„Wir verkaufen nichts“ - Artseasons.com
„Wir verkaufen nichts“ - Artseasons.com
„Wir verkaufen nichts“ - Artseasons.com
- TAGS
- artseasons.com
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
„Bei unbekannten Künstlern liegt die<br />
Wahrscheinlichkeit, dass ihr Wert steigt,<br />
unter einem Prozent“ Peter Haller<br />
eine unglaubliche kulturelle Auszeichnung. Ich glaube nicht, dass vier<br />
zeitgenössische Franzosen ständig im MoMA gezeigt werden. Aber die<br />
Franzosen glauben beharrlich, sie hätten die moderne Kunst erfunden.<br />
Welche Künstler würden Sie den Einsteigern unter den<br />
Sammlern empfehlen? Sagen wir jenen, die keine Millionen-<br />
Euro-Beträge ausgeben können oder wollen?<br />
Wer wenig Geld hat, kauft am besten Grafiken von international bekannten<br />
Künstlern. Doch Vorsicht! Überzeugen Sie sich, dass die Arbeiten<br />
nicht gefälscht sind – wir haben ja bei Lithografien von Dalí, Miró,<br />
Chagall und so weiter Fälschungsraten von über 50 Prozent. Ich habe<br />
von einem spanischen Sammler gehört, der 24 Chagall-Grafiken hatte.<br />
21 davon waren gefälscht. Der Mann hat geweint, als ihm ein kaufinteressierter<br />
Galerist das mitteilte. Also: Man sollte unbedingt eine verlässliche<br />
Originalitätsbestätigung des Druckes einfordern.<br />
Wie sieht es mit Werken unbekannter, noch lebender Künstler<br />
aus? Die Fälschungsraten sind gering, denn man kann direkt<br />
nachfragen, ob die Arbeiten von ihnen stammen.<br />
Da sollte man sich zuerst einmal die Frage stellen: „Warum möchte ich<br />
diese Kunst kaufen?“ Wenn es wegen der Aussicht auf Wertsteigerung<br />
ist, empfehle ich Ihnen: Gehen Sie besser nach Bad Wiessee in die Spielbank<br />
und setzen Sie auf Schwarz oder Rot. Dann haben Sie zumindest<br />
eine 50-Prozent-Chance. Bei unbekannten Künstlern liegt die Wahrscheinlichkeit,<br />
dass ihr Wert signifikant steigt, unter einem Prozent.<br />
Galeristen sind nebst anderen maßgeblich dafür verantwortlich,<br />
wie gut sich Künstler auf dem Markt und in ihrem<br />
künstlerischen Schaffen entwickeln. Was könnten sie besser<br />
machen? Sie als Marketingstratege haben sicher einen Tipp?<br />
INFOBOX<br />
Über die Sammlung Serviceplan ist im Mai 2012 der<br />
Band „Abstrakte Kunst nach 1948“ erschienen – mit<br />
230 Farbabbildungen auf 368 Seiten und 50 unterhaltsam<br />
erzählten Künstlerporträts.<br />
48 ARTINVESTOR<br />
Blick in die Zukunft Florian Haller<br />
sammelt Kunst, die frech sein darf<br />
– wie die von Jonathan Meese<br />
„Abstrakte Kunst nach 1948“,<br />
Sammlung Serviceplan, Jovis Art,<br />
58,00 Euro<br />
Erfolg ist im Wesentlichen eine Frage der Kommunikation. Galerien<br />
sollten in unserer Zeit viel mehr das Internet nutzen. Sie beklagen sich<br />
immer über die wenigen Besucher pro Tag, die in ihren stationären<br />
Geschäften vorbeischauen. Aber mit einem professionellen Auftritt im<br />
Netz, einem bewegten und interaktiven Konzept, könnten sie sehr effizient<br />
ein Millionenpublikum erreichen. Und jüngere Leute ansprechen.<br />
Sie sprechen von Globalisierung und von neuen Märkten. Bei<br />
der Wahl der Künstler, die Sie interessieren, bleiben Sie aber<br />
Europa treu?<br />
Imgrunde schon. Es kann aber sein, dass mein Sohn Florian, der zu meinem<br />
großen Vergnügen Kunst sammelt, da einen Schritt weiter geht. Er<br />
hat bis jetzt Arbeiten von Jonathan Meese, die in seinem Büro platziert<br />
sind, gekauft. Außerdem Skulpturen von Stephan Balkenhol und einige<br />
großformatige Arbeiten des prominenten US-amerikanischen Malers<br />
Alex Katz.<br />
Vielen Sammlern dient die eigene Kunstsammlung der Selbstdarstellung.<br />
Wie ist das bei Ihnen?<br />
Wir legen vor allem Wert auf Employer Branding. Eine Unternehmenssammlung<br />
hat großen Einfluss auf die Mitarbeiter. Und dieser Aspekt<br />
wird noch bedeutender werden, wenn es darum geht, den erheblichen<br />
und immer weiter steigenden Fachkräftemangel zu bewältigen. Wir<br />
haben die Erfahrung gemacht, dass wir bei 50 Prozent der Bewerber,<br />
die wir für uns gewinnen wollten, erfolgreich waren, wenn sie uns in<br />
unseren Räumlichkeiten besucht hatten, in denen die Sammlung ja<br />
eine dominierende Rolle spielt. Wenn das Bewerbungsverfahren nur<br />
über den schriftlichen Weg läuft oder über Headhunter, oder wenn man<br />
sich außerhalb trifft, sind es nur zehn bis 20 Prozent, die sich für uns<br />
entscheiden. ■<br />
Foto: Dieter Mayr; © Jonathan Meese. VG Bild-Kunst, Bonn 2012