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K-ABC Interpr.Handb.90-98.indd - Pits

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K-<strong>ABC</strong><br />

Kaufman – Assessment Battery for Children<br />

Deutschsprachige Fassung von<br />

Peter Melchers und Ulrich Preuß<br />

<strong>Interpr</strong>etationshandbuch, Auflage 2006<br />

– Zur Aktualität des Verfahrens und seiner Normen (S. 90-95)<br />

– Der Untertest Gesichter und Orte (S. 95-98)<br />

Copyright © 2007 PITS B.V., Leiden,<br />

www.pits-online.nl, E-Mail: Info@pits-online.nl<br />

Alle Rechte vorbehalten. Aus dieser Ausgabe darf nichts vervielfältigt, als<br />

automatisierter Datenbestand gespeichert und öffentlich gemacht werden<br />

– in jeglicher Form und in jeglicher Weise, sei es elektronisch, mechanisch<br />

durch Fotokopien oder auf irgendeine andere Art – ohne vorherige schriftliche<br />

Zustimmung des Verlages.


Zur Aktualität des Verfahrens und seiner Normen<br />

Die deutschsprachige Fassung der K-<strong>ABC</strong> ist 1991 erschienen, so dass<br />

anlässlich der 7. Auflage im Jahre 2006 Fragen nach der Aktualität der K-<strong>ABC</strong><br />

als Untersuchungsmethode und nach der Aktualität der Normen zu stellen sind.<br />

Hierzu gab es auch drei kritische Stimmen, die nicht verschwiegen werden<br />

sollen. Kennern der Entwicklungen bei den Testverlagen in Europa, speziell<br />

im deutschsprachigen Bereich, sind die Hintergründe bekannt, die schließlich<br />

dazu führten, dass die K-<strong>ABC</strong> seit der 5. Auflage (2001) nicht mehr vom<br />

ehemaligen Verlag Swets & Zeitlinger, sondern vom neuen Verlag PITS in<br />

Leiden herausgegeben wird. Insofern verbietet es sich, auf die Kommentierung<br />

von Horn (2003) inhaltlich näher einzugehen. Ähnlich verhält es sich mit der<br />

Vergleichsarbeit von Preusche & Leiss (2003), die zwar keineswegs kritisch<br />

gegenüber der K-<strong>ABC</strong> ist, aber im Tenor ihre pro domo Motivation nicht ganz<br />

verbergen kann und darüber hinaus viele inkorrekte Darstellungen enthält.<br />

Deimel (2002) versuchte, in den Vorschlägen zur Diagnostik der Lese-<br />

Rechtschreibstörung generelle kategoriale Empfehlungen zum maximalen<br />

Alter verwendeter Testverfahren zu geben, und kommt so zu der Einschätzung,<br />

dass die Normen der K-<strong>ABC</strong> mittlerweile auch schon „etwas veraltet“ seien.<br />

Ohne Zweifel ist das Alter der Normierung speziell bei Leistungstests ein<br />

wichtiges Thema und eine aktuelle Normierung ist immer zu begrüßen, aber<br />

die von Deimel explizit gegebene Empfehlung, dass die Normierung auch bei<br />

Intelligenztests nicht älter als fünfzehn Jahre sein sollte, ist in ihrem pauschalen<br />

und unkritischen Gültigkeitsanspruch doch in Zweifel zu ziehen.<br />

Wenn für ein Verfahren wie die K-<strong>ABC</strong> eine große und der Repräsentativität<br />

zumindest nahe kommende Normierung trotz der Einschränkung durch<br />

Datenschutzauflagen und auch mit Gültigkeit für alle Regionen des<br />

deutschsprachigen Raums durchgeführt werden soll, dann ist dies mit einem<br />

solchen Aufwand verbunden, dass eine Neunormierung alle zehn Jahre nicht<br />

nur aus wirtschaftlichen, sondern auch aus inhaltlichen und motivationalen<br />

Gründen heraus nicht vorstellbar ist. Einige Autoren haben hier in den letzten<br />

Jahren die Alternative gewählt, „große“ Testverfahren mit Hilfe verhältnismäßig<br />

kleiner Untersuchungen (damit sind Stichproben gemeint, die z. T. deutlich<br />

unter 1000 Versuchspersonen liegen) zu normieren. Bei derart kleinen<br />

Normierungsstichproben zeigen sich aber regelhaft recht inhomogene Verläufe<br />

über das Alterskontinuum bzw. das Leistungskontinuum der Stichprobe sowie<br />

über die verschiedenen Bildungsgrade. Diese inhomogenen Verläufe müssen<br />

dann aufwändig statistisch mit varianzanalytischen Methoden korrigiert werden,<br />

was aus Sicht der K-<strong>ABC</strong> Autoren den Vorteil einer großen Stichprobe keinesfalls<br />

kompensieren kann. Insofern wird sich bei den „großen“ Leistungsdiagnostika<br />

immer wieder die Frage stellen, ob kleinen und dann schneller zu wiederholenden<br />

Normierungen oder einer großen stabilen Erhebung der Vorzug zu geben ist, die<br />

dann allerdings auch für längere Zeit Bestand haben muss. Im Folgenden soll<br />

gezeigt werden, dass die K-<strong>ABC</strong> das Kriterium einer stabilen und heute noch<br />

gültigen Normierung ohne Zweifel erfüllt.<br />

Über ihre bisherige Anwendungsgeschichte im deutschsprachigen Raum hat sich<br />

die K-<strong>ABC</strong> bei psychologischen und psychiatrischen Fragestellungen im Vorschul-<br />

2


und Schulalter zu dem am häufigsten angewendeten differenzierenden Verfahren<br />

zur Beurteilung der intellektuellen Leistungsfähigkeit entwickelt. Entsprechend<br />

wichtig ist die Belastbarkeit der normativen Grundlage, denn das Ergebnis der<br />

Leistungsdiagnostik trägt häufig wesentlich zu Entscheidungen bei, die von<br />

nachhaltiger Bedeutung für die Zukunft des betroffenen Kindes sind. Zentrale<br />

Frage bei einem Verfahren, dessen Normierungsuntersuchung nicht mehr ganz<br />

aktuell ist, ist das Auftreten des Flynn-Effekts (Flynn, 1984, 1987). Darunter wird<br />

eine „Verweichung“ oder Vereinfachung der Normen verstanden in dem Sinne,<br />

dass immer mehr Probanden höhere Rohwerte in einem gegebenen Verfahren<br />

erreichen als dies zum Zeitpunkt der Normierung der Fall war. Damit verschiebt<br />

sich der Mittelwert der Verteilung, was nur durch eine neue Normberechnung<br />

korrigierbar wäre. Als Folge werden immer mehr Versuchspersonen höhere<br />

Standardwerte zugeordnet, obwohl dies dann ihrer relativen Position in der<br />

Grundgesamtheit nicht entspricht. Als Ursache des Flynn-Effekts werden soziale,<br />

kognitive, genetische und andere Hypothesen diskutiert, eine eindeutige Klärung<br />

existiert bislang jedoch nicht. Für die <strong>Interpr</strong>etation eines Testergebnisses ist<br />

der Flynn-Effekt von Bedeutung, da die Versuchspersonen dadurch in Bezug<br />

auf ihre reale intellektuelle Leistungsfähigkeit überschätzt werden könnten, was<br />

insbesondere bei Kindern zu problematischen Überforderungsphänomenen<br />

beitragen kann. Weiter ist bekannt, dass sich der Flynn-Effekt deutlich stärker<br />

auf fluide als auf kristalline Tests auswirkt, bei Fertigkeitentests finden sich<br />

sogar häufig umgekehrte Phänomene, die von Rodgers (1998) beschrieben<br />

wurden. In Fertigkeitentests erreichen häufig immer weniger Probanden eine<br />

vergleichbar hohe Rohpunktzahl wie zum Zeitpunkt der Normierung, das heißt<br />

die Vergleichsgrundlage für den untersuchten Probanden wird immer „härter“,<br />

der Test wird immer schwerer.<br />

Eine besondere Stärke der K-<strong>ABC</strong> ist die parallele Erfassung von<br />

intellektuellen Fähigkeiten und erworbenen Fertigkeiten mit entsprechenden<br />

Vergleichsmöglichkeiten. Unter Annahme der vorstehend beschriebenen Effekte<br />

könnte somit das Problem auftreten, dass die Intelligenz zunehmend höher<br />

eingeschätzt wird, während die Fertigkeiten der untersuchten Probanden<br />

tendenziell zu niedrig eingeschätzt werden, was zu dem falschen Schluss führen<br />

könnte, dass bei den betroffenen Probanden hohe Entwicklungspotenziale bei<br />

entsprechender Förderung vorhanden seien. Als Beleg, dass dieses Problem bei<br />

der K-<strong>ABC</strong> auch fünfzehn Jahre nach ihrer Veröffentlichung nicht festzustellen<br />

ist, soll vor allem aus zwei Studien referiert werden.<br />

Während der Adaptation und Evaluation von zwei neuen Testverfahren<br />

für Jugendliche und Erwachsene, dem Kaufman – Neuropsychologischer<br />

Kurztest (K-NEK; Melchers & Schürmann, 2004) und dem Kaufman – Test<br />

zur Intelligenzmessung für Jugendliche und Erwachsene (K-TIM; Melchers,<br />

Schürmann & Scholten, 2006) fanden mehrere Vergleichsuntersuchungen<br />

dieser beiden neuen Verfahren mit der K-<strong>ABC</strong> statt. Während Sauter (2003)<br />

eine kinder- und jugendpsychiatrische Inanspruchnahmestichprobe im Alter von<br />

11;0 bis 12;5 Jahren untersuchte, zog Oest (2002) eine Feldstichprobe von 68<br />

Kindern im gleichen Altersbereich heran, die sich so weitgehend gleichmäßig<br />

aus Schülern verschiedener Schulformen zusammensetzte, dass hier von einer<br />

Annäherung an Repräsentativität gesprochen werden kann. Die Ergebnisse der<br />

Arbeit von Oest sind auf Tafel 4.6 dargestellt.<br />

3


Tafel 4.6: Korrelationen der Skalen- und Standardwerte des K-TIM mit den<br />

Standardwerten der K-<strong>ABC</strong> Skalen; N=68 (nach Oest, 2002)<br />

K-<strong>ABC</strong> Skala<br />

Untertest bzw. Skala Skala Skala Fertig- Sprach-<br />

Skala des K-TIM M SD einzelheit- ganzheit- intellek- keiten- freie<br />

lichen lichen tueller skala Skala<br />

Denkens Denkens Fähigkeiten<br />

Worträtsel 9,2 2,4 .28 .31 .37 .64 .23<br />

Auditives Verständnis 9,6 2,4 .25 .30 .34 .64 .33<br />

Doppelte Bedeutungen 9,8 2,1 .27 .48 .48 .56 .43<br />

Persönlichkeiten 10,0 2,7 -.07 .16 .08 .25 .06<br />

Symbole Lernen 9,8 2,2 .36 .40 .47 .54 .43<br />

Logische Denkschritte 9,8 2,6 .26 .49 .48 .37 .52<br />

Zeichen Entschlüsseln 10,3 2,6 .48 .63 .70 .49 .66<br />

Figurales Gedächtnis 9,6 2,4 .31 .61 .59 .47 .59<br />

Skala kristalliner Intelligenz 97,4 11,1 .25 .37 .39 .67 .32<br />

Skala fluider Intelligenz 99,2 12,1 .47 .67 .72 .59 .70<br />

Skala Gesamt-Intelligenz 98,0 10,9 .42 .60 .64 .73 .59<br />

Bei den Ergebnissen handelt es sich primär um Korrelationen zwischen<br />

den Skalen und Untertests des Kaufman – Tests zur Intelligenzmessung<br />

(K-TIM) und den Skalen der K-<strong>ABC</strong>, die als ein Teilbeleg zur Bestätigung<br />

der Konstruktvalidität des neuen Verfahrens dienten. Als Zusatzbefund kann<br />

festgestellt werden, wie eng der Altersanschluss der Normen im Vergleich<br />

der K-<strong>ABC</strong> als typisches Diagnostikum für Kinder mit dem K-TIM als einem<br />

Verfahren, das von der Konzeption her speziell für ältere Jugendliche und<br />

Erwachsene entworfen wurde, gelungen ist. Eine Stichprobe von insgesamt<br />

68 Probanden darf sicherlich nicht überinterpretiert werden, aber die geringe<br />

Diskrepanz der Mittelwerte für die im jeweiligen Verfahren gemessene<br />

Gesamtintelligenz (98,0 im K-TIM und 96,8 in der K-<strong>ABC</strong>) zeigt mit nur<br />

1,2 Standardwertpunkten, dass die normative Grundlage der K-<strong>ABC</strong> mit<br />

der aktuell für den K-TIM erhobenen absolut vergleichbar ist. Wichtiger als<br />

dieser Aspekt ist jedoch die isolierte Betrachtung der errechneten Mittelwerte<br />

für die Skalen der K-<strong>ABC</strong> in dieser Stichprobe. Für die Skala intellektueller<br />

Fähigkeiten wurde ein Mittelwert von 96,8 ermittelt, für die Fertigkeitenskala<br />

von 96,7. Mit einer Abweichung von 3,2 bzw. 3,3 Punkten vom idealer<br />

weise erwarteten Mittelwert liegen diese gemittelten Gesamtergebnisse für<br />

intellektuelle Fertigkeiten und erworbenen Fertigkeiten absolut in dem Bereich,<br />

der im Sinne unbeeinträchtigter Aktualität und Anwendbarkeit der Normen<br />

interpretiert werden kann. Erwartungskonträr ist, dass diese Abweichungen<br />

nach unten zeigen, da unter Annahme des Flynn-Effekts in Anbetracht des<br />

Alters der Normierung eine Abweichung nach oben erwartet wurde. Die<br />

Analyse der Stichprobe durch Oest ergab keine Hinweise auf nach unten stark<br />

abweichende „Ausreißer“ in der Stichprobe oder andere Phänomene, mit denen<br />

4<br />

K-<strong>ABC</strong> Mittelwert (M) 95,4 98,0 96,8 96,7 96,7<br />

Standardabweichung (SD) 11,3 11,5 9,1 12,0 11,3<br />

K-TIM = Kaufman – Test zur Intelligenzmessung


dieser Befund erklärt werden könnte. Er ist somit dahingehend zu interpretieren,<br />

dass bei der K-<strong>ABC</strong> kein relevanter Flynn-Effekt vorliegt und die normative<br />

Grundlage des Verfahrens auch fünfzehn Jahre nach seiner Veröffentlichung<br />

als unproblematisch anzusehen ist.<br />

Nicht unerwähnt bleiben soll die mit einem mittleren Standardwert von 95,4<br />

stärkere Abweichung der Skala einzelheitlichen Denkens gegenüber der<br />

Skala ganzheitlichen Denkens (98,0). Auch für diese leicht unterschiedliche<br />

Entwicklung ließ sich in der Stichprobe keine gute Begründung finden, so<br />

dass hier zwei Hypothesen in Betracht kommen. Zum einen ist denkbar,<br />

dass sich bei den Untertests der Skala einzelheitlichen Denkens, bei<br />

denen im Konzept wohl überlegt vor allem auditive Kurzzeitgedächtnis-<br />

leistungen und Seriationsfähigkeit eine Rolle spielen, im Zeitraum seit der<br />

Normierung eine partiell andere Entwicklung manifestiert hat als bei den<br />

Untertests der Skala ganzheitlichen Denkens. Im Hintergrund wären hier<br />

die Erwägungen einiger Entwicklungsforscher zu berücksichtigen, dass<br />

die Entwicklung auditiver Funktionen beim Kind durch die immer größere<br />

Prädominanz visueller Medien beeinträchtigt wird. Dieser Aspekt ist aus den<br />

vorliegenden Daten aber sicherlich nicht zu klären. Die andere Hypothese<br />

bezieht sich darauf, dass in der von Oest untersuchten Feldstichprobe der Anteil<br />

der unauffälligen Probanden möglicherweise nicht ganz so groß war, wie bei<br />

einer Feldstichprobe zu erwarten. Auch diese Überlegung ist nicht zu belegen,<br />

aber insoweit plausibel, als dass sich die sequenzielle Verarbeitung, die von der<br />

Skala einzelheitlichen Denkens gefordert wird, häufig als der stärker vulnerable<br />

Verarbeitungsanteil erweist.<br />

Preuß und Mitarbeiter untersuchten eine Stichprobe von 371 Schweizer Kindern<br />

im Alter von drei bis elf Jahren. Die Ergebnisse werden demnächst differenziert<br />

an anderer Stelle publiziert, daher sollen hier nur die Hauptergebnisse referiert<br />

werden. Im Vergleich zu den Ergebnissen der K-<strong>ABC</strong>-Normierungsstichprobe<br />

waren drei interessante Aspekte festzustellen:<br />

Erstens zeigte die Skala intellektueller Fähigkeiten bei den Kindern im Schulalter<br />

keine relevante Abweichung von dem idealer weise erwarteten Mittelwert<br />

von 100 und bei den Kindern im Vorschulalter eine leichte Abweichung nach<br />

unten. Die Standardwerte für die Skala intellektueller Fähigkeiten bewegten<br />

sich zwischen 96 bei den dreijährigen und 98 bei den fünfjährigen Kindern,<br />

bei den Schulkindern lagen alle Ergebnisse um 100. Insofern zeigen sich bei<br />

dieser Schweizer Studie insgesamt etwas geringere Abweichungen als in der<br />

Untersuchung von Oest, die vorgefundenen Abweichungen zeigen aber die<br />

gleiche Richtung.<br />

Zweitens zeigte sich vergleichbar mit den Ergebnissen von Oest die deutlichste<br />

Abweichung bei der Skala einzelheitlichen Denkens.<br />

Drittens zeigte sich im Gegensatz zu den Ergebnissen von Oest bei den Schweizer<br />

Kindern eine etwas stärkere Abweichung der mittleren Standardwertergebnisse<br />

für die Fertigkeitenskala. Diese lagen im Schulalter zwischen 93 und 96, was<br />

als vorsichtiger Hinweis auf den von Rodgers beschriebenen Effekt interpretiert<br />

werden könnte. Zusammenfassend ist aber auch für wesentlich größere<br />

Untersuchung in der Schweiz festzustellen, dass ein relevanter Flynn-Effekt für<br />

die K-<strong>ABC</strong> nicht feststellbar war, die normative Grundlage des Verfahrens somit<br />

als weiterhin aktuell und belastbar angesehen werden kann.<br />

5


Ein „Normbeweis“ im Sinne von Gruppenvergleichen zum Nachweis fehlender<br />

signifikanter Unterschiede wurde hinsichtlich beider Studien nicht angestrebt,<br />

dazu sind die herangezogenen Stichproben teils zu klein und fraglich zu wenig<br />

repräsentativ. Sie sind andererseits aber groß und gut genug, um das Fehlen<br />

eines relevanten Flynn-Effekts zu belegen, und das ist hier der entscheidende<br />

Aspekt.<br />

Der Untertest Gesichter und Orte<br />

Die Aktualität der Inhalte wie der Normen für den Untertest Gesichter und Orte<br />

wird gelegentlich diskutiert, jedoch leider nur selten auf dem Hintergrund einer<br />

adäquaten Erkenntnisgrundlage. Die Tatsache, dass mit Gesichter und Orte nicht<br />

Intelligenz, sondern erworbene Fertigkeiten unter besonderer Berücksichtigung<br />

sozial-adaptiver und kultureller Aspekte des Lernens gemessen werden, sollte<br />

auch bei der <strong>Interpr</strong>etation dieses Untertests Berücksichtigung finden. Das<br />

Abfragen von beispielsweise Märcheninhalten innerhalb eines Untertests, der<br />

gezielt auch kulturabhängiges Wissen und Können erfassen soll, mag schwer<br />

mit der Vorstellung übereinstimmen, dass sich Kinder heute nur noch für die<br />

aktuellen medialen Inhalte interessieren, oder dass Märchen von den Eltern<br />

nicht mehr vermittelt würden, da sie zu grausam seien. Empirisch zeigt sich ein<br />

deutlich anderes Bild.<br />

In einem erneuten Rückgriff auf die Arbeit Oest zeigt Tafel 4.7 Mittelwerte,<br />

Standardabweichungen sowie die Abweichung vom idealer weise erwarteten<br />

Mittelwert für alle Untertests der K-<strong>ABC</strong> bei der schon beschriebenen Stichprobe.<br />

In Ergänzung zu den oben bereits gemachten Äußerungen ist festzustellen,<br />

dass sich bei den Untertests durchgängig eine ähnlich geringe Abweichung<br />

vom erwarteten Mittelwert zeigt wie bei den Skalen. Hervorzuheben ist jedoch,<br />

Tafel 4.7: Mittlere K-<strong>ABC</strong> Untertest – Skalenwerte und ihre Abweichungen vom<br />

theoretischen Mittelwert; N = 68 (Nach Oest, 2002)<br />

K-<strong>ABC</strong> Standard-<br />

Untertest bzw. Skala Minimum Maximum Mittelwert abweichung Abweichung *<br />

U3 Handbewegungen 6 14 9,9 2,18 - 0,1<br />

U5 Zahlennachsprechen 4 15 8,9 2,49 - 1,1<br />

U7 Wortreihe 4 14 8,8 2,41 - 1,2<br />

U4 Gestaltschließen 5 16 10,8 2,24 + 0,8<br />

U6 Dreiecke 3 13 10,4 1,95 + 0,4<br />

U8 Bildhaftes Ergänzen 3 13 8,8 2,70 - 1,2<br />

U9 Räumliches Gedächtnis 5 15 9,8 2,71 - 0,2<br />

U10 Fotoserie 4 13 8,9 2,60 - 1,1<br />

U12 Gesichter und Orte 77 120 98,3 10,70 - 1,7<br />

U13 Rechnen 74 117 97,8 10,02 - 2,2<br />

U14 Rätsel 68 122 95,7 14,75 - 4,3<br />

U16 Lesen/Verstehen 67 115 96,2 11,58 - 3,8<br />

* In dieser Spalte sind die Differenzen zwischen den Ergebnissen der untersuchten Stichprobe und den theoretisch<br />

erwarteten Mittelwerten von 10 (Skalenwerte) bzw. 100 (Standardwerte) dargestellt.<br />

6


dass bei den Untertests der Fertigkeitenskala Gesichter und Orte die absolut<br />

geringste Abweichung von dem idealer weise zu erwartenden Mittelwert zeigt.<br />

Allein dieses Ergebnis zeigt, dass die normative Grundlage von Gesichter und<br />

Orte genauso aktuell ist wie die des gesamten Verfahrens, was unabhängig<br />

von der Frage gilt, wie man zu dem Messkonzept dieses Untertests inhaltlich<br />

stehen mag.<br />

Gegenüber diesen Ausführungen könnte eingewendet werden, dass sich die<br />

psychometrischen bzw. normativen Probleme bei Gesichter und Orte nur in<br />

der unteren Hälfte des Altersbereichs zeigen, den die K-<strong>ABC</strong> abdeckt. Diese<br />

Frage ergibt sich aus dem Aspekt, dass vor allem Märchen in der inhaltlichen<br />

Konzeption von Gesichter und Orte für Kinder im Alter von fünf, sechs oder<br />

sieben Jahren eine größere Rolle spielen als für die hier herangezogenen<br />

Kinder im Alter von 11;0 bis 12;5 Jahren. Um dieser Frage weiter nachzugehen,<br />

wurde eine Stichprobe von 120 Kindern im Alter von drei bis neun Jahren<br />

untersucht, die als Inanspruchnahmestichprobe zu etwa gleichen Teilen aus<br />

dem Patientengut eines großen sozialpädiatrischen Zentrums und einer<br />

kleinen kinder- und jugendpsychiatrischen Ambulanz stammen. Alle in diese<br />

Stichprobe aufgenommenen Kinder waren im Vorfeld und unabhängig von<br />

der hier durchgeführten Auswertung wegen klinischer Fragestellungen mit<br />

der K-<strong>ABC</strong> untersucht worden. Systematisch ausgeschlossen wurden Kinder,<br />

die wegen einer Intelligenzminderung im Sinne einer manifesten geistigen<br />

Behinderung, wegen einer autistischen Störung oder wegen Verhaltensauffälligkeiten<br />

bei Hochbegabung vorgestellt worden waren, darüber hinaus gab es<br />

keine Ausschlusskriterien.<br />

Die in Tafel 4.8 dargestellten mittleren Untertestergebnisse, die als Skalenwerte<br />

für die Untertests der Skala intellektueller Fähigkeiten und als Standardwerte<br />

für die Untertests der Fertigkeitenskala ausgedrückt sind, zeigen bei dieser<br />

Inanspruchnahmestichprobe naturgemäß nicht die gleiche Annäherung an<br />

den idealer weise zu erwartenden Mittelwert wie die weiter oben besprochenen<br />

Ergebnisse der Feldstichprobe. Die mittleren Standardwerte für die Gesamt-<br />

skalen wurden mit aufgelistet, um dem Leser den interessanten Vergleich<br />

zwischen Feld- und Inanspruchnahmestichprobe zu ermöglichen. So zeigt sich<br />

unter anderem, dass das Vorliegen psychischer Auffälligkeiten den Erwerb von<br />

Fertigkeiten offensichtlich stärker beeinträchtigt als die Entwicklung intellektueller<br />

Fähigkeiten.<br />

Im Hinblick auf die vorliegende Fragestellung ist der entscheidende Aspekt<br />

bei diesen mittleren Untertestergebnissen der Inanspruchnahmestichprobe<br />

jedoch, dass sich auch bei den wesentlich jüngeren Kindern keine relevante<br />

Abweichung des mittleren Untertestergebnisses für Gesichter und Orte zeigt,<br />

die über die Abweichungen der anderen Untertests der Fertigkeitenskala<br />

hinausgehen oder dem allgemeinen Trend, auch bei den Untertests des<br />

Intelligenzbereichs, widersprechen würde. Im Gegenteil, mit Ausnahme des<br />

Untertests Rätsel (Abweichung –9,9 Standardwertpunkte) zeigt Gesichter und<br />

Orte auch in der Inanspruchnahmestichprobe die niedrigste Abweichung aller<br />

Untertests der Fertigkeitenskala. Somit ist festzustellen, dass Gesichter und<br />

Orte nicht der „Ausnahmeuntertest“ in der Fertigkeitenskala ist, sondern ebenso<br />

wie die anderen Untertests weiterhin über die erforderliche normative Gültigkeit<br />

verfügt.<br />

7


Tafel 4.8: Mittlere K-<strong>ABC</strong> Testleistungen (Skalen und Standardwerte) und deren<br />

Abweichungen vom theoretischen Mittelwert bei einer kombinierten<br />

sozialpädiatrischen sowie kinder- und jugendpsychiatrischen Inanspruchnahmestichprobe;<br />

N = 120.<br />

K-<strong>ABC</strong> Standard-<br />

Untertest bzw. Skala Minimum Maximum Mittelwert abweichung Abweichung *<br />

U3 Handbewegungen 3 17 8,4 2,56 - 1,6<br />

U5 Zahlennachsprechen 3 15 8,1 2,52 - 1,9<br />

U7 Wortreihe 3 14 8,4 2,63 - 1,6<br />

U1 Zauberfenster 3 16 8,8 4,22 - 1,2<br />

U2 Wiedererkennen v.Gesichtern 5 16 10,9 2,18 + 0,9<br />

U4 Gestaltschließen 2 14 9,3 2,61 - 0,7<br />

U6 Dreiecke 2 17 8,5 3,17 - 1,5<br />

U8 Bildhaftes Ergänzen 4 14 8,7 2,56 - 1,3<br />

U9 Räumliches Gedächtnis 2 15 8,6 3,10 - 1,4<br />

U10 Fotoserie 5 15 8,3 2,18 - 1,7<br />

U11 Wortschatz 62 107 87,2 12,56 - 12,8<br />

U12 Gesichter und Orte 52 144 89,4 17,51 - 10,6<br />

U13 Rechnen 53 121 88,1 13,69 - 11,9<br />

U14 Rätsel 50 130 90,1 16,03 - 9,9<br />

U16 Lesen/Verstehen 64 128 89,0 16,20 - 11,0<br />

Skala einzelheitlichen Denkens 62 128 89,7 12,96 - 10,3<br />

Skala ganzheitlichen Denkens 55 124 91,8 13,46 - 8,2<br />

Skala intellektueller Fähigkeiten 61 114 90,7 10,73 - 9,3<br />

Fertigkeitenskala 47 130 86,5 16,66 - 13,5<br />

Sprachfreie Skala 57 119 90,5 13,36 - 9,5<br />

* In dieser Spalte sind die Differenzen zwischen den Ergebnissen der untersuchten Stichprobe und den theoretisch<br />

erwarteten Mittelwerten von 10 (Skalenwerte) bzw. 100 (Standardwerte) dargestellt.<br />

In einer Untersuchung an einer Stichprobe Schweizer Kinder (Preuß, 2006)<br />

zeigte sich jedoch, dass Gesichter und Orte einige problematische Items enthält,<br />

was zum Normierungszeitpunkt nicht festzustellen war. Um diesen Aspekten<br />

Rechnung zu tragen, wurde für Kinder, die keinen deutschen Akkulturations-<br />

hintergrund haben, ein teilweise geändertes <strong>Interpr</strong>etationsvorgehen<br />

vorgeschlagen (siehe Seite 43 des K-<strong>ABC</strong> Durchführungs- und Auswertungshandbuchs).<br />

Auch und gerade unter dem Aspekt dieser Modifikation<br />

sollte jedoch nicht übersehen werden, dass Gesichter und Orte bei Kindern<br />

mit deutschem Akkulturationshintergrund in aller Regel das beste Maß für<br />

häuslichen Fertigkeitenerwerb und Förderung darstellt, und somit häufig<br />

unverzichtbare <strong>Interpr</strong>etationsaspekte bietet.<br />

8

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