Grundfragen des Strafrechts, Rechtsphilosophie und die ... - Oapen
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Über den Vorsatz <strong>und</strong> wie man ihn beweisen könnte<br />
Indem wir uns nun der Kritik zuwenden, sollten wir einige Dinge konstatieren.<br />
Fre<strong>und</strong> ist sich der Exzellenz seines Modells durchaus bewusst („eindeutige Überlegenheit<br />
<strong>des</strong> Alternativenausschlussmodells“ 195), empfiehlt es nachdrücklich allen<br />
Strafrichtern <strong>und</strong> erblickt darin <strong>die</strong> Lösung <strong>des</strong> Irrationalismusproblems, das er in<br />
dem Prinzip der freien Beweiswürdigung enthalten sieht. 196 Wenn aber mein Referat<br />
<strong>die</strong>ses Modells nicht ganz falsch sein sollte, so kann angenommen werden, dass<br />
<strong>die</strong>ses Modell nicht recht schlüssig konstruiert worden ist. Vieles ist ungenau, einiges<br />
ist unklar. Nur <strong>die</strong> Hauptprobleme <strong>die</strong>ses Modells möchte ich im Folgenden<br />
besprechen.<br />
Das Kernstück <strong>die</strong>ser Konstruktion ist natürlich der sog. „nichtzwingende Erfahrungssatz“<br />
197 <strong>und</strong> <strong>die</strong> sich „hinter den Wahrscheinlichkeiten verbergenden Ausnahmen“<br />
198, pointiert: <strong>die</strong> schwache Regel <strong>und</strong> <strong>die</strong> zahlreichen Ausnahmen, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />
Brücke bilden sollen von I nach F. Ein Beispiel eines solchen (schwachen) Erfahrungssatzes<br />
ist etwa der Satz (R), „dass objektiv fremde Sachen auch als solche<br />
erkannt werden.“ 199 Ein Beispiel dafür, wie <strong>die</strong> Ausnahmen zu <strong>die</strong>sem Satz lauten<br />
könnten, gibt es nicht.<br />
Einige Fragen liegen förmlich auf der Hand. Handelt es sich bei Satz (R)<br />
wirklich um einen Erfahrungssatz? Ist es ein psychologisches Gesetz, wie Fre<strong>und</strong><br />
teils zweifelnd, teils behauptend, im Ergebnis aber wohl doch wenigstens insinuieren<br />
möchte? Oder gehört (R) zur Klasse der Sätze aus der Lebenserfahrung?<br />
Handelt es sich um eine grobschlächtige juristische „Alltagstheorie“? Eine Antwort<br />
mag der Leser selbst finden. Denn: Die Validität <strong>des</strong> Schlusses I → F hängt<br />
wesentlich von dem von Fre<strong>und</strong> sog. „nichtzwingenden Erfahrungssatz“ ab. Nur<br />
wenn es dem Autor gelingt zu zeigen, dass Psychologie <strong>und</strong> Lebenserfahrung<br />
(vielleicht gibt es auch noch andere Quellen) über derartige Sätze verfügen, kann<br />
sein Modell als praktisches Schlussschema funktionieren. In der gegenwärtigen<br />
Fassung ist es insoweit nur ein Fragment.<br />
Nun zu den Ausnahmen. Sehe ich recht, so verfolgt Fre<strong>und</strong> vermutlich <strong>die</strong> folgende<br />
Idee: Nehmen wir an, der Satz (R) „fremde Sachen werden auch als solche<br />
erkannt“ ist ein nichtzwingender Erfahrungssatz. Und nehmen wir weiter an, zu R<br />
gibt es eine bestimmte <strong>und</strong> bekannte Anzahl von Ausnahmen, sagen wird: A1, A2<br />
<strong>und</strong> A3. (Wie erinnerlich, ist das eine stark idealisierte Ausnahme, denn nach Fre<strong>und</strong><br />
füllt <strong>die</strong> Liste der Ausnahmen „viele Buchseiten“. 200) Und nehmen wir schließlich<br />
an, X ist <strong>des</strong> Diebstahls angeklagt <strong>und</strong> er verteidigt sich mit dem Argument, er<br />
habe <strong>die</strong> Fremdheit der Sache nicht erkannt. Dann, so glaube ich, subsumiert<br />
Fre<strong>und</strong> wie folgt:<br />
195 G. Fre<strong>und</strong> (Fn. 164), S. 44.<br />
196 G. Fre<strong>und</strong> (Fn. 164), S. 52.<br />
197 G. Fre<strong>und</strong> (Fn. 164), S. 22.<br />
198 G. Fre<strong>und</strong> (Fn. 164), S. 23.<br />
199 G. Fre<strong>und</strong> (Fn. 164), S. 18.<br />
200 G. Fre<strong>und</strong> (Fn. 164), S. 22.<br />
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