Welt ~ Bild ~ Theater - Orbis Pictus ~ Theatrum Mundi
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1. Sektion: Paradigmenwechsel<br />
Stichworte zur Sektion Paradigmenwechsel<br />
- Veränderungen oder Brüche (Paradigmenwechsel) im <strong>Bild</strong> der <strong>Theater</strong>wissenschaft<br />
- Veränderungen oder Brüche im <strong>Bild</strong> des <strong>Theater</strong>s<br />
- Linguistic turn vs. Pictorial turn<br />
- Fragen der <strong>Theater</strong>geschichtsschreibung<br />
- Theatralität und Performativität als Tropen<br />
- Relation zwischen <strong>Welt</strong>bild und <strong>Welt</strong> als Bühne<br />
- Dynamiken von <strong>Welt</strong>bildern und Theatralität im Global Age<br />
Seitdem Thomas Kuhn 1964 des Konzept vom Paradigmenwechsel<br />
eingeführt hat, um bedeutsame Verwandlungen<br />
(bzw. „Revolutionen“) im „<strong>Bild</strong> der Wissenschaft“ (Kuhn) #13<br />
zu kennzeichnen und damit die Geschichtsschreibung selbst<br />
zu revolutionieren, sind die Geistes- und Kulturwissenschaften<br />
zunehmend mit Erklärungen von jeweils neuen ‚turns’<br />
konfrontiert. Hat der linguistic turn (Rorty) noch ein erhebliches<br />
Potential an wissenschaftlicher Textproduktion nach sich<br />
gezogen, stellen sich bei weiteren ‚turns’ gelegentlich Müdigkeitserscheinungen<br />
ein, weil man sich an Marketingstrategien<br />
erinnert fühlt (Böhm, Iconic Turn. Ein Brief, 2007, 28) #14.<br />
Aus diesem Grund lädt die erste Sektion dazu ein, neue Arten<br />
des wissenschaftlichen Fragens, die sich im Zusammenhang<br />
mit dem Kongressthema nicht zuletzt auch auf den pictorial<br />
turn (Mitchell) beziehen, kritisch und aufmerksam einer<br />
besonderen Prüfung zu unterziehen. Wie Thomas Kuhn, so<br />
kritisierte auch Michel Foucault die Idee einer Kontinuität des<br />
Denkens und damit eine sukzessive, kausale und globale Geschichtsschreibung<br />
oder Wissenschaftsgeschichte. Mit seinem<br />
Grundriss einer „Archäologie des Wissens“ führte er Konzepte<br />
ein, die helfen sollten, die Diskontinuitäten in der Geschichte<br />
des Denkens zu verstehen: Konzepte wie das des Bruchs,<br />
des Unterschieds, der Transformation oder der Schwelle .#15<br />
Im Hinblick auf die Praxis der Analyse plädierte er für die Erforschung<br />
der Episteme. Damit ist die Gesamtheit aller Verbindungen<br />
gemeint, auf denen unsere Annahmen, Normen,<br />
Urteile und Schlussfolgerungen zu unterschiedlichen Zeiten<br />
und an unterschiedlichen Orten basieren. Bezogen auf die<br />
Episteme in einzelnen wissenschaftlichen Disziplinen spricht<br />
Foucault von Tropen, d.h. Wissensformeln. Dieses umfassende<br />
Verständnis von Paradigmen, welches die Analyse<br />
von Epistemen einschließt, wirft verschiedene Fragen auf,<br />
die im Verlauf des Kongress zur Debatte stehen. An erster<br />
Stelle sieht die Sektion „Paradigma“ vor, die Einführung von<br />
theatralischen Tropen wie denen der „Performativität“ (bzw.<br />
„performative turn: E. Fischer-Lichte 2003 #16 2001 #17<br />
2005 18) oder der „Theatralität“ zur Beschreibung epistemologischer<br />
Verschiebungen oder verschiedener „Denkstile“<br />
(Schramm 2003a #19) b #20 zu verschiedenen Zeiten in der<br />
Wissenschaftsgeschichte zu überdenken. Dies impliziert z.B.<br />
auch die Frage nach der engen Beziehung zwischen Bühnenform<br />
und Blick als abbildende Konfiguration von Denkweisen.<br />
Ein weiterer Schwerpunkt wird durch die Auseinandersetzung<br />
mit dem Konzept des <strong>Welt</strong>bilds bestimmt. Heidegger fragte<br />
sich, ob jedes Zeitalter sein eigenes ‚<strong>Welt</strong>bild‘ habe. Seine<br />
Definition des Konzepts beschreibt das Zeitalter der Moderne<br />
als das Zeitalter der Repräsentation der <strong>Welt</strong> im <strong>Bild</strong> und als<br />
<strong>Bild</strong>. Für ihn bestand der zentrale Gestus der Neuzeit sogar<br />
in der Eroberung der <strong>Welt</strong> als <strong>Bild</strong>. Hiermit ist nicht wörtlich<br />
ein bestimmtes <strong>Bild</strong> von der <strong>Welt</strong> gemeint, sondern ein Verständnis<br />
von der <strong>Welt</strong> in ihrer Gesamtheit (d.h. Natur und<br />
Geschichte) als <strong>Bild</strong>. (Heidegger 1938 #21.) Im Anschluss an<br />
Heideggers Definition lässt sich fragen, inwiefern die gegenwärtige<br />
Krise der Repräsentation zu einer Krise des „<strong>Welt</strong>bildes“<br />
führt. Mögliche Antworten könnten in der Simultanität<br />
von einer Vielzahl von <strong>Welt</strong>bildern liegen, in der Existenz<br />
widerstreitender <strong>Welt</strong>bilder, oder in der Suche nach <strong>Welt</strong>bildern,<br />
die von ‚anderen‘ Standpunkten aus formuliert werden.<br />
Welchen heuristischen Stellenwert könnte das alte Konzept<br />
von <strong>Theatrum</strong> <strong>Mundi</strong> innerhalb dieses Problemzusammenhangs<br />
einnehmen? Oder wird es umgekehrt durch Veränderungen<br />
bzw. paradigmatische Revolutionen von <strong>Welt</strong>bildern<br />
in eine neue Rolle gedrängt? Viertens schließlich stehen die<br />
Veränderungen unserer Auffassungen von <strong>Theater</strong> und Theatralität<br />
im Zuge von Paradigmenwechseln zur Diskussion:<br />
Sind wir im Zeitalter der Befreiung von der Sinnestäuschung<br />
angelangt, die das <strong>Theatrum</strong> Philosophicum – wie Foucault<br />
sich ausdrückte (1970) #22 – in ein echtes Ereignis transformiert?<br />
Ein Ereignis, das einer „Logik des Sinns“ (Deleuze<br />
1969) #23 gehorcht und ein Artaudsches <strong>Theater</strong> der simultanen<br />
Bühnen und tanzenden Körper hervorbringt? Anders<br />
gefragt: Wird das <strong>Theater</strong> in einer Zeit, die das Ende der<br />
Repräsentation behauptet, zum Fest, wie Rousseau es sich<br />
wünschte? Worin könnte auf der anderen Seite der Einsatz<br />
von Theatralität im Sinne eines Denkstils bestehen, wenn<br />
es um Grenzverschiebungen oder Überschreitungen fixierter<br />
<strong>Welt</strong>bilder geht? Inwiefern können die <strong>Theater</strong>wissenschaft<br />
und die <strong>Theater</strong>praxis einen Beitrag hierzu leisten? Wenn wir<br />
schließlich davon ausgehen, dass <strong>Theater</strong>aufführungen und<br />
<strong>Theater</strong>ereignisse in der Lage sind, Regionen und <strong>Welt</strong>en zu<br />
imaginieren oder vorzustellen, dann schließt sich die Frage<br />
an, inwieweit das <strong>Theater</strong> dazu beitragen kann herauszufinden,<br />
wie andere die <strong>Welt</strong> sehen. Wie sieht die <strong>Welt</strong> aus, wenn<br />
man sie von anderen Orten aus betrachtet?<br />
2. Sektion: Methoden<br />
Stichworte zur Sektion Methoden<br />
- <strong>Theater</strong>wissenschaft und kritische Ikonologie<br />
- Visualität und /als Methode<br />
- Pictorial Turn und theaterhistoriographische Forschung<br />
- <strong>Bild</strong>- und Textbasierte Methoden, <strong>Theater</strong>(forschung) jenseits von Textualität<br />
- Dokumentationsweisen von Bühnenereignissen<br />
- <strong>Theater</strong>ikonographie<br />
- Zuschauerforschung<br />
- Künstlerische Praxis als Forschung<br />
- Methoden einer Dramaturgie des <strong>Bild</strong>es/ visuelle Dramaturgie<br />
Die <strong>Theater</strong>wissenschaft hat in den letzten 20 Jahren ihr Forschungsspektrum<br />
erheblich erweitert, indem sie ihre klassischen<br />
Gegenstandsbereiche um eine größere Bandbreite<br />
an ästhetischen, politischen und kulturellen Praktiken ergänzt<br />
hat. Die wachsende Diversität und Reichweite der Forschungsfelder<br />
erfordert nicht nur eine größere methodische<br />
Reichweite des Faches, sondern auch eine erhöhte Sensibilität<br />
und Aufmerksamkeit für methodische Fragen. In diesem<br />
Zusammenhang ist es unerlässlich, die Möglichkeiten wie<br />
auch die Grenzen der vorhandenen Analyseinstrumentarien<br />
und der Forschungsziele im Auge zu behalten. Insbesondere<br />
die neuen ästhetischen und technologischen Praktiken der<br />
Visualisierung, die in den Wissenschaften wie auch in der<br />
gegenwärtigen <strong>Theater</strong>praxis zu beobachten sind, verlangen<br />
nach einer Neubetrachtung der Beziehungen zwischen Texten,<br />
<strong>Bild</strong>ern, Körpern und Medien. Die Neubertachtung kann<br />
die Möglichkeiten eines Denkens über, in und mit <strong>Bild</strong>ern<br />
nicht unberücksichtigt lassen. Einen Ausgangspunkt hierfür<br />
bietet das Feld der kritischen Ikonolgie (critical iconology).<br />
Ob Gottfried Böhms Aufforderung, <strong>Bild</strong>kritik und Sprachkritik<br />
(epistemologisch) aufeinander zu beziehen (2007 )#24;<br />
ob Hans Beltings Vorschlag einer anthropologischen <strong>Bild</strong>wissenschaft<br />
(2001 #25, 2005) #26), die <strong>Bild</strong>, Körper und<br />
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