Auenentwicklung am Inn seit Inbetriebnahme der Kraftwerkstufe ...

Schlussfolgerungen
Lokale topografische Eigenheiten tragen am Inn im Unterengadin massgeblich zur
Auenbildung und –dynamik bei: Grossflächige Sedimentablagerungen in der Talsohle
entstanden insbesondere in Abschnitten mit geringem Gefälle und vor natürlichen
Engpässen wie felsigen Einschnitten oder temporär durch zugeführtes Geschiebe
verengte Mündungsbereiche von Seitenbächen.
Die seit 1993 neu entstandenen Kiesbänke liegen mehrheitlich in den
althergebrachten Sedimentations- und Auenräumen.
Die ursprüngliche Wirkung der Seitenbäche auf das Haupttal wird heute allerdings
durch anthropogene Einflüsse geschmälert. Folglich dürfte die Breitenwirkung des
Inns heute auch bei starkem Hochwasser vielerorts empfindlich geringer ausfallen als
früher.
4. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK
Im Vergleich zum Zustand 1993, vor Inbetriebnahme der unteren Kraftwerkstufe, wurden
2010 in den Auen des Inns zwischen Pradella und Martina keine unerwünschten
Veränderungen festgestellt, welche auf die zusätzliche Wassernutzung zurückzuführen
wären. Die Entwicklung ökologischer Zeigerwerte in Dauerbeobachtungsflächen ergab
keinen Hinweis auf eine verminderte Wasserverfügbarkeit für die Pflanzen. Die
vergleichenden Vegetationskartierungen lieferten ebenfalls keinen Hinweis auf eine
Zunahme trockenerer Formationen zulasten der auentypischen Vegetation. Im offenen
Flussbereich kam es zudem nicht zu einem grossflächigen Einwachsen von Auenvegetation,
da die im Untersuchungszeitraum aufgetretenen mässigen Hochwasser ein breites
Abflussgerinne offen hielten.
Im Gegenteil, der Wegfall des täglichen Schwallbetriebs bei Pradella führte im
Untersuchungsgebiet zu aus ökologischer Sicht positiven Entwicklungen; der Inn hat sich
seither den Verhältnissen eines nicht genutzten Gebirgsflusses wieder angenähert. Der
Geschiebehaushalt hat sich markant verbessert und es haben sich grossflächig Kies-, Geröll-
und Sandbänke ausgebildet. Insbesondere bei den wichtigen Auengebieten, also den
althergebrachten Sedimentationsräumen, kam es zu beträchtlichen Geschiebeablagerungen.
Lokal könnten solche Auflandungen gar einen leichten Anstieg des für die Auenvegetation
wichtigen Grundwasserspiegels bewirkt haben, trotz der verminderten Abflussmenge.
Nachweislich profitiert vom verbesserten Geschiebehaushalt haben die jungen Stadien der
Auenvegetation, die auentypischen Pioniergesellschaften und Weidengebüsche. Diese
konnten an besetzter Fläche zulegen, was bedeutet, dass das Ausbreitungskontinuum von
Pionierarten wie etwa der Deutschen Tamariske heute wieder besser gewahrt ist.
Erfreulich gross präsentierte sich denn auch die für die jungen Auenformationen
lebenswichtige Dynamik im Flussbereich. Der Grossteil der Kiesbänke wird offensichtlich
auch bei mittleren Hochwassern überspült und teilweise umgelagert. Die Flächen mit
auentypischer Pioniervegetation wurden im Untersuchungszeitraum fast vollständig
umgesetzt, was zeigt, dass diese nicht einfach durch geringe Störung stationär erhalten
bleiben, sondern tatsächlich immer wieder neu entstehen. Folgerichtig verzeichneten auch
die Auen-Gebüsche eine grosse Dynamik.
Auenentwicklung am Inn seit Inbetriebnahme der Kraftwerkstufe Pradella – Martina (1993-2010) 15