Unerwünschte Erinnerungen Gefängnisliteratur 1945/49 bis ... - gulag
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812 Jörg Bernhard Bilke<br />
Ost-Berliner Aufbau-Verlags war, und den Prozeß vom 23 <strong>bis</strong> 26. Juli 1957,<br />
wo er zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. In seiner ausführlichen<br />
Autobiographie „Spuren eines Lebens“ (Berlin 1991) berichtete er unter<br />
dem Titel „Der arge Weg der Erkenntnis“ auch über die Haftjahre, die am<br />
23. Dezember 1960 endeten. In einer Dokumentation „Der Prozeß gegen<br />
Walter Janka und andere“ (Reinbek 1990) sind die von der „Staatssicherheit“<br />
angefertigten Vernehmungsprotokolle gesammelt.<br />
Gustav Just, geboren 1921 in Gablonz/Böhmen, war der zweite Vertreter der<br />
„antistalinistischen Opposition“, der über seinen Fall berichtete. Sein Buch,<br />
das mit einem Vorwort des Schriftstellers Christoph Hein versehen ist, trägt<br />
den Titel „Zeuge in eigener Sache“ (Berlin und Frankfurt/Main 1990); es<br />
besteht, da zu verschiedenen Zeiten geschrieben, aus mehreren Schichten<br />
und zeigt die wechselnden Perspektiven seines Verfassers. Da ist einmal das<br />
„Tagebuch 1957/1989“, das noch vor der Verhaftung, am 13. Februar 1957,<br />
begonnen und am 4. März abgebrochen wurde, die eingefügten Berichtigungen<br />
stammen vom Juli 1989. Das „Tagebuch 1962/1989“ setzt am 19. Juli 1962,<br />
nach der Haftentlassung, ein und reicht <strong>bis</strong> 18. August, auch hier gibt es<br />
erläuternde Einschübe vom Juli 1989. Der Bericht über die Haftzeit von knapp<br />
50 Seiten wurde im Sommer 1989 verfaßt. Gustav Just, zuletzt stellvertretender<br />
Chefredakteur der kulturpolitischen Wochenzeitung „Sonntag“, war zunächt,<br />
am 7./8. März 1957 als Zeuge im Prozeß gegen Wolfgang Harich vorgeladen,<br />
wurde aber im Zeugenstand verhaftet und am 26. Juli zu vier Jahren Zuchthaus<br />
verurteilt, die er in Bautzen verbrachte. Über diese Zeit hat er in seinem Buch<br />
knapp zehn Seiten geschrieben, obwohl er „Stoff für ein dickes Buch“ gehabt<br />
hätte. Dieses Schreibverhalten offenbart eine grundsätzliche Schwierigkeit<br />
ehemaliger Kommunisten, mit ihrer Vergangenheit umzugehen. Die Haftzeit,<br />
die im Leben eines Menschen immer eine tiefe Zäsur bedeutet, wird zu<br />
einer Randerscheinung erklärt, der Geschichte des Sozialismus zugehörig,<br />
aber ihn nicht widerlegend. Besonders deutlich wurde das an Wolfgang<br />
Harichs Buch „Keine Schwierigkeiten mit der Wahrheit“ (Berlin 1993), das<br />
gegen Walter Janka gerichtet war. Er berichtete über seine acht Haftjahre<br />
1956/64, einschließlich der Untersuchungshaft in Berlin und der beiden<br />
Prozesse, auf lediglich 21 Seiten und ordnete sie in die „Geschichte der<br />
nationalkommunistischen Opposition 1956 in der DDR“ (Untertitel) ein. Eine<br />
Auseinandersetzung mit dem Kommunismus aus der Sicht des Opfers fand<br />
nicht statt. Dafür ist Wolfgang Harichs Buch wie das Gustav Justs angereichert<br />
mit unbekannten Dokumenten aus der Oppositionsgeschichte der fünfziger<br />
Jahre.<br />
Ein Buch, das erst nach der Wende erscheinen konnte, war Wolfgang Kießlings<br />
Bericht „Der Fall Baender“ (Ost-Berlin 1991). Der Ost-Berliner Historiker,<br />
<strong>bis</strong> 1989 Mitarbeiter des „Instituts für Marxismus-Leninismus“ und Spezialist<br />
für die Geschichte des kommunistischen Exils in Mexiko 19<strong>49</strong>/45, war mit