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report Salzburg 2012 - Neustart

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eport<br />

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Häf’n für Reiche?<br />

Ein Gegenbeispiel<br />

Mag. Anton Urthaler arbeitet bei NEUSTART in den Bereichen Haftentlassenenhilfe, Bewährungshilfe und<br />

Tatausgleich. Seit der Einführung des elektronisch überwachten Hausarrests macht er auch Erhebungen und<br />

Betreuungen im Rahmen des elektronisch überwachten Hausarrests.<br />

Bei Einführung des elektronisch überwachten Hausarrests<br />

im September 2010 beschäftigte die Medien die Frage, ob<br />

damit in erster Linie einigen prominenten Verurteilten der<br />

Aufenthalt in der Justizanstalt erspart werden sollte. Ehemalige<br />

Bankdirektoren oder Manager könnten – so wurde<br />

spekuliert – die Strafe in ihrem Penthouse „verbüßen“ statt<br />

in einer engen Gefängniszelle. Haben sich diese Spekulationen<br />

nach bald zwei Jahren erfüllt?<br />

Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass der typische Fußfesselträger<br />

keineswegs ein prominenter Ersttäter ist. Nur etwa ein<br />

Fünftel der Absolventen des elektronisch überwachten<br />

Hausarrests hat keine Vorstrafe, ein weiteres Fünftel hat eine<br />

Vorstrafe. Ein Drittel hat zwischen zwei und fünf Verurteilungen<br />

und immerhin ein Viertel hat mehr als fünf Vorstrafen.<br />

Mehr als die Hälfte der Klienten war vor dem elektronisch<br />

überwachten Hausarrest bereits einmal in Strafhaft. In<br />

dieser Hinsicht ist das Klientel des elektronisch überwachten<br />

Hausarrests durchaus mit jenem der Bewährungshilfe<br />

vergleichbar.<br />

Was der elektronisch überwachte Hausarrest für einen Bewährungshilfe-Klienten<br />

bedeuten kann, zeigt das Beispiel von<br />

Herrn K. Der 25-Jährige wurde wegen eines Körperverletzungsdelikts<br />

zu einer fünfmonatigen unbedingten Freiheitsstrafe<br />

verurteilt. Er hatte vom elektronisch überwachten<br />

Hausarrest gehört und erkundigte sich bei seiner Bewährungshelferin<br />

nach den Voraussetzungen. Bislang eher sporadisch<br />

beschäftigt, fand er nach intensiver Suche Arbeit<br />

und beantragte den Strafvollzug im Rahmen des elektronisch<br />

überwachten Hausarrests.<br />

Die Erhebung ergab, dass die Unterkunft, ein winziges Zimmer<br />

in einer Billigpension, nicht geeignet war, zumal es laufend<br />

Konflikte mit Mitbewohnern gab und der Alkoholkonsum<br />

im Haus beträchtlich war. Da er zusätzlich die Arbeit<br />

verlor, wurde sein Antrag abgelehnt.<br />

Herr K. erhob dagegen Beschwerde und fand in der Frist<br />

eine Anstellung bei einem Personalbereitstellungsunternehmen.<br />

Der zuständige Sachbearbeiter sicherte durchgehende<br />

Beschäftigung zu, sofern Herr K. bereit sei, jede ihm zugewiesene<br />

Tätigkeit anzunehmen. Außerdem zog er für die Zeit<br />

des Hausarrests zu seinen Eltern, was ihn einige Überwindung<br />

kostete. Die Voraussetzungen für den elektronisch<br />

überwachten Hausarrest lagen nun vor und seiner Beschwerde<br />

wurde stattgegeben. Mit seinem Einverständnis<br />

wurde per Weisung ein absolutes Alkoholverbot verhängt,<br />

das mittels Alkomat mehrmals pro Tag kontrolliert wurde.<br />

Um die Erfolgschancen zu erhöhen, wurde in Absprache mit<br />

der Bewährungshelferin eine dichte Kontaktfrequenz vereinbart<br />

(regelmäßig ausführliche Betreuungsgespräche, häufige<br />

Telefonkontakte).<br />

Der Hausarrest verlief dennoch nicht ganz ohne Zwischenfälle.<br />

Einmal erhielt Herr K. eine Verwarnung, weil er sich in<br />

seinen Ausgangszeiten geirrt hatte und telefonisch für die<br />

Überwachungszentrale nicht erreichbar war. In seiner Unbekümmertheit<br />

hatte er das Handy zu Hause vergessen. Insgesamt<br />

absolvierte er den elektronisch überwachten Hausarrest<br />

aber erfolgreich und wurde nach Verbüßung von zwei<br />

Dritteln der Strafe bedingt entlassen. Noch während des<br />

elektronisch überwachten Hausarrests übersiedelte er in<br />

eine eigene Wohnung.<br />

Herr K. konnte im elektronisch überwachten Hausarrest<br />

Erfahrungen machen, die das Vertrauen in seine eigenen<br />

Fähigkeiten stärkten. Er schaffte es, über mehrere Monate<br />

regelmäßig und pünktlich am Arbeitsplatz zu erscheinen –<br />

für ihn vorher keine Selbstverständlichkeit. Es gelang ihm,<br />

sein Kommunikationsverhalten so zu kontrollieren, dass er<br />

nicht ständig befürchten musste, seine Beschäftigung zu<br />

verlieren. Und er stellte fest, dass er nicht jeden Tag ein paar<br />

Bier trinken muss. Die dadurch gewonnene Klarheit ermöglichte<br />

es ihm, in den Gesprächen sein bisheriges Leben,<br />

seine nicht unproblematische Beziehung und sein Deliktverhalten<br />

zu reflektieren.<br />

Zu Beginn herrschte durchaus Skepsis, dass Herr K. den<br />

elektronisch überwachten Hausarrest erfolgreich hinter sich<br />

bringen könnte. Entscheidend zum Erfolg beigetragen hat<br />

neben der Motivation des Klienten sicher auch die gute Kooperation<br />

mit der Justizanstalt und der Bewährungshelferin.<br />

– anton.urthaler@neustart.at –

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