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7 Turbulenz

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7 <strong>Turbulenz</strong><br />

In einer laminaren Strömung fliessen die Flüssigkeitselemente in benachbarten<br />

Stromlinien aneinander vorbei ohne sich zu mischen.<br />

Im Gegensatz dazu hat die turbulente Strömung einen stark unregelmässigen,<br />

chaotischen Charakter, sie enthält zahlreiche Wirbel und die<br />

Flüssigkeit wird kräftig durchmischt.<br />

Turbulente Strömungen sind durch folgende Merkmale charakterisiert:<br />

• die Strömung ist instationär, die Geschwindigkeit enthält eine fluktuierendeKomponente,<br />

die zufälligverteiltscheint. • sie sind immer dreidimensional (auch wenn alle Variablen nur von<br />

zwei Koordinaten abhängen)<br />

• sie besitzen Vorticity und enthalten Wirbel (engl. „eddies“) vieler<br />

Grössenskalen<br />

• sie sind stark durchmischt. Weil die Mischung Flüssigkeit von sehr<br />

unterschiedlicher Geschwindigkeit in Kontakt bringt, entstehen hohe<br />

Gradienten und Dissipation findet statt.<br />

• sie enthalten kohärente Strukturen, sind also nicht im mathematischen<br />

Sinne zufällig.<br />

Um die <strong>Turbulenz</strong> zu charakterisieren, eignen sich Methoden der statistischen<br />

Physik, also etwa<br />

• Mittelung über die Zeit oder über ein Ensemble<br />

• Korrelationen und Autokorrelationen<br />

• <strong>Turbulenz</strong>spektren (Verteilung der turbulenten kinetischen Energie)<br />

Durch turbulente Durchmischung können Flüsse von Stoffen, von Impuls<br />

und von Energie – analog wie durch Diffusion - bewirkt werden.<br />

Man spricht dann von „turbulenter Diffusion“ („eddy-diffusion“). Turbulente<br />

Diffusion ist meist um Grössenordnungen effizienter als molekulare<br />

Diffusion.<br />

47<br />

<strong>Turbulenz</strong> kann dann existieren, wenn viskose Dämpfung nicht ausreicht,<br />

um die kinetische Energie allfälliger Wirbel zu dissipieren, d.h.,<br />

wenn die Trägheitskräfteviel grössersind als die Reibungskräfte:<br />

2<br />

V V<br />

ρ >> µ<br />

(7.1)<br />

L 2<br />

L<br />

oder ausgerückt durch das Verhältnis<br />

2<br />

ρV<br />

/ L<br />

≡ Re >> 1<br />

(7.2)<br />

2<br />

µ V / L<br />

<strong>Turbulenz</strong> setzt ein, wenn die Strömung bezüglich sehr vieler Freiheitsgrade<br />

instabil ist. Dies ist der Fall bei kritischen Reynoldszahlen von der<br />

Grössenordnung 1000 bis einige Tausend.<br />

Eine turbulente Strömung hat eine starke Wechselwirkung zwischen den<br />

Wirbeln aller Skalen: kleine Wirbel können zu grossen Wirbeln wachsen,<br />

und umgekehrt grosse Wirbel in kleine Wirbel zerfallen.<br />

Die kleinen Skalen sind wesentlich für die Dissipation.<br />

Beispiel:<br />

Re = 1500<br />

V =5m/s<br />

ν =1.5x10-5 (Luft)<br />

Re<br />

L = ≈<br />

V<br />

ν<br />

5 mm<br />

Für die Dämpfung sind also (in diesem Beispiel) Wirbel der Grösse von<br />

wenigen Millimetern massgebend.<br />

(7.3)<br />

48


7.1 Reynolds-Mittelung<br />

Wir schreiben alle Strömungsvariablen in der Form<br />

~<br />

f ( xi<br />

, t)<br />

= F(<br />

xi<br />

, t)<br />

+ f ( xi<br />

, t)<br />

(7.4)<br />

Dabei ist f ~ ∫<br />

die zeitlich variable Grösse, F ein zeitlicher Mittelwert, der<br />

sich mit der Zeit nur langsam verändert, und f ist die fluktuierende Komponente.<br />

Von diesenGrössenbildenwirzeitlicheMittel: ~ 1 T ~<br />

f ( xi<br />

, t)<br />

= f ( xi<br />

, t)<br />

≡<br />

T 0<br />

F(<br />

xi<br />

, t)<br />

(7.5)<br />

Im Folgenden werden Grossbuchstaben für zeitliche Mittelwerte, und<br />

Kleinbuchstaben für Fluktuationen verwendet.<br />

Der Mittelwert über die Fluktuationen verschwindet:<br />

f = 0<br />

FürProduktevonzwei Variablen ergibt die Mittelung<br />

(7.6)<br />

~<br />

f g~<br />

= FG + fg<br />

(7.7)<br />

Im Folgenden betrachten wir der Einfachheit halber inkompressible Flüssigkeiten,<br />

mit den Geschwindigkeitskomponenten<br />

u ~<br />

i = Ui<br />

+ ui<br />

(7.8)<br />

Es gilt die Kontinuitätsgleichung<br />

∂u~<br />

i<br />

∂xi<br />

= 0<br />

(7.9)<br />

Die Mittelung dieser Gleichung gibt<br />

∂Ui<br />

∂xi<br />

= 0<br />

(7.10)<br />

also die K ontinuitätsgleichung für den Mittelwert. S ubtrahiert man diese<br />

von 6.9, so erhält man eine K ontinuitätsgleichung für die Fluktuationen:<br />

∂ui<br />

∂xi<br />

= 0<br />

(7.11)<br />

Als nächstes nehmen wir die Navier-Stokes-Bewegungsgleichung für eine<br />

inkompressible Flüssigkeit, und schreiben die linke Seite in der Form<br />

wie (1.5):<br />

49<br />

∂u~<br />

~ 2~<br />

i ∂ ( ~ ~ ∂p<br />

∂ ui<br />

ρ + ρ uiu<br />

j ) = − + µ<br />

(7.12)<br />

∂t<br />

∂x<br />

2<br />

j ∂xi<br />

∂x<br />

j<br />

Die Reynolds-Mittelung liefert<br />

2<br />

∂Ui<br />

∂<br />

∂ ∂P<br />

∂ Ui<br />

ρ + ρ ( UiU<br />

j ) + ρ ( uiu<br />

j ) = − + µ<br />

(7.13)<br />

∂t<br />

∂x<br />

2<br />

j ∂x<br />

j ∂xi<br />

∂x<br />

j<br />

Der neue Term<br />

R<br />

ij<br />

τ = ρ uiu<br />

j<br />

(7.14)<br />

wird als „Reynolds-Spannung“ (engl. „Reynolds-stress“) bezeichnet. Er<br />

beschreibt die Effekte der <strong>Turbulenz</strong> und rührt von der Nichtlinearität der<br />

Impulsgleichung her.<br />

Es ist möglich, durch geeignete Mittelung der Navier-Stokes-Gleichung<br />

auch Gleichungen für i j u u herzuleiten. Allerdings enthalten diese ihrerseits<br />

Terme höherer Ordnung wie i j k u u u oder p ui : Man erhält ein nicht<br />

abgeschlossenes System mit mehr Unbekannten als Gleichungen. Man<br />

benötigt also Annahmen oder Approximationen, um das System zu<br />

schliessen.<br />

Ein Mass für die Stärke der <strong>Turbulenz</strong> ist der Tur bulenzgrad Tu, definiert<br />

als<br />

2<br />

2<br />

2<br />

1 u + v + w<br />

Tu = (7.15)<br />

U 3<br />

Für die meisten turbulenten Strömungen liegt der <strong>Turbulenz</strong>grad zwischen<br />

1% bis 10%, in Extremfällen kann er bis 40% betragen.<br />

Physikalisch können wir erwarten, dass die Reynolds-Spannungen von<br />

den charakteristischen Eigenschaften der relevanten Wirbel, nämlich einer<br />

<strong>Turbulenz</strong>geschwindigkeit u ∗ ,wo<br />

2 ( )<br />

uv = O u∗<br />

(7.16)<br />

einer charakteristischen Längenskala der Wirbel L und den Geschwindigkeitsgradienten<br />

in der mittleren Strömung dU/dy abhängen.<br />

ρ = f ( ρ,<br />

L,<br />

u , dU dy )<br />

(7.17)<br />

uv ∗<br />

50


Dimensionsanalyse liefert<br />

⎞ ⎛<br />

⎜<br />

uv<br />

⎟<br />

L dU<br />

= F<br />

(7.18)<br />

2<br />

u dy ⎜ ⎟<br />

∗ u∗<br />

⎠ ⎝<br />

In Analogie zur molekularen Diffusion können wir den Effekt der <strong>Turbulenz</strong><br />

approximieren durch eine turbulente Diffusion (engl. „eddy diffusion“)<br />

proportional zum Geschwindigkeitsgradienten<br />

dU<br />

− uv = νT<br />

(7.19)<br />

dy<br />

ν T = Cu∗L<br />

(7.29)<br />

(C ist eine dimensionslose Konstante).<br />

Da die Gradienten in der Strömung durch die <strong>Turbulenz</strong> produziert werden,<br />

muss für die Skalen gelten<br />

u∗ dU<br />

∝<br />

(7.21)<br />

L dy<br />

und folglich<br />

2 dU<br />

l ν T =<br />

(7.22)<br />

dy<br />

Damit haben wir u∗ eliminiert, und die KonstanteC in die „Mischungs-<br />

l länge“ integriert.<br />

Turbulente Strömungen lassen sich grob einteilen in „freie <strong>Turbulenz</strong>“<br />

(z.B. in einem Strahl oder Nachlauf) und „Wand-<strong>Turbulenz</strong>“ in der Nähe<br />

einer Grenzfläche.<br />

Für freie <strong>Turbulenz</strong> ist ungefähr konstant und von l der Grössenordnung<br />

der Skala der turbulenten Struktur.<br />

7.2 Wand-<strong>Turbulenz</strong><br />

Wand-<strong>Turbulenz</strong> verhält sich fern von der Wand gleich wie freie Turbulent.<br />

Nahe der Wand können aber grosse Wirbel nicht mehr existieren<br />

(oder jedenfalls keinen Beitrag zum Impulstransport leisten), es muss<br />

gelten → 0 ( y → 0)<br />

, und man setzt nahe der Wand<br />

= l κ y<br />

(7.23)<br />

( κ ≈ 0.<br />

41 ist eine dimensionslose Konstante, die Karman-Konstante).<br />

Nahe der Wand lässt sich das Geschwindigkeitsprofil aus reinen Dimensionsüberlegungen<br />

herleiten:<br />

l<br />

51<br />

dU u∗<br />

u∗<br />

= =<br />

(7.24)<br />

dy κ l y<br />

mit der Lösung<br />

u∗<br />

y<br />

U(<br />

y)<br />

= ln<br />

(7.25)<br />

κ y0<br />

Allerdings kann diese Lösung die Randbedingung U( 0)<br />

= 0 nicht erfüllen,<br />

und man verwendet oft<br />

u y + y0<br />

U(<br />

y)<br />

= ln<br />

y0<br />

∗<br />

(7.26)<br />

κ<br />

Diese Lösung (mit z anstelle von y) ist z.B. in der Atmosphärenphysik<br />

bekannt als das „logarithmische Windprofil“ und gilt für die bodennahe<br />

Schicht von einigen Dutzend Metern Höhe (bei thermisch neutraler<br />

Schichtung). Die Konstante y0 (bzw. z0) hat eine verschiedene Bedeutung,<br />

je nach der Beschaffenheit der Grenzfläche. Für eine aerodynamisch<br />

raue Oberfläche ist y0 die „Rauhigkeitshöhe“, für eine aerodynamisch<br />

glatte Oberfläche hingegen muss zusätzlich noch eine viskose Unterschicht<br />

betrachtet werden, und y0 durch Anpassung an die Lösung für<br />

viskose Strömung bestimmt werden.<br />

7.3 Strömung zwischen parallelen Platten<br />

Mit dem logarithmischen Gesetz haben wir zwar einen Ausdruck für die<br />

Strömung nahe einer Wand, allerdings fehlt uns noch jede Information<br />

über den <strong>Turbulenz</strong>grad bzw. u * U als Funktion der Strömungsparameter.<br />

Eine solche Beziehung soll in diesem Abschnitt für den Fall einer<br />

turbulenten Strömung zwischen parallelen Platten hergeleitet werden.<br />

Eine solche Strömung entspricht beispielsweise einer Strömung in einem<br />

sehr breiten Kanal, oder, für die Transformation in Zylinderkoordinaten,<br />

der Strömung in einem Rohr mit kreisförmigem Querschnitt. Wir betrachten<br />

nur den Grenzfall sehr hoher Reynoldszahl.<br />

52


(Channel Flow: Figur aus Panton)<br />

Wir setzen voll-ausgebildete <strong>Turbulenz</strong> voraus, dann sind die Strömungsgrössen<br />

unabhängig von der Koordinate in Richtung der Strömung<br />

(x).<br />

Die Impulsgleichungen sind dann, analog zu (3.20 – 3.21):<br />

2<br />

1 ∂P<br />

duv<br />

d U<br />

0 = − − + ν<br />

(7.27)<br />

ρ ∂x<br />

dy 2<br />

dy<br />

2<br />

1 ∂P<br />

dv<br />

0 = − −<br />

ρ ∂y<br />

dy<br />

(7.28)<br />

2<br />

2<br />

Die zweite Gleichung gibt P0 = P + ρ v und, weil v<br />

hängt:<br />

nicht von x ab-<br />

∂P<br />

dP0<br />

=<br />

∂x<br />

dx<br />

(7.29)<br />

Nun integriert man (7.27) über y von der Wand, wo die Schubspannung<br />

τ 0 gegeben ist durch<br />

dU τ 0<br />

ν ≡ −<br />

dy 0 ρ<br />

und uv ( y = 0)<br />

= 0 , und erhält<br />

(7.30)<br />

y dP0<br />

dU τ 0<br />

0 = − − uv + ν −<br />

(7.31)<br />

ρ dx dy ρ<br />

Auf der zentralen Stromlinie verschwinden aus Symmetriegründen sowohl<br />

uv als auch dU dy ,undwirerhalten<br />

53<br />

⎞ ⎛ dU τ<br />

− +<br />

0 y<br />

uv ν = ⎟ 1 ⎜ −<br />

(7.32)<br />

⎠ ⎝ dy ρ h<br />

Die gesamte Schubspannung verändert sich linear mit der Distanz y.<br />

Wir betrachten nun als erstes die Strömung aussen im Kanal, die „äussere<br />

Lösung“, und wählen dimensionslose Variablen der Ordnung 1:<br />

y<br />

Y = (7.33)<br />

h<br />

und approximieren für grosse Re:<br />

U(<br />

Y )<br />

u∗<br />

= F(<br />

Y,<br />

Re) ≈ F0<br />

( Y ) + ∆(Re)<br />

F1(<br />

Y ) + ... = F0(<br />

Y ) + F1(<br />

Y ) + ...<br />

U0<br />

U0<br />

(7.34)<br />

u∗ definieren wir als Skalengrösse für die <strong>Turbulenz</strong>, und setzen<br />

uv<br />

− = G(<br />

Y,<br />

Re) ≈ G0(<br />

Y ) + ...<br />

2<br />

u∗<br />

und eine modifizierte Reynoldszahl<br />

u∗h u∗<br />

Re∗<br />

≡ = Re<br />

ν U0<br />

Wir setzen nun alles in (7.32) ein:<br />

2<br />

⎞ ⎛<br />

⎞ ⎛<br />

⎟ ⎜<br />

⎟<br />

⎟<br />

⎜<br />

⎜<br />

⎠<br />

⎠<br />

⎝<br />

⎝<br />

U0<br />

G +<br />

u∗<br />

1 dF τ 0 ρ<br />

=<br />

Re dY 2<br />

u∗<br />

−<br />

Experimentell ist bekannt, dass<br />

⎛U<br />

u<br />

0<br />

∗<br />

⎞<br />

2<br />

1<br />

Re<br />

→ 0<br />

,<br />

Re → ∞<br />

( 1 Y )<br />

(7.35)<br />

(7.36)<br />

(7.37)<br />

(7.38)<br />

⎟<br />

⎜<br />

⎟<br />

⎠ ⎝<br />

folglich verschwindet der zweite Term auf der linken Seite für Re → ∞ .<br />

G ist O(1); damit die rechte Seite auch von Ordnung 1 ist, setzen wir<br />

2 ≡<br />

∗<br />

u ρ<br />

(7.39)<br />

τ 0<br />

Der <strong>Turbulenz</strong>grad ist also durch die Schubspannung an der Wand bestimmt.<br />

Die Lösung für F0(Y) erhalten wir aus der einfachen Betrachtung des<br />

Grenzfalls von Re = ∞: dann ist die Strömung reibungsfrei und<br />

54


U(<br />

y)<br />

= F(<br />

Y,<br />

∞)<br />

= F0<br />

( Y ) = 1<br />

U0<br />

Damit ist<br />

(7.40)<br />

U(<br />

y ) − U0<br />

F1(<br />

Y ) =<br />

u∗<br />

(7.41)<br />

Als nächstes betrachten wir nun eine Approximation für die Lösung nahe<br />

der Wand, als „innere Lösung“. Hier ist die charakteristische Geschwindigkeit<br />

ebenfalls u ∗ (U0 ist nahe der Wand keine Skala), die charakteristische<br />

Länge ist durch die Viskosität bestimmt:<br />

ν h<br />

d ≡ =<br />

u∗<br />

Re∗<br />

Die inneren Variablen sind dann:<br />

(7.42)<br />

+ y yu∗<br />

y ≡ =<br />

d ν<br />

,<br />

U<br />

f0<br />

=<br />

u∗<br />

,<br />

uv<br />

g0<br />

≡ −<br />

2<br />

u∗<br />

(7.43)<br />

In inneren Variablen wird die Bewegungsgleichung (7.32) zu<br />

df0<br />

g 0 +<br />

+<br />

dy<br />

= 1<br />

(7.44)<br />

In der inneren Schicht, wo y + = O(1) ist also die Schubspannung (Summe<br />

aus molekularer und turbulenter Schubspannung) konstant.<br />

Es muss nun ein Gebiet geben, wo sich die beiden Lösungen überlappen,<br />

also<br />

u∗<br />

+<br />

+<br />

Fcp ( Y ) ≡ F(<br />

Y → 0)<br />

= f ( y → ∞)<br />

≡ fcp(<br />

y )<br />

(7.45)<br />

U0<br />

(cp steht für „common part“, gemeinsamer Teil, d. h. den Teil der Funktionen<br />

mit gleichem asymptotischem Verhalten). In erster Näherung gilt<br />

dann<br />

u∗<br />

u∗<br />

+<br />

1 + F1,<br />

cp ( Y ) = f0,<br />

cp(<br />

y )<br />

(7.46)<br />

U0<br />

U0<br />

Wir kennen F1 nicht, also hilft diese B eziehung nicht sehr viel weiter. Es<br />

müssen aber auch die Ableitungen gleich sein, also<br />

dF<br />

Y<br />

dY<br />

1,<br />

cp<br />

= y<br />

+<br />

df<br />

0,<br />

cp<br />

+<br />

dy<br />

=<br />

1<br />

κ<br />

(7.47)<br />

55<br />

Die beiden Variablen unterscheiden sich um den Skalenfaktor<br />

+<br />

Y / y = Re∗<br />

; weil die Beziehung unabhängig vom Wert von Re∗ gelten<br />

muss, sind beide Seiten gleich einer Konstanten.<br />

Wir können für innere und äussere Variablen integrieren, und erhalten<br />

+ U(<br />

y ) 1 +<br />

f 0,<br />

cp(<br />

y ) = = ln y + Ci<br />

u κ<br />

∗<br />

(7.48)<br />

+ U(<br />

y ) − U0<br />

1<br />

F 1,<br />

cp(<br />

y ) = = lnY<br />

+ Co<br />

(7.49)<br />

u∗<br />

κ<br />

Wir erhalten also wieder die logarithmischen Lösungen. Zwar kennen wir<br />

von F immer noch erst den Wert im Überlappungsgebiet. Dafür liefert die<br />

Differenz der beiden Ausdrücke aber das wichtige Resultat (Isakson<br />

1937, Millikan 1938, Zitat in Panton):<br />

i O C C<br />

⎛ ⎞<br />

⎟ ⎜<br />

⎟ ⎜<br />

⎠ ⎝<br />

U0<br />

1 u∗<br />

= ln Re + −<br />

u∗<br />

κ U0<br />

(7.50)<br />

Wir haben eine, wenn auch implizite, Beziehung zwischen dem <strong>Turbulenz</strong>grad<br />

und der Reynoldszahl gefunden (gültig für grosse Re). Die<br />

Konstanten lassen sich experimentell bestimmen, sie sind<br />

κ ≈ 0.<br />

41 (Karman Konstante) (7.51)<br />

C i ≈ 5.<br />

0<br />

(7.52)<br />

C ≈ −1<br />

(für ein rundes Rohr) (7.53)<br />

o<br />

u∗/U 0<br />

0.07<br />

0.06<br />

0.05<br />

0.04<br />

0.03<br />

0.02<br />

1x10 3<br />

1x10 4<br />

1x10 5<br />

Re<br />

<strong>Turbulenz</strong>grad als Funktion der Reynoldszahl, für Ci –Co =6<br />

1x10 6<br />

1x10 7<br />

56


Mit u∗ U0<br />

lässt sich auch der Strömungswiderstand, bzw. der Druckabfall<br />

berechnen:<br />

∆P<br />

dP<br />

2<br />

= = −hτ<br />

0 = −hρu∗<br />

(7.54)<br />

∆x<br />

dx<br />

und der Widerstandskoeffizient:<br />

2<br />

2<br />

⎞ ⎛ F u<br />

2 ⎜ ∗<br />

Cw = =<br />

(7.55)<br />

⎟<br />

2<br />

Aρ<br />

⎟<br />

U<br />

⎜<br />

⎝U<br />

0 ⎠ 0<br />

Strömungswiderstände in Rohren haben dann neben diesem Beitrag für<br />

ausgebildete <strong>Turbulenz</strong> noch je einen Beitrag vom Ein- und Austritt des<br />

Rohrs, wo sich die Geschwindigkeitsverteilung ändert und die Gradienten<br />

in der Regel grösser sind.<br />

(Figur aus Panton)<br />

57<br />

7.4 Freie <strong>Turbulenz</strong>: der turbulente Strahl<br />

(Figur aus Panton)<br />

Wir betrachten einen Strahl, der aus einem Kanal in ein Reservoir austritt.<br />

Die Breite des Austritts sei D, die Austrittsgeschwindigkeit U0.Rei bung zwischen dem Strahl und der ruhenden Flüssigkeit im Reservoir<br />

bewirkt <strong>Turbulenz</strong>, der Strahl nimmt Flüssigkeit aus der Umgebung auf.<br />

Die Geometrie sei planparallel, und alle Variablen unabhängig von der z-<br />

Koordinate.<br />

In genügendem Abstand vom Austritt können wir annehmen, dass die<br />

<strong>Turbulenz</strong> alle „Erinnerung“ an das Austrittsprofil ausgelöscht hat und<br />

das P rofil sich selbst ähnlich bleibt.<br />

Wir verwenden aus der Impulsgleichung nur den Trägheitsterm und die<br />

Reynolds-Spannung<br />

∂U<br />

∂U<br />

∂uv<br />

U + V = −<br />

∂x<br />

∂y<br />

dy<br />

Dazu addieren wir U mal die Kontinuitätsgleichung und erhalten<br />

∂ 2<br />

U ∂UV<br />

∂uv<br />

+ = −<br />

∂x<br />

∂y<br />

dy<br />

(7.56)<br />

(7.57)<br />

58


Wir integrieren diesen Ausdruck über y von -∞ bis +∞, und berücksichtigen<br />

die Symmetrie bezüglich y: Dann liefert nur der 1. Term einen Beitrag:<br />

bzw.<br />

∞<br />

−∞<br />

∫<br />

∞<br />

2<br />

dU<br />

dx<br />

2<br />

dy =<br />

d<br />

dx<br />

∞<br />

2<br />

= U dy ∫ 0<br />

−∞<br />

2<br />

0<br />

∫ U dy = const.<br />

= U D<br />

−∞<br />

(7.58)<br />

(7.59)<br />

⎞ ⎛<br />

⎟ ⎜<br />

⎠ ⎝<br />

Der Impulsfluss in x-Richtung ist erhalten. Hingegen ist der Massenfluss<br />

nicht erhalten, der Strahl nimmt Flüssigkeit aus der Umgebung auf, und<br />

wird dadurch abgebremst. In genügender Distanz vom Austritt sei die<br />

Geschwindigkeitsverteilung selbstähnlich:<br />

y<br />

U(<br />

x,<br />

y)<br />

= U = U(<br />

η)<br />

δ ( x)<br />

,<br />

y<br />

η ≡<br />

δ ( x)<br />

(7.60)<br />

Wir stellen die Geschwindigkeit durch eine Stromfunktion ψ dar:<br />

ψ = Us ( x)<br />

δ ( x)<br />

F(<br />

η)<br />

,<br />

berechnen die Komponenten<br />

(7.61)<br />

∂ψ<br />

U =<br />

∂y<br />

,<br />

∂ψ<br />

V = −<br />

∂x<br />

(7.62)<br />

und deren Ableitungen und setzen alle in die Impulsgleichung ein, und<br />

erhalten für die rechte Seite (der Strich bezeichnet jeweils die Ableitung<br />

nach dem Argument der Funktion)<br />

∂U<br />

∂U<br />

2 Us<br />

( δUs<br />

) '<br />

U + V = UsU's<br />

F'<br />

+ FF'<br />

'<br />

∂x<br />

∂y<br />

δ<br />

(7.63)<br />

Die Reynoldsspannung approximieren wir durch einen Diffusionsansatz:<br />

dU<br />

− uv = u∗L<br />

dy<br />

(7.64)<br />

Die charakteristische Distanz ist die Breite des Jets (die grössten Wirbel<br />

sind die effektivsten), also L = δ , und für die charakteristische Geschwindigkeit<br />

nehmen wir einen festen Bruchteil der Strömungsgeschwindigkeit:<br />

u ∗ = cUs<br />

(7.65)<br />

59<br />

dU<br />

− uv = cUs<br />

δ<br />

(7.66)<br />

dy<br />

Diesen Ausdruck muss man ebenfalls durch die Stromfunktion ausdrücken,<br />

man erhält nach einiger Mathematik<br />

2<br />

∂uv<br />

cUs<br />

− = F'<br />

''<br />

(7.67)<br />

∂y<br />

δ<br />

und die Differentialgleichung<br />

( ) '<br />

' ''<br />

''<br />

'<br />

'<br />

'<br />

2 δUs<br />

cUs<br />

F + FF = F<br />

(7.68)<br />

δUs<br />

δUs<br />

FsollnureineFunktionvonηsein (Ähnlichkeit!), also müssen die Koeffizienten<br />

Konstanten sein. In der Tat verlangt die Impulserhaltung, dass<br />

der Koeffizient auf der linken Seite gerade gleich –1 ist. Der Koeffizient<br />

auf der rechten Seite ist frei wählbar (damit skalieren wir δ ), wir setzen<br />

ihn gleich -½ (damit wird die Lösungvereinfacht). Damit ist auch die<br />

funktionale Form von δ festgelegt, der Koeffizient wird nur konstant<br />

wenn δ proportional x ist.<br />

Experimentell findet man<br />

δ ( x) ≈ 0.<br />

11 x<br />

(7.69)<br />

(vgl. Panton) und daraus<br />

1 2<br />

( ) 2 1<br />

D /<br />

−<br />

Us = Ax = 2. 7U0<br />

x<br />

(7.70)<br />

Als Lösung für F, mit den Randbedingungen F(0)=0, F’(0) = 1, F’’(0) = 0<br />

und F’(±∞)=0 findet man<br />

F '( η ) = tanh( η)<br />

(7.71)<br />

U<br />

Us<br />

U<br />

=<br />

1 2<br />

Ax<br />

1<br />

=<br />

2<br />

cosh ( η)<br />

(7.72)<br />

Für einen runden Strahl findet man ein ähnliches Profil, aber einen Verlauf<br />

∝ 1 x .<br />

U s<br />

60


7.5 Kolmogoroff-Energiekaskade<br />

Für hohe Reynoldszahlen lässt sich die spektrale Form der <strong>Turbulenz</strong><br />

aus einfachen Dimensionsbetrachtungen herleiten.<br />

Die spektrale Verteilung der kinetischen Energie sei gegeben durch eine<br />

Funktion F(k), wo k die Wellenzahl ist, sodass<br />

= ∞<br />

2<br />

∫ ui F(<br />

k)<br />

dk<br />

(7.73)<br />

0<br />

Die kinetische Energie der <strong>Turbulenz</strong> werde auf grossen Skalen erzeugt.<br />

Auf diesen Skalen ist die viskose Dämpfung vernachlässigbar, die<br />

Dämpfung findet nur auf sehr kleinen Skalen statt. Die Energie der grossen<br />

Wirbel muss folglich über eine Kaskade von immer kleineren Wirbeln<br />

bis zu den kleinsten Wirbeln übertragen werden, damit Dämpfung stattfinden<br />

kann.<br />

Die Energie der grossen Wirbel sei gegeben durch u 2 , ihre Längenskala<br />

durch L. Ein bestimmter Prozentsatz der Energie werde pro Zeiteinheit in<br />

die kleineren Wirbel transportiert. Aus Dimensionsgründen gilt für diese<br />

Energie<br />

u 3<br />

ε ∝<br />

L<br />

(7.74)<br />

Das Spektrum der grossen Wirbel lässt sich schreiben als<br />

F = F(<br />

k,<br />

ε,<br />

L)<br />

(7.75)<br />

Die Dämpfung findet nur in den kleinsten Wirbeln statt. Hier ist L keine<br />

relevante Längenskala mehr, vielmehr muss gelten<br />

f = f ( k,<br />

ε,<br />

ν )<br />

(7.76)<br />

ε ist die Rate, mit der Energie von den grossen Wirbeln erzeugt wurde,<br />

und folglich die Rate, mit der Energie von den kleinen Wirbeln dissipiert<br />

werden muss. Die Längenskala für die Dämpfung erhält man wieder aus<br />

Dimensionsüberlegungen,<br />

3<br />

1/<br />

4<br />

⎞ ⎛<br />

⎜<br />

ν<br />

⎟ η = (7.77)<br />

ε ⎟ ⎜<br />

⎝ ⎠<br />

η heisst Kolmogoroff-Länge. Es gilt<br />

⎛ L uL<br />

⎜ =<br />

η ν ⎝<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎠<br />

3 / 4<br />

= Re<br />

3 / 4<br />

(7.78)<br />

61<br />

Die Energie wird also (im Spektralbereich) über Wirbel vieler Grössenordnungen<br />

transportiert. In diesem „Inertialbereich“ ist weder L noch η<br />

eine relevante Skala (wohl aber ε), folglich<br />

f = f ( k,<br />

ε )<br />

(7.79)<br />

f hat die Dimension u2 /k,<br />

2 −1 2 / 3 −5<br />

/ 3<br />

k ≈<br />

f ∝ u ε k<br />

(7.80)<br />

−5<br />

/ 3<br />

Dieses k -Kolmogoroff-Gesetz charakterisiert bei hohen Reynoldszahlen<br />

das Spektrum für einen sehr weiten Bereich.<br />

(Figur aus Panton).<br />

62

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