Der historische Jesus und die Kirche - Kerber-Net
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<strong>Der</strong> <strong>historische</strong> <strong>Jesus</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Kirche</strong><br />
1. Die Exegese fragt nach den <strong>historische</strong>n Bedingungen, Hintergründen <strong>und</strong> Möglichkeiten, <strong>die</strong> es<br />
in der zeit des Wirkens Jesu in dem damaligen Judentum für <strong>die</strong> Entstehung der christlichen <strong>Kirche</strong><br />
gab. Dass zwischen <strong>Jesus</strong> von Nazaret <strong>und</strong> der nachösterlichen Urgemeinde ein Zusammenhang<br />
besteht, ist nicht zu bestreiten. Die Frage ist jedoch, welcher Art <strong>die</strong>ser Zusammenhang ist.<br />
Hier spielt <strong>die</strong> schlich-methodologische Unterscheidung zwischen dem „<strong>historische</strong>n <strong>Jesus</strong>“ <strong>und</strong><br />
dem „Christus des Glaubens“ eine Rolle.<br />
2. Das >Judentum zur Zeit Jesu <strong>und</strong> der Urgemeinde ist keine einheitliche Größe <strong>und</strong> befindet<br />
sich offenk<strong>und</strong>ig in einer tiefgehenden Krise. <strong>Der</strong> Beginn <strong>die</strong>ser Krise lässt sich wohl mit dem Hellenisierugsversuch<br />
<strong>und</strong> der Religionsverfolgung des Antiochus IV. Epiphanes 167 v. Chr. datieren,<br />
ihr Ende 70 n. Chr. Bzw. 135 n. Chr. (Ende des Bar-Kochba-Aufstandes). Während <strong>die</strong>ser Epoche<br />
entstehen auch <strong>die</strong> verschiedenen Religionsparteien der Sadduzäer, Pharisäer, Essener <strong>und</strong> Zeloten.<br />
Zu ihrer Beurteilung sind drei Kriterien wichtig: Die Einstellung a) zur Thora; b) zur Apokalyptik;<br />
c) zur Fremdherrschaft.<br />
3. Die Taufbewegung Johannes des Täufers <strong>und</strong> <strong>die</strong> Reich-Gottes-Bewegung Jesu gehören in <strong>die</strong>se<br />
Krisenzeit hinein <strong>und</strong> müssen auf <strong>die</strong>sem Hintergr<strong>und</strong> gesehen werden. Sie sind Spielarten der<br />
jüdischen Religionsparteien, allerdings mit eigenständigem Programm, das man am besten mit<br />
dem Stichwort „Buße“, „Umkehr“ (metanoia) bezeichnen kann. Israel ist nur dann vor der nahenden<br />
Endkatastrophe zu retten, wenn es eine radikale Umkehr vollzieht. Also „apokalyptische Bußbewegung“<br />
mit prophetisch-religiösem Einschlag ohne politische (antirömische) Spitze. Wir finden<br />
in den <strong>Jesus</strong>traditionen keine Äußerungen gegen <strong>die</strong> römische Besatzungsmacht.<br />
4. <strong>Jesus</strong> von Nazaret verkündet <strong>die</strong> Nähe des Reiches Gottes (vg. Mk 1,14f.), <strong>und</strong> zwar Gottes<br />
Heils- <strong>und</strong> Rettungsangebot in letzter St<strong>und</strong>e. Hier ist, ähnlich wie bei der Propheteninterpretation,<br />
davon auszugehen, dass <strong>Jesus</strong> keine überzeitliche Lehre vertreten hat, sondern eine konkrete,<br />
zeitgeschichtlich <strong>und</strong> geographisch gezielte Botschaft auszurichten hatte, <strong>die</strong> sich auch an einen<br />
gezielten Adressatenkreis wendet. Adressaten sind <strong>die</strong> söhne Israels, <strong>die</strong> Juden damals, vgl. Mt.<br />
10,5bf.: „Auf den Weg der Heiden begebt euch nicht <strong>und</strong> eine Samariterstadt betretet nicht; geht<br />
vielmehr zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel“. Gelegentliche Begegnung mit Heiden<br />
(Syrophönikierin, Hauptmann von Kafarnaum9 spricht nicht dagegen. Wenn <strong>Jesus</strong> an eine Berufung<br />
der Heiden gedacht hat, dann ähnlich wie Jes 2. 1-5.<br />
5. Jesu Botschaft von der nahen Heilsherrschaft Gottes wendet sich an ganz Israel („virtueller<br />
Universalismus“), ohne Unterschied der Parteizugehörigkeit, freilich mit einer betonten Zuwendung<br />
zu jenen Gruppen, von denen man weithin dachte, dass sie vom Endheil ausgeschlossen<br />
wären, <strong>die</strong> „verlorenen Schafe des Hauses Israel“, <strong>die</strong> Zöllner, sünder, Armen, Trauernden etc.<br />
Gerade sie sollen am Endheil Anteil gewinnen.<br />
6. Die Botschaft Jesu hatte offenk<strong>und</strong>ig eine sozialisierende, Gruppen bildende Kraft. Sie bewirkte,<br />
dass sich „Anhänger Jesu“ einfanden, „Jünger“. <strong>Jesus</strong> ruft Menschen zu sich, in seine Nähe,<br />
fordert sie zur Nachfolge auf. Er agiert als Wanderprediger, ohne festen Wohnsitz. Ihm geht es<br />
um möglichst große Verbreitung der Botschaft.<br />
7. Es kommt zur Bildung des „Zwölferkreises“ (Lk 3,13-19 par.), der eine eschatologische Größe<br />
darstellt, nämlich den Ansruch Jesu auf <strong>die</strong> Gesamtheit Israels <strong>und</strong> <strong>die</strong> Absicht, den alten<br />
Zwölferstämmeverband wieder herzustellen. Zugleich werden <strong>die</strong> Zwölf an der verkündigung Jesu<br />
mitbeteiligt, vgl. <strong>die</strong> Aussendung der Zwölf Mk 6, 7-13 par., besonders Mt 10. Die Zwölf werden<br />
herangezogen als Multiplikatoren der Verkündigung.<br />
8. Die Frage nach dem „Messiasbekenntnis“ des Petrus bei CVaesarrea Philippi (Mk 8, 27-30; vgl.<br />
Mt 16, 13-20; Lk 9, 18-21) ist nicht ganz leicht zu beantworten. Klar ist, dass <strong>die</strong> Markusfassung<br />
<strong>die</strong> ältere ist, <strong>die</strong> nur das Bekenntnis des Petrus berichtet, aber kein Petruswort Jesu. Ihr dürfte<br />
ein <strong>historische</strong>r Kern zukommen. Dagegen ist <strong>die</strong> berühmte Petrusverheißung Mt, 16, 16-19 ohne<br />
Zweifel nachgetragen <strong>und</strong> eine nachösterliche Bildung.<br />
9. Ein entscheidender Schritt zur Entstehung einer eigenen <strong>Jesus</strong>-Gruppe innerhalb des damaligen<br />
Judentums ist vor allem in der Konfliktsituation zu sehen, <strong>die</strong> sich gegenüber <strong>Jesus</strong> zunehmend
herauskristallisierte. <strong>Jesus</strong> wird zum „Zeichen des Widerspruchs“. Diese Konfliktsituation wird in<br />
allen Evangelien herausgearbeitet (Sabbatkonflikte; Gesetzesauslegung Jesu; Pharisäer). Ein<br />
Hauptpunkt, der zum Konflikt führt, ist aber gerade das Mahl, <strong>die</strong> Tischgemeinschaft Jesu mit den<br />
Zöllnern <strong>und</strong> Sündern, also ein zentraler Punkt seines Wirkens. <strong>Der</strong> Konflikt macht <strong>die</strong> Entscheidung<br />
deutlich. Er schließt <strong>die</strong> Gruppe enger um <strong>Jesus</strong> zusammen. Er bewirkt bei Jesu Anhängern<br />
auch eine größere Entschiedenheit <strong>und</strong> Bewusstheit ihrer Anhängerschaft; so kommt es zu einem<br />
bewussten <strong>Jesus</strong>bekenntnis.<br />
10. <strong>Der</strong> letzte ausschlaggebende Gr<strong>und</strong>, der zur Bildung einer Messias-<strong>Jesus</strong>-Gemeinde führt, war<br />
Jesu Tod am Kreuz <strong>und</strong> der Osterglaube. Nach Ostern gewinnt <strong>die</strong> neue Gruppe gerade in ihrer<br />
Bindung an <strong>Jesus</strong> ein eigenständiges Profil. <strong>Der</strong> Großteil der Judennimmt <strong>die</strong> Botschaft der neuen<br />
Gruppe nicht an; dafür hat <strong>die</strong>se um so größeren Erfolg bei hellenistischen Juden <strong>und</strong> schließlich<br />
bei den Heiden.<br />
Josef Blank<br />
Josef Blank in: konzepte 7, Materialien für den Religionsunterricht in der Sek<strong>und</strong>arstufe II, Frankfurt/M.<br />
(Diesterweg) 1981, S. 17f.<br />
Die Zusammenfassung zu <strong>die</strong>sem Text findet sich in der Datgei: <strong>Jesus</strong>_<strong>Kirche</strong>_fol.doc<br />
<strong>Jesus</strong>_<strong>Kirche</strong>_Blank_txt.doc<br />
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