Magazin "Klimamacher" - Journalisten Akademie
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Impressum:<br />
Herausgeber:<br />
<strong>Journalisten</strong>-<strong>Akademie</strong><br />
der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.<br />
Rathausallee 12, D-53757 Sankt Augustin<br />
Telefon: (02241) 246- 0<br />
Telefax: (02241) 246- 2573<br />
Web: www.journalisten-akademie.com<br />
Gesamtleitung:<br />
Maria Grunwald (V.i.S.d.P)<br />
Chefredaktion:<br />
Eva-Maria Schnurr<br />
Maria Grunwald<br />
Chef vom Dienst:<br />
Friederike Müller<br />
Schlussredaktion:<br />
Michael Handel<br />
Benno Müchler<br />
Sarah Wendel<br />
Fotoredaktion:<br />
Thomas Iskra<br />
Gestaltung:<br />
Judith Uhlemann<br />
www.uhlemann-design.de<br />
Redaktion:<br />
Mara Bergmann, Julia Döhrn, Marcell Haag,<br />
Michael Handel, Julika Meinert, Benno Müchler,<br />
Friederike Müller, Kilian Trotier, Judith Wanner,<br />
Sarah Wendel.<br />
Dieses <strong>Magazin</strong> ist im Rahmen eines Seminars<br />
der <strong>Journalisten</strong>-<strong>Akademie</strong> der Konrad-Adenauer-Stiftung<br />
vom 15. bis 24. Februar 2008 in Stuttgart entstanden.<br />
Mit freundlicher Unterstützung von<br />
KLIMAMACHER<br />
Juckt: Insekten, die den Klimawandel lieben. Ärgert: Klimapolitik, die nicht funktioniert.<br />
Schmeckt: Essen ohne CO2. Fliegt: Ein Professor mit Vision<br />
WAS TUN GEGEN DIE ERDERWÄRMUNG<br />
41
Zum Geleit<br />
Klimawandel gab es schon immer. Die Erdgeschichte liefert dafür beredte Zeugnisse.<br />
Tropenwälder, wo heute kalte Winter herrschen. Meeresfluten, wo heute Wüste ist.<br />
Also alles schon mal da gewesen?<br />
Natürlich dürfen wir es uns nicht so einfach machen. Denn selbst die kleinen und<br />
großen Eiszeiten und Wärmeperioden, die die vergleichweise kurze Geschichte der<br />
Menschheit begleiteten, sind kein Grund, sich beruhigt zurückzulehnen. So schnell wie<br />
in der Gegenwart hat sich das Klima noch nie erwärmt. Und dass es so rasch geht, hat<br />
wohl doch etwas mit den Menschen zu tun.<br />
Sorgen machen<br />
Vorwort: Was tun gegen den Klimawandel? 4<br />
Cabernet Schwabignon: Wein aus dem Süden jetzt auch bei uns 6<br />
Das große Krabbeln: Insekten im Wald, Piranhas im Neckar? 8<br />
Besser machen<br />
Beruhigungspillen sind also nicht angebracht. Wenn wir etwas tun können, um<br />
Bio, aber nicht öko: Die Politik fährt mit Biosprit einen Schlingerkurs 12<br />
2 Katastrophenszenarien von verdorrten Feldern, im Hochwasser verschwindenden<br />
Städten und von durch Stürme verwüsteten Landstrichen nicht Normalität werden zu<br />
lassen, dann sollten, ja müssen wir handeln. Aber auch hier gilt, dass ein nachhaltiges<br />
Vorgehen mit Augenmaß besser ist als Schnellschüsse und Aktionismus.<br />
Solar mit Schatten: Sonnenenergie hat einen guten Ruf. Zu Recht? 16<br />
3<br />
Die Politiker müssen Rahmenbedingungen verändern, die Menschen ihr Verhalten.<br />
Dabei ist es schon schwierig genug, weltweit ein hinreichendes Problembewusstsein<br />
herzustellen. Der Ende 2007 erschienene Klimareport International der Konrad-<br />
Adenauer-Stiftung dokumentiert in ernüchternder Weise die unterschiedlichen Wahrnehmungen<br />
und Einstellungen in vielen Ländern der Welt. Bundeskanzlerin Angela Merkel<br />
kommt das besondere Verdienst zu, im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft<br />
im ersten Halbjahr 2007 wie auch des deutschen Vorsitzes im Kreis der G8-Staaten den<br />
Klimaschutz in den Mittelpunkt gerückt zu haben. Bei beiden Gipfeltreffen wurde auf<br />
ihr Betreiben hin eine deutliche Reduktion der Treibhausgasemissionen mit verbindlichen<br />
Zeitvorgaben beschlossen.<br />
Schwierig wird es immer dann, wenn es konkret wird. Wie lieb und teuer ist uns der Klima-<br />
und Umweltschutz wirklich? Worauf sind wir bereit zu verzichten? Wo es um das nackte<br />
Überleben geht, ist die Frage, wie viel Biosprit unsere Autos vertragen, ziemlich unwichtig.<br />
Wenn Preise für Grundnahrungsmittel exorbitant steigen, weil die Agraranbauflächen<br />
mit lukrativeren Bio-Energierohstoffen bepflanzt werden, werden Fragen nach der Zukunft<br />
unseres Wohlstandes für viele immer wichtiger.<br />
Dieses <strong>Magazin</strong> von Stipendiaten der Journalistischen Nachwuchsförderung der Konrad-<br />
Adenauer-Stiftung gibt einen Eindruck davon, worüber wir uns Sorgen machen müssen<br />
und was wir selber tun können. Ein Ausschnitt aus einem großen Problempuzzle, das –<br />
zusammengesetzt – ein vertrautes Bild ergibt: unsere eine Welt.<br />
C. Bajohr<br />
Selber machen<br />
Seite<br />
Klimawandel – schon gecheckt? Kinderleichte Energiespar-Tipps 20<br />
Zum Fressen gern: Eine Lösung für das Apfel-Dilemma 23<br />
Telefonieren, Trinken, Drucken: Wir retten den Planeten 27<br />
Zukunft machen<br />
Ein Bauer macht Gas: Wie der Mais ins Kraftwerk kommt 30<br />
Flugzeuge im Kopf: Ein Professor geht in die Luft 34<br />
Können Sie Klima? Testen Sie Ihren Energietyp 37<br />
Das Klima in Zahlen 39
Was tun gegen den Klimawandel?<br />
SORGENMACHEN<br />
14 Grad, wir halten unsere Nasen in die Sonne, knöpfen die dicken<br />
Jacken auf und genießen die Wärme. An einem Nachmittag im Februar.<br />
Ist das der Klimawandel, den wir hier spüren? Oder fallen uns die<br />
milden Temperaturen und die Sonnenstrahlen im Winter nur auf,<br />
weil alle von globaler Erwärmung reden, weil Wissenschaftler und<br />
Umweltschützer Schreckensbilder von geschmolzenen Polkappen<br />
und Überflutungen malen? Früher haben wir übers Wetter geredet,<br />
heute reden wir übers Klima. Aber dummerweise ist der Klimawandel<br />
kein netter Small-Talk, sondern eine ernstzunehmende Bedrohung,<br />
Julika Meinert, 22<br />
4 deren erste Auswirkungen wir hier und heute schon bemerken.<br />
Sorgen sollten sich vor allem die Franzosen 5 und<br />
Daran zweifelt spätestens seit dem letzten Bericht des Inter-<br />
Italiener machen. Denn die Deutschen produzieren<br />
governmental Panel on Climate Change (IPCC) kaum noch jemand.<br />
Denn diese Untersuchung bestätigt: Am Klimawandel ist der<br />
Mensch schuld. Die Klimamacher sind wir. Gerade deshalb müssen<br />
wir jetzt gegensteuern.<br />
ziemlich guten Merlot und Cabernet.<br />
Für unser <strong>Magazin</strong> haben wir zehn Tage lang Klimaschützer,<br />
Geschäftsleute und Experten in und um Stuttgart besucht. Wir<br />
erzählen von gut gemeinten Lösungen, die nach hinten losgehen,<br />
von Tieren, die die Erderwärmung lieben, und von Menschen, die<br />
den Klimawandel bekämpfen. Denn warten, bis eine Lösung vom<br />
Himmel fällt, können wir uns nicht länger leisten. Wir müssen was<br />
tun gegen die Erderwärmung.<br />
Viel Spaß beim Lesen!<br />
Die Redaktion<br />
Michael Handel, 25<br />
Dass die Vögel der Sorge über dein<br />
Haupt fliegen, kannst du nicht ändern.<br />
Aber dass sie Nester in deinem Haar<br />
bauen, das kannst du verhindern.
Rainer Schnaitmann kann entspannt bleiben:<br />
Seine Reben vertragen wärmeres Klima<br />
Cabernet Schwabignon<br />
derung auf die traditionellen Sorten beschränkt,<br />
verpasst nicht nur eine Chance, sondern geht ein<br />
Noch bevor Politik und Medien ihn zum Pflichtthema erklärten, ist der Klimawandel<br />
Risiko ein. „Nur durch besondere Bereitschaft und<br />
angekommen. Leise und unauffällig an einem Ort, an dem wir ihn nicht erwartet hätten:<br />
Fähigkeit zur Anpassung an den Klimawandel, z. B.<br />
auf deutschen Weinbergen<br />
durch Sortenwechsel, kann der Weinbau Gefahren<br />
durch Qualitäts- und Ertragseinbußen begegnen.“<br />
6 So formulierte es das Potsdam-Institut für Klima-<br />
7<br />
Text: Julika Meinert<br />
in Deutschland undenkbar waren.“ Dennoch sind<br />
folgenforschung schon im Jahr 2003. Denn es geht<br />
die Zahlen im Vergleich gering: Nur zwischen zwei<br />
um mehr, als man denkt: Weintrauben sind das<br />
Fast senkrecht steht die Sonne über den Weinber- und drei Prozent der deutschen Winzer bauen bis-<br />
zweitwichtigste Agrarprodukt Europas.<br />
gen in Stuttgart-Fellbach. Wie Schienen verlaufen lang Sorten wie Merlot oder Cabernet an. „Das<br />
die Rebreihen schnurgerade bis zum Horizont. wird sicher noch zunehmen“, meint Walter Kast.<br />
Die Klimaveränderungen bergen Gefahren, die für<br />
Rainer Schnaitmann geht durch die Reihen, stutzt Denn wer in Deutschland südliche Weinsorten an-<br />
die Winzer schnell zum finanziellen Risiko werden<br />
das dünne Holz mit einer<br />
pflanzt, muss nicht auf Qualität<br />
können. „Wir haben es heute mit ganz anderen<br />
Heckenschere. „Diese hier mag<br />
verzichten. „Wir machen hier zur<br />
Reifebedingungen zu tun“, sagt Walter Kast. Hohe<br />
ich besonders gerne“, sagt er<br />
Zeit einen besseren Merlot als<br />
Temperaturen sind zwar eine Voraussetzung für<br />
und betrachtet zufrieden seine<br />
die Italiener“, meint Rainer<br />
die Reife südlicher Sorten. Doch die veränderten<br />
Reben. „Mein Cabernet Franc.“<br />
Schnaitmann. Für seine guten<br />
Klimabedingungen können besonders für die Qua-<br />
Und dann streckt der 40-Jährige<br />
Weine wurde er 2007 vom<br />
lität der Weißweine schnell zum Problem werden.<br />
lächelnd sein Gesicht in die Son-<br />
renommierten Gault Millau<br />
„Der Geschmack der traditionellen Sorten leidet<br />
ne, als wolle er ihre Energie für<br />
Wein-Guide zum „Aufsteiger des<br />
unter den hohen Temperaturen“, meint Wissen-<br />
die nächsten Tage speichern.<br />
Jahres“ gekürt.<br />
schaftler Kast. „Hinzu kommen Gefahren wie neue<br />
Sonnentage satt hatte Rainer<br />
Schädlinge oder das schlagartige Auftreten von<br />
Schnaitmann nach seinem Wein -<br />
Nach und nach zündet der Winzer<br />
Fäulnissen.“ Dennoch stellen sich nicht alle Wein-<br />
bau-Studium, als er in Italien<br />
nun die Kerzen in seinem Weingüter<br />
auf den Klimawandel ein. So sieht man etwa<br />
und Neuseeland praktische Erkeller<br />
an. Aus einem Lautsprecher<br />
auf den Weinbergen der Stadt Stuttgart derzeit<br />
fahrungen sammelte. Von dort<br />
schallt Bachs Messe in h-Moll.<br />
keinen Handlungsbedarf. Statt neue Rebsorten an-<br />
brachte er neue Weinsorten mit<br />
„Wenn hier die richtige Atmoszupflanzen,<br />
wird darüber noch diskutiert.<br />
– und eine große Herausfordephäre<br />
herrscht, wird der Wein<br />
rung: Merlot anbauen, Cabernet und Sauvignon. auch besser“, sagt Rainer Schnaitmann. Prüfend<br />
Bei Rainer Schnaitmann sieht das anders aus:<br />
Und das nicht irgendwo, sondern mitten in Stutt- betrachtet er seine Holzfässer, hält inne, legt sein<br />
15 Prozent seiner jährlichen Produktion stammen<br />
gart. „Ich hätte gar nicht gedacht, dass diese Ohr an ein Fass. Der Inhalt: 2007er Cabernet Franc.<br />
aus internationalen Sorten – etwa 20.000 Flaschen.<br />
Sorten in Deutschland gut wachsen,“ sagt Schnait- „Es gluckst“, sagt Rainer Schnaitmann. Der Wein<br />
Einige davon durchlaufen eine Etage über dem<br />
mann. Doch sie wuchsen. Heute gehören Merlot gärt. „Mit den neuen Sorten überraschen wir viele<br />
Wein keller gerade die Endproduktion. „Merlot/<br />
und Cabernet genauso zu seinem Angebot wie Menschen.“ Cabernet Franc – wer erwartet den<br />
Cabernet. Trocken“, steht auf den Etiketten. Mit<br />
der traditionelle Trollinger oder Lemberger. schon in Stuttgart? Schnaitmann hat genug Ab-<br />
routinierten Handbewegungen stülpt Rainer<br />
nehmer.<br />
Schnaitmann blaue Hülsen über sein verkorktes<br />
„Zur Zeit profitieren die Winzer vom Klimawandel“,<br />
Werk – der letzte Feinschliff. „Bisher war der Klima-<br />
meint Walter Kast, der die Abteilung Wein- und<br />
Obstbau der Weinbauschule in Weinsberg leitet.<br />
„Die Nachfrage nach südlichen Weinsorten aus<br />
Deutschland wird in Zukunft noch steigen“, meint<br />
wandel ein Vorteil für uns“, sagt Schnaitmann.<br />
Seine Mischung aus Merlot und Cabernet ist jetzt<br />
Die südlichen Weinsorten brachte der Winzer aus<br />
Italien und Neuseeland mit. Die Ernte von 2007<br />
„Wir können heute Sorten anbauen, die vor 15 Jahren Wein-Experte Walter Kast. Wer sich trotz Klimaän-<br />
schon durch Vorbestellungen ausverkauft.<br />
gärt gerade im Keller
8<br />
Das große Krabbeln<br />
Die Polkappen schmelzen, Eisbären<br />
sterben aus, und die Karibik wird von<br />
Hurrikans verwüstet.<br />
Doch auch in Deutschland sind die<br />
Folgen des Klimawandels schon zu sehen.<br />
Man muss nur genau hinschauen<br />
Text: Michael Handel<br />
Das Laub raschelt, als Christa Erdin-Schwill durch<br />
den Stuttgarter Stadtwald geht. Kleine Äste zerbrechen<br />
unter ihren Schritten, die Februar-Sonne<br />
scheint durch die Äste hindurch. Es ist zehn Uhr<br />
morgens, die Leiterin des Forstamtes Stuttgart hat<br />
gerade ihren Kontrollgang begonnen. Vor einer Buche<br />
bleibt sie stehen, legt den Kopf in den Nacken,<br />
schaut nach oben. Falten bilden sich auf ihrer Stirn.<br />
Denn wo eine mächtige Baumkrone sein sollte,<br />
sind nur noch tote Äste zu sehen. „Die Insekten<br />
haben gewonnen“, sagt die Försterin und seufzt.<br />
„Der Buchenprachtkäfer hat ganze Arbeit geleistet.“<br />
Ein nur sechs Millimeter großer Käfer hat eine<br />
20 Meter hohe Buche bezwungen. Dabei hilft ihm<br />
der Klimawandel. Vor zwanzig Jahren kam der Käfer<br />
nur selten in den Wäldern in Stuttgart vor. Heute fallen<br />
ihm die stärksten Buchen zum Opfer. Der Grund:<br />
Das Klima ist wärmer und damit trockener als<br />
noch vor einigen Jahren. Die Bäume haben zu<br />
wenig Wasser, werden dadurch geschwächt, und<br />
Ein Nest mit Eichenprozessionsspinnern:<br />
Entweder werden die Raupen abgeflammt<br />
oder vom Hubschrauber aus<br />
mit Pflanzenschutzmitteln bekämpft<br />
ihre Widerstandskraft sinkt. Gleichzeitig fehlen<br />
drastische Kälteeinbrüche im Winter, die einen<br />
Großteil der Insekten erfrieren lassen. „Jeder freut<br />
sich über das schöne Wetter im Februar, doch wir<br />
Förster schauen nach oben und hoffen auf<br />
Wasser“, sagt Erdin-Schwill.<br />
Doch der Buchenprachtkäfer ist nicht das einzige<br />
Insekt, das dem Wald zu schaffen macht. Eichenprozessionsspinner,<br />
Borkenkäfer und der Buchdrucker<br />
waren vor zwanzig Jahren noch selten im<br />
Stuttgarter Wald zu finden. Heute hat jede<br />
Baumart einen neuen Schädling, mit dem sie fertig<br />
werden muss. „Insekten sind die ersten Indikatoren<br />
für die Erderwärmung“, sagt Claus Zebitz,<br />
Professor für Insektenkunde an der Universität Hohenheim.<br />
„Von allen Tierarten passen sie sich am<br />
besten an veränderte Umweltbedingungen an.“<br />
Die Waldinsekten nutzen die milden Winter und<br />
nisten sich zwischen Rinde und Holz ein. Der Baum<br />
kann kein Wasser mehr in seine Krone leiten, er stirbt<br />
langsam von oben nach unten ab.<br />
Vor einer Eiche bleibt Försterin Erdin-Schwill auf<br />
ihrem Rundgang stehen. Mit dem Zeigefinger<br />
berührt sie den nahezu letzten Rest Rinde, der am<br />
Baum noch zu sehen ist. Die Rinde zerbröselt und<br />
fällt zu Boden. Zurück bleibt eine weitere kahle<br />
Stelle auf dem Stamm. „In diesen Fällen müssen<br />
wir schnell reagieren und den Baum fällen. Und<br />
diese Eiche ist leider kein Einzelfall“, sagt sie<br />
und weist mit der Hand auf zwei weitere Eichen,<br />
die ganz in der Nähe stehen. Auch bei ihnen<br />
besteht die Krone nur noch aus dürren Ästen,<br />
die Rinde ist fast komplett abgeblättert. Ob es in<br />
fünfzig Jahren noch Buchen und Eichen im<br />
Stuttgarter Stadtwald geben wird? Erdin-Schwill<br />
zuckt mit den Schultern.<br />
Doch nicht nur der Wald leidet unter den Insekten.<br />
Auch für den Menschen sind sie gefährlich. Beim<br />
Waldspaziergang im Sommer kann man leicht<br />
Opfer des Eichenprozessionsspinners werden. „Die<br />
Fälle im Zusammenhang mit diesem Insekt sind in<br />
den vergangenen Jahren sprunghaft angestiegen“,<br />
sagt Erik Seger vom Berufsverband der Deutschen<br />
Hautärzte. Viele Patienten klagten über Hautausschläge,<br />
nachdem sie mit den Härchen der Raupe<br />
in Berührung gekommen waren. In Deutschland<br />
wurden in den vergangenen Jahren mehrmals<br />
ganze Waldabschnitte gesperrt, Kammerjäger<br />
mussten zahlreiche Nester ausräuchern, und sogar<br />
Freibäder oder Kindergärten wurden geschlossen.<br />
Wie viele neue Insekten sich bisher in Deutschland<br />
niedergelassen haben, kann niemand sagen. Doch<br />
die Folgen sind bereits absehbar: In der Landwirtschaft<br />
müssen neue Konzepte zur Insektenbekämpfung<br />
erdacht werden, das Ökosystem wird<br />
sich ändern, und die Medizin muss sich auf neue<br />
Krankheiten einstellen. „Malaria und andere<br />
Tropenkrankheiten könnten durch eingewanderte<br />
Insekten übertragen und so in Deutschland<br />
Realität werden“, sagt Professor Zebitz.<br />
Von einer möglichen Malaria-Epidemie ist im<br />
Stuttgarter Stadtwald noch nichts zu spüren.<br />
Erdin-Schwill steht noch immer vor der abgestorbenen<br />
Eiche. Dann dreht sie sich um und geht aus<br />
dem dichten Wald hinaus. Aus der Ferne hört man<br />
das Bellen von Hunden, die mit ihren Herrchen<br />
den sonnigen Februartag genießen. Das tun auch<br />
die Insekten: Unter der Rinde von vielen Buchen<br />
und Eichen liegen jetzt schon viele Insekten Eier.<br />
Im nächsten Sommer sorgen sie vielleicht dafür,<br />
dass dieser Teil des Waldes gesperrt wird.<br />
„Wir werden mit dieser Gefahr leben müssen“,<br />
sagt Erdin-Schwill und wirft einen letzten Blick<br />
auf die kaputten Baumkronen.<br />
Sechs Millimeter Insekt gegen zehn Meter Baum: Es wird wärmer,<br />
den Bäumen fehlt Wasser und damit die Kraft in diesem Kampf.<br />
So legen die Insekten ganze Waldareale flach<br />
9
Buchenprachtkäfer: Lebt schon lange in Deutschland.<br />
Seit einigen Jahren hat er sich explosionsartig vermehrt<br />
Piranhas im Neckar?<br />
Drei Fragen an Hannes Huber, Artenexperte beim Naturschutzbund Baden-Württemberg<br />
10 11<br />
Die Insekten sind die ersten Indikatoren des Klimawandels.<br />
Welche Auswirkungen auf die Tierwelt gibt es noch?<br />
Gut ablesen kann man den Klimawandel auch am Verhalten der<br />
Zugvögel. Deswegen nennt man sie auch manchmal „fliegende<br />
Umweltstationen“. So bleiben etwa der Kiebitz und der Zilpzalp den<br />
ganzen Winter über da. Gleichzeitig drängen neue Arten aus dem<br />
Mittelmeerraum zu uns, etwa der Seidenreiher.<br />
Welche Probleme bringt das mit sich?<br />
Einer der großen Verlierer wird zum Beispiel der Kuckuck sein. Dieser<br />
kommt immer Ende April nach Deutschland zurück und sucht<br />
Nester, in die er seine Eier hineinlegen kann. Durch die Erwärmung<br />
brüten die Vögel nun allerdings schon einige Wochen früher. Der<br />
Kuckuck findet keine Nester mehr für seine Eier und wird deswegen<br />
vielleicht aussterben.<br />
Wie wird denn die Tierwelt in ferner Zukunft hier in Deutschland<br />
aussehen?<br />
Manche Experten sagen, dass in 100 Jahren Piranhas in unseren<br />
Flüssen zu Hause sein werden und es vielleicht Palmen im großen<br />
Umfang in Deutschland gibt. Gleichzeitig werden wir viele Arten<br />
verlieren. Je nach Grad der Erwärmung kann man davon ausgehen,<br />
dass 20 bis 50 Prozent der weltweiten Tierarten aussterben. Das<br />
beste Beispiel ist der Eisbär, dessen Lebensraum ja bereits jetzt<br />
rapide zurückgeht. Doch er wird nicht der Einzige bleiben, wenn wir<br />
jetzt nicht reagieren.<br />
Mitte: Westlicher Maiswurzelbohrer: Zerstört Maisfelder. In Deutschland wurde er erstmals 2007 gefunden<br />
Unten: Asiatischer Laubholzbockkäfer: Wahrscheinlich durch Holztransporte aus China eingeschleppt.<br />
Vor zehn Jahren hätte er in Deutschland noch nicht leben können<br />
Ammen-Dornfinger: Er war bisher nur am Mittelmeer<br />
zu finden. Ist die einzige Spinne, deren Biss für den<br />
Menschen schmerzhaft ist<br />
Eichenprozessionsspinner: Befällt Eichen, geht in Gruppen auf Nahrungssuche. Die feinen Haare der Raupe können<br />
Hauterkrankungen, Asthma und Fieber auslösen<br />
BESSERMACHEN<br />
Julia Döhrn, 21<br />
Klimawandel? Männer, nehmt euch<br />
ein Beispiel: feminines Autofahren<br />
spart bis zu 30 Prozent Sprit ...<br />
Sarah Wendel, 21<br />
Lichtblicke sind keine Frage der Erkenntnis,<br />
sondern der Bereitschaft.
Bio, aber nicht Öko<br />
Biosprit klingt grün und gut. Doch das Problem steckt im Detail.<br />
Eine Geschichte von biologischen Aufsteigern, politischen Achterbahnfahrten<br />
und ökologischen Talfahrten<br />
12 13<br />
Text: Julia Döhrn<br />
rantierte. Pflanzenöl und Biodiesel<br />
wurden so zur günstigen<br />
Der Schlüssel steckt noch.<br />
Alternative zu den Klima killern<br />
Doch wo noch vor vier Wochen<br />
Diesel und Normalbenzin. Das<br />
grüne Lämpchen blinkten und<br />
zeigte Wirkung. Kleine und<br />
das Rattern der Maschinen den<br />
mittelständische Unterneh-<br />
Raum durchdrang, herrscht jetzt<br />
men investierten in Produk-<br />
Stille. Wenn Paul Link mit dem<br />
tionsanlagen, die Nachfrage<br />
Finger über die Kontrolllampen<br />
nach Raps für Pflanzenöl<br />
fährt, fällt Staub auf den Boden<br />
und Biodiesel stieg. 1997<br />
seiner Werkshalle.<br />
wurden in Deutschland<br />
Noch vor sechs Jahren galt Paul<br />
noch auf 400.000 Hektar<br />
Link als Pionier und Hoffnungs-<br />
Pflanzen für Biokrafstoffe<br />
Steuerniveau angekommen sein wie Diesel und schungsquote eine bessere CO2-Bilanz erreichen<br />
träger einer ganzen Branche.<br />
angebaut. Zehn Jahre<br />
Normalbenzin. Diese Überraschungsaktion brach- und unabhängiger von Erdölproduzenten werden.<br />
Heute ist der Transportunterneh-<br />
später waren es schon<br />
te das Aus für kleinere Produzenten wie Paul Link. Doch heißt viel Biosprit auch viel Umweltschutz?<br />
mer einer von vielen, die sich nicht<br />
mehr als zwei Millionen.<br />
Er kann sich den Biosprit nicht mehr leisten. Mitte Die Rechnung geht nicht auf.<br />
nur von einer Geschäftsidee, son-<br />
Januar flossen die letzten Liter der gelben Ölfrucht<br />
dern von einem Zukunftskonzept<br />
durch seine Anlage. „Das war keine schwierige<br />
verabschieden müssen. 2002 stell-<br />
Entscheidung, die Fakten lagen auf dem Tisch. Wir<br />
te er seinen gesamten Fuhrpark<br />
sind eben auch nur ein Unternehmen, das im<br />
auf Rapsöl um und produzierte<br />
täglich 3.000 Liter des gelben Treibstoffs.<br />
„Es war für mich ein wunderbarer<br />
Gedanke, Kraftstoff zu fahren,<br />
der beim Bauern nebenan wächst,<br />
und dabei noch was für die Umwelt<br />
zu tun“, sagt er und blickt wehmütig<br />
auf die Kolben der Rapspresse. Die stehen jetzt<br />
still.<br />
Preiskampf sein Geschäft betreibt.“<br />
Paul Link hatte große Hoffnungen auf die neue<br />
Kraftstoff-Generation gesetzt. Nicht nur er. Die<br />
rot-grüne Bundesregierung subventionierte den<br />
grünen Sprit, indem sie Steuerfreiheit bis 2009 ga-<br />
Eine Zukunft ohne Erdöl? An deutschen Tankstellen<br />
soll künftig mehr Biosprit getankt werden.<br />
Doch Zweifel am grünen Kraftstoff kommen auf. Wie<br />
umweltfreundlich ist er wirklich? Fürs Fahrvergnügen<br />
müssen Regenwälder und Sümpfe weichen<br />
Dann kam die große Koalition.<br />
Die hatte eine ganz<br />
andere Idee im Gepäck. Sie<br />
setzte nun gemeinsam<br />
mit der Europäischen<br />
Union auf eine Beimischungsquote.<br />
Bis 2020<br />
sollen zehn Prozent<br />
des gesamten Spritverbrauchs<br />
von Biokraftstoffen gedeckt werden.<br />
Das Steuergeschenk von Rot-Grün zog sie<br />
prompt zurück. Zehn Cent Abgabe pro Liter sollte<br />
Paul Link ab dem 1. Januar 2008 bezahlen. Schon<br />
jetzt sind Biokraftstoffe häufig teurer als normaler<br />
Diesel. Doch damit nicht genug, die Steuerschraube<br />
dreht sich weiter. Bis 2012 werden Biokraftstoffe<br />
mit 45 Cent pro Liter auf demselben<br />
So oder ähnlich steht es auch in hunderten von<br />
Briefen, die Hans-Josef Fell in den vergangenen<br />
Monaten erhalten hat. Der Bundestagsabgeordnete<br />
ist wütend und frustriert. Er hatte damals als Mitglied<br />
im Ausschuss für Umwelt und Naturschutz<br />
für die Steuerbefreiung gekämpft. Den Meinungsumschwung<br />
der großen Koalition hält er für eine<br />
„verheerende Entwicklung“ und „Vertrauensmissbrauch“.<br />
Die Bundesregierung steht mit ihren Zielen aber<br />
nicht allein. EU-weit will man durch die Beimi-<br />
Neueste Studien kratzen am guten Image des grünen<br />
Kraftstoffs. Ihre Argumentation ist einfach.<br />
Bei der CO 2-Bilanz muss eine Gesamtrechnung<br />
her: Flächennutzung, Düngemitteleinsatz, Emissionen<br />
bei Herstellung und Transport sowie Folgekosten<br />
des intensiven Anbaus zählen ebenso wie<br />
die Abgasbilanz. Das Resultat ist vernichtend.<br />
Der Chemiker und Nobelpreisträger Paul Crutzen<br />
bescheinigt Rapsdiesel und Bioethanol eine 1,7<br />
mal schlechtere Ökobilanz als normalem Diesel.<br />
Im besten Fall ergäbe sich eine schwarze Null.<br />
Zu demselben Ergebnis kommen Forscher der<br />
Universität Leeds. Umweltschützer laufen Sturm<br />
gegen die Bundesregierung. „Biokraftstoffe<br />
können absolut keinen Beitrag zum Klimaschutz<br />
leisten“, sagt Bernd Schott vom Bund für Umwelt<br />
und Naturschutz (BUND) Baden-Württemberg.
Noch hängt der Werbespruch am<br />
Raps-Silo von Paul Link. Die Maschinen<br />
stehen längst still.<br />
Die Produktion von Rapsöl ist zu teuer.<br />
10 Cent Steuer pro Liter ab 2008.<br />
Ein ganzer Sektor bricht zusammen.<br />
Politiker sind verunsichert. Welche<br />
Strategie für Biosprit?<br />
Biosprit:<br />
Was ist drin und was kommt raus?<br />
Das nämlich bezweifelt Christian Hey, General-<br />
Pflanzenöl<br />
Rohstoffe: Raps, Soja, Ölpalme, Mais<br />
+ Ein Drittel weniger Treibhausgasemission<br />
Wenn Bauern mit ihren Traktoren über die Felder Zehn-Prozent-Ziel leisten. Das zeigt auch eine von<br />
sekretär des Sachverständigenrats für Umweltfragen.<br />
„Die Definitionen von Anbaugebieten und schützenswerten<br />
Arealen sind unscharf. Insgesamt ist die<br />
als Diesel und Benzin<br />
+ Nebenprodukte können z.B.<br />
als Tierfutter weiterverwertet werden<br />
14 fahren und Kunstdünger versprühen, gelangt häu- der EU-Kommission in Auftrag gegebene Studie.<br />
Verordnung mal wieder nur symbolische Politik, mit - Anbauflächen in Deutschland sind beschränkt<br />
15<br />
fig Lachgas in die Atmosphäre. Ein echter Klimakiller<br />
also. Ein noch größeres Problem sind jedoch die<br />
Sogar EU-Umweltkommissar Stavros Dimas hat<br />
inzwischen Zweifel an seinem eigenen Ziel: Not-<br />
der wir uns ein reines Gewissen kaufen“, sagt Hey,<br />
der mit seinem Gremium die Bundes regierung berät.<br />
- im Ausland werden Regenwälder abgeholzt<br />
und Sümpfe trocken gelegt<br />
Entwicklungs- und Schwellenländer. Bauern aus<br />
Brasilien, Indonesien oder südafrikanischen Staaten<br />
wittern wegen der guten Nachfrage und der<br />
hohen Preise ein gutes Geschäft. Dazu roden sie in<br />
falls solle die EU besser darauf verzichten, sagte er<br />
in einem Interview im Januar.<br />
Trotzdem halten EU und Bundesregierung an der<br />
Zehn-Prozent-Quote fest und versuchen hektisch<br />
Dass man indonesische Bauern kontrollieren könne,<br />
sei eine „abenteuerliche An nahme“. Die Beimischungspflicht<br />
solle daher sofort eingefroren werden. Eine<br />
Ausweitung auf 20 Prozent, wie die Bundesregie-<br />
Biodiesel<br />
Rohstoffe: Pflanzenöle<br />
+ weniger Emissionen als Diesel,<br />
mehr Emissionen als Pflanzenöl<br />
Brasilien auch schon mal Urwälder am Amazonas.<br />
In Indonesien werden Sumpfgebiete trocken<br />
gelegt und danach abgeholzt. In anderen Ländern<br />
ist die Wasserversorgung das Problem. 3.500 Liter<br />
Wasser verschlingt der Anbau von Pflanzen für<br />
nachzubessern. Das neueste Projekt der Bundesregierung:<br />
eine Biomasse-Nachhaltigkeits-Verordnung.<br />
Sie soll garantieren, dass nur aus nachhaltigem<br />
Anbau importiert wird. In schönstem<br />
Bürokratiedeutsch werden Treibhausgasvermeirung<br />
sie plant, ist aus seiner Sicht unverantwortlich.<br />
Doch die Regierung gibt nicht auf. Trotz mancher<br />
Schwierigkeiten sei die Nachhaltigkeitsverordnung<br />
ein „Schritt in die richtige Richtung“, sagt<br />
- große Konzerne importieren<br />
hauptsächlich günstiges Palmöl<br />
- Regenwaldrodung, Trockenlegung<br />
von Sümpfen<br />
einen Liter Biokraftstoff nach Berechnungen des dungspotenziale definiert und Kriterien für nachhal-<br />
Maria Flachsbarth (CDU) aus dem Umweltaus- Bioethanol<br />
Internationalen Instituts für Wasserwirtschaft. tigen Anbau und Flächennutzung festgeschrieben.<br />
schuss. Versorgungssicherheit auf Dauer, das sei Rohstoffe: Getreide, Zuckerrüben, Zuckerrohr<br />
Im Gegensatz zur EU will Bundesumweltminister<br />
nur mit Biokraftstoffen möglich. Hoffnungsobjekt + weniger Emissionen als Diesel,<br />
„Wir stillen unseren Hunger nach Kraftstoff auf Sigmar Gabriel (SPD) künftig den Mindestanteil<br />
daher derzeit: Biokraftstoffe der zweiten Genera- mehr Emissionen als Pflanzenöl<br />
Kosten der Umwelt und der Menschen in diesen von Biokraftstoffen nicht mehr nach der reinen<br />
tion. „Hier besteht ein erhebliches Entwicklungs- + Nebenprodukte können z.B. als Tierfutter<br />
Ländern, das darf nicht sein“, sagt Schott. Der Menge definieren, sondern nach ihrem tatsächpotenzial“,<br />
so Gabriel. Durch die Verwendung von weiterverwertet werden<br />
BUND und Greenpeace fordern daher vehement lichen Beitrag zum Klimaschutz. „Dem Volumen<br />
Abfallprodukten und ganzen Pflanzen soll die Öko- - bester Rohstoff:<br />
die Abschaffung der Beimischungspflicht, die Im- nach müssen wir, um einen zehnprozentigen<br />
bilanz wesentlich besser ausfallen als bei bisherigen Zuckerrohr, kann nur importiert werden<br />
porte weiter ankurbelt. Fazit der Umwelschützer: Nettobeitrag zum Klimaschutz zu erreichen, dann<br />
Biokraftstoffen. „Die Technologie ist aber noch - Regenwaldrodung, Trockenlegung von Sümpfen<br />
Selbst das Fahren mit normalem Kraftstoff ist 20 Prozent beimischen“, sagt Gabriel. Die Folge:<br />
lange nicht ausgereift“, urteilt Andreas König vom<br />
besser für die Umwelt als der importierte Biosprit. Noch mehr Importe und noch mehr Umweltbelas-<br />
Institut für Energiewirtschaft und rationelle Die zweite Generation<br />
Denn fest steht: Die EU kann ihr Zehn-Prozent-Ziel<br />
nur mit Hilfe von Importen erreichen. Seit es die<br />
Quote gibt, kommen zwei Drittel der in Deutschland<br />
getankten Biokraftstoffe aus dem Ausland.<br />
Das liegt auch an den großen Mineralölkonzernen.<br />
Sie sind gefordert, beigemischten Biosprit an ihren<br />
tung durch den Anbau von Energiepflanzen.<br />
Denn bis die Nachhaltigkeitsrichtlinie in Kraft tritt,<br />
kann es noch dauern. Sie liegt derzeit in Brüssel.<br />
Die Kommission muss ihr Okay geben, weil mögliche<br />
Importbeschränkungen den europäischen<br />
Energieanwendung. Experten schätzen, dass die<br />
zweite Generation in frühestens fünf bis zehn<br />
Jahren auf den Markt gehen kann.<br />
Paul Link hat seine Rapspresse bislang nicht gereinigt.<br />
Ein kleiner Vorrat an Raps lagert noch im<br />
BtL (Biomass-to-Liquid)<br />
Rohstoffe: Holzreste, Bioabfälle, ganze Energiepflanzen<br />
+ Hersteller schätzen 90 Prozent Einsparung von<br />
Treibhausgasen gegenüber Diesel<br />
+ Verwendung von Abfällen, kaum eigener Anbau<br />
notwendig<br />
Tankstellen zu vertreiben. Und deutsche Landwirte Binnenmarkt betreffen. Außerdem arbeitet die<br />
großen Silo auf dem Firmengelände. Immerhin<br />
- noch in der Entwicklung, technisch nicht ausgereift<br />
können im Preiskampf mit Indonesien z. B. nicht Kommission gerade ihr eigenes Konzept aus. Wenn<br />
gibt man eine Investition von 500.000 Euro nicht<br />
mithalten. Kleine Produzenten wie Paul Link, die die EU-Verordnung kommt, wird die deutsche<br />
einfach auf den Sperrmüll. Er hofft, dass die Steuer<br />
auf dezentrale Strukturen gesetzt haben und Raps Richtlinie unwirksam. Noch mehr Bürokratie, noch<br />
vielleicht doch wieder abgeschafft wird oder die<br />
von heimischen Bauern aus nachhaltiger Land- mehr Jahre, die vergehen werden – und die Frage,<br />
Preise für Raps wieder sinken. Dann könnte er<br />
wirtschaft bezogen haben, sind aus dem ob all die Nachbesserungen, alle Verordnungen<br />
seine Presse wieder in Betrieb nehmen. „Mal gucken,<br />
Rennen. Sie werden keinen Beitrag mehr zum überhaupt etwas nützen.<br />
was sich auf dem Markt tut, ich bleibe am Ball.“
Karl Schumacher war ein Mann der ersten Stunde. Mit ihm kam<br />
der große Boom. Und mit dem Boom der Glaube. Der Glaube an<br />
saubere Energie, der Glaube an Sonne und Technik. Zahlen prasseln<br />
aus ihm heraus, als habe er sie die ganze Nacht auswendig<br />
gelernt. 75 Bürger, 130 Solarmodule, 34.553 Kilowatt pro Stunde.<br />
Gesamtertrag CO 2-Ersparnis: 9 Tonnen im Jahr.<br />
2004 fing alles an, mit einer Ausschreibung im Gemeindeblättchen<br />
und dem Gesetz für erneuerbare Energien. Mit dem<br />
Gesetz kam „Solar-Aktiv“. Das Ziel:<br />
„Solar-Bürger-Aktiv“ gibt Bürgern die<br />
Möglichkeit, sich an einer Gemein-<br />
Gemeinschafts-Solaranlagen auf<br />
öffentlichen Gebäuden. Der Weg:<br />
Bürger, die eine Gesellschaft gründen<br />
16<br />
schafts-Solaranlage zu beteiligen.<br />
und Geld investieren. Karl Schumacher<br />
ist Solar-Aktiv-Bürger und Geschäfts-<br />
17<br />
führer der Gemeinschaftsanlage „Rutesheim-Solar-Aktiv“.<br />
Aus Überzeugung und<br />
für die Umwelt, wie er sagt.<br />
Jürgen Werner<br />
Solar mit Schatten<br />
Sauber, sicher, sonnig: Photovoltaik<br />
boomt. Der Strom vom eigenen Dach<br />
ist beliebt und wird stark gefördert.<br />
Doch es gibt auch harsche Kritik<br />
Die Fläche stellt die Kommune,<br />
die Planung übernimmt die<br />
EnBW. Der erzeugte Strom wird<br />
ins Netz eingespeist, der Ge-<br />
winn wird anteilig an die<br />
Bürger ausgeschüttet. Bislang<br />
gibt es fast 70 solaraktive<br />
Gesellschaften in<br />
Baden-Württemberg<br />
Text: Sarah Wendel<br />
Mitten auf dem Rutesheimer Rathausdach – da<br />
steht er jetzt. Feuchter Kies bedeckt den Boden,<br />
Solarmodule reihen sich zu gläsernen Fassaden.<br />
Mal blau glitzernd, mal tief schwarz. Es nieselt,<br />
dumpf dröhnt der Lärm der Straße nach oben.<br />
„Schauen Sie doch nur, die vielen Dächer!“ Karl Schumacher<br />
schaut in die Ferne. Fast als wohne eine stille<br />
Vision in ihm. „Was meinen Sie, wie viel Solartechnik<br />
man hier noch installieren könnte!“ Ein Rutesheimer<br />
Meer von blauen Solardächern: eine saubere Lösung der<br />
Energiefrage?<br />
Ein Desaster. Zumindest, wenn es um die Kosten geht. Severin<br />
Borenstein, Professor an der Universität von Kalifornien, hat die<br />
Studie „Marktwert und Kosten der Photovoltaik“ verfasst. Er hält<br />
die weite Verbreitung von Solaranlagen für verfrüht. Der Grund:<br />
Die Solaranlagen erzeugen für zu viel Geld zu wenig Strom. Auf<br />
höchstens 17 Prozent kommt der Wirkungsgrad bei den handelsüblichen<br />
Anlagen. Das heißt: 83 Prozent der Sonnenenergie<br />
können nicht in Strom umgewandelt werden und gehen verloren.<br />
„Wir verschleudern das Geld, wenn wir die heutige Technik<br />
installieren“, so Borenstein. Besser sei, das Geld in die Entwicklung<br />
von neuen Modellen zu stecken.<br />
Zu dem gleichen Ergebnis kommt das Rheinisch-Westfälische<br />
Institut für Wirtschaftsforschung (RWI). „Ineffizient und teuer“,<br />
ist das Fazit der jüngsten Studie zur Photovoltaik.
18<br />
Das sieht Karl Schumacher anders. Er schaut auf<br />
die Rutesheimer Solaranlage, wirkt überzeugt.<br />
Doch, die Zuschüsse zum Solarstrom seien der<br />
richtige Weg. Schließlich werde die Atomenergie<br />
auch gefördert. Und in ihren Anfängen gab es erhebliche<br />
Anschubfinanzierungen. Sein Gesicht<br />
wird ernst, unter seinen Füßen knirscht leise der<br />
Kies. „Ich halte es für gerechtfertigt, dass der Solarstrom<br />
teurer ist als der normale Strom. In die<br />
Zukunft muss man eben investieren.“<br />
Die Vergütung für den Solarstrom bestimmt das<br />
Gesetz zur Förderung erneuerbarer Energien (EEG).<br />
Zahlen muss aber nicht der Staat, sondern der<br />
Stromverbraucher. 31, 2 Milliarden Euro sind allein<br />
für Strom aus den Anlagen zu begleichen, die jetzt<br />
schon deutsche Dächer schmücken. Und immer<br />
noch werden es mehr. Derzeit ist der Strom vom<br />
Dach zehnmal so teuer wie der konventionelle<br />
Strom. Unzumutbar also? „Ein Blödsinn ist das!“,<br />
sagt Jürgen Werner, Leiter des Institutes für Physikalische<br />
Elektronik an der Universität Stuttgart.<br />
Man müsse bei solchen Investitionen langfristig<br />
denken. „Damit wir zu einem günstigen Preis gelangen,<br />
brauchen wir Massenproduktion. Je mehr<br />
man herstellt, desto geringer sind die Kosten. Und<br />
deswegen brauchen wir zu jedem Zeitpunkt Kunden,<br />
die das Produkt abnehmen.“ Kunden wie Karl<br />
Schumacher also. Seit er die Solar-Aktiv-Ausschreibung<br />
im Gemeindeblättchen entdeckte, verfolgt<br />
er die Photovoltaik rege in den Medien. Bei aller Begeisterung<br />
für den Solarstrom hält er eine Senkung<br />
der Fördersätze durchaus für angemessen.<br />
Auch die Politik reagiert. Die Bundesregierung<br />
möchte mit der nächsten Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes<br />
die Vergütungssätze<br />
für die Photovoltaik nach unten drücken. Das<br />
soll die Anbieter zwingen, kostengünstiger<br />
herzustellen, um weiterhin zu verkaufen.<br />
Sorgen macht sich Karl Schumacher deshalb nicht.<br />
Die Vergütung, die er und seine Solar-Aktiv-Bürger<br />
bekommen, ist auf zwanzig Jahre festgelegt. Aber<br />
Gedanken macht er sich trotzdem. Für die Zukunft<br />
eben. „Vorher habe ich mir nicht so viel aus Umweltschutz<br />
gemacht. Aber heute stecke ich mit<br />
Haut und Haaren drin.“ Seit Neuesten fasziniert<br />
ihn auch die Solarthermie. Die ist zwar noch nicht<br />
so beliebt wie ihre große Schwester Photovoltaik,<br />
aber in Fachkreisen gilt sie schon längst als Geheimtipp.<br />
Der Wirkungsgrad sei doppelt so hoch<br />
wie bei der Photovoltaik, die Anschaffungskosten<br />
sehr gering. Und das bei einem ganz einfachen<br />
Prinzip: Kollektoren fangen das Sonnenlicht ein,<br />
bündeln die Strahlen und erhitzen Wasser, direkt<br />
für die heiße Dusche. Eine weitere Variante: Die<br />
Wärme lässt Wasser verdampfen, der Wasserdampf<br />
treibt eine Turbine an, die Turbine einen Generator<br />
und der erzeugt Strom.<br />
„Mittlerweile habe ich so viel über Solarenergie<br />
gelesen!“, sagt Karl Schumacher und reißt dabei<br />
die Arme auseinander, als müsse er einen Bücherstapel<br />
tragen. Dann heftet er seine Augen auf<br />
einen fixen Punkt am Horizont, irgendwo links<br />
neben dem Kirchturm. „Schauen Sie, dort drüben“,<br />
Karl Schumacher streckt seinen Arm und spreizt<br />
den Zeigefinger, „da wohne ich. Mein nächstes<br />
Projekt ist mein eigenes Dach.“ Nein, diesmal nicht<br />
Photovoltaik. Karl Schumacher wehrt ab.<br />
Dafür sei sein Haus nicht geeignet.<br />
Solarthermie, das sei sowieso ein<br />
Markt der Zukunft.<br />
Karl Schumacher<br />
SELBERMACHEN<br />
Judith Wanner, 25<br />
Wer die Kreatur erhalten will,<br />
muss kreativ sein.<br />
Friederike Müller, 23<br />
Dass man selber viel machen<br />
kann, weiß ich jetzt. Ich hoffe nur,<br />
dass ich auch daran denke.<br />
Marcell Haag, 23<br />
Selber machen ist eine gute Sache.<br />
Noch besser ist es aber, wenn man<br />
das Ganze dann auch kommuniziert.<br />
19
20<br />
Damaris und Tabea sind<br />
ausgebildete Klimachecker.<br />
Sie spüren aufgedrehte Heizungen<br />
und Wasserhähne auf und lassen<br />
kleinere Schüler unter dem<br />
Fallschirm schwitzen.<br />
Sie kämpfen gegen den<br />
Klimawandel – mit Erlaubnis direkt<br />
vom Umweltministerium<br />
Klimawandel<br />
– schon gecheckt?<br />
Text: Judith Wanner<br />
David, 5. Klasse<br />
„Für mich war neu, dass man nur so wenig Licht braucht, um gut zu schreiben.“<br />
Sophie, 5. Klasse<br />
„In Zukunft wird es<br />
keine Eisbären mehr<br />
geben, das ist schade.“<br />
Marcell, 5. Klasse<br />
„Wenn es so weiter geht, ist bald alles<br />
vertrocknet und heiß, und ich bin traurig,<br />
weil es dann keinen Schnee mehr gibt<br />
und man kann nicht mehr Schlitten fahren“<br />
Hallo, ich heiße Damaris Krust, bin 14 und gehe in<br />
die achte Klasse in das Matthias-Grünewald-<br />
Gym nasium in Tauberbischofsheim. Meine Familie<br />
lebt sehr umweltfreundlich: Meine Mama reinigt<br />
unsere Kleider nicht mit Waschpulver, sonden mit<br />
Nuss-Schalen im Baumwollbeutel.<br />
Ich will auch die Umwelt schützen. Deshalb bin ich<br />
Öko-Mentorin bei uns an der Schule. Ich habe mit<br />
20 anderen Schülern Kurse beim Umweltministerium<br />
Baden-Württemberg besucht. Und jetzt<br />
gerade haben wir viel zum Klimawandel gelernt.<br />
Ich heiße jetzt also Klimacheckerin.<br />
Mir macht es Spaß, den jüngeren Schülern zu<br />
erklären, was sie gegen die Erderwärmung tun<br />
können. Nach den Sommerferien ist unsere<br />
Ausbildung vorbei. Aber wir, meine Freundin und<br />
ich, bleiben aktiv!<br />
Treibhauseffekt im Klassenzimmer:<br />
Wenn acht Kinder unter einem Fallschirmtuch<br />
sitzen, wird es ganz schnell ganz warm.<br />
Genauso schwitzt auch die Erde unter der<br />
Schicht von Treibhausgasen<br />
Ich bin Tabea Lieb, 14 Jahre alt. Oft gehe ich mit<br />
meiner Familie in den Wald zum Fahrrad fahren.<br />
Ich genieße die Natur. Und ich bin auch Klimacheckerin.<br />
Nicht nur die Schüler, sogar meine<br />
Eltern wollen Tipps von mir. Für mich war es<br />
sehr in teressant zu lernen, wie der Treibhauseffekt<br />
funktioniert. Es ist schlimm, dass Sachen, die wir<br />
Menschen erfunden haben und die eigentlich gut<br />
für uns sein sollen, nun so schlecht für uns sind.<br />
Denn in so kurzer Zeit werden so viele Abgase in<br />
die Luft gepestet.<br />
Mir macht es Spaß, da vorne an der Tafel vor den<br />
Fünftklässlern zu stehen und was zu erklären.<br />
Früher wollte ich immer Lehrerin werden, bis ich<br />
gemerkt habe, dass es noch viel interessantere<br />
Dinge gibt. Jetzt möchte ich gerne in der Welt<br />
rumreisen und forschen.<br />
21
Energiesparen ganz einfach.<br />
Praktische Klimachecker-Tipps für<br />
zu Hause von Damaris:<br />
Licht<br />
Also, meistens braucht man nicht so viel Licht, wie<br />
man denkt. Man sollte überlegen, wenn man am<br />
Fenster sitzt, ob das natürliche Licht nicht ausreicht.<br />
Energiesparlampen sind auch gut, weil die<br />
nicht so viel Strom brauchen. Und dann spart man<br />
auch Geld.<br />
Geräte im Standby<br />
Zwar verbrauchen die Geräte im Standby nicht viel<br />
Strom, aber über die Zeit rechnet sich das auch<br />
hoch. Deshalb lieber die Geräte gleich ganz ausschalten.<br />
Lüften<br />
Stoßlüften ist sehr gut, Fensterkippen ist schlecht.<br />
Wenn man kurz das Fenster aufmacht und die Luft<br />
austauscht, dann geht nicht so viel Energie raus.<br />
Wenn das Fenster immer gekippt ist, dann kommt<br />
die kalte Luft von draußen zum Thermostat der<br />
Heizung. Der schaltet dann hoch und braucht<br />
mehr Strom.<br />
Isolation<br />
Wer wissen will, ob alles gut isoliert ist, der kann<br />
den Teelicht-Test machen. Ein Teelicht ist sehr<br />
empfindlich und reagiert auf jeden Luftzug. Das<br />
Licht zeigt also in einem Raum genau an, wo es zugig<br />
ist und es undichte Ritzen gibt. Dann ist der<br />
Raum schlecht isoliert und die Wärme geht verloren.<br />
Zum Fressen gern<br />
22 23<br />
Und so funktioniert der Treibhauseffekt –<br />
Kimacheckerin Tabea erklärt:<br />
Also, die Sonne strahlt ja immer mit ganz vielen<br />
Sonnenstrahlen. Und die treffen dann auf die Erde,<br />
werden reflektiert und verschwinden dann wieder<br />
im All. Bevor die Sonnenstrahlen im All verschwinden,<br />
stoßen manche auf ein Treibhausgas in der<br />
Atmosphäre. Die Atmosphäre ist eine Schutzhülle<br />
um die Erde. Wenn ein Sonnenstrahl auf ein Treibhausgas<br />
trifft, dann wird er zu einem Wärmestrahl.<br />
Das ist eigentlich normal und gut. Ohne diese<br />
Wärmestrahlen würden wir nämlich voll frieren.<br />
Man nennt das den natürlichen Treibhauseffekt.<br />
Jetzt gibt´s aber auch den Treibhauseffekt, den wir<br />
Menschen alle machen. Durch die vielen Fabriken,<br />
durch die Abgase und Autos entstehen lauter<br />
Treibhausgase. Und die alle zusammen werden zu<br />
einer richtig dicken Treibhausgasschicht.<br />
Und wenn jetzt die Sonnenstrahlen auf diese<br />
dicke Schicht treffen, dann gibt es auch viel mehr<br />
Wärmestrahlen. Dann wird’s richtig schlimm:<br />
Es gibt immer mehr Wasser, die Wüsten werden<br />
größer und dann kann nix mehr leben. Okay, das<br />
war der Treibhauseffekt.<br />
Für heute geschafft: Jetzt kennen wieder<br />
ein paar mehr Mitschüler Tricks, mit denen<br />
sie das Klima schützen können. Der nächste<br />
Einsatz der Klimachecker kommt bestimmt<br />
Klimaschutz im Alltag ist wichtig,<br />
aber nicht immer so einfach, wie<br />
es auf den ersten Blick scheint.<br />
Schon gar nicht, wenn man eigentlich<br />
ganz andere Sorgen hat<br />
Text: Friederike Müller
Hektik, Panik, Schweißhände. Dabei sind es doch<br />
noch sechseinhalb Stunden, bis Bernd und ich uns<br />
zum ersten Mal alleine treffen... Und ich habe auch<br />
noch vorgeschlagen, dass er zu mir kommt und ich<br />
für ihn koche. Da darf ich mich jetzt nicht blamieren.<br />
Was Besonderes muss her, ganz klar.<br />
Schrimps? Ein exotischer Salat? Oder doch lieber<br />
Fleisch? Ich weiß ja gar nicht, was er so mag.<br />
Wir kennen uns ja kaum.<br />
Fleischsorten am schlechtesten weg. Durch ihr<br />
spezielles Verdauungssystem produzieren die<br />
Kühe nämlich zu allem Übel auch noch Methan,<br />
und das ist fürs Klima noch schlechter als CO 2.<br />
Aber soll ich Bernd beim romantischen Dinner nur<br />
Blattsalat, garniert mit rohem Gemüse, vorsetzen?<br />
„Wir müssen jetzt nicht alle vegan leben“, beruhigt<br />
mich Kirsten Wiegmann vom Öko-Institut in<br />
Darmstadt. „Aber das, was der westliche Durchschnittsbürger<br />
an tierischen Produkten zu sich<br />
nimmt, geht über das benötigte Maß hinaus. Wir<br />
würden nicht schlechter leben, wenn wir das<br />
etwas reduzieren würden.“ Tja, ich wäre bereit gewesen,<br />
für Bernd nie wieder Rindfleisch zu essen.<br />
Aber das ist ja anscheinend doch nicht der<br />
perfekte Weg zum Klimaschutz.<br />
Habe Bernd so rein aus Langeweile mal gegoogelt.<br />
Und was finde ich gleich an erster Stelle? Die Seite<br />
der regionalen Greenpeace-Gruppe, da ist er<br />
Klimaschutzbeauftragter. So grün hätte ich ihn gar<br />
Am besten sollte ich wohl beim Bio-Bauern neben-<br />
nicht eingeschätzt. Muss ich jetzt was Klimaan<br />
einkaufen. Denn bei Produkten aus organischer<br />
24 schonendes kochen? Geht das überhaupt?<br />
Landwirtschaft verzichten die Bauern zum Beispiel Als Vorspeise schlägt er eine Kürbiscremesuppe<br />
25<br />
auf den Mineraldünger, zu dessen Herstellung viel vor, denn auch wenn Kürbisse zur Zeit nicht wach-<br />
Energie benötigt wird. Und was aus der Region sen, halten sie sich ohne Kühlung wochenlang. Es<br />
kommt, hat kurze Wege hinter sich und ist also folgt ein Wintersalat mit Feldsalat und Endivien,<br />
Meine weitere Google-Recherche ergab: Es geht.<br />
auch für wenig CO2 verantwortlich. Oder? Eine Un- frisch geerntet, am besten natürlich hier in der<br />
Aber wie genau, das ist mir noch nicht klar. Und<br />
tersuchung der Fakultät für Agrarwissenschaften, Nähe und aus ökologischem Anbau. Die Haupt-<br />
auch nicht, was Essen eigentlich mit Klimaschutz<br />
Ökotrophologie und Umweltmanagement der Unispeise: Ein mildes Sahnesauerkraut, das wie der<br />
zu tun hat. Das muss ich vor Bernds Besuch aber<br />
versität Gießen zeigt, dass das nicht immer stimmt: Kürbis auch ungekühlt gelagert werden kann,<br />
wissen! Also weitersuchen. Ich erfahre, dass unse-<br />
Das Lammfleisch, das gefroren mit dem Schiff aus dazu einen heimischen Fisch: Zanderfilet. Und als<br />
re Ernährung – alle Prozesse von der Herstellung<br />
Neuseeland kam, war besser fürs Klima als das der Nachtisch kleine Apfelküchelchen mit Zimt und<br />
bis auf meinen Teller eingerechnet – für fast 20<br />
deutschen Schäfchen. Der Grund: Die Haltung in Zucker. Alles klar.<br />
Prozent der Treibhausgasemissionen verantwort-<br />
den relativ kleinen Betrieben hier bei uns war<br />
lich ist. Das liegt an der Energie, die zur Herstellung<br />
der Lebensmittel, zu deren Verarbeitung und zum<br />
energieaufwändiger. Also was denn jetzt?<br />
Transport nötig ist. Auch der Dünger für die Land-<br />
Die Einkaufsliste ist abgehakt, mein Kühlschrank<br />
wirtschaft muss erstmal hergestellt werden, ge-<br />
gut gefüllt, und ich werde immer nervöser. Zum<br />
nauso gehören die Autofahrt zum Supermarkt, der<br />
Kühlschrank und die Energie, die man zum Kochen<br />
braucht, dazu.<br />
Glück habe ich noch ein bisschen Zeit.<br />
Wie schützen Sie beim Einkaufen das Klima?<br />
„Indem ich Sachen mit dem grünen Punkt kaufe.“ Daniel Voss, 33, Arbeiter<br />
Zum Glück gibt es Lebensmittel, die das Klima weniger<br />
belasten als andere. So wie es auf den ersten<br />
Blick aussieht, ernähre ich mich in Zukunft wohl<br />
am besten vegan: Pflanzliche Produkte belasten<br />
das Klima in der Herstellung nämlich deutlich weniger<br />
als tierische. Rindfleisch kommt von allen<br />
„Bio kriegt man jetzt ja auch im Supermarkt. Ansonsten kaufe ich wenig Fleisch, viel Gemüse und nichts von<br />
weit weg. Erdbeeren aus Neuseeland, so einen Quatsch würde ich nie machen. Ich halte mich daran, was hier<br />
wächst. Äpfel vom Bodensee zum Beispiel.“ Margret Bauer, 65, Rentnerin<br />
Uff. Mir dröhnt der Kopf vor Informationen, ich bin<br />
völlig verwirrt und kurz davor, Bernd abzusagen.<br />
Konkrete Tipps hat hier wohl niemand parat, und<br />
wie soll ich selber herausfinden, woher mein Essen<br />
kommt, wer es wie gedüngt hat und mit welchem<br />
Transportmittel es in meine Stadt gekommen ist?<br />
Ich brauche erst mal frische Luft. Die Einkaufstüte<br />
nehme ich mit, dann kaufe ich bei meinem<br />
Spaziergang gleich ein. Irgendwas. Ich lass‘ mich<br />
doch hier nicht verrückt machen.<br />
Okay, ich habe doch noch mal jemanden angerufen<br />
und um Rat gefragt. Ich will ja schließlich keinen<br />
Frusteinkauf machen, sondern das perfekte<br />
Dinner zaubern. Claus-Peter Hutter, der Leiter der<br />
Umweltakademie Baden-Württemberg, hat mir<br />
sogar gleich ein ganzes Menü zusammengestellt:<br />
Jetzt aber schnell: Salat putzen, und während der<br />
Zander in der Pfanne brutzelt, ziehe ich mich schon<br />
mal um. Die Herdplatte kann ich jetzt eigentlich<br />
ausschalten, die bleibt ja noch eine Weile heiß.<br />
Die Deckel habe ich auch auf allen Töpfen.<br />
Sehr energiesparend.<br />
So, nun kann Bernd kommen. Zur perfekten Klimaschützerin<br />
bin ich in den letzten Stunden zwar<br />
bestimmt nicht geworden. Aber immerhin weiß<br />
ich jetzt Bescheid, und wir können guten Gewissens<br />
essen. Hoffentlich reden wir dann nicht nur<br />
übers Klima.
26<br />
Was kann man denn nun essen?<br />
Zeig mir dein Gesicht, zeig<br />
mir, wer du wirklich bist<br />
Die Saisonarbeiter<br />
Was ist besser: Der Apfel vom Biohof aus dem Nachbardorf<br />
oder der ganz normale Supermarkt-Apfel? Eine<br />
schwierige Entscheidung. Generell sind Bioprodukte<br />
besser fürs Klima als die konventionell angebauten<br />
Verwandten. Denn der Biobauer verzichtet auf Mineraldünger,<br />
der in der Herstellung sehr viel Energie benötigt.<br />
Soweit, so gut. Der heimische Apfel lag jedoch<br />
seit dem vergangenen Herbst im Kühllager, der Konkurrent<br />
hat eine weite, treibstoffbelastete Flugreise<br />
hinter sich. Beide sind also für CO 2 in der Atmosphäre<br />
verantwortlich. Nur: Wer für wie viel? Das auszurechnen<br />
scheint nahezu unmöglich, denn eigentlich müsste<br />
man dafür die ganze Lebens geschichte der beiden<br />
Äpfel kennen: Wie wurden sie geerntet, wie gedüngt, woher kommt der Dünger überhaupt und so<br />
weiter? Wer keine eigenen Äpfel im Keller gelagert hat, muss sich hier auf sein Gefühl verlassen. Und<br />
wie lösen Experten das Apfel-Dilemma? „Als Kundin kann ich nur vermuten: Der deutsche Apfel ist nur<br />
gekühlt, der neuseeländische Apfel ist im schlimmsten Fall geflogen und noch dazu gekühlt worden.<br />
Da nehme ich lieber den deutschen“, sagt Kirsten Wiegmann vom Öko-Institut Darmstadt.<br />
Das Heimchen am Herd<br />
Die frische Kartoffel gehört zu den klimaschonenden Lebensmitteln - aber nur in ihrem Urzustand.<br />
Für viele Kartoffelprodukte wie Pommes Frites oder Kartoffelklöße wird sie tiefgefroren, dann zu Kartoffelmehl<br />
zerkleinert und weiterverarbeitet, oft noch vorgegart und wieder eingefroren. Gerade die<br />
frostigen Temperaturen sind hier das Problem: Sie brauchen jede Menge Energie.<br />
Die Globetrotter<br />
Lebensmittel, die mit dem Flugzeug kommen, sind von vornherein klimaschädlicher als andere.<br />
Was mit dem Schiff nach Deutschland fährt, hat dem Klima aber in manchen Fällen schon weniger<br />
geschadet als regionale Produkte. Also fliegendes Obst nein, Schiffsfracht ja. Nur: Wie erkennt der<br />
Verbraucher, wie das Obst transportiert wurde? Im Prinzip gar nicht, es steht nämlich nicht drauf. Man<br />
kann aber auch selber darauf kommen: Was leicht verderblich ist wie zum Beispiel Trauben oder Beerenobst,<br />
wird in der Regel geflogen, nachreifendes Obst wie Bananen dagegen kann aufs Schiff und somit<br />
auch in den Einkaufskorb des Klimaschützers. Im Zweifelsfall nachfragen.<br />
Wie schützen Sie beim Einkaufen das Klima?<br />
„Ich fahr‘ unheimlich viel Fahrrad, meistens auch zu den Läden. Aber Produkte kauf‘ ich ganz normal,<br />
da weiß ich nicht, wie ich das Klima schützen kann. Keine Ahnung.“ Oliver Stilpen, 27, Logistiker<br />
„Wir gucken halt, dass wir Gemüse kaufen, das es bei uns gerade in der Gegend gibt.“ Anna Claus, 15, Schülerin<br />
„Das ist schwer. Ich achte zwar darauf, welche Produkte ich kaufe. Aber wenn ich günstigere Sachen kaufe,<br />
tragen die vielleicht nicht unbedingt zum Klimaschutz bei. Bei Fertigprodukten oder Fast-Food...<br />
ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, wo die hergestellt werden.“ Sandra Langenbach, 24, Hotelfachfrau<br />
Telefonieren<br />
Trinken<br />
Drucken<br />
WIRRETTENDENPLANETEN<br />
Text: Marcell Haag<br />
Es ist laut. Die rund acht Meter lange Druckmaschine<br />
erzeugt einen Lärmpegel, den sonst höchstens<br />
Bewohner in der Einflugschneise des Stuttgarter<br />
Flughafens kennen. In Sekundenbruchteilen<br />
wird Papier von einem fast zwei Meter hohen<br />
Stapel eingezogen, durch vier Druckwalzen gepresst<br />
und kommt hinten farbig bedruckt wieder<br />
heraus. Kaum zu glauben, dass dieser so stromverzehrende<br />
und lärmende Vorgang auch noch klimafreundlich<br />
sein soll. Doch genau damit hat sich die<br />
Firma Medialogik aus Karlsruhe einen Namen gemacht<br />
und hebt sich von den rund 11.000 anderen<br />
Druckereien in Deutschland ab. Für das Papier<br />
werden keine Regenwälder gerodet, gedruckt wird<br />
komplett klimaneutral. Bei jedem Auftrag wird die<br />
Menge an Treibhausgasen berechnet, die bei der<br />
Produktion anfällt. Durch Klimaschutzprojekte<br />
vorwiegend in Entwicklungsländern soll die CO 2-<br />
Menge dann wieder kompensiert werden. Das soll<br />
gut für die Umwelt sein, aber auch gut für Medialogik.<br />
„Wir hoffen, uns dadurch noch besser im<br />
Markt zu positionieren“, sagt Joachim Erb, Geschäftsführer<br />
von Medialogik. Der Volkswagen-<br />
Konzern hat bereits angebissen. Der Nachhaltigkeitsbericht<br />
des Autoherstellers wurde in Karls ruhe<br />
gedruckt, natürlich klimaneutral. „Gerade dann,<br />
wenn Unternehmen öffentlichkeitswirksam etwas<br />
für den Klimaschutz tun wollen, kommen sie zu<br />
uns“, sagt Erb.<br />
Umweltverträglich, nachhaltig, klimafreundlich<br />
oder gar klimaneutral – Firmen versuchen derzeit<br />
alles, um mit diesen Slogans an Kunden zu kommen.<br />
Drucken für den Klimaschutz ist eine Sache.<br />
Doch auch trinken soll sinnvoll sein. Zumindest<br />
dann, wenn es Mineralwasser von Ensinger ist.<br />
Der Getränkehersteller aus Vaihingen an der Enz<br />
im Landkreis Ludwigsburg ist schon seit langem<br />
im Umweltsponsoring aktiv, unterstützt Umweltschutzprojekte<br />
in der Region. Jetzt ist man Partner<br />
im neuen Projekt „Grüner Hahn“ der Evangelischen<br />
Landeskirche. Die Kirchen sollen klimafreundlicher<br />
werden, von der Heizungsanlage bis<br />
zur Dämmung. Ensinger unterstützt das Projekt<br />
finanziell und gibt sich damit einen grünen Schimmer.<br />
„Wir handeln natürlich auch nach dem Wahlspruch<br />
,Tue Gutes und rede darüber‘. Es freut uns,<br />
wenn wir dadurch einen Imagegewinn bekommen“,<br />
sagt Marketingleiter Stefan Schurr. Der grüne<br />
Schimmer soll aber nicht zu grell werden. „Wir<br />
werden sicher nicht zu offensiv werben, so nach<br />
dem Motto: Pro Kasten landen 50 Cent in Umweltschutzprojekten.<br />
Wir wollen da schon glaub würdig<br />
bleiben“, so Schurr.<br />
Sehr offensiv wirbt dafür eine Stuttgarter Kommunikationsfirma.<br />
Eine Preissenkung bei einem<br />
ihrer Produkte preisen sie als wahre Wohltat an:<br />
„Telefonkonferenzen können klimaschädliche Reisen<br />
ersetzen. Um mehr Unternehmen zu einem<br />
Umdenken beim Einsatz von Geschäftsreisen zu<br />
bewegen, senkt der Stuttgarter Kommunikations-<br />
Dienstleister GTC Telecommunication GmbH nun<br />
die Kosten für Telefonkonferenzen“, heißt es in der<br />
Pressemitteilung. Dass GTC das aber nicht nur aus<br />
reiner Nächstenliebe macht, räumt der Geschäfts-<br />
27
füher Volker Biedinger ein: „Natürlich wollen wir<br />
damit neue Kunden gewinnen und unseren Profit<br />
steigern. Wir sind ein Wirtschaftsunternehmen<br />
und müssen profitabel sein.“ Mehrere Kunden<br />
seien seit der Preissenkung dazugekommen.<br />
GTC ist in guter Gesellschaft. Bei Unternehmen ist<br />
es gerade im Trend, sich einen grünen Anstrich zu<br />
geben. Die Entwicklung ist allerdings nicht ganz<br />
neu, meint Daniel Adolph, Geschäftsführer der<br />
Werbeagentur Jung von Matt/Neckar in Stuttgart.<br />
In den 80er Jahren waren Umwelt und Klimaschutz<br />
schon mal ein großes Thema, das dann<br />
aber wieder abebbte. „In Zeiten von hoher Arbeitslosigkeit<br />
und schlechter Wirtschaftslage ist Umwelt<br />
einfach nicht angesagt“, so der Werbeexperte.<br />
Jetzt geht es wirtschaftlich wieder aufwärts,<br />
und schon rücken Dinge wie Umwelt- und Klimaschutz<br />
wieder ins Bewusstsein. Allerdings sei es<br />
dieses Mal doch etwas anders: „Der Trend ist stärker<br />
als früher. Und dieses Mal ist es wohl auch eine<br />
längere Sache, die auch erstmal bleibt. Mit dem<br />
Thema müssen wir uns langfristig auseinandersetzen,<br />
weil der Klimawandel einfach Fakt ist.“<br />
Und so greifen die Werber den Klimawandel gerne<br />
auf. Die Zielgruppe ihrer Kampagnen: Vor allem so<br />
genannte Lohas. Das ist die Abkürzung für „Life-<br />
style of health and sustainability“, also Lebensstil<br />
auf Basis von Gesundheit und Nachhaltigkeit. Gemeint<br />
sind Kunden, die Wert auf einen gesunden<br />
und nachhaltigen Konsum legen. „Diese Lohas gibt<br />
es sicherlich. So ein bisschen was davon haben wir<br />
eigentlich fast alle“, so Adolph.<br />
Beim Werben um die Lohas schalten Firmen auch<br />
mal einen Gang zu hoch: „Es gibt sogar schon die<br />
klimaneutrale Superwurst. Das halte ich für völlig<br />
übertrieben. Wenn Branchen handeln, die als<br />
klima-unfreundlich bekannt sind, ist es sinnvoll. So<br />
können die Unternehmen ihr Image aufpolieren“,<br />
sagt der Werbefachmann. Energiefirmen wie die<br />
EnBW und E.on fahren hier auf der Überholspur,<br />
aber auch die Autohersteller.<br />
Doch selbst darauf springen die Kunden nicht<br />
immer an. Das zeigt die Erfahrung des Autohauses<br />
Burger aus Blaubeuren bei Ulm. Die Autoverkäufer<br />
mit den Marken Audi, VW, Skoda und Fiat haben<br />
klimaneutrales Fahren angeboten. Ähnlich wie bei<br />
der Druckerei Medialogik ging das Geld an Klimaprojekte.<br />
Mehr Kunden kamen dadurch nicht.<br />
Das Autohaus hat das Projekt nach nur einem<br />
Jahr wieder eingestellt.<br />
ZUKUNFTMACHEN<br />
Volker Biedinger schützt das Klima<br />
Trinken gegen die Erderwärmung<br />
Bunt und fröhlich: Wer bei Joachim Erb<br />
mit Hightech. Denn wenn er telefo- – Ensinger machts möglich. Das<br />
drucken lässt, hat ein reines Gewissen.<br />
niert, muss er nicht reisen, sagt der<br />
sei kein Marketing-Gag, sagt<br />
Denn Medialogik druckt klimaneutral<br />
Geschäfts führer des Stuttgarter<br />
Marketingleiter Stefan Schurr,<br />
und verschafft sich einen Vorteil im<br />
Kommunikationsdienstleisters GTC. das Sprudelunternehmen schützt<br />
Wettbewerb mit den 11.000 anderen<br />
28<br />
Mit dem Argument wirbt er auch<br />
um neue Kunden<br />
die Umwelt schon seit langem<br />
Druckereien in Deutschland<br />
29<br />
Benno Müchler, 23<br />
Was die Zukunft bringt, bleibt<br />
abzuwarten. Warten, bis die Zukunft<br />
was bringt, sollte man aber nicht.<br />
Kilian Trotier, 24<br />
Nur wer Zukunft machen will,<br />
kann für den Moment leben.<br />
Mara Bergmann, 25<br />
Der Frosch trinkt den Teich nicht aus, in<br />
dem er lebt. (Indianisches Sprichwort).
30 31<br />
Ein Bauer macht Gas<br />
Wie Landwirt Fritz Auch-Schwarz sein Mais- zum Energiefeld umfunktionierte<br />
Interview: Benno Müchler<br />
KlimaMacher: Herr Auch-Schwarz, ab April sind<br />
Sie Klimaschützer. Macht Sie das stolz?<br />
Fritz Auch-Schwarz: Ja, das ist schon befriedigend.<br />
Und ich bin stolz, eine so schöne Anlage gebaut zu<br />
haben, die sich so gut in die Landschaft integriert.<br />
Das ist auch ein Beitrag zum Umweltschutz. Viele<br />
Anlagen sind einfach hässlich.<br />
Sind Sie ein Öko?<br />
So richtig als Öko kann ich mich nicht bezeichnen.<br />
Ich versuche, das Möglichste zu tun. Wenn‘s geht,<br />
verzichte ich zum Beispiel aufs Auto. Die Biogasanlage<br />
ist sicher ein Beitrag zum Klimaschutz. Ob<br />
das jetzt aber das Weltklima rettet? Auf jeden Fall<br />
produzieren wir kein CO2.<br />
Der Klimaschutz ist für Sie also gar nicht so wichtig?<br />
Doch, schon. Aber man kann nicht nur Klimaschutz<br />
machen und dabei nichts verdienen.<br />
Wenn es der Klimaschutz nicht war – was gab<br />
dann den Anstoß zum Bau der Anlage?<br />
Das hatte mehrere Gründe. 2004 waren die Getreidepreise<br />
im Keller, die Ernte brachte nicht viel ein, Biogas<br />
boomte. Die Stadtwerke Leinfelden-Echterdingen<br />
dachten schon länger über die Nutzung er neu er-<br />
barer Energien nach. Den eigentlichen Anstoß gab<br />
aber ein hier ansässiger Reitverein, der nach einer<br />
Möglichkeit suchte, seinen Pferdemist los zu werden.<br />
Aus Pferdemist lässt sich auch Biogas herstellen.<br />
Und was hatte das mit Ihnen zu tun?<br />
Die Stadtwerke gingen auf uns Landwirte zu. Wir<br />
waren schnell überzeugt. Als wir in die Planungsphase<br />
gingen, waren wir dreizehn Bauern, die ihre<br />
Pflanzen für die Gasproduktion anbauen wollten.<br />
Wir gründeten eine GmbH und investierten Eigenkapital<br />
in den Bau der Anlage. Vorher hatten die<br />
Stadwerke zugesichert, uns Wärme abzunehmen.<br />
Das klingt alles total unkompliziert. Gab es denn<br />
keine Widerstände?<br />
Ein paar Anwohner hatten Angst, die Anlage<br />
könnte stinken. Wir besichtigten mit ihnen ein<br />
bereits fertiges Kraftwerk, das unseren Plänen entsprach,<br />
und überzeugten sie vom Gegenteil.<br />
Schwieriger waren die Verhandlungen mit dem<br />
Stuttgarter Flughafen.<br />
Welche Sorgen hatte der?<br />
Wir hatten ursprünglich vor, ein Blechdach auf die<br />
Anlage zu bauen. Die Flughafen-Leitung war<br />
jedoch der Meinung, dass Ihre Radaranlage gestört<br />
werden könnte und die Flugzeuge nicht<br />
sicher landen. Deshalb wurde das Dach jetzt mit<br />
Eternit gedeckt.<br />
Als Landwirt hatten Sie vorher mit Biogas nichts<br />
zu tun. Hat Sie die ganze Technik und Planung<br />
nicht abgeschreckt?<br />
Nein, auch wenn mir das alles natürlich sehr fremd<br />
war. Es hat mir aber eher viel Spaß gemacht, etwas<br />
Neues zu lernen. Wir dreizehn haben verschiedene<br />
Anlagen besichtigt und viel über Vor- und Nachteile<br />
gelesen. Ich denke, unser Ergebnis kann sich<br />
sehen lassen.<br />
Ab April landen die Früchte Ihrer Arbeit, zum<br />
Beispiel Mais, auf einem Haufen und gären vor<br />
sich hin. Ist das kein Problem für Sie? Immerhin<br />
geht es dabei um Nahrungsmittel ...
32<br />
Fritz Auch-Schwarz, 41, hat drei Kinder und ist schon seit<br />
mehr als 20 Jahren Landwirt. Sein Hof steht am Rande<br />
von Leinfelden-Echterdingen bei Stuttgart. Er hat rund<br />
40 Hektar und baut darauf vor allem Weizen, Braugerste<br />
und Körnermais an.<br />
Mais und Grünroggen sorgen ab April für Energie in einer<br />
Biogasanlage. Auch-Schwarz ist ihr Geschäftsführer. Die<br />
Anlage versorgt rund 1.000 Haushalte mit Strom, ihre Abwärme<br />
heizt die Häuser eines nahgelegenen Dorfs<br />
33<br />
Die Klimaanlage<br />
Luftdicht abgeschlossen gärt in der Biogasanlage organisches<br />
Material wie Pflanzen und Tiermist. Dabei entsteht Methan. Das<br />
Gas wird verbrannt, treibt einen Generator an, der erzeugt Strom.<br />
Die dabei abgegebene Wärme kann auch genutzt werden.<br />
Rund 3.700 Biogasanlagen gibt es derzeit in Deutschland.<br />
Die meisten stehen in Bayern und Baden-Württemberg.<br />
Ein großer Vorteil ist, dass die Anlagen abgasneutral sind. Das durch<br />
Verrottung freigesetzte CO2 und Methan wird vollständig verbrannt.<br />
Nachteile sind die hohen Investitionskosten, möglicher Gestank und<br />
die mit dem Methan verbundenen Gefahren. So ist im Dezember<br />
2007 im Kreis Biberach eine Biogasanlage explodiert. Die Anlage war<br />
nur eine Woche alt. Rund vier Millionen Liter Gülle überschwemmten<br />
die nahe Umgebung. Personen wurden nicht verletzt.<br />
Der Güllegeruch hing allerdings noch tagelang in der Luft.<br />
Sicher, das ist schon anders, jetzt einen Beton -<br />
klotz zu füllen, anstatt eine Kuh mit Futter zu<br />
versorgen. Das Wichtigste ist aber: Der Reiz meiner<br />
Arbeit bleibt.<br />
Was meinen Sie damit?<br />
Ich arbeite weiter draußen auf dem<br />
Acker.<br />
Ist Ihnen das denn so wichtig?<br />
Natürlich. Das ist ja das, was meinen<br />
Beruf ausmacht und warum er<br />
so schön ist: laufend in der freien<br />
Natur zu sein. Man kann sich die<br />
Arbeit dort einteilen. Es macht<br />
einem keiner Vorschriften. Das mag<br />
komisch klingen. Aber ich liebe es,<br />
in meinem Traktor den Acker rauf<br />
und runter zu fahren und ganz für<br />
mich zu sein. Sicherlich muss man<br />
mehr arbeiten als in einem Geschäft.<br />
Aber wenn ich den ganzen<br />
Tag draußen auf dem Feld war, bin<br />
ich abends viel zufriedener, als wenn ich im Büro<br />
gearbeitet hätte.<br />
Wie sind Sie eigentlich Landwirt geworden?<br />
Meine Eltern und Großeltern waren schon Land-<br />
wirte. Wir sind eine alt eingesessene Familie hier<br />
in Leinfelden-Echterdingen. Ich habe schon immer<br />
auf dem Hof gearbeitet. Mit 16, 17 war für mich klar,<br />
dass ich nichts anderes machen wollte. So hab’ ich<br />
später den Hof meines Vaters übernommen. Meinen<br />
Kindern rate ich aber, nur in die Landwirtschaft zu<br />
gehen, wenn sie wirklich Lust dazu haben.<br />
Sie selbst zwingt die Biogasanlage als Geschäftsführer<br />
immer öfter ins Büro. Macht Sie das nicht<br />
traurig?<br />
Ja, das ist schon ein Problem. Da hat man so viel<br />
gelernt und wollte nur von der Landwirtschaft<br />
leben... Wenn ich das aber wirklich versuchte, dann<br />
tät’ ich heute ganz kleine Brötchen backen. Die<br />
Arbeit draußen ist schön, die Arbeit drinnen bringt<br />
mehr Geld. Man hat sich schließlich einen gewissen<br />
Lebensstandard erarbeitet. Und den will man<br />
sich erhalten.<br />
Mit der reinen Landwirtschaft könnten Sie das nicht?<br />
Nein. Deswegen hab’ ich auch schon lange vor der<br />
Biogasanlage einen Park-und-Service-Dienst aufgemacht.<br />
Mit dem bringe ich Reisende zum Stuttgarter<br />
Flughafen, parke ihr Auto bei mir und hole sie bei<br />
der Ankunft wieder ab. Hochgerechnet aufs Jahr<br />
kostet mich das all meine Wochenenden, bis auf<br />
die Woche Toskana-Motorrad-Urlaub mit Freunden.<br />
Haben Sie mehr Freiheit, wenn die Anlage läuft?<br />
Nein, aber mehr Sicherheit. Der Vorteil unserer<br />
GmbH ist, dass uns die Anlage gehört und wir sie<br />
auch noch mit den Pflanzen unserer Felder beliefern.<br />
Das heißt, wir profitieren vom Gewinn, steuern die<br />
Produktion und können unsere eigenen Getreidepreise<br />
machen, in Krisenzeiten also niedrige Preise<br />
mit dem Gewinn der Anlage gegenfinanzieren.<br />
Sehen Sie sich jetzt eigentlich als Landwirt oder<br />
als Unternehmer?<br />
Ich bin Landwirt. Auch wenn ich mit dem Biogas<br />
und dem Fahrdienst ein zweites Standbein habe.<br />
Was machen Sie, wenn das Geschäft mit dem<br />
Biogas nicht funktioniert?<br />
Da mache ich mir keine Sorgen. Die Anlage ist eine<br />
sichere Investition. Die Energiepreise werden in<br />
den nächsten Jahren weiter steigen. Die Vorräte an<br />
Öl, Erdgas und Kohle sind nun mal begrenzt. Da<br />
wird sich unsere Biogasanlage auf jeden Fall auszahlen.<br />
Wir nutzen ja nachwachsende Rohstoffe.
Flugzeuge im Kopf<br />
1983 konstruierte der Flugzeugingenieur Rudolf Voit-Nitschmann einen Zweisitzer<br />
in Entenform. Heute sucht er nicht mehr nach unkonventionellen Formen. Er hat<br />
ein größeres Ziel: das umweltfreundliche Flugzeug<br />
Text: Kilian Trotier<br />
bin, war das mein erstes Flugzeug, das ich gebaut<br />
habe“, erzählt Voit-Nitschmann.<br />
Weltrekordhalter ist Rudolf Voit-Nitschmann nur aus Das Flugfieber hatte ihn schon früh infiziert. Zu-<br />
Versehen geworden. Als er am 17. Juni 2003 mit dem nächst war der „Kleine UHU“ sein ständiger Begleiter.<br />
Solar-Motorsegler „Icaré II“ in den Himmel stieg, Fast jeden Tag trieb es ihn zu Schulzeiten mit dem<br />
wollte er kurz die Elektronik des Flugzeugs über- Modellflugzeug auf die große Wiese, um es in die<br />
prüfen. Sechs Stunden später saß er immer noch im Luft steigen zu lassen. Mit den ferngesteuerten<br />
Cockpit seines selbstgebauten Fliegers, im Anflug Fliegern begann Voit-Nitschmann, sich für den tech-<br />
auf Jena – 350 Kilometer entfernt vom Flugplatz nischen Aufbau von Flugzeugen zu interessieren.<br />
34 Aalen-Elchingen, von dem er mittags gestartet war. Noch konkurrierten die Flugzeuge aber mit einer<br />
35<br />
„Zum Glück hatte ich genug zum Trinken dabei“, lau- zweiten Leidenschaft: der Trompete. Als sich Voittete<br />
sein Kommentar, als er aus dem Flugzeug stieg. Nitschmann nach dem Abitur für eine der beiden<br />
entscheiden musste, wählte er die Luftfahrt. „Ich war<br />
Der Flug war Weltrekord. Im Guinessbuch der Rekor- mir einfach nicht sicher, ob ich mit der Trompete<br />
de steht er bis heute nicht. In den Verbandststatuten überhaupt gut genug war, um damit Geld zu verdie-<br />
existierten schlichtweg noch keine formalen Vorgaben<br />
für Rekordflüge von Solarfliegern. Für Voitnen“,<br />
sagt der Professor und lacht.<br />
Nitschmann, Professor am Institut für Flugzeugbau Er lehnt sich in seinem Bürostuhl zurück. Das weiße<br />
der Universität Stuttgart und passionierter Flieger, Haar ist zurückgekämmt, der Anzug sitzt. Beim Foto-<br />
ist das keine ungewohnte Situation: Konstruiert und termin rückt Voit-Nitschmann noch einmal schnell<br />
fliegt er doch seit dreißig Jahren Flugzeuge, für die er die Krawatte zurecht. „Wenn meine Frau die Bilder<br />
den derzeitigen Stand der Technik nur benutzt, um sieht, sagt sie mir sonst wieder, ich hätte mich ja mal<br />
über ihn hinauszugehen. „Mich reizen die Herausfor- zurechtmachen können.“ Das Klischee des weltderungen.<br />
Ein Flugzeug zu bauen, das es in der Form<br />
zuvor noch nie gegeben hat, und es dann auch selbst<br />
zu fliegen, begeistert mich einfach“, erzählt der<br />
58-Jährige. Mit seinem neuesten Projekt wagt sich<br />
Voit-Nitschmann wieder an die Grenze des derzeit<br />
Machbaren: Er will den ersten nur mit Wasserstoff<br />
betriebenen Zweisitzer aufs Rollfeld bringen.<br />
fremden Tüftlers und Erfinders greift bei ihm nicht.<br />
Dieser Mann lebt für Flugzeuge: Skizzen eines neuen<br />
Airbus-Projekts hängen an der weißen Magnettafel<br />
in seinem Büro, Miniaturflieger parken nebeneinander<br />
auf der Kommode. Die Wände sind geschmückt<br />
mit Fotos seiner eigenen Flieger. Das auffälligste<br />
davon: Ein Entenflugzeug. Das Cockpit ragt wie ein<br />
ausgestreckter Kopf hervor, die Flügel sind an den<br />
äußeren Enden um neunzig Grad hochgeklappt. „Als<br />
ich mit dreißig Jahren in die Industrie gewechselt<br />
Dass Voit-Nitschmann nach Abstechern in die Wirtschaft<br />
wieder an die Universität zurückkehren würde,<br />
stand für ihn früh fest. „Denn nur in der Hochschule<br />
kann ich die Techniken der Zukunft nachhaltig<br />
entwickeln, ohne dem ständigen Druck des ökonomischen<br />
Profits ausgesetzt zu sein.“ Und nur in diesem<br />
Rahmen war es möglich, eine Idee zu verwirklichen,<br />
die Voit-Nitschmann schon seit den Anfängen<br />
seines Ingenieurstudiums umgetrieben hat: den Bau<br />
umweltfreundlicher Flugzeuge. „Die Belastung der<br />
Umwelt durch den CO 2-Ausstoß nimmt derart beunruhigende<br />
Ausmaße an, dass wir alle handeln müssen<br />
– auch und zuvorderst wir Flugzeugingenieure.“<br />
Die Chance für die Umsetzung sah Voit-Nitschmann<br />
gekommen, als er vom Ulmer Berblinger-Wettbewerb<br />
Wind bekam. Ein Preis war ausgelobt für<br />
Flugzeuge, die zugleich umweltfreundlich und wirt-
Und Voit-Nitschmann ließ nicht locker. Kaum war er<br />
mit dem Solarflieger erstmals in die Luft gestiegen,<br />
startete er das nächste Großprojekt: den Hydrogenius.<br />
Wieder als Beitrag für den Berblinger-Wettbewerb.<br />
„Die Ausschreibung bietet eine hervorragende<br />
Plattform für den Erwerb von Drittmitteln, ohne die<br />
wir nicht forschen könnten“, sagt Voit-Nitschmann.<br />
Er steht in seinem Büro und zeichnet mit dem Bleistift<br />
eine Skizze des „Hydrogenius“ auf Millimeterpapier<br />
an der Magnetwand. Die beiden Piloten sitzen<br />
nebeneinander. In dem dadurch entstehenden<br />
Freiraum hinter den Sitzen ist die Brennstoffzelle<br />
eingebaut, dahinter der Tank. Durch eine chemische<br />
Reaktion von Wasserstoff und Sauerstoff wird Strom<br />
erzeugt, der den Motor antreibt. Das größte Problem<br />
ist, wie bei den mit Brennstoffzellen angetriebenen<br />
Autos, derzeit noch das Gewicht. Voit-Nitschmann<br />
und sein Team haben aber berechnet, dass der<br />
„Hydrogenius“ trotzdem in die Lüfte steigen kann.<br />
Zwölf Mitarbeiter hat Voit-Nitschmann, Tendenz<br />
steigend. Der erste detaillierte Vorentwurf des Flugzeugs<br />
ist fertig, in den kommenden Wochen beginnt<br />
die Phase der technischen Umsetzung. Es müsse zu-<br />
Noch steht der „Hydrogenius“ nur als<br />
Modell im Institut. Doch in der Animation<br />
ist der Traum bereits Realität:<br />
Der erste wasserstoffangetriebene<br />
Flieger der Welt hebt ab<br />
Voit-Nitschmanns geht es nicht um Flugzeuge in<br />
Massenserien. Er macht Grundlagenforschung. Denn<br />
gerade die sei heute wichtig, um umweltfreundliche<br />
Technologien für die nächsten fünfzig Jahre zu entwickeln.<br />
Rudolf Voit-Nitschmann: ein moderner Gottlieb<br />
Daimler oder Charles Lindbergh? „Alle großen<br />
Erfindungen sind aus Spinnereien geboren“, sagt der<br />
Geschäftsführer des baden-württembergischen Luftsportverbands,<br />
Klaus Michael Hallmayer. Er traut<br />
Voit-Nitschmann den großen Wurf zu: „Ich bin davon<br />
überzeugt, dass der „Hydrogenius“ fliegen wird und<br />
in absehbarer Zeit in Serie gehen kann.“<br />
Geht alles nach Plan, steigt der Jungfernflug des<br />
wasserstoffgetriebenen Fliegers in zwei Jahren. Doch<br />
zuvor will Voit-Nitschmann noch ein anderes Ziel<br />
erreichen: Den Weltrekord mit dem „Icaré II“ in die<br />
Rekordbücher eintragen. Die Steuerelektronik für den<br />
Motor muss noch gewartet werden. Aber in diesem<br />
Sommer soll der Solarflieger einsatzbereit sein. Dann<br />
wird Voit-Nitschmann wieder in die Luft gehen.<br />
KÖNNEN SIE KLIMA?<br />
Testen Sie sich! Wählen Sie eine Antwort pro Frage und zählen Sie am Ende alle<br />
Punkte zusammen. Die Auflösung verrät Ihnen, welcher Klima-Typ Sie sind.<br />
1 Welche Früchte haben Sie in Ihrer 7 Wofür würden Sie als Hausbesitzer<br />
Obstschale?<br />
zuerst Geld ausgeben?<br />
- Kiwis, Papayas und Litschis – je exotischer, desto - Solaranlage und Wärmedämmung. (0)<br />
schaftlich umsetzbar sind. Der Professor setzte sich<br />
besser. (4)<br />
- Neuer Außenanstrich. (2)<br />
sofort an seinen Schreibtisch und entwickelte das<br />
- Auf Erdbeeren will ich auch im Winter nicht - Pool und Sauna im Garten. (4)<br />
Grundkonzept für seinen Solarflieger „Icaré II“.<br />
verzichten. (3)<br />
- Äpfel und Birnen - immer das Obst, das gerade in 8 Für welche Möbel entscheiden Sie sich?<br />
In den letzten Wochen vor dem Einsendeschluss<br />
Deutschland wächst. (0)<br />
- Tropenhölzer sind sehr repräsentativ. (4)<br />
brannte das Licht in den Werkshallen Tag und Nacht.<br />
- Für mich kommen nur Möbel aus einheimischen<br />
Noch um fünf Uhr in der Früh saßen die Ingenieure nächst viel gerechnet und dimensioniert werden, er-<br />
2 Wie heizen Sie Ihre Wohnung?<br />
Hölzern in Frage. (1)<br />
36 an ihren Computern, um die letzten Berechnungen zählt Voit-Nitschmann. Wie groß sollen die Wand-<br />
- Keine Ahnung – ich zahle meine Miete und wundere - Ich kaufe nur Teakholz von Plantagen. (3)<br />
37<br />
durchzuführen. Die Konstrukteure schleppten Teile, stärken sein? Welche Bauteile werden benötigt?<br />
mich immer über die hohen Nebenkosten. (3)<br />
schweißten und setzten aus den vielen Einzelteilen Geht alles gut, fällt der Startschuss für die Konstruk-<br />
- Für mich kommen nur erneuerbare Energien in 9 Welches Papier kaufen Sie?<br />
in minutiöser Kleinarbeit den Flieger zusammen. Die tion des „Hydrogenius“ in einem halben Jahr.<br />
Frage, z. B. Geothermie oder Solarzellen. (0) - Immer das günstigste – strahlend weiß, muss ja<br />
Kaffeemaschine war im Dauereinsatz.<br />
Die Erwartungen an den Wasserstoff-Flieger sind<br />
- Öko-Energie ist nur eine Verkaufsstrategie der ordentlich aussehen. (3)<br />
Der Schluss-Sprint hat sich gelohnt. Das Team der groß. Voit-Nitschmanns Traum ist es, schon in fünf-<br />
Hersteller-Firmen. Ich bleibe bei Öl oder Gas. (3) - Weißes Papier, aber mit Klima-Zertifikat gegen<br />
Uni versität Stuttgart erhielt den ersten Preis für den zehn Jahren Zwei- bis Achtsitzer mit Brennstoffzel-<br />
die Abholzung des Urwalds. (2)<br />
„Icaré II“, und Voit-Nitschmann hatte sein erstes Klimalenantrieb auszustatten. Und wie sieht es mit den<br />
3 Wie sieht‘s mit Ihrem Urlaub aus? - Für mich kommt nur Recyclingpapier in Frage. (1)<br />
flugzeug gebaut. Der Schritt von ungewöhnlichen großen Jets aus? Bei dieser Frage winkt er ab. Dafür<br />
- Jedes Jahr zwei Flüge in die Karibik brauche ich - Ich mache alles via Internet. (2)<br />
zu umweltfreundlichen Flugzeugen war vollzogen. ist die Technik nicht geeignet. Dann schon eher die<br />
als Ausgleich zum Arbeitsstress. (4)<br />
Solarenergie. Aber auch da muss noch ein riesiger<br />
- Es muss ja nicht die Südsee sein – Nordsee oder 10 Fenster auf oder zu?<br />
Schritt gemacht werden, um sie bei Linienflügen<br />
Schwarzwald sind auch schön! (1)<br />
- Frische Luft durch Stoßlüften macht Sinn. (1)<br />
einzusetzen. Erstmal muss der „Icaré II“ in Serie gehen.<br />
- Einmal im Jahr gönne ich mir einen schönen - Meine Panorama-Glasfenster sind stylisch und<br />
Urlaub. (2)<br />
edel. Die sind zwar schon 30 Jahre alt, aber<br />
- Warum verzichten? Ich bin auch so umwelt-<br />
immer noch im Top-Zustand. (3)<br />
freundlich und fliege klimaneutral. (3)<br />
- Mein spezial-isoliertes Doppelglasfenster ist<br />
immer auf Kipp. So bekomme ich frische Luft,<br />
und es kann nicht zu viel Wärme entweichen. (2)<br />
4 Wie ernähren Sie sich?<br />
- Ein Steak pro Tag muss sein. (3)<br />
- Ich bin Vegetarier, weil das gut fürs Klima ist. (1)<br />
- Fleisch nur sonntags und nur vom Bio-Bauern (1)<br />
- Tiefgefrorenes hält länger und ist gesund. (2)<br />
5 Welchen Strom würden Sie wählen?<br />
- Ich würde auf Öko-Strom umsteigen, wenn er<br />
nicht viel teurer wäre. (2)<br />
- Ich nehme den billigsten Strom. (4)<br />
- Auf jeden Fall Öko-Strom, der von einer<br />
Umweltorganisation zertifiziert wurde. (0)<br />
6 Wie sind Sie unterwegs?<br />
- Mit dem Auto als Symbol meiner Freiheit.(4)<br />
- Außer bei Kurzstrecken in der Stadt ist es doch<br />
vernünftiger mit dem Auto zu fahren. (3)<br />
- Mit Öko-Sandalen und immer zu Fuß. (0)<br />
- Mit Fahrrad und öffentlichen Verkehrsmitteln. (1)<br />
Text: Mara Bergmann<br />
11 Ist Stromsparen ein Thema für Sie?<br />
- Absolut - ich schalte meinen Fernseher immer<br />
auf Standby, wenn nichts Spannendes läuft,<br />
und verzichte auf eine Spülmaschine. (3)<br />
- Ich allein kann die Welt doch eh´ nicht verbessern,<br />
an meinem Lebensstil ändere ich nichts. (4)<br />
- Ich habe Energiesparbirnen, meine Elektro-<br />
geräte schalte ich immer ganz ab. (1)<br />
12 Welches ist Ihr Traum-Auto?<br />
- Porsche oder Ferrari. (4)<br />
- Ein Hybrid-Fahrzeug. (1)<br />
- Ein Golf. (2)<br />
- Auto kommt für mich nicht in Frage.<br />
Ich verpeste doch nicht die Umwelt! (0)<br />
Auflösung auf der nächsten Seite
38<br />
Welcher Klima-Typ bin ich?<br />
8-20: Klima-Held<br />
Gratulation! Sie bleiben Ihrem Charakter treu und<br />
tun trotzdem etwas für die Umwelt. Der Klima-<br />
Held informiert sich gut und ausführlich, fällt aber<br />
nicht auf Klima-Sprüche rein. Er organisiert sein<br />
Leben nach sinnvollen Energiespar- und Ökogrundsätzen,<br />
ohne dabei zu übertreiben. Weiter so!<br />
35-44: Klima-Killer<br />
Sie bestreiten die Auswirkungen Ihres Verhaltens<br />
auf das Klima, leugnen den Klimawandel und wollen<br />
an Ihrem Lebensstil nichts ändern. Ob Luxus-<br />
Limousine, Langstreckenflug oder Elektrogeräte –<br />
ohne Rücksicht auf Verluste gehen Sie durchs<br />
Leben und denken dabei nicht im Geringsten an<br />
die Folgen für die Umwelt. Bitte blättern Sie in<br />
diesem <strong>Magazin</strong> noch mal ganz nach vorne, auf<br />
Seite 1, und lesen Sie die Geschichten und Klimatipps.<br />
Dann können Sie‘s ja nochmal versuchen.<br />
0 bis 7: Klima-Sklave<br />
Öko-Latschen, Bio-Siegel, Fahrrad statt Sportwagen.<br />
Sie tun alles für den Klimaschutz, vergessen<br />
darüber aber manchmal sich selbst. Sie werden<br />
zum Sklaven Ihrer guten Vorsätze und leben unter<br />
einem ständigen Zwang. Unser Tipp: Entspannen<br />
Sie auch mal und tun Sie sich selbst was Gutes.<br />
Einmal Sauna im Monat macht Sie noch nicht<br />
zum Klima-Schwein.<br />
21-34: Klima-Chaot<br />
Sie möchten zwar umweltbewusst handeln, sind<br />
dabei aber nur selten erfolgreich. Sie haben Ideale,<br />
aber oft ist Ihnen der Aufwand dann doch zu groß.<br />
Es soll schließlich nicht anstrengend sein und nicht<br />
viel kosten. Manchmal sind Sie aber auch überfordert<br />
und verstehen Klimatipps falsch. In Zukunft<br />
sollten Sie ganz genau überlegen, was Sie für die<br />
Umwelt tun möchten, und sich gut informieren.<br />
Nur Mut, Sie schaffen das!<br />
Das Klima in Zahlen<br />
2 Grad Temperaturanstieg gegenüber der vorindustriellen Zeit<br />
kann die Welt verkraften, sagen Klimaexperten<br />
0,74 Grad Temperaturanstieg maßen die Forscher allein zwischen 1906 und 2006<br />
0,2 Grad steigt die Temperatur derzeit pro Jahrzehnt an. Selbst wenn die<br />
Konzentration der Treibhausgase auf dem jetzigen Stand stabilisiert würde,<br />
stiege die Temperatur in jedem Jahrzehnt um 0,1 Grad weiter, so die<br />
Berechnungen des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC)<br />
11 der vergangenen dreizehn Jahre gehörten zu den wärmsten seit Beginn<br />
der Klimaaufzeichnungen vor 150 Jahren<br />
50 Prozent nahm die CO 2-Konzentration allein zwischen 1970 und 2006 zu<br />
2020 sollten die CO 2-Werte in der Atmosphäre zu sinken beginnen,<br />
sonst droht der Klimakollaps<br />
59 Zentimeter steigt der Meeresspiegel noch in diesem Jahrhundert an,<br />
wenn es schlecht läuft. Wenn es ganz schlecht läuft und die Polkappen<br />
schneller schmelzen, kommen noch einmal 20 Zentimeter dazu<br />
12 Millionen Menschen leben alleine in Ägypten in Gebieten, die überflutet<br />
werden, wenn der Meeresspiegel 50 Zentimeter höher ist als heute<br />
11.000.000.000.000 Euro veranschlagt der Weltklimarat<br />
der UNO für die Vollbremsung, die die Erde vor dem Klimakollaps retten soll.<br />
Das Geld müsste in CO 2-arme Technologien gesteckt werden<br />
64.000.000.000.000 Euro kosten die Folgen des Klimawandels –<br />
Überflutungen, Hurrikans, Dürren – in den nächsten 50 Jahren, schätzen Experten<br />
des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung