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Ausgabe 21/2007 - Fachhochschule Lübeck

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Öffnungszeiten<br />

<strong>21</strong>/<strong>2007</strong><br />

Magazin zur<br />

Designwissenschaft<br />

Designlabor<br />

<strong>Fachhochschule</strong> <strong>Lübeck</strong>


3 Editorial<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Felicidad Romero-Tejedor und Rolf Küster<br />

4 Design als dritte Kultur<br />

Holger van den Boom<br />

10 Technik und Design.<br />

Passt das? das muss passen!<br />

Hinrich Ecklundt<br />

16 Betrachtungen zum Systemdesign<br />

Rolf Küster<br />

18 Der denkende Designer<br />

Felicidad Romero-Tejedor<br />

24 Farbige Schatten<br />

Wulf Rehder<br />

32 Urteil und Design<br />

Stephen Rust<br />

36 diplomarbeiten-corner<br />

Computeranwendung zur didaktischen planung fuer<br />

kursautoren<br />

Ana Saá-Jaramillo<br />

Ergonomische Visualisierung digitaler Daten eines<br />

Anaesthesiearbeitsplatzes<br />

Kerstin Ewert<br />

38 Oeffnungszeiten. was bisher geschah<br />

oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong> 1


2<br />

Die Autoren<br />

Univ.-Prof. Dr. habil. Holger van den Boom geb. 1943 in Kiel. Ausbildung als Grafikdesigner.<br />

Studium der Philosophie, Mathematik, Linguistik an der Universität Köln. Promotion 1974. Habilitation<br />

TU Berlin 1982. Seither Professor für Designwissenschaft an der Hochschule für Bildende Künste<br />

Braunschweig; Leiter der Arbeitsstelle für Designinformatik | Prof. Dr. Hinrich Ecklundt<br />

geb. 1946. Studium der Elektrophysik an der TU Braunschweig. 1972–1979 DFG-Förderung für Forschung<br />

zur Flugnavigation, TU Braunschweig, daraus Promotion. 1979–1985 SEL (-Alcatel), Stuttgart. 1985–1990<br />

Entwickler bei Philips Medizin-Systeme Hamburg. 1990–1991 Entwicklungschef der H. Berthold AG in<br />

Berlin. Seit 1991 Professor an der FH <strong>Lübeck</strong> | Dipl.-Ing. (FH) Kerstin Ewert IGi-Absolventin<br />

<strong>2007</strong>. Ab dem 1.11.07 als Usability Engineer bei User Interface Design GmbH in Mannheim | Prof.<br />

Dr. Dr. Rolf Kuester geb. 1968 in Braunschweig. Studium der Physik an der TU Braunschweig<br />

sowie Design an der HBK Braunschweig. Promotion in Designwissenschaft 2001. Forschungstätigkeit<br />

bei der Fraunhofer-Gesellschaft 2002–2006. Zweitpromotion zum Dr.-Ing. 2006. Seit 2006 Professor an<br />

der FH <strong>Lübeck</strong>, seit <strong>2007</strong> Co-Leiter des Designlabors | Dr. Wulf Rehder geb. 1947. Studium der<br />

Mathematik und Physik. Nach Universitätslaufbahn in Berlin, Tokyo, Denver und San Jose/Kalifornien<br />

Manager und Vice President bei Silicon-Valley-Firmen. Seit 2003 Berater, Börsenspekulant und Privatgelehrter<br />

im Weinland nördlich von San Francisco | Prof. Dr. Felicidad Romero-Tejedor<br />

geb. 1967 in Barcelona. Studium Design an der Universitat Barcelona, 1990 Licenciatura. 1995 Promotion.<br />

Lehraufträge für Design an der HBK Braunschweig und an der FH Hannover. Vertretungsprofessur an<br />

der FH Flensburg. Seit 2002 Professorin für Design digitaler Medien an der FH <strong>Lübeck</strong>. 2004 Gründung<br />

des Designlabors | Dipl.-Des. Dipl.-psych. Stephen Rust geb. 1964 in Wolfsburg.<br />

Studium Industrial Design an der HBK Braunschweig und Kognitionspsychologie an der TU<br />

Braunschweig. Über zehn Jahre Tätigkeit als selbständiger Designer. Zurzeit Wiss. Mitarbeiter an<br />

der HBK Braunschweig für Anwendung neurophysiologischer Methoden im Design. Lehrtätigkeit<br />

(Typografie, Branding, Usability, Kognitionspsychologie) in der Hochschule Wernigerode, FH<br />

Magdeburg und HBK Braunschweig | Dipl.-Ing. (FH) Ana Saa Jaramillo IGi-Absolventin<br />

2006. Design Developer bei VoicInt Telecommunications GmbH in Dortmund.<br />

Impressum<br />

Öffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft <strong>21</strong> / <strong>2007</strong><br />

18. Oktober <strong>2007</strong><br />

Herausgegeben vom Designlabor, <strong>Fachhochschule</strong> <strong>Lübeck</strong> | Redaktionsmitglieder<br />

Prof. Dr. Felicidad Romero-Tejedor, Prof. Dr. Dr. Rolf Küster, Prof. Dr. Hinrich Ecklundt | Externer Berater<br />

Prof. Dr. habil. Holger van den Boom | Layout & Illustration Felicidad Romero-Tejedor<br />

Für die Inhalte der Beiträge sind die Autoren verantwortlich<br />

© FH <strong>Lübeck</strong><br />

oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>


Editorial<br />

Um sechs Uhr morgens an einem dunklen Wintertag des Jahres<br />

1996 saßen Holger van den Boom und Felicidad Romero-Tejedor<br />

in der Küche beim Frühstück – und suchten nach einem<br />

Titel für die »Papiere zur Designwissenschaft«, die neu zu<br />

gründende Zeitschrift der Arbeitsstelle für Designinformatik<br />

der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig. Der Zufall<br />

wollte es, dass unser Blick auf einen Prospekt der Braunschweiger<br />

Schwimmbäder fiel. »Öffnungszeiten. Das leuchtet ein! Es<br />

ist Zeit, sich zu öffnen!«. Mit den Öffnungszeiten wollten wir<br />

transparenter werden und für die weitere Konsolidierung der<br />

Designwissenschaft werben. Was bringen die Psychologie,<br />

die Physik, die Mathematik, die Linguistik… dem Design? Im<br />

Laufe der Zeit fanden sehr unterschiedliche Themen Eingang:<br />

Arbeitsprozesse im kreativen Bereich, Fraktale Geometrie und<br />

ihre Anwendung in künstlerischen Prozessen, Überlegungen<br />

zur Designausbildung und Designmethodologie, Differenz von<br />

Artefakt und natürlicher Form. Themen der Elektrotechnik<br />

mit Beziehung zum Design wurden regelmäßig von Dr.-Ing.<br />

Diethard Janssen (Arbeitsstelle für Designinformatik) erörtert.<br />

Prof. Dr. Gunnar Prause von der FH Wismar bereicherte<br />

das Angebot durch Beiträge zu Wirtschaft und Design (z.B.<br />

Automobilmarketing). Auswärtige Beiträge stammten etwa<br />

von Univ.-Prof. Dr. Leshan Li und seinen Mitarbeitern Wenjia<br />

Bai und Zhongqiu Su von der Universität Xian Jiaotong<br />

(China), von Mario Prokop – seinerzeit Gastprofessor an der<br />

HBK Braunschweig –, Univ.-Prof. Dr. Alfred Hückler – damaliger<br />

Professor an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee –,<br />

von Univ.-Prof. Bernd Löbach, Univ.-Prof. Dr. Stephan Rammler<br />

und Univ.-Prof. Ulrike Stoltz – Hochschullehrer der HBK<br />

Braunschweig –, von dem Mathematiker, Physiker, Manager<br />

und Präsident bei Silicon-Valley-Firmen Dr. Wulf Rehder (USA)<br />

und dem ehemaligen Diplomanden der HBK Braunschweig<br />

und Semiotiker an der TU Berlin André Baumunk. Aber auch<br />

Studierende der HBK Braunschweig kooperierten mit Öffnungszeiten.<br />

Markus Schweizer, Jörn Gröticke, Matthias Lossau,<br />

Steffen Schmerse, Almuth von der Planitz, Martin Markwort,<br />

Kaja Bartel, Christine Pleines, Mehmet Isin Fidan, Karin Bertke,<br />

Thomas Milewski, Ralf Meier, Manuel Windmann. Sie alle<br />

trugen dazu bei, dass Öffnungszeiten auch ein Mitteilungsorgan<br />

über außergewöhnliche Leistungen von Studierenden wurde.<br />

Als Doktorand der HBK Braunschweig sorgte der damalige<br />

Dipl.-Physiker und Dipl.-Designer Rolf Küster<br />

für ein weiterentwickeltes Layout der Zeitschrift<br />

sowie für Aufsätze über Physik und Design.<br />

Wir möchten nicht gerade behaupten, Öffnungszeiten sei das<br />

maßgebende Organ der Designwissenschaft in Deutschland<br />

geworden. Doch wir dürfen uns durchaus rühmen, beachtet<br />

worden zu sein. Nicht selten, dass Doktoranden deutscher und<br />

ausländischer Hochschulen im Design- und Architekturbereich<br />

sich auf Beiträge in Öffnungszeiten beriefen. In Büchern und Aufsätzen<br />

wurden die Öffnungszeiten zitiert. Wir wissen daher, dass<br />

dieses Instrument nicht ganz unwichtig war und ist. Von einigen<br />

Lesern wie Univ.-Prof. Dr. Frieder Nake (Universität Bremen),<br />

Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Jonas (Universität Kassel) und Prof.<br />

Cornelia Hentschel (FH Wismar) kamen ermunternde Briefe.<br />

Heute, im Jahr <strong>2007</strong>, treffen wir uns wieder an der FH <strong>Lübeck</strong>.<br />

Wir, Felicidad Romero-Tejedor und Rolf Küster, leiten<br />

gemeinsam das Designlabor. Das Designlabor ist seit<br />

2004 eine Lehr- und Forschungseinrichtung des Designs<br />

im Fachbereich Elektrotechnik. Das Designlabor soll der<br />

kognitiv-ergonomischen Designforschung dienen.<br />

2005 erschien die <strong>Ausgabe</strong> 19/20 der Öffnungszeiten. Wir<br />

glaubten, dies sei die letzte <strong>Ausgabe</strong> gewesen, da der bisherige<br />

Herausgeber, Univ.-Prof. Dr. habil. Holger van den Boom,<br />

seiner Pensionierung entgegen sah. Er regte uns aber an,<br />

die Öffnungszeiten an die FH <strong>Lübeck</strong> zu verlegen, die Notwendigkeit<br />

einer solchen Aktivität bestehe mehr denn je.<br />

Wir wollen nicht ganz von vorne beginnen. Wir wollen die<br />

zehnjährige Kontinuität der designwissenschaftlichen Thematik<br />

von Öffnungszeiten fortsetzen. Wir möchten den gedanklichen<br />

Austausch mit anderen Hochschulen pflegen und die Forschungsaktivität<br />

des Designlabors nach außen darstellen. Dabei<br />

werden wir uns weiterhin freuen, wenn wir auch Beiträge von<br />

außerhalb des Designlabors der FH <strong>Lübeck</strong> drucken dürften.<br />

Der bisherige Herausgeber der Zeitschrift, Holger van den<br />

Boom, bleibt uns als externer Berater erhalten. Damit können<br />

wir weiterhin auch mit Beiträgen von ihm rechnen. Die<br />

Redaktion wird gegenwärtig von Felicidad Romero-Tejedor<br />

– seit 1996 dabei als Mitbegründerin und Redaktionsmitglied<br />

– und Rolf Küster – seit 1997 Autor und seit 1998<br />

Redaktionsmitglied – gebildet. Auch den Gründer von<br />

IGi, Hinrich Ecklundt, dürfen wir zur Redaktion zählen.<br />

Wir hoffen, dass diese Initiative Früchte tragen wird und wünschen<br />

inzwischen viel Vergnügen bei der Lektüre von Öffnungszeiten<br />

<strong>21</strong>/<strong>2007</strong>, der Zeitschrift des Designlabors der FH <strong>Lübeck</strong>!<br />

Mit den besten Grüßen,<br />

Felicidad Romero-Tejedor und Rolf Küster<br />

oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong> 3


Design<br />

4<br />

Dritte Kultur<br />

oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>


Holger van den Boom<br />

Design als dritte Kultur<br />

Musik ist, wenn das Handy schellt. Der Sensiblere wählt<br />

selbstverständlich Mozarts Divertimento in C-Dur. Ich habe<br />

schon Kinderlachen, Hahnenkrähen gehört und, ja, auch: eine<br />

altmodische Telefonklingel. Unter den originellsten Tönen<br />

war das berühmte: »Rahn müsste schießen… Rahn schießt…<br />

Toooor!!!«. Musik in unseren Ohren! Ich persönlich bevorzuge<br />

Takte aus der Symphonie Pastorale Beethovens, untermalt<br />

mit Vogelzwitschern. Denn wählen muss man. Wählen bleibt<br />

uns nicht erspart. Man könnte natürlich den voreingestellten<br />

Ton da lassen, wo er ist. Aber auch das ist eine Wahl.<br />

Design nennen wir das, was uns zu wählen zwingt.<br />

Glaubt man einigen Glaubensbrüdern, musste sogar der liebe<br />

Gott einst wählen. Als er die Welt erschuf. Der, mal abgesehen<br />

davon, große Denker Gottfried Wilhelm Leibniz dachte sich<br />

in seinem Werk Theodizee (1710) die formidable Idee aus,<br />

Gott habe die beste aller möglichen Welten zur Realisierung<br />

ausgewählt, per »Intelligent Design«, wie die Glaubensbrüder<br />

im amerikanischen Slang sagen. Nun, darauf antwortete<br />

der französische Aufklärer Voltaire (Candide, 1759): Für<br />

diese hirnrissige Idee habe Leibniz einen kräftigen Tritt in<br />

den Hintern verdient (das Wort »hirnrissig« ist von mir, der<br />

»kräftige Tritt in den Hintern« von Voltaire). Da die angeblich<br />

»beste aller möglichen« Welten nämlich der schlechtesten<br />

aller möglichen Welten noch so verdammt ähnlich ist, müsste<br />

ein moralisch intakter Gott auf ihre Realisierung verzichtet<br />

haben! Als moralische Instanz ist Gott denn auch spätestens<br />

seit Auschwitz tot (F. Nietzsche, Th. W. Adorno), als intelligenter<br />

Designer lebt er fröhlich weiter, sogar in Deutschland; hier<br />

sondern zwar nicht Präsidenten, aber doch Landesminister<br />

gelegentlich, und immer ungenierter, öffentlich die Meinung<br />

ab, in den Schulen solle Gottes »Intelligent Design« behandelt<br />

werden. Nach dem aufgeklärten katholischen Theologen Hans<br />

Küng (Der Anfang aller Dinge, 2005) dürfte solcher Unsinn<br />

allerdings nicht einmal im Religionsunterricht stattfinden.<br />

Albert Einstein hat uns außer dem bedeutenden Grundsatz:<br />

»Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die<br />

menschliche Dummheit, beim Universum bin ich mir nicht<br />

ganz sicher«, noch zwei andere Grundsätze hinterlassen:<br />

»Gott würfelt nicht« und »Gott hatte keine Wahl«. Diese<br />

beiden Grundsätze schließen aus, dass Gott beruflich als<br />

Designer tätig war. Denn wir Designer stützen uns gewöhnlich<br />

gerade aufs Auswürfeln und nachfolgendes Selektieren.<br />

Übrigens auch die Natur. Darwins Evolutionstheorie beruht<br />

auf dem Würfeln (zufällige Mutationen) und der natürlichen<br />

Zuchtwahl (Selektion). Es ist schwer nachzuvollziehen,<br />

inwiefern das »Intelligent Design« ein Gegenargument gegen<br />

die Evolution sein soll: Die Vertreter des »Intelligent Design«<br />

verlegen doch nur eine Kopie des Evolutionsprozesses<br />

als Designprozess ins himmlische Designbüro. Design und<br />

Evolution beruhen beide auf Variantenbildung und Auswahl<br />

unter Kriterien: Der Zusatz »intelligent« zum Design<br />

ist höchst verräterisch; er verrät, dass Gott offenbar seine<br />

unintelligenten Entwürfe in den himmlischen Papierkorb<br />

befördert und nur die intelligenten real produziert hat.<br />

Lassen wir nun den anthropomorphen Designer-Gott aber<br />

doch beiseite und konzentrieren uns auf eine andere Frage.<br />

Es gehört inzwischen zur internationalen Zitier-Folklore, zu<br />

erwähnen, dass in den Fünfzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts<br />

der englische Schriftsteller Sir Charles Percy Snow,<br />

gelernter Chemiker, beredt den Auseinanderfall der »zwei<br />

Kulturen« beklagt hat, den Auseinanderfall von Geisteswissenschaft<br />

(humanities) und Naturwissenschaft (science). Seitdem<br />

sind ähnliche Klagelaute nicht abgerissen. Dabei scheinen<br />

sich doch Mozart und Vodafone gut zu vertragen. Entgegen<br />

anders lautenden Gerüchten gibt es Ingenieure, die Goethes<br />

Faust kennen (wenngleich, wie Kritiker sagen, wenig beherzigen).<br />

Auf der anderen Seite, so Snow, kennen die Intellektuellen<br />

den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik nicht. Den<br />

oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong> 5


6<br />

zweiten Hauptsatz nicht zu kennen, das sei, als ob man noch<br />

nie etwas von Shakespeare gehört hätte. Entgegen anders<br />

lautenden Gerüchten soll es aber auch Ingenieure geben, die<br />

den zweiten Hauptsatz nicht wirklich verstanden haben. Es<br />

gab und gibt gerade viele Ingenieure, die zu den Einsendern<br />

von Erfindungen der Kategorie perpetuum mobile an die<br />

Patentämter und physikalischen Institute gehören. Der wissenschaftliche<br />

Experte III. Klasse am Schweizerischen Patentamt<br />

zu Bern, Albert Einstein, wusste ein Lied davon zu singen.<br />

Zu den liebgewordenen Gehässigkeiten in diesem Streit gehört<br />

die bekannte Unterscheidung von »weichen« und »harten«<br />

Fächern. Die Harten werfen den Weichen vor, sie seien<br />

Schwätzer; die Weichen replizieren, die Harten hätten eben<br />

ein Brett der Engstirnigkeit vor dem Kopf. Das alles könnte ein<br />

ganz amüsantes Gestreite sein, wüssten sich nicht eine Menge<br />

Leute des modischen Typus Politiker parteiisch auf die Seite<br />

der Harten zu schlagen – aus ökonomischen Gründen. Die<br />

Weicheier bringen halt nichts in die Kasse. Dabei vergessen die<br />

Politiker natürlich, dass die Zivilisation (von der Kultur gar nicht<br />

zu reden) der viel beschworenen Zivilgesellschaft aus dem an<br />

sich kostengünstigen weichen Lager stammt, die Atomwaffen<br />

etc. hingegen aus dem harten Lager. Was ein demokratischer<br />

Rechtsstaat ist (dem sich auch der Typus Politiker verdankt)<br />

und warum wir ihn bevorzugen, darüber haben die Weichen<br />

nachgedacht, deren Fächer jetzt an den Hochschulen radikal<br />

beschnitten werden. Das könnte sich einmal bitter rächen.<br />

Der amerikanische Literaturagent und Populärwissenschaftler<br />

John Brockman wollte dem ganzen Zauber jedenfalls ein<br />

Ende bereiten und erfand – dafür ist er berühmt geworden<br />

– die »dritte« Kultur (The Third Culture, deutsch 1996). Er hat<br />

nämlich beobachtet, dass allzu viele aus unserer Nachkommenschaft<br />

weder vom zweiten Hauptsatz noch von Shakespeare<br />

etwas gehört haben. Er kenne sogar Hochschulprofessoren,<br />

die weder vom einen noch vom anderen Genaueres wüssten.<br />

Dementsprechend schlug er vor, in den Schulen dafür<br />

zu sorgen, dass Shakespeare mit dem zweiten Hauptsatz auf<br />

derselben Bühne spielt. Bildung, der einzige Nährboden des<br />

demokratischen Rechtsstaates, erlebt jedoch derzeit eine<br />

schwache Konjunktur. Eine überhitzte Konjunktur dagegen<br />

haben Kurse – wieder ein fabelhaft verräterisches Wort.<br />

Dahinter steht das Bild des Lehrers als Fahrlehrer, stream<br />

line. Der Lehrer, ein persönliches Vorbild? Das war einmal.<br />

Dietrich Schwanitz behauptet in seinem lesenswerten Bestseller<br />

Bildung schlicht und einfach, der zweite Hauptsatz<br />

gehöre nicht zur Bildung. Das brachte den populärwissenschaftlichen<br />

Bestsellerautor Ernst Peter Fischer so auf die<br />

Palme, dass er sich genötigt sah, das ebenso lesenswerte<br />

Buch Die andere Bildung zu schreiben. Es steht damit 1:1.<br />

So wären wir wieder da, wo wir schon einmal standen.<br />

Wie war das mit der »dritten« Kultur? Die Zauberformel,<br />

oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>


auf die Brockman setzte, war Interdisziplinarität. Die dritte<br />

Kultur ist die interdisziplinäre Kultur. Der neue, gebildete<br />

Kulturvertreter denkt interdisziplinär, ohne Scheuklappen,<br />

hart und weich zugleich. Und zwar deshalb, weil die moderne<br />

Gesellschaft dies ultimativ von uns allen fordere. Wieso das?<br />

Brockman: Die moderne Gesellschaft habe eine Qualität, die<br />

sie von jeder vorhergehenden Gesellschaftsformation unterscheide,<br />

unsere Gesellschaft sei komplex. Nicht bloß kompliziert,<br />

sondern komplex. Wer in der komplexen Gesellschaft<br />

mit Simpellösungen daher komme, sei auch ökonomisch nicht<br />

up to date. Komplexität, so der amerikanische Physik-Nobelpreisträger<br />

Murray Gell-Mann (The Quark and The Jaguar,<br />

1994), sei das Wissenschaftsthema des <strong>21</strong>. Jahrhunderts.<br />

Diese These vertrat auch, freilich schon zwanzig Jahre früher,<br />

der deutsche Soziologe Niklas Luhmann. Auf Komplexität<br />

haben weder die Weichen noch die Harten je für sich eine<br />

Antwort. Was Komplexität ist, erläutert Gell-Mann: Ein<br />

Physiker könne gedanklich ein Jaguarkapi auf einen Haufen<br />

Quarks und Elektronen reduzieren. Aber aus einem<br />

Haufen Quarks und Elektronen gedanklich ein Jaguarkapi<br />

zu rekonstruieren, schlage vollkommen fehl: hier begegne<br />

man der Komplexität. Luhmann schlug vor, Strategien der<br />

Komplexitätsreduktion zu untersuchen. Komplexitätsreduktion<br />

ist kein Reduktionismus – der ist vielmehr genau<br />

das Gegenteil davon. Komplexitätsreduktion bedeutet nicht<br />

Vereinfachung, keine Simplifizierung der Tatbestände.<br />

Komplexitätsreduktion ist – Design. Design ist das, was uns zu<br />

wählen zwingt. Design besteht aus Selektionsmustern (siehe F.<br />

Romero-Tejedor in diesem Heft). Design, so Brockman, ist ein interdisziplinärer<br />

Begriff. Design selektiert aus der komplexen Fülle<br />

der Möglichkeiten. Design reduziert Komplexität. Von Vereinfachung<br />

unterschiedet sich Design dadurch, dass es nicht Möglichkeiten<br />

negiert, vernichtet, sondern fallweise auswählt, dieses<br />

Mal diese, ein anderes Mal jene Möglichkeiten. Selektionsmuster<br />

sind kognitive Muster, alles Design ist Cognition Design 1 .<br />

Interdisziplinarität, das hieß bislang vor allem: man möchte<br />

gern, aber man kann nicht. Jede der beiden Kulturen war schon<br />

damit zufrieden, die jeweils andere »Sprache« überhaupt zu<br />

verstehen. Es gab – oder man fand – keine gemeinsamen Aufgaben.<br />

Sie stellen sich jetzt von selbst. Es sind die Designaufgaben.<br />

Diese Aufgaben rücken gesellschaftlich immer mehr in den<br />

Mittelpunkt. Mehr noch, bodenständige Aufgaben der beiden<br />

Kulturen bilden inzwischen tendenziell eine Schwundkategorie.<br />

Die Wissenschaften beider Kulturen »versemiotisieren« sich,<br />

»verdesignen« sich immer mehr. Extremes Beispiel: Die neuen<br />

europäischen Sternwarten in Südamerika wurden konsequent<br />

nach der Art des durch Design aufbereiteten Bildmaterials<br />

entworfen und technisch realisiert, das man durch sie gewinnen<br />

wollte. Längst spielt in der Astronomie die rein technische<br />

Frage der »Auflösung« des optischen Systems nicht mehr die<br />

oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong> 7<br />

7


8<br />

entscheidende Rolle. Ein anderes Beispiel: Moderne Atomkraftwerke<br />

werden um das Cognition Design der Leitwarte »herumgebaut«,<br />

nicht mehr umgekehrt: Die hard core-Probleme sind<br />

weitgehend gelöst, verglichen mit den soft ware-Problemen des<br />

Cognition Designs. Wie wir inzwischen bitter lernen mussten,<br />

stecken gerade hier die Sicherheitsprobleme der Atomkraftwerke.<br />

Auf der anderen Seite bedienen sich Architekten<br />

meteorologischer Software, um das gesellschaftliche Geschehen<br />

in der Umgebung des zu entwerfenden Gebäudes zu simulieren:<br />

den Verkehr, ein- und ausströmende Menschen usw.<br />

Als ich vor Jahrzehnten wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts<br />

für Sprachwissenschaft der Universität Köln war, begegnete<br />

ich bereits typisch modernen Designproblemen: Wie kann<br />

man ein Handbuch zur Reparatur von landwirtschaftlichen<br />

Traktoren entwerfen für Menschen, die nicht lesen und schreiben<br />

können? Natürlich in Comicform, darauf wären Sie auch<br />

gekommen, stimmt’s? Der Rest scheint Didaktik zu sein – aber<br />

weit gefehlt! Die Uzambaras, für die das Handbuch bestimmt<br />

war, sprechen eine Sprache, deren kognitive Struktur wesentlich<br />

anders ist als unsere. Die Uzambaras verstehen daher die<br />

für uns »selbstverständliche« westliche Comic-Dramaturgie<br />

nicht. Eine Dramaturgie, die sie verstehen, muss sich an ihre<br />

Sprachstruktur anlehnen. Eine »weiche« Aufgabe für Schwätzer?<br />

Na, Herr Traktor-Ingenieur, probieren Sie es doch mal! So<br />

etwas nannte jedenfalls Herbert A. Simon, Nobelpreisträger für<br />

Wirtschaftswissenschaften (1978), ein geradezu vorbildlicher<br />

Vertreter von Interdisziplinarität, in seinem Buch The Sciences<br />

of the Artificial mit Fug und Recht »intelligent design«. Er<br />

entwarf u.a. den GPS, General Problem Solver, ein Meilenstein<br />

der Informatik bzw. Künstlichen Intelligenz, basierend auf der<br />

von ihm zusammen mit A. Newell geschaffenen Programmiersprache<br />

LISP, für die beide die Turing-Medaille erhielten.<br />

oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>


Oben deutete ich an, Design und Evolution sei im Grunde<br />

dasselbe. Beiden liegt der zweite Hauptsatz der Thermodynamik<br />

zu Grunde: Indem Energie gestreut wird, entstehen<br />

fern vom thermodynamischen Gleichgewicht »dissipative<br />

Strukturen« (Ilya Prigogine, Nobelpreis für Chemie, 1977) und<br />

Selektionsmuster (N. Luhmann). Denn auch unser Gehirn<br />

enthält dissipative Strukturen. Was diese für die Frage nach<br />

dem Design relevant macht, ist die Tatsache, dass das menschliche<br />

Gehirn (trotz der fundamentalen Dummheit seines<br />

Limbischen Systems) gelernt hat, seine dissipativen Strukturen<br />

nach außen zu kehren: als Darstellung. Nach dem Feuer und<br />

der gesprochenen Sprache war die wichtigste Erfindung der<br />

Menschheit die Darstellungsebene. Praktisch jede Art von<br />

Fläche, außer der Meeresoberfläche, eignet sich dazu, Darstellungen<br />

von etwas, also Design, aufzunehmen und wenigsten<br />

zeitweise zu bewahren. Die Höhlenbilder von Altamira<br />

und die Wandtafel des Instituts für theoretische Physik der<br />

Universität Köln, vor der ich manchmal recht verzweifelt<br />

stand, haben etwas gemeinsam: beide sind Repräsentanten<br />

der Darstellungsebene. Wenn Gott bei der Erschaffung der<br />

Welt dergleichen nicht benutzt hat, war er kein Designer.<br />

So gesehen bedeutet Interdisziplinarität Folgendes: Auf der<br />

Darstellungsebene wird die Differenz von Kunst und Wissenschaft,<br />

von humanities und science, systematisch verwischt,<br />

gleichsam dauerhaft aufgeschoben. Die dritte Kultur besteht in<br />

der Indifferenz der beiden anderen auf der Darstellungsebene.<br />

»Mein Labor«, pflegte Albert Einstein zu sagen, »sind Bleistift<br />

und Papier«. »Bleistift und Papier«, sagte oft einer meiner Kollegen<br />

von der Freien Kunst in Braunschweig, »sind für mich eine<br />

Art Labor«. Von Einstein hatte er bedauerlicher Weise wenig<br />

gehört. Bilderlesen, das beherrschen eigentlich beide Kulturen.<br />

Wir Designer zeichnen Entwürfe, mit denen wir – durch<br />

Selektion – die Welt erschließen. Genau das taten die steinzeitlichen<br />

Künstler von Altamira und Einstein auch. Wir sind alle<br />

Designer; wir sind alle heute Vertreter der dritten Kultur – oder<br />

wir sind Schwätzer, oder wir haben ein Brett vor dem Kopf.<br />

Fußnote<br />

1. Ich verfolge hier diese Überlegung nicht weiter. Siehe dazu grundsätzlich die Neuerscheinung <strong>2007</strong> von F. Romero-Tejedor<br />

Der denkende Designer.<br />

oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong> 9


Offenheit<br />

10<br />

Flexibilitaet<br />

Design<br />

Interdisziplinaer<br />

Das Ganze<br />

ist mehr als<br />

die Summe<br />

seiner Teile<br />

Kommunikation<br />

Technik<br />

Ausland<br />

Gruppenarbeit<br />

Technik<br />

und<br />

Design.<br />

Passt<br />

das? Das<br />

muss<br />

passen!<br />

Hinrich Ecklundt<br />

Fotografie von<br />

IGi-Studierenden,<br />

entstanden im<br />

Wahlpflichtfach<br />

»Ästhetik. Schönheit<br />

nach Umberto Eco«,<br />

Wintersemester<br />

2006/07. Thema der<br />

Lehrveranstaltung:<br />

»Das Organische in<br />

der Kunst«.<br />

oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>


Seit einigen Jahren schon bietet die FH <strong>Lübeck</strong> im Fachbereich<br />

Elektrotechnik (irgendwo muss man ja mal anfangen) einen<br />

neuen Studiengang für das Gebiet der Informationstechnik an.<br />

Unter dem Titel »Informationstechnologie und Gestaltung« mit<br />

dem Zusatz »internationales Studium« haben wir ein höchst<br />

innovatives Studienmodell gestartet und weiterentwickelt. Wir<br />

haben uns damit nahtlos an die Veränderungen angeschlossen,<br />

die auch sonst unsere Gesellschaft erfasst haben und die<br />

insbesondere in der Arbeitswelt häufig auf das Kürzel »IT«<br />

reduziert werden. Dass darunter jeder versteht, was er/sie mag,<br />

irritiert nur vorübergehend. Mehr aus Verlegenheit wurde dem<br />

Studiengang das Kürzel »IGi« angeheftet. Inzwischen ist das bei<br />

den insidern zu einer Art Markenzeichen geworden. Mit diesem<br />

Artikel wollen wir dieses Markenzeichen etwas weiter nach außen<br />

tragen. Sie sind willkommen, sich dieser Idee anzuschließen,<br />

Technik und Design zusammenzubringen.<br />

Hintergrund<br />

Es ist die digitale Technik, die uns herausfordert. Schneller.<br />

Mehr. Kleiner. Eigentlich wird sie – erfreulich – immer als<br />

Riesenchance angesehen. Jede Menge Information steht uns<br />

überall in kürzester Zeit und auf Abruf auf Miniaturgerätchen<br />

zur Verfügung. Wer wollte da nicht froh sein? Aber die Worte<br />

»Abruf« und »Miniatur« sind die echten Stolpersteine. Dahinter<br />

steht die Herausforderung menschlicher Interaktion. Der Umgang<br />

mit der Information ist auch ein »technisches« Problem.<br />

Er ist auch ein kognitives Problem. Natürlich ist er auch ein<br />

gesellschaftliches Problem; sogar ein global-gesellschaftliches.<br />

Teilhabe an der Informationsgesellschaft beschränkt sich nicht<br />

auf einige wenige hoch entwickelte Industrienationen. Information<br />

und Wissen sind Güter, zu deren »Produktion«, Bereitstellung<br />

und Verbreitung keine Fabriken und Transportketten<br />

aufgebaut werden müssen. Es genügt ein PC oder ein Handy, es<br />

braucht auch mal einen Server. Besser sind von jedem ganz viele,<br />

aber für die gibt es keine lokalen Beschränkungen. Verknüpfung<br />

durch das Internet, oder das nächste Internet, macht die<br />

gigantische Menge an global verfügbarer, preiswerter Information<br />

aus. Auch für arme Länder werden Laptops erschwinglich,<br />

eher als der Bau eines Industriebetriebs. Es soll hier nicht das<br />

immense Gefälle zwischen reichen und armen Ländern wegdiskutiert<br />

werden. Aber beim Umgang mit Information und beim<br />

Nutzen des weltweiten Wissens könnten die Barrieren ein wenig<br />

kleiner sein. Zumindest sollte man »IT« als ein global relevantes<br />

Thema auffassen, ohne Grenzen.<br />

Es ist damit offensichtlich, dass tief greifende gesellschaftliche<br />

Veränderungen einher gehen mit neuen Verhaltensweisen und<br />

Arbeitsweisen. »IT« steht nicht nur für technische Möglichkeiten,<br />

sondern auch für betriebliche Abläufe. Wenn Informationen<br />

schneller und unmittelbarer zur Verfügung stehen,<br />

ändert sich auch deren Wert und deren Wahrnehmung. Unsere<br />

Absolventen sind mit den veränderten Arbeitsweisen konfrontiert.<br />

Die Zusammenarbeit in Netzwerken, auch internationalen,<br />

und der Umgang mit breit gefächerten Informationen und ein<br />

Verständnis für andere Disziplinen werden ihre Arbeit prägen.<br />

Gewohnte Berufsbilder verlieren ihre Bedeutung, wenn sich<br />

Strukturen verändern. Neue Berufsbilder tun sich stattdessen<br />

auf. Es gibt keine genauen Schätzungen, wie viel neue Arbeitsplätze<br />

unter dem Dach von »Informationsgesellschaft« und<br />

»Digitale Medien« entstehen können. Viel bedeutsamer ist ohnehin<br />

die Zahl der Arbeitsplätze, die mit der Veränderung der<br />

Arbeitswelt ihren Charakter verändern. Hinzu kommt für uns<br />

die Frage, wie viele der Arbeitsplätze einen Hochschulabschluss<br />

erfordern. Wenn man die Diskussion darüber verfolgt, dass der<br />

Prozentsatz der Studierenden eines Jahrgangs in Deutschland<br />

viel zu gering ist, werden unter den neuen Berufsbildern die<br />

meisten Kandidaten für einen Bachelor-Abschluss sein. Darauf<br />

sollten wir uns einstellen. Bei aller Unschärfe mussten wir<br />

unserem neuen Studiengang ein paar Annahmen unterlegen.<br />

Wir beziehen uns auf Arbeitsgebiete im Anwendungsbereich<br />

»Digitale Medien«. Das sind – wie oben angerissen – die durch<br />

mächtige Mediensysteme aus digitaler Technik und Software<br />

breit verfügbaren neuen Ausdrucksmöglichkeiten. Arbeit in diesem<br />

Bereich erfordert immer Umgang mit technischem Equipment,<br />

mit Hardware – von der man immer weniger merkt –<br />

und Software – die sich als das eigentliche Tool dem Anwender<br />

darbietet. Die zum Einsatz kommende Technik wird sich schnell<br />

und kontinuierlich wandeln, zunehmend komplexer werden<br />

und mit erheblicher Dynamik neue Möglichkeiten eröffnen.<br />

Der Prozess zur Gestaltung, Verbreitung, Verarbeitung<br />

und Präsentation von Information durch »Digitale Medien«<br />

wird nur dann erfolgreich verlaufen, wenn der technische<br />

Rahmen, die gestalterische Ausführung und Prozesskontrolle<br />

gut ineinander greifen. Unser Studiengang<br />

zwischen den Disziplinen »Informationstechnologie und<br />

Gestaltung« verfolgt das Ziel, die angesprochenen Charakteristika<br />

in neue Ausbildungswege zu überführen.<br />

Schwerpunkte<br />

Ausgangspunkt unseres Ausbildungsangebots ist Technik;<br />

präziser ausgedrückt Informationstechnologie. In diesem<br />

Begriff steckt einerseits die Art und Weise, wie mit Information<br />

umzugehen ist. Das ist durchaus von Informatik zu unterscheiden,<br />

die ja eigentlich der deutsche Ableger der »computer<br />

science« ist. In Informationstechnologie stecken aber auch die<br />

zugehörigen Methoden des Umgangs mit Information. Und<br />

hierbei muss man sich mit Prozessen und Abläufen auseinander<br />

setzen. Es geht dabei um Planung, Konzeption und<br />

Produktion. Und dann muss man sich beschäftigen mit all<br />

den technischen Mitteln und Systemen, die aus Hardware und<br />

Software bestehen und in Geräten und Tools integriert werden.<br />

Der Umgang mit Information erfordert eine weitere Disziplin,<br />

die man verstehen und sich aneignen muss. Um Informationen<br />

verständlich zu vermitteln, müssen sie geeignet präsentiert<br />

werden. Das schlägt sich inzwischen in fast allen Facetten un-<br />

oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong> 11


serer Informationsgesellschaft nieder. Form und Inhalt werden<br />

verlangt; manchmal auch in dieser Reihenfolge. Es wird auch<br />

deswegen verlangt, weil es technisch möglich ist und leicht<br />

machbar erscheint. Dieser Trend hat lange auch schon technische<br />

Produkte erreicht. Man denke einmal an das Sounddesign<br />

für Autotüren. Bei der Software ist dieses Bedürfnis ganz offensichtlich.<br />

Jeder, der Software entwickelt, muss den »Output«,<br />

die Resultate graphisch auf das Display bringen. Die Bedeutung<br />

dieser Schnittstelle zwischen Mensch und Gerät wächst ständig.<br />

Das schlägt sich auch in dem dafür mittlerweile anzusetzenden<br />

Entwicklungsaufwand nieder. Rechnen im Computer war früher,<br />

präsentieren mit dem Computer ist heute. Das Können, das<br />

dafür gefordert ist, heißt Gestaltung, im Speziellen eben Informationsgestaltung.<br />

»Visual Design« oder »Kommunikationsdesign«<br />

kommen als vorhandene und bekannte Disziplin in Frage,<br />

um Ausbildungsinhalte für unseren Studiengang zu wählen.<br />

Bleibt noch zu fragen, mit welcher Form von Information wir<br />

denn im Studium umgehen wollen. Es geht um alle Arten von<br />

Information, die uns Menschen mit unseren Sinnen zugänglich<br />

ist. Natürlich müssen wir uns beschränken auf die Sinne,<br />

denen man physikalisch beikommen kann. Bild und Ton sind<br />

daher die natürlichen Kandidaten. Aber es geht natürlich bei<br />

der audio-visuellen Wahrnehmung über die Physik der Akustik<br />

und Optik weit hinaus. Im Studium soll daher die Gesamtheit<br />

von Information betrachtet werden. Ihre Wirkung spielt<br />

eine Rolle ausgehend vom Aufbau von Graphikseiten, Folge<br />

von Bildern, Führung durch Animation usw. Das alles ließe<br />

sich unter dem Begriff »Multimedia« hervorragend zusammenfassen,<br />

wenn er nicht durch übermäßigen Gebrauch und<br />

Missbrauch etwas unseriös geworden wäre. Wir bevorzugen<br />

daher den Begriff »Digitale Medien«. Hierin kommt auch der<br />

technologische Anspruch besser zum Ausdruck, mit dem der<br />

Information neue Gestaltungsräume erschlossen werden.<br />

Damit haben wir einen Satz von drei Schwerpunkten herausgearbeitet,<br />

auf die der Studiengang abgestellt ist und für die wir<br />

folgende Begriffe besetzen – Informationstechnologie, Medienproduktion,<br />

Kommunikationsdesign. Alle Begriffe sind enger<br />

verknüpft, als es vielleicht den Anschein hat.<br />

Information ist die eigentliche Essenz »für den Menschen«,<br />

nicht nur für den »user« oder einen »Kunden«. Medien, bei uns<br />

»digitale Medien«, transportieren die Information, wobei in<br />

diesem Transporter bereits Technik und Technologie stecken.<br />

Mit »Medien« ist auch das Anwendungsfeld der von uns<br />

zusammengestellten Ausbildung gekennzeichnet. Technik wird<br />

darin erkennbar gebraucht. »Produktion« hat mit dem Prozess<br />

zu tun, der hinter der Aufbereitung von Information steckt.<br />

Auch das stützt sich wieder auf Technik ab. Alles ist aber nur erfolgreich,<br />

wenn es den Menschen auch erreicht, das heißt: wenn<br />

die Kommunikation gelingt. Mit Erfolg zu kommunizieren,<br />

ist das Ziel von Kommunikationsdesign! Nicht Ästhetik steht<br />

bei Design im Vordergrund, sondern den Menschen mit der<br />

12<br />

Information, mit einer Botschaft zu erreichen. Dafür werden<br />

Methoden der Technik eingesetzt, Computer und Softwaretools<br />

– die Informationstechnologie zeigt sich in einer neuen Ausprägung.<br />

Der Kreis der Verknüpfungen schließt sich. Aber wir<br />

haben es immer noch mit sehr unterschiedlichen Disziplinen<br />

und Mentalitäten zu tun. Deswegen setzen wir Interdisziplinarität<br />

als weiteres Ausbildungsziel.<br />

Inhalte<br />

Nachdem mit den drei Schwerpunkte des Studiums einmal<br />

die Basis gelegt ist, lassen sich dem ohne Probleme<br />

adäquate Inhalte zuordnen. Die wesentliche Aufgabe besteht<br />

in der Begrenzung der Inhalte auf einen studierbaren<br />

Umfang. Allein die Beschäftigung mit allen Medien würde<br />

den Rahmen eines Studiums sprengen. Dafür gibt es eigene<br />

abgeschlossene Studiengänge. Insofern führt der Umfang<br />

der Inhalte konsequent auf neue Formen des Lernens; über<br />

die wird in einem weiteren Kapitel gesprochen. Hier zunächst<br />

einmal die Übersicht über die angebotenen Fächer.<br />

In der »Technik« konzentrieren wir uns zunächst rein auf<br />

Digitaltechnik, weil dies die Basistechnik für alle Medien ist.<br />

Informationstechnik und Kommunikationsnetze markieren<br />

weitere Themenangebote. Programmiersprachen als steuerndes<br />

und organisierendes Medium in allen technischen<br />

Systemen müssen ebenfalls in diesem Bereich angeboten<br />

werden. Die Art und Weise, wie Software eingesetzt wird, wird<br />

im Thema »Software-Engineering« bearbeitet. Der technische<br />

Umgang mit den Elementen der Information liefert die<br />

Disziplin der Datenbanken und des Datenmanagements.<br />

Damit der Umgang mit den technischen Möglichkeiten<br />

anwendungsnah geübt wird, weist der Studienplan eine<br />

erste Projektarbeit bereits im 2. und 3. Semester aus. Das<br />

Einsatzgebiet der technischen Kenntnisse findet sich bereits<br />

im zweiten Schwerpunkt, der Medienproduktion. Hierunter<br />

fallen neben den Grundlagen- und Kernfächern auch die<br />

speziellen und mit den Medien variierenden Medienanwendungen.<br />

Zur Produktion selbst gehört auch die Konzeption,<br />

die sich allerdings auch dem eigentlichen Bereich der Gestaltung<br />

zuordnen lässt. Verfahrensweisen sind ein Kernthema<br />

der Medienproduktion, ein sehr an Methoden orientiertes<br />

Thema. Daher wird hier intensiver Umgang mit den unterschiedlichen,<br />

zum Teil sehr komplexen Tools gelernt.<br />

Kenntnisse verbreitern und anwenden, heißt es auch im dritten<br />

Schwerpunkt »Gestaltung«. Auch hier gibt es Grundlagen und<br />

Vertiefungen zu verschiedenen Aspekten des Designs. Sodann<br />

muss aber auch die Kreativität für den Designprozess trainiert<br />

werden. Auch das funktioniert nicht ohne methodisches und<br />

konzeptionelles Vorgehen. Psychologische und ergonomische<br />

Aspekte des Designs runden das Angebot inhaltlich ab.<br />

Training, intensive Auseinandersetzung und Anwendung<br />

des Gelernten in Gestaltung, Konzeption und Produktion<br />

oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>


findet in den beiden Designprojekten des 4. und 5. Semesters<br />

statt. Beide sind umfangreiche Arbeiten, wodurch deren<br />

Bedeutung für den Studienerfolg ausgewiesen wird.<br />

Die drei Schwerpunkte sollen jeder für sich etwa ein Viertel des<br />

Studienvolumens ausmachen. Das letzte Viertel deckt erforderliche<br />

Basisfächer, betriebswirtschaftliche Themen und besondere<br />

Kompetenzen ab, bspw. Sprachen, Recht und Gesellschaft.<br />

Auch diese Aspekte werden in einem besonderen Projekt organisatorischer<br />

Art mit sehr freier Ausrichtung intensiv bearbeitet.<br />

Aus unseren klassischen Studienabläufen haben wir das<br />

berufspraktische (6.) Semester und das abschließende Diplomsemester<br />

übernommen. Damit entstand ein insgesamt<br />

achtsemestriges Diplomstudium, mit einem Abschluss in Informationstechnologie<br />

und Gestaltung. Im Laufe der allgemeinen<br />

Umstellung aller Studienangebote wird es in absehbarer Zeit in<br />

ein Bachelor- und evtl. Masterstudium übergeleitet.<br />

Internationales Studium<br />

In der Vergangenheit war unser Fachbereich Elektrotechnik<br />

(und Informatik) vorrangig technisch ausgerichtet. Das galt<br />

auch für die Ausbildungskapazität. Die Kompetenz in Gestaltung<br />

musste erst noch entwickelt werden; eine mittelfristige<br />

Aufgabe, abhängig von der Nachfrage nach unserem neuen<br />

Studienangebot. Inzwischen ist der Studiengang gut aufgenommen<br />

worden und unsere Kompetenzen sind für Design und<br />

Medien gut ausgebaut. Geblieben ist, dass wir Fächer aus diesen<br />

beiden Bereichen in Kooperation mit ausländischen Hochschulen<br />

anbieten, die hierin ihre besonderen Schwerpunkte haben.<br />

Für den Anfang stand die Kooperation mit skandinavischen<br />

Hochschulen im Vordergrund. Vorreiter in dieser Zusammenarbeit<br />

waren Danmarks Designskole in Kopenhagen und k3<br />

von Malmö Högskolan. Inzwischen sind etliche Partnerschaften<br />

dazugekommen, wechselnd in der Intensität des Austausches.<br />

Valencia hat sich zu einem festen Standbein entwickelt. Mit<br />

Barcelona laufen immer wieder Projekte. Die FH Joanneum in<br />

Graz bietet interessante Projekte. Die Designschule in Kolding<br />

ist unsere neueste skandinavische Partnerin.<br />

Durch diesen Weg des Austausches erreichen wir mehrere<br />

Ziele. Zunächst das Ziel der Interdisziplinarität: Wir bringen<br />

tatsächlich technisch und gestalterisch vorgeprägte Studierende<br />

zusammen, vorzugsweise in einem gemeinsamen Projekt. Wir<br />

bieten allgemein internationale Ausbildung, bei einer Aufenthaltszeit<br />

von etwa einem Semester. Das war bereits ein Vorgriff<br />

auf die Ziele des Bolognaprozesses zur Europäisierung von<br />

Ausbildung. Die ursprüngliche Ausrichtung auf skandinavische<br />

Länder war einerseits begründet durch die räumliche Nähe,<br />

andererseits durch den guten Ruf, den skandinavisches Design<br />

weltweit genießt. Es soll nicht verschwiegen werden, dass die<br />

Organisation solcher Kooperationen, wenn sie denn nicht nur<br />

auf dem Papier stehen sollen, erhebliche Anstrengungen erfordert.<br />

Dafür gibt es an der Hochschule meist nur unzureichende<br />

Infrastruktur und Ressourcen. Auch die Studierenden sind dabei<br />

immer besonders gefordert, finanziell und durch Engagement,<br />

wobei bisher noch jeder Student und jede Studentin das<br />

Auslandssemester »hinbekommen« hat. Es müssen jedoch<br />

von allen Beteiligten immer wieder neue Wege erschlossen<br />

werden; Standardprozeduren gibt es höchstens für kurze Zeit.<br />

Projekte<br />

Es wurde schon mehrfach darauf hingewiesen, dass neben<br />

den Inhalten auch neue Formen der Ausbildung erprobt<br />

und entwickelt werden sollen. Wesentlicher Bestandteil<br />

sind die über das Studium verteilten Projekte. Sie sind konsequent<br />

miteinander verknüpft und repräsentieren Praxisbezug<br />

auch in den so genannten Theoriesemestern.<br />

Im Zentrum stehen die beiden Designprojekte mit Ausrichtung<br />

auf interdisziplinäre Zusammenarbeit. Es hat eine entsprechend<br />

hohe Gewichtung, umfasst rechnerisch 2 volle Arbeitstage pro<br />

Woche für die Studierenden – und das während des 4. und des<br />

5. Semesters. In diesen Projekten laufen alle Stränge der Ausbildung<br />

zusammen. Als Vorbereitung auf diese anspruchsvolle<br />

Lerneinheit ist dem das Softwareprojekt vorgelagert, bereits im<br />

2. und 3. Semester. Hier wird bereits teamorientiertes Arbeiten<br />

gefordert, bleibt aber lokal und thematisch auf eine Disziplin<br />

begrenzt. Hier wird Projektarbeit geübt und in Projektmanagement<br />

erste Erfahrung gesammelt, daneben Entwicklung von<br />

Software gelernt. Im 7. Semester wird noch ein Projekt mit<br />

organisatorischer Ausrichtung angeboten. Nachdem einige<br />

Erfahrung mit der Bearbeitung von Projekten gesammelt wurde,<br />

steht jetzt die eigene Organisation, Planung und Führung eines<br />

Projektes im Vordergrund. Inhaltlich kann es um Projekte aus<br />

Softwareentwicklung oder Medienproduktion, aber auch Projekte<br />

zu Organisation oder Events (wie Ausstellungen) gehen.<br />

Diese Abfolge soll die Studierenden systematisch und immer<br />

intensiver in komplexe Arbeitsweisen in Projekten einführen.<br />

Die Bearbeitung umfangreicher Aufgaben ist die sachliche Seite.<br />

Es geht aber auch um Schlüsselqualifikationen. Die vermitteln<br />

sich nur begrenzt durch Vorlesungen und Übungen. Sprachen<br />

Fotografie von IGi-Studierenden, entstanden im Wahlpflichtfach »Ästhetik«,<br />

Wintersemester 2006/<strong>2007</strong>.<br />

13<br />

oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong> 13


kann man so lernen, Psychologie auch. Teamfähigkeit, Kommunikation,<br />

Konfliktfähigkeit und Mitarbeiterführung müssen<br />

anders gelernt werden. Bei uns steckt es in den Projekten. Jedes<br />

soll neben der sachlichen Arbeit bestimmte Kompetenzen<br />

ausbilden.<br />

Das Softwareprojekt soll Teamfähigkeit trainieren. Unsere<br />

Teams sollen 4 bis 6 Personen umfassen. Grundsätze und<br />

Normen für das Arbeiten im Team sollen vermittelt werden,<br />

auch wenn nicht explizit im Stundenplan ausgewiesen.<br />

Kommunikation und Präsentation sind weitere Kompetenzen,<br />

die erprobt werden sollen. Außerdem lernen die<br />

Studierenden hier praktisch etwas über den Projektablauf,<br />

eventuell über die Notwendigkeit von planvollem Vorgehen.<br />

Im Designprojekt steht die Verbindung unterschiedlicher<br />

Disziplinen im Vordergrund. Eigene Verhaltensmuster und<br />

die Entwicklung der kommunikativen Fähigkeiten ergänzen<br />

das. Anwendung von Sprach- und Kulturkompetenz und<br />

internationale Zusammenarbeit machen die besondere<br />

Anforderung aus. Das organisatorische Projekt am Schluss<br />

soll die Führungsfähigkeit bei den Studierenden ausbilden.<br />

Sie sollen die Projekte organisieren, im Zeit- und Aufwands-<br />

14<br />

Screenshots interaktiver Interpretationen von Künstlern,<br />

entstanden im Fach Design digitaler Medien I, IGi 4 vom<br />

SS07. Hier vereinigen sich Design, Ergonomie und Ästhetik<br />

sowie technische Fächer wie Programmierung.<br />

1. Mehrere Menüs zum Erleben Andy Wahrhols von<br />

Michael Roderfeld | 2. Hauptmenü zum Analytischenr<br />

und Synthetischen Kubismus von Hans-Peter Werner |<br />

3. Untermenü zum Guernica-Thema bei Picasso von Carina<br />

Schneider. | 4. Untermenü zum Bildraum der Matisse-Interpretation<br />

von Miriam Stump.<br />

rahmen halten. Die Anleitung weiterer Projektbeteiligter, ihre<br />

Motivation und Sicherstellung der Kommunikation gehören<br />

ebenfalls zum Lernprogramm. Der Umgang mit »Kunden«<br />

oder »Auftraggebern« kann alternative Projekte ausmachen.<br />

Die »Projektleiter« sollen erproben, betriebliche und<br />

Markt gegebene Randbedingungen zu berücksichtigen.<br />

Dieses Programm deckt über das ganze Studium hinweg die<br />

ganze Palette der soft skills ab. Die begleitenden ProfessorInnen<br />

müssen dabei Inputs und Impuls liefern, Rückkopplung bieten,<br />

den ganzen Prozess vorbereiten und steuern. Wo erforderlich<br />

müssen sie über Seminare notwendige Inhalte anbieten, oder<br />

den Studierenden bei der Erarbeitung eigener Themen zur Seite<br />

stehen.<br />

Bezug zur Berufsrealitaet<br />

In diesem Studium gibt es kaum eingefahrene Gleise. Wenn<br />

man für ein dynamisches Berufsfeld ausbildet, kann der<br />

Ausbildungsweg keine statische Größe sein. Trotzdem<br />

verbietet es sich, ins Blaue hinein auszubilden. Wie stellen<br />

wir den Bezug zur Wirklichkeit der Arbeitswelt her?<br />

Die üblichen öffentlichen und persönlichen Informationskanäle<br />

stehen auch uns offen. Aber wir gehen weiter. Da gilt es einmal,<br />

den Kontakt zu möglichst vielen Firmen aus dem Sektor der<br />

»Digitalen Medien« aufzunehmen, ihnen unser Ausbildungsan-<br />

oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>


gebot vorzustellen und Rückmeldungen zu bekommen. Isoliert<br />

ist das ein aufwändiges und punktuell wirkendes Verfahren.<br />

Glücklicherweise sind diese Firmen oft gesprächsbereit und an<br />

neuen Ideen interessiert. Diese Firmen sind gleichzeitig auch<br />

solche, die Praktikumsplätze für unseren Nachwuchs bereitstellen.<br />

Damit werden der Kontakt und die Rückkopplung<br />

schon konkreter. Und da inzwischen viele Praktika gelaufen<br />

sind, gibt es da eine breite Basis von »eingeweihten« Firmen.<br />

Wir hatten auch einmal das Interesse – und wollen das<br />

nicht ganz aus den Augen verlieren –, mit Unternehmen<br />

gemeinsam unsere Projekte zu definieren und zu betreuen.<br />

Gemeinsame Projektbesprechungen und Projektpräsentationen<br />

wären dann die komplette Praxisnähe. Die Firmen<br />

entwickeln und halten den Kontakt zum Nachwuchs. Langfristige<br />

Bindungen zwischen Firmen und einzelnen Studierenden<br />

und auch der Hochschule werden so aufgebaut.<br />

In der Praxis ist die Zusammenarbeit in Projekten nur schwierig<br />

hin zu bekommen, weil es sich um Studienprojekte handelt;<br />

dort wird gelernt und nicht gekonnt. Für die Firmen kommt<br />

es aber immer auf ein konkretes Resultat an. Andernfalls<br />

ist die Projektbegleitung nur mit viel Aufwand verbunden,<br />

der im Tagesgeschäft nur mit geringer Priorität läuft.<br />

Als wirkungsvoller haben sich die Kontakte über das berufspraktische<br />

Semester erwiesen, die oftmals durch eine<br />

anschließende Diplomarbeit vertieft werden. Auf dieser Schiene<br />

lernen wir viel über die Berufsrealität unserer Ausbildung und<br />

die möglicherweise weitergehenden Anforderungen der Firmen.<br />

Von der Möglichkeit, dass die Firmen Einfluss auf die Gestaltung<br />

unserer Ausbildungsinhalte nehmen, wird leider wenig<br />

Gebrauch gemacht. Das Angebot von unserer Seite steht aber<br />

weiterhin.<br />

Ausblick<br />

Der neue Studiengang »Informationstechnologie und Gestaltung«<br />

ist für uns die passende Antwort an die gesellschaftlichen<br />

Veränderungen, die uns unter dem Schlagwort »Informationsgesellschaft«<br />

erreichen. Zwar studiert inzwischen der neunte<br />

Durchgang dieses Fach. Aber neu ist es immer noch, wenn man<br />

es mal mit Fächern wie Nachrichtentechnik oder Informatik<br />

vergleicht; von Jura gar nicht zu reden.<br />

Wir haben gemerkt, dass wir ein Angebot für eine hohe<br />

Nachfrage haben. Konnte man während der ersten IT-Welle die<br />

Nachfrage gar nicht befriedigen, so stellt man jetzt eine Verstetigung<br />

in Angebot und Nachfrage fest. Das wirkt sich auch für<br />

unsere Absolventen – inzwischen bald 50 – positiv aus.<br />

Wir wünschen uns eine intensivere Beteiligung der IT-Unternehmen<br />

an Weiterentwicklung und Ausgestaltung unseres<br />

Studiengangs. Wir sind der Ansicht, dass Hochschule den Unternehmen<br />

selten ein so weit reichendes Angebot gemacht hat.<br />

Die nächste Veränderung ist bereits in Sichtweite: der Übergang<br />

zu Bachelor- und Masterabschluss, weg vom Diplom.<br />

Einiges wird schwieriger für uns werden, insbesondere die<br />

geschickte Auswahl der Studieninhalte aus dem umfangreichen<br />

Themenspektrum. Das Studium verkürzt sich und<br />

so müssen wir uns beschränken. Die Studierenden werden<br />

noch selbständiger arbeiten müssen. Die Betreuung nimmt<br />

im Verhältnis nicht zu (wg. KapVO und CN, was wirklich<br />

niemand verstehen muss). Zum Glück sind wir mit IGi schon<br />

ein Stück des Weges zu mehr Selbständigkeit gegangen.<br />

Wir wünschen uns auch in Zukunft viele Studierende,<br />

die ein Studium zwischen den Disziplinen wollen.<br />

Fotografie von<br />

IGi-Studierenden,<br />

entstanden im Wahlpflichtfach»Ästhetik«,<br />

Wintersemester<br />

2006/<strong>2007</strong>.<br />

15<br />

oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong> 15


Betrachtungen zum Systemdesign<br />

16<br />

Rolf Küster<br />

Foto: Rolf Küster.<br />

Seit langem ist eine zunehmende Verwissenschaftlichung<br />

des Designs festzustellen. So hat inzwischen jede deutsche<br />

Kunsthochschule mindestens einen Designtheoretiker<br />

angestellt, teilweise mehrere. Diese Entwicklung nahm ihren<br />

Anfang an der HfG Ulm, an der Theoretiker wie Max Bense<br />

den Boden für das Wachstum der Designtheorie bereiteten.<br />

Ihre Designtheorien waren ursprünglich naturwissenschaftlich<br />

motiviert und orientiert. Andererseits, und dies ist eigentlich<br />

erstaunlich, da sie genannter Tatsache ihren Job verdankt, ist<br />

innerhalb der Community der Designtheoretiker eine breite<br />

Ablehnung der Vernaturwissenschaftlichung des Designs zu<br />

spüren. Dies geschieht sicher teilweise zu Recht, denn Design<br />

als rein kybernetische Theorie zu beschreiben, wird der Sache<br />

nicht gerecht. Schließlich ist z.B. die breite sozialwissenschaftliche<br />

Dimension des Designs nur umständlich mit Begriffen<br />

der Kybernetik oder Naturwissenschaft zu beschreiben. Ein<br />

Marsmensch, der von oben auf das Designgeschehen schaut,<br />

würde dies sicher tun, aber vieles, was für Menschen Gestaltung<br />

ausmacht, bliebe diesem dabei verborgen. Dies sollte<br />

jedoch kein Grund sein, sich komplett gegen naturwissenschaftliche<br />

Herangehensweisen im Design zu sperren. Auch<br />

der Marsmensch könnte vielleicht Vorgänge beobachten, die<br />

wir noch nicht bemerkt haben. Dies ist der erneute Versuch,<br />

Verbindungen herzustellen bzw. in Erinnerung zu rufen.<br />

Ein Ansatz ist es, Design im Sinne eines Systems zu untersuchen.<br />

So hat etwa der Nobelpreisträger Herbert Simon Design als eine<br />

Überführung von einem gegebenen (Informations-)Zustand in<br />

einen erwünschten bezeichnet. Einen Stuhl zu gestalten hieße<br />

demnach, die Information festzulegen, wo die Beine (wenn er<br />

denn welche hat), die Sitzfläche usw. beim fertigen Produkt zu<br />

finden sein werden, aus welchem Material sie bestehen usw.<br />

Der fertige Stuhl besteht dann im Grunde aus einem Datensatz,<br />

der besagt, wo sich welches Material (also Atome bzw. Moleküle)<br />

befindet und wo keins, also Vakuum, ist. Die Daten enthalten<br />

dem zufolge die Dimensionen Ort und Material; jeder CAD-<br />

Designer kann dies nachvollziehen. Nimmt man neben Ort und<br />

Material als weitere Dimension die Zeit hinzu, dann lassen sich<br />

oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>


auch in der Zeit veränderliche Designprodukte, wie Filme gut als<br />

Informationszustand beschreiben. Als letzte Stufe könnte man<br />

noch Bedingungen (Boolsche Operatoren etc.) zur systemischen<br />

Beschreibung eines Designprodukts heranziehen. Damit ließen<br />

sich dann auch Menüstrukturen (beim Handy etwa) darstellen.<br />

Ein solches Designprodukt bestände aus einem Datensatz, der<br />

einer Mischung aus CAD und Flash-Film ähnelt. Hiermit ließe<br />

sich die Innenwelt aller heute bekannten Designprodukte beschreiben.<br />

Nicht jedoch enthalten wäre in diesem Datensatz die<br />

Außenwelt der Dinge, die Bedeutungen, die das Produkt oder<br />

auch nur seine Teile für einen etwaigen Beobachter bzw. Nutzer<br />

hätten. Schließlich spannt sich von jedem Ding ein Bedeutungsuniversum<br />

auf, das kulturell geprägt und letztlich individuell<br />

verschieden ist. Dieser Realitätsbereich bliebe außen vor.<br />

Systeme im Design besitzen, von einfachsten Problemen<br />

abgesehen, immer eine Hierarchie. So könnte man beim<br />

Fahrzeugdesign einen Zweig im Entwurfsbaum entlang reisen,<br />

der grob aus Karosserie, Fahrgastzelle, Armaturenbrett,<br />

Bedienelementen, Schalter, Menüstruktur usw. besteht. Das<br />

Beispiel macht deutlich, dass Teile des Systems aus Subsystemen<br />

zusammengesetzt sind. Komplexe Systeme (etwa ein Auto)<br />

setzen sich aus verschiedenen Subsystemen (z.B. Fahrgastzelle)<br />

zusammen, die wiederum aus Subsystemen (z.B. Sitz)<br />

aufgebaut sein können, bis die unterste Ebene der Elementarsysteme<br />

erreicht ist. Ganz ähnlich sind auch Systeme in der<br />

Natur strukturiert, so ließe sich in größenmäßig absteigender<br />

Hierarchie folgender Weg durch die Subsysteme im Universum<br />

finden: Galaxie>Sonnensystem>Planet>Kontinent>…<br />

>Mensch>Organ>Zelle>Makromoleküle>Atom>Quark>…<br />

– vom Makrokosmos zum Mikrokosmos. Interessant ist<br />

in diesem Zusammenhang die Frage nach den natürlichen<br />

Elementarkomponenten, die Frage nach des Pudels Kern, aber<br />

die Klärung würde an dieser Stelle zu weit führen. Die genaue<br />

Wahl der Elementarkomponenten ist im Design willkürlich.<br />

Elemente, die kleiner sind als die willkürlich gewählten<br />

Elementarkomponenten, entziehen sich der Gestaltung. Bei<br />

der Gestaltung von Druckwerken z.B. werden Strukturen im<br />

Allgemeinen nicht mehr bearbeitet, die kleiner als einzelne<br />

Glyphen sind. Überhaupt werden hier nur zwei Größenordnungen<br />

bearbeitet. Folgerichtig spricht man hier von<br />

Makro- und Mikrotypografie. Die subsystemische Größenordnung<br />

hierunter, die Nanotypografie, sie existiert nicht.<br />

Interessant ist es, Systeme auch als in der Zeit veränderliche<br />

Strukturen zu untersuchen, z.B. sich Frequenzabhängigkeiten<br />

zwischen Teilen von Systemen anzusehen. Aus den<br />

unterschiedlichen Kopplungsstärken zwischen Systemen<br />

bzw. Systemen und Subsystemen resultiert eine komplexe<br />

Frequenzabhängigkeit. Innerhalb von Systemkomponenten<br />

ist ein hochfrequentes Verhalten festzustellen, während in<br />

der Beziehung zwischen Komponenten ein niederfrequentes<br />

Verhalten vorliegt. Die exakteste Beschreibung liefert die<br />

Physik gekoppelter Systeme, jedoch will ich hierauf jetzt nicht<br />

detailliert eingehen. Nur soviel: Bei einem schwingungsfähigen<br />

System, z.B. einem Federpendel, ist die Frequenz, mit der das<br />

Pendel schwingt, umso höher, je stärker es gekoppelt ist, d.h.<br />

eine harte, steife Feder schwingt in der gleichen Zeit häufiger<br />

als eine weiche, schlaffe. Bei Schwingungen von physikalischen<br />

Systemen ist stets eine Umformung bzw. ein Austausch von<br />

Energie zu beobachten. Beim Federpendel wird fortwährend<br />

Spannenergie in kinetische Energie und zurück umgewandelt.<br />

Sprechen wir von Systemen in Kybernetik und Design, wird<br />

in der Regel keine Energie ausgetauscht, diese Rolle übernimmt<br />

die Information. Für Physiker: Die Austauschteilchen<br />

sind hier keine Energiepakete, sondern Informationspakete.<br />

Eine starke Kopplung zwischen (Sub-)Systemen bewirkt eine<br />

hochfrequente Schwingung (viele Schwingungen pro Zeiteinheit).<br />

Wer glaubt, dies besäße keine Relevanz für den Alltag,<br />

sieht sich getäuscht. Dies ist sicher eines der wichtigsten Prinzipien<br />

für das Leben in der Informationsgesellschaft. Zahlreiche<br />

Beispiele für das Prinzip »je stärker die Kopplung, desto höher<br />

die Frequenz« lassen sich finden. Ein einfaches: Infolge der<br />

technischen Entwicklung lassen sich Informationen schneller<br />

austauschen, und die Welt rückt zum globalen Dorf zusammen.<br />

Die soziale Kopplung zwischen weit entfernt wohnenden<br />

Menschen wächst. Nach dem genannten Prinzip bedeutet dies,<br />

dass die Frequenz zunimmt. Genau dies trifft zu: Der Stoff, mit<br />

dem wir arbeiten, die Information, wird immer schneller ausgetauscht.<br />

Wir müssen immer schneller re-agieren. Inzwischen<br />

wird erwartet, dass wir innerhalb von wenigen Stunden auf<br />

eine E-Mail antworten. Sozusagen wird der weltumspannende<br />

Informationsozean kurzwelliger. Ein weiteres Beispiel: Durch<br />

die stärkere Kopplung von den Designern als Sendern und<br />

den Konsumenten als Empfängern infolge des schnelleren und<br />

umfassenderen Informationsaustauschs werden die Zyklen<br />

der Mode immer kürzer. Die Modezyklen sind inzwischen<br />

sogar schon so kurzwellig geworden, dass sie nicht mehr als<br />

Wellenbewegung wahrnehmbar sind, sondern zum Rauschen<br />

degeneriert sind. Zahlreiche weitere Beispiele sind im Bereich<br />

des internationalen Finanztransfers zu finden. So ist etwa infolge<br />

der stärkeren Kopplung der globalen Märkte eine vielfach erhöhte<br />

Zirkulation immenser Geldmengen in den letzten Jahren<br />

festzustellen gewesen. Eine nähere Ausführung der dahinter<br />

stehenden Theorie würde an dieser Stelle jedoch zu weit führen.<br />

Systeme im Design sind bekanntermaßen komplex. Für Designprozesse<br />

ist eine gewisse geistige Ausstattung vonnöten, die<br />

man kognitive Struktur nennen könnte. Ein Designer braucht<br />

ein bestimmtes Wissen über den Realitätsbereich, in dem sein<br />

Entwurf zu lösen ist. Während des Designprozesses treten auch<br />

innerhalb dieses Systems, die man auch eine epistemische Struktur<br />

nennen könnte, zeitliche Effekte auf, eine Art Dispersion.<br />

Zum Verständnis von Designprozessen auf einer höheren Ebene,<br />

Stichwort Cognition-Design, ist es sicher unabdingbar, Design zu<br />

betrachten in einer – nennen wir sie ruhig so – kybernetischen<br />

Weise. Fortsetzung folgt. Zu den nächsten Öffnungszeiten.<br />

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18<br />

oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>


Felicidad Romero-Tejedor<br />

Der denkende Designer<br />

Der Kauf einer Briefmarke in der spanischen Provinz ist<br />

keine einfache Sache. Die Postschalter in der Kleinstadt Béjar<br />

sind technisch hoch gerüstet. Briefmarken werden infolgedessen<br />

per Computer verkauft. Für eine Briefmarke zu 58<br />

Cent benötigte die nette Angestellte ein Dutzend Schritte<br />

am Bildschirm und fünf Minuten für die gesamte Abwicklung.<br />

Aber die Leute haben ja Zeit. Der Fortschritt verlangt<br />

eben kleine Opfer. Hier werden sie dem Design erbracht.<br />

Die Designszene ist seit längerem in zwei radikale Grundhaltungen<br />

aufgeteilt. Die Spaltung zwischen dem argumentativen,<br />

formalistischen Design in der Tradition der Hochschule<br />

für Gestaltung Ulm und dem expressiven, emotionalen<br />

Design der Protestbewegung Memphis, mit ihrem Höhepunkt<br />

in den 1980er Jahren, ist neuerdings wieder sehr tief<br />

– besonders seit das interaktive Design der digitalen Medien<br />

zum großen Paradigma geworden ist, wo es auf viel mehr<br />

ankommt als auf fröhliche Ästhetik. Jede der beiden Haltungen<br />

empfindet die jeweils andere als Fehlentwicklung in der<br />

Sparte Design. Und beide fühlen sich von der jeweils anderen<br />

missverstanden. Heute sind es eher die Vertreter eines<br />

»neuen Funktionalismus«, die gegen die Folgen der einstigen<br />

Protestbewegung Memphis protestieren. Aber der »neue<br />

Funktionalismus« ist nur in der Bezeichnung altfränkisch. Er<br />

bringt tatsächlich wieder frischen Wind in die zuletzt etwas<br />

geistlos geführte Debatte ein. Den neuen Funktionalismus<br />

sehe ich in der Figur des »denkenden Designers« verkörpert 1 .<br />

Was ist eigentlich Design?<br />

ein Hin und Her<br />

Natürlich gibt es die Verteidiger eines Designs der ästhetischen<br />

Form. Warum auch nicht? Man kann sie als die Designromantiker<br />

ansehen, die der in die Jahre gekommenen Tradition treu bleiben,<br />

Design als Aufgabe gelungener Ästhetik zu betrachten. Fragt man<br />

einen Anhänger dieser Haltung nach Zielgruppe und Methodik<br />

(wie mir neulich passierte), antwortet er, dafür ziehe der kreative<br />

Designer Psychologen und Soziologen als Experten zu Rate – und<br />

fügt gleich hinzu, dass diese Frage mit Design wenig zu tun habe.<br />

Andererseits ist es unübersehbar, dass die Berufe des Designs sich<br />

in raschem Wandel befinden. Es gibt heute kaum eine andere<br />

Sparte, die sich so abhängig von technischen und sozialen<br />

Veränderungen ständig erneuern muss. Ein Slogan wie:<br />

»einmal Designer, immer Designer« würde etwas ganz anderes<br />

bedeuten als »immer Journalist« oder »immer Physikerin«.<br />

Mögen sich hier auch die Grundlagen erweitern, bleibt doch<br />

die Identität des Faches erhalten. Design hingegen muss sich<br />

ständig anderen Disziplinen gegenüber öffnen; ein identisches<br />

Berufsbild ist schon lange nicht mehr auszumachen.<br />

Seit mehr als zehn Jahren etabliert sich allmählich eine neue<br />

Denkrichtung unter der Überschrift »Designwissenschaft«.<br />

In den Mittelpunkt der Designwissenschaft rückt das »neue<br />

Denken« des »neuen Funktionalismus«. Die Messlatte für ein<br />

solches Denken wurde erheblich höher gelegt. Das Denken in<br />

der Designwissenschaft begibt sich endlich auf das Niveau der<br />

»Komplexität«. Es ist dasjenige Denken, das in dem von Bernhard<br />

von Mutius herausgegebenen Buch Die andere Intelligenz.<br />

Wie wir morgen denken werden proklamiert wird. Die »andere<br />

oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong> 19


Intelligenz« ist die Intelligenz der Gestaltungskompetenz, gesellschaftlich<br />

definierte Probleme zu lösen. Der »denkende Designer«<br />

als Repräsentant dieser anderen Intelligenz hält in der Informationsgesellschaft<br />

die Fahne hoch, um dem Design den ihm<br />

gebührenden Stellenwert zu sichern. Der denkende Designer<br />

hat bei den technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen<br />

direkt mitzureden und mitzugestalten – und wird nicht nur für<br />

visuelle Trends zuständig sein. Für ihn steht angenehme Ästhetik<br />

nicht mehr an erster Stelle, sondern die komplexe Handlung.<br />

Der denkende Designer befindet sich heute noch in Ausbildung.<br />

Mir scheint, dass Studiengänge wie beispielsweise<br />

IGi (Informationstechnologie und Gestaltung international)<br />

an der FH <strong>Lübeck</strong> auf dem richtigen Weg sind, das neue<br />

Designdenken in erfolgreiche Berufsfelder umzusetzen.<br />

20<br />

Cognition Design<br />

Das Design hat sich heute generell und paradigmatisch<br />

in Kommunikationsdesign verwandelt, und dieses<br />

Design ist tatsächlich nicht die bloße Namensänderung<br />

des alten Grafikdesigns, ergänzt durch ein wenig<br />

Computerspielerei. Kommunikationsdesign ist die<br />

Gestaltung der Information in der Mediengesellschaft.<br />

Die Vielfalt der »Welt der Artefakte« (Wirtschafts-Nobelpreisträger<br />

von 1978 Herbert A. Simon 2 ) hat sich bis fast ins<br />

Unvorstellbare gesteigert. Doch die Artefakte sind oft noch<br />

unfähig, sich an den »User« wirklich anzupassen. Für eine<br />

Briefmarke ein Dutzend Schritte: das ist natürlich vollkommen<br />

unakzeptabel. Der Fehler liegt beim Design, oder sollte man<br />

genauer sagen: beim Design ohne Mitwirkung von Designern?<br />

Kommunikation steht im Mittelpunkt des Designs, vor<br />

allem die Kommunikation »Mensch-Maschine«. Kommunikationsdesign<br />

beschäftigt sich nicht nur mit der<br />

technischen Realisierung, es beschäftigt sich mit dem Menschen.<br />

Kommunikationsdesign greift auf ein Verständnis<br />

psychologischer, soziologischer und technischer Sachverhalte<br />

zurück. Heute geht es schwerpunktmäßig darum,<br />

»Komplexität zu reduzieren« (nach H. A. Simon und dem<br />

Soziologen Niklas Luhmann). Design ist Cognition Design.<br />

Design ist also auf Wissenschaft angewiesen. Design kann<br />

sich nicht mehr vorwiegend auf Basis von Berufserfahrung<br />

und »einmaligen Ideen« von Designerstars vollziehen. Ein<br />

Designer, der sich der Komplexitäts-Frage nicht stellt, kann<br />

keine vernünftige Dienstleistung mehr anbieten. Cognition<br />

Design denkt in Kategorien der Psychologie und der Neurowissenschaften,<br />

um zu berücksichtigen, wie Menschen<br />

tatsächlich individuell handeln. Cognition Design denkt in<br />

Kategorien der Soziologie, um zu berücksichtigen, wie die<br />

gesellschaftliche Kommunikation sich durch technische<br />

Systeme verändert. Cognition Design denkt in technischen<br />

Kategorien, um zu berücksichtigen, wie Realisierung, Produktionsfaktoren<br />

und Kosten die Machbarkeit beeinflussen.<br />

Das Profil des neuen Designs muss nochmals da anknüpfen, wo<br />

die Hochschule für Gestaltung Ulm die Angelegenheit liegen<br />

gelassen hatte. Damals arbeiteten Designer mit Ingenieuren<br />

zusammen, um die Geräte »schön« zu umhüllen (es war der<br />

oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>


Elektromotor, der in der Industriegesellschaft den technischen<br />

Stand repräsentierte). Damals lernten die Studenten der Gestaltung<br />

außer Mathematik, Physik und Kybernetik auch andere<br />

Fächer wie Psychologie, Soziologie, Wissenschaftstheorie oder<br />

Semiotik. Diese Tradition besteht im Lehrpensum von IGi fort.<br />

Seit die HfG Ulm 1968 geschlossen wurde, ist doch technisch<br />

so einiges an Innovation passiert, was in den Forschungsprogrammen<br />

der Designwissenschaft viel Raum beansprucht.<br />

Die Psychologie von damals hatte z.B. ein behavioristisches<br />

Menschenbild vor Augen, nach dem auf einen konkreten Reiz<br />

eine bestimmte Reaktion folgt, nach dem Schema Ursache-Wirkung.<br />

Infolgedessen dachte man damals, das Design brauche<br />

nur den richtigen »roten Knopf« vorzusehen, um das »richtige«<br />

Verhalten des Users hervorzurufen. Der Mensch erschien<br />

weitgehend steuerbar. Diese Ideologie war eng mit der damals<br />

neuen Wissenschaft der Kybernetik verknüpft (Norbert Wiener<br />

1948). Die Kybernetik, »die Kunst des Steuerns«, beeinflusste die<br />

meisten anderen Wissenschaften und das technische Denken.<br />

Heute folgt die Psychologie dem Paradigma der Kognition.<br />

Das Menschenbild zeichnet statt des reagierenden den bewusst<br />

agierenden Menschen aus. Er antizipiert gemäß seinen<br />

Intentionen die Zukunft und ist nicht mehr allein durch<br />

seine Vergangenheit bestimmt. Für das Design bedeutet dies<br />

Komplexität, das Handeln der Menschen ist nicht berechenbar.<br />

Design ist um ein Vielfaches schwieriger geworden, es muss<br />

dem Spiel der wechselnden Intentionen flexibel folgen (nicht<br />

mehr: design follows function, sondern: design follows use).<br />

Der technische Stand wird von der Mikroelektronik und der<br />

Informatik diktiert, die zusammen mit den digitalen Medien<br />

eine radikale Umformung des sozialen Verhaltens verursacht<br />

haben – was allein schon an der Karriere des Handys zum<br />

alltäglich wichtigsten Fetischobjekt abgelesen werden kann.<br />

Wie sich früher das Design am Elektromotor ausrichtete,<br />

muss es sich heute an der Kognition ausrichten. Es gilt,<br />

die künstliche Intelligenz mit der menschlichen Intelligenz<br />

und seiner Kognition zu versöhnen. Dies ist nur möglich<br />

durch Komplexitätsreduktion in der Kommunikation,<br />

vor allem in der Mensch-Maschine-Kommunikation.<br />

Es war einmal ein denkender Designer...<br />

Der in Barcelona lebende, in der Schweiz geborene Designer,<br />

Designautor und Designdozent Yves Zimmermann nennt in<br />

einem seiner Essays Otl Aicher eine »rara avis«, einen seltenen<br />

Vogel, weil Aicher, so Zimmermann, ein »denkender<br />

Designer« sei. Otl Aicher, der berühmter Ulmer Gründer,<br />

verlangte stets ein Design der Transparenz. Er schätzte kein<br />

Design, das sich durch »Selbstverschönerung« verstellt. Aicher<br />

erwartete vom Design eine viel tiefgründigere Haltung und<br />

kritisierte jedes Design, das anscheinend nur mit dem Ziel<br />

gestaltet wurde, einmal im Kunstmuseum zu landen. Design<br />

müsse ein durchgehend interdisziplinäres Fach sein.<br />

Der denkende Designer nach dem Vorbild Aichers trägt eine<br />

soziale Verantwortung, orientiert sich an der guten Funktionalität<br />

und zieht sich nicht auf das Argument zurück, er<br />

sei ausschließlich für das Erscheinungsbild zuständig. Seine<br />

Denkhaltung begründet eine neue Designmoral. Die Moral des<br />

Bauhauses war es, ein demokratisches Design zu entwickeln,<br />

ein Design, welches das alltägliche Leben wesentlich verbesserte.<br />

Die Ulmer Designmoral stützte sich auf die Funktion.<br />

Design sollte die Funktion zeigen und klären und nichts anderes<br />

vormachen. Heute übernimmt der denkende Designer eine<br />

Verantwortung, die nicht mit der Bereitstellung des Produkts<br />

endet wie bisher. Sie bezieht das gesamte Spektrum der<br />

Handlungsmöglichkeiten mit dem Artefakt ein, einschließlich<br />

ihrer Folgen. Er übernimmt die Verantwortung dafür, dass<br />

sich das Design in die Lebensszenarien der Nutzer einpasst.<br />

Die Menschen erleben den Umgang mit der Maschine vielfach<br />

als kognitiv komplex (z.B. eine Website, ein Lernprogramm,<br />

ein Handy, ein I-Pod usw.), weil die »Maschine« streng<br />

algorithmisch arbeitet und der Mensch nicht algorithmisch,<br />

sondern kontinuierlich-diskursiv denkt. Die Kommunikation<br />

mit der Maschine läuft daher in fremden, ungewohnten<br />

Bahnen. Wir müssen das System so gestalten, dass die Kommunikation<br />

mit der Maschine sich dem Muster anpasst, dem<br />

wir in der Kommunikation mit unseresgleichen folgen.<br />

Was heisst Komplexitaet reduzieren?<br />

Schon häufiger wurde von Psychologen oder Designtheoretikern<br />

die These vertreten, Design müsse »Komplexität<br />

reduzieren«. Weniger häufig wurde von ihnen<br />

erklärt, was dies bedeutet und wie es gelingen soll.<br />

Wie nehmen wir Komplexität wahr? Indem wir uns kognitiv<br />

überfordert fühlen. Wir sehen uns z.B. überfordert, wenn wir<br />

– gerade schreibe ich dies am Computer – die Autokorrektur<br />

eines Schreibprogramms wie Word abstellen wollen, so dass<br />

das Programm aufhört, in allen Zitaten die alte Rechtschreibung<br />

zu aktualisieren: ein Zitat muss texttreu sein, und ältere<br />

Texte sind natürlich in alter Rechtschreibung verfasst. Wir<br />

haben das Gefühl, ein komplexes, undurchsichtiges System<br />

vor uns zu haben, dem wir desorientiert ausgeliefert sind.<br />

Wie tritt Komplexität auf? Nach dem Medienwissenschaftler<br />

Marshall McLuhan folgen wir einem linearen Denken, das<br />

sich durch das Lesen von Büchern kulturell fest verankerte.<br />

Obwohl die Maschinen in linearen Algorithmen programmiert<br />

sind, verhält sich die Linearität der Maschinen sprunghaft, d.h.<br />

anders als die Linearität des Lesens, das eine kontinuierliche<br />

Linearität beinhaltet. Unser lineares Denken ist ein gelerntes<br />

Verfahren, während unser natürliches Gedächtnis nicht linear,<br />

sondern holistisch ist; wir haben eine intuitive, nichtlineare<br />

Form der Weltinterpretation entwickelt. So tritt die nichtlineare<br />

Kognition in eine Konfrontation mit der algorithmischen<br />

Linearität der Maschine ein – es entsteht Komplexität. Die<br />

oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong> <strong>21</strong>


Linearität der Maschine muss durch Design für die nichtlineare<br />

Interpretationsweise der Kognition handhabbar gemacht<br />

werden. Dies geschieht durch »Reduktion« der Komplexität.<br />

Für den soziologischen Systemtheoretiker Niklas Luhmann trat<br />

das Problem der Komplexität bei der Schwelle auf, »von der ab<br />

nicht mehr jedes Element mit jedem anderen verknüpft werden<br />

kann« 3 . Wenn in einem System aus zahlreichen Elementen<br />

alle miteinander verbunden sind, herrscht eine Tendenz zur<br />

Beliebigkeit vor. Im Computer spiegelt sich solche Tendenz<br />

in der Addition von Möglichkeiten. Das Problem sind dann<br />

nicht die Möglichkeiten selbst, sondern dass der Anwender<br />

sie alle auf einmal präsentiert bekommt und sie häufig noch<br />

für seinen konkreten Fall selbst festlegen muss. Die Maschinen<br />

sind nicht objektiv komplex, sondern nur kompliziert, durch<br />

eine zu große Menge von schlecht strukturierten Möglichkeiten.<br />

Wenn wir mit einer solchen Maschine kommunizieren<br />

müssen, werden sie für uns subjektiv komplex, weil wir die<br />

Kontrolle verlieren. Komplexität ist also nicht gleich Kompliziertheit;<br />

Komplexität tritt auf, wenn die Vorgänge des Systems,<br />

mit dem wir kommunizieren wollen, undurchsichtig werden.<br />

Komplexitätsreduktion heißt daher nicht Vereinfachung<br />

durch weniger Möglichkeiten, sondern transparenter für die<br />

jeweilige Handlung werden. Die Vielfalt der Möglichkeiten<br />

muss von Fall zu Fall einsichtig selektiert und dadurch kognitiv<br />

kontrolliert werden können. Das ist die Aufgabe von Design.<br />

Wie reduziert Design Komplexität? Niklas Luhmann übernahm<br />

für seine Systemtheorie den Begriff »Komplexitätsreduktion«<br />

von dem amerikanischen Sozialpsychologen Jerome Bruner 4 .<br />

Da die subjektive Komplexität nicht durch Hinzufügung<br />

von Elementen wächst, sondern durch die Vermehrung von<br />

Relationen zwischen den Elementen, was eine Überforderung<br />

beim Nutzer provoziert, darf die Komplexitätsreduktion nicht<br />

auf ein System mit weniger Elementen hinauslaufen. Vielmehr<br />

müssen nach Luhmann die Relationen zwischen den<br />

Elementen selektiert werden, um sie so aus der Beliebigkeit der<br />

Verbindungen herauszulösen. Durch ein Komplexität reduzierendes<br />

Design müssen also Verbindungen je nach Kontext<br />

(und daher Handlung) selektiert werden. Da Luhmann davon<br />

ausgeht, dass die Systeme dynamisch sind, spricht er von<br />

einer »Temporalisierung von Komplexität« 5 . Stark vereinfacht<br />

können wir sagen, dass die Selektionen sich mit der Zeit ändern,<br />

je nach den neu entstehenden Handlungsbedürfnissen.<br />

Den Selektionen, insofern sie durch Design bewerkstelligt<br />

werden, liegen nach Luhmann Selektionsmuster zugrunde. Das<br />

heißt, sie folgen Patterns, die sich wiederholen, sie bilden den<br />

»Stil« der Selektion. Welche Selektionsmuster muss Design<br />

einbringen, um die Temporalisierung von Komplexität zu<br />

beeinflussen? Die Antwort liegt darin, dass die Selektionsmuster<br />

Sinnstrukturen beinhalten. Kurz: Design generiert Sinn. Zum<br />

Beispiel muss ein Mechaniker Dinge über ein Auto kennen,<br />

die ein gewöhnlicher Autofahrer nicht wissen muss. Es gibt<br />

22<br />

hierbei zwei Komplexitätsabstufungen: Mechaniker-Zugang<br />

und Autofahrer-Zugang zum Auto. Der Mechaniker selbst<br />

möchte aber nicht, wenn er nur in der Rolle des Autofahrers<br />

ist, diejenige Komplexität des Fahrzeugs ständig im Bewusstsein<br />

haben müssen, die er hat, wenn er ein Fahrzeug nach<br />

Fehlern absucht. Je nach Kontext braucht er verschiedene<br />

Selektionsmuster des Systems »Automobil«, die ihm vom<br />

Design her angeboten werden sollten: einmal das Szenario<br />

»Mechaniker«, ein anderes Mal das Szenario »Aufofahrer«.<br />

Die Informatik hat dafür den Begriff »Benutzerillusion«<br />

geprägt. Der Mechaniker hat eine andere als der Autofahrer.<br />

Durch Design wird jedem Handlungskontext eine für ihn<br />

gedachte »Benutzerillusion« geliefert. Die Selektionsmuster<br />

zur Komplexitätsreduktion passen sich den jeweiligen<br />

Anforderungen des Nutzers an. Der Informatiker, der einen<br />

Aufsatz schreibt, benötigt ein anderes Selektionsmuster (eine<br />

andere »Umgebung«) als derselbe Informatiker, wenn er<br />

einen Programmtext in einer Programmiersprache schreibt.<br />

Hierin liegt die allgemeine Form von Design des denkenden<br />

Designers. »User« nehmen nur wahr, was sie im jeweiligen<br />

Moment benötigen, und wollen mit dem Rest der Möglichkeiten<br />

diesmal nicht konfrontiert werden. Das Design reduziert<br />

aufgrund der »Temporalisierung« die Komplexität.<br />

Behaviorismus<br />

Ursache / Wirkung<br />

oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>


aesthetik? Ja. Aber intelligent<br />

Drückt man die Aufgabe des Designs in semiotischer Terminologie<br />

aus (Charles Morris), so waren Designer bisher<br />

hauptsächlich Schöpfer von syntagmatischen Systemen, d.h.<br />

auf der reinen Formebene tätig. Sie beschäftigten sich also<br />

vorwiegend mit dem Aussehen und bedienten daher vorrangig<br />

die visuelle Wahrnehmung. Intelligente Ästhetik hingegen<br />

bezieht auch die semantische Ebene (die Sinnebene) und vor<br />

allem die pragmatische Zeichenebene (Handlung) mit ein.<br />

Ich wies bereits darauf hin, dass eine nicht-argumentative<br />

Ästhetik, ein »Alles ist erlaubt«-Design nicht mehr zeitgemäß<br />

ist; sie kann nicht mit Komplexität umgehen. Die intelligente<br />

Ästhetik muss die kognitiv geführten Handlungen unterstützen.<br />

Cockpits bestehen z.B. nicht mehr wie zum Anfang aus<br />

einem unübersichtlichen Sammelsurium von Funktionen;<br />

in das Cockpit hat schon lange das Cognition Design Einzug<br />

gehalten. Die kognitive Kontrolle des Systems vonseiten des<br />

Piloten ist die allerwichtigste Sicherheitsgrundlage. Cognition<br />

Design ist aber ebenso auch in die Welt der Verwaltung<br />

eingedrungen, Kundenfreundlichkeit gilt auch hier inzwischen<br />

als selbstverständliche Dienstleistung einer modernen<br />

Administration. Design schafft Orientierung. Nicht zuletzt<br />

hat Cognition Design die Welt der Informatiksysteme erobert,<br />

wenngleich noch nicht durchgängig (siehe Briefmarkenkauf<br />

in Béjar). Es gibt Informatiker (etwa Frieder Nake), die sogar<br />

soweit gehen, die Informatik als Designsparte einzustufen.<br />

Im Design verschwindet also keineswegs die Ästhetik,<br />

die Ästhetikfragen stellen sich dem denkenden Designer<br />

nur tiefsinniger, sie berühren die Temporalisierung<br />

der Komplexitätsreduktion. Intelligente Ästhetik erfüllt<br />

die Bedingungen zum Gelingen der Handlung.<br />

Literatur<br />

Aicher, Otl, die welt als entwurf, Berlin, Ernst & Sohn 1991 | Bateson, Gregory, Mind and Nature. A necessary unity, Glasgow, Fontana / Collins 1980.<br />

| Bonsiepe, Gui, »Design as Tool for Cognitive Metabolism: From Knowledge Production to Knowledge Presentation«, Paper für das International<br />

Symposium Ricerca+Design an der Politecnico di Milano 2000, 05, 18/20 | Boom, Holger van den, Betrifft: Design. Unterwegs zur Designwissenschaft<br />

in fünf Gedankengängen, Alfter, VDG 1994 | Bürdek, Bernhard E., »Zur Methodologie an der HfG Ulm und deren Folgen«, in Dagmar Rilker, Marcela<br />

Quijano und Brigitte Reinhardt, Hg., ulmer modelle, modelle nach ulm, Ostfildern-Ruit, Hatje Cantz 2003 | Chomsky, Noam, Language and Mind,<br />

Harcourt Brace Jovanovich 1968 | Luhmann, Niklas, Einführung in die Systemtheorie, Heidelberg, Carl-Auer-Systeme 2004 (2. Auflage) | McLuhan,<br />

Marshall, Die magischen Kanäle. Understanding Media, Frankfurt am Main, Fischer Bücherei, 1970 (o.V. von 1964) | Mutius, Bernhard von, »Die andere<br />

Intelligenz oder: Muster, die verbinden. Eine Skizze«, in Bernhard von Mutius (Hg.), Die andere Intelligenz. Wie wir morgen denken werden, Stuttgart,<br />

Klett-Cotta 2004, 12-39 | Norman, Donald A., Dinge des Alltags. Gutes Design und Psychologie für Gebrauchsgegenstände, Frankfurt am Main,<br />

Campus 1989 (o.V., The Design of Everyday Things, New York, Doubleday 1990) | Ortega y Gasset, José, Meditación de la técnica, Madrid, Santillana,<br />

col. Filosofía hoy 1997 | Romero-Tejedor, Felicidad, Der denkende Designer. Von der Ästhetik zur Kognition. Ein Paradigmenwechsel, Hildesheim, Olms<br />

<strong>2007</strong> | Simon, Herbert A., Die Wissenschaften vom Künstlichen, Berlin, Kammerer & Unverzagt 1990 (o.V., The Sciences of the Artificial, Cambridge,<br />

MIT 1969 – 1981) | Vester, Frederic, Unsere Welt – ein vernetztes System, München, dtv 1983 – 2002 (11. Auflage) | Zimmermann, Yves, Del Diseño,<br />

Barcelona, Gustavo Gili 1998<br />

Fußnoten<br />

1. Siehe dazu inzwischen meinen Essay: Der denkende Designer. Von der Ästhetik zur Kognition. Ein Paradigmenwechsel. | 2. The Sciences of the Artificial.<br />

| 3. N. Luhmann, Einführung in die Systemtheorie, S. 174. | 4. J. Bruner, A Study of Thinking, 1956. | 5. Luhmann, ebenda, S. 176.<br />

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24<br />

Zwischen der Idee<br />

und der Realität<br />

zwischen der Bewegung<br />

und der Tat<br />

fällt der Schatten<br />

Zwischen der Vorstellung<br />

und der Kreation<br />

zwischen der Emotion<br />

und der Reaktion<br />

fällt der Schatten<br />

oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>


Wulf Rehder<br />

Als der Herrgott die Welt erschuf, begann Er Seine Arbeit mit<br />

dem Licht. Das ist vielleicht der Grund, warum man Licht<br />

den Schatten Gottes nennt. Wo Licht ist, da ist auch Schatten,<br />

so wie der Zweifel der Wahrheit folgt. Nabokov hat in<br />

einem Interview einmal gesagt: »Wir denken nicht in Worten,<br />

sondern in Schatten von Worten.« Das Alte Testament<br />

nennt unser Leben auf Erden ein Schattendasein, und der<br />

griechische Hades war die Schattenwelt der Toten. Schatten<br />

sind überall. Sie erheben sich mit dem lebendigen Licht;<br />

sie sind Gegenstand unseres Denkens; sie begleiten uns ein<br />

Leben lang, bis wir uns endlich selbst in sie verwandeln.<br />

In diesen Beispielen sind Schatten jedoch nur von sekundärer<br />

Qualität: sie sind wie ein Echo, wie Stellvertreter, und<br />

daher von geringerer Statur als die fassbaren oder abstrakten<br />

Dinge, für die sie stehen und ihre Schatten werfen.<br />

Die folgenden Bemerkungen wollen versuchen, den Schatten<br />

aus dieser zweitrangigen Rolle zu befreien. Ich möchte ihn<br />

jenseits seiner bloßen Flüchtigkeit als reales Wesen darstellen,<br />

wie Dante am Ende des einundzwanzigsten Gesangs<br />

des Fegefeuers schreibt: »trattando l’ombre come cosa<br />

salda«, den Schatten wie ein solides Ding behandeln.<br />

Zunächst ganz nüchtern betrachtet: Es ist ein nachweisliches<br />

Phänomen, dass gewisse Schatten, zum Beispiel im Schnee,<br />

messbare Farben erzeugen, die unseren Sehnerv mit objektiven<br />

Wellenlängen und Intensitäten treffen. Vom Schnee zur Poesie:<br />

T.S. Eliot argwöhnt in seinem Gedicht »The Hollow Men«,<br />

dass ein farbloser Schatten nicht mehr sei als eine leere Geste,<br />

ein blinder Begriff. Ich will dem Schatten nicht nur eine reale<br />

Existenz zusprechen, sondern ihm mit dem Attribut »farbig«<br />

auch ein neues metaphorisches Leben geben, so wie man von<br />

einer »farbigen Persönlichkeit« spricht, die ihren ganz eigenen<br />

Charakter hat. So hätte also dieser Beitrag über farbige Schatten<br />

auch mit »Das Wesen der Schatten« überschrieben werden<br />

können. Was Viktor, Professor Pnins Sohn in Nabokovs Roman,<br />

sehen und unterscheiden konnte, nämlich dass Schatten<br />

charakteristische Farben haben, hat seit jeher Poeten und<br />

Farbige Schatten<br />

Und mit sechs Jahren unterschied Viktor schon, was so viele<br />

Erwachsene nie zu sehen lernen – die Farben von Schatten,<br />

die Unterschiede in den Farbtönungen zwischen den Schatten<br />

einer Apfelsine, einer Pflaume oder einer Avokado.<br />

Vladimir Nabokov: Pnin.<br />

Wissenschaftler fasziniert. Robert Frost, zu J. F. Kennedys Zeit<br />

Poeta Laureatus der USA, hat das Epigramm geprägt, »Poesie<br />

ist die einzige zulässige Weise, etwas zu zeigen und damit etwas<br />

anderes zu meinen.« Statt Poesie können wir Schatten sagen.<br />

Schatten können für sich eine Bedeutung haben, die sich in den<br />

Dingen selbst, die diese Schatten werfen, nicht zeigen. Schatten<br />

mögen, wie die Sprache, etwas ausdrücken, etwas verheimlichen,<br />

etwas verstecken, etwas erklären, etwas andeuten,<br />

was im Ding selbst nicht sichtbar ist. Auf diese semantische<br />

Autonomie des Schattens will ich jetzt näher eingehen.<br />

Schatten bei Poeten<br />

Nicht unerwartet treten Schatten in Kinderreimen und<br />

Märchen auf. In Walter de la Mares Gedicht »Der Schatten«<br />

ist es Nacht und der Mond ist aufgegangen. Ein<br />

Kind geht auf Zehenspitzen auf eine weiße Mauer zu,<br />

Wo, wie ein heimlicher<br />

Begleiter,<br />

Mein kleiner Schatten<br />

Auf mich wartet.<br />

Wie zum Spott imitiert der Schatten die Bewegungen, und doch:<br />

Er ist blind und dumm –<br />

Blind und dumm.<br />

Und wenn ich geh,<br />

Wird die Wand<br />

Weiß wie Schnee.<br />

oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong> 25


Dies sind Reime nicht für Viktor, sondern für den kleinen Bruder.<br />

Sentimental und wie aus einem romantischen Gruselmärchen<br />

klingen die Strophen in de la Mares »Lied vom Schatten«:<br />

Der alte Hund wimmert im Schlaf,<br />

Die Glut brennt nieder;<br />

An den Wänden die Schatten<br />

Wandern hin und wieder.<br />

Auch wenn Schatten menschliche Eigenschaften haben,<br />

»blind und dumm«, so sind sie doch nur sekundär. Der<br />

Romantiker Adalbert von Chamisso geht einen Schritt weiter<br />

mit seinem Märchen von Peter Schlehmil. Schlehmil verliert<br />

seinen Schatten und wird einsam und unglücklich. E.T.A.<br />

Hoffmann spielt in seiner Fabel von Erasmus Spikher mit<br />

der gleichen Idee vom verlorenen Schatten. Nur vollständige<br />

und zufriedene Menschen haben einen Schatten. Ein unglückliches<br />

Beispiel ist die Kaiserin in Richard Strauss’ Oper<br />

»Die Frau ohne Schatten«, mit dem Libretto von Hugo von<br />

Hofmannsthal. Die kaiserliche Elfenfrau ist kinderlos – sie ist<br />

daher eine Frau ohne Schatten, transparent wie Glas. Nach<br />

vielen Verwicklungen, in denen sie unter anderem ein Kind<br />

kaufen will, wird sie unvermittelt schwanger, damit vollständig<br />

und glücklich, und bekommt endlich auch ihren Schatten.<br />

Matthias Claudius schreibt im Jahr 1770 seine ironisch-wissenschaftlichen<br />

»Betrachtungen über den Schatten«. Sie<br />

beginnen mit der Einsicht, dass der Schatten einer Person<br />

klüger als die Person selbst ist; denn der Schatten kann keine<br />

dummen Reden halten. Andererseits ist dein Schatten wie<br />

dein Ruf: Er verlässt dich nie, und je höher deine Stellung,<br />

desto länger dein Schatten. Claudius zitiert seine Vorgänger<br />

Buffon, Abbe Mazeas und Beguelin, die auch bemerken,<br />

dass Schatten von Sonnenaufgang zu Sonnenuntergang ihre<br />

Farben verändern. Ähnliches, schreibt Claudius, trifft auch<br />

auf unsere Reputation zu. Am Anfang und Ende des Tages,<br />

wenn die Sonnenstrahlen uns von der Seite treffen, sind unsere<br />

Schatten lang und unsere Reputation intakt. Doch wenn uns<br />

in der Tagesmitte die Sonne wie ein Scheinwerfer von oben<br />

anleuchtet, werden unsere Fehler offenbar, und unser guter Ruf<br />

mag verschwinden wie der Schatten unter unseren Füßen.<br />

Hundert und fünfzig Jahre früher, im Jahre 1635, beginnt<br />

der metaphysische Dichter John Donne eines seiner Liebesgedichte<br />

»Vortrag über den Schatten« mit den Versen:<br />

26<br />

Stand still, and I will read to thee<br />

Steh still, und ich werde dir, mein Liebling,<br />

A lecture, love, in love’s philosophy.<br />

einen Vortrag halten über die Philosophie der Liebe.<br />

These three hours that we have spent,<br />

In den drei Stunden, die wir zusammen hier<br />

Walking here, two shadows went<br />

Wandelnd verbracht, haben uns zwei Schatten<br />

Along with us, which we ourselves<br />

produced;<br />

Begleitet, die wir selbst geschaffen haben;<br />

But, now the sun is just above our head,<br />

Aber jetzt, mit der Sonne direkt über unsren Köpfen,<br />

We do those shadows tread;<br />

Treten wir in diesen Schatten;<br />

And to brave clearness all things<br />

are reduced.<br />

Und zu schöner Klarheit kommen alle Dinge.<br />

In den letzten Beispielen wird der Schatten schon beinahe wie<br />

etwas Wirkliches vorgestellt, ein beobachtbares Etwas mit eigenem<br />

Leben. Er ist »wie ein heimlicher Begleiter« bei Walter de<br />

la Mare, er wartet auf mich, er wandert hin und her, als hätte er<br />

Beine. Bei Chamisso, Hoffmann und in Strauss’ Oper bedeutet<br />

er Vollständigkeit, Glück, Fruchtbarkeit. Claudius spricht von<br />

unseren Schatten, besonders den farbigen, als von Objekten, die<br />

einer ernsthaften wissenschaftlichen Untersuchung würdig sind;<br />

benutzt sie dann aber als Metaphern für unsere veränderliche<br />

Reputation. John Donne schließlich vergleicht die wachsende<br />

Liebe mit dem Wachsen des Schattens gegen Ende des Tages.<br />

Ich will in der Folge zeigen, wie die modernen Autoren Herman<br />

Melville, Vladimir Nabokov, und T. S. Eliot noch einen<br />

Schritt weitergehen in der Realisierung farbiger Schatten.<br />

In Herman Melvilles Novelle »Benito Cereno« ist ein Schatten<br />

nicht nur Gleichnis oder Metapher, sondern auch Stil-Mittel<br />

und dichterisches Gerät, das abstrakte Stimmungen von Furcht<br />

und Schwermut in greifbare Objekte verwandelt – wenn<br />

man denn Schatten »greifbar« nennen kann. Gleichzeitig<br />

wird der Schatten zu einem Leitmotiv für die ganze Novelle.<br />

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Die Novelle beginnt, als ein amerikanisches Handelsschiff<br />

mit seinem Kapitän Delano nahe der chilenischen Küste vor<br />

Anker geht. Die See ist grau, die Dünung bleiern. Auch der<br />

Himmel ist grau und graues Gevögel fliegt niedrig und unstet<br />

durch den unruhigen Dunst über dem Wasser. Diese gothische<br />

irreale Stimmung wird zusammengefasst in der dunklen<br />

Bemerkung: »Gegenwärtige Schatten, die kommende tiefere<br />

Schatten ahnen lassen.« Es sind diese nicht Schatten von<br />

irgendetwas anderem, primärem: die Schatten selbst sind die<br />

Akteure mit dem Auftrag, kommendes Unheil anzudeuten.<br />

Gegen diese düstere Stimmung setzt sich die Gestalt des<br />

Kapitän Delano ab, der ein Mann von »einzigartig un-misstrauischer<br />

(sic) Frohnatur« ist, und dem das andere Schiff,<br />

eine Sklavenfregatte, zuerst wie ein »weissgetünchtes Kloster<br />

nach einem Gewitter« erscheint. Wir Leser aber sind durch<br />

die erwähnten Grautöne und sonnenlosen Schatten bereits<br />

vorgewarnt, dass Unheil dräut. Am Ende wird Benito Cereno,<br />

Kapitän der Sklavenfregatte, von Delano gerettet, und für einen<br />

Augenblick kehrt sich die anfängliche Moll-Stimmung der<br />

Novelle in eine optimistische Dur-Melodie um. Delano ruft aus:<br />

»Sieh, die Sonne dort hat alles vergessen, und die blaue See,<br />

der blaue Himmel: sie haben sich alle zum besseren gewandt.«<br />

Aber eben nur für einen Augenblick. Auf Delanos Frage »Du bist<br />

gerettet: was für ein Schatten hat denn über dir gelegen?« antwortet<br />

Cereno, »der Neger.« Dieser Neger ist Babo, teuflischer<br />

Meuterer und Vertreter des üblen Geistes auf der Sklavenfregatte.<br />

Babo wird geköpft, sein Kopf auf einer Stange öffentlich<br />

ausgestellt. Drei Monate später folgt Benito Cereno Babo im<br />

Tode nach, ihm, der den ersten Todesschatten geworfen hatte.<br />

Nach der deutschen Sprache liegt man bequem und passiv<br />

unter dem Sonneschirm »im Schatten«, und wenn<br />

man aufsteht und aktiv in die Sonne tritt, »wirft man<br />

einen Schatten.« Im Englischen haben die passive und<br />

die aktive Bedeutung von Schatten ihre eigenen Namen:<br />

shade und shadow. »I lie down in the shade for a siesta,<br />

and stepping out into the sun I cast a shadow.«<br />

Nabokov ist ein Meister-Jongleur mit den Wortern shade<br />

und shadow, und er benutzt sie einmal als Naturphänomene,<br />

dann als Namen, auch als Metaphern, und als<br />

Geister, die sich in und unter den Dingen verstecken.<br />

Im allerersten Vers seines Werkes »Fahles Feuer« (Pale Fire)<br />

hören wir Professor Sam Shade über sich als Schatten reden:<br />

(Deutsche Übersetzung<br />

von Uwe<br />

Friesel, Reinbek,<br />

1962, 1968).<br />

Da Professor Shade im Buch ermordet wird, wahrscheinlich als<br />

Opfer eines Irrtums, haben realistisch gesonnene Leser diese<br />

Stelle so interpretiert, als werde am Ende, durch seinen Tod,<br />

Shade zu einem Schatten (shadow), nämlich wie der Seidenschwanz,<br />

der irrtümlich, durch den im Fensterglas gespiegelten<br />

Himmel angezogen, in das Glas fliegt und stirbt. Andere Kritiker<br />

sagen dagegen, Shade verkünde hier in seinem Gedicht gleich<br />

zu Anfang seinen Scheintod, um dann als sein (erfundener)<br />

Bewunderer und Nachbar Kinbote, sein Schatten, weiterzuleben.<br />

Der zweite Teil von »Fahles Feuer« besteht aus Kinbotes<br />

ausführlichem und of skurrilem Kommentar, der nichts anderes<br />

als jener »gespiegelte Himmel« sei, in dem Shade weiterlebe.<br />

Das ist hübsch; aber man kann sicher sein, dass Nabokov selbst<br />

eine derartige Interpretationsakrobatik abgelehnt hätte. Wie<br />

er auch einem Frager, der Platons Schatten aus dem Höhlengleichnis<br />

bemühen wollte, antwortete: »Ich mag den Platon<br />

nicht besonders, und würde im übrigen unter seinem teutonischen<br />

Regime von Militär und Musik nicht lange überleben.<br />

Ich glaube also nicht, dass diese Sache mit der Höhle<br />

irgendwas mit meinem Shade und Schatten zu tun hat.«<br />

Trotz dieser brüsken Abwehr des Autors, der gerne seine<br />

Leser verspöttelt, vor allem interpretierende Literaturwissenschaftler,<br />

sei auf das »war«, die Zeit der Vergangenheit,<br />

in der ersten Zeile des Eingangsverses hingewiesen: »Der<br />

Schatten… war ich…« Das ist ein sehr subtiler Hinweis auf<br />

den Kern der autobiographischen Geschichte, die Professor<br />

Shade hier vor seinem Tode aufgeschrieben hat: Shade stellt<br />

sich dar als metaphorischer Schatten des Vogels, der stirbt und<br />

doch nicht stirbt (erschlagen… lebte fort), ganz so wie Shade<br />

in seiner eigenen Vergangenheit, in der er einen schweren<br />

Herzanfall hatte und sicher war (denn er hatte dabei eine klare<br />

Vision des Jenseits), er würde sterben, und doch fortlebte.<br />

Auch in seinem ehrgeizigen langen Roman Ada benutzt Nabokov<br />

Schatten als Konstruktionselemente, direkt und indirekt.<br />

Schattenartig sind zunächst die vielen komplementären Gegensätze<br />

wie Stadt und Garten, Ruhe und Ehrgeiz, Meer und Erde,<br />

Verstand und Materie, die auch die Unterschiede zwischen dem<br />

männlichen Helden Van und seiner geliebten Zwillingsschwester<br />

Ada widerspiegeln. Überall spielt der Text mit der Wirklichkeit<br />

(reality) und ihren Erscheinungsformen. Zum Beispiel nennt<br />

Van die Zeit seines ersten Sommers mit der blutjungen Ada die<br />

»grüne Wirklichkeit des Gartens«. Wenn es nach vielen sexuellen<br />

Spielereien, von deren »Wirklichkeit« Van ironisch in Anfüh-<br />

I was the shadow of the waxwing slain<br />

Der Schatten des Seidenschwanz war ich, erschlagen<br />

By the false azure in the windowpane;<br />

Vom falschen Azur im Fensterglas;<br />

I was the smudge of ashen fluff and I<br />

Ich war der Schmutz aus aschenem Flaum, und im<br />

Lived on, flew on, in the reflected sky.<br />

Gespiegelten Himmel flog ich weiter, lebte fort.<br />

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ungszeichen schreibt, dann zu ihrem ersten Inzest kommt, wird<br />

die »Wirklichkeit« lebendig und real, denn in der Liebe »verlor<br />

sie ihre Anführungszeichen, die sie wie Krallen mit sich führte«.<br />

Etwas später nimmt Nabokov die Gartenmetapher wieder auf<br />

und vereinigt sie mit der krallenlosen Wirklichkeit von Vögeln<br />

und farbigen Schatten: »Die Drosseln pfiffen süß im hellgrünen<br />

Garten, als die dunkelgrünen Schatten ihre Krallen einzogen.«<br />

Wie bewusst das Design des Romans angelegt wird, wird weiter<br />

deutlich in der Gestalt von Adas Schwester Lucette, die trotz<br />

ihres licht-frohen Namens nur ein Schatten ihrer wunderschönen<br />

Schwester ist und, hoffnungslos in Van verliebt, wie Shades<br />

Tochter (auch sie von ihrem erhofften Liebhaber sitzengelassen)<br />

Selbstmord begeht, von Van kühl so beschrieben:<br />

»Obwohl Lucette nie (…) von einer solchen Höhe ins Wasser<br />

getaucht war, in ein solches Durcheinander von Schatten<br />

und schlangenartigen Spiegelungen, ging sie unter fast ohne<br />

einen Spritzer…« Wieder ein Tod, diesmal ein wirklicher, auf<br />

der spiegelnden Wasseroberfläche, wo die Schatten tanzen.<br />

Nabokov hielt nicht viel von T.S. Eliot und rechnete ihn,<br />

zusammen mit Thomas Mann, unter die langweiligen<br />

Schwindler und Groß-Schriftsteller. In Ada lässt er Eliot als<br />

den »feierlichen Bankangestellten Kithar Sweeney« auftreten,<br />

der im Alter die »Satire The Waistline« (Die Taille)<br />

geschrieben habe. Dies ist natürlich eine Anspielung auf Eliots<br />

berühmtes Gedicht »The Wasteland« (Das wüste Land).<br />

In seinem Gedicht »Die hohlen Männer« (The Hollow<br />

Men) ist T.S. Eliot ein ähnlich verspielter und bewusster<br />

Designer komplexer Bedeutungen und literarischer Anspielungen<br />

wie Nabokov. Die Bezeichnung »hohle Männer«<br />

wird heute manchmal für die gesichtslosen Männer in<br />

multinationalen Konzernen benutzt, wie in der berühmten<br />

Apple Computer Reklame von 1982, oder für Soldaten<br />

in Francis Ford Coppolas Anti-Kriegs Film »Apokalypse<br />

Now«, in dem der Anfang des Gedichts zitiert wird:<br />

Wir sind die hohlen Männer<br />

…<br />

die Schädel gefüllt mit Stroh, o weh!<br />

unsere dürren Stimmen flüstern gegeneinander,<br />

sind leise und bedeutungslos<br />

wie Wind im trockenen Gras oder<br />

Rattenfüße im gebrochenen Glas im trockenen Keller<br />

Gestalt ohne Form, Schatten ohne Farbe,<br />

gelähmte Kraft, Gebärde ohne Bewegung<br />

28<br />

Denn Dein ist das Reich<br />

Das Leben ist sehr lang<br />

Denn Dein ist das Reich<br />

»Hohle Männer« leben bedeutungslos, ohne Energie und<br />

Ehrgeiz. Sie sind nicht tot, sondern nur fasziniert von ihrer<br />

eigenen Leere und Trägheit, gelangweilt, schattenartig, farblos.<br />

Im Teil V wird der Schatten, mit bestimmtem Artikel,<br />

zu einer personifizierten, mysteriösen Macht, die jeden<br />

Versuch der hohlen Männer, aus vagen politischen<br />

Ideen zur Wirklichkeit zu gelangen, vereitelt und am<br />

Ende auf das letzte Gebet bei einer Hinrichtung verweist,<br />

dargestellt durch ein Fragment des Vaterunser:<br />

Zwischen der Idee<br />

und der Realität<br />

zwischen der Bewegung<br />

und der Tat<br />

fällt der Schatten<br />

Denn Dein ist das Reich<br />

Derselbe Schatten bringt artistische Unfruchtbarkeit und<br />

Schreibhemmungen mit sich, um am Ende ironisch auf<br />

das bekannte »ars longa, vita brevis« hinzuweisen:<br />

Zwischen der Vorstellung<br />

und der Kreation<br />

zwischen der Emotion<br />

und der Reaktion<br />

fällt der Schatten<br />

Das Leben ist sehr lang<br />

Der dritte Vers spricht davon, wie der Schatten die Liebe, Geburt<br />

und Geschichte verhindert, nämlich durch religiöse Skrupel<br />

und Apathie, worauf wieder das Vaterunser-Fragment verweist:<br />

Zwischen dem Verlangen<br />

und der Erfüllung,<br />

zwischen der Potenz<br />

und der Existenz<br />

zwischen dem Wesen<br />

und dem Nachkommenden<br />

fällt der Schatten<br />

Denn Dein ist das Reich<br />

oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>


Der allmächtige Schatten hat die Menschen in ihren<br />

politischen, sozialen, artistischen, moralischen und historischen<br />

Bestrebungen impotent gemacht: nichts geschieht,<br />

und die Welt stottert dahin bis zur totalen Entropie,<br />

wo die Schatten keine Farben mehr haben.<br />

Während Nabokov in den obengenannten Werken Ada und<br />

Fahles Feuer wie ein Wortarchitekt exakte Metaphern und<br />

systematische Bilder als Bausteine seiner Schatten-Konstruktionen<br />

benutzt, verlässt sich Eliot mehr auf die metaphysische<br />

Wirkung von Klang, Musik und Suggestionen von Bedeutung<br />

und Andeutung, wie etwa mit dem Fragment des Vaterunser.<br />

Bei beiden ist jedoch der Schatten eine in sich eigene Kraft<br />

und Gestalt, längst nicht mehr nur Schatten von etwas.<br />

Schatten in der Wissenschaft<br />

Schatten sind seit mehr als zwei Jahrtausenden Gegenstand der<br />

Physik gewesen. Blaue Schatten sieht man an klaren sonnigen<br />

Wintertagen im Schnee – warum? Schnee in direktem Sonnenlicht<br />

ist weiss-gelb, die Farbe der Sonne. Der Schnee im Schatten<br />

bekommt kein direktes Sonnenlicht, sondern er wird lediglich<br />

beleuchtet durch das Licht vom blauen Himmel. Wäre also der<br />

Himmel rot, so wäre auch der im Schatten liegende Schnee rot.<br />

Oft waren Phänomene und ihre Erklärungen weniger elementar.<br />

Im Folgenden will ich kurz auf drei Beispiele eingehen, die<br />

einen Zeitraum von mehr als 2300 Jahren umfassen: Aristoteles,<br />

Goethe, und Professor David Deutsch aus Oxford.<br />

Aristoteles (384-322 v.Chr.) vergleicht Schatten mit Echos.<br />

Wir können Töne durch ihr Echo erkennen, so wie wir<br />

Licht durch seinen Schatten analysieren können. Ein<br />

Echo ist der Schatten von Tönen, ein Schatten das Echo<br />

des Lichts. Für beide ist die Erklärung mechanistisch.<br />

Aristoteles gibt im Zweiten Buch über die Seele eine modern<br />

klingende Beschreibung des Echos als die Wiederholung<br />

eines akustischen Signals, hervorgerufen durch<br />

Reflexion an einem festen Körper. Dann fährt er fort:<br />

Was hier mit dem Echo geschieht, muss ganz analog auch beim<br />

Licht der Fall sein; Licht wird immer reflektiert – andernfalls<br />

gäbe es nicht die Diffusion, und alles, was nicht direkt von den<br />

Sonnenstrahlen getroffen wird, müsste pechschwarz sein. Aber<br />

dies reflektierte Licht ist nicht immer stark genug, um einen Schatten<br />

werfen zu können, etwa wenn es von Wasser, Bronze oder<br />

anderen blanken Körpern reflektiert wird. Der Schatten ist das<br />

entscheidende Merkmal, an dem wir das Licht erkennen können.<br />

Goethe (1749-1832) war emphatisch in seiner Sicht, Schatten<br />

und Farben als zusammengehöriges Ganzes zu erfassen,<br />

nämlich als »Taten und Leiden« des Lichts. Es sei vergeblich,<br />

das Licht in seinem innersten Wesen zu begreifen. Was uns<br />

gegeben ist, sind lediglich die Wirkungen des Lichts, soweit<br />

wir sie mit unseren Sinnen wahrnehmen können. Bei einem<br />

Menschen sei es nicht anders. Sein inneres Wesen ist nicht<br />

erkennbar; wir sehen seine Handlungen: was er tut und leidet,<br />

und dadurch erhalten wir ein indirektes Bild von seinem<br />

Wesen, einen Schatten seiner Essenz. Goethe wendet diese<br />

Analogie auf Schatten an. Das Licht selbst ist, wie der Mensch,<br />

unaussprechbar (ineffabile). Was wir sehen, sind Schatten und<br />

Halbschatten, Bilder mit verschiedenen Schattierungen aus Hell<br />

und Dunkel, und es sind diese Ingredienzen, die dann auch das<br />

hervorbringen, was unsere Augen als Farben wahrnehmen.<br />

In der Physik, von Newton über Young bis Helmholtz, sind Rot,<br />

Blau, und Grün die Grundfarben, objektiv durch Wellenlängen,<br />

also Zahlen, definiert. Für Goethe dagegen existierten zwei<br />

grundlegende Farbwahrnehmungen, subjektive Erfahrungen<br />

des beobachtenden Menschen: Blau und Gelb. Diese beiden<br />

Farben repräsentieren anthropomorphe Metaphern: Blau,<br />

Repräsentant der Finsternis, ist die Farbe des Himmels. Gelb<br />

ist die natürliche Farbe der Sonne und repräsentiert daher<br />

das Licht. Aus diesen beiden Urphänomenen vermochte<br />

Goethe alle anderen sichtbaren Farben zu generieren, entweder<br />

durch Intensivierung oder Abschwächung, oder durch<br />

Hinzufügen und Mischen. So ist zum Beispiel Rot ein intensiviertes<br />

Gelb, und Grün eine Mischung von Gelb und Blau.<br />

Goethe hielt an seiner poetischen Definition von Blau als<br />

»Tat der Luft«, als Effekt der Luft zwischen Himmel und<br />

Erde auf unsere Augen, fest bis zum Ende seines Lebens. In<br />

einem mürrischen Gespräch vom 19. Februar 1829 spricht<br />

sein Famulus Eckermann von blauen Schatten auf dem Eis<br />

unter der Wintersonne. Goethe ist irritiert und verwirft diese<br />

angebliche Erscheinung als einen Fehler, den andere bereits im<br />

14ten Jahrhundert gemacht hätten. In seinem Aufsatz »Von<br />

den farbigen Schatten« legt er seine eigene Theorie ausführlich<br />

dar. Anstelle von Wellenlängen und Reflexionen, die wie<br />

schon bei Aristoteles Schatten zur Folge haben, beginnt er mit<br />

dem Schatten als einem Grundbegriff. Ganz wie ein moderner<br />

Experimentalphysiker führt er Versuche aus, die die Sicht, Blau<br />

sei eine »abgeleitete« Farbe und kein Urphänomen, falsifizieren<br />

sollen. Und umgekehrt sollen seine Experimente zeigen,<br />

dass Blau aus der grundlegenden »Wechselwirkung« von<br />

Licht und Finsternis entsteht. Und zwar sei Blau das passive<br />

Prinzip, Ausdruck des Leidens von Licht im Schatten, während<br />

Gelb das aktive Prinzip des schattenlosen Lichts darstelle.<br />

Goethes experimentum crucis hat die folgende Versuchsanordnung:<br />

Zwei Quellen »weißen« Lichts (Kerzen) werfen farblose<br />

(graue) Schatten eines Körpers auf die Oberfläche eines weissen<br />

Blatt Papiers. Wenn nun das Licht einer der beiden Kerzen<br />

durch einen roten Schirm gefiltert wird, erscheint der entsprechende<br />

Schatten grün, während der Schatten von der zweiten<br />

Kerze nun dunkler und roter erscheint. Mit diesem Versuch<br />

will Goethe blaue Schatten im weißen Schnee erklären: Blau als<br />

komplementäre Farbe zum Gelb, dem Sonnenlicht. Aber was ist<br />

oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong> 29


30<br />

dann die zweite Lichtquelle in der Natur, die der zweiten Kerze<br />

entspricht? Der Schatten selbst! Das scheint auf den ersten Blick<br />

weit hergeholt und künstlich, ist aber konsistent mit Goethes<br />

Axiom, dass Schatten, als Wirkungen des Lichts, die Quellen<br />

für Blau und Gelb sind, und somit alle Farben hervorbringen.<br />

Aus seiner eindrucksvollen Serie von solchen und ähnlichen,<br />

oft sehr erfindungsreichen Versuchen, zieht nun Goethe<br />

die Folgerung, dass Farben aus der Wechselwirkung von<br />

Licht und Schatten hervorgehen. Zum Beispiel applaudiert<br />

er freudig Kirchers Definition von Farbe als einem lumen<br />

opacatum, d.h. beschattetes Licht. Der Abschnitt 69 seiner<br />

Abhandlung über farbige Schatten beinhaltet Goethes<br />

Theorie in nuce: »Die Farbe selbst ist ein Schattiges.«<br />

In den vergangenen zwei Jahrhunderten hat die Schulphysik<br />

sich nicht viel um Goethe geschert. Die moderne Wissenschaft<br />

wollte mehr als die anthropomorphe Beschreibung von<br />

Phänomenen, die das menschliche Auge in der Natur wahrnehmen<br />

kann. Goethes Auge will denn auch nur das erkennen,<br />

was die Natur freiwillig von sich zeigt, wie dunkelblaue Nächte<br />

und goldenen Sonnenschein. Die Physik folgte stattdessen<br />

Newtons Vorbild, nach dem die Natur durch Versuchsbedingungen<br />

quasi gezwungen werden sollte und musste, sich zu<br />

offenbaren, und diese Offenbarungen wurden dann in der<br />

Sprache der aufkommenden Differential- und Integralrechnung<br />

ausgedrückt, die nicht nur beschreibt, sondern Ereignisse<br />

vorhersagen kann. Natur ist nun nicht mehr das Wunder,<br />

das der beeindruckte Dichter in seinen Versen ausdrücken<br />

will; sie ist Gegenstand einer quantifizierenden Neugier<br />

geworden, die ihr durch listige Experimente und Mathematik<br />

beikommen und ihr ihre Geheimnisse abzwingen will.<br />

So ist es umso erstaunlicher, dass Goethes Idee, Farben seien<br />

Interaktionen von Licht und Schatten, in jüngster Zeit im<br />

Rahmen der Quantentheorie ein neues Leben erhalten hat.<br />

In seinem faszinierenden, umstrittenen Buch The Fabric<br />

of Reality interpretiert der Autor David Deutsch ein kritisches<br />

Experiment über Photonen-Interferenz mittels des<br />

Begriffs von Schatten, ja, ganzen Welten von Schatten.<br />

Deutsch ist ein angesehener Physiker aus Oxford und auch<br />

als Mitbegründer des neuen Forschungsgebietes »Quantum<br />

Computer« bekannt. Das obengenannte Experiment kann in<br />

jedem Labor nachvollzogen werden; es ist in der Tat eines der<br />

klassischen Versuche zur Dualität des Lichts – als Welle und als<br />

Strahl von Photonen-Korpuskeln. Licht von einer monochromatischen<br />

Quelle (z.B. aus einem roten Laser) wird in parallelen<br />

Strahlen auf eine dazu senkrechte Wand geworfen. In dieser<br />

Wand befinden sich zwei enge Schlitze, ein Fünftel eines Millimeters<br />

voneinander entfernt. Dann erscheint auf einem Schirm<br />

hinter dieser Wand ein geordnetes Schema (pattern) aus hellen<br />

und dunklen Streifen, von Licht und Schatten. Schatten wovon?<br />

Sie sehen nicht im geringsten wie Schatten der dazwischenlie-<br />

oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>


genden Wand mit ihren zwei Schlitzen aus. Die Dinge werden<br />

noch merkwürdiger, wenn man noch zwei weitere Schlitze<br />

hinzufügt, die dann also ein Zehntel eines Millimeters auseinanderliegen.<br />

Nun ist plötzlich ein Teil des Schirms, der vorher<br />

im Licht lag, dunkel, obwohl doch nun »mehr« Licht den Weg<br />

durch die Wand gefunden hat! Die Standard-Erklärung ist: die<br />

Photonen »interferieren« miteinander, benehmen sich also wie<br />

Wellen, nicht wie gradlinig fliegende Kugeln aus einer Pistole.<br />

Aber ist das nicht allzu bequem, eine so mysteriöse Erscheinung<br />

mit einem Fremdwort abzudecken, das von Wasserwellen-Experimenten<br />

ausgeliehen ist? Was geht hier wirklich vor sich?<br />

Nach David Deutsch kann das merkwürdige Auftreten zusätzlicher<br />

Schatten bei mehr Licht nur dadurch erklärt werden,<br />

dass mit dem »mehr Licht« auch mehr, tatsächlich sehr viel<br />

mehr, »Schatten-Photonen« durch die Schlitze auf den Schirm<br />

gelangen – zusammen mit den normalen, sichtbaren Licht-Photonen.<br />

Diese unsichtbaren Schatten-Photonen interferieren mit<br />

den Licht-Photonen, löschen sie sozusagen teilweise aus, und<br />

schaffen so mehr dunkle Flecken, Schatten also, auf der Wand.<br />

Woher kommen diese Schatten-Photonen? Deutsch postuliert,<br />

dass es viele unsichtbare Universen (er nennt sie »multiverses«)<br />

geben müsse, in denen sich nicht nur parallele Photonen,<br />

sondern auch Neutronen und Protonen, Steine, Blumen, Menschen,<br />

befinden – alle für uns un-sichtbar, aber nicht un-wirklich,<br />

denn sie interferieren ja mit dem sichtbaren Universum<br />

wie ein Stein mit dem Fuß interferiert, der ihn getreten hat.<br />

Diese Erklärung stützt die Hypothese, dass den Schatten ein<br />

eigenes Reich neben dem Licht gebürt. In den Multiversen<br />

sind Schatten nicht mehr zweitrangig zum Licht oder lediglich<br />

blassgraue Abbilder der Wirklichkeit. Schatten sind<br />

dort regelrechte Einwohner wie Photonen und Steine, jeder<br />

Schatten seine eigene cosa salda, ein Ding in und für sich.<br />

Viele Fragen sind offengeblieben. Haben Dinge Schatten<br />

in unseren Träumen? Wenn ja, sind dies farbige Schatten?<br />

Wie sehen farbige Schatten in Multiversen aus? Entspricht<br />

das Internet vielleicht der indirekt beleuchteten Wand in<br />

Platons Höhle? Sehen wir also wie Platons Gefangene nur<br />

die Schatten von Menschen, die hinter uns ein wirkliches<br />

Leben führen? Oder sind wir sogar nur die Schatten von<br />

Menschen, die sich in Multiversen über uns lustig machen?<br />

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32<br />

Urteil<br />

und<br />

Design<br />

Stephen Rust<br />

oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>


Das Urteil ist ein kognitives Grundelement. Es ist wesentlich<br />

für unser Handeln, unsere Sprache und unser Denken, wo sich<br />

jeweils Urteile manifestieren. Da Denken, Sprache und Handeln<br />

wiederum wesentlich für das Design sind, sowohl für den Entwurf,<br />

als auch für die Benutzung, bietet die kognitionspsychologische<br />

Betrachtung von Urteilen einen sinnvollen Zugang zur Designwissenschaft.<br />

Design und Kognitionswissenschaften<br />

Design lässt sich, abgesehen von der geläufigen Gliederung in<br />

Produkt-, Grafik- und virtuellem Design, in unüberschaubar<br />

viele weitere Spezial- oder Aufgabengebiete unterteilen. Einige<br />

dieser Disziplinen haben sich – vorübergehend oder dauerhaft<br />

– als Fächer in Designstudiengängen etabliert, werden auf<br />

Lehrstühlen repräsentiert, veranstalten eigene Designwettbewerbe<br />

oder es werden wenigstens entsprechende Experten in<br />

Stellenanzeigen gesucht. Die Resultate aus diesen Gebieten,<br />

die Entwürfe, sind außerordentlich vielfältig, ebenso wie die<br />

dazugehörigen Methoden und Theorien, die um diese Gebiete<br />

herum entstanden sind und immer wieder neu entstehen.<br />

Bei aller Differenzierung und aller zu befürchtender Unübersichtlichkeit<br />

und Gegenläufigkeit lassen sich aber auch einige<br />

Gemeinsamkeiten für das Design finden. So zum Beispiel die<br />

Tatsache, dass Design stets von Menschen und für Menschen<br />

gemacht wird. Selbst dann, wenn einst in einer utopischen<br />

Zukunft Design von Automaten entwickelt würde, bliebe<br />

als Zielgruppe stets der Mensch. Aus dieser Orientierung<br />

am Menschen ergibt sich die zentrale Forderung, Humanwissenschaften<br />

wie Medizin, Anthropologie, Soziologie und<br />

Psychologie konsequent zur Theoriebildung heranzuziehen.<br />

Design als Kommunikation: Es ist sinnvoll, Design<br />

als Kommunikationsakt anzusehen. Die Gestaltungselemente<br />

eines Entwurfs und deren Zusammenwirken tragen und<br />

übertragen Bedeutung. Damit sind auch Industrial Design<br />

und Produktdesign in einer Hinsicht dem Kommunikationsdesign<br />

sehr ähnlich. Extravagante Gestaltung oder eine Fülle<br />

von Informationen oder Funktionen nützen wenig, wenn sie<br />

nicht oder nur schwer entschlüsselbar sind. Ob dies gelingt,<br />

hängt auch von den Hinweisen ab, die die äußere Erscheinung<br />

des Entwurfs liefert. Der Designer kodiert Informationen zum<br />

Verständnis oder zur Benutzung in das Design hinein, die vom<br />

Benutzer wieder herausgelesen werden. Dies geschieht vorzugsweise<br />

in einer »Sprache«, die der Benutzer auch versteht.<br />

Hier offenbart sich das eigentliche Problem des Design: Nutzer<br />

und Produkte sind gleichermaßen zahlreich und dabei vielfältig<br />

ausdifferenziert. Gleichzeitig können Produkte ihrerseits wieder<br />

eine große Fülle von Einzelelementen oder Funktionen, also<br />

Informationen, transportieren. Aber auch individuelle Nutzer<br />

reagieren höchst unterschiedlich in Abhängigkeit von ihrer<br />

Tagesform, den Umgangserfahrungen mit dem Design, oder der<br />

Situation der Begegnung mit dem Design. Das macht diesen<br />

Kommunikationsakt per Design schwer universalisierbar.<br />

Wissenschaftliche Zugaenge: Begriffe wie Produktsprache,<br />

Designsemantik oder Semiotik wurden eingeführt,<br />

um dieser Schwierigkeit mit entsprechenden Theorien oder<br />

Theoriefragmenten zu begegnen – bisher jedoch ohne große<br />

Wirkung auf die Designpraxis. Ebenfalls als limitiert haben<br />

sich generell diejenigen Ansätze erwiesen, die ihrem Wesen<br />

nach einzelne Individuen als Adressaten nicht berücksichtigen,<br />

sondern nur Gruppen, wie etwa Marketing- oder soziologische<br />

Methoden. Sie können, wie Börsenanalysen, nur sehr ungenaue<br />

Vorhersagen machen, manchmal aber im Nachhinein gut<br />

erklären, warum etwas geglückt ist oder eben nicht. Mit solchen<br />

Werkzeugen lässt sich wohl der Verkauf steigern, nicht aber die<br />

Qualität von Design. Ein weiterer kaum geeigneter Theorieansatz<br />

ist die Kunstgeschichte, die Design generell aus der Rückschau<br />

beschreibt. Design versteht sich aber als Planungsdisziplin<br />

und benötigt daher eher eine Grundlagentheorie, die die<br />

zukünftigen Szenarien antizipiert und aus der man das Handeln<br />

und Entscheiden des Designers ableiten und begründen kann.<br />

Die Kunstwissenschaft reagiert auf vergangene, bestenfalls<br />

auf zeitgenössische Ereignisse – kein Künstler würde auf die<br />

Idee kommen, aus gängigen kunstgeschichtlichen Theorien<br />

sein zukünftiges Werk abzuleiten. Der Designer muss dagegen<br />

eine Grundlagentheorie haben, nach der er zielgerichtet so<br />

arbeiten kann, wie ein Chemiker mit dem Periodensystem, ein<br />

Architekt oder Ingenieur mit der Physik und Mathematik, oder<br />

ein Arzt mit der Anatomie und Histologie als Basis arbeiten.<br />

Designer sind auf eine andere Weise schöpferisch als Künstler,<br />

auch wenn künstlerische Aspekte durchaus eine Rolle beim<br />

Designen spielen. Der deutlichste Unterschied ist, dass Design<br />

nach einem Zweck ausgerichtet ist, die heutige Kunst dagegen<br />

mit einer solchen Ausrichtung eher anrüchig wirken würde.<br />

Kognitionspsychologie als Grundlagenwissenschaft<br />

des Design: Die oben bereits<br />

beschriebene zentrale Position des Menschen im Designprozess<br />

ist ein geeigneter Ausgangspunkt für Überlegungen<br />

zu einer allgemein gültigen, grundlegenden Designtheorie.<br />

Für die individuelle Betrachtung des Menschen ist die Psychologie<br />

zuständig. Diejenigen Aspekte der Psychologie, die<br />

auch für das Design relevant sind, also etwa Informationsverarbeitung<br />

beim Bewerten, Benutzen und Erleben von<br />

Design, behandelt die Kognitionspsychologie. Sie analysiert<br />

das Geschehen beim Sprechen, Denken, Erinnern, Verhalten,<br />

Lernen, Entscheiden und mehr. Allen genannten Vorgängen<br />

liegt jedoch ein elementarer Vorgang zugrunde, das Urteilen.<br />

Urteile<br />

Der Begriff Urteil wird in vielfältiger Weise verwendet. Er<br />

kann sich auf so unterschiedliche Sachverhalte wie einen<br />

Richterspruch, eine ästhetische Beschreibung, eine Kategorisierung,<br />

die bloße Wahrnehmung, einen flüchtigen<br />

Eindruck oder eine gewachsene Einstellung beziehen. Jedes<br />

Urteil ist von mehreren Einflussquellen abhängig und von<br />

ihm hängen gleichzeitig anderen Konzepte wie Entschei-<br />

oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong> 33


dungen, Sprache, Handlung und Einstellung ab, welche<br />

ihrerseits wichtig für das Design sind (siehe Abbildung). Das<br />

Urteil lässt sich als kleinste kognitive Einheit beschrieben.<br />

Kategorisierung und Urteil: Eine Kategorisierung<br />

ist eine spezielle Form eines Urteils, in der mögliche Antworten<br />

vorgegeben sind. In Wahrnehmungsexperimenten werden<br />

solche Entscheidungsfragen häufig gestellt. Bekannte Beispiele<br />

sind die Unterscheidung von Gesichtern nach Geschlecht, die<br />

semantische Entscheidung, ob eine Reizvorlage ein Tier ist,<br />

oder nicht, oder ob ein Behältnis eine Tasse oder ein Becher<br />

ist. Solche Urteile können zu einer Reaktion führen, wie ein<br />

Tastendruck im Entscheidungsexperiment, oder zu einer verbal<br />

geäußerten Antwort. Häufig werden Urteile jedoch ohne äußerlich<br />

sichtbare Reaktion vollzogen. Bewegen wir uns durch eine<br />

Menschenmenge, kategorisieren und urteilen wir ununterbrochen,<br />

aber äußerlich meist folgenlos, nach Geschlecht, Ethnie,<br />

Attraktivität, Alter, sozialen Status und emotionalem Ausdruck.<br />

Entscheidung und Urteil: Entscheidungen sind<br />

erforderlich, um eine Handlung zu vollziehen, wie etwa zu<br />

sprechen, einen Link in einer Webseite anzuwählen, ein Auto<br />

zu kaufen, oder nur beim Fahren einen Gang höher zu schalten.<br />

Entscheidungen sind keineswegs mit Urteilen gleichzusetzen,<br />

sondern sie beruhen lediglich auf ihnen. Urteile sind als<br />

Voraussetzung für Entscheidungen nötig. Die gegebenen<br />

Optionen, zwischen denen entschieden wird, werden einzeln<br />

bewertet und dann verglichen. Entscheidungen können<br />

bewusst, vorbewusst oder unbewusst, also automatisiert,<br />

vollzogen werden, sie können sehr schnell oder sehr langsam<br />

entstehen. Eine Handlung kann aber muss nicht folgen.<br />

Wahrnehmung + Wert = Urteil: Ein Urteil ist<br />

dann entstanden, wenn von außen eingeflossenen Reizen ein<br />

Wert zugeordnet wurde. Der Wert stammt dabei aus dem<br />

Gehirn des Urteilenden, wo seit frühester Kindheit Erfahrungen<br />

ausdifferenziert und abrufbar gemacht wurden. Wert ist dabei<br />

durchaus im formalisierten Sinne zu verstehen: Soll der Urteilen-<br />

34<br />

Person<br />

Einstellung, Wissen,<br />

Motivation, Stimmung...<br />

Situation<br />

Umgebung, Gruppe,<br />

Kontext, Zeitkonto…<br />

Objekt<br />

Eigenschaften, Form,<br />

Farbe, Bedeutung…<br />

Rückkoppelung<br />

rational<br />

emotional<br />

Einfluß auf<br />

Urteil<br />

Wahrnehmung + Wert<br />

Manifestierung<br />

Spezialfall:<br />

‚Kategorisierung‘<br />

zB: Tier/Nichttier,<br />

Alter, Geschlecht…<br />

Einstellung<br />

bewußt/vorbewußt,<br />

Erfahrungen,<br />

Satz, Sprache<br />

frei/kategorisiert,<br />

zB zur Ästhetik…<br />

Handlung<br />

Motorik, Tastendruck,<br />

komplexe Sequenzen<br />

Grafik: Stephen Rust<br />

de erkennen, ob beispielsweise ein Gesicht weiblich oder männlich<br />

ist, wird in die Variable ›Geschlecht‹ der entsprechende<br />

Wert eingesetzt. Urteil = Wahrnehmung + Wert. Vollzogene Urteile<br />

können wieder als Wert abgespeichert werden und damit<br />

als Komponente für neue Urteile nach neuen Eindrücken dienen.<br />

Das Urteil entsteht genau in dem sehr spannenden Augenblick,<br />

in dem sich Außenwelt und Innenwelt berühren. Dieser<br />

Moment lässt sich mit physiologischen Methoden beobachten.<br />

Urteile sind variabel. Die vielen Einflüsse, die auf Urteile wirken<br />

können, lassen sich in drei Quellen einteilen. Wie ein Urteil<br />

inhaltlich ausfällt, hängt vom urteilenden Subjekt, von der<br />

Situation und vom zu beurteilenden Gegenstand ab (siehe Abbildung).<br />

Unterschiedliche Personen urteilen auch unterschiedlich,<br />

das hängt von den Erfahrungen ab, die sie gemacht haben,<br />

ihren individuellen Werten. Auch eine Situation kann Urteile<br />

beeinflussen, der soziale Kontext, der uns hart oder moderat<br />

urteilen lässt, die Zeit, die wir zum Urteilen haben oder andere<br />

Umgebungsfaktoren. Letztlich hat selbstverständlich auch das<br />

Objekt selbst einen Einfluss auf unser Urteil. Erscheinungsbilder<br />

so zu variieren, dass Urteile über sie in gewünschter Weise ausfallen,<br />

so könnte man formulieren, ist der Beruf des Designers.<br />

Manifestierung von Urteilen: Urteile als solche<br />

lassen sich ohne weiteres nur schwer identifizieren. Man erkennt<br />

sie jedoch indirekt in Handlungen, Sprechakten, Gedanken,<br />

Erinnerungen und anderen Manifestierungen (siehe Abbildung).<br />

Selbst die Zuordnung eines Begriffes zu einem Sachverhalt ist<br />

erst als Folge eines Urteils möglich. In manchen Situationen<br />

ist es sogar unmöglich, ein vorhandenes Urteil zu verbalisieren,<br />

beispielsweise, wenn man bestimmten Geschmacksreizen<br />

begegnet oder sich an vergangene Düfte erinnert.<br />

Anatomie von Urteilen: Urteile sind also allgegenwärtig,<br />

gleichsam die Grundeinheit unserer kognitiven<br />

Verarbeitungsprozesse. Sie unterliegen einer derzeit noch<br />

schwer überschaubaren Zahl von inneren und äußeren Einflüssen.<br />

Das können beispielsweise emotionale und rationale<br />

oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>


Wirkmechanismen sein, oder eine Beeinflussbarkeit durch<br />

situative Komponenten. Welche Faktoren es im Einzelnen<br />

sind und wie sie sich zueinander im Wettbewerb oder ergänzend<br />

verhalten, ist noch systematisch zu erforschen.<br />

Urteile beobachten<br />

Eine Reihe von physiologischen und neurophysiologischen<br />

Verfahren machen es möglich, Erkenntnisse über Urteile<br />

zu gewinnen. Dabei werden, im Unterschied zu Fragebögen,<br />

nicht die Aussagen und Meinungen, sondern die unwillkürlichen<br />

Reaktionen der Teilnehmer ausgewertet.<br />

Eyetracking: Blickbewegungsexperimente verwenden<br />

häufig Vergleichsobjekte als Reizvorlagen. Man zeigt beispielsweise<br />

zwei Autos und fragt nach Preis, Sicherheit und anderen<br />

Eigenschaften. Die Blickbewegungsmuster unterscheiden sich<br />

systematisch je nach Frage. Sie indizieren jene Stellen an den<br />

Reizvorlagen (hier: Autos), an denen visuelle Hinweise vermutet<br />

werden, die Auskunft über Preis oder Sicherheit geben. Für<br />

den Designer ist das eine wertvolle Information, welche Details<br />

nämlich zu bearbeiten sind, um eine entsprechende Botschaft<br />

zu vermitteln. Die Versuchsteilnehmer haben ein implizites<br />

Urteil vollzogen und es mit ihren Blickbewegungen offenbart.<br />

Elektroenzephalogramm (EEG): Hirnströme<br />

entstehen permanent im Gehirn, es ist kaum möglich, aus der<br />

Vielzahl der Werte sinnvolle Erkenntnisse zu gewinnen. Einen<br />

guten Einblick gewähren jedoch ereignisbezogene Potenziale<br />

(event related potentials, ERP), die sich innerhalb der ersten<br />

Sekunde nach einem Ereignis, wie der Präsentation einer Reizvorlage,<br />

systematisch aufzeichnen lassen. Auf diese Weise zeigen<br />

sich klare kausale Zusammenhänge zwischen dem Reiz und<br />

bestimmten Mustern von Hirnströmen. Je nach Aufbau des Experiments<br />

lassen sich beispielsweise Distanzen zwischen semantischen<br />

Sachverhalten (Bilder, Sprache) vergleichen, oder auch<br />

scheinbar gleichzeitig auftretende kognitive Leistungen (Syntax,<br />

Phonetik und Semantik in der Sprachproduktion) sequenzieren.<br />

Damit sind diese Methoden ein Schlüssel zur Designsemantik.<br />

Elektromyogramm (EMG): Mit Messungen der<br />

Muskelaktivitäten im Gesicht lässt sich die emotionale Beteiligung<br />

von Probanden aufzeichnen. Die Muskelreaktionen<br />

treten auch in völlig entspannten Gesichtern unwillkürlich<br />

auf. Sensoren an bestimmten Stellen an der Stirn und an der<br />

Wange indizieren die Existenz und Modalität von Emotionen<br />

angesichts bestimmter systematisch variierter Reizvorlagen.<br />

Die Resultate sind weitaus sicherer als Fragebögen es je sein<br />

könnten, da es sich um unwillkürliche Reaktionen handelt.<br />

Funktionelle Magnetresonanz-Tomografie (fMRT, fMRI)<br />

Nicht unerwähnt bleiben sollte jenes Verfahren, das in den<br />

letzten Jahren mit seinen vielen farbigen Abbildungen so<br />

populär geworden ist. Es gewährt einen sehr spektakulären,<br />

dreidimensionalen Einblick in das Innere eines Gehirns bei<br />

gleichzeitiger Darstellung von Aktivitäten. Die räumliche<br />

Auflösung ist dabei sehr hoch, die zeitliche dagegen gering.<br />

Daher liefert dieses Verfahren zunächst vor allem Kartierungen<br />

des Gehirns, weniger aber komplexere funktionale<br />

Prozessabläufe. Ein EEG kann 1000 und mehr Messzeitpunkte<br />

pro Sekunde aufzeichnen, fMRT dagegen nur drei.<br />

Urteil im Design<br />

Designrezipienten, also Betrachter und Benutzer von Design,<br />

produzieren permanent Urteile im oben genannten Sinne. Sie<br />

helfen ihnen, zu Einschätzungen zu kommen und Handlungen<br />

zu steuern, also mit dem Design umzugehen. Bisherige Evaluationen<br />

von Design waren sehr stark fallbezogen (use cases)<br />

und damit kaum transferierbar für weitere Entwurfsprozesse.<br />

Verallgemeinerte man die gewonnenen Erkenntnisse, waren<br />

sie zu abstrakt, um auf neue Fälle anwendbar zu sein, jeder<br />

Entwurf hatte somit mehr oder weniger seine eigene Theorie.<br />

Gestaltungskomponenten: Schon aus dem Erbe der<br />

Akademien heraus wurden im Design die Darstellungsmittel<br />

und -elemente analysiert. Durch künstlerische und technische<br />

Analyse wurden Licht, Proportion, Farbe, Form und so weiter<br />

betrachtet. Die künstlerische Analyse begleitete sehr erkenntnisreich<br />

den Prozess der Vormoderne und Moderne mit ihren<br />

Bewegungen wie beispielsweise Impressionismus, Kubismus<br />

und den anderen -ismen, was sie historisch betrachtet eine<br />

Vorreiterrolle einnehmen lässt. Dass diese Analyse auch in technischer<br />

Hinsicht gelungen ist, zeigt uns die Tatsache, dass die<br />

Gestaltungselemente so weit normiert sind, dass sie in Software<br />

abrufbar sind und die Synthese von virtuellen Welten erlauben.<br />

Mensch und Artefakt: Es reicht jedoch nicht allein,<br />

das eigene Handwerkszeug, die Gestaltungskomponenten, zu<br />

kennen und sich ausdrücken zu können. Wichtig ist zusätzlich<br />

die Kenntnis über die Wirkweisen dieser Ausdrucksmittel auf<br />

die Rezipienten. Design vollzieht sich nicht isoliert, sondern, wie<br />

oben bereits erläutert, mit der Zielrichtung auf den Menschen,<br />

der es später benutzt. Wir haben es also eigentlich nicht mit<br />

der Herstellung von Artefakten, sondern von Mensch-Artefakt-<br />

Systemen zu tun, ganz in Analogie zu dem in den 30er Jahren<br />

des vergangenen Jahrhunderts aufgekommenen Begriff des<br />

Mensch-Maschine-Systems. Wer aber meint, nur eines seiner<br />

Subsysteme analysieren zu müssen, nämlich das Artefakt, hat<br />

letztlich beide nicht begriffen. Großer Nachholbedarf besteht<br />

auf Seiten des Subsystems Mensch. Hier können systematische,<br />

elektrophysiologische Untersuchungen von Urteilen an sich<br />

und in Bezug auf Design einen substanziellen Beitrag liefern.<br />

oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong> 35


36<br />

diplomarbeiten-corner<br />

Computeranwendung zur didaktischen<br />

Planung fuer Kursautoren<br />

Konzeption und Entwicklung im Auftrag von ONCAMPUS GmbH und der FH <strong>Lübeck</strong><br />

Ana Saá Jaramillo<br />

Aufgabestellung dieser Arbeit war die Konzeption, Gestaltung und Entwicklung einer Softwareanwendung<br />

zur Planung von didaktischen Prozessen für die Online-Lehre, bei der die Methoden zur Gestaltung<br />

von didaktischen Lernaktivitäten im Vordergrund stehen sollten.<br />

Ziel war, einen sehr hohen Grad an Transparenz didaktischer Planung zu erreichen, in dem die komplexen<br />

Aufgaben der Kursentwicklung und deren Verläufe visuell abgebildet werden. Die konzipierte grafische<br />

Oberfläche für die Darstellung von Online-Lernaktivitäten und Kurskonzepten sollte die Zusammenarbeit<br />

zwischen Kursautoren und Instructional Designern erleichtern.<br />

Die Arbeit setzte die Integration wesentlicher didaktischer Elemente der Kursplanung wie z.B. Lernziele,<br />

Lerninhalte, Lernumfang und Kommunikation in der Anwendung, sowie Baukästen von Lernaktivitäten zur<br />

Unterstützung des Designprozesses von individuellen oder kollaborativen Aufgaben voraus. Die Konzeption<br />

der Anwendung sah auch folgende Funktionalitäten vor: Hilfestellung durch Wizards und Kurskonzept-<br />

Templates; Visuelles »drag & drop« Interface zur Erstellung von Kurskonzepten innerhalb einer Zeitleiste;<br />

Bibliothek aus vordefinierten didaktischen<br />

Lernaktivitäten; Eingabemasken<br />

zur Formulierung von Lernzielen und zur<br />

Detailbeschreibung von Kurselementen<br />

(Themen, Aktivitäten, Subaktivitäten);<br />

Grafische Bearbeitung von Kurselementen<br />

in einem Zeitraster; Organisation<br />

der Lernaktivitäten über Lernziele,<br />

Zeitaufwand und Dauer; Verschiedene<br />

Darstellungen von Kurskonzepten (Text,<br />

Diagramm, Liste, Baumstruktur); Filter<br />

– und Sortierfunktionen für Kurselemente;<br />

Ausspielung des Kurskonzeptes als<br />

Text oder Grafik; Import und Export der<br />

Kurzmodule.<br />

Screenshot von »activeD«<br />

»activeD« wurde als Prototyp in C#<br />

entwickelt um die Funktionalität aller<br />

Bedienelemente, sowie den logischen<br />

Aufbau und den Ablauf von Arbeitschritten<br />

zu testen und zu evaluieren.<br />

oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>


Ergonomische Visualisierung digitaler<br />

Daten eines Anaesthesiearbeitsplatzes<br />

Diplomarbeit in Zusammenarbeit mit der Dräger Medical AG & Co. KG<br />

Problematik Auf Grund des Erfordernisses einer einfachen<br />

und sicheren Handhabung medizintechnischer Geräte muss<br />

der Hersteller neben der Gebrauchstauglichkeit, die in der DIN<br />

EN 60601-1-6 gefordert wird, insbesondere die softwareergonomische<br />

Gestaltung von Bildschirmoberflächen berücksichtigen<br />

(ISO Norm 9142).<br />

Vorgehensweise Infolge dieser Diplomarbeit wurden auf<br />

Basis von Anwenderbefragungen Verbesserungspotenziale für<br />

anästhesiologische Bildschirmbereiche erarbeitet und in Form<br />

von simulierten interaktiven Benutzeroberflächen umgesetzt,<br />

die sowohl mit fünf Anwendern (Anästhesisten) als auch fünf<br />

Experten (Produktmanagern) auf Usability getestet wurden.<br />

Für die Realisierung erwiesen sich ein 17“ Widescreen für die<br />

Beatmungseinheit und ein 20“ Widescreen für die Herz-Kreislauf-Einheit<br />

(Touchscreen mit Dreh-Drück-Knopf) als geeignet,<br />

um alle notwendigen Informationen zu visualisieren. Beide<br />

Bildschirmaufteilungen waren einheitlich – erstmalig mit Farbfunktionalität,<br />

neuartigen interaktiven Elementen und einem<br />

neuen Alarmmanagement, bei dem im Hintergrund liegende<br />

Parameter bei einer Alarmsituation automatisch auftauchen.<br />

LED bei Rot-Grün-Schwäche<br />

Kerstin Ewert<br />

Shortcuts<br />

Ergebnisse Beiden Probandengruppen fielen die einheitliche<br />

Darstellung beider Monitore sehr positiv auf. Die reduzierte<br />

Farbgebung mit maximal vier Farben – unter Verzicht auf<br />

Gelb und Rot im Normalzustand – wirkte auf alle Probanden<br />

homogen und beruhigend. Wichtige Status-Anzeigen konnten<br />

auf Grund redundanter Symbole auch von Probanden mit einer<br />

Rot-Grün-Schwäche identifiziert werden. Überwiegend positiv<br />

wurde in dieser Arbeit die Informationsreduzierung durch<br />

Gruppierungen und Selektionen unter Berücksichtigung von<br />

Alarmen bewertet. Durch die Farbgruppierungen und Selektion<br />

der Parameter in Form von Shortcuts konnten Daten reduziert<br />

und das menschliche Gedächtnis entlastet werden. Das Alarmmanagement,<br />

durch das im Hintergrund liegende Parameter<br />

in entsprechenden Situationen automatisch angezeigt werden,<br />

akzeptierten alle Testpersonen weitgehend. Die Alarmerkennung<br />

war durch die Verwendung der Farben Rot und Gelb,<br />

das Ausfahren der entsprechenden Parameter-Kurve sowie das<br />

Anwachsen der numerischen Werte gewährleistet.<br />

oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong> 37


38<br />

oeffnungszeiten.<br />

was bisher geschah<br />

Hier folgt ein Überblick über alle Themen und Autoren,<br />

die in den zwanzig vorhergangenen Öffnungszeiten-Nummern<br />

vorkamen.<br />

Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />

1/96: Designwissenschaft (Holger van den<br />

Boom) | »Medienmanager«, eine Teamarbeit für miro (Holger<br />

van den Boom) | Fraktale Kunst. Eine Einführung (Holger van<br />

den Boom und Felicidad Romero-Tejedor) | Ljapunov (Diethard<br />

Janßen) | Atelier und Arbeitsprozess bei E. Delacroix (Felicidad<br />

Romero-Tejedor) | Aktzeichnen in Infografien verwandelt (Felicidad<br />

Romero-Tejedor)<br />

Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />

2/96: Projekt Physik und Design (Holger van<br />

den Boom) | Was sind Fraktale? Fraktale sind »lokale« Strukturen<br />

(Holger van den Boom und Felicidad Romero-Tejedor)<br />

| Ljapunow II (Diethard Janßen) | Rembrandt: Ein Maler im<br />

Atelier (Felicidad Romero-Tejedor)<br />

Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />

3/96: Eintritt in die fraktale Welt (Holger<br />

van den Boom und Felicidad Romero-Tejedor) | Ljapunow III<br />

– Dimensionserweiterung (Diethard Janßen) | Eindrücke einer<br />

Reise (Felicidad Romero-Tejedor und Holger van den Boom)<br />

Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />

4/97: Das Design des Kosmos. Hatte der<br />

Demiurg eine Wahl? (Holger van den Boom) | Der Goldene<br />

Schnitt, ein Fraktal (Holger van den Boom und Felicidad Romero-Tejedor)<br />

| Fraktale in der Kunst. Myriam Solar: Das Beispiel<br />

einer fraktalistischen Künstlerin (Myriam Solar, Bearbeitung<br />

von Felicidad Romero-Tejedor und Holger van den Boom) |<br />

Ljapunow IV – Filmerstellung (Diethard Janßen) | Internationaler<br />

Kongress »El Arte en la Era Electrónica« (Kunst in der<br />

elektronischen Ära) Barcelona, 28.1. bis 1.2. 1997 (Felicidad<br />

Romero-Tejedor)<br />

Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />

5/97: Kognitive Neurowissenschaft, Physik,<br />

Designwissenschaft und Philosophie (Holger van den Boom)<br />

| Human-Centered User Models (Leshan Li) | Fraktale V: Die<br />

Cantormenge, ausführlich erklärt (Holger van den Boom und<br />

Felicidad Romero-Tejedor) | Morphogenesis, Formprinzipien<br />

der Natur. Vorstellung einer Arbeit (Rolf Küster) | Ljapunow V<br />

– Programmvorführung (Diethard Janßen) | Goya: Kunsthandwerker<br />

und Künstler (Felicidad Romero-Tejedor) | Roma aeterna<br />

– Eindrücke einer Stadt (Diethard Janßen)<br />

Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />

6/98: Kunst & Design, Sinn & Information.<br />

Sieben Thesen zu einem prekären Verhältnis (Holger van den<br />

Boom) | Eine neue Lehrveranstaltung »Einführung ins Industrial<br />

Desing« für das erste und zweite Semester (Felicidad Romero-<br />

Tejedor) | Functionalism Design: German way of industrialization<br />

(Brief outline) (Leshan Li) | Symmetrie als Entwurfsmuster<br />

(Rolf Küster) | »on /off« – II. Projekt im Hauptstudium WS<br />

1997/98 (Almuth von der Planitz)<br />

Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />

7 /98: Grundzüge der Designwissenschaft.<br />

ein Versuch zur Orientierung (Holger van den Boom) | Alltagskultur<br />

Essen und Trinken. Eine designwissenschaftliche Fallstudie<br />

(Felicidad Romero-Tejedor) | Human-Centered User Models<br />

(2): Users’ Perception (Leshan Li) | Licht in der Toskana – Exkursion<br />

im September (Mario Prokop) | Fraktale VII: Die Natur ist<br />

fraktal (Holger van den Boom und Felicidad Romero-Tejedor) |<br />

Surface – Kodierung I: eine Teilbeschreibung der inneren Struktur<br />

der Simulationssoftware des Projekts »Surface« (Diethard<br />

Janßen) | Ästhetische Maßtheorien. Ästhetik als kybernetische<br />

Theorie? (Rolf Küster)<br />

Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />

8/99: Wie symmetrisch ist Symmetrie? Weitere<br />

Bemerkungen zu einem unerschöpflichen Thema (Holger<br />

van den Boom) | Systemtopologie: vom Konzept zum Entwurf.<br />

Über eine Schwierigkeit in der Designdidaktik (Felicidad Romero-Tejedor<br />

und Holger van den Boom) | Human-Centered<br />

User Models (3): Users’ Cognition (Leshan Li) | Zur Perspektive<br />

(Mario Prokop) | Ein kleines lokales heterogenes Netz (Diethard<br />

Janßen) | Birkhoff und der 3D-Scanner (Rolf Küster) | Fraktale<br />

als Artefakte (Holger van den Boom und Felicidad Romero-Tejedor)<br />

| Entwurfswerkzeug zur Simulation von Handlungsabläufen.<br />

Hauptstudium, Entwurf II (Markus Schweitzer und Jörn<br />

Gröticke)<br />

Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />

9/99: Prolegomena zu einer designwissenschaftlichen<br />

Theorie der Form (1) (Holger van den Boom) | Der<br />

Begriff der »Topologie« nach Jean Piaget und seine Bedeutung<br />

für den Designprozeß (Felicidad Romero-Tejedor) | Elektronik<br />

– eine neue Vorlesung für Industrial Designer (aber nicht nur!)<br />

(Diethard Janßen) | Human-centered User Models (4): Information<br />

Theory (Leshan Li) | Fraktale(s) über Goethe (Rolf Küster)<br />

| KatTerm – ein Programmiertool für Einplatinenrechner (Diethard<br />

Janßen) | Fraktale als Artefakte II (Felicidad Romero-Tejedor<br />

und Holger van den Boom) | Digitales Arbeitsmedium zur<br />

Unterstützung von Ideenfindungsprozessen (Matthias Lossau<br />

und Steffen Schmerse)<br />

oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>


Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />

10/2000: Fünf Thesen zur Designausbildung<br />

– nach 18 Jahren neu gelesen und kommentiert (Holger<br />

van den Boom) | Systemtopologie im Design – einige weitere<br />

Überlegungen (Felicidad Romero-Tejedor) | Elektronik II<br />

– Digitaltechnik für Designer (Diethard Janßen) | Logische<br />

Ästhetik (Holger van den Boom) | Minimalprinzipien in Natur<br />

und Design (Rolf Küster) | Die Begründung der Geometrie bei<br />

Paul Lorenzen (Holger van den Boom) | Symmetrie und Design<br />

(Gunnar Prause) | Eine mobile Lösung für die Sauerstoff-Langzeittherapie<br />

(Almuth von der Planitz) | Studentische Projekte:<br />

Einige Diplomarbeiten des Jahres 1999 (Rolf Küster und<br />

Felicidad Romero-Tejedor) | Abenteuer im Studio: Die gute Idee<br />

(Felicidad Romero-Tejedor)<br />

Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />

11/2000: Über formalismus (Holger van<br />

den Boom) | Theater und Entwurf: Handlungsszenarien im<br />

Designprozess (Felicidad Romero-Tejedor) | Die Formen des<br />

Virtuellen (Rolf Küster) | Ein Roboter (Diethard Janßen) | Zur<br />

Nutzentheorie des Designs (Gunnar Prause) | Fraktale als Artefakte<br />

III: Lokale Ästhetik versus Stil des Lichts (Holger van den<br />

Boom und Felicidad Romero-Tejedor) | Entwurf eines Teeservice<br />

(Martin Markwort) | Vordiplom 2000 (Karin Bertke) | Die letzte<br />

Seite (Rolf Küster)<br />

Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />

12/2000: Das Medium Sprache. Eine<br />

Überlegung zum Mediendesign (Holger van den Boom) | Einige<br />

Design-topo-logische Ansichten von einer Designgeometrie<br />

(Alfred Hückler) | Mediengestaltung im Kontext der Szenarien.<br />

Das Beispiel George Eastman (Felicidad Romero-Tejedor)<br />

| Eine kleine (Video-)Bildgeschichte (Diethard Janßen) | Der<br />

Designprozess im Informationszeitalter (Gunnar Prause) | Zur<br />

Formensprache (Rolf Küster) | Vordiplom: Fahrradsicherung in<br />

der Innenstadt (Kaja Bartel und Christine Pleines)<br />

Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />

13/2001: »Kybernetische« Didaktik und<br />

»Humanistische« Bildungstheorie – ein medienwissenschaftlicher<br />

Rückblick auf frühe Positionen zur Informationsgesellschaft<br />

(Holger van den Boom) | Zur Ökologie des Designprozesses<br />

(Gunnar Prause) | Industrial Design in China’s Universities<br />

(Leshan Li, Wenjia Bai und Zhongqiu Su) | Nobelpreisträger<br />

Santiago Ramón y Cajal: ein Wissenschaftler des Visuellen (Felicidad<br />

Romero-Tejedor) | Evaluation (Diethard Janßen) | Chaos<br />

und Selbstreferenz als ästhetische Kategorien – einige Aspekte<br />

zur Designästhetik (Rolf Küster) | Die letzte Seite (Comic von<br />

Mehmet Isin Fidan)<br />

Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />

14/2001: Die Wiederkehr der anthropologischen<br />

Frage in der postanalytischen Ära der Analytischen<br />

Philosophie (Holger van den Boom) | Auf dem Weg zum<br />

virtuellen Design oder: der Designprozess zwischen Markenwelt<br />

und Cyberspace (Gunnar Prause) | Reflexionen über Technik im<br />

Industrial Design (Diethard Janßen) | Katalonien – Landschaft<br />

Salvador Dalís (Rolf Küster) | Der goldene Schnitt im Industriedesign<br />

(Thomas Milewski) | Menschliche Proportionen im<br />

goldenen Schnitt (Karin Bertke)<br />

Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />

15/2002: Descartes als Denker der<br />

Neuzeit (Holger van den Boom) | Zum Designumfeld in der<br />

Informationsgesellschaft (Gunnar Prause) | Mediendesign – ein<br />

junges Fach (Felicidad Romero-Tejedor) | Bücher (Ulrike Stoltz)<br />

| Einführung in die objektorientierte GUI Programmierung<br />

unter KDE2 mittels C++ am Beispiel der Implementierung der<br />

Software zur Generierung von Ljapunow-Diagrammen »Kliap«<br />

(Diethard Janßen) | Formfindung im Zeitalter der Globalisierung.<br />

Zum Verhältnis zwischen Konstruktion und Natur (Rolf<br />

Küster) | »Designexperimente« für Schülerinnen während des<br />

Mobilitätscamps »step in« (Karin Bertke)<br />

Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />

16/2002: Kommunikation und Zufall<br />

(Holger van den Boom) | Sophistik und Design (Gunnar Prause)<br />

| Zur Linearität im Designprozess (Gunnar Prause) | Einführung<br />

in die objektorientierte GUI Programmierung unter KDE2<br />

mittels C++ am Beispiel der Implementierung der Software<br />

zur Generierung von Ljapunow-Diagrammen »Kliap». Teil 2:<br />

Recheneinheit und Dialoggestaltung (Diethard Janßen) | Topologische<br />

Aspekte im cognition Design (Felicidad Romero-Tejedor)<br />

| Design und neue Technologien (Ralf Meier und Manuel<br />

Windmann)<br />

Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />

17/2003: Des Kaisers neuer Denkapparat.<br />

Zur Wissenschaftstheorie von Roger Penrose (Holger van den<br />

Boom) | Der designerlose Designprozess? (Gunnar Prause)<br />

| Einführung in die objektorientierte GUI Programmierung<br />

unter KDE2 mittels C++ am Beispiel der Implementierung der<br />

Software zur Generierung von Ljapunow-Diagrammen »Kliap«.<br />

Teil 3: Dialoge und Datenspeicherung (Diethard Janßen) | Zeit<br />

gestalten. Zur Semiologie Roland Barthes’ (Felicidad Romero-<br />

Tejedor)<br />

oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong> 39


40<br />

Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />

18/2004: Bemerkungen zum Verhältnis<br />

von Linguistik und natürlicher Logik (Holger van den Boom) |<br />

Design education online (Felicidad Romero-Tejedor) | Über das<br />

Verhältnis von Natur, Kunst, Architektur, Design, Ökologie im<br />

Werk von César Manrique (Bernd Löbach) | Das Rad neu erfinden.<br />

Zur Gestaltung von Mobilität: Grundlagen und Perspektiven<br />

des Transportation Design (Stephan Rammler) | Einführung<br />

in die objektorientierte GUI-Programmierung unter KDE3<br />

mittels C++ am Beispiel der Implementierung der Software<br />

zur Generierung von Ljapunow-Diagrammen »Kliap«. Teil 4:<br />

Threads (Diethard Janßen) | Design-Evolution und Markenwelt<br />

(Gunnar Prause)<br />

Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />

19+20/2005: Naturform und<br />

Artefakt (Holger van den Boom) | Blick in den Nanokosmos.<br />

Sichtbarkeit und Vision in der Nanotechnologie (Rolf Küster)<br />

| Die Spirale in Design, Architektur und Geistesleben (Bernd<br />

Löbach) | Übersicht im Untergrund. Die Karte der Londoner<br />

U-Bahn (André Baumunk) | Literatur multimedial interpretiert.<br />

Vorläufiges dazu am Beispiel des Spaniers Antonio Machado<br />

(Felicidad Romero-Tejedor) | Einführung in die objektorientierte<br />

GUI-Programmierung unter KDE3 mittels C++ am Beispiel der<br />

Implementierung der Software zur Generierung von Ljapunow-<br />

Diagrammen »Kliap«. Teil 5: Dreidimensionale Erweiterung mit<br />

Open GL (Diethard Janßen) | Ein Lob der trägen Maschinen<br />

(Wulf Rehder)<br />

oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>

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