Deutsch-spanisches Management, ein Stierkampf? - 4Managers.de
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Susanne Müller/Joaquim Gomez <strong>Deutsch</strong>-<strong>spanisches</strong> <strong>Management</strong> - <strong>ein</strong> explosiver Cocktail?<br />
Susanne Müller/Joaquim Gomez<br />
<strong>Deutsch</strong>-<strong>spanisches</strong> <strong>Management</strong>,<br />
<strong>ein</strong> <strong>Stierkampf</strong>?<br />
Wenn <strong>Deutsch</strong>e an SPANIEN <strong>de</strong>nken, so ersch<strong>ein</strong>en meistens Assoziationen<br />
wie Sonne, Meer, Paella, W<strong>ein</strong>, Gitarrenrhythmen, Flamenco, vielleicht auch<br />
Gaudi und Miró.<br />
Aus wirtschaftlicher Sicht sch<strong>ein</strong>t Spanien vom Tourismus zu leben, was zu<br />
<strong>ein</strong>em großen Teil auch stimmt. Dennoch erfasst dieser Blick nur <strong>ein</strong>en<br />
kl<strong>ein</strong>en Ausschnitt vom Gesamtprofil <strong>de</strong>s „Musterschülers“ <strong>de</strong>r Europäischen<br />
Union: Spanien hat die größte jährliche Wachstumsrate von allen Mitglie<strong>de</strong>rn<br />
<strong>de</strong>r Europäischen Union, und die Dynamik hält an.<br />
<strong>Deutsch</strong>land ist im Laufe <strong>de</strong>r letzten zwanzig Jahre für Spanien <strong>de</strong>r<br />
zweitgrößte Han<strong>de</strong>lspartner nach Frankreich gewor<strong>de</strong>n, <strong>ein</strong><strong>de</strong>utiges Signal für<br />
<strong>de</strong>n Fokus <strong>de</strong>r spanischen Wirtschaft als Euro-Land, nach<strong>de</strong>m es traditionell<br />
<strong>ein</strong>e dominante Bindung zu Lat<strong>ein</strong>amerika pflegte.<br />
Die größten <strong>de</strong>utschen Unternehmen, wie DaimlerChrysler, Siemens und die<br />
<strong>Deutsch</strong>e Bank wissen Spanien als Standort schon lange zu schätzen. Zur<br />
Zeit führen ca. 1200 <strong>de</strong>utsche Unternehmen Nie<strong>de</strong>rlassungen in Spanien, und<br />
ca. 400 spanische Unternehmen sind in <strong>Deutsch</strong>land präsent.<br />
Das Interesse an Zusammenarbeit wächst auf bei<strong>de</strong>n Seiten, und sie erweist<br />
sich angesichts <strong>de</strong>r kulturell kühl-heißen Kombination als explosiver Cocktail<br />
im doppelten Sinne.<br />
Wie wirken sich die so unterschiedlichen Mentalitäten <strong>de</strong>utscher und<br />
spanischer Führungskräfte in <strong>de</strong>r täglichen Praxis aus?<br />
Eine brillant-charakteristische Metapher <strong>de</strong>utsch-spanischer Zusammenarbeit<br />
stellt <strong>de</strong>r seit 1992 zwischen Madrid und Sevilla verkehren<strong>de</strong> Hochgeschwindigkeitszug<br />
AVE (Alta Velocidad Española) dar – Symbol <strong>de</strong>r neuen<br />
I<strong>de</strong>ntität <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s.<br />
Der Zug – blau-beige im minimalistischen Stil Miró“s gestaltet – beför<strong>de</strong>rt ca.<br />
350 Fahrgäste über 471 km mit 250 – 300 kmh in 2,5 Stun<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r<br />
Hauptstadt in die andalusische Metropole, im Stun<strong>de</strong>nrhythmus von morgens<br />
7.00 Uhr bis abends 22.00 Uhr. Tickets können - außer am Schalter - im<br />
Potenziale <strong>de</strong>utsch-spanischer Kooperation - Juli 2002 Seite 8
Susanne Müller/Joaquim Gomez <strong>Deutsch</strong>-<strong>spanisches</strong> <strong>Management</strong> - <strong>ein</strong> explosiver Cocktail?<br />
Internet erworben wer<strong>de</strong>n. 24 bzw. 48 Stun<strong>de</strong>n parken am Bahnhof sind im<br />
Preis inbegriffen. Bei mehr als fünf Minuten Verspätung zahlt die staatliche<br />
Bahngesellschaft RENFE <strong>de</strong>n Fahrpreis zurück. Die Pünktlichkeitsquote liegt<br />
bei 99,8%. Hier sind mañana-<strong>Management</strong>stil Geschichte und Top-<br />
Qualitätsmanagement mo<strong>de</strong>rner Alltag!<br />
In eben diesem Alltag unterschätzen <strong>de</strong>utsche Kooperationspartner - z.T.<br />
noch mit <strong>de</strong>r begrenzten stereotypen Vorstellung vom typischen Spanien als<br />
Produzent von Obst und Gemüse belastet – die Leistungsfähigkeit spanischer<br />
Kollegen in <strong>de</strong>r Industrie.<br />
Kommt dieses Gefühl auf, verweigern auch spanische Angestellte <strong>de</strong>utschen<br />
Führungskräften die Kooperation.<br />
Der AVE ist mit Recht <strong>de</strong>r Stolz<br />
Spaniens. Er manifestiert<br />
Risikofreu<strong>de</strong> – <strong>de</strong>r Zug ist <strong>ein</strong><br />
Pilotprojekt, und High-Tech-<br />
Standard, gepaart mit Designer-<br />
Kreativität und <strong>de</strong>r iberischen<br />
Leichtigkeit <strong>de</strong>s S<strong>ein</strong>.<br />
Nach Einstieg erhalten alle<br />
Fahrgäste neuste Tageszeitungen,<br />
das Bordmagazin „Paisajes“ und<br />
<strong>ein</strong> Glas Orangensaft.<br />
(Quelle: mobil 01/2002)<br />
Vi<strong>de</strong>obordfilm, vier Musikkanäle und Kin<strong>de</strong>rspielzeug unterhalten Fahrgäste<br />
je<strong>de</strong>n Alters. Cafeteria, Restaurant und Babywickelraum gestatten leibliches<br />
Wohl. In <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n gehobenen Klassen „Preferente“ und „Club“ sind<br />
Mahlzeiten am Platz im Fahrpreis inbegriffen.<br />
Komfortable Konferenz- und Meetingsräume unterstützen in diesem<br />
Classement das ausgeprägte Statusbewussts<strong>ein</strong> <strong>de</strong>s spanischen Managers<br />
ebenso wie optimales mo<strong>de</strong>rnes Zeitmanagement und traditionelle<br />
Beziehungspflege. Seriöse Geschäfte wer<strong>de</strong>n nur durch face-to-face<br />
Kommunikation vollzogen, nicht durch Telefon, Fax o<strong>de</strong>r Mail. Persönliches<br />
Agreement wiegt in <strong>de</strong>r Regel auch mehr als das, was schriftlich als Ergebnis<br />
von Besprechungen bzw. Verhandlungen fixiert wird.<br />
Die Züge sind nach <strong>de</strong>m französischen TGV-Patent „Atlantik gebaut, die<br />
Steuerungs-, Sicherheits- und Signaltechnik sind original <strong>de</strong>utscher Herkunft.<br />
Für ihre Genauigkeit und Zuverlässigkeit wer<strong>de</strong>n die <strong>de</strong>utschen Partner<br />
Potenziale <strong>de</strong>utsch-spanischer Kooperation - Juli 2002 Seite 8
Susanne Müller/Joaquim Gomez <strong>Deutsch</strong>-<strong>spanisches</strong> <strong>Management</strong> - <strong>ein</strong> explosiver Cocktail?<br />
geschätzt, auch wenn sie im Industriealltag zuweilen wegen hohen<br />
Arbeitsschutzvorkehrungen inklusive Arbeitsbekleidung belächelt und z. T.<br />
sogar hinterlaufen wer<strong>de</strong>n.<br />
Pläne für <strong>de</strong>n worst case gibt es kaum. Spanier führen mehr mit Vertrauen auf<br />
glücklichen Verlauf <strong>de</strong>r Dinge, mit Überzeugung von ihrer Flexibilität und<br />
Improvisationskraft in <strong>de</strong>r Bewältigung von unerwartet auftreten<strong>de</strong>n<br />
Problemen. Für <strong>de</strong>utsche Führungskräfte sind dagegen Stabilität, Sicherheit<br />
und optimale Risikoausschaltung unverzichtbare Führungskriterien.<br />
Spanische Partner sehen darin oft <strong>ein</strong>e Einschränkung wünschenswerter<br />
Spontaneität und Kreativität.<br />
Im AVE ver<strong>ein</strong>igen sich bei<strong>de</strong> Werte in vorzüglicher Weise. Er ist <strong>ein</strong><br />
Para<strong>de</strong>beispiel für <strong>de</strong>n positiv-explosiven <strong>de</strong>utsch-spanischen Cocktail. In <strong>de</strong>r<br />
lan<strong>de</strong>sweiten täglichen Arbeit können die genannten unterschiedlichen<br />
Prioritäten - wenn bei<strong>de</strong> Seiten sie durch ihre Kulturbrille sehen - jedoch auch<br />
Ursache für Reibung, Missverständnis o<strong>de</strong>r sogar Konflikt s<strong>ein</strong>. Dann wird <strong>de</strong>r<br />
Cocktail u.U. negativ explosiv, im Extremfall sogar <strong>de</strong>struktiv.<br />
In welch hohem Gra<strong>de</strong> sich in spanischer Führung professionelles Können,<br />
Funktionalität und kulturspezifischer Lebensstil verbin<strong>de</strong>n können, davon zeugt<br />
auch <strong>de</strong>r Startbahnhof <strong>de</strong>s AVE, Madrid-Atocha: <strong>ein</strong>e 4000 qm große palmendominierte<br />
grüne Oase mit allem Service-Komfort im Herzen <strong>de</strong>r turbulenten<br />
Hauptstadt, <strong>ein</strong> Wintergarten mit karibischem Flair, <strong>de</strong>n täglich ca. 400 000<br />
Personen frequentieren: Lebensqualität ist <strong>ein</strong> primärer Wert.<br />
In Spanien gilt „arbeiten, um zu leben“, in <strong>Deutsch</strong>land ist die Arbeit <strong>ein</strong> zentraler<br />
Wert, daher wird meistens alle Energie in die Arbeit investiert. Das Auslassen <strong>de</strong>r<br />
Mittagspause sowie Überstun<strong>de</strong>n gehören im Bedarfsfall dazu, <strong>ein</strong> Fakt <strong>de</strong>r in<br />
Spanien kaum Akzeptanz fin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Der normale spanische Arbeitstag ist<br />
länger als <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utsche. Wegen <strong>de</strong>r durchschnittlich höheren Temperaturen<br />
macht man traditionell <strong>ein</strong>e zweistündige Mittagspause, von 14 bis 16 Uhr.<br />
Danach wird in <strong>de</strong>r Regel bis 19 o<strong>de</strong>r auch 20 Uhr gearbeitet, und aus Bedürfnis<br />
nach Beziehungspflege bleibt man anschließend oft noch zu <strong>ein</strong>em Plau<strong>de</strong>rstündchen<br />
zusammen.<br />
Der lange Arbeitstag wird hin und wie<strong>de</strong>r durch <strong>ein</strong>en Cafecito unterbrochen.<br />
Stures arbeiten und Monotonie wer<strong>de</strong>n abgelehnt, die Lebensfreu<strong>de</strong> darf über<br />
<strong>de</strong>r Arbeit nicht verloren gehen. Dinner fin<strong>de</strong>t in <strong>de</strong>r Regel nicht vor 22 Uhr und<br />
oft im Restaurant statt. Verabredungen „after dinner“ be<strong>de</strong>uten Treffen gegen<br />
23.00 Uhr, auch im Geschäftsleben nicht unmöglich. „Un día es un día“, man lebt<br />
im Heute und sehr viel spontaner als in <strong>Deutsch</strong>land. S<strong>ein</strong>e Amtskollegen in<br />
Spanien erreicht man am besten morgens zwischen 9 und 14 Uhr.<br />
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Susanne Müller/Joaquim Gomez <strong>Deutsch</strong>-<strong>spanisches</strong> <strong>Management</strong> - <strong>ein</strong> explosiver Cocktail?<br />
Diese Lebenshaltung prägt auch das Führungsverhalten in Spanien. „Während in<br />
<strong>de</strong>utschen Unternehmen möglichst langfristig geplant wird, <strong>de</strong>nkt man in Spanien<br />
mehr kurzfristig, immer bereit, auf die sich ständig verän<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Situation flexibel<br />
zu reagieren“, weiß Dr. Andreas Marek, Leiter <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utsch-spanischen<br />
Han<strong>de</strong>lskammer in Frankfurt am Main, aus Erfahrung. „Da sich auch die<br />
Entscheidungsmacht in <strong>de</strong>r Regel auf die höchste Person in <strong>de</strong>r Hierarchie<br />
begrenzt, ist es unter diesen Bedingungen.<br />
In Spanien allerdings auch möglich, kurzfristig Entscheidungen herbeizuführen<br />
und umzusetzen. In <strong>ein</strong>em mittelgroßen Unternehmen mit 200 bis 300<br />
Mitarbeitern kann man durch diese Art zu führen Kun<strong>de</strong>n gegenüber im<br />
Bedarfsfall <strong>ein</strong>e Flexibilität entwickeln, die in <strong>Deutsch</strong>land kaum <strong>de</strong>nkbar ist. Die<br />
Stärke spanischer Führungskräfte liegt generell im operativen Geschäft, während<br />
<strong>de</strong>utsche Kooperationspartner ihre Stärke eher in Strategie und Systematik<br />
haben.“<br />
Hohe Flexibilität nennen alle unsere Interviewpartner als erstes Merkmal<br />
spanischen Führungsstils im Vergleich mit <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Art zu führen. Sie<br />
funktioniert allerdings nur durch <strong>ein</strong> weiteres <strong>spanisches</strong> Charakteristikum<br />
spanischen <strong>Management</strong>s, das genau so oft erwähnt wird: gute persönliche<br />
Beziehungen, sowohl in <strong>de</strong>r horizontalen wie in <strong>de</strong>r vertikalen<br />
Unternehmensstruktur, ebenso nach außen.<br />
Das spanische soziale Leben beruht auf <strong>de</strong>m unverzichtbaren Wert „confianza“<br />
(Vertrauen). Confianza schließt Vertrauen, gegenseitigen Respekt und Sinn für<br />
„orgullo“, die Ehre <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren mit <strong>ein</strong>. Dieser Wert steuert die Entscheidung<br />
über Einstellung von Mitarbeitern, bewirkt im wesentlichen die Motivation zur<br />
Arbeit und entschei<strong>de</strong>t auch über die Akzeptanz von Geschäftspartnern.<br />
Wo Vertrauen nicht zustan<strong>de</strong> kommt, läuft nichts, we<strong>de</strong>r intern noch extern –<br />
selbst wenn hohe professionelle Expertise gegeben ist. Persönliche Qualitäten<br />
rangieren vor beruflicher Qualifikation.<br />
Potenziale <strong>de</strong>utsch-spanischer Kooperation - Juli 2002 Seite 8
Susanne Müller/Joaquim Gomez <strong>Deutsch</strong>-<strong>spanisches</strong> <strong>Management</strong> - <strong>ein</strong> explosiver Cocktail?<br />
Geduld zu haben und gute persönliche<br />
Beziehungen aufzubauen, rät Joaquin<br />
Gomez, Geschäftsführer und<br />
Gesellschafter <strong>de</strong>r Firma Limex XL in<br />
Frankfurt und Madrid, daher <strong>de</strong>n<br />
vorwiegend aufgaben- und<br />
sachorientierten <strong>de</strong>utschen<br />
Managerkollegen, wenn sie in Spanien<br />
erfolgreich s<strong>ein</strong> wollen.<br />
The Germans. The Methodical Mystics.<br />
Richard Hill 1997<br />
Bei <strong>ein</strong>em Erstkontakt sofort zur Sache zu kommen, „ir al grano“, und<br />
Untergebene nur „tough“„ über r<strong>ein</strong>e Sachziele zu motivieren, bei<strong>de</strong>s funktioniert<br />
nicht. Abgesehen davon, dass Spanier generell eher auf <strong>de</strong>r Gefühlsebene – also<br />
über intrinsische Motivation - ansprechbar sind, muss man bei Führungstätigkeit<br />
in Spanien auch <strong>de</strong>r Tatsache Rechnung tragen, dass die berufliche<br />
Bildungsstruktur nicht dieselbe ist wie in <strong>Deutsch</strong>land.<br />
Auch das spanische Konzept von Teamarbeit beruht auf <strong>de</strong>r Vorstellung von<br />
<strong>ein</strong>er Gruppe, in <strong>de</strong>r je<strong>de</strong>r <strong>ein</strong>zelne unabhängig vom an<strong>de</strong>ren nach Anweisung<br />
<strong>de</strong>s Vorgesetzten und für <strong>de</strong>n Vorgesetzten arbeitet.<br />
Die hohe Kunst <strong>de</strong>r Führung besteht für <strong>de</strong>utsche Manager in Spanien darin,<br />
<strong>de</strong>utsche Unternehmensziele mit <strong>de</strong>r lan<strong>de</strong>sspezifischen Arbeitsmentalität zu<br />
erreichen.“ Das kann <strong>ein</strong> ziemlich schwieriger Balanceakt s<strong>ein</strong>.<br />
Bei <strong>de</strong>m Bestreben, sich anzupassen, besteht für <strong>de</strong>n <strong>Deutsch</strong>en die Gefahr,<br />
dass er die Grenze zwischen guten persönlichen Beziehungen zu spanischen<br />
Mitarbeitern und Wahrung von Autorität nicht wahrnimmt und dabei evtl. durch<br />
zu große Familiarität s<strong>ein</strong> Gesicht verliert.<br />
Der Geschäftsführer <strong>de</strong>r Vertretung <strong>de</strong>r Madri<strong>de</strong>r Messegesellschaft IFEMA in<br />
Frankfurt am Main, José Antonio Rodriguez-Priego, beschreibt die<br />
Arbeitsatmosphäre in s<strong>ein</strong>em Land folgen<strong>de</strong>rmaßen:<br />
Potenziale <strong>de</strong>utsch-spanischer Kooperation - Juli 2002 Seite 8
Susanne Müller/Joaquim Gomez <strong>Deutsch</strong>-<strong>spanisches</strong> <strong>Management</strong> - <strong>ein</strong> explosiver Cocktail?<br />
(Aus: Richard Hill 1997)<br />
„Bei uns ist die Kommunikation im<br />
Unternehmen viel lockerer. Alle Leute duzen<br />
sich, auch <strong>de</strong>r Direktor wird so angesprochen,<br />
man erzählt Witze mit<strong>ein</strong>an<strong>de</strong>r, und auch die<br />
Kommunikation mit Kun<strong>de</strong>n ist viel weniger<br />
formal als in <strong>Deutsch</strong>land.<br />
Wenn man <strong>ein</strong>em Kun<strong>de</strong>n was verspricht, das<br />
man später nicht <strong>ein</strong>halten kann, kommt man<br />
im Gespräch immer zu <strong>ein</strong>em Konsens. In<br />
<strong>Deutsch</strong>land ist das erfahrungsgemäß nicht so<br />
<strong>ein</strong>fach möglich.“<br />
Die Anre<strong>de</strong> mit DU im Geschäftsleben in <strong>Deutsch</strong>land be<strong>de</strong>utet <strong>ein</strong>en sehr hohen<br />
Vertraulichkeitsgrad, <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m spanischen TU k<strong>ein</strong>eswegs verbun<strong>de</strong>n ist,<br />
ebenso wenig wie mit <strong>ein</strong>er Einladung zum Essen. „Die Unsicherheit, wie weit<br />
man, aus <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen formalen Routine kommend, in <strong>de</strong>r spanischen<br />
Informalität gehen kann, bewirkt zuweilen Verwun<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r auch Betretenheit<br />
auf spanischer Seite und wird evtl. als Mangel an Respekt empfun<strong>de</strong>n. „Faltar al<br />
respeto“ ist jedoch in Spanien <strong>ein</strong> schwerer faux pas und wird als ungehobelt<br />
bewertet.<br />
Ein solcher Effekt löst wie<strong>de</strong>rum Verwirrung auf <strong>de</strong>utscher Seite aus, weiß<br />
Gerhard Stähler aus 15jähriger Erfahrung als Personalberater bei <strong>de</strong>r Betreuung<br />
von spanischen Kun<strong>de</strong>n in <strong>Deutsch</strong>land und <strong>de</strong>utschen Kun<strong>de</strong>n in Spanien.<br />
Wenn es in <strong>Deutsch</strong>land üblich ist, Kritik sehr direkt auszusprechen, so geht man<br />
in Spanien damit etwas vorsichtiger um. Man ist bestrebt das spanische<br />
Ehrgefühl sowie die „dignidad“ (Wür<strong>de</strong>) <strong>ein</strong>er Person nicht zu verletzen.<br />
Wer <strong>ein</strong>en an<strong>de</strong>ren s<strong>ein</strong> Gesicht verlieren lässt, erfährt das Urteil „maleducado“<br />
(schlecht erzogen), und das ist <strong>ein</strong> schwerer Vorwurf. An<strong>de</strong>rerseits wird jedoch<br />
auch k<strong>ein</strong> positives Feedback in Bezug auf die Arbeit erwartet. Man lebt in <strong>de</strong>r<br />
Überzeugung, dass man s<strong>ein</strong>e Sache gut macht. Wenn das nicht so ersch<strong>ein</strong>t,<br />
liegt es an an<strong>de</strong>ren. Bewertungssysteme sind selten. Man arbeitet gut aus<br />
Loyalität gegenüber <strong>de</strong>m Vorgesetzten bzw. <strong>de</strong>m Eigentümer als Arbeitgeber.,<br />
nicht gegenüber <strong>de</strong>r Institution.<br />
Meetings haben generell in spanischen Unternehmen <strong>ein</strong>e an<strong>de</strong>re Funktion<br />
als in <strong>Deutsch</strong>land. Sie dienen entwe<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Übermittlung von Instruktionen<br />
o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Gedankenaustausch, und dieser fin<strong>de</strong>t sehr lebhaft statt. Dabei<br />
verläuft die Diskussion selten linear nach Agenda, son<strong>de</strong>rn eher assoziativ<br />
und sprunghaft. Man setzt auf schnelles Denken und spontane I<strong>de</strong>en.<br />
Entscheidungen wer<strong>de</strong>n auf je<strong>de</strong>n Fall nicht in diesem Rahmen gefällt,<br />
son<strong>de</strong>rn außerhalb und auf höherer Ebene.<br />
Potenziale <strong>de</strong>utsch-spanischer Kooperation - Juli 2002 Seite 8
Susanne Müller/Joaquim Gomez <strong>Deutsch</strong>-<strong>spanisches</strong> <strong>Management</strong> - <strong>ein</strong> explosiver Cocktail?<br />
Unsensibilität im spanischen Kommunikationsverhalten erfährt u.U. noch<br />
Verstärkung durch verbreitetes Bestreben <strong>de</strong>utscher Führungskräfte, sich<br />
gegenüber Mitarbeitern optisch nicht <strong>de</strong>zidiert als Vorgesetzter abzuheben,<br />
son<strong>de</strong>rn sich eher egalisieren zu wollen. Das spanische I<strong>de</strong>albild von <strong>ein</strong>em<br />
Vorgesetzten ist jedoch vielmehr <strong>ein</strong> wohlwollen<strong>de</strong>r Autokrat, <strong>de</strong>r sich auf gar<br />
k<strong>ein</strong>en Fall mit Angestellten auf <strong>ein</strong>e Stufe stellt, son<strong>de</strong>rn s<strong>ein</strong>en Status bewusst<br />
betont und Anweisungen gibt.<br />
Die am meisten bewun<strong>de</strong>rte Eigenschaft am „jefe“ ist persönliche Verantwortung<br />
und Mut zum Risiko - „valiente“ s<strong>ein</strong>. Wer diesem Erwartungsbild nicht entspricht<br />
und Mitarbeitern Mitentscheidung anträgt, wird als Schwächling gesehen und<br />
kann als Führungskraft Autoritätsverlust erlei<strong>de</strong>n.<br />
Partizipativer Führungsstil ist in Spanien – wie auch in <strong>Deutsch</strong>land - erst<br />
möglich, wenn man s<strong>ein</strong> Image als Führungsautorität gefestigt hat. Autorität ist<br />
nicht automatisch mit <strong>de</strong>m Status <strong>de</strong>r Stelle in <strong>de</strong>r Hierarchie verbun<strong>de</strong>n. Man<br />
erwirbt sie durch persönliche Haltung. Allerdings legt man Wert auf<br />
Demonstration von Status durch Titel, repräsentative Büros und Publikationen.<br />
Sind spanische und <strong>de</strong>utsche Manager bei <strong>ein</strong>em Geschäftsessen unter sich,<br />
wer<strong>de</strong>n die unterschiedlichen Führungsauffassungen mit Wahrsch<strong>ein</strong>lichkeit an<br />
situativen Gegebenheiten <strong>de</strong>utlich: Die <strong>Deutsch</strong>en bemängeln - wenn auch mit<br />
Humor - die schlechte Organisation im Restaurant, weil das Essen nicht schnell<br />
genug kommt und außer<strong>de</strong>m nicht <strong>de</strong>m entspricht, was man laut Speisekarte<br />
bestellt hat. Die Spanier sind <strong>de</strong>r Überzeugung, dass Qualität s<strong>ein</strong>e Zeit braucht<br />
und loben außer<strong>de</strong>m die Flexibiltät und Kreativität <strong>de</strong>s Kochs, wenn das<br />
Ersch<strong>ein</strong>ungsbild auf <strong>de</strong>m Teller <strong>ein</strong> an<strong>de</strong>res als das erwartete ist.<br />
Durch die <strong>de</strong>utsche Kulturbrille ersch<strong>ein</strong>t die spanische Vorliebe für Spontaneität,<br />
Kreativität und Improvisation als Laisser-Faire-Stil, die spanische Kulturbrille sieht<br />
das <strong>de</strong>utsche Festhalten an festgeschriebenen Plänen, Prozeduren, Regeln und<br />
Termin als übertriebenen „<strong>de</strong>tallismo“ und Rigidität. Wenn je<strong>de</strong>r die<br />
Eigenschaften <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren als Stärke sieht und bei<strong>de</strong> bewusst ihre<br />
An<strong>de</strong>rsartigkeit koordinieren, können sie mit<strong>ein</strong>an<strong>de</strong>r große Synergien<br />
entwickeln<br />
In <strong>de</strong>r Ten<strong>de</strong>nz bewegen sich bei<strong>de</strong> Seiten spürbar auf <strong>ein</strong>an<strong>de</strong>r zu. Dabei fin<strong>de</strong>t<br />
in Spanien – bedingt durch s<strong>ein</strong>e spezifische Geschichte - <strong>ein</strong> größerer Wan<strong>de</strong>l<br />
als in <strong>Deutsch</strong>land statt.<br />
Die junge Managergeneration bei<strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r hat in vielen Fällen ihr MBA<br />
gem<strong>ein</strong>sam in <strong>de</strong>n USA, in Großbritannien o<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>n renommierten<br />
Potenziale <strong>de</strong>utsch-spanischer Kooperation - Juli 2002 Seite 8
Susanne Müller/Joaquim Gomez <strong>Deutsch</strong>-<strong>spanisches</strong> <strong>Management</strong> - <strong>ein</strong> explosiver Cocktail?<br />
Hochschulen in Paris, Barcelona o<strong>de</strong>r Madrid erworben, und in je<strong>de</strong>m Falle<br />
haben die heute 30 bis 40jährigen Wirtschaftslenker in bei<strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn das<br />
erklärte Ziel, die Geschäfte nicht im Stil ihrer Väter zu lenken.<br />
Die neuen <strong>de</strong>utschen Manager erweisen sich als flexibler und kreativer,<br />
die jungen spanischen Führungskräfte tendieren in ihren Prioritäten mehr auf<br />
Planung und Controlling, Leistung und Innovation.<br />
Die wachsen<strong>de</strong> Be<strong>de</strong>utung von Internet und Telekommunikation, Biotechnologie<br />
und Informatik kommt mit Dynamik in <strong>de</strong>n Markt und erhöht die Chance <strong>de</strong>r<br />
jungen Generation, die heute 50 bis 60jährigen Wirtschaftshonoratioren<br />
abzulösen. Auch Frauen erobern sich ihren Platz in diesem Entwicklungstrend.<br />
Die 44-jährige Präsi<strong>de</strong>ntin <strong>de</strong>r Madri<strong>de</strong>r Börse, Pilar Valiente, steht wie <strong>ein</strong> Fanal<br />
<strong>de</strong>r neuen Zeit in <strong>de</strong>r spanischen Wirtschaft auf diesem Platz. Sogar die<br />
Be<strong>de</strong>utung ihres Namens geht verstärkend mit dieser Symbolik <strong>ein</strong>her.<br />
Der <strong>de</strong>utsch-spanische <strong>Stierkampf</strong> wird in <strong>ein</strong>er sehr fruchtbaren Art und Weise<br />
geführt: Europas schnellste Serienzüge wer<strong>de</strong>n bereits seit 2001 mit<br />
ver<strong>ein</strong>heitlichten Systemen von <strong>de</strong>m Konsortium Talgo-Adtranz gebaut und ab<br />
2004 mit 350 kmh Spitzengeschwindigkeit durch ganz Europa fahren.<br />
Zu <strong>de</strong>n Autoren:<br />
Dr. Susanne Müller<br />
ist Senior Consultant für HRD, spezialisiert interkulturelle Fragen,<br />
bei Cross-Culture Communication. Consulting-Training-Coaching in Frankfurt<br />
am Main. Mitglied von SIETAR und ASTD.<br />
Tätig für international operieren<strong>de</strong> Unternehmen.<br />
Tel. 069-677 25 066<br />
info@cross-culture-communication.com<br />
Joaquin Gomez<br />
ist Geschäftsführer und Gesellschafter <strong>de</strong>r<br />
Lime XL GmbH in Frankfurt am Main und<br />
<strong>de</strong>r Lime XL Communications S.A. in Madrid.<br />
Sowie Lehrbeauftragter für neue Medien und<br />
Marketing an <strong>de</strong>r Hochschule Darmstadt.<br />
Tel. 069-90 74 92 00<br />
gomez@lime-xl.com<br />
Potenziale <strong>de</strong>utsch-spanischer Kooperation - Juli 2002 Seite 8