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Der Kommunalverfassungsstreit - Ja-Aktuell

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AUFSATZ Öffentliches Recht Verwaltungsprozessrecht<br />

hafte Klageart kann damit nur eine der in der VwGO geregelten<br />

oder vorausgesetzten Klagearten sein.<br />

Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage kommen nur dann in<br />

Betracht, wenn die jeweils in Streit stehenden organschaftlichen<br />

Beziehungen durch VA geregelt werden können. Da die Maßnahmen<br />

im Verhältnis zwischen kommunalen Organen oder Organteilen,<br />

um die im <strong>Kommunalverfassungsstreit</strong> gestritten wird,<br />

verwaltungsinterner Natur sind, liegt mangels Außenwirkung<br />

kein VA iSd § 35 VwVfG vor; iRv <strong>Kommunalverfassungsstreit</strong>igkeiten<br />

ist daher niemals die Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage<br />

einschlägig. 20<br />

Vielmehr kommen in erster Linie die allgemeine Leistungsklage<br />

(vgl §§ 43 II, 113 IV VwGO) und die Feststellungsklage (§ 43<br />

I VwGO) in Betracht. Die allgemeine Leistungsklage ist auf ein<br />

Tun, Dulden oder Unterlassen des Klagegegners gerichtet. 21 Beispiele<br />

hierfür sind die Aufnahme eines Verhandlungsgegenstands<br />

auf die Tagesordnung oder die Anordnung eines Rauchverbots.<br />

22 Die Feststellungsklage ist demgegenüber immer dann<br />

die richtige Klageart, wenn es um das Bestehen oder Nichtbestehen<br />

eines (Innen-)Rechtsverhältnisses geht. 23 Ein solches Rechtsverhältnis<br />

ergibt sich aus den Rechtsbeziehungen zwischen streitenden<br />

Organen und/oder Organteilen, die sich aus der Anwendung<br />

kommunalverfassungsrechtlicher Normen auf den Sachverhalt<br />

ergeben; die gegenseitigen Rechte und Pflichten zwischen<br />

den Streitparteien stellen stets ein Rechtsverhältnis idS dar. 24 Da<br />

erwartet werden kann, dass das im <strong>Kommunalverfassungsstreit</strong><br />

unterliegende Organ sich rechtstreu verhalten wird und einem<br />

Feststellungsurteil auch ohne Vollstreckungsmaßnahmen Folge<br />

leisten wird, gilt die Subsidiarität der Feststellungsklage (§ 43 II<br />

VwGO) in solchen Fallen nicht. 25 Beispiele für diese Rechtsschutzmöglichkeit<br />

sind die Feststellung der Rechtswidrigkeit<br />

einer Wahl innerhalb eines Organs (zB Wahl zum Vorsitzenden<br />

der/des Gemeindevertretung/Gemeinderats) 26 oder die Feststellung<br />

der Rechtswidrigkeit eines Sitzungsausschlusses. 27 Vergangene<br />

Rechtsverhältnisse sind ebenfalls feststellungsfähig, sofern<br />

sie in die Gegenwart fortwirken oder aus anderen Gründen ein<br />

Interesse an ihrer Feststellung fortbesteht, so dass auch bereits<br />

abgeschlossene Maßnahmen Gegenstand einer Feststellungsklage<br />

sein können. 28 Eines Rückgriffs auf die Fortsetzungsfeststellungsklage<br />

in analoger Anwendung des § 113 I 4 VwGO bedarf<br />

es also nicht. 29<br />

Schließlich kann auch die Normenkontrolle nach § 47 VwGO<br />

statthafte Rechtsschutzmöglichkeit iRe <strong>Kommunalverfassungsstreit</strong>s<br />

sein. 30 So kann bspw die Geschäftsordnung eines kommunalen<br />

Vertretungsorgans oder eine vergleichbare Rechtsnorm<br />

auf diesem Weg angegriffen werden. 31<br />

Einstweiliger Rechtsschutz ist im <strong>Kommunalverfassungsstreit</strong>verfahren<br />

ebenfalls möglich. Sofern es sich in der Hauptsache<br />

um eine Feststellungs- oder Leistungsklage handelt, richtet<br />

er sich nach § 123 VwGO. Für die Normenkontrolle enthält<br />

§ 47 VwGO mit seinem Abs 6 eine Sonderregelung.<br />

III. Klagebefugnis<br />

Für die allgemeine Leistungsklage bedarf es nach wohl überwiegender<br />

Ansicht der Klagebefugnis analog § 42 II VwGO. 32 Für die<br />

Feststellungsklage wird die Notwendigkeit der Klagebefugnis<br />

zumindest von der Rspr, aber auch von Teilen der Lit bejaht. 33<br />

Beim Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO richten sich die<br />

Zulässigkeitsvoraussetzungen nach den dafür geltenden Spezialvorschriften,<br />

34 sodass die Antragsbefugnis nach § 47 II 1 VwGO<br />

vorliegen muss, wobei hierfür entsprechende Grundsätze wie für<br />

die Klagebefugnis nach § 42 II VwGO gelten. 35<br />

Um iRe <strong>Kommunalverfassungsstreit</strong>s klage- bzw antragsbefugt<br />

zu sein, muss das klagende Organ oder Organteil geltend<br />

machen können, in seinen eigenen subjektiven Organ- oder Mitgliedschaftsrechten<br />

verletzt zu sein; es ist in diesem Zusammenhang<br />

grds unzulässig, sich auf individuelle Rechte (zB Grundrechte)<br />

oder eine objektive Rechtsverletzung zu berufen. 36 Beispiele<br />

für subjektive Organ- oder Mitgliedschaftsrechte können<br />

das Recht einer Gemeinderatsfraktion, in den Ausschüssen entsprechend<br />

ihrer Fraktionsstärke berücksichtigt zu werden, 37 oder<br />

das Recht des einzelnen Gemeindevertreters auf Anwesenheit in<br />

der Sitzung, Teilnahme an der Beratung und auf Stimmabgabe<br />

sein. 38<br />

§ 42 II VwGO eröffnet die Möglichkeit, abweichende gesetzliche<br />

Regelungen zur Klagebefugnis zu treffen, dh die Klagebefugnis<br />

in bestimmten Fällen auszuschließen. Eine derartige Ausnahme<br />

kann auch durch Landesgesetz festgelegt werden. 39 Das<br />

bedeutet, dass die Bundesländer in ihren Gemeindeordnungen<br />

Fälle normieren können, bei denen im <strong>Kommunalverfassungsstreit</strong><br />

keine Klagebefugnis erforderlich ist. Ein Beispiel hierfür ist<br />

§ 55 VI HGO, der jedem Gemeindevertreter die Möglichkeit der<br />

Anfechtung von Wahlen, die von der Gemeindevertretung durchgeführt<br />

werden, einräumt. Es handelt sich dabei um ein objektives<br />

Beanstandungsrecht, 40 so dass es in solchen Fallkonstellationen<br />

nicht auf eine Verletzung subjektiver Rechte ankommt.<br />

IV. Feststellungsinteresse<br />

Sofern der <strong>Kommunalverfassungsstreit</strong> in Form einer Feststellungsklage<br />

geführt wird, ist das Vorliegen des Feststellungsinteresses<br />

erforderlich. Allgemein muss der Kl dafür ein rechtliches<br />

oder schutzwürdiges tatsächliches – insb wirtschaftliches oder<br />

ideelles – Interesse nachweisen können. 41 Da Innenrechtssubjekte<br />

im Gegensatz zu Außenrechtssubjekten keine ideellen oder<br />

wirtschaftlichen Interessen haben können, sind sie von vornherein<br />

darauf beschränkt, Funktionsinteressen der Organisation<br />

wahrzunehmen. 42 Das Feststellungsinteresse ist zu bejahen,<br />

wenn schutzwürdige Funktionsinteressen auf dem Spiel stehen,<br />

was vor allem bei bestehender Klagebefugnis regelmäßig der<br />

Fall sein dürfte.<br />

Richtet sich die Klage auf die Feststellung eines in der Vergangenheit<br />

liegenden Rechtsverhältnisses, ist ein Feststellungs-<br />

20 Dazu und zu den gegen die Gegenansicht sprechenden Argumenten im Einzelnen<br />

Erichsen/Biermann Jura 1997, 157, 161 mwN<br />

21 Happ in: Eyermann, VwGO, 11. Aufl, 2000, § 42 Rn 62<br />

22 Birkenfeld-Pfeiffer/Gern (Fn 1) Rn 613; vgl auch OVG Münster DVBl 1983, 53, 54<br />

23 Erichsen/Biermann Jura 1997, 157, 161 mwN; vgl auch VGH Mannheim DÖV 1983,<br />

862, 862; VGH München BayVBl 1988, 16, 16<br />

24 Erichsen/Biermann Jura 1997, 157, 161 mwN<br />

25 Birkenfeld-Pfeiffer/Gern (Fn 1) Rn 613; vgl auch Hufen (Fn 13) § 21 Rn 14<br />

26 VGH Kassel HessVGRspr 2002, 9<br />

27 VGH Kassel NVwZ 1982, 44<br />

28 Erichsen/Biermann Jura 1997, 157, 161 f; Kopp/Schenke (Fn 14) § 43 Rn 18<br />

29 So aber Ehlers NVwZ 1990, 105, 107; Hufen (Fn 13) § 21 Rn 14; aA Erichsen/Biermann<br />

Jura 1997, 157, 162<br />

30 Dazu und zum Folgenden Hufen (Fn 13) § 21 Rn 15<br />

31 Vgl BVerwG NVwZ 1988, 1119<br />

32 BVerwGE 36, 192, 199; Hufen (Fn 13) § 17 Rn 13; Schenke Verwaltungsprozessrecht,<br />

8. Aufl, 2002, Rn 492; Schmitt Glaeser/Horn Verwaltungsprozessrecht, 15. Aufl<br />

Rn 387; Würtenberger Verwaltungsprozessrecht, 1998, Rn 390<br />

33 Vgl zB BVerwG NVwZ 1989, 470, 470; NVwZ 1991, 470, 471; DVBl 1995, 1250, 1250;<br />

NJW 1996, 2046, 2048; Happ in: Eyermann (Fn 21) § 43 Rn 4; Ehlers NVwZ 1990, 105,<br />

111; Birkenfeld-Pfeiffer/Gern (Fn 1) Rn 615; zumindest für verwaltungsprozessuale<br />

Organklagen auch Hufen (Fn 13) § 18 Rn 29; Würtenberger (Fn 32) Rn 426; aA Kopp/<br />

Schenke (Fn 14) § 42 Rn 63 mwN; Schenke (Fn 32) Rn 492; Schmitt Glaeser/Horn<br />

(Fn 32) Rn 341<br />

34 Vgl Hufen (Fn 13) § 21 Rn 15<br />

35 Kopp/Schenke (Fn 14) § 47 Rn 46<br />

36 Birkenfeld-Pfeiffer/Gern (Fn 1) Rn 615<br />

37 Knemeyer Bayerisches Kommunalrecht, 10. Aufl, 2000, Rn 287<br />

38 Knemeyer (Fn 37) Rn 213<br />

39 Kopp/Schenke (Fn 14) § 42 Rn 180<br />

40 VGH Kassel HessVGRspr 2002, 9, 12<br />

41 Happ in: Eyermann (Fn 21) § 43 Rn 30<br />

42 Dazu und zum Folgenden Ehlers NVwZ 1990, 105, 111<br />

JA 2004 · Heft 5 415

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