KLASSE! - STREICHER?KLASSE!: Prof. Dr. Ludwig Striegel
KLASSE! - STREICHER?KLASSE!: Prof. Dr. Ludwig Striegel
KLASSE! - STREICHER?KLASSE!: Prof. Dr. Ludwig Striegel
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Dass ein Instrument als Gegenstand der Identifikation dienen kann, lässt sich am<br />
eindrücklichsten beobachten, wenn man die Kinder in einer Bläserklasse beim Umgang mit<br />
ihren Instrumenten beobachtet: Mit einer sonst eher untypischen Sorgfalt und Vorsicht<br />
werden die Instrumente aus- und eingepackt, mit einer von <strong>Prof</strong>is abgeschauten<br />
Selbstverständlichkeit und Lässigkeit werden sie getragen und präsentiert, die einen<br />
unmittelbaren Bezug zur eigenen Identität vermuten lässt. Schon in den nur scheinbar<br />
unbedeutenden Äußerlichkeiten des Umgangs kommt diese Identität zum Tragen, umso mehr<br />
noch, wenn im gemeinsamen Spiel die individuelle Tongebung mit dem Gesamtklang<br />
verschmilzt: individuelle wird zu einer kollektiven Identität.<br />
Dass jedes Erlernen eines Instruments einen ganz banal handwerklichen Aspekt hat, bekommt<br />
jeder Instrumentalschüler rasch zu spüren, und oft ist die handwerkliche Mühe, die anfangs<br />
nur selten durch Erfolgserlebnisse belohnt wird, auch der Grund, eine Instrumentalausbildung<br />
abzubrechen. Das Werkzeug ermöglicht dem Menschen, Dinge hervorzubringen, die er mit<br />
seinen körpereigenen „Instrumenten“ wie seinen Händen oder seiner Stimme nicht<br />
hervorbringen kann. Das wird unmittelbar deutlich, wenn man etwa einen kräftigen<br />
Trompetenton oder einen tiefen Ton der Tuba mit den Möglichkeiten der menschlichen<br />
Stimme vergleicht. In diesem Sinne aber wird das Werkzeug zum Mittel der<br />
Selbstüberhebung: Klänge hervorzubringen, die sich vom Ursprung des menschlichen Atems<br />
zum klanglichen und ästhetischen Ereignis wandeln. Dass diese Erfahrung im gemeinsamen<br />
Musizieren noch eine Steigerung erhalten kann, soll später noch ausgeführt werden.<br />
Jedes Instrument besitzt Symbolcharakter und steht damit für mehr als nur seinen spezifischen<br />
Klangcharakter. Das mag über traditionsvermittelte Klischees und Rollenverteilungen<br />
(Trompete als typisch „männliches“ Instrument des Signal blasenden Herolds oder<br />
Militärmusikers, Flöte als eher zartes „weibliches“ Instrument häuslich-intimen Musizierens)<br />
auch heute noch gelegentlich für Staunen sorgen, wenn sich die Instrumentenverteilung in<br />
einer Bläserklasse gerade anders präsentiert und die Gleichberechtigung zu einer wirklich<br />
egalitären Instrumentenzuweisung führt. Wesentlicher aber erscheint mir ein anderer Aspekt:<br />
Dass nämlich die intensive Verbindung von Schülern und ihren Instrumenten, wie sie im<br />
musikalischen Alltag immer zu beobachten ist, den Träger und Spieler des Instruments als<br />
echten Musiker, als Fachmann bzw. Fachfrau auf dem Instrument erweist – man möge diese<br />
banale Beobachtung nicht gering schätzen, weil das sich in der Bläserklasse entwickelnde<br />
Selbstwertgefühl und die individuelle wie kollektive Identität an dieser Symbolwirkung<br />
4