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FINANZIEREN & STRUKTURIEREN<br />
INTERVIEW<br />
„Das dicke Ende kommt noch“<br />
Interview mit Kai Gerdes,<br />
Direktor der Hamburger <strong>Rating</strong>agentur <strong>Euler</strong> <strong>Hermes</strong> <strong>Rating</strong><br />
Verbrieftes Mezzanine-Kapital war die Finanzinnovation<br />
der letzten Jahre. Nach dem Startschuss<br />
im Jahr 2004 wurden über Kapitalmarktvehikel,<br />
sogenannte CDOs, rund 4 Milliarden<br />
Euro an über 450 Mittelständler ausgegeben.<br />
Schon bei den ersten Transaktionen gab es<br />
kritische Stimmen. Tenor: Viele Unternehmen<br />
erfüllten nicht das vorgeschriebene „Investmentgrade-<strong>Rating</strong>“.<br />
Die zunehmende Zahl<br />
der Insolvenzen – es sind mit dem letzten Fall<br />
Freshtex bereits zwölf – schien den Kritikern<br />
recht zu geben. Nun hat <strong>Euler</strong> <strong>Hermes</strong> <strong>Rating</strong><br />
eine Studie vorgelegt, die bestätigt, dass sich<br />
viele <strong>Rating</strong>s bereits im spekulativen Bereich<br />
befinden. Zu viele, wie Studienautor Kai Gerdes<br />
im FINANCE-Interview bestätigt.<br />
<strong>GmbH</strong><br />
<strong>Rating</strong> <strong>Hermes</strong><br />
Studienautor Kai Gerdes<br />
<strong>Euler</strong><br />
Die Fragen stellte Markus Dentz Foto:<br />
� Herr Gerdes, in ihrer Studie weisen<br />
<strong>Sie</strong> nach, dass Unternehmen, die sich<br />
in den letzten Jahren mit Mezzanine finanziert<br />
haben, heute schlechter dastehen,<br />
als sie es eigentlich dürften. Wie<br />
kommen <strong>Sie</strong> darauf?<br />
� Wir haben Unternehmen aus den<br />
Programmen anhand aktueller Finanzkennzahlen<br />
analysiert, die in <strong>Euler</strong>-<strong>Hermes</strong>-Datenbanken<br />
vorliegen. Nach unserer<br />
Untersuchung befinden sich<br />
<strong>mehr</strong> als 40 Prozent der Unternehmen<br />
derzeit nicht <strong>mehr</strong> im Investmentgrade,<br />
über 3 Prozent sind bereits insolvent.<br />
Das ist bemerkenswert, denn so<br />
schlecht dürfte ein Portfolio, das aus Investmentgrade-Unternehmen<br />
besteht,<br />
36<br />
nach der kurzen Laufzeit der Programme<br />
nicht dastehen.<br />
� Das müssen <strong>Sie</strong> erklären!<br />
� Wenn man sich historische Ausfallquoten<br />
von BBB-Unternehmen betrachtet,<br />
dürfte die Quote der Gesellschaften<br />
mit Zahlungsstörungen erst nach sechs<br />
bis sieben Jahren eintreten. Bei den Programm-Mezzanine-Unternehmenhaben<br />
wir bereits nach drei Jahren über 3<br />
Prozent Insolvenzen – die Quote der<br />
Zahlungsstörungen dürfte noch darüber<br />
liegen. Unternehmen bekamen nur<br />
Kapital, wenn sie sich nach einem <strong>Rating</strong>tool<br />
im Investmentgrade bewegten.<br />
Es kamen zwar noch andere Entschei-<br />
dungsfaktoren hinzu, das Bilanzrating<br />
war aber die wesentliche Basis.<br />
� Wie kam es zu der Fehlannahme?<br />
� Risiken wurden falsch eingeschätzt,<br />
so viel steht fest. Der Hauptfehler lag<br />
aus unserer Sicht in einem falschen Anreizsystem.<br />
Die Arrangeure der Transaktionen<br />
konnten über Provisionen in<br />
kurzer Zeit sehr viel Geld verdienen –<br />
das Disagio bewegte sich zwischen 4<br />
und 5 Prozent.<br />
Jedoch wurde das Risiko weitgehend<br />
an den Kapitalmarkt weitergegeben.<br />
Wenn nun die Rendite der Investoren<br />
darunter leidet, haben die Arrangeure<br />
keinen Schaden …<br />
November | 2008 FINANCE
� Solche Mechanismen erinnern verdächtig<br />
an den Auslöser der US-Finanzkrise,<br />
in der Immobilienkredite neu<br />
verpackt an den Kapitalmarkt weitergereicht<br />
wurden. Heute weiß man, dass<br />
die zugrunde liegenden Darlehen falsch<br />
eingeschätzt wurden. Sehen <strong>Sie</strong> Parallelen?<br />
� Der Vergleich mit Subprime ist nicht<br />
zu weit hergeholt. Auch im Bereich<br />
Mezzanine gab es das Problem des<br />
„Moral Hazard“. Die kapitalsuchenden<br />
Unternehmen waren froh, wenn sie das<br />
Kapital bekamen. Die Banken verdienten<br />
schnelles Geld, die Investoren griffen<br />
gutgläubig zu.<br />
� Warum hatten Anleger offensichtlich<br />
so wenige Bedenken?<br />
� <strong>Sie</strong> haben sich auf die zugrunde liegende<br />
<strong>Rating</strong>methodik verlassen. Diese<br />
birgt nach heutigem Wissen aber große<br />
Probleme.<br />
� Die da wären?<br />
� Das angewandte <strong>Rating</strong>v<strong>erfahren</strong><br />
Moody’s Riskcalc bewertet Unternehmen<br />
auf der Basis bestehender Bilanzen.<br />
Es war also vergangenheitsbezogen<br />
und basierte rein auf quantitativen Daten.<br />
Solch eine Einschätzung reicht<br />
nicht aus für die Kapitalklasse Mezzanine,<br />
die wie Private Equity sehr stark auf<br />
zukünftige Cashflows abstellt. Beispielsweise<br />
lässt sich damit überhaupt<br />
nicht abschätzen, ob ein Unternehmen<br />
technologisch wettbewerbsfähig bleiben<br />
wird. Dafür braucht man im Grunde genommen<br />
Branchenexperten, die auch<br />
technische Innovationen einschätzen<br />
können. Da dies aber nicht der Fall war,<br />
kamen Unternehmen an Mezzanine-<br />
Kapital, die zum Auszahlungszeitpunkt<br />
scheinbar gut dastanden. Bei einigen<br />
hat sich die Lage danach schnell verschlechtert.<br />
Zudem werden konjunkturelle<br />
Effekte kaum geglättet. Dramatisch<br />
höher könnten die Ausfälle in einem<br />
Abschwung werden – das dicke<br />
Ende kommt also noch.<br />
� Die <strong>Rating</strong>methodik sowie die Probleme,<br />
die sie mit sich bringt, waren<br />
von Anfang an bekannt. Haben Unternehmen<br />
das ausgenutzt?<br />
FINANCE November | 2008<br />
� Einige wussten nur zu genau, wie sie<br />
ihre Bilanzen durch spezielle Maßnahmen<br />
gestalten konnten. Viele Unternehmen<br />
haben z. B. außerbilanzielle<br />
Finanzierungen wie Leasing oder Factoring<br />
eingesetzt und Bilanzkennzahlen<br />
beeinflusst. Diese Off-Balance-Verpflichtungen<br />
müssen für ein richtiges<br />
<strong>Rating</strong> wieder systematisch hineingerechnet<br />
werden. Das war bei den angewandten<br />
<strong>Rating</strong>v<strong>erfahren</strong> so nicht der<br />
Fall. Nicht nur da: Unserer Erfahrung<br />
nach gehen auch einige Banken viel zu<br />
pauschal mit außerbilanziellen Verpflichtungen<br />
um.<br />
� Warum hat man nicht ein besseres<br />
<strong>Rating</strong>v<strong>erfahren</strong> eingesetzt? Wäre es zu<br />
teuer gewesen?<br />
� Nein, es ging um Geschwindigkeit.<br />
Eine ausführliche Analyse hätte zu lange<br />
gedauert. Die Anbieter standen unter<br />
Zeitdruck und mussten in kurzer Zeit<br />
ein Portfolio zusammenstellen. Gerade<br />
in der Phase 2005/06, als es sehr viele<br />
Programme gab, die eine kritische Masse<br />
für den Kapitalmarkt brauchten,<br />
schauten viele Anbieter nicht <strong>mehr</strong> so<br />
genau auf die Risiken. Das sieht man<br />
heute bei der Häufung der Ausfälle.<br />
Ganz prinzipiell sollten die Kosten für<br />
ein Vollrating, die zwischen 30.000 und<br />
50.000 Euro liegen, bei einem potentiellen<br />
Ausfall von 5 bis 10 Millionen Euro<br />
keine so große Rolle spielen.<br />
� Gab es weitere Punkte, die zu diesem<br />
Missverhältnis beigetragen haben?<br />
� Man hat zu wenig berücksichtigt,<br />
dass Mezzanine nicht per se bonitätsverbessernd<br />
wirkt.<br />
� Wie das? In der Regel liegt der Nutzen<br />
von Nachrangkapital in der Optimierung<br />
des Eigenkapitals.<br />
� Die Aufnahme von Mezzanine-Kapital<br />
führt zu einer wesentlichen Veränderung<br />
der Finanzierungsstruktur. Wird<br />
es als bilanzielles oder wirtschaftliches<br />
Eigenkapital anerkannt, kann sich die<br />
Kapitalstruktur verbessern und sich somit<br />
positiv auf die Bonität auswirken.<br />
Durch Nachrangkapital verschlechtern<br />
sich aber gleichzeitig die Kapitalkosten.<br />
Kurz: Die Zinslast steigt. Wegen dieser ➜<br />
DER UNTERSCHIED<br />
ZWISCHEN EXPORT<br />
UND ERFOLGREICHEM<br />
EXPORT HEISST<br />
„FACTORING“<br />
Internationale Märkte eröffnen enorme<br />
Chancen, stellen <strong>Sie</strong> aber auch vor neue<br />
Herausforderungen, z. B. was Zahlungsziel<br />
und -moral betrifft. Genau hier setzt<br />
Factoring an, denn es verwandelt Ihre<br />
Forderungen SOFORT in Liquidität und<br />
gibt Ihnen damit die Sicherheit für die<br />
weitere Expansion.<br />
Sprechen <strong>Sie</strong> mit RBS Factoring,<br />
einem der führenden Factoring-Partner<br />
für mittelständische Unternehmen:<br />
+49 (0) 69 - 50927-150.<br />
www.rbsfactoring.de<br />
Factoring
konkurrierenden Effekte muss man im<br />
Einzelfall sehr genau die Auswirkungen<br />
auf das <strong>Rating</strong> prüfen.<br />
� Auch <strong>Euler</strong> <strong>Hermes</strong> <strong>Rating</strong> hat<br />
Unternehmen bewertet, die Mezzanine<br />
aufgenommen haben. Auch bei von Ihnen<br />
gerateten Unternehmen im Ge|mit-<br />
Fonds von DZ Bank und Buchanan kam<br />
es mit Schieder und EMAG zu Ausfällen.<br />
<strong>Sie</strong> scheinen es nicht besser gemacht<br />
zu haben …<br />
� Im Fall Schieder Möbel stellte sich<br />
heraus, dass Betrug im Spiel war. Die<br />
betrügerischen Handlungen, mit denen<br />
die Ergebnisse der Vergangenheit massiv<br />
aufpoliert worden sein sollen, haben<br />
selbst die Wirtschaftsprüfer nichts aufdecken<br />
können. Bei EMAG wurde auf<br />
die Gefahren des raschen Wachstums<br />
im <strong>Rating</strong>bericht hingewiesen. Mittlerweile<br />
hat sich das Unternehmen aber<br />
wieder stabilisiert, das Mezzanine<br />
wurde aus der heutigen Perspektive zu<br />
schnell abgeschrieben.<br />
� Auch die Mezzanine-Programme<br />
hatten es mit spektakulären Betrugsfällen<br />
zu tun – etwa in den Fällen Nici oder<br />
Ricö. Glauben <strong>Sie</strong> dennoch, optimale<br />
<strong>Rating</strong>s durchgeführt zu haben?<br />
� Eindeutig ja! Das zeigt auch die Tatsache,<br />
dass viele Unternehmen, die bei<br />
uns die <strong>Rating</strong>hürde für eine Investition<br />
nicht geschafft haben, durch andere<br />
Programme finanziert wurden. Einige<br />
mussten später Insolvenz anmelden.<br />
� Steht aus Ihrer Sicht das Modell –<br />
Mezzanine-Kapital für den Mittelstand<br />
– grundsätzlich zur Disposition?<br />
� Nein, denn Mezzanine hat durchaus<br />
viele Vorteile für Mittelständler. Auch<br />
das Verbriefungsmodell hat eine Existenzberechtigung.<br />
Man muss es allerdings<br />
schaffen, den „Moral Hazard“ zu<br />
unterbinden. Das könnte zum Beispiel<br />
dadurch möglich sein, dass ein Teil des<br />
Disagios bei schlecht laufenden Programmen<br />
wieder zurückgeführt werden<br />
muss. Außerdem sollte die Qualität<br />
des Auswahlprozesses künftig verbessert<br />
werden.<br />
Vielen Dank für das Gespräch!<br />
38<br />
➜<br />
INTERVIEW<br />
„Dagegen entschieden“<br />
Die Dresdner Bank hat sich im Bereich Standard-Mezzanine<br />
zurückgehalten. Außer einer zeitweiligen Kooperation mit<br />
dem Finanzhaus Buchanan, die im letzten Jahr initiiert wurde,<br />
gab es kein Angebot. Zu den Gründen äußert sich Stephan<br />
Klier, Head of Mezzanine Finance bei Dresdner Kleinwort.<br />
� Warum bietet Dresdner Kleinwort<br />
kein „Standard-Mezzanine“ an?<br />
� Dafür gibt es verschiedene Gründe:<br />
Der Vergleich mit historisch<br />
bekannten Ausfallraten vergleichbarer<br />
Assetklassen zeigt, dass die bei<br />
den Mezzanine-Programmen angesetzten<br />
Ausfallraten sehr optimistisch<br />
waren. Die kalkulierten Margen reichen<br />
gerade wegen der Nachrangigkeit,<br />
der fehlenden Sicherheiten und<br />
der daraus resultierenden geringen<br />
„Recoveryrates“ nicht aus, um potentielle<br />
Verluste aufzufangen.<br />
� Auch der Auswahlprozess steht in<br />
der Kritik …<br />
� Wegen der besonderen Risiken<br />
einer Mezzanine-Investition muss<br />
ein Investor seine Entscheidung vor<br />
allem auf die Stabilität der künftigen<br />
Cashflow-Entwicklung des Unternemens<br />
abstellen. Dies bedingt eine<br />
detaillierte Analyse des Unternemens<br />
im Rahmen einer auf den Einzelfall<br />
angepassten Due Diligence unter besonderer<br />
Würdigung der Planziffern.<br />
Diese weitgehende Prüfung hätte entsprechende<br />
Transaktionskosten zur<br />
Folge. Damit hätten wir uns jedoch<br />
nicht gegen die im Markt etablierten<br />
Prozesse durchsetzen können. Ein<br />
potentielles Reputationsrisiko gegenüber<br />
externen Investoren wollten wir<br />
aufgrund einer nicht ausreichenden<br />
Bonitätsprüfung nicht tragen. Grundsätzlich<br />
fraglich ist, ob ein Auseinanderfallen<br />
von Initiator und Investor<br />
– wie dies bei bestimmten Angeboten<br />
der Fall war – letztlich gleichgerichtete<br />
Interessen bewirkt.<br />
� Haben <strong>Sie</strong> Ihre Zurückhaltung in<br />
der Hype-Phase bereut, in der Banken<br />
gutes Geld durch die Provisionen<br />
verdient haben?<br />
� Nein, denn nach eingehenden<br />
Überlegungen in unserem Haus über<br />
die Einführung eines standardisierten<br />
Produktes haben wir uns dagegen<br />
entschieden. Ein Programm nach unseren<br />
Vorstellungen, das durch vergleichsweise<br />
höhere Konditionen, eine<br />
umfangreichere Due Diligence<br />
und eine höhere Flexibilität für den<br />
Emittenten gekennzeichnet wäre, wäre<br />
nicht wettbewerbsfähig gewesen.<br />
Daher präferieren wir individuelle<br />
Mezzanine-Lösungen.<br />
� Wie schätzen <strong>Sie</strong> die heutige Lage<br />
ein?<br />
� Angesichts der aktuellen Verluste<br />
in den bestehenden Programmen<br />
und der allgemeinen Kapitalmarktsituation<br />
gehen wir davon aus, dass in<br />
den kommenden Monaten eine Refinanzierung<br />
äußerst schwierig sein<br />
dürfte. Daneben werden sich die<br />
Unternehmen, die sich über standardisierte<br />
Programme finanziert haben,<br />
in den kommenden Monaten mit der<br />
Frage der mittelfristigen Refinanzierung<br />
auseinandersetzen müssen. Alle<br />
Gründe werden nach unserer Einschätzung<br />
dazu führen, dass die<br />
Nachfrage nach individuellem Mezzanine<br />
stark steigen wird.<br />
➜<br />
November | 2008 FINANCE