12.02.2013 Aufrufe

Schriften des Historischen Kollegs - Kolloquien 6 - Historisches Kolleg

Schriften des Historischen Kollegs - Kolloquien 6 - Historisches Kolleg

Schriften des Historischen Kollegs - Kolloquien 6 - Historisches Kolleg

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Zur Einführung<br />

Ein zutreffender Gradmesser der Schwierigkeiten, die sich dem Themenkreis dieses<br />

Sammelban<strong>des</strong> entgegenstellen, scheint zu sein, daß Carl-Ludwig Holdrerich, Verfasser<br />

der neuesten, zugleich auch nüchternsten und anspruchsvollsten Wirtschaftsgeschichte<br />

der deutschen Inflation, gerade den Zugriff auf eine alttestamentarische Analogie<br />

als zweckdienlich empfand, um die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen<br />

der deutschen Inflation von 1914/23 zu beleuchten. Holdrerich stellt den Vergleich<br />

mit dem ,Jobeljahr", ein in 50jährigen Abschnitten wiederkehren<strong>des</strong> Feierjahr, an, in<br />

dem vergangene Schulden erlassen und wirtschaftliche Abhängigkeiten aufgelöst werden,<br />

wodurch die Fähigsten wieder zum Zuge kommen und ihr Glück erneut zu versuchen<br />

in der Lage sind. Die Konsequenzen der Hyperinflation für eine industrialisierte<br />

Gesellschaft - wie in Deutschland durch die Zerstörung der Währung und Auflösung<br />

inländischer Schulden - waren nicht weniger dramatisch, denn: "Die Karten<br />

wurden neu verteilt, das kapitalistische Spiel um Macht, Gewinn und Besitz konnte -<br />

zwar nicht von Anfang an, denn der Sachwertbesitz war erhalten geblieben, aber mit<br />

veränderten Ausgangsbedingungen - wieder aufgenommen werden."l Mit Gewißheit<br />

hatten die Zeitgenossen Weimars jedoch nicht dieses Bild vor Augen, als sie sich an<br />

die Hyperinflation erinnerten; im April 1932 applaudierte sogar der Gewerkschaftskongreß<br />

Adam Stegerwald, dem Arbeitsminister Brünings und Christlichen Gewerkschaftsführer,<br />

als dieser die Kürzungen von Gehältern, Renten und Löhnen durch die<br />

Regierung folgendermaßen begründete:<br />

" ... Daß in den letzten zwei Jahren trotz der großen Bankenkrise in Deutschland,<br />

trotz der Tatsache, daß etwa 30 Länder in der übrigen Welt in einen Währungsverfall<br />

hineingeschliddert sind, trotz der Tatsache, daß Deutschland im Mittelpunkt<br />

der Weltkrise steht, in dem Jahre 1931 die deutsche Währung gehalten worden ist,<br />

ist die größte soziale Tat, die von einer deutschen Regierung erwartet werden<br />

konnte. Gegenüber dieser gewaltigen sozialen Tat - denjenigen, die das Inflationsjahr<br />

1923 miterlebt haben, brauche ich darüber nichts mehr zu sagen - sind die<br />

Lohnkürzungen und die Kürzungen der Sozialversicherung bestimmt Fragen zweiter<br />

Ordnung, wenn man die Dinge in der Größenordnung sieht. Weshalb haben<br />

sich denn Vertreter der Großwirtschaft in der Industrie, insbesondere auch in der<br />

Landwirtschaft, bei der Reichspräsidentenwahl für Hitfer erklärt? Weil sie durch<br />

eine zweite Inflation zum zweiten Male ihre Schulden auf Kosten der Sparer loszuwerden<br />

hoffen. (sehr wahr!)"2<br />

1 Carl-Ludwig Holtfrerich, Die deutsche Inflation 1914-1923. Ursachen und Folgen in internationaler<br />

Perspektive, (Berlin und New York 1980) 275-277, zit. 277.<br />

2 llse Maurer und Udo Wengst (Bearbeiter), Politik und Wirtschaft in der Krise 1930-1932. Quellen<br />

zur Ära Brüning, (Quellen zur Geschichte <strong>des</strong> Parlamentarismus und der politischen Parteien.<br />

Dritte Reihe. Qie Weimarer Republik, Bd. 4/1-11, Düsseldorf 1980) 11, 1375.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!