Lügde – eine Stadt geht neue Wege zur Revitalisierung - Hummersen
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<strong>Lügde</strong> <strong>–</strong> <strong>eine</strong> <strong>Stadt</strong><br />
<strong>geht</strong> <strong>neue</strong> <strong>Wege</strong><br />
<strong>zur</strong> <strong>Revitalisierung</strong><br />
Dietrich Maschmeyer, IGB<br />
<strong>Lügde</strong>, ganz im Osten von Westfalen, gehört<br />
zu den kl<strong>eine</strong>ren, aber bedeutenden Fachwerkstädten<br />
Norddeutschlands. Prägende<br />
für die, in der <strong>Stadt</strong> <strong>Lügde</strong> selbst etwa 5.000<br />
Einwohner starke, noch heute von <strong>eine</strong> Mauer<br />
umschlossene alte <strong>Stadt</strong> waren dann auch<br />
die recht gleichförmigen, kleinbürgerlichen,<br />
in der Regel ursprünglich nur eingeschossig<br />
bewohnten Dielenhäuser. Ein <strong>Stadt</strong>brand Ende<br />
des 18. Jahrhunderts hat, bis auf <strong>eine</strong>n,<br />
alle Straßenzüge zerstört, die danach innerhalb<br />
weniger Jahre in <strong>eine</strong>m bemerkenswert<br />
Skizze der <strong>Lügde</strong>r Innenstadt: Deutlich zu erkennen<br />
ist das mittelalterliche Dreistraßensystem mit der<br />
durchgehenden Hauptstraße (Mittlere Straße) in der<br />
Bildmitte, rechts davon die Vordere Straße und links<br />
die Hintere Straße (Quelle: <strong>Stadt</strong> <strong>Lügde</strong>).<br />
Modell <strong>eine</strong>s typischen Dielenhauses der <strong>Lügde</strong>r Innenstadt<br />
(Foto: Bernd Froehlich, Modell: <strong>Stadt</strong> <strong>Lügde</strong>).<br />
einheitlichen Fachwerkstil wieder aufgebaut<br />
wurden.<br />
Ein bißchen Statistik: <strong>Lügde</strong> hat insgesamt<br />
124 Baudenkmale, davon allein 80 im historischen<br />
<strong>Stadt</strong>kern und 70 davon befinden sich<br />
in privatem Eigentum. Im Bereich der Hinteren,<br />
Mittleren und Vorderen Straße liegen 63<br />
Baudenkmale, davon sind ein knappes Viertel<br />
(15) Leerstände.<br />
Jahrzehntelang wälzte sich der Verkehr <strong>eine</strong>r<br />
stark befahrenen Bundesstraße (Mittlere<br />
Straße) mitten durch den Ort. Das blieb nicht<br />
ohne Auswirkungen: Die Dramatik der verkehrsbedingten<br />
Leerstandsproblematik wird<br />
daran erkennbar, , dass in der viel befahrenen<br />
Mittleren Straße 9 von 25 Baudenkmalen<br />
leer stehen, in der verkehrsberuhigten<br />
Hinteren Straße jedoch k<strong>eine</strong>s von 16. Der<br />
Durchgangsverkehr musste also raus aus<br />
dem Ortskern.<br />
Eine Umgehungsstraße zu bauen war auf<br />
Grund der Topografie des Ortes ungewöhnlich<br />
schwierig. Als sich vor mehr als<br />
15 Jahren gegen <strong>eine</strong>n derartigen Plan Bürgerprotest<br />
formierte, hat der damalige NRW-<br />
Bauminister Christoph Zöpel den damaligen<br />
Leiter der Internationalen Bauausstellung<br />
Emscherpark zum Moderator benannt. Das<br />
führte unter aktiver Beteiligung der <strong>Lügde</strong>r<br />
Bürger zu <strong>eine</strong>r völligen Neukonzeption, bei<br />
der die Straße recht aufwendig als etwa 600<br />
m langer Tunnel vor die <strong>Stadt</strong>mauer direkt neben<br />
das Flussbett der Emmer gelegt wurde.<br />
Als nun absehbar war, dass die <strong>Stadt</strong> 2010<br />
weitgehend frei von Verkehr sein würde,<br />
stand Günter Loges, der Leiter des Fachbe-<br />
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eiches Planen und Bauen der <strong>Stadt</strong> <strong>Lügde</strong>,<br />
vor der Aufgabe, die gravierenden Veränderungen<br />
zu nutzen, um die <strong>Stadt</strong> lebenswerter<br />
zu machen.<br />
Die <strong>Stadt</strong>verwaltung machte das in <strong>eine</strong>r<br />
bemerkenswert demokratischen Weise: Sie<br />
ließ zunächst den Bürgern freie Bahn, selbst<br />
Ideen <strong>zur</strong> Umgestaltung ihrer <strong>Stadt</strong> zu entwickeln.<br />
Loges: „Ich bin wirklich mit <strong>eine</strong>m<br />
weißen Blatt Papier in die erste Versammlung<br />
des Arbeitskreises <strong>Lügde</strong> 2015 gegangen,<br />
weil ich den Bürgern deutlich machen wollte,<br />
dass es nicht m<strong>eine</strong>, sondern ihre <strong>Stadt</strong> ist,<br />
die geplant werden soll.“<br />
Die Vision hieß: <strong>Lügde</strong> 2015 <strong>–</strong> Neues Leben<br />
für die Altstadt. Zur Realisierung wurde das<br />
Gesamtvorhaben in vier Baust<strong>eine</strong> zerlegt,<br />
die jedoch aufeinander abgestimmt sind.<br />
• Shared Space 1 in der <strong>Stadt</strong> <strong>–</strong> Emmeraue<br />
• Shared Space für <strong>eine</strong> Umgestaltung der<br />
Ortsdurchfahrt<br />
• Aufwertung des Einzelhandelsstandortes<br />
Historischer <strong>Stadt</strong>kern<br />
• Aufwertung des Wohnstandortes Historischer<br />
<strong>Stadt</strong>kern<br />
Zunächst widmete man sich der Gestaltung<br />
und Nutzung der Auen des Flüsschens Emmer.<br />
„Dieser Fluss war bis jetzt eigentlich gar<br />
nicht sichtbar“, so Loges. „Jetzt wird er bewusst<br />
in das Leben der Bürger einbezogen.“<br />
Über dem Tunnel wurde mit Unterstützung<br />
<strong>eine</strong>s der renommiertesten Büros <strong>eine</strong> „bewohnbare“<br />
Parklandschaft geplant, die die<br />
Bewohner der Altstadt gut gebrauchen können,<br />
mangelt es doch in der Enge der mittelalterlichen<br />
<strong>Stadt</strong> sehr an größeren Frei- und<br />
Grünflächen. Und die Altstadt soll und wird<br />
nach den Plänen wieder verstärkt als Wohnbereich<br />
genutzt. Dem kommt entgegen, dass<br />
der <strong>Stadt</strong>rat angesichts der schon jetzt leicht<br />
rückläufigen Bevölkerungsentwicklung bereits<br />
vor längerer Zeit beschlossen hat, k<strong>eine</strong><br />
Neubaugebiete mehr zu planen.<br />
1 Shared Space (deutsch: etwa „gemeinsam genutzter<br />
Raum“) bezeichnet <strong>eine</strong> Planungsphilosophie, nach der<br />
vom Verkehr dominierter öffentlicher Straßenraum lebenswerter<br />
werden soll. Charakteristisch ist dabei auch<br />
die Gleichberechtigung der Verkehrsteilnehmer. Das Planungsmodell<br />
wurde federführend vom Niederländer Hans<br />
Monderman in den 1990-er Jahren entwickelt und findet<br />
heute weltweit Anwendung.<br />
54<br />
Die Enge der <strong>Stadt</strong> und der Mangel an Freiflächen<br />
wird deutlich durch die äußerst schmalen Traufgassen<br />
zwischen den Häusern (Fotos: Bernd Froehlich)<br />
Nach der Fertigstellung der Umgehung <strong>geht</strong><br />
es nun an <strong>eine</strong> <strong>Revitalisierung</strong> <strong>–</strong> gerade im<br />
Bereich der Straßenzüge, die bisher durch<br />
den Verkehr stark beeinträchtigt wurden. Das<br />
hatte nämlich zu <strong>eine</strong>r schleichenden Abwanderung<br />
vieler Läden aus der <strong>Stadt</strong> geführt.<br />
Jetzt hat man beschlossen, k<strong>eine</strong>m Bau von<br />
Der Holznagel 5/2010
größeren Läden außerhalb des Bereiches der<br />
Kernstadt mehr zuzustimmen.<br />
Stattdessen hat man sich vorgenommen, einige<br />
Häuserblocks im Zentrum der Altstadt<br />
als <strong>eine</strong> Art Ladenpassage zu gestalten und<br />
auch vom Innenbereich des Blocks her zu erschließen.<br />
Mit diesem Konzept verfolgt man<br />
vor allem das Ziel, größere, mit der historischen<br />
<strong>Stadt</strong>struktur unverträgliche Neubauten<br />
dadurch überflüssig zu machen, dass<br />
man die vorhandenen historischen Bauten<br />
so aufschließt und kombiniert, dass in ihnen<br />
selbst die benötigten Verkaufsflächen geschaffen<br />
werden.<br />
Ein besonders ambitioniertes Teil-Projekt dieser<br />
Art <strong>–</strong> Marienhöfe <strong>–</strong> befindet sich im nördlichen<br />
<strong>Stadt</strong>bereich, im Bereich der „Einfahrt“<br />
in den historischen <strong>Stadt</strong>kern. Genau hier<br />
befindet sich auch das größte Sorgenkind<br />
der <strong>Stadt</strong> <strong>–</strong> ein leer stehendes Baudenkmal<br />
<strong>–</strong> und hier sollen nach dem Integrierten Entwicklungskonzept<br />
Impulse gesetzt werden.<br />
Bleibt nur zu hoffen, dass die Investoren dieses<br />
zukunftsweisende und vor allem mit der<br />
Bürgerschaft selbst entwickelte Konzept akzeptieren<br />
und gut umsetzen.<br />
Angesichts der Aufbruchstimmung, die <strong>Lügde</strong><br />
vermittelt, verwundert es nicht, dass die<br />
Altstadtzugang NORD: Der Platz vor den drei historischen<br />
Häusern <strong>–</strong> zwischen Mittlerer und Vorderer<br />
Straße soll durch <strong>eine</strong>n Brunnen, Baumbepflanzung<br />
und mit Plattenbändern und Kleinpflaster optisch aufgewertet<br />
werden (Quelle: <strong>Stadt</strong> <strong>Lügde</strong>).<br />
<strong>Stadt</strong> auch in der praktischen Denkmalpflege<br />
<strong>neue</strong> <strong>Wege</strong> beschreitet. Die lange Zeit empfohlenen<br />
Gestaltungssatzungen haben sich<br />
auf Grund ihres zu abstrakten Charakters<br />
Das „Sorgenkind“ in der Mitte soll Eingang/ Durchgang für den umgestalteten Blockinnenbereich werden <strong>–</strong> s.a.<br />
Kennzeichnung mit „X“ in der oberen Grafik (Foto: Bernd Froehlich).<br />
Der Holznagel 5/2010 55<br />
x
in der konkreten Umsetzung mittlerweile als<br />
wenig tauglich erwiesen, um die Veränderungen<br />
des Ortsbildes in geregelte Bahnen<br />
lenken zu können. An ihre Stelle tritt für die,<br />
als erhaltenswert eingestuften Gebäude ein<br />
konkreter und im wesentlichen verbindlicher<br />
Pflegeplan, dessen Festlegungen k<strong>eine</strong> Interpretationsprobleme<br />
mehr bereiten.<br />
Das hohe bürgerschaftliche Engagement,<br />
das Günter Loges für die <strong>Stadt</strong> aktivieren<br />
konnte, macht gespannt darauf, wie <strong>Lügde</strong><br />
2015 tatsächlich aussehen wird.<br />
Wir drücken die Daumen, dass es gelingt!<br />
56<br />
Plan für die Entwicklung des Blockinnenbereiches<br />
und Schließen des Blockrandes durch Bebauung und<br />
Integration des südlichen Blocks und Aufwertung der<br />
Verbindungswege (Quelle: <strong>Stadt</strong> <strong>Lügde</strong>).<br />
Marienhöfe: Illustrationen<br />
der geplanten<br />
Außenansicht<br />
und Eingangssituation<br />
(oben) und der<br />
Innenhofansicht<br />
(unten) (Quelle:<br />
<strong>Stadt</strong> <strong>Lügde</strong>).<br />
Der Holznagel 5/2010