treatment could not be faulted, the treatment process<br />
bec<strong>am</strong>e <strong>in</strong>creas<strong>in</strong>gly derailed. The patient slipped through the closely woven net of accident<br />
157
UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management<br />
<strong>in</strong>surance consultant treatment and supervision of the treatment process by the BG.<br />
This resulted <strong>in</strong> treatment last<strong>in</strong>g 14 months. The result<strong>in</strong>g consequences are presented<br />
and analysed.<br />
Key words:<br />
Rehabilitation management, rehabilitation supervision, problems <strong>in</strong> the treatment process,<br />
supervis<strong>in</strong>g the treatment process, rehabilitation, consultant<br />
Trotz bestehender Verfahrensrichtl<strong>in</strong>ien im Reha-Management der Berufsgenossenschaften<br />
und Vorgaben <strong>in</strong> der bg-lichen Heilbehandlung durch D-Ärzte und Kl<strong>in</strong>iken kommt<br />
es immer wieder zur Entgleisung von Heilverfahren. Die Folge s<strong>in</strong>d nicht selten <strong>über</strong>lange<br />
Behandlungszeiten und ausufernde Behandlungskosten, ebenso wie unbefriedigende<br />
Behandlungsergebnisse.<br />
Am Beispiel e<strong>in</strong>er Schnittverletzung <strong>am</strong> Kle<strong>in</strong>f<strong>in</strong>ger mit Sehnenverletzung (Fleischerverletzung)<br />
wird e<strong>in</strong> solcher Behandlungsverlauf dargestellt und analysiert. Es handelt sich<br />
um e<strong>in</strong>en 27-jährigen Verletzten, beschäftigt als Zerleger im Akkord <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Schlachthof.<br />
Nach Erstversorgung durch e<strong>in</strong>en H-Arzt erfolgen <strong>die</strong> umgehende Vorstellung des Verletzten<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kl<strong>in</strong>ik der Maximalversorgung und <strong>die</strong> dortige operative Versorgung noch <strong>am</strong><br />
Unfalltag unter stationären Bed<strong>in</strong>gungen. Nach Entlassung aus der Kl<strong>in</strong>ik erfolgt <strong>die</strong> Vorstellung<br />
beim niedergelassenen D-Arzt. Danach beg<strong>in</strong>nt das Heilverfahren zunehmend zu<br />
entgleisen. Nach e<strong>in</strong>maliger Vorstellung beim D-Arzt <strong>am</strong> Entlassungstag aus der stationären<br />
Behandlung, stellt sich der UV erst wieder nach 3 Wochen <strong>in</strong> der Kl<strong>in</strong>ik vor. E<strong>in</strong>e Behandlung<br />
oder Nachschau hatte <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Zeit nicht stattgefunden. Nach Kontrolle, Feststellung<br />
der unbefriedigenden Funktion und nochmaliger Anleitung des Unfallverletzten wird <strong>die</strong>ser<br />
wieder zum D-Arzt verwiesen, wo er wiederum nicht vorstellig wird. Im Verlauf entwickelt<br />
sich e<strong>in</strong>e zunehmende Kontraktur des F<strong>in</strong>gers, <strong>die</strong> zunächst physiotherapeutisch und dann<br />
operativ durch e<strong>in</strong>e Arthrolyse und Tenolyse therapiert wird. Auch der weitere Verlauf ist<br />
unbefriedigend, es entwickelt sich erneut e<strong>in</strong>e Kontraktur, <strong>die</strong> schließlich e<strong>in</strong>e Arthrodese<br />
erforderlich macht. Ungeachtet der durchaus problematischen Verletzung, hätte sich an<br />
mehreren Punkten des Heilverfahrens <strong>die</strong> Möglichkeit zur Intervention ergeben, sowohl<br />
durch <strong>die</strong> Kl<strong>in</strong>ik und den D-Arzt, als auch durch <strong>die</strong> BG. Die Behandlung hätte hierdurch<br />
sicherlich abgekürzt werden können.<br />
Nach Analyse des Falles können folgende Anregungen gegeben werden:<br />
Für den D-Arzt:<br />
• Besondere Berücksichtigung von patientenspezifischen Besonderheiten bzw. Auffälligkeiten<br />
(Compliance, Motivation, Sprachprobleme)<br />
• Frühzeitige, ggf. engmaschige <strong>Bericht</strong>erstattung an <strong>die</strong> BG<br />
• Die Verletzten nicht sich selbst <strong>über</strong>lassen<br />
• Ggf. telefonische Kontaktaufnahme mit BG und mitbehandelnder Kl<strong>in</strong>ik<br />
• Tätigkeitsprofil von der BG e<strong>in</strong>fordern zur Sicherstellung e<strong>in</strong>er zielgerichteten, arbeitsplatzorientierten<br />
Rehabilitation<br />
158
UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management<br />
• Enge Führung des UV, unter Umständen auch mit E<strong>in</strong>bestellung auf Initiative des<br />
D-Arztes und engmaschiger Term<strong>in</strong>vergabe<br />
Für <strong>die</strong> BG:<br />
• Alarmzeichen (wie z.B. Motivationslage des Verletzten, Sprachprobleme, Komplikationen,<br />
sonstige Faktoren, <strong>die</strong> E<strong>in</strong>fluss auf <strong>die</strong> Reha haben könnten) müssen erkannt und ernst<br />
genommen werden, der Fall ist ggf. frühzeitig <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>in</strong>tensive Betreuung durch das Reha-<br />
Management zu <strong>über</strong>nehmen<br />
• Der Beratungsfacharzt ist frühzeitig e<strong>in</strong>zub<strong>in</strong>den – im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Zweitme<strong>in</strong>ung zur<br />
fallbezogenen Reha-Planung, zur Prognose bzgl. des Reha-Verlaufs und ggf. auch zur<br />
Diagnosesicherung<br />
• Die Verletzten dürfen nicht sich selbst <strong>über</strong>lassen werden, sie müssen für ihre eigenen<br />
Reha-Ziele begeistert werden<br />
• Es bedarf e<strong>in</strong>er frühzeitigen telefonischen bzw. persönlichen Kontaktaufnahme mit allen<br />
Beteiligten, <strong>in</strong>sbesondere mit den Verletzten, den Ärzten und dem Arbeitgeber<br />
• Es muss e<strong>in</strong> aussagekräftiges Tätigkeitsprofil erhoben und an <strong>die</strong> Behandler gegeben<br />
werden, wobei praktikable Lösungen <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er kurzen verbalen Beschreibung <strong>in</strong><br />
Verb<strong>in</strong>dung mit e<strong>in</strong>er Fotodokumentation schwer nachvollziehbaren und bürokratischen<br />
Ankreuzbögen vorzuziehen s<strong>in</strong>d<br />
• Gefragt ist e<strong>in</strong>e kreative Bearbeitung – ke<strong>in</strong> „Schema-F“-Vorgehen<br />
• Die BG muss ihre Lotsenfunktion wahrnehmen – nach der Devise „Agieren statt reagieren“<br />
Wesentliche Voraussetzung für e<strong>in</strong>e erfolgreiche Rehabilitation ist e<strong>in</strong>e schnelle und<br />
unbürokratische Kommunikation zwischen allen <strong>am</strong> Reha-Prozess Beteiligten. Insbesondere<br />
<strong>die</strong> behandelnden Ärzte und <strong>die</strong> BG – e<strong>in</strong>schließlich ihrer beratenden Ärzte – sollten<br />
sich als Partner im Reha-Verfahren verstehen, wobei <strong>die</strong> Verletzten bzw. deren berufliche<br />
und soziale Wiedere<strong>in</strong>gliederung im Mittelpunkt allen Handelns stehen. Die BG muss <strong>in</strong><br />
ihrer Lotsenfunktion <strong>die</strong> richtigen Weichen stellen, hierzu ist sie wiederum auf Informationen<br />
durch <strong>die</strong> Behandler angewiesen - angefangen von e<strong>in</strong>er exakten Erstdiagnose bis<br />
h<strong>in</strong> zu eventuellen Hemmnissen im Reha-Prozess. Wenn <strong>die</strong>se Zus<strong>am</strong>menarbeit funktioniert,<br />
können wir auch <strong>in</strong> Zukunft zum Wohl unserer Versicherten dem besonderen BGlichen<br />
Auftrag – der uns von den Krankenkassen unterscheidet – gerecht werden.<br />
Kontakt:<br />
Rauch, Arm<strong>in</strong><br />
Stv. Leiter der Abteilung Rehabilitation<br />
Fleischerei-Berufsgenossenschaft<br />
Lortz<strong>in</strong>gstraße 2, 55127 Ma<strong>in</strong>z<br />
Wendler, Christian, Dr. med.<br />
Arzt für Chirurgie/Unfallchirurgie<br />
Emil-Fuchs-Platz 1, 65428 Rüsselsheim<br />
159
P. Hochste<strong>in</strong>/K. Schumacher<br />
UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management<br />
Typische Fallstricke im Rehabilitations-Management <strong>in</strong> der Akutkl<strong>in</strong>ik<br />
Zus<strong>am</strong>menfassung<br />
Rehabilitations-Management durch <strong>die</strong> Unfallversicherungsträger bedeutet begleiten,<br />
planen, <strong>über</strong>wachen und ggf. <strong>in</strong>tervenieren, um e<strong>in</strong> möglichst optimales Ergebnis für <strong>die</strong><br />
Versicherten zu erzielen. Die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) sieht <strong>die</strong>s als ihre<br />
Verpflichtung gegen<strong>über</strong> Versicherten und Mitgliedern an.<br />
Voraussetzung für Reha-Management ist e<strong>in</strong>e schnelle und offene Kommunikation mit<br />
allen <strong>am</strong> Prozess Beteiligten. Probleme oder Mängel <strong>in</strong> der Kommunikation können <strong>in</strong> allen<br />
Phasen der Rehabilitation Fallstricke darstellen, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e gute und zügige Rehabilitation<br />
verh<strong>in</strong>dern. E<strong>in</strong>en Beitrag zu ihrer Überw<strong>in</strong>dung zu leisten, ist Ziel <strong>die</strong>ses Beitrags.<br />
Schlüsselwörter<br />
Reh<strong>am</strong>anagement, offene Komunikaton, Fallstricke, Kontextfaktoren, Lotsenfunktion.<br />
Summary<br />
Rehabilitation management by accident <strong>in</strong>surance companies means provid<strong>in</strong>g cont<strong>in</strong>uous<br />
support, arrang<strong>in</strong>g, supervis<strong>in</strong>g and – if necessary – <strong>in</strong>terven<strong>in</strong>g, <strong>in</strong> order to achieve the best<br />
possible outcome for the <strong>in</strong>sured. The Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) regards<br />
this as their duty towards <strong>in</strong>sured persons and their members.<br />
Rapid and open communication between all those <strong>in</strong>volved <strong>in</strong> the process is an essential<br />
requirement for Reha management. Problems or deficiencies <strong>in</strong> communication can cause<br />
pitfalls <strong>in</strong> all phases of rehabilitation and prevent effective and speedy rehabilitation. This<br />
purpose of this paper is to suggest ways by which they may be overcome.<br />
Key words<br />
Reha management, open communication, pitfalls, context factors, guid<strong>in</strong>g function.<br />
Warum Reh<strong>am</strong>anagement?<br />
Die Beschäftigung mit typischen Fallstricken im Reha-Management bedeutet <strong>in</strong> ihrer Konsequenz<br />
nichts anderes als Qualitätssicherung. Wir wollen unserer Verpflichtung und unserem<br />
Anspruch nachkommen, <strong>die</strong> Rehabilitation unserer Versicherten mit allen geeigneten<br />
Mitteln sicher zu stellen. Diese Haltung der Berufsgenossenschaften führte schon früher<br />
zu den bekannten und <strong>über</strong>aus bewährten Berufsgenossenschaftlichen Heilverfahren. Wir<br />
161
UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management<br />
haben e<strong>in</strong> großes Interesse daran, <strong>die</strong> Qualität der <strong>in</strong> unserem Auftrag erfolgten mediz<strong>in</strong>ischen<br />
Behandlung zu sichern. Dabei agieren wir <strong>in</strong> dem qualitativ guten System der berufsgenossenschaftlichen<br />
Heilverfahren und haben es daher nur mit e<strong>in</strong>er ger<strong>in</strong>gen Zahl von<br />
problematischen Heilverläufen zu tun.<br />
Die Folgen e<strong>in</strong>er qualitativ schlechten Rehabilitation s<strong>in</strong>d gravierend: Menschliches Leid bis<br />
h<strong>in</strong> zur Invalidität, sozialer Abstieg und hohe Folgekosten für das soziale Sicherungssystem<br />
der gesetzlichen Unfallversicherung.<br />
Sie sollen exemplarisch <strong>am</strong> Beispiel e<strong>in</strong>es 22-jährigen Handwerkers mit e<strong>in</strong>er schlecht<br />
versorgten Sprunggelenksfraktur dargestellt werden.<br />
Die Versorgung der bimalleolären Luxationsfraktur (Fallbeispiel 1) erfolgte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Haus<br />
der Maximalversorgung. Das Ausmaß der Verletzung wurde verkannt, <strong>die</strong> operative Stabilisierung<br />
war unzureichend. Es resultierte e<strong>in</strong> Versagen der Osteosynthese mit Zerstörung<br />
des Sprunggelenkes. Somit musste e<strong>in</strong>e, bei sachgerechter primärer operativer Versorgung<br />
wahrsche<strong>in</strong>lich vermeidbare, Sprunggelenksversteifung erfolgen. Dies hat gravierende<br />
Folgen:<br />
• Verlust e<strong>in</strong>es sicheren und bewusst gewählten Berufes<br />
• Vermeidbare erhebliche E<strong>in</strong>schränkungen der Gesundheit<br />
Fallbeispiel 1:<br />
162
• Umschulung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en nicht geliebten Beruf<br />
• Zusätzliche Behandlungskosten: 20.000,– Euro<br />
• Umschulungskosten: bis zu 100.000,– Euro<br />
• MdE 20% auf Dauer: ca. 100.000,– Euro<br />
• E<strong>in</strong>geschränkte Wettbewerbsfähigkeit auf Dauer<br />
UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management<br />
Derart gravierende Auswirkungen mangelnder Qualität s<strong>in</strong>d allerd<strong>in</strong>gs sehr selten. Es wäre<br />
auch vermessen zu behaupten, dass unerwünschte Unfallfolgen <strong>in</strong> allen Fällen vermeidbar<br />
s<strong>in</strong>d. Es gibt schicksalhafte Verläufe, <strong>die</strong> auch unter optimalen Bed<strong>in</strong>gungen nicht verh<strong>in</strong>dert<br />
werden können. Es gibt allerd<strong>in</strong>gs, wie retrospektive Analysen der Unfallversicherungsträger<br />
gezeigt haben, e<strong>in</strong>e nicht ger<strong>in</strong>ge Zahl von Behandlungs-abläufen, bei denen man<br />
davon ausgehen muss, dass <strong>die</strong> Chance für e<strong>in</strong> besseres Outcome versäumt wurde. Auf <strong>die</strong>se<br />
Erkenntnisse hat <strong>die</strong> VBG vor etwa 8 Jahren mit der Entwicklung und Implementierung von<br />
Rehabilitations-Management reagiert.<br />
Der Reha-Manager als Steuermann, besser Lotse, soll für se<strong>in</strong>e Versicherten den besten<br />
Weg zur Wiederherstellung sicherstellen. Erkennbare Probleme aufdecken, soweit wie<br />
möglich beseitigen und d<strong>am</strong>it Fallstricke im Rehabilitationsprozess elim<strong>in</strong>ieren.<br />
Die Methode „Reha-Management“ hat sich mittlerweile <strong>am</strong> Markt durchgesetzt. Ihre positiven<br />
Effekte s<strong>in</strong>d wissenschaftlich belegt. Es gibt ke<strong>in</strong>e ernst zu nehmenden Stimmen, <strong>die</strong><br />
ihre S<strong>in</strong>nhaftigkeit bestreiten.<br />
Fallauswahl<br />
Bei der Vielzahl der gemeldeten Unfälle ist es nicht notwendig sie dem Reha-Management<br />
zuzuführen. In der Regel s<strong>in</strong>d es <strong>die</strong> mittelschweren und schweren Verletzungen, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>es<br />
Reha-Managements bedürfen.<br />
Die primäre Auswahl der Fälle für das Reha-Management kann, mangels anderweitiger<br />
Informationen nur <strong>über</strong> <strong>die</strong> Diagnose erfolgen! Bei der VBG erfolgt – wie bei den meisten<br />
anderen Berufsgenossenschaften auch – <strong>die</strong> Kategorisierung der Fälle diagnosebezogen.<br />
Über <strong>die</strong> im System h<strong>in</strong>terlegten ICD 10 Schlüssel werden <strong>die</strong> Fälle nach Steuerungstabellen,<br />
<strong>in</strong> drei Bearbeitungskategorien selektiert. Leichtfälle, mittelschwere Fälle des Fall-<br />
Managements und Fälle das Reha-Managments. Dem entsprechen <strong>die</strong> prognostizierten<br />
Behandlungs- und Arbeitsunfähigkeitszeiten, aber auch <strong>die</strong> erwarteten Kostenrahmen und<br />
<strong>die</strong> Bearbeitungs<strong>in</strong>tensität.<br />
E<strong>in</strong> wesentlicher Grund für <strong>die</strong> E<strong>in</strong>führung des Reha-Managements war <strong>die</strong> mangelhafte<br />
Verzahnung der verschiedenen Rehabilitationsphasen. Verschiedentlich wurde von sogenannten<br />
Reha-Löchern gesprochen. Der Grund für <strong>die</strong>se Problematik war und ist mangelnde<br />
Kommunikation zwischen den <strong>am</strong> Reha-Prozess Beteiligten. Folgerichtig wurde <strong>die</strong> VBG-<br />
Methode dialogisches Reha-Management genannt. Die mangelnde Kommunikation ist auch<br />
163
UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management<br />
aus heutiger Sicht immer noch der Fallstrick Nummer 1 für das Reha-Management. Wir<br />
wollen <strong>die</strong>s im Folgenden anhand von Fällen aus der Praxis verdeutlichen.<br />
Fallstricke <strong>in</strong> der Akutphase<br />
Die ersten potenziellen Fallstricke lauern <strong>in</strong> der Phase der Primärdiagnostik und Akutbehandlung.<br />
Hier beg<strong>in</strong>nt meist schon das Dilemma, weil Basisdaten verspätet, unzureichend,<br />
fehlerhaft oder gar nicht <strong>über</strong>mittelt werden. Wenn ke<strong>in</strong>e valide Diagnose gestellt und<br />
<strong>über</strong>mittelt wird, setzt sich <strong>die</strong>ser Fehler <strong>in</strong> der weiteren Fallsteuerung unweigerlich fort.<br />
Der zum Reha-Management als Leitfaden für den „Lotsen“ unterlegte Behandlungskorridor<br />
sowie alle Prognosepar<strong>am</strong>eter s<strong>in</strong>d von <strong>die</strong>sem Basisfehler behaftet.<br />
Dies würde ke<strong>in</strong>e Bedeutung haben, wenn das Heilverfahren optimal laufen würde, was<br />
jedoch leider nicht immer der Fall ist. Zum Abschluss der Akutbehandlung f<strong>in</strong>den wir häufig<br />
e<strong>in</strong>e Lücke <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>leitung s<strong>in</strong>nvoller und notwendiger Rehabilitationsmaßnahmen Rezepte<br />
werden ausgestellt, Beg<strong>in</strong>n und Intensität der Behandlung jedoch nicht durch Absprache<br />
mit den Partnern sichergestellt. Auch im Bereich begleitender Maßnahmen erfolgt e<strong>in</strong>e<br />
unzureichende Kommunikation, so werden erkannte Probleme im sozialen Bereich häufig<br />
nicht zeitgerecht mitgeteilt, der Unfallversicherungsträger kann nicht e<strong>in</strong>greifen, wie es<br />
se<strong>in</strong>e Aufgabe wäre.<br />
Wir wollen <strong>die</strong>s an folgendem Beispielsfall verdeutlichen.<br />
Der Versicherte ist Leiharbeitnehmer, 42 Jahre alt. Er erlitt <strong>am</strong> 05.03.2008 e<strong>in</strong>en Arbeitsunfall.<br />
Hierbei zog er sich e<strong>in</strong>e Tibiakopftrümmerfraktur zu. Er wurde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zum Verletzungsartenverfahren<br />
(VAV) -zugelassenen Haus versorgt. Die erste Kenntnis <strong>über</strong> das<br />
Ereignis erhielten wir <strong>am</strong> 09.04.2008 durch e<strong>in</strong>en H-Arztbericht aus der <strong>am</strong>bulanten Weiterbehandlung.<br />
Am 15.04.08 erhielten wir vom erstbehandelnden Haus sowohl <strong>die</strong> Aufnahmemitteilung<br />
und den Kosten<strong>über</strong>nahmeantrag vom 05.03.08, als auch <strong>die</strong> Entlassungsmitteilung<br />
vom 11.04.08. Bis zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt lag ke<strong>in</strong> D-<strong>Bericht</strong> vor.<br />
E<strong>in</strong> hier sicherlich s<strong>in</strong>nvolles Reha-Management als Unterstützung der ärztlichen Behandlung<br />
konnte daher aufgrund fehlender Informationen nicht zeitnah durchgeführt werden.<br />
Erst <strong>am</strong> 25.04.08 erhielten wir e<strong>in</strong>en Zwischenbericht datiert vom 21.04.08, <strong>die</strong>ser bezog sich<br />
aber auf <strong>die</strong> zwischenzeitlich erfolgte erneute stationäre Aufnahme vom 17.04.08, nicht aber<br />
auf <strong>die</strong> Entlassung vom 03.04.08. Es wurde von e<strong>in</strong>er Wundheilungsstörung nach Tibiakopftrümmerfraktur<br />
berichtet. Als Nebendiagnose wurde im Wortlaut „C2H5OH-Abusus“ angegeben:<br />
„Der Patient weise Verwahrlosungstendenzen auf“.<br />
Der Versicherte wurde von der VBG nach Überprüfung der problematischen häuslichen<br />
Voraussetzungen (alle<strong>in</strong>stehend, ke<strong>in</strong>e Betreuung) <strong>am</strong> 09.05. zur Vermeidung weiterer<br />
Komplikationen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er stationären Rehabilitationse<strong>in</strong>richtung untergebracht. Wobei klar<br />
ist, dass <strong>die</strong> stationäre Maßnahme nur den negativen Begleitumständen geschuldet ist.<br />
164
UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management<br />
Bild 1 Bild 2 Bild 3<br />
Bild 1: pertrochantäre Oberschenkelfraktur – <strong>in</strong> erheblicher Fehlstellung fixiert<br />
Bild 2: Fraktur der Hüftpfanne: Osteosynthese hält Fraktur auf Distanz<br />
Bild 3: Tabiakopffrakrur: Die Fraktur wird <strong>in</strong> erheblicher Impression der Gelenkfläche fixiert<br />
Bei rechtzeitiger und vollständiger Kenntnis der besonderen Umstände <strong>die</strong>ses Falles wäre<br />
viel schneller auf <strong>die</strong> bereits bei der ersten stationären Behandlung im Akutkrankenhaus<br />
bekannten, negativen sozialen Begleitumstände reagiert worden. Diese Kontextfaktoren<br />
s<strong>in</strong>d im Rahmen e<strong>in</strong>es Reha-Managements von enormer Bedeutung und müssen kommuniziert<br />
werden.<br />
Unsere Reha-Manager entwickeln erfahrungsbasiert e<strong>in</strong> Gespür für solche und ähnliche<br />
Fallstricke. Wenn <strong>in</strong> <strong>Bericht</strong>en Nebenbemerkungen, wie im o.g. Fall auftauchen, werden sie<br />
umgehend tätig. Dies betrifft allerd<strong>in</strong>gs durchaus auch mediz<strong>in</strong>ische Aspekte. Erfolgt ke<strong>in</strong>e<br />
exakte Beschreibung des Frakturstandes, sondern Umschreibungen wie befriedigende<br />
Bruchstellung oder reizlos e<strong>in</strong>liegendes Osteosynthesematerial, so führt <strong>die</strong>s <strong>in</strong> vielen<br />
Fällen zur Anforderung von Röntgenbildern.<br />
Drei Beispiele (Bilder 1, 2 und 3) sicherlich höchst problematischer Verletzungsfolgen wurden<br />
<strong>in</strong> der <strong>Bericht</strong>erstattung mit den o.g. Beschreibungen verniedlicht.<br />
In <strong>die</strong>sem Zus<strong>am</strong>menhang ist es auch äußerst <strong>in</strong>teressant, wenn man Beschreibung und<br />
Bewertung von Röntgenbildern während der Behandlung mit denen <strong>am</strong> Ende im Rentenfeststellungsverfahren<br />
gutachterlich erhobenen Beschreibungen und Bewertungen vergleicht.<br />
E<strong>in</strong>e korrekte <strong>Bericht</strong>erstattung ist für e<strong>in</strong>e erfolgreiche Zus<strong>am</strong>menarbeit unerlässliche<br />
Voraussetzung.<br />
Hauptgrund für sche<strong>in</strong>bar verzögerte Rehabilitationsverläufe ist <strong>die</strong> tatsächliche – nicht<br />
kommunizierte – Schwere der Verletzung gefolgt von Komplikationen. Die Kenntnis <strong>die</strong>ser<br />
beiden Faktoren führt zu e<strong>in</strong>er zutreffenden Bewertung der Möglichkeiten unseres Reha-<br />
Managements und nicht zu Konflikten mit den behandelnden Ärzten. Die Unkenntnis <strong>über</strong><br />
Verletzungsschwere oder Komplikationen h<strong>in</strong>gegen erzeugt Zweifel, verursacht <strong>über</strong>flüssige<br />
Nachfragen und d<strong>am</strong>it sowohl bei der VBG als auch bei den Ärzten vermeidbare Aufwände.<br />
165
UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management<br />
Reha-Management soll Defizite bei Behandlungen und Therapie ausgleichen, wenn sie<br />
auszugleichen s<strong>in</strong>d. Hierbei handelt es sich ganz <strong>über</strong>wiegend nicht um ärztliches Versagen,<br />
sondern um Verkettungen vielschichtiger Faktoren. Reha-Management muss <strong>die</strong> für den<br />
Rehabilitationserfolg oftmals entscheidenden, nicht-mediz<strong>in</strong>ischen Kontextfaktoren und<br />
berücksichtigen. Unsere Reha-Manager wissen, dass Arbeitsplatzverlust, Probleme im<br />
f<strong>am</strong>iliären Bereich oder <strong>am</strong> Arbeitsplatz, fehlende Motivation, Suchtproblematiken und<br />
zahlreiche andere Faktoren zur Verlängerung der mediz<strong>in</strong>ischen Behandlung führen können.<br />
Weitere Faktoren können regional sehr unterschiedliche Möglichkeiten der Begleit- und<br />
Nachbehandlung se<strong>in</strong>. Nachvollziehbar und steuerbar werden <strong>die</strong>se Prozesse jedoch erst,<br />
wenn man <strong>die</strong> h<strong>in</strong>dernden Faktoren kennt und gezielt an ihnen arbeiten kann. Auch das<br />
ist <strong>in</strong>tegraler Bestandteil unseres Reha-Managements.<br />
Fallstrickzone zwei<br />
Die zweite potentiell problematische Phase entwickelt sich aus unserer Sicht im Verlauf des<br />
<strong>am</strong>bulanten Heilverfahrens.<br />
Problemlos s<strong>in</strong>d Fälle, <strong>in</strong> denen <strong>die</strong> mediz<strong>in</strong>ische Rehabilitation „zeitgerecht“ <strong>in</strong> <strong>die</strong> Arbeitsfähigkeit<br />
mündet. Sie weisen <strong>in</strong> der Aufarbeitung der Verläufe fast immer e<strong>in</strong>en konsequenten<br />
E<strong>in</strong>satz notwendiger Behandlungsmaßnahmen, e<strong>in</strong>e gute Motivation der Betroffenen<br />
und <strong>die</strong> Abwesenheit von „Störfaktoren“ auf.<br />
Andererseits belegen Analysen von Fehlverläufen, dass <strong>in</strong> <strong>die</strong>sen Fällen <strong>die</strong> mediz<strong>in</strong>ische<br />
Rehabilitation teilweise ohne Konzept erfolgte oder durch <strong>die</strong> Betroffenen selbst nicht<br />
konsequent betrieben wurde. Verläufe mit e<strong>in</strong> bis zweimal wöchentlicher Krankengymnastik<br />
oder immer wieder auftretenden Lücken s<strong>in</strong>d permanent Gründe für e<strong>in</strong>e verzögerte<br />
Wiedere<strong>in</strong>gliederung.<br />
E<strong>in</strong> weiteres Problem zeigt sich <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Phase auch <strong>in</strong> der fehlenden Begrenzung des<br />
eigentlichen mediz<strong>in</strong>ischen Heilverfahrens. Es kommt, zeitlich häufig mit dem Auftreten<br />
sozialer Co-Faktoren verknüpft, zum Fortbestehen erheblicher Beschwerden, obwohl <strong>die</strong>se<br />
mit dem objektivierbaren mediz<strong>in</strong>ischen Befund nicht sicher korreliert werden können.<br />
Dieser Fallstrick lässt sich sehr anschaulich an e<strong>in</strong>em weiteren Beispiel (Fallbeispiel 2)<br />
verdeutlichen.<br />
E<strong>in</strong>e 23 Jahre alte Bankangestellte erleidet bei e<strong>in</strong>em Verkehrsunfall e<strong>in</strong> Thoraxtrauma<br />
sowie e<strong>in</strong>e Becken- und Tibiafraktur. Operativ konnte e<strong>in</strong> optimales Ergebnis erreicht werden.<br />
Auch <strong>in</strong> der anschließenden BGSW Behandlung gab es <strong>die</strong> erwarteten Fortschritte. Trotz<br />
zeitgerechter anatomischer Knochenbruchheilung k<strong>am</strong> es zu Beg<strong>in</strong>n der Arbeits- und Belastungserprobung<br />
zu erheblichen Beschwerden mit Abbruch der Belastungserprobung. Auf<br />
<strong>die</strong> sicherlich auch von dem Behandler wahrgenommene Divergenz zwischen Befund und<br />
166
Fallbeispiel 2:<br />
UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management<br />
Beschwerdebild wurde nicht h<strong>in</strong>gewiesen. Statt dessen wurden weitere Heilbehandlungsmaßnahnen<br />
e<strong>in</strong>geleitet, <strong>die</strong> jedoch sämtlich erfolglos waren. Die sicherlich relevanten<br />
Kontextfaktoren e<strong>in</strong>er sozialen Umfeldproblematik fanden so erst zu e<strong>in</strong>em recht späten<br />
Zeitpunkt <strong>die</strong> erforderliche Beachtung.<br />
Fallstrickzone drei<br />
Probleme durch schlechte Kommunikation drohen auch <strong>am</strong> Ende des mediz<strong>in</strong>ischen Heilverfahrens.<br />
Hier zeigt <strong>die</strong> Erfahrung, dass nicht selten soziale Umfeldprobleme mediz<strong>in</strong>isch abgefedert<br />
werden, obwohl mediz<strong>in</strong>isch e<strong>in</strong> Endzustand bereits längerfristig vorliegt. G<strong>in</strong>g im Laufe der<br />
Behandlung der Arbeitsplatz verloren, so dauert <strong>die</strong> Behandlung ebenso wie <strong>die</strong> Arbeitsunfähigkeit<br />
erfahrungsgemäß erheblich länger, als <strong>in</strong> Fällen, <strong>in</strong> denen <strong>die</strong> Berufstätigkeit<br />
wieder aufgenommen werden konnte.<br />
In vielen Fällen besteht bei den behandelnden Ärzten Unklarheit <strong>über</strong> <strong>die</strong> Arbeitsbeanspruchung.<br />
Dies gilt sowohl für <strong>die</strong> konkreten<br />
Fallbeispiel 2:<br />
Umstände der meist körperlichen Arbeitsbeanspruchung<br />
als auch h<strong>in</strong>sichtlich der<br />
täglichen Arbeitsdauer. Wir erleben es regelmäßig,<br />
dass bei ger<strong>in</strong>gfügig Beschäftigten<br />
(Tätigkeiten im 400,– Euro-Bereich), mit<br />
e<strong>in</strong>er täglichen Arbeitszeit von oftmals nur<br />
zwei bis drei Stunden, von Seiten der behandelnden<br />
Ärzte e<strong>in</strong>e Arbeits- und Belastungserprobung<br />
zur Wiedere<strong>in</strong>gliederung vorgeschlagen<br />
wird.<br />
Ergeben sich aus mediz<strong>in</strong>ischer Sicht<br />
Probleme, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e Arbeits<strong>in</strong>tegration be-<br />
167
UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management<br />
e<strong>in</strong>trächtigen können, so ist <strong>die</strong> Kommunikation mit dem Reha-Manager und e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>-<br />
s<strong>am</strong>es abgestimmtes Vorgehen wichtig. Es ist aber ke<strong>in</strong>eswegs so, dass <strong>die</strong> fehlende Kenn-<br />
tnis der Arbeitsbeanspruchung immer zu e<strong>in</strong>er Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit führen<br />
würde, auch Gegenteiliges ist möglich, wie <strong>die</strong>s e<strong>in</strong> weiteres Beispiel veranschaulicht (Fallbeispiel<br />
3).<br />
Als Beispiel für <strong>die</strong>se Problematik kann <strong>die</strong> Verletzung e<strong>in</strong>es ausgebildeten Hufschmiedes<br />
gelten, der im Metallbau als Leiharbeitsnehmer tätig ist.<br />
Er zieht sich e<strong>in</strong>e komplexe Zeigef<strong>in</strong>gerverletzung zu, <strong>die</strong> im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Grenzzonen-<br />
<strong>am</strong>putation im Grundglied behandelt wurde. Nach 3 Monaten wird von Seiten des behandelnden<br />
Arztes Arbeitsfähigkeit festgestellt. Der Versicherte sieht sich jedoch noch nicht <strong>in</strong><br />
der Lage dazu, <strong>die</strong> Tätigkeit wieder aufzunehmen und wendet sich an se<strong>in</strong>e Berufsgenossenschaft.<br />
Bei der kl<strong>in</strong>ischen Untersuchung zeigt sich e<strong>in</strong>e Amputation im Grundglied des<br />
Zeigef<strong>in</strong>gers mit e<strong>in</strong>er sehr knappen Hautbedeckung. Die E<strong>in</strong>satzfähigkeit der Hand ist<br />
reduziert. Wäre der Versicherte außerhalb des Handwerksbereiches tätig, so wäre e<strong>in</strong>e<br />
Arbeitsfähigkeit plausibel und nachvollziehbar. Im konkreten Fall ist jedoch e<strong>in</strong> Wiedere<strong>in</strong>satz<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Tätigkeit, <strong>in</strong> der der Betroffene mit H<strong>am</strong>mer und Schlaggeräten arbeiten muss,<br />
nicht möglich. E<strong>in</strong>e Analyse des bisherigen Heilverfahrens ergab, dass lediglich Krankengymnastik<br />
verordnet wurde, aber ke<strong>in</strong>e hier sicherlich s<strong>in</strong>nvolle Ergotherapie.<br />
Im Rahmen des Reha-Managements wurde e<strong>in</strong>e ergotherapeutische Behandlung e<strong>in</strong>geleitet,<br />
nach 3 Wochen erreichte der Verletzte e<strong>in</strong>e deutliche Besserung der Handfunktion<br />
bei anhaltender Stumpfempf<strong>in</strong>dlichkeit. Mit dem Versicherten wurde e<strong>in</strong>e auf 3 Wochen<br />
term<strong>in</strong>ierte Arbeits- und Belastungserprobung zur Klärung der Belastbarkeit vere<strong>in</strong>bart.<br />
Als Ergebnis stellte sich heraus, dass wegen der problematischen Stumpfdeckung e<strong>in</strong>e<br />
kraftvolle Handarbeit nicht möglich wurde. Der Betroffene entschloss sich nach Beratung<br />
zu e<strong>in</strong>er Nach<strong>am</strong>putation im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Handverschmälerung.<br />
Notwendige Veränderungen <strong>in</strong> der Kommunikation<br />
Die Notwendigkeit e<strong>in</strong>er veränderten Kommunikation folgt aus der e<strong>in</strong>gangs beschriebenen<br />
Veränderung im berufsgenossenschaftlichen Umfeld.<br />
Hatten wir früher das Modell des bg-lichen Heilverfahrens, mit dem D-Arzt im Zentrum<br />
und dem Sachbearbeiter eher im H<strong>in</strong>tergrund, so br<strong>in</strong>gen sich viele Berufsgenossenschaften<br />
nunmehr stärker als früher <strong>in</strong> das Heilverfahren e<strong>in</strong>. Der Reha-Manager wird als Partner<br />
und Vermittler tätig und steht dem Versicherten und dem D-Arzt zur Seite. Das Reha-Management<br />
kann nur auf gegenseitige Akzeptanz und Verständnis für <strong>die</strong> jeweiligen Kompetenzen<br />
und Aufgaben basieren. Wir halten es für erforderlich um das geme<strong>in</strong>s<strong>am</strong>e Ziel<br />
e<strong>in</strong>er bestmöglichen Rehabilitation für unsere Versicherten zu erreichen. Das moderne<br />
Reha-Management benötigt e<strong>in</strong>e schnelle und offene Kommunikation als Grundvoraussetzung<br />
effektiver Zus<strong>am</strong>menarbeit im Interesse unserer Versicherten.<br />
168
UV-Fallforum – Typische Fallstricke im Reha-Management<br />
Wagt man e<strong>in</strong>en Ausblick, so rückt das Reha-Management durch <strong>die</strong> Konzentrierung der<br />
Berufsgenossenschaften auf wenige große Träger mit flächendeckenden Bezirksverwaltungen<br />
räumlich stärker <strong>in</strong> <strong>die</strong> Nähe des Versicherten und somit auch näher an <strong>die</strong> Leistungserbr<strong>in</strong>ger<br />
heran. Es wird sich <strong>in</strong> Zukunft weiterentwickeln zu e<strong>in</strong>em Rehabilitations-Netzwerk<br />
mit der Zielsetzung e<strong>in</strong>er bestmöglichen Wiederherstellung als Ergebnis e<strong>in</strong>es effektiven<br />
Te<strong>am</strong>works.<br />
Kontakt<br />
Hochste<strong>in</strong>, Paul, Dr. med.<br />
Beratender Arzt der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft<br />
Isaac-Fulda-Allee 3, 55124 Ma<strong>in</strong>z<br />
Schumacher, Kay, Ass. jur.<br />
Leiter der Bezirksverwaltung<br />
Verwaltungs-Berufsgenossenschaft<br />
Isaac-Fulda-Allee 3, 55124 Ma<strong>in</strong>z<br />
169
Schlusswort<br />
Prof. Dr. Re<strong>in</strong>hard Hoffmann<br />
Schlusswort<br />
Ich möchte für Sie <strong>die</strong> <strong>Tagung</strong> nochmal ganz kurz Revue passieren lassen und schlagwortartig<br />
zus<strong>am</strong>menfassen.<br />
Zunächst <strong>die</strong> Sitzung gestern zum Thoraxtrauma. Was nehmen wir mit? Nicht erst warten<br />
bis sich Probleme e<strong>in</strong>stellen, sondern sehr früh bei Polytrauma und Lungenkontusion das<br />
RotoRest-Bett® direkt <strong>in</strong>itial e<strong>in</strong>setzen. Rippenosteosynthesen s<strong>in</strong>d out, es sei denn, sie<br />
s<strong>in</strong>d extrem verschoben. Die Thorakoskopie hat e<strong>in</strong>en zunehmenden Stellenwert beim<br />
schweren Thoraxtrauma <strong>in</strong>sbesondere zur Hämatomentlastung. Die großen Gefäßverletzungen<br />
können heute sehr gut mit Stents m<strong>in</strong>imal <strong>in</strong>vasiv versorgt werden. Bei der Bildgebung<br />
ist das konventionelle Röntgenbild immer noch das A und O. Wir haben ja leider immer<br />
mehr Patienten, <strong>die</strong> gar nicht mehr geröntgt wurden, sondern bei denen direkt e<strong>in</strong> Kernsp<strong>in</strong><br />
gemacht wurde. Das ist nicht akzeptabel. Die Sonographie hat ihren Stellenwert <strong>in</strong> der<br />
Praxis, aber auch <strong>in</strong> der Kl<strong>in</strong>ik und vor allen D<strong>in</strong>gen zunehmend <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>. CTs<br />
s<strong>in</strong>d wichtig für <strong>die</strong> Rekonstruktion und für <strong>die</strong> präoperative Planung, zunehmend gerade im<br />
Gelenkbereich. Beim MRT muss man noch sehen, welchen Stellenwert <strong>die</strong> drei Teslaspulen<br />
haben. Das offene MRT ist auch auf dem Vormarsch. Bei den Gutachten haben wir gesehen,<br />
dass Entscheidungskriterien für <strong>die</strong> Kausalität wichtig s<strong>in</strong>d. Wir haben auch gelernt, dass<br />
isolierte, traumatische Meniskusverletzungen offensichtlich doch vorkommen können,<br />
wenn auch sehr, sehr selten. Bei der Wundsitzung haben wir gesehen, dass <strong>die</strong> Kl<strong>in</strong>ik nach<br />
wie vor führend ist. Das ist eigentlich e<strong>in</strong>e B<strong>in</strong>senweisheit, wird aber leider oft vernachlässigt.<br />
E<strong>in</strong> rasches, kompromissloses und konsequentes Handeln ist erforderlich. Wir haben<br />
<strong>über</strong> den Biofilm gehört, wir haben gesehen, dass man bereits nach drei oder spätestens<br />
vier Wochen von e<strong>in</strong>em Spät<strong>in</strong>fekt spricht und dass <strong>die</strong>se schwierigen und komplizierten<br />
Verläufe dann möglichst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em septischen Zentrum behandelt werden sollen. Heute <strong>in</strong><br />
der Ellenbogengelenksitzung haben wir gesehen, dass der Bewegungsfixateur durchaus bei<br />
e<strong>in</strong>igen Indikationen e<strong>in</strong>e Rolle spielt, <strong>die</strong> meisten Luxationen aber konservativ funktionell<br />
gut zur Ausheilung kommen. Wir haben gesehen, dass <strong>die</strong> w<strong>in</strong>kelstabilen Platten für Implantate<br />
auf dem Vormarsch s<strong>in</strong>d und viele Probleme lösen können, aber dass wir durchaus<br />
mit der Endoprothese noch e<strong>in</strong>e Alternative haben. Die letzte Sitzung war <strong>am</strong> heftigsten<br />
diskutiert. Im Reha-Management hat <strong>die</strong> Kommunikation große Bedeutung. Alle Beteiligten<br />
müssen sich um den Patienten kümmern. Kosten müssen reduziert werden. Es handelt sich<br />
nicht nur um e<strong>in</strong>en Fall, sondern immer auch um e<strong>in</strong> persönliches Schicksal.<br />
Ich darf mich bei allen recht herzlich bedanken, <strong>in</strong>sbesondere auch im N<strong>am</strong>en von Prof.<br />
Kirschner beim Landesverband und Herrn Wirthl und <strong>die</strong> ganze Organisation. Alles hat aus<br />
me<strong>in</strong>er Sicht perfekt gepasst, auch das neue Bühnenbild. Ich glaube das ist mal e<strong>in</strong>en Sonderapplaus<br />
wert. Dann natürlich Dank an alle Referenten und Vorsitzenden, an <strong>die</strong> Aussteller,<br />
<strong>die</strong> e<strong>in</strong>e solche Veranstaltungen ja immer erst möglich machen, und natürlich an Sie<br />
als Auditorium für <strong>die</strong> guten und kritischen Beiträge.<br />
171
Die gesetzliche Unfallversicherung – wer wir s<strong>in</strong>d.<br />
Ich freue mich auf e<strong>in</strong> Wiedersehen, spätestens <strong>in</strong> zwei Jahren oder bei anderen Veranstaltungen<br />
natürlich auch sehr gerne, und würde Sie nochmal bitten, <strong>die</strong> Formulare auszufüllen<br />
und entsprechend abzugeben. Ich wünsche Ihnen e<strong>in</strong>e gute Heimfahrt.<br />
Vielen Dank.<br />
172
Verzeichnis der Referenten und Vorsitzenden<br />
Blum, Jochen, Prof. Dr. med.<br />
Chefarzt der Kl<strong>in</strong>ik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie<br />
Chirurgische Kl<strong>in</strong>ik II, Kl<strong>in</strong>ikum Worms gGmbH<br />
Gabriel-von-Seidl-Straße 81, 67550 Worms<br />
Verzeichnis der Referenten und Vorsitzenden<br />
Braunschweig, Ra<strong>in</strong>er, Dr. med.<br />
Direktor der Kl<strong>in</strong>ik für bildgebende Diagnostik und Interventionsradiologie<br />
Berufsgenossenschaftliche Kl<strong>in</strong>iken Bergmannstrost<br />
Merseburger Straße 165, 06112 Halle/Saale<br />
Ennker, Jürgen, Priv. Doz. Dr. med.<br />
Ärztlicher Direktor MediCl<strong>in</strong> Herzzentrum Lahr/Baden<br />
Chefarzt der Kl<strong>in</strong>ik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie<br />
Hohbergweg 2, 77933 Lahr<br />
Erl<strong>in</strong>ghagen, Norbert, Ass. jur.<br />
Geschäftsführer der Bezirksverwaltung Bonn der Bergbau Berufsgenossenschaft<br />
und der Ste<strong>in</strong>bruchs-Berufsgenossenschaft<br />
Peter-Hensen-Straße 1, 53175 Bonn<br />
Gerlach, Ulf Joachim, Dr. med.<br />
Leitender Arzt Septische Knochen- und Weichteilchirurgie,<br />
Berufsgenossenschaftliches Unfallkrankenhaus,<br />
Bergedorfer Straße 10, 21033 H<strong>am</strong>burg<br />
Hedtmann, Achim, Priv. Doz. Dr. med.<br />
Kl<strong>in</strong>ik Fleet<strong>in</strong>sel H<strong>am</strong>burg GmbH & Co KG<br />
Admiralitätsstraße 4, 20459 H<strong>am</strong>burg<br />
Heppert, Volkmar, Dr. med.<br />
Chefarzt der Abteilung für Septische Chirurgie - Knochen-, Gelenkund<br />
Prothesen<strong>in</strong>fektionen<br />
Berufsgenossenschaftliche Unfallkl<strong>in</strong>ik Ludwigshafen<br />
Ludwig-Guttmann-Straße 13, 67071 Ludwigshafen<br />
Hermichen, Honke Georg, Dr. med.<br />
Chefarzt der Kl<strong>in</strong>ik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie/Orthopädische Chirurgie<br />
Städtische Kl<strong>in</strong>iken Neuss, Lukaskrankenhaus GmbH<br />
Preußenstraße 84, 41464 Neuss<br />
Stv. Geschäftsführendes Mitglied bei der Gutachterkommission<br />
für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztek<strong>am</strong>mer Nordrhe<strong>in</strong><br />
Tersteegenstraße 9, 40474 Düsseldorf<br />
173
Verzeichnis der Referenten und Vorsitzenden<br />
Hochste<strong>in</strong>, Paul, Dr. med.<br />
Beratender Arzt der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft<br />
Isaac-Fulda-Allee 3, 55124 Ma<strong>in</strong>z<br />
Hoffmann, Re<strong>in</strong>hard, Prof. Dr. med.<br />
Ärztlicher Direktor Berufsgenossenschaftliche Unfallkl<strong>in</strong>ik Frankfurt<br />
Friedberger Landstraße 430, 60389 Frankfurt/M.<br />
Chefarzt der Kl<strong>in</strong>ik für Unfallchirurgie und Orthopädische Chirurgie<br />
Kl<strong>in</strong>ikum Offenbach GmbH<br />
Starkenburgr<strong>in</strong>g 66, 63069 Offenbach<br />
Hofmann, Gunther O., Prof. Dr. Dr. med.<br />
Ärztlicher Direktor Berufsgenossenschaftliche Kl<strong>in</strong>iken Bergmannstrost<br />
Merseburger Straße 165, 06112 Halle<br />
Direktor der Kl<strong>in</strong>ik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie<br />
Kl<strong>in</strong>ikum der Friedrich-Schiller-Universität<br />
Erlanger Allee 101, 07747 Jena<br />
Jäger, Alw<strong>in</strong>, Dr. med.<br />
Chefarzt der Abteilung für Sportorthopä<strong>die</strong>, Knie- und Schulterchirurgie<br />
Berufsgenossenschaftliche Unfallkl<strong>in</strong>ik Frankfurt<br />
Friedberger Landstraße 430, 60389 Frankfurt/M.<br />
Kirschner, Peter, Prof. Dr. med.<br />
Beratender Arzt<br />
Landesverband Mitte der <strong>Deutsche</strong>n Gesetzlichen Unfallversicherung<br />
(DGUV)<br />
Wilhelm-Theodor-Römheld-Straße 15, 55130 Ma<strong>in</strong>z<br />
Marzi, Ingo, Prof. Dr. med.<br />
Direktor der Kl<strong>in</strong>ik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie<br />
Kl<strong>in</strong>ikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt <strong>am</strong> Ma<strong>in</strong><br />
Theodor-Stern-Kai 7, 60596 Frankfurt/M.<br />
Müller, Lars Peter, Priv. Doz. Dr. med.<br />
Oberarzt der Kl<strong>in</strong>ik und Polikl<strong>in</strong>ik für Unfallchirurgie<br />
Kl<strong>in</strong>ikum der Johannes Gutenberg-Universität<br />
Langenbeckstraße 1, 55131 Ma<strong>in</strong>z<br />
Platz, Albert R., Dr. jur.<br />
Landesdirektor<br />
Landesverband Mitte der <strong>Deutsche</strong>n Gesetzlichen Unfallversicherung<br />
(DGUV)<br />
Wilhelm-Theodor-Römheld-Straße 15, 55130 Ma<strong>in</strong>z<br />
174
Rauch, Arm<strong>in</strong><br />
Stv. Leiter der Abteilung Rehabilitation<br />
Fleischerei-Berufsgenossenschaft<br />
Lortz<strong>in</strong>gstraße 2, 55127 Ma<strong>in</strong>z<br />
Ril<strong>in</strong>ger, Norbert, Prof. Dr. med.<br />
Chefarzt der Abteilung für Diagnostische und Interventionelle<br />
Radiologie<br />
Berufsgenossenschaftliche Unfallkl<strong>in</strong>ik Frankfurt<br />
Friedberger Landstraße 430, 60389 Frankfurt/M.<br />
Ärztlicher Direktor der Kl<strong>in</strong>ikum Offenbach GmbH<br />
Chefarzt des Zentral<strong>in</strong>stituts für Radiologie<br />
Starkenburgr<strong>in</strong>g 66, 63069 Offenbach <strong>am</strong> Ma<strong>in</strong><br />
Rommens, Pol M. Prof. Dr. med. Dr. h.c.<br />
Direktor der Kl<strong>in</strong>ik und Polikl<strong>in</strong>ik für Unfallchirurgie<br />
Kl<strong>in</strong>ikum der Johannes Gutenberg-Universität<br />
Langenbeckstraße 1, 55131 Ma<strong>in</strong>z<br />
Ruchholtz, Steffen, Prof. Dr. med.<br />
Direktor der Kl<strong>in</strong>ik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungs-<br />
chirurgie<br />
Universitätskl<strong>in</strong>ikum Gießen und Marburg GmbH<br />
Bald<strong>in</strong>ger Straße, 35043 Marburg<br />
Schirren, Carl Joachim, Priv.-Doz. Dr. med.<br />
Leiter der Abteilung für Thoraxchirurgie der Kerckhoff-Kl<strong>in</strong>ik<br />
Benekestraße 2 bis 8, 61231 Bad Nauheim<br />
Schnettler, Re<strong>in</strong>hard, Prof. Dr. Dr. med.<br />
Direktor der Kl<strong>in</strong>ik und Polikl<strong>in</strong>ik für Unfallchirurgie<br />
Universitätskl<strong>in</strong>ikum Gießen und Marburg GmbH<br />
Kl<strong>in</strong>ikum der Justus-Liebig-Universität<br />
Rudolf-Buchheim-Straße 7, 35392 Gießen<br />
Schumacher, Kay, Ass. jur.<br />
Leiter der Bezirksverwaltung<br />
Verwaltungs-Berufsgenossenschaft<br />
Isaac-Fulda-Allee 3, 55124 Ma<strong>in</strong>z<br />
Stu<strong>die</strong>r-Fischer, Stefan, Dr. med.<br />
Oberarzt der Kl<strong>in</strong>ik für Unfallchirurgie und Orthopä<strong>die</strong><br />
Berufsgenossenschaftlichen Unfallkl<strong>in</strong>ik Ludwigshafen<br />
Ludwig-Guttmann-Straße 13, 67071 Ludwigshafen<br />
Verzeichnis der Referenten und Vorsitzenden<br />
175
Verzeichnis der Referenten und Vorsitzenden<br />
Vogl, Thomas J., Prof. Dr. med.<br />
Zentrum der Radiologie<br />
Direktor des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie<br />
Kl<strong>in</strong>ikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt<br />
Theodor-Stern-Kai 7, 60596 Frankfurt<br />
Walter, Gerhard, Dr. med.<br />
Chefarzt der Abteilung Septische Chirurgie<br />
Berufsgenossenschaftliche Unfallkl<strong>in</strong>ik Frankfurt<br />
Friedberger Landstraße 430, 60389 Frankfurt/M.<br />
Weise, Kuno, Prof. Dr. med.<br />
Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallkl<strong>in</strong>ik Tüb<strong>in</strong>gen<br />
Schnarrenbergstraße 95, 72076 Tüb<strong>in</strong>gen<br />
Wenda, Klaus, Prof. Dr. med.<br />
Direktor der Kl<strong>in</strong>ik für Unfall-, Hand- und Orthopädische Chirurgie<br />
HSK Dr. Horst Schmidt Kl<strong>in</strong>ik<br />
Ludwig-Erhard-Straße 100, 65199 Wiesbaden<br />
Wendler, Christian, Dr. med.<br />
Arzt für Chirurgie/Unfallchirurgie<br />
Emil-Fuchs-Platz 1, 65428 Rüsselsheim<br />
Wentzensen, Andreas, Prof. Dr. med.<br />
Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallkl<strong>in</strong>ik Ludwigshafen<br />
Ludwig-Guttmann-Straße 13, 67071 Ludwigshafen<br />
W<strong>in</strong>ker, Karl He<strong>in</strong>rich, Prof. Dr. med.<br />
Chefarzt der Kl<strong>in</strong>ik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie<br />
HELIOS Kl<strong>in</strong>ikum<br />
Nordhäuser Straße 74, 99089 Erfurt<br />
W<strong>in</strong>kler, Hartmut, Priv. Doz. Dr. med.<br />
Chefarzt der Kl<strong>in</strong>ik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie<br />
Westpfalz-Kl<strong>in</strong>ikum GmbH<br />
Hellmut-Hartert-Straße 1, 67655 Kaiserslautern<br />
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