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Schriften des Historischen Kollegs - Kolloquien 6 - Historisches Kolleg

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20 Thomas Childers<br />

Rücken gekehrt zugunsten von Sonderinteressen oder radikalen Alternativen - und<br />

ihre Zahl wuchs ständig mit jedem weiteren Wahlkampf.<br />

Die Woge der Unterstützung für die Interessen- und Lan<strong>des</strong>parteien wird gemeinhin<br />

abgetan als simple Manifestation von Interessenpolitik; dabei war sie Sympton für<br />

mehr als nur für die zunehmende Hinwendung zu wirtschaftlichen Fragen, für föderalistisch<br />

orientierte Heimatliebe und für politische Zersplitterung. Obwohl diese Interessen-<br />

und Lan<strong>des</strong>parteien gewöhnlich den Anspruch erhoben, "nicht ideologisch"<br />

oder sogar "unpolitisch" zu sein, wurden ihre Beschwerden und Forderungen doch nahezu<br />

beständig im Kontext einer umfassenden Kritik am Weimarer System dargestellt.<br />

Diese Kritik war strukturell ausgerichtet und ging weit über die unmittelbaren<br />

ökonomischen Belange hinaus; sie besaß einen implizit ideologischen Gehalt, der<br />

schließlich zu nichts weniger als einer grundsätzlichen Ablehnung der sozialen, wirtschaftlichen<br />

und politischen Grundlagen der Weimarer Republik führte. Die Interessen-<br />

und Lan<strong>des</strong>parteienwahl stellt den unheilverkündenden Ausdruck eines gegen<br />

das bestehende System gerichteten Gefühls innerhalb der mittelständischen Wählerschaft<br />

dar - und dies mehr, als daß es einen Ideologierückzug und den Triumph der<br />

Interessenpolitik eingeleitet hätte. Zwischen 1924 und 1928 nahm die Anti-System­<br />

Orientiertheit keine radikalen Formen an, aber sie legte, wie es in den Programmen<br />

und Kampfschriften der Interessen- und Lan<strong>des</strong>parteien vorformuliert war, eine auffallende<br />

und höchst bezeichnende Affinität zu jenen verführerischen Eigenschaften<br />

der NSDAP an den Tag, die diese schließlich nach 1928 mit so verheerender Wirkung<br />

zum Einsatz brachte.<br />

Von diesem Blickwinkel aus gesehen stellen die Stimmabgaben für die Interessenund<br />

Lan<strong>des</strong>parteien, die 1928 ihren Höhepunkt erreichten, ein kritisches Übergangsstadium<br />

im Prozeß der parteilichen Umgruppierung mittelständischer Wahlpräferenzen<br />

dar, ein Übergangsstadium im übrigen, das den nationalsozialistischen Wahlsiegen<br />

in der Depressionsphase nicht nur höchst förderlich war, sondern darin schließlich<br />

krönenden Abschluß fand. Die Nazi-Welle nach 1928 war wohl kaum vermeidbar,<br />

aber die Wurzeln dieses Erfolges in jener Zeit reichen tief in die Krise <strong>des</strong> Weimarer<br />

Parteiensystems hinein, die eindeutig den ökonomischen und politischen Erschütterungen<br />

der Depression vorausging. Es ist in der Tat diese im Entstehen begriffene<br />

Krise, die das politische Vermächtnis der Hyperinflation sowie der darauffolgenden<br />

strengen Stabilisierungsphase begründet.

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