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Ausgabe 21/2007 - Fachhochschule Lübeck

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6<br />

zweiten Hauptsatz nicht zu kennen, das sei, als ob man noch<br />

nie etwas von Shakespeare gehört hätte. Entgegen anders<br />

lautenden Gerüchten soll es aber auch Ingenieure geben, die<br />

den zweiten Hauptsatz nicht wirklich verstanden haben. Es<br />

gab und gibt gerade viele Ingenieure, die zu den Einsendern<br />

von Erfindungen der Kategorie perpetuum mobile an die<br />

Patentämter und physikalischen Institute gehören. Der wissenschaftliche<br />

Experte III. Klasse am Schweizerischen Patentamt<br />

zu Bern, Albert Einstein, wusste ein Lied davon zu singen.<br />

Zu den liebgewordenen Gehässigkeiten in diesem Streit gehört<br />

die bekannte Unterscheidung von »weichen« und »harten«<br />

Fächern. Die Harten werfen den Weichen vor, sie seien<br />

Schwätzer; die Weichen replizieren, die Harten hätten eben<br />

ein Brett der Engstirnigkeit vor dem Kopf. Das alles könnte ein<br />

ganz amüsantes Gestreite sein, wüssten sich nicht eine Menge<br />

Leute des modischen Typus Politiker parteiisch auf die Seite<br />

der Harten zu schlagen – aus ökonomischen Gründen. Die<br />

Weicheier bringen halt nichts in die Kasse. Dabei vergessen die<br />

Politiker natürlich, dass die Zivilisation (von der Kultur gar nicht<br />

zu reden) der viel beschworenen Zivilgesellschaft aus dem an<br />

sich kostengünstigen weichen Lager stammt, die Atomwaffen<br />

etc. hingegen aus dem harten Lager. Was ein demokratischer<br />

Rechtsstaat ist (dem sich auch der Typus Politiker verdankt)<br />

und warum wir ihn bevorzugen, darüber haben die Weichen<br />

nachgedacht, deren Fächer jetzt an den Hochschulen radikal<br />

beschnitten werden. Das könnte sich einmal bitter rächen.<br />

Der amerikanische Literaturagent und Populärwissenschaftler<br />

John Brockman wollte dem ganzen Zauber jedenfalls ein<br />

Ende bereiten und erfand – dafür ist er berühmt geworden<br />

– die »dritte« Kultur (The Third Culture, deutsch 1996). Er hat<br />

nämlich beobachtet, dass allzu viele aus unserer Nachkommenschaft<br />

weder vom zweiten Hauptsatz noch von Shakespeare<br />

etwas gehört haben. Er kenne sogar Hochschulprofessoren,<br />

die weder vom einen noch vom anderen Genaueres wüssten.<br />

Dementsprechend schlug er vor, in den Schulen dafür<br />

zu sorgen, dass Shakespeare mit dem zweiten Hauptsatz auf<br />

derselben Bühne spielt. Bildung, der einzige Nährboden des<br />

demokratischen Rechtsstaates, erlebt jedoch derzeit eine<br />

schwache Konjunktur. Eine überhitzte Konjunktur dagegen<br />

haben Kurse – wieder ein fabelhaft verräterisches Wort.<br />

Dahinter steht das Bild des Lehrers als Fahrlehrer, stream<br />

line. Der Lehrer, ein persönliches Vorbild? Das war einmal.<br />

Dietrich Schwanitz behauptet in seinem lesenswerten Bestseller<br />

Bildung schlicht und einfach, der zweite Hauptsatz<br />

gehöre nicht zur Bildung. Das brachte den populärwissenschaftlichen<br />

Bestsellerautor Ernst Peter Fischer so auf die<br />

Palme, dass er sich genötigt sah, das ebenso lesenswerte<br />

Buch Die andere Bildung zu schreiben. Es steht damit 1:1.<br />

So wären wir wieder da, wo wir schon einmal standen.<br />

Wie war das mit der »dritten« Kultur? Die Zauberformel,<br />

oeffnungszeiten <strong>21</strong>/<strong>2007</strong>

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