Soldaten und Voyeure – Bilder vom Krieg
Soldaten und Voyeure – Bilder vom Krieg
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Karl Brousek<br />
MEDIENERZIEHUNG<br />
<strong>Soldaten</strong> <strong>und</strong> <strong>Voyeure</strong> <strong>–</strong> <strong>Bilder</strong> <strong>vom</strong> <strong>Krieg</strong><br />
Vom Krimkrieg bis zum Ausbruch des 2. Weltkriegs<br />
Um die Botschaft „Wir sind die Sieger“ zu<br />
überbringen, lief ein gewisser Pheidippides<br />
unter Einsatz seines Lebens von Marathon<br />
nach Athen. Eine teuer erkaufte Nachricht aus dem<br />
<strong>Krieg</strong> 490 v. Christus. Ungetrübte Motivation, gezielte<br />
Information <strong>und</strong> engagierte Anteilnahme der Bevölkerung<br />
am <strong>Krieg</strong>sverlauf waren den Mächtigen<br />
immer wichtig.<br />
Mit der Erfindung des Fotos <strong>und</strong> des Films wurden<br />
<strong>Bilder</strong> <strong>vom</strong> <strong>Krieg</strong> geschossen <strong>und</strong> verbreitet. Eine<br />
Interessengemeinschaft, gestrickt aus Motiven<br />
Propaganda, Geschäft, Sensationslust, Selbstdarstellung<br />
<strong>und</strong> Dokumentarismus, hatte sich verschworen.<br />
Wobei am Beginn dieses Weges die technischen<br />
Schwierigkeiten enorm waren. Noch zwanzig Jahre<br />
nach der Erfindung des Films konnte nur unter optimalen<br />
natürlichen Lichtverhältnissen gedreht <strong>und</strong><br />
die Kamera nur starr eingesetzt werden. Als aktuelles<br />
Berichterstattungsmedium war der Film noch in<br />
den Zwanzigerjahren ungeeignet <strong>und</strong> den Printmedien<br />
unterlegen.<br />
Roger Fenton gilt als einer der ersten Fotojournalisten<br />
der <strong>Krieg</strong>sberichterstattung. Seine zur Zeit des<br />
Krimkrieges im Jahre 1855 gemachten <strong>Bilder</strong> sind<br />
von den eingeschränkten technischen Möglichkeiten<br />
bestimmt. Die damals noch sehr langen Belichtungszeiten<br />
setzten ein Mindestmaß an Geduld der Akteure<br />
voraus <strong>und</strong> stellten die <strong>Bilder</strong> in ein nicht nachvollziehbares<br />
Spannungsfeld zwischen Authentizität<br />
<strong>und</strong> Inszenierung. 1<br />
Und dann gibt es da noch eine Vorgeschichte; der<br />
Krimkrieg war der erste Stellungskrieg, in dem mehr<br />
<strong>Soldaten</strong> durch die Cholera starben als in Kampfhandlungen.<br />
Die britisch-französische Allianz, die<br />
gegen die Russen kämpfte, konnte mit kriegstaktischen<br />
Leistungen punkten; aber sie leisteten sich<br />
auch peinliche Pleiten; <strong>und</strong> die deckte der <strong>Krieg</strong>sberichterstatter<br />
der „Times“ William Howard Russell <strong>–</strong><br />
der Archetyp dieser Profession <strong>–</strong> schonungslos auf.<br />
Für die britische <strong>Krieg</strong>sführung fand er wenig<br />
schmeichelhafte Worte, er geißelte sie als inkompetent<br />
<strong>und</strong> machte sich das militärische Oberkommando,<br />
die Regierung <strong>und</strong> das Königshaus zu Feinden.<br />
Der Gegenschlag war die Entsendung von Roger<br />
Fenton, dem treu ergebenen Hoffotografen Queen<br />
Viktorias, auf die Krim. Fenton beherrschte die komplizierte<br />
Technik der damals neuen Fotografie mit<br />
nassen Glasplatten. Dem „Neuen Medium“ Fotografie,<br />
das „wahr“ <strong>und</strong> „objektiv“ dokumentierte, wurde<br />
eine Chance geboten. Eine Chance, die klar eingeschränkt<br />
wurde. Prinz Albert erteilte Fenton den Rat<br />
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keine „dead bodies“ abzulichten. Der erste „embedded<br />
journalist“ hielt sich an diese Weisung. Selbst an<br />
Cholera erkrankt, kam er mit 390 belichteten Platten<br />
nach England zurück. Die <strong>Bilder</strong> konnten aus technischen<br />
Gründen erst zeitversetzt in den Zeitungen gedruckt<br />
werden. Roger Fentons Fotos blieben für die<br />
englische Propaganda bedeutungslos. 2<br />
Der amerikanische Bürgerkrieg (1861 <strong>–</strong> 1865)<br />
brachte einen wichtigen technischen Fortschritt für<br />
die <strong>Krieg</strong>sberichterstattung: den Telegrafen. Eine rasche,<br />
wenn auch störungsanfällige Übermittlung von<br />
Nachrichten über den aktuellen <strong>Krieg</strong>sverlauf <strong>vom</strong><br />
Schauplatz in die Redaktionen wurde möglich.<br />
Roger Fenton: William H. Russel, Times special correspondent.<br />
Aus: Roger Fenton, Crimean War Photographs Library of<br />
Congress, Prints & Photographs Division, Washington, D. C.,<br />
LC-USZC4-9183 (http://www.loc.gov). Siehe auch: Heise Verlag,<br />
Zeitschrift TELEPOLIS, München (http://www.heise.de/tp)<br />
Eine Weiterentwicklung der Fotografie wurde<br />
1871 durch Maddox, der eine Gelatineschichte auf<br />
Glas verwendete, geleistet <strong>und</strong> ab 1881 wurde eine<br />
qualitativ befriedigende Vervielfältigung möglich.<br />
Nach dem deutsch-französischen <strong>Krieg</strong> 1870/<br />
1871, an dem auch noch Maler als Berichterstatter<br />
teilnahmen, auf eigenen Antrag, oder als „embedded<br />
journalists“, kam eine besondere Mode auf. Die Panoramen,<br />
ein wiederbelebtes Projekt aus dem aus-<br />
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klingenden 18. Jahrh<strong>und</strong>ert, diesmal nicht gemalt,<br />
sondern fotografiert, wurden zur Publikumsattraktion<br />
in vielen Städten Europas. Im ersten optischen<br />
Massenmedium sah man neben Stadtansichten <strong>und</strong><br />
Landschaften auch <strong>Bilder</strong> <strong>vom</strong> <strong>Krieg</strong>. In Berlin zeigte<br />
das Nationalpanorama von 1881 bis 1883 Aufnahmen<br />
aus dem deutsch-französischen <strong>Krieg</strong>; der Zustrom<br />
<strong>und</strong> Publikumserfolg waren enorm.<br />
Der letzte <strong>Krieg</strong> des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts, der Burenkrieg,<br />
begann im Oktober 1899 fünf Jahre nach der<br />
Erfindung der Kinematografie. Während das „Bewegte<br />
Bild“ zu der neuen Attraktion am Unterhaltungssektor<br />
wurde, hatte man mit dem umständlichen<br />
Equipment <strong>und</strong> den sehr beschränkten Einsatzmöglichkeiten<br />
auf <strong>Krieg</strong>sschauplätzen keine Chance.<br />
Um dem Publikum dennoch <strong>Bilder</strong> bieten zu können,<br />
beschäftigte die Edison Company während des<br />
Burenkrieges eine Statistengruppe bei Orange/New<br />
Jersey. Diese spielten in Uniformen der Engländer<br />
<strong>und</strong> der Buren das <strong>Krieg</strong>sgeschehen nach. Das<br />
„Drehbuch“ wurde telegraphisch aus Kapstadt übermittelt.<br />
Zur gleichen Zeit drehten englische Korrespondenten<br />
mit erheblichem Risiko authentische<br />
Filmberichte. Diese haben die USA erst nach <strong>Krieg</strong>sende<br />
erreicht. 3 Zum Zeitpunkt ihres Eintreffens waren<br />
sie längst nicht mehr aktuell, die Inszenierung<br />
war schneller. Geschwindigkeit hatte über Authentizität<br />
gesiegt.<br />
Die Inszenierung als Ersatz für authentische Aufnahmen<br />
war in der Frühphase der Kinematographie<br />
eine übliche Form der Berichterstattung. So wurde<br />
1905 die Reportage einer wegen Gattenmordes verurteilten<br />
Frau „The Hanging of Mary Rogers“ nachgestellt.<br />
Die Filmaufnahmen von der Ermordung des<br />
US-Präsidenten McKinley am 6. September 1902 in<br />
Buffalo wurden von niemand geringerem als dem<br />
Filmpionier Georges Méliès in seinem Pariser Atelier<br />
inszeniert. Auch über den Chinesischen Boxeraufstand,<br />
der im Jahre 1900 begann, gibt es kein authentisches<br />
Filmmaterial <strong>–</strong> der Kampf um die Taku-Forts<br />
wurde unter Verwendung von Modellbauten von<br />
der US-Gesellschaft Edison Company produziert.<br />
In der Geschichte der Fotografie ist die Erfindung<br />
des Rollfilmes 1894 ein Meilenstein <strong>und</strong> weitere Innovationen<br />
folgten.<br />
Vom Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde die<br />
Pressefotografie überrascht <strong>und</strong> diese reagierte nur<br />
träge auf die aktuellen Geschehnisse. Darüber hinaus<br />
wurde den Pressefotografen <strong>vom</strong> <strong>Krieg</strong>sministerium<br />
besonders in der ersten Zeit der Zutritt zur<br />
Front verwehrt. Technisch wäre bereits vieles möglich<br />
gewesen <strong>–</strong> bis hin zur fahrbaren Dunkelkammer<br />
<strong>–</strong> die dann auch im Ersten Weltkrieg eingesetzt wurde.<br />
Die Machthaber nutzten mittels ihrer Haus- <strong>und</strong><br />
Hofberichterstattung das Bild, um die patriotischen<br />
Gefühle zu stärken, <strong>und</strong> wollten kein Risiko eingehen.<br />
Die Bildpostkarte wurde als effizientes Propagandamittel<br />
eingeführt <strong>und</strong> hat sich als meinungsbildendes<br />
Medium bewährt. Vorgegeben waren die Bot-<br />
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MEDIENERZIEHUNG<br />
Abbildung aus: WEIGEL, Hans / LUKAN, Walter / PEYFUSS,<br />
Max D., Jeder Schuß ein Ruß, jeder Stoß ein Franzos. Literarische<br />
<strong>und</strong> graphische <strong>Krieg</strong>spropaganda in Deutschland <strong>und</strong><br />
Österreich 1914 <strong>–</strong> 1918. Wien 1983.<br />
schaften in Bild <strong>und</strong> oft auch in Schrift <strong>–</strong> die individuellen<br />
privaten Nachrichten verstärkten ein Zerrbild<br />
von der Front oder halfen die Stimmung in der<br />
Heimat positiv zu beeinflussen. Die illustrierte Postkarte<br />
war ein erstklassiger Werbeträger.<br />
Selbst unabhängige Agenturen lieferten gefällige<br />
<strong>Bilder</strong> <strong>und</strong> keine aufrüttelnden Aufnahmen des <strong>Krieg</strong>es.<br />
Viele Fotos wurden während Gefechtspausen<br />
oder hinter den Linien in Sicherheit arrangiert aufgenommen.<br />
4<br />
Obwohl private Fotoapparate verboten waren,<br />
nahmen viele <strong>Soldaten</strong> eine kleine Kamera mit, zuerst<br />
unerlaubt, dann wurde in Ermangelung von<br />
Pressefotos das Fotografieren gestattet. Auch bei diesen<br />
Aufnahmen dominierten ruhige bis beschauliche<br />
Motive des Frontlebens; bis auf wenige Fotos waren<br />
diese für den <strong>Krieg</strong>sherren nicht unwillkommen. Ein<br />
Gegenbeispiel ist „Das Bild der Waffenruhe zu Weihnachten<br />
1914“, eines der bekanntesten Privatfotos aus<br />
dem Ersten Weltkrieg, welches die Verbrüderung in<br />
Schützengräben zeigt. 5<br />
Die filmische <strong>Krieg</strong>sberichterstattung über den<br />
Ersten Weltkrieg lag in Deutschland zunächst in privater<br />
Hand. Aus 64 Bewerbern wurden <strong>vom</strong> preußischen<br />
<strong>Krieg</strong>sministerium vier kommerzielle Filmfir-<br />
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men ausgewählt <strong>und</strong> zur Frontberichterstattung zugelassen.<br />
6 Ihr Einsatz war auf die Etappe <strong>und</strong> auf ruhige<br />
Frontabschnitte beschränkt. Die damals in den<br />
Wochenschauen gezeigten Gefechtsszenen sind im<br />
besten Falle als Rekonstruktionen zu sehen, manchmal<br />
sogar als bloße Phantasieprodukte.<br />
Die ersten Gefechtsaufnahmen im Ersten Weltkrieg<br />
wurden erst im Sommer 1916 an der Somme<br />
gedreht. Ab diesem Zeitpunkt agierten nämlich<br />
Filmtrupps der Obersten Heeresleitung, die zum Unterschied<br />
von den „Privaten“ auch zu den umkämpften<br />
Frontabschnitten Zutritt erhielten. Die Unterscheidung<br />
von dokumentarischen <strong>und</strong> inszenierten<br />
<strong>Bilder</strong>n ist in vielen Fällen durch die zeitliche Zuordnung<br />
der vermeintlichen Entstehung <strong>und</strong> der damals<br />
filmtechnischen Möglichkeiten machbar.<br />
Nach dem Ersten Weltkrieg entstanden mehrere<br />
Kompilationen, die <strong>Bilder</strong> des Infernos der Grabenkämpfe<br />
in langen Kamerafahrten zeigen. Solche<br />
Aufnahmen waren zur Zeit des Ersten Weltkrieges<br />
technisch noch nicht machbar. Sie stammen aus dem<br />
von Lewis Milestone nach dem Roman von Erich<br />
Maria Remarques „Im Westen nichts Neues“ 1930 in<br />
den USA gedrehten Spielfilm. 7<br />
Während des Ersten Weltkriegs kam es auch zur<br />
Verzahnung von Bildungsfilm <strong>und</strong> <strong>Krieg</strong>sberichterstattung.<br />
Das erste Kino in Wien, das sich ab 1913 der<br />
Gattung Schul- <strong>und</strong> Wissenschaftlicher Film verschrieben<br />
hatte, das UNIVERSUM Kino in Wien XV.,<br />
brachte beginnend mit September 1914 immer öfter<br />
<strong>Krieg</strong>sberichte über das Frontgeschehen im Programm:<br />
„Es soll durch diese Vorführungen nicht nur die<br />
hohe <strong>und</strong> kulturell wichtige Aufgabe des Filmes gezeigt<br />
werden, sondern sie sollen uns allen, die wir den heimischen<br />
Herd hüten, für die heranwachsende Jugend zu sorgen<br />
haben, kurz allen, die im engeren Heimatland ihre Arbeit<br />
<strong>und</strong> Kraft der Zeit der Waffen zum Opfer bringen, zeigen,<br />
wie tapfer <strong>und</strong> ruhmvoll unsere Söhne <strong>und</strong> unsere<br />
B<strong>und</strong>esbrüder für die Ehre <strong>und</strong> Sicherheit ihres Vaterlandes<br />
eintreten.“<br />
Der Verein „Kastalia“, eine Schulfilmorganisation,<br />
die dieses erste Schulkino gegründet hatte, bot parallel<br />
zu den Vorstellungen für den Unterricht Originalaufnahmen<br />
aus den <strong>Krieg</strong>sgebieten an. Die Auftragsarbeiten<br />
des <strong>Krieg</strong>sministeriums <strong>und</strong> die <strong>Krieg</strong>sberichterstattung<br />
waren nicht nur Voraussetzung für<br />
den ersten großen Boom österreichischer Spielfilmproduktion<br />
am Anfang der 20er-Jahre, sondern standen<br />
auch Pate bei der Gründung der B<strong>und</strong>esfilmhauptstelle,<br />
der ältesten österreichischen Institution,<br />
die sich dem Bildungs- <strong>und</strong> Dokumentarfilm widmete.<br />
In manchen Schulen standen nach dem <strong>Krieg</strong><br />
„Ernemann-Filmbewegungsapparate“ für Bildungszwecke<br />
im Einsatz <strong>–</strong> aus dem Inventar der „k.k. Infanteriekadettenschule“.<br />
Im Vorfeld des Zweiten Weltkrieges gelang zur<br />
Zeit des Spanischen Bürgerkrieges ein qualitativer<br />
als auch quantitativer Sprung in der <strong>Krieg</strong>sberichterstattung.<br />
Dies gilt für alle Bereiche des Informationstransfers.<br />
Die technischen Möglichkeiten, das Be-<br />
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MEDIENERZIEHUNG<br />
Abbildung aus: WEIGEL, Hans / LUKAN, Walter / PEYFUSS,<br />
Max D., Jeder Schuß ein Ruß, jeder Stoß ein Franzos. Literarische<br />
<strong>und</strong> graphische <strong>Krieg</strong>spropaganda in Deutschland <strong>und</strong><br />
Österreich 1914 <strong>–</strong> 1918. Wien 1983.<br />
wusstsein, Film als politisches Mittel einsetzen zu<br />
können, sowie das internationale Interesse führten<br />
dazu, dass über den Spanischen Bürgerkrieg sowohl,<br />
was die aktuelle Berichterstattung in Print <strong>und</strong> Bild<br />
betrifft <strong>und</strong> besonders im Dokumentarfilmschaffen,<br />
Material in einer noch<br />
nie da gewesenen<br />
Dichte vorhanden ist.<br />
Neue Informationsmethoden<br />
gewannen<br />
genau zu dieser Zeit an<br />
Bedeutung. Der „Tonfilm“,<br />
in dem Bild <strong>und</strong><br />
Ton synchron ablaufen,<br />
gewinnt an Verbreitung.<br />
Dem gegenüber<br />
steht eine mangelndeVerblüffungsfestigkeit<br />
der Rezipienten.<br />
Nachrichten werden als Vorprogramm zu Spielfilmen<br />
eingesetzt. Wochenschauen hatten sich in der<br />
zweiten Hälfte der Dreißigerjahre in Europa in Staaten<br />
wie England <strong>und</strong> Deutschland in der Medienlandschaft<br />
etabliert. Allein in England produzierten<br />
fünf Gesellschaften Wochenschauen über den Spanischen<br />
Bürgerkrieg. In Deutschland war die „Ufa“<br />
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das dominierende Unternehmen. Bis 1940, wo alle<br />
zur Deutschen Wochenschau fusioniert wurden, gab<br />
es noch wenige kleinere Firmen, die einzig <strong>und</strong> allein<br />
zur Erhaltung der Fiktion einer Meinungsvielfalt<br />
dienten. Aus der Sowjetunion kamen Roman Karmen<br />
<strong>und</strong> Boris Makassejew nach Spanien, die 22 Folgen<br />
der Wochenschau „K Sobytijam w Ispanii“ (Zu<br />
den Ereignissen in Spanien) in den Jahren 1936 <strong>und</strong><br />
1937 drehten. 8<br />
Die spanischen Filmproduktionen arbeiteten<br />
meist im Auftrag von Parteien oder Gewerkschaften<br />
(CNT). Heute wissen wir, dass viel von dem Originalmaterial<br />
verloren gegangen ist. Als nach 1975,<br />
nach Beendigung der Franco-Ära, die Filmbunker<br />
geöffnet wurden, wurden die Hoffnungen der Filmhistoriker<br />
enttäuscht. Das nun an die Öffentlichkeit<br />
gelangte Material war nur mehr ein Restbestand, von<br />
der Zensur der dokumentarischen Authentizität beraubt.<br />
Das vor 1975 zugängliche Material bestimmte<br />
auch wesentlich die nach 1939 bzw. 1945 international<br />
produzierten Dokumentarfilme.<br />
Das Medium Film wurde zur Zeit des Spanischen<br />
Bürgerkrieges erstmals als Informations- <strong>und</strong> Propagandamittel<br />
in dieser hohen Intensität genützt. Allein<br />
von spanischen Filmproduktionen wurden damals<br />
etwa 300 bis 350 Dokumentationen produziert.<br />
Mit etwa 255 Filmen dominierte die Spanische Republik,<br />
von „ausländischen“ Produktionen wurden 48<br />
Filme gedreht 9.<br />
Motiv dieser intensiven Filmarbeit war über die<br />
Lage der Spanischen Republik eine möglichst breite<br />
Öffentlichkeit zu informieren. Diese neue Art der<br />
Propaganda war nicht nur für das Inland bestimmt,<br />
sondern auch für ein internationales Publikum, dessen<br />
Unterstützung für die Fortführung des <strong>Krieg</strong>es<br />
von Bedeutung war. Internationales Interesse an<br />
dem <strong>Krieg</strong>sgeschehen sowie Solidaritätsaktionen<br />
veranlassten auch viele ausländische Produktionen,<br />
Filme zu drehen. Abgesehen von den aktuellen Filmberichten<br />
wie den Wochenschauen entstanden auch<br />
Dokumentarfilme, darunter aus heutiger Sicht Klassiker<br />
dieses Genres. Bei diesen Filmprojekten arbeiteten<br />
oft Intellektuelle <strong>und</strong> Schriftsteller, die zum Krisenherd<br />
kamen, um die Weltöffentlichkeit aufzurütteln.<br />
Ihre Romane <strong>und</strong> Essays sind bekannt, ihr Filmschaffen<br />
weniger. Ernest Hemingway schrieb den<br />
Kommentar zu Joris Ivens Filmklassiker „Spanische<br />
Erde“ (USA 1937) <strong>–</strong> der besonders in den USA viel<br />
Spendengeld für die Republik einspielte. 9<br />
Die Bildikone des Spanischen Bürgerkriegs schuf<br />
1936 der berühmteste aller <strong>Krieg</strong>sfotografen Robert<br />
Capa mit dem Bild des tödlich getroffenen jungen<br />
spanischen Milizionärs „Der spanische Soldat“<br />
(Härtling Peter. Der spanische Soldat). Dieses Foto<br />
ging um die Welt <strong>und</strong> hat kommentarlos die Sinnlosigkeit<br />
des Tötens <strong>und</strong> Sterbens im <strong>Krieg</strong> angeprangert.<br />
Capa war auf vielen <strong>Krieg</strong>sschauplätzen <strong>und</strong><br />
schoss noch viele Aufsehen erregende Fotos, er wurde<br />
1954 in Vietnam durch eine Tretmine getötet. Capa<br />
hat eine Technik entwickelt, deren Schema noch<br />
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MEDIENERZIEHUNG<br />
heute funktioniert. Er nannte sie „slightly out of focus“.<br />
Er stellte absichtlich unscharf <strong>und</strong> benutzte<br />
Verwacklungen, um seine <strong>Bilder</strong> dramatischer <strong>und</strong><br />
authentischer erscheinen zu lassen. Heute erreicht<br />
man dieses Ergebnis mit digitaler Kompression <strong>und</strong><br />
groben Pixeln. <strong>Bilder</strong> <strong>vom</strong> Irakkrieg, mit Videofon<br />
aufgenommen, haben uns das Dabeisein simuliert.<br />
Im September 1939 wurde der Zweite Weltkrieg<br />
provoziert <strong>und</strong> der größte bewaffnete Konflikt des<br />
20. Jahrh<strong>und</strong>erts begonnen. Die technischen <strong>und</strong> gestalterischen<br />
Voraussetzungen für parteiische Berichterstattung,<br />
effektiv gestaltete Propaganda <strong>und</strong><br />
für den Zuschauer nicht nachvollziehbaren Täuschungen<br />
durch Kamera <strong>und</strong> Schnitt waren erreicht.<br />
Die Mischung von Herausplärren von Erfolgen <strong>und</strong><br />
Verschweigen der Verbrechen war perfekt, begleitet<br />
von technisch <strong>und</strong> dramaturgisch professionell arbeitenden<br />
Medien.<br />
Anmerkungen:<br />
1) Petr Tausk: A Short History of Press Photography. International<br />
Organization of Journalists. Prag 1988, Seite 62.<br />
2) Wolf-Rüdiger Wagner: <strong>Bilder</strong> von Tod <strong>und</strong> <strong>Krieg</strong>: <strong>Krieg</strong>sberichterstattung<br />
in den Medien. Anregungen für den Unterricht<br />
in der Sek<strong>und</strong>arstufe I. Hannover, NLM 2000, Seite 59.<br />
3) Möglichkeiten des Dokumentarfilms. Materialien zu Filmen<br />
von John Grierson <strong>und</strong> anderen Filmemachern <strong>–</strong> Anhang: Die<br />
Autzentizität dokumentarischer Filmaufnahmen <strong>–</strong> Methoden<br />
einer kritischen Prüfung, hrsg. von den Westdeutschen Kurzfilmtagen,<br />
Oberhausen 1979, S. 169.<br />
4) Tausk, a. a. O.<br />
5) Jane Carmichael: Die Entwicklung der britischen Photographie<br />
während des Ersten Weltkrieges. In: Rainer Rother (Hrsg.): Die<br />
letzten Tage der Menschheit. <strong>Bilder</strong> des Ersten Weltkrieges.<br />
Berlin 1994, Seite 178 f.<br />
6) Möglichkeiten des Dokumentarfilms, S. 168.<br />
7) Ebenda, S. 167.<br />
8) Wilhelm Roth: Der Dokumentarfilm seit 1960. München, Bucher<br />
1982, Seite 130 f.<br />
9) Caparros Lera: Das spanische Filmwesen in der Zeit der Republik<br />
1931 <strong>–</strong> 1939. In: Spanien 1936 <strong>–</strong> 1939. Dokumentarfilme. Zusammenstellung<br />
<strong>und</strong> Redaktion: Engelhardt Martin, Lichtenstein<br />
Manfred. Staatliches Filmarchiv der DDR. Berlin 1986. S.<br />
56.<br />
John dos Passos zu „Spanien in Flammen“ (USA 1936), Wsewolod<br />
Wischnewski zu „Spanien“ (UdSSR 1939). Weitgehend<br />
unbekannt ist, dass Andre Malraux 1939 die „Hoffnung“ (Spanien/Frankreich)<br />
in Eigenregie drehte.<br />
Bereits 1937/38 beschäftigte sich auch Hollywood mit dem<br />
Thema des Spanischen Bürgerkriegs. In Spanien selbst entstanden<br />
zu dieser Zeit neben einer Vielzahl an Dokumentationen<br />
auch Spielfilme. Ihre Inhalte hatten oft nur marginal mit dem<br />
<strong>Krieg</strong> zu tun. Der dominierende Filmproduzent der Spanischen<br />
Republik waren weder die Sozialisten noch die Kommunisten,<br />
sondern die anarchistische Gewerkschaft CNT.<br />
Min.Rat Dr. Karl Brousek ist Leiter des Referates<br />
IV/9a Praktische Medienerziehung des B<strong>und</strong>esministeriums<br />
für Bildung, Wissenschaft <strong>und</strong> Kultur.<br />
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