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Besteht ein Widerspruch zwischen Inklusion und Diagnostik?

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deutliche Veränderung in der pädagogischen Situation des Kindes. Meist war<br />

diese Veränderung mit <strong>ein</strong>er segregativen Beschulung verb<strong>und</strong>en. B<strong>und</strong>esweit<br />

wurden im Schuljahr 2010/11 nur 22,2 % aller Schüler mit sonderpädagogischem<br />

Förderbedarf integrativ beschult, also 77,8 % in segregativen Einrichtungen<br />

3 . Die förmliche Feststellung des Förderbedarfs be<strong>ein</strong>flusst in den meisten<br />

B<strong>und</strong>esländern die Zuweisung von Förderst<strong>und</strong>en durch Sonderpädagogen.<br />

Passt <strong>ein</strong>e solche Feststellungs- <strong>und</strong> Ressourcenzuordnungsdiagnostik zu <strong>ein</strong>er<br />

inklusiven Schule?<br />

Diese Frage ist für die Mehrheit der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf<br />

ausdrücklich zu vern<strong>ein</strong>en. Gründe hierfür sind: Jegliche Form von Feststellungsdiagnostik<br />

geht von der Annahme aus, es gäbe zwei <strong>ein</strong>deutig abgrenzbare<br />

Kategorien von Schülern: Schüler mit <strong>und</strong> ohne sonderpädagogischem<br />

Förderbedarf <strong>und</strong> diese seien über Ist-Standsmessungen von Parametern wie<br />

Schulleistungen, Intelligenz, Sprachentwicklung trennscharf zu unterscheiden.<br />

Diese Annahmen sind nicht zutreffend <strong>und</strong> wenig hilfreich für <strong>Inklusion</strong>. Erörterungen<br />

von Fehlannahmen, die üblichen Feststellungsdiagnosen zugr<strong>und</strong>e liegen<br />

(naturalistischer Fehlschluss, Problematik der mangelnden prognostischen<br />

Validität von Ist-Stands-Daten, Problematik von Fehlerwahrsch<strong>ein</strong>lichkeiten),<br />

sind im Rahmen dieses Textes nicht möglich, finden sich aber in der <strong>ein</strong>schlägigen<br />

Fachliteratur.<br />

Im Kontext von <strong>Inklusion</strong> ist festzuhalten: Traditionelle Feststellungsdiagnostik<br />

ist bezogen auf die Förderschwerpunkte Lernen, Sprache <strong>und</strong> soziale<br />

emotionale Entwicklung letztlich <strong>ein</strong>e »wait-to-fail-<strong>Diagnostik</strong>«. Kinder, die<br />

vorschulisch oder schulisch Entwicklungsbedingungen ausgesetzt sind, die erhebliche<br />

Risiken für ihre Entwicklung b<strong>ein</strong>halten, werden erst sonderpädagogisch<br />

gefördert nach <strong>ein</strong>er lang anhaltenden Phase des Abwartens <strong>und</strong> häufig<br />

auch des schulischen Scheiterns.<br />

Im Förderschwerpunkt Lernen gilt in Deutschland <strong>ein</strong> Schüler erst als sonderpädagogisch<br />

förderungsbedürftig, wenn schwerwiegende, umfassende <strong>und</strong><br />

lang andauernde Schulleistungs- <strong>und</strong> Entwicklungsrückstände vorliegen. Aufgabe<br />

von sonderpädagogischer <strong>Diagnostik</strong> innerhalb <strong>ein</strong>es segregativen Schulsystems<br />

ist es de facto meist, diese Rückstände reliabel <strong>und</strong> valide als Basis für<br />

Verwaltungsakte zu belegen. Iskenius, Emmler <strong>und</strong> Nußbeck 4 zeigten anhand<br />

3 T. Dietze, Zum Stand der sonderpädagogischen Förderung in Deutschland, Zeitschrift für<br />

Heilpädagogik, 63 (1), 2012, S. 26-31.<br />

4 H. Iskenius-Emmler, S. Nußbeck, S. Haust<strong>ein</strong>, Verordnung zu Feststellung des sonderpäda-<br />

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