08.02.2013 Aufrufe

Unerwünschte Erinnerungen Gefängnisliteratur 1945/49 bis ... - gulag

Unerwünschte Erinnerungen Gefängnisliteratur 1945/49 bis ... - gulag

Unerwünschte Erinnerungen Gefängnisliteratur 1945/49 bis ... - gulag

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Unerwünschte</strong> <strong>Erinnerungen</strong><br />

809<br />

Informationswert des Buches, das 1990 auch in Magdeburg erschienen ist, liegt<br />

darin, daß es aufzeigt, wie psychiatrisch geschulte Ärzte der „Staatssicherheit“<br />

mit Medikamenten, die zwangsweise verarbreicht wurden, versuchten, den<br />

Willen eines Menschen zu brechen, der ausreisen wollte. Waltraud Krüger, die<br />

acht Jahre um ihr Recht kämpfen mußte, hat sich schließlich als die Stärkere<br />

erwiesen: am 7. Februar 1981 durfte sie mit Mann und Tochter den ungeliebten<br />

Staat verlassen.<br />

In den letzten Jahren der SED-Herrschaft begannen sich die Bürger zu wehren.<br />

Bürgerrechtsgruppen, die sich auf die Beschlüsse der KSZE-Konferenz<br />

von Helsinki 1975 beriefen, entstanden, obwohl „Gruppenbildung“ bei einer<br />

Verhaftung als strafverschärfend galt. Der aus dem Vogtland stammende und<br />

in Ilmenau/Thüringen als Lehrer lebende Wolfgang Mayer, geboren 1950, hat<br />

1988 mit einer Gruppe von Freunden einen anderen Weg gefunden, den Staat<br />

zu verlassen. Er besetzte mit rund zwanzig Ausreisewilligen, darunter auch<br />

mehrer Kinder, am 9. September 1988 die Dänische Botschaft in Ost-Berlin,<br />

für den 13. September war der Besuch des dänischen Ministerpräsidenten Poul<br />

Schlüter bei der DDR-Regierung angesagt. In der Nacht zum 10. September<br />

wurde die Gruppe vom dänischen Botschafter der „Staatssicherheit“ übergeben,<br />

die die Männer verhaftete. Die Ausreise aller an der Besetzung Beteiligten<br />

fand am 23. März 1989 statt. In seinem umfangreichen Band „Dänen von<br />

Sinnen“ (Böblingen 1990) hat Wolfgang Mayer darüber berichtet.<br />

5. Bundesbürger in DDR-Haft<br />

Nach dem Mauerbau 1961 sind in wachsendem Umfang auch Westdeutsche<br />

auf DDR-Gebiet verhaftet worden. Die Delikte, wegen welcher sie angeklagt<br />

und verurteilt wurden, waren überwiegend „Staatsfeindlicher Menschenhandel“<br />

(Paragraph 105 des Strafgesetzbuches von 1968) und „Staatsgefährdende“<br />

(Strafrechtsergänzungsgesetz von 1957) oder, wie es in einer Neufassung<br />

des Gesetzes (1968) genannt wurde: „Staatsfeindliche Hetze“ (Paragraph<br />

106), in selteneren Fällen wurde auch wegen „Spionage“ (Paragraph 97),<br />

„Diversion“ (Paragraph 103) und „Sabotage“ (Paragraph 104) ermittelt. Diese<br />

politischen Straftatbestände sind im „Besonderen Teil“ des Strafgesetzbuches<br />

vom 12. Januar 1968 in der Fassung vom 14. Dezember 1988 unter dem Titel<br />

„Verbrechen gegen die Deutsche Demokratische Republik“ genannt.<br />

Der Bundesbürger, der bei Besuchsreisen verhaftet wurde, geriet, sofern<br />

er zuvor nicht schon DDR-Bürger gewesen war, in eine völlig fremde<br />

Rechtswelt. Das, was von DDR-Juristen als „Hetze“ bezeichnet wurde, war<br />

für ihn die freie Meinungsäußerung, an die er, aufgewachsen in einem<br />

demokratischen Staat, von Kindesbeinen an gewohnt war. Wenn er freimütig<br />

Kritik an der „sozialistischen Gesellschaftsordnung“ äußerte und Vergleiche

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!