Neue Ausstellung im Museum Moderner Kunst - UP-Campus Magazin
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14 | Sport<br />
Phänomen He<strong>im</strong>vorteil<br />
Mythos oder Wirklichkeit?<br />
„Für ein Auswärtsspiel ist dieses Unentschieden ein gutes Resultat“ oder „Mit unserem Spiel können<br />
wir heute nicht zufrieden sein. Bei einem He<strong>im</strong>spiel muss man einfach mehr von uns erwarten“. Jeder<br />
Sportfan, sei es Fußball, Eishockey oder Handball kennt diese Sätze auswendig, die man in den Interviews<br />
nach den Spielen hört. Und sie zeigen, dass zumindest für die Spieler/Trainer der He<strong>im</strong>vorteil<br />
eine Tatsache ist. Denn sonst wäre es für das Spiel bzw. das Resultat ja unerheblich, ob es sich um ein<br />
He<strong>im</strong>- oder Auswärtsspiel handelt. Aber was ist wirklich dran am Mythos He<strong>im</strong>vorteil? Und falls es so<br />
etwas wie einen He<strong>im</strong>vorteil gibt, woraus resultiert er dann?<br />
Wenn man sich zur ersten Frage exemplarisch<br />
die 1. Fußballbundesliga (Profisportler,<br />
meist über 40.000 Zuschauer) und die<br />
Eishockey Oberliga Süd (Amateure bzw.<br />
Halbprofis, meist unter 1.000 Zuschauer)<br />
anschaut, erkennt man relativ schnell, dass<br />
es so etwas wie einen He<strong>im</strong>vorteil geben<br />
muss. Während in der laufenden Spielzeit<br />
(Stand 26. Spieltag) der 1. Fußballbundesliga<br />
die He<strong>im</strong>mannschaften <strong>im</strong> Schnitt<br />
bisher 21,61 Punkte holten, errangen die<br />
Auswärtsmannschaften <strong>im</strong> Schnitt lediglich<br />
14.06 Punkte. Gleiches lässt sich auch<br />
in der Eishockey Oberliga Süd erkennen.<br />
Dort holten in der abgelaufenen Saison die<br />
He<strong>im</strong>mannschaften 34,89 Punkte und die<br />
Auswärtsmannschaften 25,11 Punkte. Darüber<br />
hinaus gibt es noch einige empirische<br />
Untersuchungen, die ähnliche Zahlen für so<br />
gut wie alle Mannschaftssportarten aufzeigen.<br />
In allen Statistiken fällt auf, dass der He<strong>im</strong>vorteil<br />
kleiner wird.<br />
Was dabei allerdings in allen Statistiken auffällt<br />
ist, dass der He<strong>im</strong>vorteil kleiner wird. So<br />
hat etwa die Diplom-Statistikerin Eva Heinrichs<br />
errechnet, dass in der Saison 1987/88<br />
der 1. Fußballbundesliga noch 55,8 % aller<br />
He<strong>im</strong>spiele gewonnen wurden, während<br />
dieser Wert nach einem kontinuierlichen<br />
Rückgang in der Saison 2006/07 nur noch<br />
bei 43,8 % lag. Unter Einbeziehung der Unentschieden<br />
ist damit aber noch <strong>im</strong>mer zumindest<br />
ein relativer He<strong>im</strong>vorteil empirisch<br />
nachweisbar.<br />
Fraglich ist allerdings noch, wodurch dieser<br />
He<strong>im</strong>vorteil hervorgerufen wird. In fast allen<br />
wissenschaftlichen Beiträgen zu diesem<br />
Thema werden drei vermutete Hauptfaktoren<br />
genannt: Der Reisefaktor, die Vertrautheit<br />
mit der he<strong>im</strong>ischen Sportstätte sowie<br />
der Einfluss der Zuschauer. Aber sowohl<br />
Alan Nevill, der 1999 eine Studie zu diesem<br />
Thema verfasste, als auch Bernd Strauß, der<br />
2002 einen Beitrag zu diesem Thema veröffentlichte<br />
(Spectrum 14, Heft 2), glauben<br />
nicht, dass die Anreise einen besonderen<br />
Faktor darstellt. Beide konnten keine Korrelation<br />
mit der Stärke des He<strong>im</strong>vorteiles und<br />
der Anreisestrecke erkennen. Auch die Vertrautheit<br />
mit dem he<strong>im</strong>ischen Stadion stellt<br />
für beide keinen bedeutenden Faktor dar.<br />
Bleibt noch der dritte Faktor: Die Zuschauer.<br />
So hat etwa Nevill herausgefunden, dass<br />
der He<strong>im</strong>vorteil steigt, je mehr Zuschauer<br />
<strong>im</strong> Stadion sind. Auch gibt es laut ihm einen<br />
messbaren Vorteil zu Gunsten des He<strong>im</strong>teams,<br />
da der Schiedsrichter lediglich 30<br />
% der Regelverstöße des He<strong>im</strong>teams pfeift.<br />
Bezüglich der Schiedsrichter gesteht zwar<br />
auch Strauß einen Einfluss der Zuschauer<br />
auf den Schiedsrichter zu, allerdings konnte<br />
laut ihm bisher keine Studie einen Zusammenhang<br />
zwischen dem Schiedsrichtereinfluss<br />
und dem<br />
He<strong>im</strong>vorteil aufzeigen.<br />
Strauß gibt<br />
darüber hinaus zu<br />
bedenken, dass die<br />
Studie von Neill die einzige ist, die einen<br />
Zusammenhang zwischen Zuschauerzahl<br />
und He<strong>im</strong>vorteil gefunden haben will. Alle<br />
anderen Studien zu diesem Thema würden<br />
einen solchen Zusammenhang verneinen<br />
(z.B. Moore und Brylinsky,<br />
1993). Ebenso wenig<br />
lässt sich ein signifikanter<br />
Zusammenhang zwischen<br />
der Zuschauerdichte und<br />
dem He<strong>im</strong>vorteil erkennen<br />
(Agnew und Carron,<br />
1994). Strauß erkennt sogar<br />
einen He<strong>im</strong>nachteil,<br />
wenn die He<strong>im</strong>mannschaft<br />
durch die hohe<br />
Wichtigkeit eines Spiels<br />
angespannt ist. Dann<br />
führt eine hohe Anzahl an<br />
Zuschauern eher noch zu<br />
einem Leistungshemmnis,<br />
da sie durch ihre<br />
Anzahl die Wichtigkeit des Spiels nochmal<br />
unterstreichen.<br />
Zusammengefasst kann man sagen, dass es<br />
den He<strong>im</strong>vorteil <strong>im</strong> Mannschaftssport zwar<br />
gibt, man aber nicht feststellen kann, weswegen.<br />
Vielleicht ist es das Zusammenspiel<br />
aus Anreise, Zuschauer, He<strong>im</strong>stadion und<br />
Schiedsrichterleistung, die für sich alleine<br />
nicht messbar sind, aber zusammen gesehen<br />
<strong>im</strong> He<strong>im</strong>vorteil resultieren. Vermutlich hat<br />
aber Strauß recht, wenn er meint, dass es<br />
den He<strong>im</strong>vorteil gibt, weil die Sportler daran<br />
glauben, dass er existiert.<br />
von Patrick Müller (pm)