lesen Sie das Interview - Dost Design
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PLANUNG UND REALISIERUNG ARCHITEKTEN II<br />
«Smarthomes sind<br />
aufwändig – vorerst für<br />
den Architekten»<br />
Ein Architekt ist zumeist der erste Ansprechpartner, wenn es um den Bau eines<br />
Hauses geht. Und da wird beklagt, <strong>das</strong>s sich immer noch viele Architekten wenig<br />
für intelligentes Wohnen interessieren. Wir haben mit einem Architekten darüber<br />
gesprochen, warum <strong>das</strong> so ist – und warum in seinem Fall nicht. MARTIN HUG<br />
Dominic Meister (Bild) gründete zusammen<br />
mit Stefano Tissi 1997 <strong>das</strong> Architekturbüro<br />
<strong>Dost</strong> <strong>Design</strong> in Schaffhausen. Zusammen<br />
mit einem weiteren Partner, Andreas<br />
Löw, und den Angestellten beschäftigt<br />
die kreative Firma ein Dutzend Leute.<br />
Mit Elektronik im häuslichen<br />
Umfeld in nähere Berührung<br />
kam Dominic Meister von <strong>Dost</strong><br />
<strong>Design</strong> erstmals wegen eines Heimkinos,<br />
<strong>das</strong> sich ein Bauherr wünschte und<br />
<strong>das</strong> er ihm zusammen mit Spezialisten<br />
von <strong>Design</strong> & Ton aus Dietikon einrichtete.Von<br />
da an wuchs sein Interesse an<br />
vernetzten Lösungen – weit über<br />
Heimkinos hinaus – und die Einsicht,<br />
<strong>das</strong>s der Anstoss dazu vom Architekten<br />
kommen muss.<br />
Warum ist <strong>das</strong> so?<br />
Dominic Meister: Architekten sind Gestalter,<br />
die sich mit Räumen, Formen<br />
und Farben befassen. Die damit verbundene<br />
Technik interessiert sie häufig<br />
wenig, und sie überlassen dies gerne<br />
den Spezialisten – dem Heizungs- und<br />
Lüftungsfachmann, dem Elektriker, Sanitärinstallateur<br />
usw. Um ehrlich zu<br />
sein, mir wäre <strong>das</strong> auch lieber. Ich verstehe<br />
mich auch in erster Linie als kreatives<br />
Instrument, bin es aber dem Bauherrn<br />
schuldig, ein Projekt anzubieten,<br />
<strong>das</strong> alle Aspekte des Wohlbefindens im<br />
Wohnhaus mit einschliesst. Und dazu<br />
gehört – zumindest im gehobenen<br />
Wohnbau – auch die Integration von<br />
zahlreichen Funktionen mit vernetzten<br />
Lösungen.<br />
Diese Einstellung scheint noch bei den<br />
wenigsten Architekten vorhanden zu<br />
sein.<br />
Meister: Das hängt vorerst mit dem<br />
herkömmlichen Rollenverständnis zusammen,<br />
mit der Arbeitsteilung, die<br />
schon in der Ausbildung zementiert<br />
wird. Der Bauherr erwartet also vom<br />
Architekten oft gar nicht mehr, als <strong>das</strong>s<br />
er seiner Aufgabe als Raumgestalter<br />
gerecht wird. Tut er mehr, leistet er gesamtheitliche<br />
Beratung von Anfang an,<br />
ist <strong>das</strong> für ihn ein grosser Aufwand, für<br />
den er noch kaum bezahlt wird. Ich<br />
sage deshalb immer, «Intelligentes<br />
Wohnen» ist aufwändig, aber zuerst<br />
einmal für mich, um den Kunden die<br />
Möglichkeiten näher zu bringen, die<br />
sich damit eröffnen.<br />
A propos Kosten: Viele Architekten sagen,<br />
die Bauherren wollen gar kein<br />
«Smarthome»,weil es ihnen zu teuer ist.<br />
Meister: Das ist natürlich so, sowohl<br />
bei Bauherren, die bei der Realisierung<br />
ihres Traums vom eigenen Haus auf jeden<br />
Rappen achten müssen, als auch<br />
bei Investoren, bei denen zählt, wie<br />
hoch die Rendite am Ende ausfällt. Und<br />
solange ihre Häuser und Wohnungen<br />
auch «unintelligent» am Markt Abnehmer<br />
finden, sehen sie keinen Grund für<br />
Mehrinvestitionen. Es ist schon so, <strong>das</strong>s<br />
unser Markt für intelligentes Wohnen<br />
im gehobenen Hausbau und Innenausbau<br />
liegt – dort, wo die Bedienungsqualität<br />
und deren Möglichkeiten über<br />
dem Beigeschmack der Mehrkosten<br />
stehen.<br />
Aber auch in diesem gehobenen Segment<br />
scheinen vernetzte Lösungen<br />
nicht an der Tagesordnung zu sein.<br />
Meister: Da gibt es in der Tat noch vielfach<br />
Skepsis, und immer wieder hören<br />
wir die Frage, «brauche ich so etwas<br />
überhaupt?» Oder Bauherren haben<br />
noch gar nie von den Möglichkeiten<br />
vernetzter Lösungen gehört. Hier setzt<br />
die angesprochene Beratung ein, mit<br />
der wir buchstäblich Augen und Ohren<br />
öffnen. Diese Beratung setzt allerdings<br />
voraus, <strong>das</strong>s wir Fachleute von der<br />
152 electronicHOME<br />
Jahrbuch 2008
technischen Seite – <strong>das</strong> können Systemintegratoren<br />
oder Elektroplaner<br />
sein – von Anfang an in die Beratung<br />
mit einbeziehen. Das macht <strong>das</strong> Ganze<br />
so aufwändig. Die Präsenz von Fachwissen<br />
allein aber genügt nicht. Emotionen<br />
zum ganzheitlichen Wohlbefinden<br />
zu Hause spielen eine ebenso grosse<br />
Rolle. Das ist hauptsächlich unser<br />
Part, der Teil des Architekten, in diesen<br />
Diskussionen.<br />
Finden <strong>Sie</strong> die nötigen Partner auf der<br />
fachtechnischen Seite so ohne Weiteres?<br />
Meister: Es gibt sie, aber sie sind noch<br />
dünn gesät, und es hat uns einige<br />
Mühe gekostet, die geeigneten Partner<br />
zu identifizieren. Bei den Elektroinstallateuren,<br />
die wir mit im Boot haben<br />
sollten, ist noch ein grosser Motivations-<br />
und Ausbildungsbedarf vorhanden.<br />
Gibt es auch «architektonische» Probleme<br />
beim Smarthome?<br />
Meister: Die Architektur muss sich<br />
zwar nicht grundsätzlich an <strong>das</strong> Konzept<br />
eines Smarthomes anpassen.<br />
Platz für eine zentrale Steigleitung für<br />
die vertikale Verrohrung zum Beispiel<br />
findet man immer. Eine grosse Zahl<br />
von Rohren in Wänden dagegen kann<br />
zu einem Problem werden. Wenn vor<br />
lauter Leitungen kaum mehr tragfähiges<br />
Material Platz hat, bekommen wir<br />
statische Probleme. Ich bevorzuge deshalb<br />
Hohlböden, die nur wenig von der<br />
Raumhöhe nehmen und auch nachträglich<br />
für weitere Leitungen benutzt<br />
werden können. Zwei weitere Probleme<br />
haben zwar nicht direkt mit der Architektur<br />
zu tun, tauchen aber immer<br />
wieder auf. Da ist zum einen die Angst<br />
vor Elektrosmog; Stromfreischaltung<br />
ist daher ein besonders gefragter Artikel.<br />
Zum andern gibt es immer wieder<br />
mal Störungen in Datenkanälen durch<br />
Interferenzen. Man glaubt es kaum,<br />
aber plötzlich mischt sich ein Rauschen<br />
in die Musik aus einem x-fach geteste-<br />
ten Wandlautsprecher. Die Suche und<br />
Eliminierung von Störquellen kann<br />
sehr mühsam sein.<br />
Wie kommen die Hausbewohner mit<br />
vernetzten Lösungen zurecht?<br />
Meister: Natürlich freuen sie sich über<br />
die vielen Möglichkeiten, die vernetzte<br />
Lösungen bieten, aber sorgfältige Anleitung<br />
zur Bedienung ist sehr wichtig<br />
und oft sehr nötig. Ich wundere mich<br />
immer wieder, wie durchaus gebildete<br />
Menschen Mühe bekunden, gewisse<br />
Befehlsabfolgen auszuführen, die eigentlich<br />
nicht über die Bedienung eines<br />
Handys hinausgehen. Erstaunlich<br />
ist für mich auch die oft festgestellte<br />
Ablehnung von Bildschirmen. Knöpfe<br />
und Taster werden immer noch bevorzugt.<br />
Dabei wären doch gerade Bildschirme<br />
<strong>das</strong> geeignete Mittel, um Zustände<br />
oder längerfristig notwendige<br />
Massnahmen wie <strong>das</strong> Auswechseln<br />
von Filtern in einer Lüftungsanlage anzuzeigen.<br />
An die Hersteller ergeht die<br />
Aufforderung, die Bedienung weiter zu<br />
vereinfachen beziehungsweise die Benutzerführung<br />
weiter zu verbessern<br />
und optisch ansprechender zu gestalten.<br />
Wo sehen <strong>Sie</strong> weiteres Verbesserungspotential?<br />
Meister: Grundsätzlich bin ich der Meinung,<br />
<strong>das</strong>s man nicht alles automatisieren<br />
muss, weil es sich automatisieren<br />
lässt. Wir wollen ja leben in einem<br />
Haus und gewisse Arbeiten bewusst<br />
«von Hand» selber ausführen. Ich denke<br />
da zum Beispiel an die Arbeit in der<br />
Küche. Andrerseits sind viele Produkte<br />
noch nicht so weit, <strong>das</strong>s es sich lohnt,<br />
sie in eine vernetzte Lösung einzubinden.<br />
Produkte müssen dafür erst «klüger»<br />
werden. Ein positives Beispiel sind<br />
Bewegungsmelder, die zwischen Menschen<br />
und Tieren unterscheiden können,<br />
damit die Haustürlampe nicht<br />
wegen jeder herumstreunenden Katze<br />
aufleuchtet. Aber sonst sind Beleuch-<br />
tungen im Allgemeinen noch ziemlich<br />
«dumm». Da liegt noch sehr viel Potenzial<br />
seitens der Produkthersteller drin.<br />
<strong>Sie</strong> haben einleitend gesagt, <strong>das</strong>s <strong>Sie</strong> im<br />
Wohnbau alle Aspekte des Wohlbefindens<br />
berücksichtigen wollen. Was gehört<br />
über die übliche Arbeit des Architekten<br />
hinaus für <strong>Sie</strong> auch noch dazu?<br />
Meister: Neben dem generellen Komfort<br />
wie Raumgestaltung und -aufteilung,<br />
Licht, Luft, Temperatur etc. ist<br />
auch die Akustik ein wichtiger, aber oft<br />
zu wenig beachteter Aspekt. Grundsätzlich<br />
betrachte ich <strong>das</strong> Wohnhaus<br />
als <strong>das</strong> grösste Kleid des Menschen,<strong>das</strong><br />
ihm gefallen und in dem es ihm wohl<br />
sein soll. Wir sind eben am Aufbau eines<br />
Instituts für psychologische Architektur,<br />
in die Erkenntnisse der Humanund<br />
Sozialwissenschaften einfliessen<br />
sollen, um bei der Raumgestaltung die<br />
Bedürfnisse des Menschen besser zu<br />
verstehen. Im Bewusstsein, <strong>das</strong>s der<br />
Mensch von seiner Umwelt beeinflusst<br />
wird, ist es unsere Aufgabe, diese Umwelt<br />
so zu formen, <strong>das</strong>s man sich wohl<br />
fühlt darin. ■<br />
KEIN THEMA FÜR ETH-WOHNFORUM<br />
«Im Weissthurngut»<br />
ist ein aktuelles<br />
Bauprojekt von<br />
<strong>Dost</strong> <strong>Design</strong> am<br />
Stadtrand von<br />
Schaffhausen. Die<br />
13 Wohnungen bieten<br />
neben ihrer<br />
modernen Architektur<br />
eine optionaleInnenarchitektur.<br />
Diese reicht<br />
von speziellen Einrichtungs-<br />
und Beleuchtungskonzepten<br />
über optimierte<br />
Raumakustik und<br />
Multiroom-Soundsysteme<br />
von Revox<br />
bis zu vernetzter<br />
Haustechnik.<br />
Projekt: www.<br />
weissthurngut.ch<br />
Weitere Information:<br />
www.dost-design.ch<br />
Psychologische Architektur:<br />
www.ipsa.eu.com<br />
«Leider hat <strong>das</strong> ETH Wohnforum bislang keine Arbeiten<br />
und daher auch keine Expertise auf dem Gebiet von<br />
IT/Housing oder Intelligent Homes vorzuweisen», so die<br />
lapidare Antwort aus der akademischen Werkstätte für die<br />
Zukunft des Wohnens auf unsere Frage nach dem Stellenwert<br />
des intelligenten Wohnens. Das Thema scheint nicht<br />
sonderlich zu interessieren, was nur <strong>das</strong> Rollenverständnis<br />
der meisten Architekten als reine Raumgestalter bestätigt<br />
(siehe <strong>Interview</strong>). Zwar gibt es im Institut für Hochbautechnik<br />
des ETH-Departementes Architektur eine Professur<br />
für Gebäudetechnik, die sich mit vernetzten Lösungen<br />
auch im Wohnbau befasst, für <strong>das</strong> Wohnforum des Departementes<br />
aber offenbar kaum Bedeutung hat. Letzteres<br />
befasst sich in einer neueren Studie über Wohnen im<br />
Alter auch mit soziologischen Aspekten, von möglicher<br />
technischer Unterstützung mit Elementen des intelligenten<br />
Wohnens ist dagegen auch in diesem Bereich (noch)<br />
keine Rede. (mh)<br />
Jahrbuch 2008 electronicHOME 153