Ausgabe 21/2007 - Fachhochschule Lübeck
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Öffnungszeiten<br />
<strong>21</strong>/<strong>2007</strong><br />
Magazin zur<br />
Designwissenschaft<br />
Designlabor<br />
<strong>Fachhochschule</strong> <strong>Lübeck</strong>
3 Editorial<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Felicidad Romero-Tejedor und Rolf Küster<br />
4 Design als dritte Kultur<br />
Holger van den Boom<br />
10 Technik und Design.<br />
Passt das? das muss passen!<br />
Hinrich Ecklundt<br />
16 Betrachtungen zum Systemdesign<br />
Rolf Küster<br />
18 Der denkende Designer<br />
Felicidad Romero-Tejedor<br />
24 Farbige Schatten<br />
Wulf Rehder<br />
32 Urteil und Design<br />
Stephen Rust<br />
36 diplomarbeiten-corner<br />
Computeranwendung zur didaktischen planung fuer<br />
kursautoren<br />
Ana Saá-Jaramillo<br />
Ergonomische Visualisierung digitaler Daten eines<br />
Anaesthesiearbeitsplatzes<br />
Kerstin Ewert<br />
38 Oeffnungszeiten. was bisher geschah<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong> 1
2<br />
Die Autoren<br />
Univ.-Prof. Dr. habil. Holger van den Boom geb. 1943 in Kiel. Ausbildung als Grafikdesigner.<br />
Studium der Philosophie, Mathematik, Linguistik an der Universität Köln. Promotion 1974. Habilitation<br />
TU Berlin 1982. Seither Professor für Designwissenschaft an der Hochschule für Bildende Künste<br />
Braunschweig; Leiter der Arbeitsstelle für Designinformatik | Prof. Dr. Hinrich Ecklundt<br />
geb. 1946. Studium der Elektrophysik an der TU Braunschweig. 1972–1979 DFG-Förderung für Forschung<br />
zur Flugnavigation, TU Braunschweig, daraus Promotion. 1979–1985 SEL (-Alcatel), Stuttgart. 1985–1990<br />
Entwickler bei Philips Medizin-Systeme Hamburg. 1990–1991 Entwicklungschef der H. Berthold AG in<br />
Berlin. Seit 1991 Professor an der FH <strong>Lübeck</strong> | Dipl.-Ing. (FH) Kerstin Ewert IGi-Absolventin<br />
<strong>2007</strong>. Ab dem 1.11.07 als Usability Engineer bei User Interface Design GmbH in Mannheim | Prof.<br />
Dr. Dr. Rolf Kuester geb. 1968 in Braunschweig. Studium der Physik an der TU Braunschweig<br />
sowie Design an der HBK Braunschweig. Promotion in Designwissenschaft 2001. Forschungstätigkeit<br />
bei der Fraunhofer-Gesellschaft 2002–2006. Zweitpromotion zum Dr.-Ing. 2006. Seit 2006 Professor an<br />
der FH <strong>Lübeck</strong>, seit <strong>2007</strong> Co-Leiter des Designlabors | Dr. Wulf Rehder geb. 1947. Studium der<br />
Mathematik und Physik. Nach Universitätslaufbahn in Berlin, Tokyo, Denver und San Jose/Kalifornien<br />
Manager und Vice President bei Silicon-Valley-Firmen. Seit 2003 Berater, Börsenspekulant und Privatgelehrter<br />
im Weinland nördlich von San Francisco | Prof. Dr. Felicidad Romero-Tejedor<br />
geb. 1967 in Barcelona. Studium Design an der Universitat Barcelona, 1990 Licenciatura. 1995 Promotion.<br />
Lehraufträge für Design an der HBK Braunschweig und an der FH Hannover. Vertretungsprofessur an<br />
der FH Flensburg. Seit 2002 Professorin für Design digitaler Medien an der FH <strong>Lübeck</strong>. 2004 Gründung<br />
des Designlabors | Dipl.-Des. Dipl.-psych. Stephen Rust geb. 1964 in Wolfsburg.<br />
Studium Industrial Design an der HBK Braunschweig und Kognitionspsychologie an der TU<br />
Braunschweig. Über zehn Jahre Tätigkeit als selbständiger Designer. Zurzeit Wiss. Mitarbeiter an<br />
der HBK Braunschweig für Anwendung neurophysiologischer Methoden im Design. Lehrtätigkeit<br />
(Typografie, Branding, Usability, Kognitionspsychologie) in der Hochschule Wernigerode, FH<br />
Magdeburg und HBK Braunschweig | Dipl.-Ing. (FH) Ana Saa Jaramillo IGi-Absolventin<br />
2006. Design Developer bei VoicInt Telecommunications GmbH in Dortmund.<br />
Impressum<br />
Öffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft <strong>21</strong> / <strong>2007</strong><br />
18. Oktober <strong>2007</strong><br />
Herausgegeben vom Designlabor, <strong>Fachhochschule</strong> <strong>Lübeck</strong> | Redaktionsmitglieder<br />
Prof. Dr. Felicidad Romero-Tejedor, Prof. Dr. Dr. Rolf Küster, Prof. Dr. Hinrich Ecklundt | Externer Berater<br />
Prof. Dr. habil. Holger van den Boom | Layout & Illustration Felicidad Romero-Tejedor<br />
Für die Inhalte der Beiträge sind die Autoren verantwortlich<br />
© FH <strong>Lübeck</strong><br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>
Editorial<br />
Um sechs Uhr morgens an einem dunklen Wintertag des Jahres<br />
1996 saßen Holger van den Boom und Felicidad Romero-Tejedor<br />
in der Küche beim Frühstück – und suchten nach einem<br />
Titel für die »Papiere zur Designwissenschaft«, die neu zu<br />
gründende Zeitschrift der Arbeitsstelle für Designinformatik<br />
der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig. Der Zufall<br />
wollte es, dass unser Blick auf einen Prospekt der Braunschweiger<br />
Schwimmbäder fiel. »Öffnungszeiten. Das leuchtet ein! Es<br />
ist Zeit, sich zu öffnen!«. Mit den Öffnungszeiten wollten wir<br />
transparenter werden und für die weitere Konsolidierung der<br />
Designwissenschaft werben. Was bringen die Psychologie,<br />
die Physik, die Mathematik, die Linguistik… dem Design? Im<br />
Laufe der Zeit fanden sehr unterschiedliche Themen Eingang:<br />
Arbeitsprozesse im kreativen Bereich, Fraktale Geometrie und<br />
ihre Anwendung in künstlerischen Prozessen, Überlegungen<br />
zur Designausbildung und Designmethodologie, Differenz von<br />
Artefakt und natürlicher Form. Themen der Elektrotechnik<br />
mit Beziehung zum Design wurden regelmäßig von Dr.-Ing.<br />
Diethard Janssen (Arbeitsstelle für Designinformatik) erörtert.<br />
Prof. Dr. Gunnar Prause von der FH Wismar bereicherte<br />
das Angebot durch Beiträge zu Wirtschaft und Design (z.B.<br />
Automobilmarketing). Auswärtige Beiträge stammten etwa<br />
von Univ.-Prof. Dr. Leshan Li und seinen Mitarbeitern Wenjia<br />
Bai und Zhongqiu Su von der Universität Xian Jiaotong<br />
(China), von Mario Prokop – seinerzeit Gastprofessor an der<br />
HBK Braunschweig –, Univ.-Prof. Dr. Alfred Hückler – damaliger<br />
Professor an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee –,<br />
von Univ.-Prof. Bernd Löbach, Univ.-Prof. Dr. Stephan Rammler<br />
und Univ.-Prof. Ulrike Stoltz – Hochschullehrer der HBK<br />
Braunschweig –, von dem Mathematiker, Physiker, Manager<br />
und Präsident bei Silicon-Valley-Firmen Dr. Wulf Rehder (USA)<br />
und dem ehemaligen Diplomanden der HBK Braunschweig<br />
und Semiotiker an der TU Berlin André Baumunk. Aber auch<br />
Studierende der HBK Braunschweig kooperierten mit Öffnungszeiten.<br />
Markus Schweizer, Jörn Gröticke, Matthias Lossau,<br />
Steffen Schmerse, Almuth von der Planitz, Martin Markwort,<br />
Kaja Bartel, Christine Pleines, Mehmet Isin Fidan, Karin Bertke,<br />
Thomas Milewski, Ralf Meier, Manuel Windmann. Sie alle<br />
trugen dazu bei, dass Öffnungszeiten auch ein Mitteilungsorgan<br />
über außergewöhnliche Leistungen von Studierenden wurde.<br />
Als Doktorand der HBK Braunschweig sorgte der damalige<br />
Dipl.-Physiker und Dipl.-Designer Rolf Küster<br />
für ein weiterentwickeltes Layout der Zeitschrift<br />
sowie für Aufsätze über Physik und Design.<br />
Wir möchten nicht gerade behaupten, Öffnungszeiten sei das<br />
maßgebende Organ der Designwissenschaft in Deutschland<br />
geworden. Doch wir dürfen uns durchaus rühmen, beachtet<br />
worden zu sein. Nicht selten, dass Doktoranden deutscher und<br />
ausländischer Hochschulen im Design- und Architekturbereich<br />
sich auf Beiträge in Öffnungszeiten beriefen. In Büchern und Aufsätzen<br />
wurden die Öffnungszeiten zitiert. Wir wissen daher, dass<br />
dieses Instrument nicht ganz unwichtig war und ist. Von einigen<br />
Lesern wie Univ.-Prof. Dr. Frieder Nake (Universität Bremen),<br />
Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Jonas (Universität Kassel) und Prof.<br />
Cornelia Hentschel (FH Wismar) kamen ermunternde Briefe.<br />
Heute, im Jahr <strong>2007</strong>, treffen wir uns wieder an der FH <strong>Lübeck</strong>.<br />
Wir, Felicidad Romero-Tejedor und Rolf Küster, leiten<br />
gemeinsam das Designlabor. Das Designlabor ist seit<br />
2004 eine Lehr- und Forschungseinrichtung des Designs<br />
im Fachbereich Elektrotechnik. Das Designlabor soll der<br />
kognitiv-ergonomischen Designforschung dienen.<br />
2005 erschien die <strong>Ausgabe</strong> 19/20 der Öffnungszeiten. Wir<br />
glaubten, dies sei die letzte <strong>Ausgabe</strong> gewesen, da der bisherige<br />
Herausgeber, Univ.-Prof. Dr. habil. Holger van den Boom,<br />
seiner Pensionierung entgegen sah. Er regte uns aber an,<br />
die Öffnungszeiten an die FH <strong>Lübeck</strong> zu verlegen, die Notwendigkeit<br />
einer solchen Aktivität bestehe mehr denn je.<br />
Wir wollen nicht ganz von vorne beginnen. Wir wollen die<br />
zehnjährige Kontinuität der designwissenschaftlichen Thematik<br />
von Öffnungszeiten fortsetzen. Wir möchten den gedanklichen<br />
Austausch mit anderen Hochschulen pflegen und die Forschungsaktivität<br />
des Designlabors nach außen darstellen. Dabei<br />
werden wir uns weiterhin freuen, wenn wir auch Beiträge von<br />
außerhalb des Designlabors der FH <strong>Lübeck</strong> drucken dürften.<br />
Der bisherige Herausgeber der Zeitschrift, Holger van den<br />
Boom, bleibt uns als externer Berater erhalten. Damit können<br />
wir weiterhin auch mit Beiträgen von ihm rechnen. Die<br />
Redaktion wird gegenwärtig von Felicidad Romero-Tejedor<br />
– seit 1996 dabei als Mitbegründerin und Redaktionsmitglied<br />
– und Rolf Küster – seit 1997 Autor und seit 1998<br />
Redaktionsmitglied – gebildet. Auch den Gründer von<br />
IGi, Hinrich Ecklundt, dürfen wir zur Redaktion zählen.<br />
Wir hoffen, dass diese Initiative Früchte tragen wird und wünschen<br />
inzwischen viel Vergnügen bei der Lektüre von Öffnungszeiten<br />
<strong>21</strong>/<strong>2007</strong>, der Zeitschrift des Designlabors der FH <strong>Lübeck</strong>!<br />
Mit den besten Grüßen,<br />
Felicidad Romero-Tejedor und Rolf Küster<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong> 3
Design<br />
4<br />
Dritte Kultur<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>
Holger van den Boom<br />
Design als dritte Kultur<br />
Musik ist, wenn das Handy schellt. Der Sensiblere wählt<br />
selbstverständlich Mozarts Divertimento in C-Dur. Ich habe<br />
schon Kinderlachen, Hahnenkrähen gehört und, ja, auch: eine<br />
altmodische Telefonklingel. Unter den originellsten Tönen<br />
war das berühmte: »Rahn müsste schießen… Rahn schießt…<br />
Toooor!!!«. Musik in unseren Ohren! Ich persönlich bevorzuge<br />
Takte aus der Symphonie Pastorale Beethovens, untermalt<br />
mit Vogelzwitschern. Denn wählen muss man. Wählen bleibt<br />
uns nicht erspart. Man könnte natürlich den voreingestellten<br />
Ton da lassen, wo er ist. Aber auch das ist eine Wahl.<br />
Design nennen wir das, was uns zu wählen zwingt.<br />
Glaubt man einigen Glaubensbrüdern, musste sogar der liebe<br />
Gott einst wählen. Als er die Welt erschuf. Der, mal abgesehen<br />
davon, große Denker Gottfried Wilhelm Leibniz dachte sich<br />
in seinem Werk Theodizee (1710) die formidable Idee aus,<br />
Gott habe die beste aller möglichen Welten zur Realisierung<br />
ausgewählt, per »Intelligent Design«, wie die Glaubensbrüder<br />
im amerikanischen Slang sagen. Nun, darauf antwortete<br />
der französische Aufklärer Voltaire (Candide, 1759): Für<br />
diese hirnrissige Idee habe Leibniz einen kräftigen Tritt in<br />
den Hintern verdient (das Wort »hirnrissig« ist von mir, der<br />
»kräftige Tritt in den Hintern« von Voltaire). Da die angeblich<br />
»beste aller möglichen« Welten nämlich der schlechtesten<br />
aller möglichen Welten noch so verdammt ähnlich ist, müsste<br />
ein moralisch intakter Gott auf ihre Realisierung verzichtet<br />
haben! Als moralische Instanz ist Gott denn auch spätestens<br />
seit Auschwitz tot (F. Nietzsche, Th. W. Adorno), als intelligenter<br />
Designer lebt er fröhlich weiter, sogar in Deutschland; hier<br />
sondern zwar nicht Präsidenten, aber doch Landesminister<br />
gelegentlich, und immer ungenierter, öffentlich die Meinung<br />
ab, in den Schulen solle Gottes »Intelligent Design« behandelt<br />
werden. Nach dem aufgeklärten katholischen Theologen Hans<br />
Küng (Der Anfang aller Dinge, 2005) dürfte solcher Unsinn<br />
allerdings nicht einmal im Religionsunterricht stattfinden.<br />
Albert Einstein hat uns außer dem bedeutenden Grundsatz:<br />
»Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die<br />
menschliche Dummheit, beim Universum bin ich mir nicht<br />
ganz sicher«, noch zwei andere Grundsätze hinterlassen:<br />
»Gott würfelt nicht« und »Gott hatte keine Wahl«. Diese<br />
beiden Grundsätze schließen aus, dass Gott beruflich als<br />
Designer tätig war. Denn wir Designer stützen uns gewöhnlich<br />
gerade aufs Auswürfeln und nachfolgendes Selektieren.<br />
Übrigens auch die Natur. Darwins Evolutionstheorie beruht<br />
auf dem Würfeln (zufällige Mutationen) und der natürlichen<br />
Zuchtwahl (Selektion). Es ist schwer nachzuvollziehen,<br />
inwiefern das »Intelligent Design« ein Gegenargument gegen<br />
die Evolution sein soll: Die Vertreter des »Intelligent Design«<br />
verlegen doch nur eine Kopie des Evolutionsprozesses<br />
als Designprozess ins himmlische Designbüro. Design und<br />
Evolution beruhen beide auf Variantenbildung und Auswahl<br />
unter Kriterien: Der Zusatz »intelligent« zum Design<br />
ist höchst verräterisch; er verrät, dass Gott offenbar seine<br />
unintelligenten Entwürfe in den himmlischen Papierkorb<br />
befördert und nur die intelligenten real produziert hat.<br />
Lassen wir nun den anthropomorphen Designer-Gott aber<br />
doch beiseite und konzentrieren uns auf eine andere Frage.<br />
Es gehört inzwischen zur internationalen Zitier-Folklore, zu<br />
erwähnen, dass in den Fünfzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts<br />
der englische Schriftsteller Sir Charles Percy Snow,<br />
gelernter Chemiker, beredt den Auseinanderfall der »zwei<br />
Kulturen« beklagt hat, den Auseinanderfall von Geisteswissenschaft<br />
(humanities) und Naturwissenschaft (science). Seitdem<br />
sind ähnliche Klagelaute nicht abgerissen. Dabei scheinen<br />
sich doch Mozart und Vodafone gut zu vertragen. Entgegen<br />
anders lautenden Gerüchten gibt es Ingenieure, die Goethes<br />
Faust kennen (wenngleich, wie Kritiker sagen, wenig beherzigen).<br />
Auf der anderen Seite, so Snow, kennen die Intellektuellen<br />
den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik nicht. Den<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong> 5
6<br />
zweiten Hauptsatz nicht zu kennen, das sei, als ob man noch<br />
nie etwas von Shakespeare gehört hätte. Entgegen anders<br />
lautenden Gerüchten soll es aber auch Ingenieure geben, die<br />
den zweiten Hauptsatz nicht wirklich verstanden haben. Es<br />
gab und gibt gerade viele Ingenieure, die zu den Einsendern<br />
von Erfindungen der Kategorie perpetuum mobile an die<br />
Patentämter und physikalischen Institute gehören. Der wissenschaftliche<br />
Experte III. Klasse am Schweizerischen Patentamt<br />
zu Bern, Albert Einstein, wusste ein Lied davon zu singen.<br />
Zu den liebgewordenen Gehässigkeiten in diesem Streit gehört<br />
die bekannte Unterscheidung von »weichen« und »harten«<br />
Fächern. Die Harten werfen den Weichen vor, sie seien<br />
Schwätzer; die Weichen replizieren, die Harten hätten eben<br />
ein Brett der Engstirnigkeit vor dem Kopf. Das alles könnte ein<br />
ganz amüsantes Gestreite sein, wüssten sich nicht eine Menge<br />
Leute des modischen Typus Politiker parteiisch auf die Seite<br />
der Harten zu schlagen – aus ökonomischen Gründen. Die<br />
Weicheier bringen halt nichts in die Kasse. Dabei vergessen die<br />
Politiker natürlich, dass die Zivilisation (von der Kultur gar nicht<br />
zu reden) der viel beschworenen Zivilgesellschaft aus dem an<br />
sich kostengünstigen weichen Lager stammt, die Atomwaffen<br />
etc. hingegen aus dem harten Lager. Was ein demokratischer<br />
Rechtsstaat ist (dem sich auch der Typus Politiker verdankt)<br />
und warum wir ihn bevorzugen, darüber haben die Weichen<br />
nachgedacht, deren Fächer jetzt an den Hochschulen radikal<br />
beschnitten werden. Das könnte sich einmal bitter rächen.<br />
Der amerikanische Literaturagent und Populärwissenschaftler<br />
John Brockman wollte dem ganzen Zauber jedenfalls ein<br />
Ende bereiten und erfand – dafür ist er berühmt geworden<br />
– die »dritte« Kultur (The Third Culture, deutsch 1996). Er hat<br />
nämlich beobachtet, dass allzu viele aus unserer Nachkommenschaft<br />
weder vom zweiten Hauptsatz noch von Shakespeare<br />
etwas gehört haben. Er kenne sogar Hochschulprofessoren,<br />
die weder vom einen noch vom anderen Genaueres wüssten.<br />
Dementsprechend schlug er vor, in den Schulen dafür<br />
zu sorgen, dass Shakespeare mit dem zweiten Hauptsatz auf<br />
derselben Bühne spielt. Bildung, der einzige Nährboden des<br />
demokratischen Rechtsstaates, erlebt jedoch derzeit eine<br />
schwache Konjunktur. Eine überhitzte Konjunktur dagegen<br />
haben Kurse – wieder ein fabelhaft verräterisches Wort.<br />
Dahinter steht das Bild des Lehrers als Fahrlehrer, stream<br />
line. Der Lehrer, ein persönliches Vorbild? Das war einmal.<br />
Dietrich Schwanitz behauptet in seinem lesenswerten Bestseller<br />
Bildung schlicht und einfach, der zweite Hauptsatz<br />
gehöre nicht zur Bildung. Das brachte den populärwissenschaftlichen<br />
Bestsellerautor Ernst Peter Fischer so auf die<br />
Palme, dass er sich genötigt sah, das ebenso lesenswerte<br />
Buch Die andere Bildung zu schreiben. Es steht damit 1:1.<br />
So wären wir wieder da, wo wir schon einmal standen.<br />
Wie war das mit der »dritten« Kultur? Die Zauberformel,<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>
auf die Brockman setzte, war Interdisziplinarität. Die dritte<br />
Kultur ist die interdisziplinäre Kultur. Der neue, gebildete<br />
Kulturvertreter denkt interdisziplinär, ohne Scheuklappen,<br />
hart und weich zugleich. Und zwar deshalb, weil die moderne<br />
Gesellschaft dies ultimativ von uns allen fordere. Wieso das?<br />
Brockman: Die moderne Gesellschaft habe eine Qualität, die<br />
sie von jeder vorhergehenden Gesellschaftsformation unterscheide,<br />
unsere Gesellschaft sei komplex. Nicht bloß kompliziert,<br />
sondern komplex. Wer in der komplexen Gesellschaft<br />
mit Simpellösungen daher komme, sei auch ökonomisch nicht<br />
up to date. Komplexität, so der amerikanische Physik-Nobelpreisträger<br />
Murray Gell-Mann (The Quark and The Jaguar,<br />
1994), sei das Wissenschaftsthema des <strong>21</strong>. Jahrhunderts.<br />
Diese These vertrat auch, freilich schon zwanzig Jahre früher,<br />
der deutsche Soziologe Niklas Luhmann. Auf Komplexität<br />
haben weder die Weichen noch die Harten je für sich eine<br />
Antwort. Was Komplexität ist, erläutert Gell-Mann: Ein<br />
Physiker könne gedanklich ein Jaguarkapi auf einen Haufen<br />
Quarks und Elektronen reduzieren. Aber aus einem<br />
Haufen Quarks und Elektronen gedanklich ein Jaguarkapi<br />
zu rekonstruieren, schlage vollkommen fehl: hier begegne<br />
man der Komplexität. Luhmann schlug vor, Strategien der<br />
Komplexitätsreduktion zu untersuchen. Komplexitätsreduktion<br />
ist kein Reduktionismus – der ist vielmehr genau<br />
das Gegenteil davon. Komplexitätsreduktion bedeutet nicht<br />
Vereinfachung, keine Simplifizierung der Tatbestände.<br />
Komplexitätsreduktion ist – Design. Design ist das, was uns zu<br />
wählen zwingt. Design besteht aus Selektionsmustern (siehe F.<br />
Romero-Tejedor in diesem Heft). Design, so Brockman, ist ein interdisziplinärer<br />
Begriff. Design selektiert aus der komplexen Fülle<br />
der Möglichkeiten. Design reduziert Komplexität. Von Vereinfachung<br />
unterschiedet sich Design dadurch, dass es nicht Möglichkeiten<br />
negiert, vernichtet, sondern fallweise auswählt, dieses<br />
Mal diese, ein anderes Mal jene Möglichkeiten. Selektionsmuster<br />
sind kognitive Muster, alles Design ist Cognition Design 1 .<br />
Interdisziplinarität, das hieß bislang vor allem: man möchte<br />
gern, aber man kann nicht. Jede der beiden Kulturen war schon<br />
damit zufrieden, die jeweils andere »Sprache« überhaupt zu<br />
verstehen. Es gab – oder man fand – keine gemeinsamen Aufgaben.<br />
Sie stellen sich jetzt von selbst. Es sind die Designaufgaben.<br />
Diese Aufgaben rücken gesellschaftlich immer mehr in den<br />
Mittelpunkt. Mehr noch, bodenständige Aufgaben der beiden<br />
Kulturen bilden inzwischen tendenziell eine Schwundkategorie.<br />
Die Wissenschaften beider Kulturen »versemiotisieren« sich,<br />
»verdesignen« sich immer mehr. Extremes Beispiel: Die neuen<br />
europäischen Sternwarten in Südamerika wurden konsequent<br />
nach der Art des durch Design aufbereiteten Bildmaterials<br />
entworfen und technisch realisiert, das man durch sie gewinnen<br />
wollte. Längst spielt in der Astronomie die rein technische<br />
Frage der »Auflösung« des optischen Systems nicht mehr die<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong> 7<br />
7
8<br />
entscheidende Rolle. Ein anderes Beispiel: Moderne Atomkraftwerke<br />
werden um das Cognition Design der Leitwarte »herumgebaut«,<br />
nicht mehr umgekehrt: Die hard core-Probleme sind<br />
weitgehend gelöst, verglichen mit den soft ware-Problemen des<br />
Cognition Designs. Wie wir inzwischen bitter lernen mussten,<br />
stecken gerade hier die Sicherheitsprobleme der Atomkraftwerke.<br />
Auf der anderen Seite bedienen sich Architekten<br />
meteorologischer Software, um das gesellschaftliche Geschehen<br />
in der Umgebung des zu entwerfenden Gebäudes zu simulieren:<br />
den Verkehr, ein- und ausströmende Menschen usw.<br />
Als ich vor Jahrzehnten wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts<br />
für Sprachwissenschaft der Universität Köln war, begegnete<br />
ich bereits typisch modernen Designproblemen: Wie kann<br />
man ein Handbuch zur Reparatur von landwirtschaftlichen<br />
Traktoren entwerfen für Menschen, die nicht lesen und schreiben<br />
können? Natürlich in Comicform, darauf wären Sie auch<br />
gekommen, stimmt’s? Der Rest scheint Didaktik zu sein – aber<br />
weit gefehlt! Die Uzambaras, für die das Handbuch bestimmt<br />
war, sprechen eine Sprache, deren kognitive Struktur wesentlich<br />
anders ist als unsere. Die Uzambaras verstehen daher die<br />
für uns »selbstverständliche« westliche Comic-Dramaturgie<br />
nicht. Eine Dramaturgie, die sie verstehen, muss sich an ihre<br />
Sprachstruktur anlehnen. Eine »weiche« Aufgabe für Schwätzer?<br />
Na, Herr Traktor-Ingenieur, probieren Sie es doch mal! So<br />
etwas nannte jedenfalls Herbert A. Simon, Nobelpreisträger für<br />
Wirtschaftswissenschaften (1978), ein geradezu vorbildlicher<br />
Vertreter von Interdisziplinarität, in seinem Buch The Sciences<br />
of the Artificial mit Fug und Recht »intelligent design«. Er<br />
entwarf u.a. den GPS, General Problem Solver, ein Meilenstein<br />
der Informatik bzw. Künstlichen Intelligenz, basierend auf der<br />
von ihm zusammen mit A. Newell geschaffenen Programmiersprache<br />
LISP, für die beide die Turing-Medaille erhielten.<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>
Oben deutete ich an, Design und Evolution sei im Grunde<br />
dasselbe. Beiden liegt der zweite Hauptsatz der Thermodynamik<br />
zu Grunde: Indem Energie gestreut wird, entstehen<br />
fern vom thermodynamischen Gleichgewicht »dissipative<br />
Strukturen« (Ilya Prigogine, Nobelpreis für Chemie, 1977) und<br />
Selektionsmuster (N. Luhmann). Denn auch unser Gehirn<br />
enthält dissipative Strukturen. Was diese für die Frage nach<br />
dem Design relevant macht, ist die Tatsache, dass das menschliche<br />
Gehirn (trotz der fundamentalen Dummheit seines<br />
Limbischen Systems) gelernt hat, seine dissipativen Strukturen<br />
nach außen zu kehren: als Darstellung. Nach dem Feuer und<br />
der gesprochenen Sprache war die wichtigste Erfindung der<br />
Menschheit die Darstellungsebene. Praktisch jede Art von<br />
Fläche, außer der Meeresoberfläche, eignet sich dazu, Darstellungen<br />
von etwas, also Design, aufzunehmen und wenigsten<br />
zeitweise zu bewahren. Die Höhlenbilder von Altamira<br />
und die Wandtafel des Instituts für theoretische Physik der<br />
Universität Köln, vor der ich manchmal recht verzweifelt<br />
stand, haben etwas gemeinsam: beide sind Repräsentanten<br />
der Darstellungsebene. Wenn Gott bei der Erschaffung der<br />
Welt dergleichen nicht benutzt hat, war er kein Designer.<br />
So gesehen bedeutet Interdisziplinarität Folgendes: Auf der<br />
Darstellungsebene wird die Differenz von Kunst und Wissenschaft,<br />
von humanities und science, systematisch verwischt,<br />
gleichsam dauerhaft aufgeschoben. Die dritte Kultur besteht in<br />
der Indifferenz der beiden anderen auf der Darstellungsebene.<br />
»Mein Labor«, pflegte Albert Einstein zu sagen, »sind Bleistift<br />
und Papier«. »Bleistift und Papier«, sagte oft einer meiner Kollegen<br />
von der Freien Kunst in Braunschweig, »sind für mich eine<br />
Art Labor«. Von Einstein hatte er bedauerlicher Weise wenig<br />
gehört. Bilderlesen, das beherrschen eigentlich beide Kulturen.<br />
Wir Designer zeichnen Entwürfe, mit denen wir – durch<br />
Selektion – die Welt erschließen. Genau das taten die steinzeitlichen<br />
Künstler von Altamira und Einstein auch. Wir sind alle<br />
Designer; wir sind alle heute Vertreter der dritten Kultur – oder<br />
wir sind Schwätzer, oder wir haben ein Brett vor dem Kopf.<br />
Fußnote<br />
1. Ich verfolge hier diese Überlegung nicht weiter. Siehe dazu grundsätzlich die Neuerscheinung <strong>2007</strong> von F. Romero-Tejedor<br />
Der denkende Designer.<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong> 9
Offenheit<br />
10<br />
Flexibilitaet<br />
Design<br />
Interdisziplinaer<br />
Das Ganze<br />
ist mehr als<br />
die Summe<br />
seiner Teile<br />
Kommunikation<br />
Technik<br />
Ausland<br />
Gruppenarbeit<br />
Technik<br />
und<br />
Design.<br />
Passt<br />
das? Das<br />
muss<br />
passen!<br />
Hinrich Ecklundt<br />
Fotografie von<br />
IGi-Studierenden,<br />
entstanden im<br />
Wahlpflichtfach<br />
»Ästhetik. Schönheit<br />
nach Umberto Eco«,<br />
Wintersemester<br />
2006/07. Thema der<br />
Lehrveranstaltung:<br />
»Das Organische in<br />
der Kunst«.<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>
Seit einigen Jahren schon bietet die FH <strong>Lübeck</strong> im Fachbereich<br />
Elektrotechnik (irgendwo muss man ja mal anfangen) einen<br />
neuen Studiengang für das Gebiet der Informationstechnik an.<br />
Unter dem Titel »Informationstechnologie und Gestaltung« mit<br />
dem Zusatz »internationales Studium« haben wir ein höchst<br />
innovatives Studienmodell gestartet und weiterentwickelt. Wir<br />
haben uns damit nahtlos an die Veränderungen angeschlossen,<br />
die auch sonst unsere Gesellschaft erfasst haben und die<br />
insbesondere in der Arbeitswelt häufig auf das Kürzel »IT«<br />
reduziert werden. Dass darunter jeder versteht, was er/sie mag,<br />
irritiert nur vorübergehend. Mehr aus Verlegenheit wurde dem<br />
Studiengang das Kürzel »IGi« angeheftet. Inzwischen ist das bei<br />
den insidern zu einer Art Markenzeichen geworden. Mit diesem<br />
Artikel wollen wir dieses Markenzeichen etwas weiter nach außen<br />
tragen. Sie sind willkommen, sich dieser Idee anzuschließen,<br />
Technik und Design zusammenzubringen.<br />
Hintergrund<br />
Es ist die digitale Technik, die uns herausfordert. Schneller.<br />
Mehr. Kleiner. Eigentlich wird sie – erfreulich – immer als<br />
Riesenchance angesehen. Jede Menge Information steht uns<br />
überall in kürzester Zeit und auf Abruf auf Miniaturgerätchen<br />
zur Verfügung. Wer wollte da nicht froh sein? Aber die Worte<br />
»Abruf« und »Miniatur« sind die echten Stolpersteine. Dahinter<br />
steht die Herausforderung menschlicher Interaktion. Der Umgang<br />
mit der Information ist auch ein »technisches« Problem.<br />
Er ist auch ein kognitives Problem. Natürlich ist er auch ein<br />
gesellschaftliches Problem; sogar ein global-gesellschaftliches.<br />
Teilhabe an der Informationsgesellschaft beschränkt sich nicht<br />
auf einige wenige hoch entwickelte Industrienationen. Information<br />
und Wissen sind Güter, zu deren »Produktion«, Bereitstellung<br />
und Verbreitung keine Fabriken und Transportketten<br />
aufgebaut werden müssen. Es genügt ein PC oder ein Handy, es<br />
braucht auch mal einen Server. Besser sind von jedem ganz viele,<br />
aber für die gibt es keine lokalen Beschränkungen. Verknüpfung<br />
durch das Internet, oder das nächste Internet, macht die<br />
gigantische Menge an global verfügbarer, preiswerter Information<br />
aus. Auch für arme Länder werden Laptops erschwinglich,<br />
eher als der Bau eines Industriebetriebs. Es soll hier nicht das<br />
immense Gefälle zwischen reichen und armen Ländern wegdiskutiert<br />
werden. Aber beim Umgang mit Information und beim<br />
Nutzen des weltweiten Wissens könnten die Barrieren ein wenig<br />
kleiner sein. Zumindest sollte man »IT« als ein global relevantes<br />
Thema auffassen, ohne Grenzen.<br />
Es ist damit offensichtlich, dass tief greifende gesellschaftliche<br />
Veränderungen einher gehen mit neuen Verhaltensweisen und<br />
Arbeitsweisen. »IT« steht nicht nur für technische Möglichkeiten,<br />
sondern auch für betriebliche Abläufe. Wenn Informationen<br />
schneller und unmittelbarer zur Verfügung stehen,<br />
ändert sich auch deren Wert und deren Wahrnehmung. Unsere<br />
Absolventen sind mit den veränderten Arbeitsweisen konfrontiert.<br />
Die Zusammenarbeit in Netzwerken, auch internationalen,<br />
und der Umgang mit breit gefächerten Informationen und ein<br />
Verständnis für andere Disziplinen werden ihre Arbeit prägen.<br />
Gewohnte Berufsbilder verlieren ihre Bedeutung, wenn sich<br />
Strukturen verändern. Neue Berufsbilder tun sich stattdessen<br />
auf. Es gibt keine genauen Schätzungen, wie viel neue Arbeitsplätze<br />
unter dem Dach von »Informationsgesellschaft« und<br />
»Digitale Medien« entstehen können. Viel bedeutsamer ist ohnehin<br />
die Zahl der Arbeitsplätze, die mit der Veränderung der<br />
Arbeitswelt ihren Charakter verändern. Hinzu kommt für uns<br />
die Frage, wie viele der Arbeitsplätze einen Hochschulabschluss<br />
erfordern. Wenn man die Diskussion darüber verfolgt, dass der<br />
Prozentsatz der Studierenden eines Jahrgangs in Deutschland<br />
viel zu gering ist, werden unter den neuen Berufsbildern die<br />
meisten Kandidaten für einen Bachelor-Abschluss sein. Darauf<br />
sollten wir uns einstellen. Bei aller Unschärfe mussten wir<br />
unserem neuen Studiengang ein paar Annahmen unterlegen.<br />
Wir beziehen uns auf Arbeitsgebiete im Anwendungsbereich<br />
»Digitale Medien«. Das sind – wie oben angerissen – die durch<br />
mächtige Mediensysteme aus digitaler Technik und Software<br />
breit verfügbaren neuen Ausdrucksmöglichkeiten. Arbeit in diesem<br />
Bereich erfordert immer Umgang mit technischem Equipment,<br />
mit Hardware – von der man immer weniger merkt –<br />
und Software – die sich als das eigentliche Tool dem Anwender<br />
darbietet. Die zum Einsatz kommende Technik wird sich schnell<br />
und kontinuierlich wandeln, zunehmend komplexer werden<br />
und mit erheblicher Dynamik neue Möglichkeiten eröffnen.<br />
Der Prozess zur Gestaltung, Verbreitung, Verarbeitung<br />
und Präsentation von Information durch »Digitale Medien«<br />
wird nur dann erfolgreich verlaufen, wenn der technische<br />
Rahmen, die gestalterische Ausführung und Prozesskontrolle<br />
gut ineinander greifen. Unser Studiengang<br />
zwischen den Disziplinen »Informationstechnologie und<br />
Gestaltung« verfolgt das Ziel, die angesprochenen Charakteristika<br />
in neue Ausbildungswege zu überführen.<br />
Schwerpunkte<br />
Ausgangspunkt unseres Ausbildungsangebots ist Technik;<br />
präziser ausgedrückt Informationstechnologie. In diesem<br />
Begriff steckt einerseits die Art und Weise, wie mit Information<br />
umzugehen ist. Das ist durchaus von Informatik zu unterscheiden,<br />
die ja eigentlich der deutsche Ableger der »computer<br />
science« ist. In Informationstechnologie stecken aber auch die<br />
zugehörigen Methoden des Umgangs mit Information. Und<br />
hierbei muss man sich mit Prozessen und Abläufen auseinander<br />
setzen. Es geht dabei um Planung, Konzeption und<br />
Produktion. Und dann muss man sich beschäftigen mit all<br />
den technischen Mitteln und Systemen, die aus Hardware und<br />
Software bestehen und in Geräten und Tools integriert werden.<br />
Der Umgang mit Information erfordert eine weitere Disziplin,<br />
die man verstehen und sich aneignen muss. Um Informationen<br />
verständlich zu vermitteln, müssen sie geeignet präsentiert<br />
werden. Das schlägt sich inzwischen in fast allen Facetten un-<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong> 11
serer Informationsgesellschaft nieder. Form und Inhalt werden<br />
verlangt; manchmal auch in dieser Reihenfolge. Es wird auch<br />
deswegen verlangt, weil es technisch möglich ist und leicht<br />
machbar erscheint. Dieser Trend hat lange auch schon technische<br />
Produkte erreicht. Man denke einmal an das Sounddesign<br />
für Autotüren. Bei der Software ist dieses Bedürfnis ganz offensichtlich.<br />
Jeder, der Software entwickelt, muss den »Output«,<br />
die Resultate graphisch auf das Display bringen. Die Bedeutung<br />
dieser Schnittstelle zwischen Mensch und Gerät wächst ständig.<br />
Das schlägt sich auch in dem dafür mittlerweile anzusetzenden<br />
Entwicklungsaufwand nieder. Rechnen im Computer war früher,<br />
präsentieren mit dem Computer ist heute. Das Können, das<br />
dafür gefordert ist, heißt Gestaltung, im Speziellen eben Informationsgestaltung.<br />
»Visual Design« oder »Kommunikationsdesign«<br />
kommen als vorhandene und bekannte Disziplin in Frage,<br />
um Ausbildungsinhalte für unseren Studiengang zu wählen.<br />
Bleibt noch zu fragen, mit welcher Form von Information wir<br />
denn im Studium umgehen wollen. Es geht um alle Arten von<br />
Information, die uns Menschen mit unseren Sinnen zugänglich<br />
ist. Natürlich müssen wir uns beschränken auf die Sinne,<br />
denen man physikalisch beikommen kann. Bild und Ton sind<br />
daher die natürlichen Kandidaten. Aber es geht natürlich bei<br />
der audio-visuellen Wahrnehmung über die Physik der Akustik<br />
und Optik weit hinaus. Im Studium soll daher die Gesamtheit<br />
von Information betrachtet werden. Ihre Wirkung spielt<br />
eine Rolle ausgehend vom Aufbau von Graphikseiten, Folge<br />
von Bildern, Führung durch Animation usw. Das alles ließe<br />
sich unter dem Begriff »Multimedia« hervorragend zusammenfassen,<br />
wenn er nicht durch übermäßigen Gebrauch und<br />
Missbrauch etwas unseriös geworden wäre. Wir bevorzugen<br />
daher den Begriff »Digitale Medien«. Hierin kommt auch der<br />
technologische Anspruch besser zum Ausdruck, mit dem der<br />
Information neue Gestaltungsräume erschlossen werden.<br />
Damit haben wir einen Satz von drei Schwerpunkten herausgearbeitet,<br />
auf die der Studiengang abgestellt ist und für die wir<br />
folgende Begriffe besetzen – Informationstechnologie, Medienproduktion,<br />
Kommunikationsdesign. Alle Begriffe sind enger<br />
verknüpft, als es vielleicht den Anschein hat.<br />
Information ist die eigentliche Essenz »für den Menschen«,<br />
nicht nur für den »user« oder einen »Kunden«. Medien, bei uns<br />
»digitale Medien«, transportieren die Information, wobei in<br />
diesem Transporter bereits Technik und Technologie stecken.<br />
Mit »Medien« ist auch das Anwendungsfeld der von uns<br />
zusammengestellten Ausbildung gekennzeichnet. Technik wird<br />
darin erkennbar gebraucht. »Produktion« hat mit dem Prozess<br />
zu tun, der hinter der Aufbereitung von Information steckt.<br />
Auch das stützt sich wieder auf Technik ab. Alles ist aber nur erfolgreich,<br />
wenn es den Menschen auch erreicht, das heißt: wenn<br />
die Kommunikation gelingt. Mit Erfolg zu kommunizieren,<br />
ist das Ziel von Kommunikationsdesign! Nicht Ästhetik steht<br />
bei Design im Vordergrund, sondern den Menschen mit der<br />
12<br />
Information, mit einer Botschaft zu erreichen. Dafür werden<br />
Methoden der Technik eingesetzt, Computer und Softwaretools<br />
– die Informationstechnologie zeigt sich in einer neuen Ausprägung.<br />
Der Kreis der Verknüpfungen schließt sich. Aber wir<br />
haben es immer noch mit sehr unterschiedlichen Disziplinen<br />
und Mentalitäten zu tun. Deswegen setzen wir Interdisziplinarität<br />
als weiteres Ausbildungsziel.<br />
Inhalte<br />
Nachdem mit den drei Schwerpunkte des Studiums einmal<br />
die Basis gelegt ist, lassen sich dem ohne Probleme<br />
adäquate Inhalte zuordnen. Die wesentliche Aufgabe besteht<br />
in der Begrenzung der Inhalte auf einen studierbaren<br />
Umfang. Allein die Beschäftigung mit allen Medien würde<br />
den Rahmen eines Studiums sprengen. Dafür gibt es eigene<br />
abgeschlossene Studiengänge. Insofern führt der Umfang<br />
der Inhalte konsequent auf neue Formen des Lernens; über<br />
die wird in einem weiteren Kapitel gesprochen. Hier zunächst<br />
einmal die Übersicht über die angebotenen Fächer.<br />
In der »Technik« konzentrieren wir uns zunächst rein auf<br />
Digitaltechnik, weil dies die Basistechnik für alle Medien ist.<br />
Informationstechnik und Kommunikationsnetze markieren<br />
weitere Themenangebote. Programmiersprachen als steuerndes<br />
und organisierendes Medium in allen technischen<br />
Systemen müssen ebenfalls in diesem Bereich angeboten<br />
werden. Die Art und Weise, wie Software eingesetzt wird, wird<br />
im Thema »Software-Engineering« bearbeitet. Der technische<br />
Umgang mit den Elementen der Information liefert die<br />
Disziplin der Datenbanken und des Datenmanagements.<br />
Damit der Umgang mit den technischen Möglichkeiten<br />
anwendungsnah geübt wird, weist der Studienplan eine<br />
erste Projektarbeit bereits im 2. und 3. Semester aus. Das<br />
Einsatzgebiet der technischen Kenntnisse findet sich bereits<br />
im zweiten Schwerpunkt, der Medienproduktion. Hierunter<br />
fallen neben den Grundlagen- und Kernfächern auch die<br />
speziellen und mit den Medien variierenden Medienanwendungen.<br />
Zur Produktion selbst gehört auch die Konzeption,<br />
die sich allerdings auch dem eigentlichen Bereich der Gestaltung<br />
zuordnen lässt. Verfahrensweisen sind ein Kernthema<br />
der Medienproduktion, ein sehr an Methoden orientiertes<br />
Thema. Daher wird hier intensiver Umgang mit den unterschiedlichen,<br />
zum Teil sehr komplexen Tools gelernt.<br />
Kenntnisse verbreitern und anwenden, heißt es auch im dritten<br />
Schwerpunkt »Gestaltung«. Auch hier gibt es Grundlagen und<br />
Vertiefungen zu verschiedenen Aspekten des Designs. Sodann<br />
muss aber auch die Kreativität für den Designprozess trainiert<br />
werden. Auch das funktioniert nicht ohne methodisches und<br />
konzeptionelles Vorgehen. Psychologische und ergonomische<br />
Aspekte des Designs runden das Angebot inhaltlich ab.<br />
Training, intensive Auseinandersetzung und Anwendung<br />
des Gelernten in Gestaltung, Konzeption und Produktion<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>
findet in den beiden Designprojekten des 4. und 5. Semesters<br />
statt. Beide sind umfangreiche Arbeiten, wodurch deren<br />
Bedeutung für den Studienerfolg ausgewiesen wird.<br />
Die drei Schwerpunkte sollen jeder für sich etwa ein Viertel des<br />
Studienvolumens ausmachen. Das letzte Viertel deckt erforderliche<br />
Basisfächer, betriebswirtschaftliche Themen und besondere<br />
Kompetenzen ab, bspw. Sprachen, Recht und Gesellschaft.<br />
Auch diese Aspekte werden in einem besonderen Projekt organisatorischer<br />
Art mit sehr freier Ausrichtung intensiv bearbeitet.<br />
Aus unseren klassischen Studienabläufen haben wir das<br />
berufspraktische (6.) Semester und das abschließende Diplomsemester<br />
übernommen. Damit entstand ein insgesamt<br />
achtsemestriges Diplomstudium, mit einem Abschluss in Informationstechnologie<br />
und Gestaltung. Im Laufe der allgemeinen<br />
Umstellung aller Studienangebote wird es in absehbarer Zeit in<br />
ein Bachelor- und evtl. Masterstudium übergeleitet.<br />
Internationales Studium<br />
In der Vergangenheit war unser Fachbereich Elektrotechnik<br />
(und Informatik) vorrangig technisch ausgerichtet. Das galt<br />
auch für die Ausbildungskapazität. Die Kompetenz in Gestaltung<br />
musste erst noch entwickelt werden; eine mittelfristige<br />
Aufgabe, abhängig von der Nachfrage nach unserem neuen<br />
Studienangebot. Inzwischen ist der Studiengang gut aufgenommen<br />
worden und unsere Kompetenzen sind für Design und<br />
Medien gut ausgebaut. Geblieben ist, dass wir Fächer aus diesen<br />
beiden Bereichen in Kooperation mit ausländischen Hochschulen<br />
anbieten, die hierin ihre besonderen Schwerpunkte haben.<br />
Für den Anfang stand die Kooperation mit skandinavischen<br />
Hochschulen im Vordergrund. Vorreiter in dieser Zusammenarbeit<br />
waren Danmarks Designskole in Kopenhagen und k3<br />
von Malmö Högskolan. Inzwischen sind etliche Partnerschaften<br />
dazugekommen, wechselnd in der Intensität des Austausches.<br />
Valencia hat sich zu einem festen Standbein entwickelt. Mit<br />
Barcelona laufen immer wieder Projekte. Die FH Joanneum in<br />
Graz bietet interessante Projekte. Die Designschule in Kolding<br />
ist unsere neueste skandinavische Partnerin.<br />
Durch diesen Weg des Austausches erreichen wir mehrere<br />
Ziele. Zunächst das Ziel der Interdisziplinarität: Wir bringen<br />
tatsächlich technisch und gestalterisch vorgeprägte Studierende<br />
zusammen, vorzugsweise in einem gemeinsamen Projekt. Wir<br />
bieten allgemein internationale Ausbildung, bei einer Aufenthaltszeit<br />
von etwa einem Semester. Das war bereits ein Vorgriff<br />
auf die Ziele des Bolognaprozesses zur Europäisierung von<br />
Ausbildung. Die ursprüngliche Ausrichtung auf skandinavische<br />
Länder war einerseits begründet durch die räumliche Nähe,<br />
andererseits durch den guten Ruf, den skandinavisches Design<br />
weltweit genießt. Es soll nicht verschwiegen werden, dass die<br />
Organisation solcher Kooperationen, wenn sie denn nicht nur<br />
auf dem Papier stehen sollen, erhebliche Anstrengungen erfordert.<br />
Dafür gibt es an der Hochschule meist nur unzureichende<br />
Infrastruktur und Ressourcen. Auch die Studierenden sind dabei<br />
immer besonders gefordert, finanziell und durch Engagement,<br />
wobei bisher noch jeder Student und jede Studentin das<br />
Auslandssemester »hinbekommen« hat. Es müssen jedoch<br />
von allen Beteiligten immer wieder neue Wege erschlossen<br />
werden; Standardprozeduren gibt es höchstens für kurze Zeit.<br />
Projekte<br />
Es wurde schon mehrfach darauf hingewiesen, dass neben<br />
den Inhalten auch neue Formen der Ausbildung erprobt<br />
und entwickelt werden sollen. Wesentlicher Bestandteil<br />
sind die über das Studium verteilten Projekte. Sie sind konsequent<br />
miteinander verknüpft und repräsentieren Praxisbezug<br />
auch in den so genannten Theoriesemestern.<br />
Im Zentrum stehen die beiden Designprojekte mit Ausrichtung<br />
auf interdisziplinäre Zusammenarbeit. Es hat eine entsprechend<br />
hohe Gewichtung, umfasst rechnerisch 2 volle Arbeitstage pro<br />
Woche für die Studierenden – und das während des 4. und des<br />
5. Semesters. In diesen Projekten laufen alle Stränge der Ausbildung<br />
zusammen. Als Vorbereitung auf diese anspruchsvolle<br />
Lerneinheit ist dem das Softwareprojekt vorgelagert, bereits im<br />
2. und 3. Semester. Hier wird bereits teamorientiertes Arbeiten<br />
gefordert, bleibt aber lokal und thematisch auf eine Disziplin<br />
begrenzt. Hier wird Projektarbeit geübt und in Projektmanagement<br />
erste Erfahrung gesammelt, daneben Entwicklung von<br />
Software gelernt. Im 7. Semester wird noch ein Projekt mit<br />
organisatorischer Ausrichtung angeboten. Nachdem einige<br />
Erfahrung mit der Bearbeitung von Projekten gesammelt wurde,<br />
steht jetzt die eigene Organisation, Planung und Führung eines<br />
Projektes im Vordergrund. Inhaltlich kann es um Projekte aus<br />
Softwareentwicklung oder Medienproduktion, aber auch Projekte<br />
zu Organisation oder Events (wie Ausstellungen) gehen.<br />
Diese Abfolge soll die Studierenden systematisch und immer<br />
intensiver in komplexe Arbeitsweisen in Projekten einführen.<br />
Die Bearbeitung umfangreicher Aufgaben ist die sachliche Seite.<br />
Es geht aber auch um Schlüsselqualifikationen. Die vermitteln<br />
sich nur begrenzt durch Vorlesungen und Übungen. Sprachen<br />
Fotografie von IGi-Studierenden, entstanden im Wahlpflichtfach »Ästhetik«,<br />
Wintersemester 2006/<strong>2007</strong>.<br />
13<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong> 13
kann man so lernen, Psychologie auch. Teamfähigkeit, Kommunikation,<br />
Konfliktfähigkeit und Mitarbeiterführung müssen<br />
anders gelernt werden. Bei uns steckt es in den Projekten. Jedes<br />
soll neben der sachlichen Arbeit bestimmte Kompetenzen<br />
ausbilden.<br />
Das Softwareprojekt soll Teamfähigkeit trainieren. Unsere<br />
Teams sollen 4 bis 6 Personen umfassen. Grundsätze und<br />
Normen für das Arbeiten im Team sollen vermittelt werden,<br />
auch wenn nicht explizit im Stundenplan ausgewiesen.<br />
Kommunikation und Präsentation sind weitere Kompetenzen,<br />
die erprobt werden sollen. Außerdem lernen die<br />
Studierenden hier praktisch etwas über den Projektablauf,<br />
eventuell über die Notwendigkeit von planvollem Vorgehen.<br />
Im Designprojekt steht die Verbindung unterschiedlicher<br />
Disziplinen im Vordergrund. Eigene Verhaltensmuster und<br />
die Entwicklung der kommunikativen Fähigkeiten ergänzen<br />
das. Anwendung von Sprach- und Kulturkompetenz und<br />
internationale Zusammenarbeit machen die besondere<br />
Anforderung aus. Das organisatorische Projekt am Schluss<br />
soll die Führungsfähigkeit bei den Studierenden ausbilden.<br />
Sie sollen die Projekte organisieren, im Zeit- und Aufwands-<br />
14<br />
Screenshots interaktiver Interpretationen von Künstlern,<br />
entstanden im Fach Design digitaler Medien I, IGi 4 vom<br />
SS07. Hier vereinigen sich Design, Ergonomie und Ästhetik<br />
sowie technische Fächer wie Programmierung.<br />
1. Mehrere Menüs zum Erleben Andy Wahrhols von<br />
Michael Roderfeld | 2. Hauptmenü zum Analytischenr<br />
und Synthetischen Kubismus von Hans-Peter Werner |<br />
3. Untermenü zum Guernica-Thema bei Picasso von Carina<br />
Schneider. | 4. Untermenü zum Bildraum der Matisse-Interpretation<br />
von Miriam Stump.<br />
rahmen halten. Die Anleitung weiterer Projektbeteiligter, ihre<br />
Motivation und Sicherstellung der Kommunikation gehören<br />
ebenfalls zum Lernprogramm. Der Umgang mit »Kunden«<br />
oder »Auftraggebern« kann alternative Projekte ausmachen.<br />
Die »Projektleiter« sollen erproben, betriebliche und<br />
Markt gegebene Randbedingungen zu berücksichtigen.<br />
Dieses Programm deckt über das ganze Studium hinweg die<br />
ganze Palette der soft skills ab. Die begleitenden ProfessorInnen<br />
müssen dabei Inputs und Impuls liefern, Rückkopplung bieten,<br />
den ganzen Prozess vorbereiten und steuern. Wo erforderlich<br />
müssen sie über Seminare notwendige Inhalte anbieten, oder<br />
den Studierenden bei der Erarbeitung eigener Themen zur Seite<br />
stehen.<br />
Bezug zur Berufsrealitaet<br />
In diesem Studium gibt es kaum eingefahrene Gleise. Wenn<br />
man für ein dynamisches Berufsfeld ausbildet, kann der<br />
Ausbildungsweg keine statische Größe sein. Trotzdem<br />
verbietet es sich, ins Blaue hinein auszubilden. Wie stellen<br />
wir den Bezug zur Wirklichkeit der Arbeitswelt her?<br />
Die üblichen öffentlichen und persönlichen Informationskanäle<br />
stehen auch uns offen. Aber wir gehen weiter. Da gilt es einmal,<br />
den Kontakt zu möglichst vielen Firmen aus dem Sektor der<br />
»Digitalen Medien« aufzunehmen, ihnen unser Ausbildungsan-<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>
gebot vorzustellen und Rückmeldungen zu bekommen. Isoliert<br />
ist das ein aufwändiges und punktuell wirkendes Verfahren.<br />
Glücklicherweise sind diese Firmen oft gesprächsbereit und an<br />
neuen Ideen interessiert. Diese Firmen sind gleichzeitig auch<br />
solche, die Praktikumsplätze für unseren Nachwuchs bereitstellen.<br />
Damit werden der Kontakt und die Rückkopplung<br />
schon konkreter. Und da inzwischen viele Praktika gelaufen<br />
sind, gibt es da eine breite Basis von »eingeweihten« Firmen.<br />
Wir hatten auch einmal das Interesse – und wollen das<br />
nicht ganz aus den Augen verlieren –, mit Unternehmen<br />
gemeinsam unsere Projekte zu definieren und zu betreuen.<br />
Gemeinsame Projektbesprechungen und Projektpräsentationen<br />
wären dann die komplette Praxisnähe. Die Firmen<br />
entwickeln und halten den Kontakt zum Nachwuchs. Langfristige<br />
Bindungen zwischen Firmen und einzelnen Studierenden<br />
und auch der Hochschule werden so aufgebaut.<br />
In der Praxis ist die Zusammenarbeit in Projekten nur schwierig<br />
hin zu bekommen, weil es sich um Studienprojekte handelt;<br />
dort wird gelernt und nicht gekonnt. Für die Firmen kommt<br />
es aber immer auf ein konkretes Resultat an. Andernfalls<br />
ist die Projektbegleitung nur mit viel Aufwand verbunden,<br />
der im Tagesgeschäft nur mit geringer Priorität läuft.<br />
Als wirkungsvoller haben sich die Kontakte über das berufspraktische<br />
Semester erwiesen, die oftmals durch eine<br />
anschließende Diplomarbeit vertieft werden. Auf dieser Schiene<br />
lernen wir viel über die Berufsrealität unserer Ausbildung und<br />
die möglicherweise weitergehenden Anforderungen der Firmen.<br />
Von der Möglichkeit, dass die Firmen Einfluss auf die Gestaltung<br />
unserer Ausbildungsinhalte nehmen, wird leider wenig<br />
Gebrauch gemacht. Das Angebot von unserer Seite steht aber<br />
weiterhin.<br />
Ausblick<br />
Der neue Studiengang »Informationstechnologie und Gestaltung«<br />
ist für uns die passende Antwort an die gesellschaftlichen<br />
Veränderungen, die uns unter dem Schlagwort »Informationsgesellschaft«<br />
erreichen. Zwar studiert inzwischen der neunte<br />
Durchgang dieses Fach. Aber neu ist es immer noch, wenn man<br />
es mal mit Fächern wie Nachrichtentechnik oder Informatik<br />
vergleicht; von Jura gar nicht zu reden.<br />
Wir haben gemerkt, dass wir ein Angebot für eine hohe<br />
Nachfrage haben. Konnte man während der ersten IT-Welle die<br />
Nachfrage gar nicht befriedigen, so stellt man jetzt eine Verstetigung<br />
in Angebot und Nachfrage fest. Das wirkt sich auch für<br />
unsere Absolventen – inzwischen bald 50 – positiv aus.<br />
Wir wünschen uns eine intensivere Beteiligung der IT-Unternehmen<br />
an Weiterentwicklung und Ausgestaltung unseres<br />
Studiengangs. Wir sind der Ansicht, dass Hochschule den Unternehmen<br />
selten ein so weit reichendes Angebot gemacht hat.<br />
Die nächste Veränderung ist bereits in Sichtweite: der Übergang<br />
zu Bachelor- und Masterabschluss, weg vom Diplom.<br />
Einiges wird schwieriger für uns werden, insbesondere die<br />
geschickte Auswahl der Studieninhalte aus dem umfangreichen<br />
Themenspektrum. Das Studium verkürzt sich und<br />
so müssen wir uns beschränken. Die Studierenden werden<br />
noch selbständiger arbeiten müssen. Die Betreuung nimmt<br />
im Verhältnis nicht zu (wg. KapVO und CN, was wirklich<br />
niemand verstehen muss). Zum Glück sind wir mit IGi schon<br />
ein Stück des Weges zu mehr Selbständigkeit gegangen.<br />
Wir wünschen uns auch in Zukunft viele Studierende,<br />
die ein Studium zwischen den Disziplinen wollen.<br />
Fotografie von<br />
IGi-Studierenden,<br />
entstanden im Wahlpflichtfach»Ästhetik«,<br />
Wintersemester<br />
2006/<strong>2007</strong>.<br />
15<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong> 15
Betrachtungen zum Systemdesign<br />
16<br />
Rolf Küster<br />
Foto: Rolf Küster.<br />
Seit langem ist eine zunehmende Verwissenschaftlichung<br />
des Designs festzustellen. So hat inzwischen jede deutsche<br />
Kunsthochschule mindestens einen Designtheoretiker<br />
angestellt, teilweise mehrere. Diese Entwicklung nahm ihren<br />
Anfang an der HfG Ulm, an der Theoretiker wie Max Bense<br />
den Boden für das Wachstum der Designtheorie bereiteten.<br />
Ihre Designtheorien waren ursprünglich naturwissenschaftlich<br />
motiviert und orientiert. Andererseits, und dies ist eigentlich<br />
erstaunlich, da sie genannter Tatsache ihren Job verdankt, ist<br />
innerhalb der Community der Designtheoretiker eine breite<br />
Ablehnung der Vernaturwissenschaftlichung des Designs zu<br />
spüren. Dies geschieht sicher teilweise zu Recht, denn Design<br />
als rein kybernetische Theorie zu beschreiben, wird der Sache<br />
nicht gerecht. Schließlich ist z.B. die breite sozialwissenschaftliche<br />
Dimension des Designs nur umständlich mit Begriffen<br />
der Kybernetik oder Naturwissenschaft zu beschreiben. Ein<br />
Marsmensch, der von oben auf das Designgeschehen schaut,<br />
würde dies sicher tun, aber vieles, was für Menschen Gestaltung<br />
ausmacht, bliebe diesem dabei verborgen. Dies sollte<br />
jedoch kein Grund sein, sich komplett gegen naturwissenschaftliche<br />
Herangehensweisen im Design zu sperren. Auch<br />
der Marsmensch könnte vielleicht Vorgänge beobachten, die<br />
wir noch nicht bemerkt haben. Dies ist der erneute Versuch,<br />
Verbindungen herzustellen bzw. in Erinnerung zu rufen.<br />
Ein Ansatz ist es, Design im Sinne eines Systems zu untersuchen.<br />
So hat etwa der Nobelpreisträger Herbert Simon Design als eine<br />
Überführung von einem gegebenen (Informations-)Zustand in<br />
einen erwünschten bezeichnet. Einen Stuhl zu gestalten hieße<br />
demnach, die Information festzulegen, wo die Beine (wenn er<br />
denn welche hat), die Sitzfläche usw. beim fertigen Produkt zu<br />
finden sein werden, aus welchem Material sie bestehen usw.<br />
Der fertige Stuhl besteht dann im Grunde aus einem Datensatz,<br />
der besagt, wo sich welches Material (also Atome bzw. Moleküle)<br />
befindet und wo keins, also Vakuum, ist. Die Daten enthalten<br />
dem zufolge die Dimensionen Ort und Material; jeder CAD-<br />
Designer kann dies nachvollziehen. Nimmt man neben Ort und<br />
Material als weitere Dimension die Zeit hinzu, dann lassen sich<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>
auch in der Zeit veränderliche Designprodukte, wie Filme gut als<br />
Informationszustand beschreiben. Als letzte Stufe könnte man<br />
noch Bedingungen (Boolsche Operatoren etc.) zur systemischen<br />
Beschreibung eines Designprodukts heranziehen. Damit ließen<br />
sich dann auch Menüstrukturen (beim Handy etwa) darstellen.<br />
Ein solches Designprodukt bestände aus einem Datensatz, der<br />
einer Mischung aus CAD und Flash-Film ähnelt. Hiermit ließe<br />
sich die Innenwelt aller heute bekannten Designprodukte beschreiben.<br />
Nicht jedoch enthalten wäre in diesem Datensatz die<br />
Außenwelt der Dinge, die Bedeutungen, die das Produkt oder<br />
auch nur seine Teile für einen etwaigen Beobachter bzw. Nutzer<br />
hätten. Schließlich spannt sich von jedem Ding ein Bedeutungsuniversum<br />
auf, das kulturell geprägt und letztlich individuell<br />
verschieden ist. Dieser Realitätsbereich bliebe außen vor.<br />
Systeme im Design besitzen, von einfachsten Problemen<br />
abgesehen, immer eine Hierarchie. So könnte man beim<br />
Fahrzeugdesign einen Zweig im Entwurfsbaum entlang reisen,<br />
der grob aus Karosserie, Fahrgastzelle, Armaturenbrett,<br />
Bedienelementen, Schalter, Menüstruktur usw. besteht. Das<br />
Beispiel macht deutlich, dass Teile des Systems aus Subsystemen<br />
zusammengesetzt sind. Komplexe Systeme (etwa ein Auto)<br />
setzen sich aus verschiedenen Subsystemen (z.B. Fahrgastzelle)<br />
zusammen, die wiederum aus Subsystemen (z.B. Sitz)<br />
aufgebaut sein können, bis die unterste Ebene der Elementarsysteme<br />
erreicht ist. Ganz ähnlich sind auch Systeme in der<br />
Natur strukturiert, so ließe sich in größenmäßig absteigender<br />
Hierarchie folgender Weg durch die Subsysteme im Universum<br />
finden: Galaxie>Sonnensystem>Planet>Kontinent>…<br />
>Mensch>Organ>Zelle>Makromoleküle>Atom>Quark>…<br />
– vom Makrokosmos zum Mikrokosmos. Interessant ist<br />
in diesem Zusammenhang die Frage nach den natürlichen<br />
Elementarkomponenten, die Frage nach des Pudels Kern, aber<br />
die Klärung würde an dieser Stelle zu weit führen. Die genaue<br />
Wahl der Elementarkomponenten ist im Design willkürlich.<br />
Elemente, die kleiner sind als die willkürlich gewählten<br />
Elementarkomponenten, entziehen sich der Gestaltung. Bei<br />
der Gestaltung von Druckwerken z.B. werden Strukturen im<br />
Allgemeinen nicht mehr bearbeitet, die kleiner als einzelne<br />
Glyphen sind. Überhaupt werden hier nur zwei Größenordnungen<br />
bearbeitet. Folgerichtig spricht man hier von<br />
Makro- und Mikrotypografie. Die subsystemische Größenordnung<br />
hierunter, die Nanotypografie, sie existiert nicht.<br />
Interessant ist es, Systeme auch als in der Zeit veränderliche<br />
Strukturen zu untersuchen, z.B. sich Frequenzabhängigkeiten<br />
zwischen Teilen von Systemen anzusehen. Aus den<br />
unterschiedlichen Kopplungsstärken zwischen Systemen<br />
bzw. Systemen und Subsystemen resultiert eine komplexe<br />
Frequenzabhängigkeit. Innerhalb von Systemkomponenten<br />
ist ein hochfrequentes Verhalten festzustellen, während in<br />
der Beziehung zwischen Komponenten ein niederfrequentes<br />
Verhalten vorliegt. Die exakteste Beschreibung liefert die<br />
Physik gekoppelter Systeme, jedoch will ich hierauf jetzt nicht<br />
detailliert eingehen. Nur soviel: Bei einem schwingungsfähigen<br />
System, z.B. einem Federpendel, ist die Frequenz, mit der das<br />
Pendel schwingt, umso höher, je stärker es gekoppelt ist, d.h.<br />
eine harte, steife Feder schwingt in der gleichen Zeit häufiger<br />
als eine weiche, schlaffe. Bei Schwingungen von physikalischen<br />
Systemen ist stets eine Umformung bzw. ein Austausch von<br />
Energie zu beobachten. Beim Federpendel wird fortwährend<br />
Spannenergie in kinetische Energie und zurück umgewandelt.<br />
Sprechen wir von Systemen in Kybernetik und Design, wird<br />
in der Regel keine Energie ausgetauscht, diese Rolle übernimmt<br />
die Information. Für Physiker: Die Austauschteilchen<br />
sind hier keine Energiepakete, sondern Informationspakete.<br />
Eine starke Kopplung zwischen (Sub-)Systemen bewirkt eine<br />
hochfrequente Schwingung (viele Schwingungen pro Zeiteinheit).<br />
Wer glaubt, dies besäße keine Relevanz für den Alltag,<br />
sieht sich getäuscht. Dies ist sicher eines der wichtigsten Prinzipien<br />
für das Leben in der Informationsgesellschaft. Zahlreiche<br />
Beispiele für das Prinzip »je stärker die Kopplung, desto höher<br />
die Frequenz« lassen sich finden. Ein einfaches: Infolge der<br />
technischen Entwicklung lassen sich Informationen schneller<br />
austauschen, und die Welt rückt zum globalen Dorf zusammen.<br />
Die soziale Kopplung zwischen weit entfernt wohnenden<br />
Menschen wächst. Nach dem genannten Prinzip bedeutet dies,<br />
dass die Frequenz zunimmt. Genau dies trifft zu: Der Stoff, mit<br />
dem wir arbeiten, die Information, wird immer schneller ausgetauscht.<br />
Wir müssen immer schneller re-agieren. Inzwischen<br />
wird erwartet, dass wir innerhalb von wenigen Stunden auf<br />
eine E-Mail antworten. Sozusagen wird der weltumspannende<br />
Informationsozean kurzwelliger. Ein weiteres Beispiel: Durch<br />
die stärkere Kopplung von den Designern als Sendern und<br />
den Konsumenten als Empfängern infolge des schnelleren und<br />
umfassenderen Informationsaustauschs werden die Zyklen<br />
der Mode immer kürzer. Die Modezyklen sind inzwischen<br />
sogar schon so kurzwellig geworden, dass sie nicht mehr als<br />
Wellenbewegung wahrnehmbar sind, sondern zum Rauschen<br />
degeneriert sind. Zahlreiche weitere Beispiele sind im Bereich<br />
des internationalen Finanztransfers zu finden. So ist etwa infolge<br />
der stärkeren Kopplung der globalen Märkte eine vielfach erhöhte<br />
Zirkulation immenser Geldmengen in den letzten Jahren<br />
festzustellen gewesen. Eine nähere Ausführung der dahinter<br />
stehenden Theorie würde an dieser Stelle jedoch zu weit führen.<br />
Systeme im Design sind bekanntermaßen komplex. Für Designprozesse<br />
ist eine gewisse geistige Ausstattung vonnöten, die<br />
man kognitive Struktur nennen könnte. Ein Designer braucht<br />
ein bestimmtes Wissen über den Realitätsbereich, in dem sein<br />
Entwurf zu lösen ist. Während des Designprozesses treten auch<br />
innerhalb dieses Systems, die man auch eine epistemische Struktur<br />
nennen könnte, zeitliche Effekte auf, eine Art Dispersion.<br />
Zum Verständnis von Designprozessen auf einer höheren Ebene,<br />
Stichwort Cognition-Design, ist es sicher unabdingbar, Design zu<br />
betrachten in einer – nennen wir sie ruhig so – kybernetischen<br />
Weise. Fortsetzung folgt. Zu den nächsten Öffnungszeiten.<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong> 17
18<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>
Felicidad Romero-Tejedor<br />
Der denkende Designer<br />
Der Kauf einer Briefmarke in der spanischen Provinz ist<br />
keine einfache Sache. Die Postschalter in der Kleinstadt Béjar<br />
sind technisch hoch gerüstet. Briefmarken werden infolgedessen<br />
per Computer verkauft. Für eine Briefmarke zu 58<br />
Cent benötigte die nette Angestellte ein Dutzend Schritte<br />
am Bildschirm und fünf Minuten für die gesamte Abwicklung.<br />
Aber die Leute haben ja Zeit. Der Fortschritt verlangt<br />
eben kleine Opfer. Hier werden sie dem Design erbracht.<br />
Die Designszene ist seit längerem in zwei radikale Grundhaltungen<br />
aufgeteilt. Die Spaltung zwischen dem argumentativen,<br />
formalistischen Design in der Tradition der Hochschule<br />
für Gestaltung Ulm und dem expressiven, emotionalen<br />
Design der Protestbewegung Memphis, mit ihrem Höhepunkt<br />
in den 1980er Jahren, ist neuerdings wieder sehr tief<br />
– besonders seit das interaktive Design der digitalen Medien<br />
zum großen Paradigma geworden ist, wo es auf viel mehr<br />
ankommt als auf fröhliche Ästhetik. Jede der beiden Haltungen<br />
empfindet die jeweils andere als Fehlentwicklung in der<br />
Sparte Design. Und beide fühlen sich von der jeweils anderen<br />
missverstanden. Heute sind es eher die Vertreter eines<br />
»neuen Funktionalismus«, die gegen die Folgen der einstigen<br />
Protestbewegung Memphis protestieren. Aber der »neue<br />
Funktionalismus« ist nur in der Bezeichnung altfränkisch. Er<br />
bringt tatsächlich wieder frischen Wind in die zuletzt etwas<br />
geistlos geführte Debatte ein. Den neuen Funktionalismus<br />
sehe ich in der Figur des »denkenden Designers« verkörpert 1 .<br />
Was ist eigentlich Design?<br />
ein Hin und Her<br />
Natürlich gibt es die Verteidiger eines Designs der ästhetischen<br />
Form. Warum auch nicht? Man kann sie als die Designromantiker<br />
ansehen, die der in die Jahre gekommenen Tradition treu bleiben,<br />
Design als Aufgabe gelungener Ästhetik zu betrachten. Fragt man<br />
einen Anhänger dieser Haltung nach Zielgruppe und Methodik<br />
(wie mir neulich passierte), antwortet er, dafür ziehe der kreative<br />
Designer Psychologen und Soziologen als Experten zu Rate – und<br />
fügt gleich hinzu, dass diese Frage mit Design wenig zu tun habe.<br />
Andererseits ist es unübersehbar, dass die Berufe des Designs sich<br />
in raschem Wandel befinden. Es gibt heute kaum eine andere<br />
Sparte, die sich so abhängig von technischen und sozialen<br />
Veränderungen ständig erneuern muss. Ein Slogan wie:<br />
»einmal Designer, immer Designer« würde etwas ganz anderes<br />
bedeuten als »immer Journalist« oder »immer Physikerin«.<br />
Mögen sich hier auch die Grundlagen erweitern, bleibt doch<br />
die Identität des Faches erhalten. Design hingegen muss sich<br />
ständig anderen Disziplinen gegenüber öffnen; ein identisches<br />
Berufsbild ist schon lange nicht mehr auszumachen.<br />
Seit mehr als zehn Jahren etabliert sich allmählich eine neue<br />
Denkrichtung unter der Überschrift »Designwissenschaft«.<br />
In den Mittelpunkt der Designwissenschaft rückt das »neue<br />
Denken« des »neuen Funktionalismus«. Die Messlatte für ein<br />
solches Denken wurde erheblich höher gelegt. Das Denken in<br />
der Designwissenschaft begibt sich endlich auf das Niveau der<br />
»Komplexität«. Es ist dasjenige Denken, das in dem von Bernhard<br />
von Mutius herausgegebenen Buch Die andere Intelligenz.<br />
Wie wir morgen denken werden proklamiert wird. Die »andere<br />
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Intelligenz« ist die Intelligenz der Gestaltungskompetenz, gesellschaftlich<br />
definierte Probleme zu lösen. Der »denkende Designer«<br />
als Repräsentant dieser anderen Intelligenz hält in der Informationsgesellschaft<br />
die Fahne hoch, um dem Design den ihm<br />
gebührenden Stellenwert zu sichern. Der denkende Designer<br />
hat bei den technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen<br />
direkt mitzureden und mitzugestalten – und wird nicht nur für<br />
visuelle Trends zuständig sein. Für ihn steht angenehme Ästhetik<br />
nicht mehr an erster Stelle, sondern die komplexe Handlung.<br />
Der denkende Designer befindet sich heute noch in Ausbildung.<br />
Mir scheint, dass Studiengänge wie beispielsweise<br />
IGi (Informationstechnologie und Gestaltung international)<br />
an der FH <strong>Lübeck</strong> auf dem richtigen Weg sind, das neue<br />
Designdenken in erfolgreiche Berufsfelder umzusetzen.<br />
20<br />
Cognition Design<br />
Das Design hat sich heute generell und paradigmatisch<br />
in Kommunikationsdesign verwandelt, und dieses<br />
Design ist tatsächlich nicht die bloße Namensänderung<br />
des alten Grafikdesigns, ergänzt durch ein wenig<br />
Computerspielerei. Kommunikationsdesign ist die<br />
Gestaltung der Information in der Mediengesellschaft.<br />
Die Vielfalt der »Welt der Artefakte« (Wirtschafts-Nobelpreisträger<br />
von 1978 Herbert A. Simon 2 ) hat sich bis fast ins<br />
Unvorstellbare gesteigert. Doch die Artefakte sind oft noch<br />
unfähig, sich an den »User« wirklich anzupassen. Für eine<br />
Briefmarke ein Dutzend Schritte: das ist natürlich vollkommen<br />
unakzeptabel. Der Fehler liegt beim Design, oder sollte man<br />
genauer sagen: beim Design ohne Mitwirkung von Designern?<br />
Kommunikation steht im Mittelpunkt des Designs, vor<br />
allem die Kommunikation »Mensch-Maschine«. Kommunikationsdesign<br />
beschäftigt sich nicht nur mit der<br />
technischen Realisierung, es beschäftigt sich mit dem Menschen.<br />
Kommunikationsdesign greift auf ein Verständnis<br />
psychologischer, soziologischer und technischer Sachverhalte<br />
zurück. Heute geht es schwerpunktmäßig darum,<br />
»Komplexität zu reduzieren« (nach H. A. Simon und dem<br />
Soziologen Niklas Luhmann). Design ist Cognition Design.<br />
Design ist also auf Wissenschaft angewiesen. Design kann<br />
sich nicht mehr vorwiegend auf Basis von Berufserfahrung<br />
und »einmaligen Ideen« von Designerstars vollziehen. Ein<br />
Designer, der sich der Komplexitäts-Frage nicht stellt, kann<br />
keine vernünftige Dienstleistung mehr anbieten. Cognition<br />
Design denkt in Kategorien der Psychologie und der Neurowissenschaften,<br />
um zu berücksichtigen, wie Menschen<br />
tatsächlich individuell handeln. Cognition Design denkt in<br />
Kategorien der Soziologie, um zu berücksichtigen, wie die<br />
gesellschaftliche Kommunikation sich durch technische<br />
Systeme verändert. Cognition Design denkt in technischen<br />
Kategorien, um zu berücksichtigen, wie Realisierung, Produktionsfaktoren<br />
und Kosten die Machbarkeit beeinflussen.<br />
Das Profil des neuen Designs muss nochmals da anknüpfen, wo<br />
die Hochschule für Gestaltung Ulm die Angelegenheit liegen<br />
gelassen hatte. Damals arbeiteten Designer mit Ingenieuren<br />
zusammen, um die Geräte »schön« zu umhüllen (es war der<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>
Elektromotor, der in der Industriegesellschaft den technischen<br />
Stand repräsentierte). Damals lernten die Studenten der Gestaltung<br />
außer Mathematik, Physik und Kybernetik auch andere<br />
Fächer wie Psychologie, Soziologie, Wissenschaftstheorie oder<br />
Semiotik. Diese Tradition besteht im Lehrpensum von IGi fort.<br />
Seit die HfG Ulm 1968 geschlossen wurde, ist doch technisch<br />
so einiges an Innovation passiert, was in den Forschungsprogrammen<br />
der Designwissenschaft viel Raum beansprucht.<br />
Die Psychologie von damals hatte z.B. ein behavioristisches<br />
Menschenbild vor Augen, nach dem auf einen konkreten Reiz<br />
eine bestimmte Reaktion folgt, nach dem Schema Ursache-Wirkung.<br />
Infolgedessen dachte man damals, das Design brauche<br />
nur den richtigen »roten Knopf« vorzusehen, um das »richtige«<br />
Verhalten des Users hervorzurufen. Der Mensch erschien<br />
weitgehend steuerbar. Diese Ideologie war eng mit der damals<br />
neuen Wissenschaft der Kybernetik verknüpft (Norbert Wiener<br />
1948). Die Kybernetik, »die Kunst des Steuerns«, beeinflusste die<br />
meisten anderen Wissenschaften und das technische Denken.<br />
Heute folgt die Psychologie dem Paradigma der Kognition.<br />
Das Menschenbild zeichnet statt des reagierenden den bewusst<br />
agierenden Menschen aus. Er antizipiert gemäß seinen<br />
Intentionen die Zukunft und ist nicht mehr allein durch<br />
seine Vergangenheit bestimmt. Für das Design bedeutet dies<br />
Komplexität, das Handeln der Menschen ist nicht berechenbar.<br />
Design ist um ein Vielfaches schwieriger geworden, es muss<br />
dem Spiel der wechselnden Intentionen flexibel folgen (nicht<br />
mehr: design follows function, sondern: design follows use).<br />
Der technische Stand wird von der Mikroelektronik und der<br />
Informatik diktiert, die zusammen mit den digitalen Medien<br />
eine radikale Umformung des sozialen Verhaltens verursacht<br />
haben – was allein schon an der Karriere des Handys zum<br />
alltäglich wichtigsten Fetischobjekt abgelesen werden kann.<br />
Wie sich früher das Design am Elektromotor ausrichtete,<br />
muss es sich heute an der Kognition ausrichten. Es gilt,<br />
die künstliche Intelligenz mit der menschlichen Intelligenz<br />
und seiner Kognition zu versöhnen. Dies ist nur möglich<br />
durch Komplexitätsreduktion in der Kommunikation,<br />
vor allem in der Mensch-Maschine-Kommunikation.<br />
Es war einmal ein denkender Designer...<br />
Der in Barcelona lebende, in der Schweiz geborene Designer,<br />
Designautor und Designdozent Yves Zimmermann nennt in<br />
einem seiner Essays Otl Aicher eine »rara avis«, einen seltenen<br />
Vogel, weil Aicher, so Zimmermann, ein »denkender<br />
Designer« sei. Otl Aicher, der berühmter Ulmer Gründer,<br />
verlangte stets ein Design der Transparenz. Er schätzte kein<br />
Design, das sich durch »Selbstverschönerung« verstellt. Aicher<br />
erwartete vom Design eine viel tiefgründigere Haltung und<br />
kritisierte jedes Design, das anscheinend nur mit dem Ziel<br />
gestaltet wurde, einmal im Kunstmuseum zu landen. Design<br />
müsse ein durchgehend interdisziplinäres Fach sein.<br />
Der denkende Designer nach dem Vorbild Aichers trägt eine<br />
soziale Verantwortung, orientiert sich an der guten Funktionalität<br />
und zieht sich nicht auf das Argument zurück, er<br />
sei ausschließlich für das Erscheinungsbild zuständig. Seine<br />
Denkhaltung begründet eine neue Designmoral. Die Moral des<br />
Bauhauses war es, ein demokratisches Design zu entwickeln,<br />
ein Design, welches das alltägliche Leben wesentlich verbesserte.<br />
Die Ulmer Designmoral stützte sich auf die Funktion.<br />
Design sollte die Funktion zeigen und klären und nichts anderes<br />
vormachen. Heute übernimmt der denkende Designer eine<br />
Verantwortung, die nicht mit der Bereitstellung des Produkts<br />
endet wie bisher. Sie bezieht das gesamte Spektrum der<br />
Handlungsmöglichkeiten mit dem Artefakt ein, einschließlich<br />
ihrer Folgen. Er übernimmt die Verantwortung dafür, dass<br />
sich das Design in die Lebensszenarien der Nutzer einpasst.<br />
Die Menschen erleben den Umgang mit der Maschine vielfach<br />
als kognitiv komplex (z.B. eine Website, ein Lernprogramm,<br />
ein Handy, ein I-Pod usw.), weil die »Maschine« streng<br />
algorithmisch arbeitet und der Mensch nicht algorithmisch,<br />
sondern kontinuierlich-diskursiv denkt. Die Kommunikation<br />
mit der Maschine läuft daher in fremden, ungewohnten<br />
Bahnen. Wir müssen das System so gestalten, dass die Kommunikation<br />
mit der Maschine sich dem Muster anpasst, dem<br />
wir in der Kommunikation mit unseresgleichen folgen.<br />
Was heisst Komplexitaet reduzieren?<br />
Schon häufiger wurde von Psychologen oder Designtheoretikern<br />
die These vertreten, Design müsse »Komplexität<br />
reduzieren«. Weniger häufig wurde von ihnen<br />
erklärt, was dies bedeutet und wie es gelingen soll.<br />
Wie nehmen wir Komplexität wahr? Indem wir uns kognitiv<br />
überfordert fühlen. Wir sehen uns z.B. überfordert, wenn wir<br />
– gerade schreibe ich dies am Computer – die Autokorrektur<br />
eines Schreibprogramms wie Word abstellen wollen, so dass<br />
das Programm aufhört, in allen Zitaten die alte Rechtschreibung<br />
zu aktualisieren: ein Zitat muss texttreu sein, und ältere<br />
Texte sind natürlich in alter Rechtschreibung verfasst. Wir<br />
haben das Gefühl, ein komplexes, undurchsichtiges System<br />
vor uns zu haben, dem wir desorientiert ausgeliefert sind.<br />
Wie tritt Komplexität auf? Nach dem Medienwissenschaftler<br />
Marshall McLuhan folgen wir einem linearen Denken, das<br />
sich durch das Lesen von Büchern kulturell fest verankerte.<br />
Obwohl die Maschinen in linearen Algorithmen programmiert<br />
sind, verhält sich die Linearität der Maschinen sprunghaft, d.h.<br />
anders als die Linearität des Lesens, das eine kontinuierliche<br />
Linearität beinhaltet. Unser lineares Denken ist ein gelerntes<br />
Verfahren, während unser natürliches Gedächtnis nicht linear,<br />
sondern holistisch ist; wir haben eine intuitive, nichtlineare<br />
Form der Weltinterpretation entwickelt. So tritt die nichtlineare<br />
Kognition in eine Konfrontation mit der algorithmischen<br />
Linearität der Maschine ein – es entsteht Komplexität. Die<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong> <strong>21</strong>
Linearität der Maschine muss durch Design für die nichtlineare<br />
Interpretationsweise der Kognition handhabbar gemacht<br />
werden. Dies geschieht durch »Reduktion« der Komplexität.<br />
Für den soziologischen Systemtheoretiker Niklas Luhmann trat<br />
das Problem der Komplexität bei der Schwelle auf, »von der ab<br />
nicht mehr jedes Element mit jedem anderen verknüpft werden<br />
kann« 3 . Wenn in einem System aus zahlreichen Elementen<br />
alle miteinander verbunden sind, herrscht eine Tendenz zur<br />
Beliebigkeit vor. Im Computer spiegelt sich solche Tendenz<br />
in der Addition von Möglichkeiten. Das Problem sind dann<br />
nicht die Möglichkeiten selbst, sondern dass der Anwender<br />
sie alle auf einmal präsentiert bekommt und sie häufig noch<br />
für seinen konkreten Fall selbst festlegen muss. Die Maschinen<br />
sind nicht objektiv komplex, sondern nur kompliziert, durch<br />
eine zu große Menge von schlecht strukturierten Möglichkeiten.<br />
Wenn wir mit einer solchen Maschine kommunizieren<br />
müssen, werden sie für uns subjektiv komplex, weil wir die<br />
Kontrolle verlieren. Komplexität ist also nicht gleich Kompliziertheit;<br />
Komplexität tritt auf, wenn die Vorgänge des Systems,<br />
mit dem wir kommunizieren wollen, undurchsichtig werden.<br />
Komplexitätsreduktion heißt daher nicht Vereinfachung<br />
durch weniger Möglichkeiten, sondern transparenter für die<br />
jeweilige Handlung werden. Die Vielfalt der Möglichkeiten<br />
muss von Fall zu Fall einsichtig selektiert und dadurch kognitiv<br />
kontrolliert werden können. Das ist die Aufgabe von Design.<br />
Wie reduziert Design Komplexität? Niklas Luhmann übernahm<br />
für seine Systemtheorie den Begriff »Komplexitätsreduktion«<br />
von dem amerikanischen Sozialpsychologen Jerome Bruner 4 .<br />
Da die subjektive Komplexität nicht durch Hinzufügung<br />
von Elementen wächst, sondern durch die Vermehrung von<br />
Relationen zwischen den Elementen, was eine Überforderung<br />
beim Nutzer provoziert, darf die Komplexitätsreduktion nicht<br />
auf ein System mit weniger Elementen hinauslaufen. Vielmehr<br />
müssen nach Luhmann die Relationen zwischen den<br />
Elementen selektiert werden, um sie so aus der Beliebigkeit der<br />
Verbindungen herauszulösen. Durch ein Komplexität reduzierendes<br />
Design müssen also Verbindungen je nach Kontext<br />
(und daher Handlung) selektiert werden. Da Luhmann davon<br />
ausgeht, dass die Systeme dynamisch sind, spricht er von<br />
einer »Temporalisierung von Komplexität« 5 . Stark vereinfacht<br />
können wir sagen, dass die Selektionen sich mit der Zeit ändern,<br />
je nach den neu entstehenden Handlungsbedürfnissen.<br />
Den Selektionen, insofern sie durch Design bewerkstelligt<br />
werden, liegen nach Luhmann Selektionsmuster zugrunde. Das<br />
heißt, sie folgen Patterns, die sich wiederholen, sie bilden den<br />
»Stil« der Selektion. Welche Selektionsmuster muss Design<br />
einbringen, um die Temporalisierung von Komplexität zu<br />
beeinflussen? Die Antwort liegt darin, dass die Selektionsmuster<br />
Sinnstrukturen beinhalten. Kurz: Design generiert Sinn. Zum<br />
Beispiel muss ein Mechaniker Dinge über ein Auto kennen,<br />
die ein gewöhnlicher Autofahrer nicht wissen muss. Es gibt<br />
22<br />
hierbei zwei Komplexitätsabstufungen: Mechaniker-Zugang<br />
und Autofahrer-Zugang zum Auto. Der Mechaniker selbst<br />
möchte aber nicht, wenn er nur in der Rolle des Autofahrers<br />
ist, diejenige Komplexität des Fahrzeugs ständig im Bewusstsein<br />
haben müssen, die er hat, wenn er ein Fahrzeug nach<br />
Fehlern absucht. Je nach Kontext braucht er verschiedene<br />
Selektionsmuster des Systems »Automobil«, die ihm vom<br />
Design her angeboten werden sollten: einmal das Szenario<br />
»Mechaniker«, ein anderes Mal das Szenario »Aufofahrer«.<br />
Die Informatik hat dafür den Begriff »Benutzerillusion«<br />
geprägt. Der Mechaniker hat eine andere als der Autofahrer.<br />
Durch Design wird jedem Handlungskontext eine für ihn<br />
gedachte »Benutzerillusion« geliefert. Die Selektionsmuster<br />
zur Komplexitätsreduktion passen sich den jeweiligen<br />
Anforderungen des Nutzers an. Der Informatiker, der einen<br />
Aufsatz schreibt, benötigt ein anderes Selektionsmuster (eine<br />
andere »Umgebung«) als derselbe Informatiker, wenn er<br />
einen Programmtext in einer Programmiersprache schreibt.<br />
Hierin liegt die allgemeine Form von Design des denkenden<br />
Designers. »User« nehmen nur wahr, was sie im jeweiligen<br />
Moment benötigen, und wollen mit dem Rest der Möglichkeiten<br />
diesmal nicht konfrontiert werden. Das Design reduziert<br />
aufgrund der »Temporalisierung« die Komplexität.<br />
Behaviorismus<br />
Ursache / Wirkung<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>
aesthetik? Ja. Aber intelligent<br />
Drückt man die Aufgabe des Designs in semiotischer Terminologie<br />
aus (Charles Morris), so waren Designer bisher<br />
hauptsächlich Schöpfer von syntagmatischen Systemen, d.h.<br />
auf der reinen Formebene tätig. Sie beschäftigten sich also<br />
vorwiegend mit dem Aussehen und bedienten daher vorrangig<br />
die visuelle Wahrnehmung. Intelligente Ästhetik hingegen<br />
bezieht auch die semantische Ebene (die Sinnebene) und vor<br />
allem die pragmatische Zeichenebene (Handlung) mit ein.<br />
Ich wies bereits darauf hin, dass eine nicht-argumentative<br />
Ästhetik, ein »Alles ist erlaubt«-Design nicht mehr zeitgemäß<br />
ist; sie kann nicht mit Komplexität umgehen. Die intelligente<br />
Ästhetik muss die kognitiv geführten Handlungen unterstützen.<br />
Cockpits bestehen z.B. nicht mehr wie zum Anfang aus<br />
einem unübersichtlichen Sammelsurium von Funktionen;<br />
in das Cockpit hat schon lange das Cognition Design Einzug<br />
gehalten. Die kognitive Kontrolle des Systems vonseiten des<br />
Piloten ist die allerwichtigste Sicherheitsgrundlage. Cognition<br />
Design ist aber ebenso auch in die Welt der Verwaltung<br />
eingedrungen, Kundenfreundlichkeit gilt auch hier inzwischen<br />
als selbstverständliche Dienstleistung einer modernen<br />
Administration. Design schafft Orientierung. Nicht zuletzt<br />
hat Cognition Design die Welt der Informatiksysteme erobert,<br />
wenngleich noch nicht durchgängig (siehe Briefmarkenkauf<br />
in Béjar). Es gibt Informatiker (etwa Frieder Nake), die sogar<br />
soweit gehen, die Informatik als Designsparte einzustufen.<br />
Im Design verschwindet also keineswegs die Ästhetik,<br />
die Ästhetikfragen stellen sich dem denkenden Designer<br />
nur tiefsinniger, sie berühren die Temporalisierung<br />
der Komplexitätsreduktion. Intelligente Ästhetik erfüllt<br />
die Bedingungen zum Gelingen der Handlung.<br />
Literatur<br />
Aicher, Otl, die welt als entwurf, Berlin, Ernst & Sohn 1991 | Bateson, Gregory, Mind and Nature. A necessary unity, Glasgow, Fontana / Collins 1980.<br />
| Bonsiepe, Gui, »Design as Tool for Cognitive Metabolism: From Knowledge Production to Knowledge Presentation«, Paper für das International<br />
Symposium Ricerca+Design an der Politecnico di Milano 2000, 05, 18/20 | Boom, Holger van den, Betrifft: Design. Unterwegs zur Designwissenschaft<br />
in fünf Gedankengängen, Alfter, VDG 1994 | Bürdek, Bernhard E., »Zur Methodologie an der HfG Ulm und deren Folgen«, in Dagmar Rilker, Marcela<br />
Quijano und Brigitte Reinhardt, Hg., ulmer modelle, modelle nach ulm, Ostfildern-Ruit, Hatje Cantz 2003 | Chomsky, Noam, Language and Mind,<br />
Harcourt Brace Jovanovich 1968 | Luhmann, Niklas, Einführung in die Systemtheorie, Heidelberg, Carl-Auer-Systeme 2004 (2. Auflage) | McLuhan,<br />
Marshall, Die magischen Kanäle. Understanding Media, Frankfurt am Main, Fischer Bücherei, 1970 (o.V. von 1964) | Mutius, Bernhard von, »Die andere<br />
Intelligenz oder: Muster, die verbinden. Eine Skizze«, in Bernhard von Mutius (Hg.), Die andere Intelligenz. Wie wir morgen denken werden, Stuttgart,<br />
Klett-Cotta 2004, 12-39 | Norman, Donald A., Dinge des Alltags. Gutes Design und Psychologie für Gebrauchsgegenstände, Frankfurt am Main,<br />
Campus 1989 (o.V., The Design of Everyday Things, New York, Doubleday 1990) | Ortega y Gasset, José, Meditación de la técnica, Madrid, Santillana,<br />
col. Filosofía hoy 1997 | Romero-Tejedor, Felicidad, Der denkende Designer. Von der Ästhetik zur Kognition. Ein Paradigmenwechsel, Hildesheim, Olms<br />
<strong>2007</strong> | Simon, Herbert A., Die Wissenschaften vom Künstlichen, Berlin, Kammerer & Unverzagt 1990 (o.V., The Sciences of the Artificial, Cambridge,<br />
MIT 1969 – 1981) | Vester, Frederic, Unsere Welt – ein vernetztes System, München, dtv 1983 – 2002 (11. Auflage) | Zimmermann, Yves, Del Diseño,<br />
Barcelona, Gustavo Gili 1998<br />
Fußnoten<br />
1. Siehe dazu inzwischen meinen Essay: Der denkende Designer. Von der Ästhetik zur Kognition. Ein Paradigmenwechsel. | 2. The Sciences of the Artificial.<br />
| 3. N. Luhmann, Einführung in die Systemtheorie, S. 174. | 4. J. Bruner, A Study of Thinking, 1956. | 5. Luhmann, ebenda, S. 176.<br />
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24<br />
Zwischen der Idee<br />
und der Realität<br />
zwischen der Bewegung<br />
und der Tat<br />
fällt der Schatten<br />
Zwischen der Vorstellung<br />
und der Kreation<br />
zwischen der Emotion<br />
und der Reaktion<br />
fällt der Schatten<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>
Wulf Rehder<br />
Als der Herrgott die Welt erschuf, begann Er Seine Arbeit mit<br />
dem Licht. Das ist vielleicht der Grund, warum man Licht<br />
den Schatten Gottes nennt. Wo Licht ist, da ist auch Schatten,<br />
so wie der Zweifel der Wahrheit folgt. Nabokov hat in<br />
einem Interview einmal gesagt: »Wir denken nicht in Worten,<br />
sondern in Schatten von Worten.« Das Alte Testament<br />
nennt unser Leben auf Erden ein Schattendasein, und der<br />
griechische Hades war die Schattenwelt der Toten. Schatten<br />
sind überall. Sie erheben sich mit dem lebendigen Licht;<br />
sie sind Gegenstand unseres Denkens; sie begleiten uns ein<br />
Leben lang, bis wir uns endlich selbst in sie verwandeln.<br />
In diesen Beispielen sind Schatten jedoch nur von sekundärer<br />
Qualität: sie sind wie ein Echo, wie Stellvertreter, und<br />
daher von geringerer Statur als die fassbaren oder abstrakten<br />
Dinge, für die sie stehen und ihre Schatten werfen.<br />
Die folgenden Bemerkungen wollen versuchen, den Schatten<br />
aus dieser zweitrangigen Rolle zu befreien. Ich möchte ihn<br />
jenseits seiner bloßen Flüchtigkeit als reales Wesen darstellen,<br />
wie Dante am Ende des einundzwanzigsten Gesangs<br />
des Fegefeuers schreibt: »trattando l’ombre come cosa<br />
salda«, den Schatten wie ein solides Ding behandeln.<br />
Zunächst ganz nüchtern betrachtet: Es ist ein nachweisliches<br />
Phänomen, dass gewisse Schatten, zum Beispiel im Schnee,<br />
messbare Farben erzeugen, die unseren Sehnerv mit objektiven<br />
Wellenlängen und Intensitäten treffen. Vom Schnee zur Poesie:<br />
T.S. Eliot argwöhnt in seinem Gedicht »The Hollow Men«,<br />
dass ein farbloser Schatten nicht mehr sei als eine leere Geste,<br />
ein blinder Begriff. Ich will dem Schatten nicht nur eine reale<br />
Existenz zusprechen, sondern ihm mit dem Attribut »farbig«<br />
auch ein neues metaphorisches Leben geben, so wie man von<br />
einer »farbigen Persönlichkeit« spricht, die ihren ganz eigenen<br />
Charakter hat. So hätte also dieser Beitrag über farbige Schatten<br />
auch mit »Das Wesen der Schatten« überschrieben werden<br />
können. Was Viktor, Professor Pnins Sohn in Nabokovs Roman,<br />
sehen und unterscheiden konnte, nämlich dass Schatten<br />
charakteristische Farben haben, hat seit jeher Poeten und<br />
Farbige Schatten<br />
Und mit sechs Jahren unterschied Viktor schon, was so viele<br />
Erwachsene nie zu sehen lernen – die Farben von Schatten,<br />
die Unterschiede in den Farbtönungen zwischen den Schatten<br />
einer Apfelsine, einer Pflaume oder einer Avokado.<br />
Vladimir Nabokov: Pnin.<br />
Wissenschaftler fasziniert. Robert Frost, zu J. F. Kennedys Zeit<br />
Poeta Laureatus der USA, hat das Epigramm geprägt, »Poesie<br />
ist die einzige zulässige Weise, etwas zu zeigen und damit etwas<br />
anderes zu meinen.« Statt Poesie können wir Schatten sagen.<br />
Schatten können für sich eine Bedeutung haben, die sich in den<br />
Dingen selbst, die diese Schatten werfen, nicht zeigen. Schatten<br />
mögen, wie die Sprache, etwas ausdrücken, etwas verheimlichen,<br />
etwas verstecken, etwas erklären, etwas andeuten,<br />
was im Ding selbst nicht sichtbar ist. Auf diese semantische<br />
Autonomie des Schattens will ich jetzt näher eingehen.<br />
Schatten bei Poeten<br />
Nicht unerwartet treten Schatten in Kinderreimen und<br />
Märchen auf. In Walter de la Mares Gedicht »Der Schatten«<br />
ist es Nacht und der Mond ist aufgegangen. Ein<br />
Kind geht auf Zehenspitzen auf eine weiße Mauer zu,<br />
Wo, wie ein heimlicher<br />
Begleiter,<br />
Mein kleiner Schatten<br />
Auf mich wartet.<br />
Wie zum Spott imitiert der Schatten die Bewegungen, und doch:<br />
Er ist blind und dumm –<br />
Blind und dumm.<br />
Und wenn ich geh,<br />
Wird die Wand<br />
Weiß wie Schnee.<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong> 25
Dies sind Reime nicht für Viktor, sondern für den kleinen Bruder.<br />
Sentimental und wie aus einem romantischen Gruselmärchen<br />
klingen die Strophen in de la Mares »Lied vom Schatten«:<br />
Der alte Hund wimmert im Schlaf,<br />
Die Glut brennt nieder;<br />
An den Wänden die Schatten<br />
Wandern hin und wieder.<br />
Auch wenn Schatten menschliche Eigenschaften haben,<br />
»blind und dumm«, so sind sie doch nur sekundär. Der<br />
Romantiker Adalbert von Chamisso geht einen Schritt weiter<br />
mit seinem Märchen von Peter Schlehmil. Schlehmil verliert<br />
seinen Schatten und wird einsam und unglücklich. E.T.A.<br />
Hoffmann spielt in seiner Fabel von Erasmus Spikher mit<br />
der gleichen Idee vom verlorenen Schatten. Nur vollständige<br />
und zufriedene Menschen haben einen Schatten. Ein unglückliches<br />
Beispiel ist die Kaiserin in Richard Strauss’ Oper<br />
»Die Frau ohne Schatten«, mit dem Libretto von Hugo von<br />
Hofmannsthal. Die kaiserliche Elfenfrau ist kinderlos – sie ist<br />
daher eine Frau ohne Schatten, transparent wie Glas. Nach<br />
vielen Verwicklungen, in denen sie unter anderem ein Kind<br />
kaufen will, wird sie unvermittelt schwanger, damit vollständig<br />
und glücklich, und bekommt endlich auch ihren Schatten.<br />
Matthias Claudius schreibt im Jahr 1770 seine ironisch-wissenschaftlichen<br />
»Betrachtungen über den Schatten«. Sie<br />
beginnen mit der Einsicht, dass der Schatten einer Person<br />
klüger als die Person selbst ist; denn der Schatten kann keine<br />
dummen Reden halten. Andererseits ist dein Schatten wie<br />
dein Ruf: Er verlässt dich nie, und je höher deine Stellung,<br />
desto länger dein Schatten. Claudius zitiert seine Vorgänger<br />
Buffon, Abbe Mazeas und Beguelin, die auch bemerken,<br />
dass Schatten von Sonnenaufgang zu Sonnenuntergang ihre<br />
Farben verändern. Ähnliches, schreibt Claudius, trifft auch<br />
auf unsere Reputation zu. Am Anfang und Ende des Tages,<br />
wenn die Sonnenstrahlen uns von der Seite treffen, sind unsere<br />
Schatten lang und unsere Reputation intakt. Doch wenn uns<br />
in der Tagesmitte die Sonne wie ein Scheinwerfer von oben<br />
anleuchtet, werden unsere Fehler offenbar, und unser guter Ruf<br />
mag verschwinden wie der Schatten unter unseren Füßen.<br />
Hundert und fünfzig Jahre früher, im Jahre 1635, beginnt<br />
der metaphysische Dichter John Donne eines seiner Liebesgedichte<br />
»Vortrag über den Schatten« mit den Versen:<br />
26<br />
Stand still, and I will read to thee<br />
Steh still, und ich werde dir, mein Liebling,<br />
A lecture, love, in love’s philosophy.<br />
einen Vortrag halten über die Philosophie der Liebe.<br />
These three hours that we have spent,<br />
In den drei Stunden, die wir zusammen hier<br />
Walking here, two shadows went<br />
Wandelnd verbracht, haben uns zwei Schatten<br />
Along with us, which we ourselves<br />
produced;<br />
Begleitet, die wir selbst geschaffen haben;<br />
But, now the sun is just above our head,<br />
Aber jetzt, mit der Sonne direkt über unsren Köpfen,<br />
We do those shadows tread;<br />
Treten wir in diesen Schatten;<br />
And to brave clearness all things<br />
are reduced.<br />
Und zu schöner Klarheit kommen alle Dinge.<br />
In den letzten Beispielen wird der Schatten schon beinahe wie<br />
etwas Wirkliches vorgestellt, ein beobachtbares Etwas mit eigenem<br />
Leben. Er ist »wie ein heimlicher Begleiter« bei Walter de<br />
la Mare, er wartet auf mich, er wandert hin und her, als hätte er<br />
Beine. Bei Chamisso, Hoffmann und in Strauss’ Oper bedeutet<br />
er Vollständigkeit, Glück, Fruchtbarkeit. Claudius spricht von<br />
unseren Schatten, besonders den farbigen, als von Objekten, die<br />
einer ernsthaften wissenschaftlichen Untersuchung würdig sind;<br />
benutzt sie dann aber als Metaphern für unsere veränderliche<br />
Reputation. John Donne schließlich vergleicht die wachsende<br />
Liebe mit dem Wachsen des Schattens gegen Ende des Tages.<br />
Ich will in der Folge zeigen, wie die modernen Autoren Herman<br />
Melville, Vladimir Nabokov, und T. S. Eliot noch einen<br />
Schritt weitergehen in der Realisierung farbiger Schatten.<br />
In Herman Melvilles Novelle »Benito Cereno« ist ein Schatten<br />
nicht nur Gleichnis oder Metapher, sondern auch Stil-Mittel<br />
und dichterisches Gerät, das abstrakte Stimmungen von Furcht<br />
und Schwermut in greifbare Objekte verwandelt – wenn<br />
man denn Schatten »greifbar« nennen kann. Gleichzeitig<br />
wird der Schatten zu einem Leitmotiv für die ganze Novelle.<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>
Die Novelle beginnt, als ein amerikanisches Handelsschiff<br />
mit seinem Kapitän Delano nahe der chilenischen Küste vor<br />
Anker geht. Die See ist grau, die Dünung bleiern. Auch der<br />
Himmel ist grau und graues Gevögel fliegt niedrig und unstet<br />
durch den unruhigen Dunst über dem Wasser. Diese gothische<br />
irreale Stimmung wird zusammengefasst in der dunklen<br />
Bemerkung: »Gegenwärtige Schatten, die kommende tiefere<br />
Schatten ahnen lassen.« Es sind diese nicht Schatten von<br />
irgendetwas anderem, primärem: die Schatten selbst sind die<br />
Akteure mit dem Auftrag, kommendes Unheil anzudeuten.<br />
Gegen diese düstere Stimmung setzt sich die Gestalt des<br />
Kapitän Delano ab, der ein Mann von »einzigartig un-misstrauischer<br />
(sic) Frohnatur« ist, und dem das andere Schiff,<br />
eine Sklavenfregatte, zuerst wie ein »weissgetünchtes Kloster<br />
nach einem Gewitter« erscheint. Wir Leser aber sind durch<br />
die erwähnten Grautöne und sonnenlosen Schatten bereits<br />
vorgewarnt, dass Unheil dräut. Am Ende wird Benito Cereno,<br />
Kapitän der Sklavenfregatte, von Delano gerettet, und für einen<br />
Augenblick kehrt sich die anfängliche Moll-Stimmung der<br />
Novelle in eine optimistische Dur-Melodie um. Delano ruft aus:<br />
»Sieh, die Sonne dort hat alles vergessen, und die blaue See,<br />
der blaue Himmel: sie haben sich alle zum besseren gewandt.«<br />
Aber eben nur für einen Augenblick. Auf Delanos Frage »Du bist<br />
gerettet: was für ein Schatten hat denn über dir gelegen?« antwortet<br />
Cereno, »der Neger.« Dieser Neger ist Babo, teuflischer<br />
Meuterer und Vertreter des üblen Geistes auf der Sklavenfregatte.<br />
Babo wird geköpft, sein Kopf auf einer Stange öffentlich<br />
ausgestellt. Drei Monate später folgt Benito Cereno Babo im<br />
Tode nach, ihm, der den ersten Todesschatten geworfen hatte.<br />
Nach der deutschen Sprache liegt man bequem und passiv<br />
unter dem Sonneschirm »im Schatten«, und wenn<br />
man aufsteht und aktiv in die Sonne tritt, »wirft man<br />
einen Schatten.« Im Englischen haben die passive und<br />
die aktive Bedeutung von Schatten ihre eigenen Namen:<br />
shade und shadow. »I lie down in the shade for a siesta,<br />
and stepping out into the sun I cast a shadow.«<br />
Nabokov ist ein Meister-Jongleur mit den Wortern shade<br />
und shadow, und er benutzt sie einmal als Naturphänomene,<br />
dann als Namen, auch als Metaphern, und als<br />
Geister, die sich in und unter den Dingen verstecken.<br />
Im allerersten Vers seines Werkes »Fahles Feuer« (Pale Fire)<br />
hören wir Professor Sam Shade über sich als Schatten reden:<br />
(Deutsche Übersetzung<br />
von Uwe<br />
Friesel, Reinbek,<br />
1962, 1968).<br />
Da Professor Shade im Buch ermordet wird, wahrscheinlich als<br />
Opfer eines Irrtums, haben realistisch gesonnene Leser diese<br />
Stelle so interpretiert, als werde am Ende, durch seinen Tod,<br />
Shade zu einem Schatten (shadow), nämlich wie der Seidenschwanz,<br />
der irrtümlich, durch den im Fensterglas gespiegelten<br />
Himmel angezogen, in das Glas fliegt und stirbt. Andere Kritiker<br />
sagen dagegen, Shade verkünde hier in seinem Gedicht gleich<br />
zu Anfang seinen Scheintod, um dann als sein (erfundener)<br />
Bewunderer und Nachbar Kinbote, sein Schatten, weiterzuleben.<br />
Der zweite Teil von »Fahles Feuer« besteht aus Kinbotes<br />
ausführlichem und of skurrilem Kommentar, der nichts anderes<br />
als jener »gespiegelte Himmel« sei, in dem Shade weiterlebe.<br />
Das ist hübsch; aber man kann sicher sein, dass Nabokov selbst<br />
eine derartige Interpretationsakrobatik abgelehnt hätte. Wie<br />
er auch einem Frager, der Platons Schatten aus dem Höhlengleichnis<br />
bemühen wollte, antwortete: »Ich mag den Platon<br />
nicht besonders, und würde im übrigen unter seinem teutonischen<br />
Regime von Militär und Musik nicht lange überleben.<br />
Ich glaube also nicht, dass diese Sache mit der Höhle<br />
irgendwas mit meinem Shade und Schatten zu tun hat.«<br />
Trotz dieser brüsken Abwehr des Autors, der gerne seine<br />
Leser verspöttelt, vor allem interpretierende Literaturwissenschaftler,<br />
sei auf das »war«, die Zeit der Vergangenheit,<br />
in der ersten Zeile des Eingangsverses hingewiesen: »Der<br />
Schatten… war ich…« Das ist ein sehr subtiler Hinweis auf<br />
den Kern der autobiographischen Geschichte, die Professor<br />
Shade hier vor seinem Tode aufgeschrieben hat: Shade stellt<br />
sich dar als metaphorischer Schatten des Vogels, der stirbt und<br />
doch nicht stirbt (erschlagen… lebte fort), ganz so wie Shade<br />
in seiner eigenen Vergangenheit, in der er einen schweren<br />
Herzanfall hatte und sicher war (denn er hatte dabei eine klare<br />
Vision des Jenseits), er würde sterben, und doch fortlebte.<br />
Auch in seinem ehrgeizigen langen Roman Ada benutzt Nabokov<br />
Schatten als Konstruktionselemente, direkt und indirekt.<br />
Schattenartig sind zunächst die vielen komplementären Gegensätze<br />
wie Stadt und Garten, Ruhe und Ehrgeiz, Meer und Erde,<br />
Verstand und Materie, die auch die Unterschiede zwischen dem<br />
männlichen Helden Van und seiner geliebten Zwillingsschwester<br />
Ada widerspiegeln. Überall spielt der Text mit der Wirklichkeit<br />
(reality) und ihren Erscheinungsformen. Zum Beispiel nennt<br />
Van die Zeit seines ersten Sommers mit der blutjungen Ada die<br />
»grüne Wirklichkeit des Gartens«. Wenn es nach vielen sexuellen<br />
Spielereien, von deren »Wirklichkeit« Van ironisch in Anfüh-<br />
I was the shadow of the waxwing slain<br />
Der Schatten des Seidenschwanz war ich, erschlagen<br />
By the false azure in the windowpane;<br />
Vom falschen Azur im Fensterglas;<br />
I was the smudge of ashen fluff and I<br />
Ich war der Schmutz aus aschenem Flaum, und im<br />
Lived on, flew on, in the reflected sky.<br />
Gespiegelten Himmel flog ich weiter, lebte fort.<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong> 27
ungszeichen schreibt, dann zu ihrem ersten Inzest kommt, wird<br />
die »Wirklichkeit« lebendig und real, denn in der Liebe »verlor<br />
sie ihre Anführungszeichen, die sie wie Krallen mit sich führte«.<br />
Etwas später nimmt Nabokov die Gartenmetapher wieder auf<br />
und vereinigt sie mit der krallenlosen Wirklichkeit von Vögeln<br />
und farbigen Schatten: »Die Drosseln pfiffen süß im hellgrünen<br />
Garten, als die dunkelgrünen Schatten ihre Krallen einzogen.«<br />
Wie bewusst das Design des Romans angelegt wird, wird weiter<br />
deutlich in der Gestalt von Adas Schwester Lucette, die trotz<br />
ihres licht-frohen Namens nur ein Schatten ihrer wunderschönen<br />
Schwester ist und, hoffnungslos in Van verliebt, wie Shades<br />
Tochter (auch sie von ihrem erhofften Liebhaber sitzengelassen)<br />
Selbstmord begeht, von Van kühl so beschrieben:<br />
»Obwohl Lucette nie (…) von einer solchen Höhe ins Wasser<br />
getaucht war, in ein solches Durcheinander von Schatten<br />
und schlangenartigen Spiegelungen, ging sie unter fast ohne<br />
einen Spritzer…« Wieder ein Tod, diesmal ein wirklicher, auf<br />
der spiegelnden Wasseroberfläche, wo die Schatten tanzen.<br />
Nabokov hielt nicht viel von T.S. Eliot und rechnete ihn,<br />
zusammen mit Thomas Mann, unter die langweiligen<br />
Schwindler und Groß-Schriftsteller. In Ada lässt er Eliot als<br />
den »feierlichen Bankangestellten Kithar Sweeney« auftreten,<br />
der im Alter die »Satire The Waistline« (Die Taille)<br />
geschrieben habe. Dies ist natürlich eine Anspielung auf Eliots<br />
berühmtes Gedicht »The Wasteland« (Das wüste Land).<br />
In seinem Gedicht »Die hohlen Männer« (The Hollow<br />
Men) ist T.S. Eliot ein ähnlich verspielter und bewusster<br />
Designer komplexer Bedeutungen und literarischer Anspielungen<br />
wie Nabokov. Die Bezeichnung »hohle Männer«<br />
wird heute manchmal für die gesichtslosen Männer in<br />
multinationalen Konzernen benutzt, wie in der berühmten<br />
Apple Computer Reklame von 1982, oder für Soldaten<br />
in Francis Ford Coppolas Anti-Kriegs Film »Apokalypse<br />
Now«, in dem der Anfang des Gedichts zitiert wird:<br />
Wir sind die hohlen Männer<br />
…<br />
die Schädel gefüllt mit Stroh, o weh!<br />
unsere dürren Stimmen flüstern gegeneinander,<br />
sind leise und bedeutungslos<br />
wie Wind im trockenen Gras oder<br />
Rattenfüße im gebrochenen Glas im trockenen Keller<br />
Gestalt ohne Form, Schatten ohne Farbe,<br />
gelähmte Kraft, Gebärde ohne Bewegung<br />
28<br />
Denn Dein ist das Reich<br />
Das Leben ist sehr lang<br />
Denn Dein ist das Reich<br />
»Hohle Männer« leben bedeutungslos, ohne Energie und<br />
Ehrgeiz. Sie sind nicht tot, sondern nur fasziniert von ihrer<br />
eigenen Leere und Trägheit, gelangweilt, schattenartig, farblos.<br />
Im Teil V wird der Schatten, mit bestimmtem Artikel,<br />
zu einer personifizierten, mysteriösen Macht, die jeden<br />
Versuch der hohlen Männer, aus vagen politischen<br />
Ideen zur Wirklichkeit zu gelangen, vereitelt und am<br />
Ende auf das letzte Gebet bei einer Hinrichtung verweist,<br />
dargestellt durch ein Fragment des Vaterunser:<br />
Zwischen der Idee<br />
und der Realität<br />
zwischen der Bewegung<br />
und der Tat<br />
fällt der Schatten<br />
Denn Dein ist das Reich<br />
Derselbe Schatten bringt artistische Unfruchtbarkeit und<br />
Schreibhemmungen mit sich, um am Ende ironisch auf<br />
das bekannte »ars longa, vita brevis« hinzuweisen:<br />
Zwischen der Vorstellung<br />
und der Kreation<br />
zwischen der Emotion<br />
und der Reaktion<br />
fällt der Schatten<br />
Das Leben ist sehr lang<br />
Der dritte Vers spricht davon, wie der Schatten die Liebe, Geburt<br />
und Geschichte verhindert, nämlich durch religiöse Skrupel<br />
und Apathie, worauf wieder das Vaterunser-Fragment verweist:<br />
Zwischen dem Verlangen<br />
und der Erfüllung,<br />
zwischen der Potenz<br />
und der Existenz<br />
zwischen dem Wesen<br />
und dem Nachkommenden<br />
fällt der Schatten<br />
Denn Dein ist das Reich<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>
Der allmächtige Schatten hat die Menschen in ihren<br />
politischen, sozialen, artistischen, moralischen und historischen<br />
Bestrebungen impotent gemacht: nichts geschieht,<br />
und die Welt stottert dahin bis zur totalen Entropie,<br />
wo die Schatten keine Farben mehr haben.<br />
Während Nabokov in den obengenannten Werken Ada und<br />
Fahles Feuer wie ein Wortarchitekt exakte Metaphern und<br />
systematische Bilder als Bausteine seiner Schatten-Konstruktionen<br />
benutzt, verlässt sich Eliot mehr auf die metaphysische<br />
Wirkung von Klang, Musik und Suggestionen von Bedeutung<br />
und Andeutung, wie etwa mit dem Fragment des Vaterunser.<br />
Bei beiden ist jedoch der Schatten eine in sich eigene Kraft<br />
und Gestalt, längst nicht mehr nur Schatten von etwas.<br />
Schatten in der Wissenschaft<br />
Schatten sind seit mehr als zwei Jahrtausenden Gegenstand der<br />
Physik gewesen. Blaue Schatten sieht man an klaren sonnigen<br />
Wintertagen im Schnee – warum? Schnee in direktem Sonnenlicht<br />
ist weiss-gelb, die Farbe der Sonne. Der Schnee im Schatten<br />
bekommt kein direktes Sonnenlicht, sondern er wird lediglich<br />
beleuchtet durch das Licht vom blauen Himmel. Wäre also der<br />
Himmel rot, so wäre auch der im Schatten liegende Schnee rot.<br />
Oft waren Phänomene und ihre Erklärungen weniger elementar.<br />
Im Folgenden will ich kurz auf drei Beispiele eingehen, die<br />
einen Zeitraum von mehr als 2300 Jahren umfassen: Aristoteles,<br />
Goethe, und Professor David Deutsch aus Oxford.<br />
Aristoteles (384-322 v.Chr.) vergleicht Schatten mit Echos.<br />
Wir können Töne durch ihr Echo erkennen, so wie wir<br />
Licht durch seinen Schatten analysieren können. Ein<br />
Echo ist der Schatten von Tönen, ein Schatten das Echo<br />
des Lichts. Für beide ist die Erklärung mechanistisch.<br />
Aristoteles gibt im Zweiten Buch über die Seele eine modern<br />
klingende Beschreibung des Echos als die Wiederholung<br />
eines akustischen Signals, hervorgerufen durch<br />
Reflexion an einem festen Körper. Dann fährt er fort:<br />
Was hier mit dem Echo geschieht, muss ganz analog auch beim<br />
Licht der Fall sein; Licht wird immer reflektiert – andernfalls<br />
gäbe es nicht die Diffusion, und alles, was nicht direkt von den<br />
Sonnenstrahlen getroffen wird, müsste pechschwarz sein. Aber<br />
dies reflektierte Licht ist nicht immer stark genug, um einen Schatten<br />
werfen zu können, etwa wenn es von Wasser, Bronze oder<br />
anderen blanken Körpern reflektiert wird. Der Schatten ist das<br />
entscheidende Merkmal, an dem wir das Licht erkennen können.<br />
Goethe (1749-1832) war emphatisch in seiner Sicht, Schatten<br />
und Farben als zusammengehöriges Ganzes zu erfassen,<br />
nämlich als »Taten und Leiden« des Lichts. Es sei vergeblich,<br />
das Licht in seinem innersten Wesen zu begreifen. Was uns<br />
gegeben ist, sind lediglich die Wirkungen des Lichts, soweit<br />
wir sie mit unseren Sinnen wahrnehmen können. Bei einem<br />
Menschen sei es nicht anders. Sein inneres Wesen ist nicht<br />
erkennbar; wir sehen seine Handlungen: was er tut und leidet,<br />
und dadurch erhalten wir ein indirektes Bild von seinem<br />
Wesen, einen Schatten seiner Essenz. Goethe wendet diese<br />
Analogie auf Schatten an. Das Licht selbst ist, wie der Mensch,<br />
unaussprechbar (ineffabile). Was wir sehen, sind Schatten und<br />
Halbschatten, Bilder mit verschiedenen Schattierungen aus Hell<br />
und Dunkel, und es sind diese Ingredienzen, die dann auch das<br />
hervorbringen, was unsere Augen als Farben wahrnehmen.<br />
In der Physik, von Newton über Young bis Helmholtz, sind Rot,<br />
Blau, und Grün die Grundfarben, objektiv durch Wellenlängen,<br />
also Zahlen, definiert. Für Goethe dagegen existierten zwei<br />
grundlegende Farbwahrnehmungen, subjektive Erfahrungen<br />
des beobachtenden Menschen: Blau und Gelb. Diese beiden<br />
Farben repräsentieren anthropomorphe Metaphern: Blau,<br />
Repräsentant der Finsternis, ist die Farbe des Himmels. Gelb<br />
ist die natürliche Farbe der Sonne und repräsentiert daher<br />
das Licht. Aus diesen beiden Urphänomenen vermochte<br />
Goethe alle anderen sichtbaren Farben zu generieren, entweder<br />
durch Intensivierung oder Abschwächung, oder durch<br />
Hinzufügen und Mischen. So ist zum Beispiel Rot ein intensiviertes<br />
Gelb, und Grün eine Mischung von Gelb und Blau.<br />
Goethe hielt an seiner poetischen Definition von Blau als<br />
»Tat der Luft«, als Effekt der Luft zwischen Himmel und<br />
Erde auf unsere Augen, fest bis zum Ende seines Lebens. In<br />
einem mürrischen Gespräch vom 19. Februar 1829 spricht<br />
sein Famulus Eckermann von blauen Schatten auf dem Eis<br />
unter der Wintersonne. Goethe ist irritiert und verwirft diese<br />
angebliche Erscheinung als einen Fehler, den andere bereits im<br />
14ten Jahrhundert gemacht hätten. In seinem Aufsatz »Von<br />
den farbigen Schatten« legt er seine eigene Theorie ausführlich<br />
dar. Anstelle von Wellenlängen und Reflexionen, die wie<br />
schon bei Aristoteles Schatten zur Folge haben, beginnt er mit<br />
dem Schatten als einem Grundbegriff. Ganz wie ein moderner<br />
Experimentalphysiker führt er Versuche aus, die die Sicht, Blau<br />
sei eine »abgeleitete« Farbe und kein Urphänomen, falsifizieren<br />
sollen. Und umgekehrt sollen seine Experimente zeigen,<br />
dass Blau aus der grundlegenden »Wechselwirkung« von<br />
Licht und Finsternis entsteht. Und zwar sei Blau das passive<br />
Prinzip, Ausdruck des Leidens von Licht im Schatten, während<br />
Gelb das aktive Prinzip des schattenlosen Lichts darstelle.<br />
Goethes experimentum crucis hat die folgende Versuchsanordnung:<br />
Zwei Quellen »weißen« Lichts (Kerzen) werfen farblose<br />
(graue) Schatten eines Körpers auf die Oberfläche eines weissen<br />
Blatt Papiers. Wenn nun das Licht einer der beiden Kerzen<br />
durch einen roten Schirm gefiltert wird, erscheint der entsprechende<br />
Schatten grün, während der Schatten von der zweiten<br />
Kerze nun dunkler und roter erscheint. Mit diesem Versuch<br />
will Goethe blaue Schatten im weißen Schnee erklären: Blau als<br />
komplementäre Farbe zum Gelb, dem Sonnenlicht. Aber was ist<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong> 29
30<br />
dann die zweite Lichtquelle in der Natur, die der zweiten Kerze<br />
entspricht? Der Schatten selbst! Das scheint auf den ersten Blick<br />
weit hergeholt und künstlich, ist aber konsistent mit Goethes<br />
Axiom, dass Schatten, als Wirkungen des Lichts, die Quellen<br />
für Blau und Gelb sind, und somit alle Farben hervorbringen.<br />
Aus seiner eindrucksvollen Serie von solchen und ähnlichen,<br />
oft sehr erfindungsreichen Versuchen, zieht nun Goethe<br />
die Folgerung, dass Farben aus der Wechselwirkung von<br />
Licht und Schatten hervorgehen. Zum Beispiel applaudiert<br />
er freudig Kirchers Definition von Farbe als einem lumen<br />
opacatum, d.h. beschattetes Licht. Der Abschnitt 69 seiner<br />
Abhandlung über farbige Schatten beinhaltet Goethes<br />
Theorie in nuce: »Die Farbe selbst ist ein Schattiges.«<br />
In den vergangenen zwei Jahrhunderten hat die Schulphysik<br />
sich nicht viel um Goethe geschert. Die moderne Wissenschaft<br />
wollte mehr als die anthropomorphe Beschreibung von<br />
Phänomenen, die das menschliche Auge in der Natur wahrnehmen<br />
kann. Goethes Auge will denn auch nur das erkennen,<br />
was die Natur freiwillig von sich zeigt, wie dunkelblaue Nächte<br />
und goldenen Sonnenschein. Die Physik folgte stattdessen<br />
Newtons Vorbild, nach dem die Natur durch Versuchsbedingungen<br />
quasi gezwungen werden sollte und musste, sich zu<br />
offenbaren, und diese Offenbarungen wurden dann in der<br />
Sprache der aufkommenden Differential- und Integralrechnung<br />
ausgedrückt, die nicht nur beschreibt, sondern Ereignisse<br />
vorhersagen kann. Natur ist nun nicht mehr das Wunder,<br />
das der beeindruckte Dichter in seinen Versen ausdrücken<br />
will; sie ist Gegenstand einer quantifizierenden Neugier<br />
geworden, die ihr durch listige Experimente und Mathematik<br />
beikommen und ihr ihre Geheimnisse abzwingen will.<br />
So ist es umso erstaunlicher, dass Goethes Idee, Farben seien<br />
Interaktionen von Licht und Schatten, in jüngster Zeit im<br />
Rahmen der Quantentheorie ein neues Leben erhalten hat.<br />
In seinem faszinierenden, umstrittenen Buch The Fabric<br />
of Reality interpretiert der Autor David Deutsch ein kritisches<br />
Experiment über Photonen-Interferenz mittels des<br />
Begriffs von Schatten, ja, ganzen Welten von Schatten.<br />
Deutsch ist ein angesehener Physiker aus Oxford und auch<br />
als Mitbegründer des neuen Forschungsgebietes »Quantum<br />
Computer« bekannt. Das obengenannte Experiment kann in<br />
jedem Labor nachvollzogen werden; es ist in der Tat eines der<br />
klassischen Versuche zur Dualität des Lichts – als Welle und als<br />
Strahl von Photonen-Korpuskeln. Licht von einer monochromatischen<br />
Quelle (z.B. aus einem roten Laser) wird in parallelen<br />
Strahlen auf eine dazu senkrechte Wand geworfen. In dieser<br />
Wand befinden sich zwei enge Schlitze, ein Fünftel eines Millimeters<br />
voneinander entfernt. Dann erscheint auf einem Schirm<br />
hinter dieser Wand ein geordnetes Schema (pattern) aus hellen<br />
und dunklen Streifen, von Licht und Schatten. Schatten wovon?<br />
Sie sehen nicht im geringsten wie Schatten der dazwischenlie-<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>
genden Wand mit ihren zwei Schlitzen aus. Die Dinge werden<br />
noch merkwürdiger, wenn man noch zwei weitere Schlitze<br />
hinzufügt, die dann also ein Zehntel eines Millimeters auseinanderliegen.<br />
Nun ist plötzlich ein Teil des Schirms, der vorher<br />
im Licht lag, dunkel, obwohl doch nun »mehr« Licht den Weg<br />
durch die Wand gefunden hat! Die Standard-Erklärung ist: die<br />
Photonen »interferieren« miteinander, benehmen sich also wie<br />
Wellen, nicht wie gradlinig fliegende Kugeln aus einer Pistole.<br />
Aber ist das nicht allzu bequem, eine so mysteriöse Erscheinung<br />
mit einem Fremdwort abzudecken, das von Wasserwellen-Experimenten<br />
ausgeliehen ist? Was geht hier wirklich vor sich?<br />
Nach David Deutsch kann das merkwürdige Auftreten zusätzlicher<br />
Schatten bei mehr Licht nur dadurch erklärt werden,<br />
dass mit dem »mehr Licht« auch mehr, tatsächlich sehr viel<br />
mehr, »Schatten-Photonen« durch die Schlitze auf den Schirm<br />
gelangen – zusammen mit den normalen, sichtbaren Licht-Photonen.<br />
Diese unsichtbaren Schatten-Photonen interferieren mit<br />
den Licht-Photonen, löschen sie sozusagen teilweise aus, und<br />
schaffen so mehr dunkle Flecken, Schatten also, auf der Wand.<br />
Woher kommen diese Schatten-Photonen? Deutsch postuliert,<br />
dass es viele unsichtbare Universen (er nennt sie »multiverses«)<br />
geben müsse, in denen sich nicht nur parallele Photonen,<br />
sondern auch Neutronen und Protonen, Steine, Blumen, Menschen,<br />
befinden – alle für uns un-sichtbar, aber nicht un-wirklich,<br />
denn sie interferieren ja mit dem sichtbaren Universum<br />
wie ein Stein mit dem Fuß interferiert, der ihn getreten hat.<br />
Diese Erklärung stützt die Hypothese, dass den Schatten ein<br />
eigenes Reich neben dem Licht gebürt. In den Multiversen<br />
sind Schatten nicht mehr zweitrangig zum Licht oder lediglich<br />
blassgraue Abbilder der Wirklichkeit. Schatten sind<br />
dort regelrechte Einwohner wie Photonen und Steine, jeder<br />
Schatten seine eigene cosa salda, ein Ding in und für sich.<br />
Viele Fragen sind offengeblieben. Haben Dinge Schatten<br />
in unseren Träumen? Wenn ja, sind dies farbige Schatten?<br />
Wie sehen farbige Schatten in Multiversen aus? Entspricht<br />
das Internet vielleicht der indirekt beleuchteten Wand in<br />
Platons Höhle? Sehen wir also wie Platons Gefangene nur<br />
die Schatten von Menschen, die hinter uns ein wirkliches<br />
Leben führen? Oder sind wir sogar nur die Schatten von<br />
Menschen, die sich in Multiversen über uns lustig machen?<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong> 31
32<br />
Urteil<br />
und<br />
Design<br />
Stephen Rust<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>
Das Urteil ist ein kognitives Grundelement. Es ist wesentlich<br />
für unser Handeln, unsere Sprache und unser Denken, wo sich<br />
jeweils Urteile manifestieren. Da Denken, Sprache und Handeln<br />
wiederum wesentlich für das Design sind, sowohl für den Entwurf,<br />
als auch für die Benutzung, bietet die kognitionspsychologische<br />
Betrachtung von Urteilen einen sinnvollen Zugang zur Designwissenschaft.<br />
Design und Kognitionswissenschaften<br />
Design lässt sich, abgesehen von der geläufigen Gliederung in<br />
Produkt-, Grafik- und virtuellem Design, in unüberschaubar<br />
viele weitere Spezial- oder Aufgabengebiete unterteilen. Einige<br />
dieser Disziplinen haben sich – vorübergehend oder dauerhaft<br />
– als Fächer in Designstudiengängen etabliert, werden auf<br />
Lehrstühlen repräsentiert, veranstalten eigene Designwettbewerbe<br />
oder es werden wenigstens entsprechende Experten in<br />
Stellenanzeigen gesucht. Die Resultate aus diesen Gebieten,<br />
die Entwürfe, sind außerordentlich vielfältig, ebenso wie die<br />
dazugehörigen Methoden und Theorien, die um diese Gebiete<br />
herum entstanden sind und immer wieder neu entstehen.<br />
Bei aller Differenzierung und aller zu befürchtender Unübersichtlichkeit<br />
und Gegenläufigkeit lassen sich aber auch einige<br />
Gemeinsamkeiten für das Design finden. So zum Beispiel die<br />
Tatsache, dass Design stets von Menschen und für Menschen<br />
gemacht wird. Selbst dann, wenn einst in einer utopischen<br />
Zukunft Design von Automaten entwickelt würde, bliebe<br />
als Zielgruppe stets der Mensch. Aus dieser Orientierung<br />
am Menschen ergibt sich die zentrale Forderung, Humanwissenschaften<br />
wie Medizin, Anthropologie, Soziologie und<br />
Psychologie konsequent zur Theoriebildung heranzuziehen.<br />
Design als Kommunikation: Es ist sinnvoll, Design<br />
als Kommunikationsakt anzusehen. Die Gestaltungselemente<br />
eines Entwurfs und deren Zusammenwirken tragen und<br />
übertragen Bedeutung. Damit sind auch Industrial Design<br />
und Produktdesign in einer Hinsicht dem Kommunikationsdesign<br />
sehr ähnlich. Extravagante Gestaltung oder eine Fülle<br />
von Informationen oder Funktionen nützen wenig, wenn sie<br />
nicht oder nur schwer entschlüsselbar sind. Ob dies gelingt,<br />
hängt auch von den Hinweisen ab, die die äußere Erscheinung<br />
des Entwurfs liefert. Der Designer kodiert Informationen zum<br />
Verständnis oder zur Benutzung in das Design hinein, die vom<br />
Benutzer wieder herausgelesen werden. Dies geschieht vorzugsweise<br />
in einer »Sprache«, die der Benutzer auch versteht.<br />
Hier offenbart sich das eigentliche Problem des Design: Nutzer<br />
und Produkte sind gleichermaßen zahlreich und dabei vielfältig<br />
ausdifferenziert. Gleichzeitig können Produkte ihrerseits wieder<br />
eine große Fülle von Einzelelementen oder Funktionen, also<br />
Informationen, transportieren. Aber auch individuelle Nutzer<br />
reagieren höchst unterschiedlich in Abhängigkeit von ihrer<br />
Tagesform, den Umgangserfahrungen mit dem Design, oder der<br />
Situation der Begegnung mit dem Design. Das macht diesen<br />
Kommunikationsakt per Design schwer universalisierbar.<br />
Wissenschaftliche Zugaenge: Begriffe wie Produktsprache,<br />
Designsemantik oder Semiotik wurden eingeführt,<br />
um dieser Schwierigkeit mit entsprechenden Theorien oder<br />
Theoriefragmenten zu begegnen – bisher jedoch ohne große<br />
Wirkung auf die Designpraxis. Ebenfalls als limitiert haben<br />
sich generell diejenigen Ansätze erwiesen, die ihrem Wesen<br />
nach einzelne Individuen als Adressaten nicht berücksichtigen,<br />
sondern nur Gruppen, wie etwa Marketing- oder soziologische<br />
Methoden. Sie können, wie Börsenanalysen, nur sehr ungenaue<br />
Vorhersagen machen, manchmal aber im Nachhinein gut<br />
erklären, warum etwas geglückt ist oder eben nicht. Mit solchen<br />
Werkzeugen lässt sich wohl der Verkauf steigern, nicht aber die<br />
Qualität von Design. Ein weiterer kaum geeigneter Theorieansatz<br />
ist die Kunstgeschichte, die Design generell aus der Rückschau<br />
beschreibt. Design versteht sich aber als Planungsdisziplin<br />
und benötigt daher eher eine Grundlagentheorie, die die<br />
zukünftigen Szenarien antizipiert und aus der man das Handeln<br />
und Entscheiden des Designers ableiten und begründen kann.<br />
Die Kunstwissenschaft reagiert auf vergangene, bestenfalls<br />
auf zeitgenössische Ereignisse – kein Künstler würde auf die<br />
Idee kommen, aus gängigen kunstgeschichtlichen Theorien<br />
sein zukünftiges Werk abzuleiten. Der Designer muss dagegen<br />
eine Grundlagentheorie haben, nach der er zielgerichtet so<br />
arbeiten kann, wie ein Chemiker mit dem Periodensystem, ein<br />
Architekt oder Ingenieur mit der Physik und Mathematik, oder<br />
ein Arzt mit der Anatomie und Histologie als Basis arbeiten.<br />
Designer sind auf eine andere Weise schöpferisch als Künstler,<br />
auch wenn künstlerische Aspekte durchaus eine Rolle beim<br />
Designen spielen. Der deutlichste Unterschied ist, dass Design<br />
nach einem Zweck ausgerichtet ist, die heutige Kunst dagegen<br />
mit einer solchen Ausrichtung eher anrüchig wirken würde.<br />
Kognitionspsychologie als Grundlagenwissenschaft<br />
des Design: Die oben bereits<br />
beschriebene zentrale Position des Menschen im Designprozess<br />
ist ein geeigneter Ausgangspunkt für Überlegungen<br />
zu einer allgemein gültigen, grundlegenden Designtheorie.<br />
Für die individuelle Betrachtung des Menschen ist die Psychologie<br />
zuständig. Diejenigen Aspekte der Psychologie, die<br />
auch für das Design relevant sind, also etwa Informationsverarbeitung<br />
beim Bewerten, Benutzen und Erleben von<br />
Design, behandelt die Kognitionspsychologie. Sie analysiert<br />
das Geschehen beim Sprechen, Denken, Erinnern, Verhalten,<br />
Lernen, Entscheiden und mehr. Allen genannten Vorgängen<br />
liegt jedoch ein elementarer Vorgang zugrunde, das Urteilen.<br />
Urteile<br />
Der Begriff Urteil wird in vielfältiger Weise verwendet. Er<br />
kann sich auf so unterschiedliche Sachverhalte wie einen<br />
Richterspruch, eine ästhetische Beschreibung, eine Kategorisierung,<br />
die bloße Wahrnehmung, einen flüchtigen<br />
Eindruck oder eine gewachsene Einstellung beziehen. Jedes<br />
Urteil ist von mehreren Einflussquellen abhängig und von<br />
ihm hängen gleichzeitig anderen Konzepte wie Entschei-<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong> 33
dungen, Sprache, Handlung und Einstellung ab, welche<br />
ihrerseits wichtig für das Design sind (siehe Abbildung). Das<br />
Urteil lässt sich als kleinste kognitive Einheit beschrieben.<br />
Kategorisierung und Urteil: Eine Kategorisierung<br />
ist eine spezielle Form eines Urteils, in der mögliche Antworten<br />
vorgegeben sind. In Wahrnehmungsexperimenten werden<br />
solche Entscheidungsfragen häufig gestellt. Bekannte Beispiele<br />
sind die Unterscheidung von Gesichtern nach Geschlecht, die<br />
semantische Entscheidung, ob eine Reizvorlage ein Tier ist,<br />
oder nicht, oder ob ein Behältnis eine Tasse oder ein Becher<br />
ist. Solche Urteile können zu einer Reaktion führen, wie ein<br />
Tastendruck im Entscheidungsexperiment, oder zu einer verbal<br />
geäußerten Antwort. Häufig werden Urteile jedoch ohne äußerlich<br />
sichtbare Reaktion vollzogen. Bewegen wir uns durch eine<br />
Menschenmenge, kategorisieren und urteilen wir ununterbrochen,<br />
aber äußerlich meist folgenlos, nach Geschlecht, Ethnie,<br />
Attraktivität, Alter, sozialen Status und emotionalem Ausdruck.<br />
Entscheidung und Urteil: Entscheidungen sind<br />
erforderlich, um eine Handlung zu vollziehen, wie etwa zu<br />
sprechen, einen Link in einer Webseite anzuwählen, ein Auto<br />
zu kaufen, oder nur beim Fahren einen Gang höher zu schalten.<br />
Entscheidungen sind keineswegs mit Urteilen gleichzusetzen,<br />
sondern sie beruhen lediglich auf ihnen. Urteile sind als<br />
Voraussetzung für Entscheidungen nötig. Die gegebenen<br />
Optionen, zwischen denen entschieden wird, werden einzeln<br />
bewertet und dann verglichen. Entscheidungen können<br />
bewusst, vorbewusst oder unbewusst, also automatisiert,<br />
vollzogen werden, sie können sehr schnell oder sehr langsam<br />
entstehen. Eine Handlung kann aber muss nicht folgen.<br />
Wahrnehmung + Wert = Urteil: Ein Urteil ist<br />
dann entstanden, wenn von außen eingeflossenen Reizen ein<br />
Wert zugeordnet wurde. Der Wert stammt dabei aus dem<br />
Gehirn des Urteilenden, wo seit frühester Kindheit Erfahrungen<br />
ausdifferenziert und abrufbar gemacht wurden. Wert ist dabei<br />
durchaus im formalisierten Sinne zu verstehen: Soll der Urteilen-<br />
34<br />
Person<br />
Einstellung, Wissen,<br />
Motivation, Stimmung...<br />
Situation<br />
Umgebung, Gruppe,<br />
Kontext, Zeitkonto…<br />
Objekt<br />
Eigenschaften, Form,<br />
Farbe, Bedeutung…<br />
Rückkoppelung<br />
rational<br />
emotional<br />
Einfluß auf<br />
Urteil<br />
Wahrnehmung + Wert<br />
Manifestierung<br />
Spezialfall:<br />
‚Kategorisierung‘<br />
zB: Tier/Nichttier,<br />
Alter, Geschlecht…<br />
Einstellung<br />
bewußt/vorbewußt,<br />
Erfahrungen,<br />
Satz, Sprache<br />
frei/kategorisiert,<br />
zB zur Ästhetik…<br />
Handlung<br />
Motorik, Tastendruck,<br />
komplexe Sequenzen<br />
Grafik: Stephen Rust<br />
de erkennen, ob beispielsweise ein Gesicht weiblich oder männlich<br />
ist, wird in die Variable ›Geschlecht‹ der entsprechende<br />
Wert eingesetzt. Urteil = Wahrnehmung + Wert. Vollzogene Urteile<br />
können wieder als Wert abgespeichert werden und damit<br />
als Komponente für neue Urteile nach neuen Eindrücken dienen.<br />
Das Urteil entsteht genau in dem sehr spannenden Augenblick,<br />
in dem sich Außenwelt und Innenwelt berühren. Dieser<br />
Moment lässt sich mit physiologischen Methoden beobachten.<br />
Urteile sind variabel. Die vielen Einflüsse, die auf Urteile wirken<br />
können, lassen sich in drei Quellen einteilen. Wie ein Urteil<br />
inhaltlich ausfällt, hängt vom urteilenden Subjekt, von der<br />
Situation und vom zu beurteilenden Gegenstand ab (siehe Abbildung).<br />
Unterschiedliche Personen urteilen auch unterschiedlich,<br />
das hängt von den Erfahrungen ab, die sie gemacht haben,<br />
ihren individuellen Werten. Auch eine Situation kann Urteile<br />
beeinflussen, der soziale Kontext, der uns hart oder moderat<br />
urteilen lässt, die Zeit, die wir zum Urteilen haben oder andere<br />
Umgebungsfaktoren. Letztlich hat selbstverständlich auch das<br />
Objekt selbst einen Einfluss auf unser Urteil. Erscheinungsbilder<br />
so zu variieren, dass Urteile über sie in gewünschter Weise ausfallen,<br />
so könnte man formulieren, ist der Beruf des Designers.<br />
Manifestierung von Urteilen: Urteile als solche<br />
lassen sich ohne weiteres nur schwer identifizieren. Man erkennt<br />
sie jedoch indirekt in Handlungen, Sprechakten, Gedanken,<br />
Erinnerungen und anderen Manifestierungen (siehe Abbildung).<br />
Selbst die Zuordnung eines Begriffes zu einem Sachverhalt ist<br />
erst als Folge eines Urteils möglich. In manchen Situationen<br />
ist es sogar unmöglich, ein vorhandenes Urteil zu verbalisieren,<br />
beispielsweise, wenn man bestimmten Geschmacksreizen<br />
begegnet oder sich an vergangene Düfte erinnert.<br />
Anatomie von Urteilen: Urteile sind also allgegenwärtig,<br />
gleichsam die Grundeinheit unserer kognitiven<br />
Verarbeitungsprozesse. Sie unterliegen einer derzeit noch<br />
schwer überschaubaren Zahl von inneren und äußeren Einflüssen.<br />
Das können beispielsweise emotionale und rationale<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>
Wirkmechanismen sein, oder eine Beeinflussbarkeit durch<br />
situative Komponenten. Welche Faktoren es im Einzelnen<br />
sind und wie sie sich zueinander im Wettbewerb oder ergänzend<br />
verhalten, ist noch systematisch zu erforschen.<br />
Urteile beobachten<br />
Eine Reihe von physiologischen und neurophysiologischen<br />
Verfahren machen es möglich, Erkenntnisse über Urteile<br />
zu gewinnen. Dabei werden, im Unterschied zu Fragebögen,<br />
nicht die Aussagen und Meinungen, sondern die unwillkürlichen<br />
Reaktionen der Teilnehmer ausgewertet.<br />
Eyetracking: Blickbewegungsexperimente verwenden<br />
häufig Vergleichsobjekte als Reizvorlagen. Man zeigt beispielsweise<br />
zwei Autos und fragt nach Preis, Sicherheit und anderen<br />
Eigenschaften. Die Blickbewegungsmuster unterscheiden sich<br />
systematisch je nach Frage. Sie indizieren jene Stellen an den<br />
Reizvorlagen (hier: Autos), an denen visuelle Hinweise vermutet<br />
werden, die Auskunft über Preis oder Sicherheit geben. Für<br />
den Designer ist das eine wertvolle Information, welche Details<br />
nämlich zu bearbeiten sind, um eine entsprechende Botschaft<br />
zu vermitteln. Die Versuchsteilnehmer haben ein implizites<br />
Urteil vollzogen und es mit ihren Blickbewegungen offenbart.<br />
Elektroenzephalogramm (EEG): Hirnströme<br />
entstehen permanent im Gehirn, es ist kaum möglich, aus der<br />
Vielzahl der Werte sinnvolle Erkenntnisse zu gewinnen. Einen<br />
guten Einblick gewähren jedoch ereignisbezogene Potenziale<br />
(event related potentials, ERP), die sich innerhalb der ersten<br />
Sekunde nach einem Ereignis, wie der Präsentation einer Reizvorlage,<br />
systematisch aufzeichnen lassen. Auf diese Weise zeigen<br />
sich klare kausale Zusammenhänge zwischen dem Reiz und<br />
bestimmten Mustern von Hirnströmen. Je nach Aufbau des Experiments<br />
lassen sich beispielsweise Distanzen zwischen semantischen<br />
Sachverhalten (Bilder, Sprache) vergleichen, oder auch<br />
scheinbar gleichzeitig auftretende kognitive Leistungen (Syntax,<br />
Phonetik und Semantik in der Sprachproduktion) sequenzieren.<br />
Damit sind diese Methoden ein Schlüssel zur Designsemantik.<br />
Elektromyogramm (EMG): Mit Messungen der<br />
Muskelaktivitäten im Gesicht lässt sich die emotionale Beteiligung<br />
von Probanden aufzeichnen. Die Muskelreaktionen<br />
treten auch in völlig entspannten Gesichtern unwillkürlich<br />
auf. Sensoren an bestimmten Stellen an der Stirn und an der<br />
Wange indizieren die Existenz und Modalität von Emotionen<br />
angesichts bestimmter systematisch variierter Reizvorlagen.<br />
Die Resultate sind weitaus sicherer als Fragebögen es je sein<br />
könnten, da es sich um unwillkürliche Reaktionen handelt.<br />
Funktionelle Magnetresonanz-Tomografie (fMRT, fMRI)<br />
Nicht unerwähnt bleiben sollte jenes Verfahren, das in den<br />
letzten Jahren mit seinen vielen farbigen Abbildungen so<br />
populär geworden ist. Es gewährt einen sehr spektakulären,<br />
dreidimensionalen Einblick in das Innere eines Gehirns bei<br />
gleichzeitiger Darstellung von Aktivitäten. Die räumliche<br />
Auflösung ist dabei sehr hoch, die zeitliche dagegen gering.<br />
Daher liefert dieses Verfahren zunächst vor allem Kartierungen<br />
des Gehirns, weniger aber komplexere funktionale<br />
Prozessabläufe. Ein EEG kann 1000 und mehr Messzeitpunkte<br />
pro Sekunde aufzeichnen, fMRT dagegen nur drei.<br />
Urteil im Design<br />
Designrezipienten, also Betrachter und Benutzer von Design,<br />
produzieren permanent Urteile im oben genannten Sinne. Sie<br />
helfen ihnen, zu Einschätzungen zu kommen und Handlungen<br />
zu steuern, also mit dem Design umzugehen. Bisherige Evaluationen<br />
von Design waren sehr stark fallbezogen (use cases)<br />
und damit kaum transferierbar für weitere Entwurfsprozesse.<br />
Verallgemeinerte man die gewonnenen Erkenntnisse, waren<br />
sie zu abstrakt, um auf neue Fälle anwendbar zu sein, jeder<br />
Entwurf hatte somit mehr oder weniger seine eigene Theorie.<br />
Gestaltungskomponenten: Schon aus dem Erbe der<br />
Akademien heraus wurden im Design die Darstellungsmittel<br />
und -elemente analysiert. Durch künstlerische und technische<br />
Analyse wurden Licht, Proportion, Farbe, Form und so weiter<br />
betrachtet. Die künstlerische Analyse begleitete sehr erkenntnisreich<br />
den Prozess der Vormoderne und Moderne mit ihren<br />
Bewegungen wie beispielsweise Impressionismus, Kubismus<br />
und den anderen -ismen, was sie historisch betrachtet eine<br />
Vorreiterrolle einnehmen lässt. Dass diese Analyse auch in technischer<br />
Hinsicht gelungen ist, zeigt uns die Tatsache, dass die<br />
Gestaltungselemente so weit normiert sind, dass sie in Software<br />
abrufbar sind und die Synthese von virtuellen Welten erlauben.<br />
Mensch und Artefakt: Es reicht jedoch nicht allein,<br />
das eigene Handwerkszeug, die Gestaltungskomponenten, zu<br />
kennen und sich ausdrücken zu können. Wichtig ist zusätzlich<br />
die Kenntnis über die Wirkweisen dieser Ausdrucksmittel auf<br />
die Rezipienten. Design vollzieht sich nicht isoliert, sondern, wie<br />
oben bereits erläutert, mit der Zielrichtung auf den Menschen,<br />
der es später benutzt. Wir haben es also eigentlich nicht mit<br />
der Herstellung von Artefakten, sondern von Mensch-Artefakt-<br />
Systemen zu tun, ganz in Analogie zu dem in den 30er Jahren<br />
des vergangenen Jahrhunderts aufgekommenen Begriff des<br />
Mensch-Maschine-Systems. Wer aber meint, nur eines seiner<br />
Subsysteme analysieren zu müssen, nämlich das Artefakt, hat<br />
letztlich beide nicht begriffen. Großer Nachholbedarf besteht<br />
auf Seiten des Subsystems Mensch. Hier können systematische,<br />
elektrophysiologische Untersuchungen von Urteilen an sich<br />
und in Bezug auf Design einen substanziellen Beitrag liefern.<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong> 35
36<br />
diplomarbeiten-corner<br />
Computeranwendung zur didaktischen<br />
Planung fuer Kursautoren<br />
Konzeption und Entwicklung im Auftrag von ONCAMPUS GmbH und der FH <strong>Lübeck</strong><br />
Ana Saá Jaramillo<br />
Aufgabestellung dieser Arbeit war die Konzeption, Gestaltung und Entwicklung einer Softwareanwendung<br />
zur Planung von didaktischen Prozessen für die Online-Lehre, bei der die Methoden zur Gestaltung<br />
von didaktischen Lernaktivitäten im Vordergrund stehen sollten.<br />
Ziel war, einen sehr hohen Grad an Transparenz didaktischer Planung zu erreichen, in dem die komplexen<br />
Aufgaben der Kursentwicklung und deren Verläufe visuell abgebildet werden. Die konzipierte grafische<br />
Oberfläche für die Darstellung von Online-Lernaktivitäten und Kurskonzepten sollte die Zusammenarbeit<br />
zwischen Kursautoren und Instructional Designern erleichtern.<br />
Die Arbeit setzte die Integration wesentlicher didaktischer Elemente der Kursplanung wie z.B. Lernziele,<br />
Lerninhalte, Lernumfang und Kommunikation in der Anwendung, sowie Baukästen von Lernaktivitäten zur<br />
Unterstützung des Designprozesses von individuellen oder kollaborativen Aufgaben voraus. Die Konzeption<br />
der Anwendung sah auch folgende Funktionalitäten vor: Hilfestellung durch Wizards und Kurskonzept-<br />
Templates; Visuelles »drag & drop« Interface zur Erstellung von Kurskonzepten innerhalb einer Zeitleiste;<br />
Bibliothek aus vordefinierten didaktischen<br />
Lernaktivitäten; Eingabemasken<br />
zur Formulierung von Lernzielen und zur<br />
Detailbeschreibung von Kurselementen<br />
(Themen, Aktivitäten, Subaktivitäten);<br />
Grafische Bearbeitung von Kurselementen<br />
in einem Zeitraster; Organisation<br />
der Lernaktivitäten über Lernziele,<br />
Zeitaufwand und Dauer; Verschiedene<br />
Darstellungen von Kurskonzepten (Text,<br />
Diagramm, Liste, Baumstruktur); Filter<br />
– und Sortierfunktionen für Kurselemente;<br />
Ausspielung des Kurskonzeptes als<br />
Text oder Grafik; Import und Export der<br />
Kurzmodule.<br />
Screenshot von »activeD«<br />
»activeD« wurde als Prototyp in C#<br />
entwickelt um die Funktionalität aller<br />
Bedienelemente, sowie den logischen<br />
Aufbau und den Ablauf von Arbeitschritten<br />
zu testen und zu evaluieren.<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>
Ergonomische Visualisierung digitaler<br />
Daten eines Anaesthesiearbeitsplatzes<br />
Diplomarbeit in Zusammenarbeit mit der Dräger Medical AG & Co. KG<br />
Problematik Auf Grund des Erfordernisses einer einfachen<br />
und sicheren Handhabung medizintechnischer Geräte muss<br />
der Hersteller neben der Gebrauchstauglichkeit, die in der DIN<br />
EN 60601-1-6 gefordert wird, insbesondere die softwareergonomische<br />
Gestaltung von Bildschirmoberflächen berücksichtigen<br />
(ISO Norm 9142).<br />
Vorgehensweise Infolge dieser Diplomarbeit wurden auf<br />
Basis von Anwenderbefragungen Verbesserungspotenziale für<br />
anästhesiologische Bildschirmbereiche erarbeitet und in Form<br />
von simulierten interaktiven Benutzeroberflächen umgesetzt,<br />
die sowohl mit fünf Anwendern (Anästhesisten) als auch fünf<br />
Experten (Produktmanagern) auf Usability getestet wurden.<br />
Für die Realisierung erwiesen sich ein 17“ Widescreen für die<br />
Beatmungseinheit und ein 20“ Widescreen für die Herz-Kreislauf-Einheit<br />
(Touchscreen mit Dreh-Drück-Knopf) als geeignet,<br />
um alle notwendigen Informationen zu visualisieren. Beide<br />
Bildschirmaufteilungen waren einheitlich – erstmalig mit Farbfunktionalität,<br />
neuartigen interaktiven Elementen und einem<br />
neuen Alarmmanagement, bei dem im Hintergrund liegende<br />
Parameter bei einer Alarmsituation automatisch auftauchen.<br />
LED bei Rot-Grün-Schwäche<br />
Kerstin Ewert<br />
Shortcuts<br />
Ergebnisse Beiden Probandengruppen fielen die einheitliche<br />
Darstellung beider Monitore sehr positiv auf. Die reduzierte<br />
Farbgebung mit maximal vier Farben – unter Verzicht auf<br />
Gelb und Rot im Normalzustand – wirkte auf alle Probanden<br />
homogen und beruhigend. Wichtige Status-Anzeigen konnten<br />
auf Grund redundanter Symbole auch von Probanden mit einer<br />
Rot-Grün-Schwäche identifiziert werden. Überwiegend positiv<br />
wurde in dieser Arbeit die Informationsreduzierung durch<br />
Gruppierungen und Selektionen unter Berücksichtigung von<br />
Alarmen bewertet. Durch die Farbgruppierungen und Selektion<br />
der Parameter in Form von Shortcuts konnten Daten reduziert<br />
und das menschliche Gedächtnis entlastet werden. Das Alarmmanagement,<br />
durch das im Hintergrund liegende Parameter<br />
in entsprechenden Situationen automatisch angezeigt werden,<br />
akzeptierten alle Testpersonen weitgehend. Die Alarmerkennung<br />
war durch die Verwendung der Farben Rot und Gelb,<br />
das Ausfahren der entsprechenden Parameter-Kurve sowie das<br />
Anwachsen der numerischen Werte gewährleistet.<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong> 37
38<br />
oeffnungszeiten.<br />
was bisher geschah<br />
Hier folgt ein Überblick über alle Themen und Autoren,<br />
die in den zwanzig vorhergangenen Öffnungszeiten-Nummern<br />
vorkamen.<br />
Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />
1/96: Designwissenschaft (Holger van den<br />
Boom) | »Medienmanager«, eine Teamarbeit für miro (Holger<br />
van den Boom) | Fraktale Kunst. Eine Einführung (Holger van<br />
den Boom und Felicidad Romero-Tejedor) | Ljapunov (Diethard<br />
Janßen) | Atelier und Arbeitsprozess bei E. Delacroix (Felicidad<br />
Romero-Tejedor) | Aktzeichnen in Infografien verwandelt (Felicidad<br />
Romero-Tejedor)<br />
Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />
2/96: Projekt Physik und Design (Holger van<br />
den Boom) | Was sind Fraktale? Fraktale sind »lokale« Strukturen<br />
(Holger van den Boom und Felicidad Romero-Tejedor)<br />
| Ljapunow II (Diethard Janßen) | Rembrandt: Ein Maler im<br />
Atelier (Felicidad Romero-Tejedor)<br />
Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />
3/96: Eintritt in die fraktale Welt (Holger<br />
van den Boom und Felicidad Romero-Tejedor) | Ljapunow III<br />
– Dimensionserweiterung (Diethard Janßen) | Eindrücke einer<br />
Reise (Felicidad Romero-Tejedor und Holger van den Boom)<br />
Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />
4/97: Das Design des Kosmos. Hatte der<br />
Demiurg eine Wahl? (Holger van den Boom) | Der Goldene<br />
Schnitt, ein Fraktal (Holger van den Boom und Felicidad Romero-Tejedor)<br />
| Fraktale in der Kunst. Myriam Solar: Das Beispiel<br />
einer fraktalistischen Künstlerin (Myriam Solar, Bearbeitung<br />
von Felicidad Romero-Tejedor und Holger van den Boom) |<br />
Ljapunow IV – Filmerstellung (Diethard Janßen) | Internationaler<br />
Kongress »El Arte en la Era Electrónica« (Kunst in der<br />
elektronischen Ära) Barcelona, 28.1. bis 1.2. 1997 (Felicidad<br />
Romero-Tejedor)<br />
Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />
5/97: Kognitive Neurowissenschaft, Physik,<br />
Designwissenschaft und Philosophie (Holger van den Boom)<br />
| Human-Centered User Models (Leshan Li) | Fraktale V: Die<br />
Cantormenge, ausführlich erklärt (Holger van den Boom und<br />
Felicidad Romero-Tejedor) | Morphogenesis, Formprinzipien<br />
der Natur. Vorstellung einer Arbeit (Rolf Küster) | Ljapunow V<br />
– Programmvorführung (Diethard Janßen) | Goya: Kunsthandwerker<br />
und Künstler (Felicidad Romero-Tejedor) | Roma aeterna<br />
– Eindrücke einer Stadt (Diethard Janßen)<br />
Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />
6/98: Kunst & Design, Sinn & Information.<br />
Sieben Thesen zu einem prekären Verhältnis (Holger van den<br />
Boom) | Eine neue Lehrveranstaltung »Einführung ins Industrial<br />
Desing« für das erste und zweite Semester (Felicidad Romero-<br />
Tejedor) | Functionalism Design: German way of industrialization<br />
(Brief outline) (Leshan Li) | Symmetrie als Entwurfsmuster<br />
(Rolf Küster) | »on /off« – II. Projekt im Hauptstudium WS<br />
1997/98 (Almuth von der Planitz)<br />
Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />
7 /98: Grundzüge der Designwissenschaft.<br />
ein Versuch zur Orientierung (Holger van den Boom) | Alltagskultur<br />
Essen und Trinken. Eine designwissenschaftliche Fallstudie<br />
(Felicidad Romero-Tejedor) | Human-Centered User Models<br />
(2): Users’ Perception (Leshan Li) | Licht in der Toskana – Exkursion<br />
im September (Mario Prokop) | Fraktale VII: Die Natur ist<br />
fraktal (Holger van den Boom und Felicidad Romero-Tejedor) |<br />
Surface – Kodierung I: eine Teilbeschreibung der inneren Struktur<br />
der Simulationssoftware des Projekts »Surface« (Diethard<br />
Janßen) | Ästhetische Maßtheorien. Ästhetik als kybernetische<br />
Theorie? (Rolf Küster)<br />
Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />
8/99: Wie symmetrisch ist Symmetrie? Weitere<br />
Bemerkungen zu einem unerschöpflichen Thema (Holger<br />
van den Boom) | Systemtopologie: vom Konzept zum Entwurf.<br />
Über eine Schwierigkeit in der Designdidaktik (Felicidad Romero-Tejedor<br />
und Holger van den Boom) | Human-Centered<br />
User Models (3): Users’ Cognition (Leshan Li) | Zur Perspektive<br />
(Mario Prokop) | Ein kleines lokales heterogenes Netz (Diethard<br />
Janßen) | Birkhoff und der 3D-Scanner (Rolf Küster) | Fraktale<br />
als Artefakte (Holger van den Boom und Felicidad Romero-Tejedor)<br />
| Entwurfswerkzeug zur Simulation von Handlungsabläufen.<br />
Hauptstudium, Entwurf II (Markus Schweitzer und Jörn<br />
Gröticke)<br />
Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />
9/99: Prolegomena zu einer designwissenschaftlichen<br />
Theorie der Form (1) (Holger van den Boom) | Der<br />
Begriff der »Topologie« nach Jean Piaget und seine Bedeutung<br />
für den Designprozeß (Felicidad Romero-Tejedor) | Elektronik<br />
– eine neue Vorlesung für Industrial Designer (aber nicht nur!)<br />
(Diethard Janßen) | Human-centered User Models (4): Information<br />
Theory (Leshan Li) | Fraktale(s) über Goethe (Rolf Küster)<br />
| KatTerm – ein Programmiertool für Einplatinenrechner (Diethard<br />
Janßen) | Fraktale als Artefakte II (Felicidad Romero-Tejedor<br />
und Holger van den Boom) | Digitales Arbeitsmedium zur<br />
Unterstützung von Ideenfindungsprozessen (Matthias Lossau<br />
und Steffen Schmerse)<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>
Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />
10/2000: Fünf Thesen zur Designausbildung<br />
– nach 18 Jahren neu gelesen und kommentiert (Holger<br />
van den Boom) | Systemtopologie im Design – einige weitere<br />
Überlegungen (Felicidad Romero-Tejedor) | Elektronik II<br />
– Digitaltechnik für Designer (Diethard Janßen) | Logische<br />
Ästhetik (Holger van den Boom) | Minimalprinzipien in Natur<br />
und Design (Rolf Küster) | Die Begründung der Geometrie bei<br />
Paul Lorenzen (Holger van den Boom) | Symmetrie und Design<br />
(Gunnar Prause) | Eine mobile Lösung für die Sauerstoff-Langzeittherapie<br />
(Almuth von der Planitz) | Studentische Projekte:<br />
Einige Diplomarbeiten des Jahres 1999 (Rolf Küster und<br />
Felicidad Romero-Tejedor) | Abenteuer im Studio: Die gute Idee<br />
(Felicidad Romero-Tejedor)<br />
Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />
11/2000: Über formalismus (Holger van<br />
den Boom) | Theater und Entwurf: Handlungsszenarien im<br />
Designprozess (Felicidad Romero-Tejedor) | Die Formen des<br />
Virtuellen (Rolf Küster) | Ein Roboter (Diethard Janßen) | Zur<br />
Nutzentheorie des Designs (Gunnar Prause) | Fraktale als Artefakte<br />
III: Lokale Ästhetik versus Stil des Lichts (Holger van den<br />
Boom und Felicidad Romero-Tejedor) | Entwurf eines Teeservice<br />
(Martin Markwort) | Vordiplom 2000 (Karin Bertke) | Die letzte<br />
Seite (Rolf Küster)<br />
Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />
12/2000: Das Medium Sprache. Eine<br />
Überlegung zum Mediendesign (Holger van den Boom) | Einige<br />
Design-topo-logische Ansichten von einer Designgeometrie<br />
(Alfred Hückler) | Mediengestaltung im Kontext der Szenarien.<br />
Das Beispiel George Eastman (Felicidad Romero-Tejedor)<br />
| Eine kleine (Video-)Bildgeschichte (Diethard Janßen) | Der<br />
Designprozess im Informationszeitalter (Gunnar Prause) | Zur<br />
Formensprache (Rolf Küster) | Vordiplom: Fahrradsicherung in<br />
der Innenstadt (Kaja Bartel und Christine Pleines)<br />
Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />
13/2001: »Kybernetische« Didaktik und<br />
»Humanistische« Bildungstheorie – ein medienwissenschaftlicher<br />
Rückblick auf frühe Positionen zur Informationsgesellschaft<br />
(Holger van den Boom) | Zur Ökologie des Designprozesses<br />
(Gunnar Prause) | Industrial Design in China’s Universities<br />
(Leshan Li, Wenjia Bai und Zhongqiu Su) | Nobelpreisträger<br />
Santiago Ramón y Cajal: ein Wissenschaftler des Visuellen (Felicidad<br />
Romero-Tejedor) | Evaluation (Diethard Janßen) | Chaos<br />
und Selbstreferenz als ästhetische Kategorien – einige Aspekte<br />
zur Designästhetik (Rolf Küster) | Die letzte Seite (Comic von<br />
Mehmet Isin Fidan)<br />
Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />
14/2001: Die Wiederkehr der anthropologischen<br />
Frage in der postanalytischen Ära der Analytischen<br />
Philosophie (Holger van den Boom) | Auf dem Weg zum<br />
virtuellen Design oder: der Designprozess zwischen Markenwelt<br />
und Cyberspace (Gunnar Prause) | Reflexionen über Technik im<br />
Industrial Design (Diethard Janßen) | Katalonien – Landschaft<br />
Salvador Dalís (Rolf Küster) | Der goldene Schnitt im Industriedesign<br />
(Thomas Milewski) | Menschliche Proportionen im<br />
goldenen Schnitt (Karin Bertke)<br />
Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />
15/2002: Descartes als Denker der<br />
Neuzeit (Holger van den Boom) | Zum Designumfeld in der<br />
Informationsgesellschaft (Gunnar Prause) | Mediendesign – ein<br />
junges Fach (Felicidad Romero-Tejedor) | Bücher (Ulrike Stoltz)<br />
| Einführung in die objektorientierte GUI Programmierung<br />
unter KDE2 mittels C++ am Beispiel der Implementierung der<br />
Software zur Generierung von Ljapunow-Diagrammen »Kliap«<br />
(Diethard Janßen) | Formfindung im Zeitalter der Globalisierung.<br />
Zum Verhältnis zwischen Konstruktion und Natur (Rolf<br />
Küster) | »Designexperimente« für Schülerinnen während des<br />
Mobilitätscamps »step in« (Karin Bertke)<br />
Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />
16/2002: Kommunikation und Zufall<br />
(Holger van den Boom) | Sophistik und Design (Gunnar Prause)<br />
| Zur Linearität im Designprozess (Gunnar Prause) | Einführung<br />
in die objektorientierte GUI Programmierung unter KDE2<br />
mittels C++ am Beispiel der Implementierung der Software<br />
zur Generierung von Ljapunow-Diagrammen »Kliap». Teil 2:<br />
Recheneinheit und Dialoggestaltung (Diethard Janßen) | Topologische<br />
Aspekte im cognition Design (Felicidad Romero-Tejedor)<br />
| Design und neue Technologien (Ralf Meier und Manuel<br />
Windmann)<br />
Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />
17/2003: Des Kaisers neuer Denkapparat.<br />
Zur Wissenschaftstheorie von Roger Penrose (Holger van den<br />
Boom) | Der designerlose Designprozess? (Gunnar Prause)<br />
| Einführung in die objektorientierte GUI Programmierung<br />
unter KDE2 mittels C++ am Beispiel der Implementierung der<br />
Software zur Generierung von Ljapunow-Diagrammen »Kliap«.<br />
Teil 3: Dialoge und Datenspeicherung (Diethard Janßen) | Zeit<br />
gestalten. Zur Semiologie Roland Barthes’ (Felicidad Romero-<br />
Tejedor)<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong> 39
40<br />
Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />
18/2004: Bemerkungen zum Verhältnis<br />
von Linguistik und natürlicher Logik (Holger van den Boom) |<br />
Design education online (Felicidad Romero-Tejedor) | Über das<br />
Verhältnis von Natur, Kunst, Architektur, Design, Ökologie im<br />
Werk von César Manrique (Bernd Löbach) | Das Rad neu erfinden.<br />
Zur Gestaltung von Mobilität: Grundlagen und Perspektiven<br />
des Transportation Design (Stephan Rammler) | Einführung<br />
in die objektorientierte GUI-Programmierung unter KDE3<br />
mittels C++ am Beispiel der Implementierung der Software<br />
zur Generierung von Ljapunow-Diagrammen »Kliap«. Teil 4:<br />
Threads (Diethard Janßen) | Design-Evolution und Markenwelt<br />
(Gunnar Prause)<br />
Oeffnungszeiten. Papiere zur Designwissenschaft<br />
19+20/2005: Naturform und<br />
Artefakt (Holger van den Boom) | Blick in den Nanokosmos.<br />
Sichtbarkeit und Vision in der Nanotechnologie (Rolf Küster)<br />
| Die Spirale in Design, Architektur und Geistesleben (Bernd<br />
Löbach) | Übersicht im Untergrund. Die Karte der Londoner<br />
U-Bahn (André Baumunk) | Literatur multimedial interpretiert.<br />
Vorläufiges dazu am Beispiel des Spaniers Antonio Machado<br />
(Felicidad Romero-Tejedor) | Einführung in die objektorientierte<br />
GUI-Programmierung unter KDE3 mittels C++ am Beispiel der<br />
Implementierung der Software zur Generierung von Ljapunow-<br />
Diagrammen »Kliap«. Teil 5: Dreidimensionale Erweiterung mit<br />
Open GL (Diethard Janßen) | Ein Lob der trägen Maschinen<br />
(Wulf Rehder)<br />
oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>