NachtkoNsum - Kultfabrik
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06 // RepoRtage // eNtDeCKe DIe VIeLFaLt BeI tag<br />
<strong>NachtkoNsum</strong><br />
Reportage vom 09. Oktober 2010, TonHalle
Samstag Nachmittag, Viertel vor drei auf dem gelände<br />
der <strong>Kultfabrik</strong>. Während sich ein paar Kletterer aus dem<br />
Heavens gate die Herbstsonne auf die durchtrainierten<br />
Körper scheinen lassen, herrscht nebenan am Hintereingang<br />
zur tonHalle geschäftiges treiben. es ist mal wieder<br />
nachtkonsum, Münchens großer Nachtflohmarkt. eine lange<br />
Schlange hat sich bereits vor der tür gebildet.<br />
„Die ersten waren schon vor einer Stunde da“, erklärt<br />
Jan, der ein schwarzes T-Shirt mit der roten Aufschrift<br />
„nachtkonsum.com“ trägt. Mit wahrer Engelsgeduld weist<br />
er immer wieder Autos zum Ausladen vor dem Zugang ein,<br />
schickt sie dann aber auch gleich wieder weg, damit auch<br />
der Nächste seine Kisten nicht so weit schleppen muss.<br />
Punkt drei öffnen sich dann die Pforten und der Run<br />
auf die besten Plätze kann beginnen. In kürzester Zeit sind<br />
Tapeziertische, Kleiderständer, Kisten und Taschen auf die<br />
eNtDeCKe DIe VIeLFaLt aM tag // RepoRtage // 07<br />
markierten Flächen verteilt und ergeben ein buntes Chaos-<br />
Bild, wenn man von der Bühne oder der Galerie in die Halle<br />
blickt. Und auch dort bauen schon die Ersten, die unten<br />
keinen Platz mehr bekommen haben, ihre Stände auf. „Auf<br />
die Galerie wollen manche Verkäufer auch ganz bewusst“,<br />
erklärt nachtkonsum-Mitbegründer Florian Lissl. „Die wollen<br />
gerne nah bei den Bands stehen, auch wenn es dort natürlich<br />
etwas lauter ist.“<br />
Live-Musik gehört zum Konzept der Veranstaltung, die<br />
viel mehr ist als nur ein Flohmarkt. „Die Idee basiert eigentlich<br />
auf dem Konzept der Hinterhofflohmärkte“, sagt Lissl,<br />
„wo es Kaffee, Kuchen und Sekt gibt.“ Beim nachtkonsum<br />
gibt es Bier, Red Bull und oben drauf noch Live-Musik.<br />
Realität wurde Lissls Idee 2007 durch ein Studentenprojekt.<br />
„5-Euro-Business hieß das und wir mussten darin<br />
ohne Geld eine Geschäftsidee entwickeln und umsetzen“.<br />
Zum ersten nachtkonsum, der in der Mensa der LMU stattfand,<br />
kamen mehr als 3000 Besucher. Grund genug, das<br />
Ganze ein Jahr später ebenso erfolgreich zu wiederholen.<br />
Mittlerweile haben Florian und sein Partner Stefan Schmidl<br />
eine eigene GbR gegründet und das Konzept „nachtkonsum“<br />
auch erfolgreich nach Berlin exportiert, wo es einmal pro<br />
Monat in der Münze hinter dem Roten Rathaus über die<br />
Bühne geht. Da man in München natürlich auf Dauer nicht<br />
in der Mensa bleiben konnte, verlegte man den nachtkonsum<br />
erst in die Reithalle. „Aber die Miete dort war viel zu<br />
hoch“, sagt Lissl. Als ihm die Betreiber der TonHalle ein<br />
„wirklich gutes Angebot“ machten, zögerte er deshalb nicht<br />
lange.<br />
Das bunte Chaos in der Halle hat sich mittlerweile etwas<br />
geordnet. Die Tische sind aufgebaut und die angebote-<br />
»
Rep0Rtage 3/4<br />
ne Ware ausgelegt und aufgehängt. Am Stand von Anita:<br />
Porzellan, so weit das Auge reicht. Extra aus Memmingen<br />
ist sie nach München zum Nachtflohmarkt gekommen.<br />
„Die Atmosphäre ist ganz anders und die Leute sind viel<br />
entspannter und nehmen sich Zeit“, sagt die erfahrene<br />
Flohmarktverkäuferin. Mittlerweile ist es Viertel vor fünf und<br />
vor dem Eingang der TonHalle hat sich die nächste lange<br />
Schlange gebildet. Diesmal warten die Kunden auf Einlass.<br />
Drei Euro Eintritt kostet es pro Person, ungewöhnlich für<br />
einen Flohmarkt, aber die Leute zahlen es gerne. „Hier gibt<br />
es ja auch Live-Musik und Party“, sagt einer.<br />
Kurze Zeit später wimmelt es zwischen<br />
den Ständen in der Halle nur so<br />
von Menschen. Auf dem Verkaufstisch<br />
von Ralf stapeln sich neben Spielzeug<br />
fein säuberlich in Plastik verpackte<br />
neuwertige Comics. „So oft wie früher<br />
geh´ ich nicht mehr auf Flohmärkte<br />
und muss die Sachen oft lang im<br />
Keller einlagern“, sagt er. Wie viele andere<br />
ist er auf Flohmärkten aber nicht<br />
nur Verkäufer, sondern gleichzeitig<br />
auch Kunde. „Heute habe ich schon<br />
DVDs gekauft.“<br />
Als Kunden entdeckten auch Rick<br />
und Tim den Nachtflohmarkt und<br />
kamen dabei auf die Idee, hier selbst<br />
Mal zu verkaufen. „Ich geh gerne auf<br />
Flohmärkte, weil ich da auch gut und günstig Requisiten für<br />
Fotoshootings finde. Ich habe erst vor kurzem mein eigenes<br />
T-Shirt-Label gegründet“, erzählt Rick. Am nachtkonsum<br />
schätzt er vor allem die angenehme Stimmung und die Live-<br />
Musik. Drei Bands stehen an diesem Abend auf dem Programm,<br />
wie immer ausgesucht vom Radio-Partner M94,5.<br />
Der Startschuss fällt kurz nach acht mit dem Auftritt der<br />
jungen Band „Theresa Chanson“. Im Anschluss entert der<br />
Songwriter Jason Serious die Bühne. Mit seiner Band, die<br />
den wundervollen Namen „Flea Markt Poets“ trägt, war er<br />
schon mehrmals beim nachtkonsum zu Gast. Derzeit bastelt<br />
der US-Amerikaner an einem Solo-Album.<br />
In der Halle versucht derweil ein<br />
Landsmann von Jason die Überreste<br />
seiner Army-Karriere unters Volk zu<br />
bringen. Militärklamotten und Ausrüstung<br />
finden schnell Abenehmer, ganz<br />
im Gegensatz zu einem muslimischen<br />
Instrument zur Selbsttgeißelung, das<br />
Richard bei seinem Einsatz im Irak<br />
erworben hat. Als Ladenhüter erweisen<br />
sich zu seinem Bedauern auch die<br />
zahlreichen Ausgaben des US-Playboy,<br />
die er mitgebracht hat. „Viele Männer<br />
gehen zwar immer wieder vorbei und<br />
schauen, aber gekauft hat noch keiner<br />
was“, sagt seine Freundin Katharina. Ein Exemplar werden<br />
die beiden am Ende dann doch noch los. Da ist es aber<br />
bereits kurz nach elf und die Oktoberausgabe des nachtkonsum<br />
steht kurz vor ihrem Ende.<br />
Die ersten Verkäufer haben ihre Stände schon abgebaut<br />
und schleppen Kleiderständer, Tapeziertische, Kisten und<br />
Taschen wieder Richtung Hinterausgang zu ihren Autos. Nur<br />
Anita sitzt noch ganz ruhig hinter ihren Porzellan-Waren.<br />
„Ich brauche sowieso noch mindestens eine Stunde, um<br />
die Sachen alle wieder einzupacken. Und dann habe ich ja<br />
auch noch eine lange Fahrt vor mir.“ Gut sei das Geschäft<br />
gelaufen, sagt sie, und dass sie in jedem Fall mal wieder<br />
zum nachtkonsum nach München kommen will. Die nächste<br />
Gelegenheit dafür hat sie am 13. November .