Die Hugenotten in den welfischen Landen - Mesa FamilySearch ...

DRA WER:
CONTENTS:
FORMA T:
Text auf deutschundfranzOsisch.-Bibliographie: S. 105-111.-- Transcriptionsof early
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[Churchhistory-Sources Germany, i _ BadKarlshafen: des Deutschen Verlag
lHugenotten-Vereins, cl 994
112 S. : Faksim. ISBN/ISSN3980251594i ThomasKJingebiei ................. =
_ German French i _

Geschichtsbl_itter des Deutschen Hugenotten-Vereins e.V.
Band XXIII
Thomas Klingebiel
Die Hugenotten in den welfischen Landen
Eine Privilegiensammlung
' '" _ FAMILY HISTORY LIBRARY
_". '. 3.5 NORTH WEST TEMPLE '
Verlag des Deutschen Hugenotten-Vereins e.V.
34385 Bad Karlshafen ' 1994
,' SALT LAKE CITY, UTAH 84150_

Auf Umschlagseite: Unterschriften Hamelner Hugenotten, geleistet
anl_il31ich der Erbhuldigung, 30./31. Oktober 1690.
Zu erkennen sind u.a. die Unterschriften von Pfarrer Dubruc, Richter
Mila, dem Kantor Angely, von den Kirchen_iltesten und Gerber Francois
Gervais und dessen Bruder Pierre, dem Tuchscherer Antoine Alram, von
dem sp_iter nach Hannover verzogenen Handschuhmacher Alexandre
Massard, den Brtidem Cathala sowie einer Reihe von Textilfabrikanten.
Nieders_ichsischesHauptstaatsarchivHannover, Cal. Br.22 Nr. 801.
Die Deutsche Bibliothek - CIP - Einheitsaufnahme
Klingebiel,Thomas:
Die Hugenotten in den welfischen Landen: Eine Privilegiensammlung./
Thomas Klingebiel. -Deutscher Hugenotten-Verein, 1994
Deutscher Hugenotten-Verein e.V. Bad Kaflshafen
(Geschichtsbl_itterdesDeutschen Hugenotten Vereins: Bd.23)
tSBN 3-9802515-9-4
NE: Deutscher Hugenotten Verein:
Geschichtsbl_itter des Deutschen Hugenottenvereins
© Verlag des Deutschen Hugenotten-Vereins e.V.
BadKarlshafen 1994
Alle Rechte vorbehalten. - Printed in Germany.

Vorwort
Der Deutsche Hugenotten-Verein hat sich anl/ifllich des 300. Jahrestages des
Ediktes von Fontainebleau vor knapp einem Jahrzehnt die Aufgabe gestellt,
eine kritische Edition der 'Hugenottenprivilegien' des deutschen Refuge zu
publizieren. Er will damit nicht einfach nur die _iltere,von Henri Tollin
(1833-1902) begr_indete, seinerzeit meist aus Einzelstiicken unterschiedlicher
Provenienz bestehende Q_uellendokumentation der Geschichtsbl_tter des
Deutschen Hugenotten-Vereins fortsetzen, sondern die Privilegien und andere
rechtsgeschichtliche Dokumente jeweils eines Aufnahmeterritoriums oder
eines regionalen Refuge zusammentragen lassen und herausgeben. Widrige
Wechself_ille,ohne die ein solches Projekt 0ffenbar nicht zu denken ist, haben,
anders, als urspriinglich geplant, eine in unregelm_ifligenAbst/inden erfolgende
Publikation der fertigen Quellensammlungen im Rahmen der Geschichtsbl_itter
des Deutschen Hugenotten-Vereins erzwungen.
Die vorliegende Privilegiensammlung zur Geschichte der Hugenotten in den
welfischen Landen, die zum Hugenottentag in Celle am 8., 9. und 10. April
1994 erscheint, ist nach den"yon Barbara D61emeyer bearbeiteten hessischhomburgischen
Privilegien (erschienen 1990) die zweite in der Reihe der
regionalen Q_uelleneditionen. Sieenth/ilt neben den korporativen Privilegien,
die, sofern Konzepte vorliegen, mit einem textkritischen Apparat versehen
worden sind, auch andere, die Kolonie- und Gemeindeprivilegien begleitende
und erg/inzende landesherrliche Verordnungen. Der Benutzer erh/ilt somit
die Gelegenheit, die in der Einfiihrung nur aufzentrale Aspekte der Entwicklung
des rechtlichen Status der Hugenotten gerichtete Analyse selbst/indig zu
iiberpr/.ifen und auszuweiten sowie die sich wandelnde Textgestalt mit den
Privilegien der/.ibrigen Aufnahmel_inder zu vergleichen.
Die Vorbereitung und Herstellung des Bandes ist im Zuge der Arbeiten des
von den L/indern Hessen und Niedersachsen gef6rderten G6ttinger Hugenotten-Forschungsprojekts
erfolgt, das von Prof. Dr. Rudolfvon Thadden geleitet
wird. Die technisch aufwendige Erstellung des Textes hat Frau Christa Walter
iibernommen und in kiirzester Frist mit Hilfe der EDV abgeschlossen. Herrn
Christian Sch/ifer, Bad Karlshafen, gebfihrt Dank fiir die Produktion der
Druckvorlage. Fiir freundliche Hinweise zur Auffindung von Textvarianten
bin ich meiner Kollegin Frauke Geyken M.A., G6ttingen, und Herrn Pastor
Andreas Flick, Celle, verbunden. F/.irdie Genehmigung des Abdrucks der im
Nieders/ichsischen Hauptstaatsarchiv lagernden ungedruckten Dokumente
bin ich Herrn Ltd. Archivdirektor Dr. Brosius zu Dank verpflichtet. Freundliche
Aufnahme und vorziigliche Betreuung habe ich nun schon seit einigen
Jahren insbesondere in der Auflenstelle Pattensen des Hauptstaatsarchivs bei

Frau Eifler, Frau Trautvetter, Herrn Bardehle, Herr Dr. Gieschen, Herr Heyne
und Herr Nortmeier genossen.
Thomas Klingebiel
G6ttingen, den 3. M_irz 1994

Inhaltsverzeichnis
1 Die RechtssteUung der Hugenotten
in den welfischen Landen: Eine Einfiihrung 7
2 Dokumententeil 43
2.0 Editorische Vorbemerkung 45
2.1 Liineburger Privileg, 1684 August 9. 47
2.2 Hannoveraner Aufnahmeedikt, 1685 November 2. 53
2.3 Konzession fiir Planque etc., 1689 August 10. 56
2.4 Bestallung Ponniers, 1689 November 26. 58
2.5 Kontrakt des Franqois Gervais, 1690 April 22. 60
2.6 Hamelner Privileg, 1690 August 1. 61
2.7 Hamelner Bauprivileg, 1696 September 10: 87
2.8 Hamelner Kolonie-Reglement, 1706Juni 14. 94
2.9 Aufhebung des Hamelner Privilegs, 1827 Mai 19. 98
2.10 Unionsakte, 1703 Juli 18-23. 99
Unionsakte, 1699 November 13. 100
2.11 Celler Gemeindeprivileg, 1699 August 12 102
2.12 Privileg fiir die Kirchengeb_iude der
Hannoveraner Geneinde1699 Dezember 9. 105
2.13 Hannoveraner Gemeindeverordnung, 1705 Februar 18. 106
2.14 Braunschweiger Gemeindeprivileg, 1705 M_irz28. 107
Q uellen- und Literaturverzeichnis

Die Rechtsstellung der Hugenotten
in den weifischen Landen
Eine Einfiihrung
In den welfischen Territorien Niedersachsens, im gr6t_eren, 1705 aus einem
n6rdlichen und sfidlichen Ffirstentum mit den Residenzen Celle und Hannover
zusammengeffigten, 1692/1708 mit der Kurwfirde ausgestatteten
Braunschweig-Lfineburg und im kleineren Braunschweig-Wolfenbiittel,
liet_en sich im Zuge des Hugenotten-Exodus vornehmlich w/ihrend der Jahre
zwischen 1685 und 1705 auf Dauer oder wenigstens fibergangsweise rund
1.500 reformierte Franzosen nieder) Der Zahl der zugewanderten R_fugi_s
nach geh6rten die welfischen Lande folglich zu den weniger bedeutenden
Aufnahmer/iumen des Reichs: In den Territorien Brandenburg-Preuflens
wurden fast 20.000 Hugenotten aufgenommen, in Hessen-Kassel immerhin
knapp 4.000 und etwa ebensoviele in Ansbach und Bayreuth, den fr/inkischen
Fiirstentfimern des Hauses Brandenburg.2.Im Rahmen des deutschen Refuge
vermochten die nieders/ichsischen Hugenotten ungeachtet ihrer numerischen
Schw_iche dennoch fiber mehrere Jahrzehnte hinweg eine wichtige Rolle zu
spielen: Sie schlossen im grenzfiberschreitenden, unsichtbaren Netzwerk der
franz6sischen Gemeinschaften mit ihren wenigen, aber wohlhabenden urbanen
Niederlassungen in Hameln, Hannover, Celle und Braunschweig nicht
nur eine r/iumliche Lficke zwischen Kassel und Hamburg, Bremen und
Magdeburg, sondern errichteten mit der 1703 gegrfindeten 'Nieders/ichsischen
Konf6deration' auch den einzigen huge-nottischen Synodalverband in
Norddeutschland, der das franz6sisch-reformierte Erbe bewahrte und sogar
den hinzutretenden deutsch-reformierten Gemeinden vermitteln konnte 3
1 Dienieders_ichsischeKolonielistein: Wilhelm Beuleke.Die Hugenotten in Niedersachsen
(Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens.58), Hildesheim 1960, S.
27-143,ffihrt zwar einschliefllichder nichtwelfischenTerritorien nur 1514Personenauf,
doch d/irfte die Zahl der Zuwanderer weit h6her liegen, denn Beuleke hat sich im
wesentlichenaufdie Auswertungder nicht immerzuverl_issigenKirchenbiicherbeschr_inkt
und folglichwederdie meist familienlosenGesellen,Lehrlinge,M_igdeund Arbeiter noch
die Passanten auch nur ann_ihernd vollst_indig erfaflt. Daten hinsichtlich des
Personalbestandeszumal der urbanen franz6sischen Kolonien und Gemeinden sind
infolge der jahrzehntelanganhaltenden Fluktuation auch auf einen bestimmten Ort und
Zeitpunkt bezogen immer nut ann/iherungsweisezu erheben. Da die Binnenmigration
exn bezeichnendes Merkmal des vernetzten Refuge darstellt, ist jeder Versuch, den
Personalbestandeiner einzelnenKolonie zahlenm/ifligpr/izisezu definieren, abwegig.
2 Vgl. hierzu die in der Gr6flenordnung richtigen Daten in der Aufstellung Beulekes:ebd.,
S. 16.

Die Griindung, der Aufl_au und die weitere Entwicklung der nieders_ichsischen
Hugenottengemeinden verdienen aber nicht nur ein eigenes Kapitel in
der Geschichte des Refuge, sie bilden auch einen Faden besonderer F_irbung
im Gewebe der Landesgeschichte. Den Vorgang der Einf_idelung bezeugen
insbesondere jene landesherrlichen Aufnahmeprivilegien, die die rechtlichen
Voraussetzungen fiir eine rasche und zugleich dauerhafte Eingliederung der
hugenottischen Fliichtlinge schufen. Diesen Privilegien kann man nicht nur
entnehmen, welche Bedingungen die Landesherren den reformierten Zuwanderern
auf kfirzere oder l_ingereFrist einzur_urnen bereit waren, sondern oft
auch, welche Widerst_inde gegen die Ansiedlung von Hugenotten im Aufnahmeland
fiberwunden werden mugten. Denn obgleich es dem rechtsetzenden
landesherrlichen Souver_ingrunds_itzlich zustand, seine politischen Ziele mit
Hilfe von Privilegien, Konzessionen, Verordnungen und weiteren administrativen
Mitteln ohne Zustimmung anderer Gewalten zu verfolgen,4 so hatte er
3 Zur Entstehung der 'Nieders_ichsischen Konf6deration' s. Th. Klin__ebiel.Weserfranzosen.
Studien zur Geschichte der Hugenottengemeinschaft in Hameln. 1690-1757 (Studien zur
Kirchengeschichte Niedersachsens. 32), G6ttingen 1992, hier S. 107ff. - Vgl. auch F. H.
Brandes. Die Conf6deration reformirter Kirchen in Niedersachsen, in: GeschichtsblStter
des Deutschen Hugenotten-Vereins. Zehnt VI, Heft 1/2, Magdeburg 1896. - Ders.. Die
Rechtsverh_iltnisse der Konf6deration reformierter Kirchen in Niedersachsen, in:
Geschichtsbl_itter des Deutschen Hugenotten-Vereins. Band 13, Heft 5, Magdeburg 1906.
Ders., Aus dem synodalen Leben der Konf6deration reformierter Kirchen in
Niedersachsen, in: Geschichtsbl_itter des Deutschen Hugenotten-Vereins. Band 13, Heft 6,
Magdeburg 1907. - Th. Hu__ues. Die Conf6deration der reformierten Kirchen in
Niedersachsen. Geschichte und Urkunden, CelIe I873.- W. Mogk. Franz6sisch-reformierte
und deutsch-reformierte Gemeinden, in: ders. und H. Schneider. Die Gemeinden des
Bezirkskirchenverbands X der Evangelisch-Reformierten Kirche Nordwestdeutschlands.
Einblicke in ihre Geschichte und Gegenwart, Weener 1982, S. 14-40.
4 Vergleichende rechtsgeschichfliche !Jberlegungen zu den Hugenottenprivilegien haben
bisher angestellt: J. Weitzel, Landesherrliche Administrationsmat_nahmen zur
Eingliederung hugenottischer Fliichtlinge, in: H. Duchhardt (Hrsg.), Der Exodus der
Hugenotten (Beihefte zum Archiv f/.ir Kulturgeschichte, Heft 24), K61n-Wien 1985, S.
121-140, und Barbara D61emeyer. Apropos Hugenotten: Wie steht es mit einer
Rechtsgeschichte des deutschen Refuge?, in: Ius commune. Zeitschrift fiir Europ_iische
Rechtsgeschichte, XIV, 1987,S. 255-265. - Dies,, Aspekte zur Rechtsgeschichte des deutschen
Refuge, in: Geschichtsbl_itter des Deutschen Hugenotten-Vereins, Bd. XX, Heft 2, 1988,
hier S. 18ft. - Dies.. Die hessisch-homburgischen Privilegien fiir franz6sisch-reformierte
Glaubensflfichtlinge, in: Geschichtsbl_itter des Deutschen Hugenotten-Vereins, Bd. XX,
Heft 5-6, 1990. - Zum systematischen Oft des 'Privilegs' und verwandter Begriffe allgemein
s. die erhellenden Studien von H. Mohnhauot. Vom Privileg zum Verwaltungsakt.
Beobachtungen zur dogmengeschichtlichen Entwicklung in Deutschland seit der Mitte
des 18. Jahrhunderts, in: E. V. Heyden (Hrsg.), Wissenschaft und Recht der Verwaltung
seit dem Ancien R_gime (Ius commune. Sonderheft 21), Frankfurt am Main 1984, S.41-58,
und ders., Privatrecht in Privilegien, in: Vortr_igezur Geschichte des Privatrechts in Europa
(Ius commune. Sonderheft 15), Frankfurt am Main 1981, S. 58-75, hier vor allem S. 59f. -
R. $chulze, Geschichte der neueren vorkonstitutionellen Gesetzgebung. Zu
Forschungsstand und Methodenfragen eines rechtshistorischen Arbeitsgebiets, in:

doch auch die hergebrachten Freiheiten und Rechte der St_inde, der Ritterschaft,
der St_idteund der Geistlichen, zu achten und zu schfitzen. Auch im
Falle der Hugenottenprivilegien galt es also, einen Ausgleich zwischen den
nicht selten tibersteigerten Forderungen der niederlassungswilligen R6fugi&
und den wohlbegriindeten Anspriichen der eingesessenen Untertanen zu
finden, die ihre politischen, kirchlichen und wirtschaftlichen Rechte zu
schiitzen suchten. Folglich gingen der Publikation eines Aufnahmeedikts in
aller Regel politische Beratungen im Kreis der Geheimen Rate, des landesherrlichen
Regierungskollegiums, sowie Konsultationen mit Vertretern der
St_indevoraus, um einen tragflihigen Konsens zu erreichen. Zu einem solchen
Konsens kam es in den deutschen Aufnahmeterritorien jedoch nicht immer,
denn die miteinander konkurrierenden landesherrlichen Regierungen verhandelten
mit Bevollm_ichtigten der R6fugi6s nicht selten unter einem solchen
Zeitdruck, dan sie es riskierten, mit der Ansiedlung zu beginnen, ohne die
politische Zustimmung der St/inde gewonnen zu haben. Erkauft wurde ein
solcher Zeitgewinn nicht selten mit der Hypothek jahrelanger Auseinandersetzungen
um die Eingliederung der Hugenotten, die den Erfolg des Ansiedlungswerks
wenn nicht dauerhaft, so doch ze!tweilig minderten, s
I. Die welfischen Aufnahmeprivilegien der Jahre 1684/85
Die welfischen Hugenottenedikte entstanden zwar unter grunds_itzlich _ihnlichen
Umst_inden wie die Aufnahmeedikte der iibrigen Territorien, doch
wirkten sich dabei anfangs auch die engen Beziehungen zu den Seem_ichten
England und den Niederlanden aus, die den reformierten Franzosen die
Einwanderung schon seit 1681 erleichtert hatten. 6 Als erstes in der langen
Reihe dieser Privilegienwerke gilt jenes 'Liineburger Privileg' (Dokument Nr.
1), das Georg Wilhelm (1624-1705), der in Celle residierende, letzte 'Heideherzog'
bereits am 9./19. August 1684, also tiber ein Jahr vor der Aufhebung
des Edikts von Nantes, zugunsten ausl_indischer, ,,der reformierten Religion
Zeitschrift der Savigny-Stiftung fiir Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung. Bd.
XCVIII (1981), S. 157-235, hier insbesondere S. 203ff.
5 S. nur zum Widerstand der politisch iibergangenen bayreuthischen R_iteund Geistlichen
die bei G. Schanz, Zur Geschichte der Colonisation und Industrie in Franken, Erlangen
1884, im Anhang abgedruckten Dokumente Nr. 20 und 21. - Zum komplement_iren
Charakter der Privilegien in der Privilegienlehre des 18. Jahrhunderts: Mohnhaupt.
Privatrecht (wie Anm. 4), S. 71f.
6. Vgl.G. Lottes. England und der Exodus der Hugenotten, in: H. Durchhardt (wie Anm. 4),
S. 69-87, hier S. 78-81. - W. Grieshammer. Studien zur Geschichte der R_fugKs in
Brandenburg-Preul_en bis 1713 (Diss.), Berlin 1935, S. 30f.

zugethaner Familien und Persohnen" erlassen hatte, die ihr ,,Vaterland"
verlassen wollten 7. In der Tat liegt die Vermutung nahe, datg der mit der
Hugenottin Eleonore d'Olbreuse (1639-1722) verheiratete Herzog, in dessen
Diensten schon um 1680 einige Dutzend adliger und nichtadliger Franzosen
reformierten Bekenntnisses standen, den in Frankreich unter zunehmenden
Rekatholisierungsdruck geratenen Hugenotten eine Zuflucht zu bieten suchte.
8
7 Das gedruckte deutsche Privileg findet sich - ohne Konzepte - im Nieders_ichsischen
Hauptstaatsarchiv Hannover (im folgenden abgekfirzt NHStA), Celle Br. 55, Nr. 202. - Es
ist unter dem irrefiihrenden Titel 'Verordnung wegen der Frantz6sisch-Refugirten Freyheit
zu Lfineburg' sp_iter wieder abgedruckt in: Chur-Braunschweig-Lfineburgische
Landesordnungen und Gesetze Liineburgischen Theils, Bd. III/1, Liineburg 1743, S.
521-527. - Drucke in franz6sischer Sprache liegen im Archly der Evangelisch-reformierten
Kirchengemeinde Celle. Vgl. hierzu W. Mogk. Zur Geschichte der
evangelisch-reformierten Gemeinde in Lfineburg vom 17. his zum 19. Jahrhundert, in:
Nieders_ichsisches Jahrbuch ffir Landesgeschichte. 55, 1983, S. 381-394, hier mit Anm. 8,
S. 382. - H. Tollin, Die I--Iugenotten am Hole zu Lfineburg und das Edikt Georg Wilhelms,
in: Geschichtsbl_itter des Deutschen Hugenotten-Vereins. Zehnt VIII, Heft 2, Magdeburg
1898. - Ders., Die hugenottischen Pastoren yon Lfineburg, in: Geschichtsbl_itter des
Deutschen Hugelaotten-Vereins. Zehnt VIII, Heft 5, Magdeburg 1899. - Eine moderne
Biographie Georg Wilhelms fehlt. S. immerhin G. Schnath. Geschichte Hannovers im
Zeitalter der 9. Kur und der englischen Sukzession. Bd. 1-4, Hildesheim 1938/1982, hier
Bd. 1, S. 7f£
8 Diese, zuletzt yon Mo_k. Lfineburg (wie Anm. 7), S. 384, auf dem Hintergrund einer
trfimmerhaften Uberlieferung vorgetragene Interpretation l_i_t sich mit dem Inhalt der
wenigen Einlassungen yon landeskirchlicher Seite, die er selbst (S. 386-388) zitiert, nur
schwer vereinbaren. Demnach wandte sich etwa der cellische Generalsuperintendent
Hildebrand am 15. Mai 1685 gegen eine kirchliche Privilegierung yon aus England nach
Lfineburg kommenden Fremden. Da es keinen Grund gegeben haben kann, das
Herkunftsland der Zuwanderer in einem nicht6ffentlichen, fiir die Regierung bestimmten
Gutachten absichtlich zu vertauschen und ein Irrtum angesichts der Nennung der in
England verfolgten Dissenters ('Sektierer') ausgeschlossen werden mull, bedarf es einer
modifizierten Neubewertung des 'Liineburger Privilegs'. Daran vermag auch der Umstand
nichts zu _indern, dal_ nach der Uberlieferung am 16. M_irz 1685 die Lfineburger
franz6sisch-reformierte Gemeinde gegriindet wurde (Mogk. S. 389). Die
Gemeindegriindung diirfte zwar unter Inanspruchnahme des Artikels 2 des Privilegs vom
9. August 1684 erfolgt sein, ihr franz6sisch-reformierter Charakter beruhte zun_ichst aber
allein aufder Person des eigens aus Kopenhagen herbeigeholten Pfarrers Joseph Casaucau.
Jedenfalls l_il_t sich aus der allein mit der Person des Pfarrers zusammenh_ingenden
Grfindung einer franz6sisch-reformierten Gemeinde, deren Mitglieder ganz fiberwiegend
nichtfranz6sischer Herkunft waren, nicht auf die Intention des Privilegs aus dem Jahre
1684 schlieflen. Erst im Verlauf des Jahres 1685, nach dem Beginn des grotlen
Hugenottenexodus, wandelte sich die Funktion des 'Liineburger Privilegs': Nun wurde es
yon der cellischen Regierung, die auf die Publikation eines besonderen Aufnahmeedikts
verzichten zu k6nnen glaubte, bei der Anwerbung von R_fugi_s vor allem in Frankfurt am
Main eingesetzt. M6glicherweise wurde die franz/Ssische Fassung des Privilegs erst jetzt
gedruckt. So k6nnte man erkl_iren, weshalb das Eingangsprotokoll und der 2. Artikel des
_ franz6sischen Drucks inhaltlich nicht ganz mit der deutschen Vorlage fibereinstimmen (s.
Dokument Nr. 1). Indessen sind wegen des Mangels an aussagekriiftigen Beiakten wohl
auch kfinftig keine gesicherten Aussagen m6glich. - Zur Person der hugenottischen
10

%
Indessen war das 17-Artikel enthaltene Privileg nicht auf die Einwanderung
von (franz6sischen) Glaubensfliichtlingen aus allen St_inden berechnet: Es
sollte vielmehr ttichtige, reformierte Unternehmer und Kaufleute, und zwar
offenbar gleichgtiltig, ob franz6sischer, wallonischer oder niederl_indischer
Herkunft, nach Liineburg ziehen, um das Gewerbe und das Steueraufkommen
der Stadt zu st_irken. Solche gewerblich aktiven Personen waren in den
Niederlanden, in England, aber auch in den Hansest_idten sowie in Altona
zu finden. Die gew6hnlich an gewerbestarken Orten ans_issigen Reformierten
vermochte man jedoch nur dann abzuwerben, wenn deren konfessionelles
Eigenleben bedroht wurde. Mit einer bedrohlichen Entwicklung sahen sich
die Reformierten im Jahre 1684 aber nicht nut in Frankreich, sondern auch
in England konfrontiert: In den letzten Jahren der Regierung des mit Ludwig
XIV. verbiindeten, katholisierenden Stuart Karl II. (1660-1685) kam es zu einer
hochkirchlichen Reaktion, die neben den Dissenters auch die Reformierten
auszugrenzen suchte. Dies 5nderte sich ironischerweise erst, als Ludwig XIV.
das Edikt yon Nantes aufhob und so zum Zusammenriicken der Protestanten
beitrug. 9 So d_rfte der, vor allem zu den Generalstaaten vorz/igliche Beziehungen
unterhaltende cellische Herzog im Jahre 1684 einen begrenzten
Zuzug aus England und den Niederlanden erwartet haben, deren wallonische
Gemeinden auch vor dem groflen Exodus von 1685 immer schon franz6sische
Zuwanderer aufgenommen hatten, nicht aber eine Massenzuwanderung aus
Frankreich) °
Das 'Liineburger Privileg' gleicht zwar formal und auch inhaltlich den fr_hen
Hugenottenedikten, doch es steht vor allem noch in der Tradition der _ilteren
welfischen Privilegien, die w_ihrend der zweiten H_ilfte des 17. Jahrhunderts
beim Ausbau etwa der Hannoveraner oder Celler Neustadt fiir verwandte
Zwecke eingesetzt worden waren 11.Es bildete bezeichnenderweise auch nicht
Herzogin: H. de Beaucaire.Une m4salliancedans la maison de Brunswick:El4onore
d'Olbreuze, Duchessede Zell, Paris 1884.- Die Hugenotten in Cellesind verzeichnetbei
Beuleke(wieAnm. 1),Nr. 661-850.- Die franz6sischenHofbedienten finden sich in einer
Aufstellung desJahres 1681in: NHStA Hannover, Celle Br.44, Nr. 74.
9 Zu England: D. Qgg, England in the Reign of Charles II., 2. Aufl.,Oxford 1963,S.653f.
Vgl. B. Cottret, Glorreiche Revolution, sch_indliche Revokation? Franz6sische
Protestanten und Protestanten Englands, in: R. v. Thadclen/M. Magdelaine(Hrsg_),Die
Hugenotten. 1686-1985,2. Aufl.,Mtinchen 1986,S. 73-84,hier S. 74ff.
10 Noch im Friihjahr desJahres 1685baten GeorgWilhelm und seine Frau LudwigXW.um
einebessereBehancllungseiner reformiertenUntertanen: Schnath (wieAnm. 7), Bd. 2, S.
358f. - Zur Situation in den Niederlanden:H. Bots/R. Bastiaanse.Die Hugenotten und
die niederl_indischenGeneralstaaten, in: R. v. Thadden/M. Magdelaine (Hrsg.), Die
Hugenotten. 1686-1985,2. Aufl. Miinchen 1986,S.55-72,hier S. 57ff.
11 Vgl. S. Busch. Hannover, Wolfenbiittel und CeUe. Stadtgriindungen und
11

die Verhandl.ungsgrundlage, als die cellischen PAte Ramdohr und Molan im
November 1691 mit dem frfiheren Hamelner Koloniedirektor Ponnier/iber
ein Privileg zugunsten der (jetzt erst!) geplanten Liineburger Hugenottenkolonie
berieten. 12Die Reihe der welfischen Hugenottenprivilegien im engeren
Sinne wird daher yon jenem kurzen Aufnahmeedikt er6ffnet, das Ernst
August (1629-1698), Bischofvon Osnabriick und Herzog von Braunschweig-
Liineburg-Hannover, 13 ein Bruder Georg Wilhelms, am 21. November/1.
Dezember 1685 erlassen hat (Dokument Nr. 2). Das kurze, nur 15 knappe
Artikel enthaltene Novemberprivileg erschien zwar drei Wochen nach dem
epochemachenden Potsdamer Edikt (29. Oktober/8. November 1685) des
Grof_en Kurfiirsten, 14doch es _ihnelt inhaltlich welt mehr den beiden ersten
hessen-kasselschen Aufnahmeprivilegien des Jahres 1685.15 Mit der hessischen
'Freiheitskonzession' vom 18. April des Jahres, die im August in erweiterter
Fassung erneuert worden war, verband das Edikt Ernst Augusts zun_ichst, daft
der Adressatenkreis wohl vornehmlich aus aut_enpolitischen E.rw_igungen
jeweils nicht direkt genannt wurde: Beide Edikte wandten sich an Personen
und Familien reformierter Konfession, die sich aus Motiven, die im Dunkeln
gelassen wurden, auf Wanderschaft begeben hatten. 16 Diese reformierten
Stadterweiterungenin drei welfischen Residenzen vom 16. bis zum 18. Jahrhundert
(Quellenund DarstellungenzurGeschichteNiedersachsens.75),Hildesheim1969,hierS.
9Of.(CalenbergerNeustadt, 1651Dezember5), S. 121ff. (WestcellerVorstadt,1680/82).-
Ob die welfischenRegierungensich bei der F6rderungder 'Ffirsten-st_dte'Celle und
Hannover wie die kurbrandenburgischenR_iteam Vorbild der Privilegien ffir die
sfiddeutschenExulantenst_idteMannheim,Hanau oderNeuwiedorientierten,bedarfnoch
der Untersuchung:Vgl. nur Grieshammer(wieAnm. 6), S. 24f., sowieR. Endr¢_,Das
'Moderne' bei den hugenottischenStiidtegrfindungen, in: H. Duchhardt(wieAnm.4), S.
155-175,hier S. 160ft.
12 NHStA Hannover, Celle Br. 55, Nr. 206, fol. 101r-105r.Vgl. ebd., fol. 96r-98v,Bericht
Ramdohrsund MolansanGeheimeR_ite,Celle,1691November23.- Demnachwurdeauf
der Grundlageeinesvon Ponnierverfaflten,am HamelnerPrivileg(Dokument Nr. 6)
orientierten Memorials verhandelt, dessen Bestimmungensich laut landesherrlicher
Resolution,,mit Staatund StadtLfineburgaccordirenlieflen".- Zu Ponnier:Klingebiel.
Weserffanzosen(wieAnm.3), S. 36ff. und6fter.
13 Zur PersonErnstAugusts:$¢hnath(wieAnm. 7), Bd. 1, S. 129ff.
14 Zum Potsdamer Edikt s. M. Kohnke.Das Edikt von Potsdam.Zu seiner Entstehung,
Verbreitungund Uberlieferung,in:Jahrbuchf_r Geschichtedes Feudalismus.9, 1985,S.
241-275.-Grieshammer.(wieAnm.6), S. 32ff.
15 Das HannoveranerNovemberediktistalsDruckim NHStA HannoverunterCal. Br.23b
B1 1685abgelegt.Konzeptesindnichtaufzufinden.-Zudenhessen-kasselschenPrivilegien
desJahres 1685s. Th. Klingebiel.Die hessische'Freiheitskonzession'vom 18.April 1685
in ihrer Zeit, in: K.-H.Wegner(Hrsg.),300Jahre Hugenottenin Hessen(Katalog),Kassel
1985,S. 85-93.- Die ,,Freiheitskonzession"istabgedrucktin:Ch. G.Apel(Hg.), Hessische
Landesordnungen.TheilIII, Kassel1777,S.289£
16 AuseinerInstruktionderhannoverschenGeheimenR_itefiir denResidentenin Den Haag
geht indessenklar hervor, dat_das Novemberedikt,,vordie auflFranckreichund anderer
12

Zuwanderer versprachen die ausstellenden Landesherren in ihren Schutz zu
nehmen, zu naturalisieren und bei der Griindung einer neuen Existenz zu
unterstiitzen. Ihnen wurde zudem der freie private, in Hessen-Kassel sogar
der 6ffentliche Gottesdienst zugestanden. Erg_inzt wurde das Angebot durch
die Gew_ihrung des Rechts der Predigerwahl sowie finanzieller Beihilfen beim
Aufbau der GemeindenJ 7Eigene Gerichte und korporative Selbstverwaltungsrechte
fiir die Zuwanderer sahen diese friihen Privilegien noch nicht vofl
Wenn die Bestimmungen des welfischen und der hessischen Aufnahmeedikte
des Jahres 1685 also weitgehend jenen Privilegien entlehnt worden sind, die
als Instrumente der merkantilistischen 'Peuplierungspolitik' und insbesondere
bei der F6rderung des st_idtischen Gewerbes eingesetzt zu werden pflegten,
so gibt es dafiir zwei Griinde: Zum einen hatten sich die den Zuwanderern
einger_iumten wirtschaftlichen und steuerlichen F6rderungsmaflnahmen bereits
bew_ihrt. Sie erschienen den eingesessenen Zunftgenossen zwar als
anst6t_ig, doch die Mehrheit der Landst_nde hatte den dosierten, zeitlich
begrenzten Einsatz dieser Mittel inzwischen akzeptiert. Zum andern aber
muflten die ausstellenden Landesherren ihr Aufnahmeangebot zun_ichst
formulieren, ohne mit-den Ansprfichen und Bed/irfnissen der R_fugi6s
vertraut zu sein. Bevollmachtigte Vertreter jener Hugenotten, die sich im
schweizerischen Refuge sammelten, nahmen meist erst w_ihrend des Winters
1685/86 Verhandlungen mit den wichtigsten protestantischen Landesherren
auf. Die fiir die sp_iteren Hugenottenedikte typische, an den kirchen- und
korporationsrechtlichen Bedingungen zu erkennende Vertragskomponente
sucht man in den friihen Privilegien des Jahres 1685 also vergeblich. 19
Ohrten her sich in fremdenLanden niederlassendeReformirte ... bewilliget"war:NHStA
Hannover, CelleBr.91,Nr. 46,Instruktion fiirden Residentenim Haag, Gillesv. d. Heck,
Hannover, 1685Dezember 11.- Mit Artikel 3 der ,,Freiheits-konzession"(wieAnm. 15)
werden Reformierte nichtdeutscher Sprache (ein indirekter Hinweis auf den
hugenottischen Empf_ngerkreis)kirchlich privilegiert.
17 Vgl.etwaArt. 3, Freiheitskonzession,und Art. 4, Novemberedikt(wieAnm. 15).
18 Art. 9; 12, 13 (mit dem Versprechen,bei Bedarf franz6sischeRichter fiir die freiwillige
Gerichtsbarkeit anzustellen), Novemberedikt. - Art. 5, ,,Freiheitskonzession".- Vgl.
Klingebiel. 'Freiheitskonzession' (wie Anm. 15), S. 86, 91. - S. auch zu den fr/ihen
hessisch-homburgischenPrivilegien:D61emeyer,Privilegien(wieAnm. 4), S.4 f.
19 Die Bedeutung der Vertragskomponente wird in der Literatur aus rechtsdogmatischen
Erw/igungen oft abgewertet:So bei Weitzel (wieAnm. 4), S. 122, 128£ - Vgl. hierzu
Mohnhaupt, Privileg(wieAnm. 4), S. 46f.,ders.. Privatrecht(wieAnm. 4), S. 64.- S.auch
zu Wiirttemberg: Th. Kiefner, Die Privilegien der nach Deutschland gekommenen
Waldenser,2 Bde.,Stuttgart 1990,hier Bd. 1,S. 380ff.
13

Da ein direkter Kontakt zu den R6fugi6s nicht bestand, wurde selbst die
Verbreitung des gedruckten Hannoveraner Aufnahmeedikts vom 21. November
1685 zum Problem. Einer Instruktion der Hannoveraner Regierung, die
am 11. Dezember 1685 an Gilles van der Heck, den welfischen Residenten im
Haag, abging, kann man immerhin entnehmen, dat_ die diplomatischen
Vertreter mit der Aufgabe betraut wurden, das Privilegienwerk an geeignete
Adressaten weiterzuleiten. 2°Der Resident im Haag vermochte die Verbreitung
des Edikts sicher besser als jeder andere welfische Gesandte zu f6rdern, denn
die Kommunikationslinien des hugenottischen Refuge schnitten sich in den
niederl_indischen Kernprovinzen. Von hier aus ftihrten die hugenottischen
Intellektuellen um Pierre Bayle und pierreJurieu ihren publizistischen Kampf
gegen die Politik Ludwigs XIV.21Die Wirkungen des Hannoveraner Novemberedikts
blieben dennoch sehr beschr_inkt: Es lieflen sich zwar bis zum Jahre
1689 einige wenige Hugenottenfamilien in der Hannoveraner Neustadt
nieder, die zumeist mit dem Strumpfmanufakturisten David l'Escot aus
Bremen iibergesiedelt waren, 22doch dtirfte selbst dieser Zuzug angesichts des
zeitlichen Abstands nicht unmittelbar durch das Novemberedikt angestoflen
worden sein. Obgleich die welfischen Briider Ernst August und Georg
Wilhelm durch ihre Aufnahmeedikte reformierten Zuwanderern und zumal
den hugenottischen Fltichtlingen Schutz und giinstige Niederlassungsbedingungen
gew_ihrt hatten, kamen w_ihrend der Jahre his 1689, in denen doch
die Migrationswelle der R6fugi6s mit Macht fiber die Grenzen des Reichs
brandete, also erstaunlich wenige Franzosen in die nieders_ichsischen Territorien.
Man mul_ daraus wohl schliet_en, dat_ die welfischen Aufnahmeprivilegien
infolge mangelnder Verbreitung, vor allem aber wegen der
unzureichenden, binnen weniger Monate yon den Angeboten konkurrierender
Landesherren fibertroffenen korporativen Freiheiten ihren Zweck verfehlten.
23
20 NHStA Hannover, Celle Br. 91, Nr. 46, Instruktion fiir den Residenten im Haag, Gilles
v. d. Heck, Hannover, 1685Dezember 11. - Zu Gilles v. d. Heck s. ebd., Nr. 41, sowie
Schnath (wieAnm. 7), Bd. 2, S.228.
21 S.Bots/Bastiaanse(wieAnm. 10),S.64_
22 An die StelleEscots,der 1689starb, trat im selbenJahr der Kaufmann GuillaumeAlibert
aus LeVigan/Cevennen:Klingebiel.Weserfranzosen(wieAnm. 3), S. 33.
23 Den welfischenRegierungengelang aber auch nicht der Aufbau eines leistungsf_higen
Agentennetzes, um die seit dem Herbst 1685 durch die siid- und westdeutschen
Verkehrsknotenpunkte str6menden R_fugi_sin ihre Territorien leiten zu k6nnen. In
Frankfurt war immerhin ein liineburgischer Agent t_itig:H. Tollin, Geschichte der
franz6sischenKolonie yon MagdeburgBd. I-III,Halle bzw.Magdeburg 1886/74,hier Bd.
II, Halle 1887,S. 5f. (Berichtedes brandenburgischen Residentenin Frankfu._.am Main,
Matthias Merian, 1685/86).- Ob der bewaffneteKonflikt GeorgWilhelms mit Hamburg
1685/86 auf die Hugenotten abschreckendwirkte,muff hier often bleiben:Vgl. Schnath
14

II. Die Hamelner Privilegienfamilie (1689/1706)
Einen geringen, wohl mehr aufgrund pers6nlicher Beziehungen angeregten
Zuzug verzeichneten in den Jahren vor 1689 nur die kleinen franz6sischen
Gemeinschaften an den H6fen von Celle und Hannover, die keine selbst//ndigen
Gemeinclen bildeten, sondern in seelsorgerischer Hinsicht zun/ichst yon
den reformierten Hofpredigern der Herzoginnen Eleonore und Sophie
(1630-1714) betreut wurden. 24Vertreter des gewerblich aktiven hugenottischen
Biirgertums fanden sich in diesen, sozial stark polarisierten franz6sisch-reformierten
Gemeinschaften nur ausnahmsweise. 25ImJahre 1689setzte dann aber
doch die lange vergeblich erwartete Zuwanderung yon R_fugi_s ein, in deren
Gefolge auch die im Schatten der welfischen H6fe lebenden reformierten
Franzosen in das entstehende Netzwerk des hugenottischen Refuge einbezogen
werden sollten. Ausgel6st wurde diese Entwicklung durch die wohl
Anfang Juli erfolgte Ankunft der beiden franz6sischen Manufakturisten
Antoine Planque und Etienne Cr_gut in Hannover. 26Die Manufakturisten,
die eine gr6flere, zu dieser Zeit noch in Erlangen ans/issige Soziet_it yon
Tuchfabrikanten vertraten, nahmen unter Einschaltung Jacques Angeaus,
eines Kammerdieners der Kurprinzessin Sophie Dorothea, Kontakt zum
Kammerpr_isidenten und leitenden Minister Otto Grote (1636-1693) auf, um
fiber eine Niederlassung im Ftirstentum Calenberg zu verhandeln. 27Dieser
(wie Anm. 7), Bd. 2, S. 361f., 381ff. - Zur T_itigkeit der niederl_indischen Residenten: H;
Bots. Une source importante pour le Refuge huguenot: La correspondance diplomatique
des r_sidents n_erlandais fi Francfort, Cologne et Ratisbonne (1685-1687), in F.
Hartweg/Stefi lersch-Wenzel (Hrsg.), Die Hugenotten und das Refuge: Deutschland und
Europa (Einzelver6ffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin. 74), Berlin
1990, S. 57-65. - Zur Hugenottenwerbung der bayreuthischen Regierung in der Schweiz:
A. Ebrard, Christian-Ernst von Brandenburg-Baireuth. Die Aufnahme reformirter
Fliichtlingsgemeinden in ein lutherisches Land. 1686-1712, Giitersloh 1885, S. 22ff. -Vgl.
auch F. A. Kadell. Die Hugenotten in Hessen-Kassel (Quellen und Forschungen zur
hessischen Geschichte. 40) Darmstadt/Marburg 1980, S. 71.
24 Die hugenottische Zuwanderung nach Ltineburg: Beulek¢ (wie Anm. 1), Nr. 851-881, setzte
erst nach 1690 ein. - Vgl. Mogk. Ltineburg (wie Anm. 7), S. 389, der diese Einwanderung
in den Wirkungszusammenhang des Privilegs yon 1684 stellt. - Zur Person der Herzogin
Sophie: Schnath (wie Anm. 7), Bd. 1, S. 133ff.
25 Nach Beuleke (wie Anm. 1), Nr. 439, 441,464, 559-567, 771, 772, 778 und 784, sind vor
1690 in Celle und Hannover nicht mehr als ein Dutzend hugenottischer
Gewerbetreibender mit ihrem Anhang zu erheben.
26 Klin_ebiel, Weserfranzosen (wie Anm. 3), S. 33ff.
27 ebd. - Zur Soziet:,it Planques und Cr_guts s. zuletzt: Th. Klingebiel, Wahlverwandtschaft
15

Vorgang ist in mancher Hinsicht ungew6hnlich: Angeau, der ebenso wie
Planque und Cr6gut aus der Gegend von Le Vigan, einer kleinen Stadt am
Rande der Cevennen stammte, spielte die Rolle des Mittelsmanns wohl kaum
aus eigenem Antrieb, sondern vielmehraufdiskrete Weisung Grotes, der zwar
hugenottische Gewerbetreibende anzusiedeln wiinschte, diesesZiel aus inneno
und auflenpolitischen Grfinden aber nicht often verfolgen mochte.28Wenn
ihn dagegen Abgesandte der hugenottischen Glaubensfliichtlinge darum
baten, sich im Lande niederlassen zu diirfen, konnte er sich mit deren
Aufnahme unter Verweis auf das Novemberedikt des Jahres 1685 befassen,
ohne eine l_ihmende politische Auseinandersetzung zu riskieren. Auch in
anderen Territorien hatte man nicht ohne Erfolg mit dem Mittel der
fingierten Petition Widerst_inde gegen die Aufnahme von Hugenotten zu
fiberwinden gesucht. 29
Das Novemberedikt des Jahres 1685 bot zwar die rechtliche Grundlage ffir
die Aufnahme der Hugenotten, 3°es kl/irte aber nicht hinreichend die Bedingungen,
unter denen sie angesiedelt werden solhen. Die Niederlassungsbedingungen
bildeten daher den eigentlichen Gegenstand der Verhandlungen, die
im Juli und August'1689 zwischen Planque und Cr_gut einerseits und Grote
andererseits stattfanden. Dabei wurden insbesondere der Kapitalbedarf der
Manufaktur, die Sicherstellung des Warenabsatzes und die Finanzierung des
Umzuges der Soziet_ityon Erlangen nach Hannover er6rtert. Grote und die
iibrigen Geheimen R_itestiitzten sich bei ihrer Meinungsbildung nicht zuletzt
auf ein gewerbepolitisches Gutachten des Bartholom_ius Le Grand, eines in
welfischen Diensten stehenden Franzosen katholischer Konfession. 31Alle
iibrigen Regelungen, darunter die landesherrliche Besoldung eines franz6sisch-reformierten
Pfarrers, wurden im Sinne des Novemberedikts von 1685
getroffen. 3z Nachdem sich Planque und Cr_gut ffir eine Ansiedlung in
und Familie im deutschen Refuge: Das Beispiel der Hamelner Nadal, in: Der Deutsche
Hugenott, 57.J_: (1993), Heft 1, S. 9-21, hier S. 9ff. - Zur Person Grotes: $chnath (wie Anm.
7), Bd. 1, S. 32fL, 309ff.
28 Klingebiel. Weserfranzosen (wie Anm. 3), S. 30ft.
29 Schanz (wie Anm. 5), Anhang Nr. 6, hier S. 9. - Vgl. hierzu auch die Unterscheidung
zwischen 'privilegia gratuita' und 'conventionalia' in der Privilegienlehre des 18.
Jahrhunderts: b,lohnhaupt. Privatrecht (wieAnm. 4), S. 64.
30 In Punkt 8 der Resolution vom 10./20. August 1689 ist ein Verweis auf das
Aufnahmeprivileg yon 1685 enthalten.
31 NHStA Hannover Cal. Br. 8, Nr. 572 I, Gutachten Le Grands, o. D. (wohl Juli 1689). - Zur
Person Le Grands: Klingebiel, Weserfranzosen (wie Anm. 3), S. 51£, 55, 63-66.
32 Abweichend von Art. 4 des Novemberedikts wurde kein Quorum fiir die Verpflichtung
des Landesherrn, einen Pfarrer zu besolden, festgelegt.
16

Hameln entschieden hatten, kamen die Parteien EndeJuli schliefglich iiberein,
das Ergebnis der Verhandlungen in Form einer Iandesherrlichen Resolution
festzuschreiben. Zu diesem Zweck formulierten die beiden Hugenotten eine
acht Punkte umfassende, am 28. Juli pr_isentierte Eingabe, die man als eine
im Zuge der Verhandlungen leicht gekfirzte Fassung eines etwas _lteren
Forderungskatalogs charakterisieren darf? 3 Es handelt sich bei der auf die
Eingabe hin ausgestellten landesherrlichen Resolution vom 10. August/20.August
1689 (Dokument Nr. 3) also materiell um eine aus Verhandlungen
zwischen den Bevollm_ichtigten der Manufaktursoziet_it und der
hannoverschen Regierung hervorgegangene, vertragliche Ubereinkunft. 34
Die Entwicklung des Res.olutionstextes ist fiberwiegend nachvollziehbar, denn
es ist ein von den Geheimen R_iten korrigiertes und gezeichnetes Konzept
erhalten. 35Demnach wurden neben stilistischen Korrekturen und kleineren
Pr_izisierungen drei erhebliche Ver_nderungen vorgenommen: Unter dem
achten Punkt fiigte man einschr_inkend ein, dat_ die EmpP_inger der Resolution
,,sowoll yon Hiiten und Striimpfen, alf_ yon anderen accisbahren
Dingen" die Akzise zu leisten hatten. Mehr als nur formale Griinde bewogen
die Geheimen R_ite zudem, _die Fassung des Schluflprotokolls in der bereits
ausfertigungsreifen Reinschrift: ,,welches aufhtchstged. Ihre Durchl. gn_idigsten
Befehl gemelten Cregut und Planque zur Nachricht hiemit zur Resolution
angedeutet wird", in letzter Minute durch die mit den Worten ,,zu
Urkund dessen" beginnende Sequenz zu ersetzen. Diese/_mderung war derart
gravierend, daft die korrigierte Reinschrift nicht mehr - wie vorgesehen - yon
den Geheimen R_iten unterzeichnet wurde. Sogar das bereits aufgedriickte
Siegel ist wieder entfernt worden. 36In das Eingangsprotokoll der neuen, nun
vom Landesherrn selbst gezeichneten Resolution, die nur noch als Abschrift
im Kopialbuch des Hamelner Koloniegerichts erhalten ist, hat man
schliefllich auch den in allen friiheren Fassungen fehlenden Titel des Ausstellers
eingeftigt. 37
33 NHStA Hannover, Cal. Br.8, Nr. 572 I.-In der _ilterenEingabefindet sich diezus_itzliche
Forderung nach einem auf fiinfJahre zinslos zu gew_ihrendenVorschul_im Umfang von
2000 Livresfiir eine Hutfabrik.
34 Eine_ihnliche,ebenfalls8 Punkteenthaltende kurbrandenburgischeResolution,ausgestellt
am 9. Oktober 1686,empfingder MagdeburgerTuchmanufakturust PierreBonnel:Tollin.
Magdeburg (wieAnm. 23), Bd. II, S.472.
35 NHStA Hannover, Cal. Br. 8, Nr. 572 I, Konzept. - Zur Zusammensetzung und
Aufgabenverteilungder GeheimenR_ite:Schnath (wieAnm. 7), Bd. 1, S.309f.f.,Bd. 2, S.
320ff.
"36 NHStA Hannover, Cal. gr. 8, Nr. 572 I, Reinschriftder Resolution vom 10./20.August
1689.
17

Es ist davon auszugehen, daft diese, vonder Regierung offenbar nicht ohne
Z6gern gew_ihrten, formalen _.nderungen aufWunsch der beiden Franzosen
vorgenommen wurden, denn Planque und Cr_gut bedurften des offenen, den
Landesherren selbst rechtlich bindenden Privilegs3s aus einem doppelten
Grund: Zum einen ben6tigten sie es, um ihre Partner, Gesellen sowie weitere
Arbeiter und deren Familien in ausreichender Zahl fiir den Umzug nach
Niedersachsen zu gewinnen. Zum andern aber war den beiden Hugenotten
bewuflt, daft sie das Fiirstentum Bayreuth, dessen Landesherrn sie sich
verpflichtet hatten, mit ihrem Anhang kaum wiirden verlassen k6nnen, wenn
sie nicht die schutzgew_ihrende Einladung eines anderen Reichsstandes vorzuweisen
vermochten. Trotz dieser Vorsichtsmaflnahme wurde der geordnete
Abzug der Soziet_it unter der Leitung des mit der Resolution in der Tasche
nach Erlangen zur/ickgekehrten Planque durch die bayreuthische Regierung
zun_ichst monatelang blockiert und erst nach einem von bitteren Vorhaltuno
gen gepr/igten politischen Notenwechsel zwischen den beiden beteiligten
Reichsst/inden freigegeben.39
Inzwischen hatte sich'die hannoverscl';e Regierung nach griindlicher Auswertung
der sommerlichen Verhandlungen mit Planque und Cr_gut entschieden,
in der Weserstadt Hameln nicht nur eine Tuchmanufaktur, sondern eine
komplette Gewerbekolonie anzusiedeln. Der Aufbau und die administrative
Leitung der geplanten Hamelner Kolonie wurde am 26. November 1689
(Dokument Nr. 4) dem coburgischen Kriegsrat Jean Pierre Ponnier tibertragen,
einem Mann, der bis zu seiner Entlassung aus bayreuthischen Diensten
im Frfihjahr 1688 zu den maflgeblichen Leitern des Erlanger Kolonieprojekts
gez/ihlt hatte.4° Ponnier, der unter den Hugenotten des fr/inkischen Refuge
37 Stadtarchiv Hameln, Protokollbuch des Koloniegerichts Bd. II, S. 1-3. - Die Ausfertigung
der Resolution besorgte wie iiblich der Geheime Kammersekret_ir Johann Hattorf (ca.
1637-1715). Vgl. zur Aufgabenteilung zwischen Geheimer Ratsstube und dem
landesherrlichen Kabinett: Schnath (wieAnm. 7), Bd. 1, S. 307f., Bd. 2, S. 317£
38 Zur Bedeutung der _iufleren, urkundlichen Form des Privilegs: Schulze. (wie Anm. 4), S.
169ff.
39 Gem_ifl Art. 21 des Erlanger Privilegs vom 15. August 1687 (wie Anm. 49) stand den
Hugenotten zwar das Abzugsrecht zu, heanspruchen durften sie es abet nur nach
Bezahlung aller Schulden und Verbindlichkeiten. Die Soziet_it Planques und Crbguts hatte
jedoch Miihe, die 600 Reichstaler aufzubringen, die ihnen als Kredit gew_ihrt worden
waren. Zwar verfligten sie iiber Waren, doch wurde ihnen zun_ichst der Verkaufverwehrt.
Schliefllich halfihnen Hannover auch mit Bargeld aus, so daft sie am Ende doch freikamen:
NHStA Hannover, Cal. Br. 8, Nr. 572 I, und Bayerisches Staatsarchiv Bamberg, Rep. C
29c Nr. 255.
40 NHStA Hannover, Cal. Br. 8, Nr. 572 I, Bestallung Ponniers Hannover 1689 November
18

trotz der Umst/inde seiner Entlassung hohes Ansehen genofl, dfirfte den
hannoverschen Geheimen PAten von Planque empfohlen worden sein. Ausgestattet
mit dem Titel eines Kommerzienrats, erhielt der Hamelner Koloniekommissar
die Vollmacht, im Namen des Landesherrn hugenottische
Manufakturisten und Handwerker anzuwerben und mit ihren Angeh6rigen
und ihrer beweglichen Habe nach Niedersachsen zu schaffen.41
In den folgenden Monaten gelang es dem erfahrenen, meist von Coburg aus
operierenden Ponnier tats_chlich, mehrere Dutzend franzfsischer Manufakturisten,
Handwerker und Kaufleute zu gewinnen, die tells unzufrieden mit
den Verh/iltnissen im fr_inkischen Refuge waren, tells aus der Schweiz nachrfickten.
42Der Koloniekommissar nutzte bei der Anwerbung vor allem das
Mittel des Vertrags. Die fiber fonfzig, yon Ponnier fiberwiegend in der ersten
H/ilfte des Jahres 1690 abgeschlossenen Vertr_ige43 sind auflerordentlich
gleichf'6rmig: W/ihrend der Vertragnehmer - gelegentlich unter Anffihrung
bestimmter Leistungen - verspricht, sein Handwerk oder seinen Beruf nach
bestem Verm6gen auszufiben, sagt Ponnier kraft seiner landesherrlichen
Vollmacht im Gegenzug die Zahlung eines je nach Gewerbezweig unterschiedlich
bemessenen, fiber mehrere Jahre zinsfreien Kredits sowie den Bau oder
die kostenlose Uberlassung yon Produktionsanlagen und Wohnungen zufl4
Einen Teil des Kredits empfing der Vertragnehmer oft als Barvorschufl, um
die Ubersiedlung finanzieren zu k6nnen. 4s In anderen F/illen erhielten
hugenottische Gewerbetreibende Reisemittel wie zuvor schon Planque und
Crfgut auch geschenkt. Alle anderen regelbedfirftigen Gegenst_inde, die in der
Resolution fOr Planque und Crfgut zum Tell noch behandelt worden waren,
26 (mit Revers). Ponnier erhielt ein Gehalt von 400 Reichstalern j_ihrlich, dazu
Naturalleistungen. - Zu Ponniers Werdegang mit den Stafionen Erlangen, Coburg
(1688/89), Hameln (1689-91 Januar), Halle (1691 Juni), Celle (1691 November) und
schliefllich wieder das kurbrandenburgische Herzogtum Magdeburg (1708): Klingebiel.
Weserfranzosen (wie Anm. 3), S. 36f£ und 6fter; Tollirl, Magdeburg (wie Anm. 23), Bd. I,
S. 172, 178f..,Bd. II, S. 33.
41 NHStA Hannover, Cal. Br. 8, Nr. 572 I, Vollmacht Rir Ponnier, Hannover 1689 November
22 (frz. Konzept).
42 Klingebiel, Weserfranzosen (wie Anm. 3), S. 37ff. - Unter Leitung des ersten Pfarrers der
Hamelner Hugenotten, Franqois Dubruc, marschierte ein fiber 100 Personen umfassender
Trupp yon Franzosen in den Monaten Januar und Februar yon Lausanne nach Hameln.
Dubruc und seine Leute wurden yon Ponnier Mitte Februar in Coburg begrfiflt und
logistlsch unterstfitzt.
43 Die Vertr_ge finden sich in den B_inden des NHStA Hannover, Cal. Br. 8, Nr. 572 I und
Nr. 575 V/'VIIIfXI.
44 Klingebiel. Weserfranzosen (wie Anm. 3), S. 38£
45 ebd.
19

wurden in den Vertr_igen ausgeklammert. Es fehlte freilich nicht der Verweis
auf jene, allen Zuwanderern zustehenden Freiheiten und Immunit_iten, die
in der landesherrlichen 'Deklaration' genannt waren. 46
Doch welche 'Deklaration' war etwa im Vertrag Ponniers mit Franqois
Gervais, der am 22. April 1690 in Coburg (Dokument Nr. 5) unterzeichnet
wurde, 47gemeint? In der landesherrlichen Vollmacht, die fiir Ponnier am 22.
November 1689 ausgestellt worden ist, wird dem Koloniekommissar ausdrficklich
auferlegt, seine Werbungsfiitigkeit im Einklang mit den Bestimmungen
jener 'Declaration' auszufiben, ,,que Nous en avons donn& et fait
dresser par ecrit "48. Es handelt sich in diesem Fall also um das bisher ohne
Resonanz gebliebene Edikt vom 21. November 1685, das dem Landesherrn
wie den Geheimen R_iten zun_ichst eine hinl_inglich tragi°_ihige Rechtsgrundlage
ffir die Errichtung einer Hugenottenkolonie zu bilden schien. Ponnier
teilte diese Ansicht jedoch nicht. Er dr_ingte bald darauf, eine neue, besondere
Rechtsgrundlage ffir die entstehende Hamelner Kolonie zu schaffen. Ponniers
Haltung ist aufzwei Einsichten zurfickzuffihren: Zum einen dfirfte er aufden .
ersten Blick erkannt haben, daf_ das Aufnahmeedikt aus dem Jahre 1685 als
Werbemittel nlchts tdiugte, denn dessen Angebote wirkten im Vergleich zu
den attraktiven Niederlassungsbedingungen der jiingeren Privilegien wie
Ladenhfiter. Zum andern aber botes keine kirchenrechtlichen Sicherungen
ffir die gleichzeitig mit der Kolonie zu grfindende ffanz6sisch-reformierte
Gemeinde und nur unzureichende Bestimmungen hinsichtlich der jurisdib
tionellen Zust_indigkeiten.
Diese M_ingel des veralteten Edikts aus dem Jahre 1685 bereiteten Ponnier
umso mehr Sorge, als er den Kern des Hamelner Koloniepersonals tells aus
praktischen, tells aus pers6nlichen Motiven in den fr_inkischen Refugesiedlungen
anwerben woIIte. ZumaI die Hugenotten in Erlangen verfiigten mit
dem neuen 'Privileg' vom 15. August 168749 indessen fiber ein 'Grundgesetz',
46 Der Begriff 'Deklaration'/'declaration' wurde offenbar in Anlehnung an das als
Deklaration bezeichneteErlanger Privilegienwerkverwendet.Vgl.unten Anm. 49.
47 NHStA Hannover, Cal. Br. 8, 572 I. - Zu Franqois Gervais(gest. 1715), Gerber und
Kirchen_iltesterin Hameln, der den Vertrag auch im Namen seiner Briider abschlofl:
Klingebiel.Weserfranzosen(wieAnm. 3),S. 112, 188.
48 NHStAHannover, Cal. Br. 8, 572 I.
49 Das 'Erlanger Privileg', in der franz6sischen Fassung als 'Declaration' bezeichnet,
ausgestelltin Bayreutham 15.August1687,istsowohlbei Ebrard(wieAnm.23),S.166-175,
_ alsauch beiK. Hintermeier. Selbstverwaltungsaufgabenund Rechtsstellungder Franzosen
im Rahmen der ErlangerHugenottenkolonisation Our.Diss.,1948),in: ErlangerBausteine
zur fr_inkischenHeimatforschung 34(1986),S. 37-161,hier S. 148-159,abgedruckt.
2O

das dem Wunsch der franz6sischen Zuwanderer nach kirchlicher Autonomie
ebenso entsprach wie den besonderen Anforderungen, die sich aus dem
Zusammenleben von Deutschen und Franzosen in Erlangen ergeben hatten.
Es war vor allem aber ein Privileg, an dessen Entstehung die Hugenotten als
Gemeinschaft beteiligt worden waren. Folglich ftihlten sie sich durch dieses
Privileg starker gebunden als durch _iltere,ihre gemeinschaftlichen Interessen
in geringerem Matte beriicksichtigende Aufnahmeedikte. s° Die Hugenotten
der fr_inkischen Kolonien waren ftir einen Umzug daher nur zu gewinnen,
wenn sie die einmal erworbene Rechtsstellung nicht aufgeben muflten.
So setzte Ponnier alles daran, um fiir die Hamelner Kolonie eine neue
landesherrliche Deklaration zu erwirken, die dem Erlanger Privileg in keinem
Punkt nachstand. Es gibt sogar Hinweise daf/.ir, daft er auf diese Weise den
gesamten personellen Kern der Erlanger Kolonie an die Weser transferieren
zu k6nnen glaubte.51Da Ponniers Vorschlag, eine besondere Deklaration fiir
die Hamelner Kolonie zu publizieren, bei den Geheimen R_itenoffenbar nicht
auf grunds_itzliche Vorbehalte stietg, wird der Koloniekommissar noch im
Dezember 1689 einen Entwurf angefertigt haben, 52den er vor seiner um die
Jahreswende erfolgten Abreise nach Coburg der Regierung zuleitete. Man daft
zudem davon ausgehen, dafger den Hugenotten, mit denen er in Coburg
w_ihrend der ersten Monate des Jahres 1690 verhandelte, von vornherein
seinen eigenen Entwurf pr_isentierte. Doch je l_ingerPonnier auf die Ausfertigung
des neuen Privilegs warten mutgte, desto mehr biiflte er in den Augen
seiner Verhandlungspartner an Glaubwiirdigkeit ein. Der ohnehin ungeduldige
Koloniekommissar interpretierte das Schweigen der hannoverschen
Regierung als Entscheidungsschw_iche und sandte unter dem 18. Februar 1690
ein Exemplar des Erlanger Privilegs nach Hannover, um die Geheimen R_ite
auf ihr Vers_iumnis aufmerksam zu machen, s3Doch es vergingen weitere vier
50 Zur Entstehung des Erlanger Privilegs: Schanz (wie Anm. 5), S. 27ff. - Der Vertragsgedanke
diirfte zumal unter den bfirgerlichen Hugenotten infolge ihrer gewerblichen Aktivit_iten,
v0r allem aber aufgrund ihres Kirchen- und Familienrechts hohes Ansehen genossen haben. •
Ob die durch Calvin systematisch aufgenommene alttestamentliche Bundesvorstellung
unter den reformierten Franzosen eine gleichgerichtete Wirkung ausiibte, ist, soweit ich
sehe, nicht hinl_inglich erforscht. Vgl. immerhin J. Bohatec. Calvins Lehre yon Staat und
Kirche, Aalen 1961 (Erstdruck 1937), hier S. 64ff. - H. Kretzer, Calvinismus und
franz6sische Monarchie im 17. Jahrhunde_t. Die politische Lehre der Akademien Sedan
und Saumur, mit bes. Ber/icksichtigung yon Pierre Du Moulin, Moyse Amyraut und Pierre
Jurieu (Historische Forschungen 8), Berlin 1975, hier S. 423.
51 Ponnier teilte den Geheimen R_iten unter dem 17. M_irz 1690 mit, er habe die
Voraussetzungen geschaffen, um inner-halb yon sechs Monaten bis zu 3000 Franzosen
nach Hameln ffihren zu k/Snnen: NHStA Hannover, Cal. Br. 8, Nr. 572 I.
52 NHStA Hannover, Cal. Br. 8, Nr. 573, Ponnier an Dubruc, 1689 Dezember 14.
21

Wochen, bevor die Geheimen PAte den inzwischen nach Hameln zuriickgekehrten
Ponnier wissen lieflen, daft man die von ihm eingereichten ,,Generaldeclarationsarticel"
sorgf_iltig priifen wolle. 54
Die Beratungen der Geheimen PAte nahmen zwar weitere vier Wochen in
Anspruch, bevor in der zweiten Aprilh/ilfte eine druckreife Fassung des
'Hamelner Privilegs' verabschiedet (Dokument Nr. 6) werden konnte, 55doch
es zeigte sich bereits in der friihen Phase des Priifungsprozesses, daft erstaunlicherweise
nicht die weitreichenden, fast vollst_indig aus dem 'Erlanger
Privileg '56entnommenen kirchenrechtlichen Bestimmungen des Entwurfs auf
Ablehnung stieflen: Noch w_ihrend Ponnier in Coburg ausharrte, ohne daft
ihn ein Zeichen aus Hannover erreichte, teilten die Geheimen PAte dem
Hamelner Stadtschulzen Hundertmark unter dem 10. M_irz mit, daft den in
die Weserstadt kommenden Hugenotten das freie Religions-Exercitium gew_ihrt
worden sei, und befahlen ihm, einen fiir den 6ffentlichen Gottesdienst
geeigneten Ort bereitzustellen, s7 Weder zu diesem noch zu einem sp_iteren
Zeitpunkt ist ein Einspruch der lutherischen Landeskirche gegen die kirchlichen
Privilegien der Hamelner Hugenotten zu erheben. Zu dieser auch im
Vergleich zur benachbarten Rineburgischen Landeskirche auff_lligen Zuriickhaltung
diirften zwei Umst_inde maflgeblich beigetragen haben: Zum einen
betrachteten die hannoverschen Lutheraner die Hugenotten nicht als Ketzer,
sondern als 'irrende Briider' denen man zumal in einer Zeit der Bedr_ingung
53 NHStA Hannover, Cal. Br.8, Nr. 572 I., Ponnier an Urbich, Coburg, 1690Februar 18.
54 NHStA Hannover, Cal. Br. 8, Nr. 572I., Resolution der GeheimenR/ite,Hannover, 1690
M_rz 2I.
55 NHStAHannover, Cal. Br.8, Nr. 575I.,Declaratioprivilegiorum(Reinkonzept mit sp_iter
eingetragenenKorrekturen; 1690April). Paraphiertvon Otto Grote, FranzGrafvon Platen,
Philipp Albrecht von dem Busscheund Ludolf Hugo, diente essp/iterals Druckvorlage.-
Beiliegendfindet sich ein frfiheres Konzept, das in der Zeile des Ausfertigungsdatums
ebenfalls den Monat April nennt, sowie franz6sische Fassungen des deutschen
Reinkonzepts.-Verz6gerthatte sich der Beratungsprozet_erneut Mitte April, denn Grote
warabwesend.Unter dem 16.April hatte Ponnier,der im Begriffwar,wiedernach Coburg
abzureisen,die GeheimenR_teerneut um diebeschleunigteAusfertigungder Deklaration
gebeten,da sonst ,,die manufacturiersihre promessen nicht effectuirenwerden": NHStA
Hannover, Cal. Br.8, Nr. 572I. -Von Coburg ausforderte Ponnier dann am 4. Mai (wohl
vergeblich)ein Dutzend Exemplaredes neuen Hamelner Frivilegsan; das Original sollte
PfarrerDubruc in Hameln erhalten: ebd.
56 Aus dem ErlangerPrivilegwurden die kirchenrechtlichenArtikel I und IV-X(Artikel II
und III beziehen sich auf spezifischefr_inkischeGegenst_inde)unter Beibehaltung der
Reihenfolgeiibernommen: Sie entsprechen Artikel I bzw. II-IXdes Hamelner Privilegs,
wobei der ErlangerArtikel IXauf die Hamelner Artikel VII und VIII aufgeteiltwurde.
57 NHStA Hannover, Cal. Br. 8, Nr. 572 I., Resolution der Geheimen R_itefiir den
Stadtschulzenzu Hameln und den PfarrerDubruc, Hannover, 1690M_irz10.- Vgl.aber
auch ebd., Nr. 573,SchreibenPlanques an Dubruc, Hannover, 1689August 18.
22

des Protestantismus beistehen muflte, s8 Ihre Haltung gegeniiber den Hugenotten
deckte sich also mit dem Urteil des angesehenen pietistischen Geistlichen
und Kirchenpolitikers Philipp Jacob Spener (1635-1705), der in diesen
Jahren die Gemeinschaft aller Protestanten betonte, s9 Zum andern geh6rte
es zu den innenpolitischen Maximen der Regierung Ernst Augusts, die
fiihrenden K6pfe der Landst_inde rechtzeitig in schwierige Entscheidungsprozesse
einzubeziehen. Zu diesen einfluflreichen M/innern z_ihlte insbesondere
Gerard Wolter Molan (1633-1722), Abt von Loccum, der als Konsistorialdirektor
die Landeskirche seit 1674 zunehmend selbst_indig leitete. 6°Da in den
folgenden Jahren mit dem Konsistorialrat Christoph Heinrich Hattorf
(1660-1719) ein enger Vertrauter Molans am Aufl0au der Kolonie beteiligt
wurde, dfirfte auch das Hamelner Ansiedlungswerk in enger Abstimmung mit
den Spitzen der Landeskirche und der Landst_inde durchgeNhrt worden
sein. 61Die Landeskirche scheint allerdings ihren Einflufl geltend gemacht zu
haben, um die vom Parochialzwang befreite franz6sisch-reformierte Gemeinde
der Weserkolonie im Gegenzug v611ig zu isolieren. Aus diesem Grund
wurde der Hugenottengemeinde die reformierte Predigt in deutscher Sprache
nicht gestattet. 6zDem gleichen Zweck dient.e es, wenn das Geistliche Ministerium
der Stadt Hameln Einspruch gegen die Besch_iftigung lutherischer
Kurrendeschfiler in franz6sischen Manufakturen erhob. 63
58 NHStA Hannover, Hann. 113 K III Nr. 58, Gutachten Molans, o. D. (Jahreswende
1697/98).-Vgl.J. Meyer,KirchengeschichteNiedersachsens,G6ttingen 1939,S. 148£;H.
Weidemann, Gerard Wolter Molanus. Eine Biographie,2 Bde.,G6ttingen 1925/29, hier
Bd. 2, S. 133ff.
59 Mit Spenerkorrespondierte nebenLeibniziibrigensauchOtto Grote, derPremierminister.
Vgl. H. Lehmann. Briefwechsel Spener-Leibniz,in: Jahrbuch fiir brandenburgische
Kirchengeschichte 14 (1916), S. 101-157.- Ders., Zwei Spenerbriefe,in: Jahrbuch ffir
brandenburgische Kirchengeschichte15 (1917),S. 156-163,hier S. 157-159,Schreiben
Spenersan Grote, Frankfurt am Main, 1685November 7. - Die hannoversche Regierung
lie_ sich zudem/iber dieStellungder reformiertenKirchein der ReichsstadtFrankfurt am
Main unterrichten: NHStA Hannover, Cal. Br. 24, Nr. 1763, Magistrat, Frankfurt am
Main, 1689M_irz9. - Der FrankfurterMagistrat bezogrich dabei ebenfallsauf Positionen
Speners.Spenerhatte sichaufgrund IokalerUmst_inde,aber nicht grunds_itzlich,gegendie
Gestattung des 6ffentlichen reformierten Gottesdienstes ausgesprochen:Ph. J. Spener.
LetzteTheologischeBedencken,2. Aufl.,Halle 1721,Teil III, S.272-274.
60 Iedingebiel.Weserfranzosen(wieAnm. 3), S. 68f.
61 Zu Hattorf: Klingebiel.Weserfranzosen(wieAnm. 3), S. 104(mit Anm. 15)und/Sfter. -
Hattorf war sp_iter Verwaher der landschafflichen Manufakturkasse, aus der auch
Hamelner Manufakturisten Krediteempfingen:NHStA Hannover, Dep. 7 B, Nr. 1612£
62 NHStAHannover, Cal. Br. 8,Nr. 575 I.,Resolvenda,1690September30.-In diesemPunkt
hielt man sich an den RatSpeners,der dieBedeutungder Sprachbarriereklarerkannt hatte:
Spener.Bedencken(wieAnm. 59),Teil I, S. 328.
63 NHStA Hannover, Cal. Br. 8, Nr. 576, Gutachten des Hamelner Superintendenten
Harding, 1691M_irz3. -ebd., Nr. 572 III, Bericht KommissarMeyers,1691Februar 5.
23

Die Landeskirche beharrte also nicht auf ihren wohlgegr(indeten Vorrechten,
64sondern beschr_inkte sich lediglich darauf, die Weiterentwicklung der
hugenottischen Flfichtlingsgemeinde zu einer konkurrenzf'_ihigen reformierten
Kirche durch die Bindung ihrer Sonderrechte an sprachlich-kulturelle
Merkmale wirksam zu hemmen. Diese Taktik entsprach ihren grundlegenden
institutionellen Interessen ebenso wie den aktuellen Erfordernissen der gesamtprotestantischen
Politik. Sie entsprach zun_ichst aber auch den Wfinschen
der Hugenotten, deren Gemeinschaftsgefiihl durch das vereinende
Erlebnis der Flucht und Wanderung so sehr gest/irkt worden war, dat_ sie zur
Selbstabschlief_ung neigten. Der Tendenz zur Abkapselung in der Fremde
kamen jedoch nicht nur die kirchliche Autonomie verbiirgenden Bestimmungen
des Hamelner Privilegs entgegen, sondern auch jene Artikel, die den
franz6sischen Zuwanderern korporative Selbstverwaltungs-rechte sicherten. 6s
Es handelte sich dabei einerseits um die teils auf Dauer, teils nur auf zehn
Jahre erteilten gewerblichen Privilegien,66andererseits um die jurisdiktionellen
und polizeilichen Sonderrechte der Franz6sischen Kolonie in Hameln. 67
Zusammengenommen bildeten sie das Fundament nicht nur fiir eine selbst_indige
franz6sische Gewerbekorporation in der Weserstadt, sondern fast
auch fiir einen besonderen, nach dem Vorbild der im 17. Jahrhundert
errichteten Neust/idte dem Landesherrn unmittelbar unterstellten Biirgerverband.
68
Umstritten waren unter den Geheimen R/iten offenbar nicht die gewerblichen
Privilegien, die sich einschlietglich der gewerbepolizeilichen Bestimmungen
an den Prinzipien des gesamtwelfischen 'Gildenreglements '69 orientierten,
sondern die im mehrfach neugefaf_ten 11. Artikel niedergelegten jurisdiktio-
64 Die Landst_inde hatten sich zuletzt am 9. Mai 1681 fiir die Beibehaltung der lutherischen
Konfession als alleiniges Landesbekenntnis ausgesprochen: Weidemann (wieAnm. 58), Bd.
1, S. 60f. - NHStA Hannover, Dep. 7 B Nr. 996, fol. 42r-68v, hier 42r-44v.
65 Klingebiel. Weserfranzosen (wie Anm. 3), S.
66 Hamelner Privileg, Art. 12 (Handelsfreiheit), Art. 14 (Zunftfreiheit).
67 Artikel 11 des Hamelner Privilegs ist in der Fassung des urspriinglichen Konzepts im Kern
noch dem Artikel 12 der Erlanger Deklaration nachgebildet.
68 S. hierzu ausfiihrlich Klingebiel, Weserfranzosen (wieAnm. 3), S. 47ff., 123ff.
69 Das 'Reglement wegen.Errichtung der Aemter und Gilden, auch Abschaffung der bei den
Kiinstlern und Handwerckern eingerissenen, sch_idlichen Gewohnheiten und
Misbr_iuchen' wurde zwar erst im September 1692 ver6ffentlicht, es beruhte jedoch auf
dem Entwurf'Wie die Gilden hinfiiro einzurichten', der im April 1686 fiir die welfische
Hauskonferenz in Burgdorf bereitgestellt worden war: Klingebiel. Weserfranzosen (wie
- Anm. 3), S. 28f. (mit weiterer Literatur). Das Reglement ist abgedruckt in: Chur
Braunschweig-Liineburgische Landesordnungen und Gesetze Calenbergischen Yheils,
Theil III, G6ttingen 1740, S. 1-14.
24

nellen Rechte: Entgegen Artikel 9 des Novemberedikts von 1685, der den
Zuwanderern neben der Aufnahme in den Untertanenverband zugleich das
Biirgerrecht des jeweiligen Niedertassungsortes versprach, wurden die Hugenotten
zun_ichst n_imlich nicht in die Hamelner Btirgermeinde eingegliedert.
7° Folglich unterstanden sie auch nicht der Magistratsgerichtsbarkeit,
sondern man unterstellte sie in allen zivilrechtlichen Verfahren erster Instanz
dem neuzuschaffenden Koloniegericht. 71Die landesherrliche Justiz-Kanzlei
bildete bei einem Streitwert von mehr als 30 Reichstalern die Appellationsinstanz
sowie auch das ftir Kriminalsachen zust/indige Gericht der Kolonie] 2
Eine gewisse Verklammerung zwischen der Hamelner Btirgergemeinde und
der Franz6sischen Kolonie ergab sich indessen durch die Schaffung eines
parit/itisch vom Magistrat und der Kolonieleitung besetzten, gemischten
Gerichts ('Iudicium mixtum'), das zusammentreten sollte, wenn Streit zwio
schen einem Hamelner Btirger und einem Mitglied der Kolonie entstand. 73
Falls aber ein Franzose mit einem Fremden in Konflikt geriet, hatte der Kl_iger
nach dem Grundsatz des 'Forum rei' jeweils vor das Gericht des Beklagten zu
ziehen. TM
70 Die Hugenotten wurden mit Art. 10 (angeschlossenArt. 18) mit allen Rechten in den
Untertanenverband aufgenommen. DieGeheimenR_itefiigten aberbei der Korrektur des
zweiten,abgezeichnetenKonzeptsden Passusein: ,,ausgenommendiejenigenPrivilegien,
welchedie St_idtebey Bestellungdes Magistratsin particulier haben_. Damit wurde den
Hugenotten die Ausbildung einer echten biirgerlichen Selbstverwaltung neben der
Hamelner Bfirgergemeindeverwehrt.Indirekt wurde so aber der Wegzur Eingliederung
in den Hamelner Bfirgerverbandoffengehahen.
71 DasKoloniegerichtsetztesich ausdem Koloniedirektorund weiterenRichternzusammen.
Im erstenKonzept war nur ein weitererRichtervorgesehen.Sp_iterwurde nie mehr alsein
Richter neben dem Direktor bestallt.Ein Handelsgerichtkonstituiertesich (nach Vorbild
des Art. 12 des Erlanger Privilegs)unter Hinzuziehung zweier (Erlanger Privileg:drei
Kaufleute) franz6sischer Kaufleute, die als 'consuls' bezeichnet wurden: Klingebiel.
Weserfranzosen(wieAnm. 3), S. 48£
72 Die Appellation wurde durch Absenkung der Streitwertgrenzevon urspriinglich 100auf
30 Reichstaler bei der Korrektur des zweiten Konzepts erleichtert. Im 12. Artikel des
'Erlanger Privilegs' war die Grenze mit 400 Livres(= 133 1/3 Reichstaler)weit h6her
angesetzt.
73 Artikel 11,Kolonieprivileg.Im ersten Konzept standanstelledespr/izisenBegriffs'Biirger'
allgemein'Teutsche'.
74 ebd. - Die 'forum rei'-Regelungfindet sich erstin der zweitendeutschenKonzeptfassung.
Die Rechtsprechung fiber die Fremden stand in Hameln dem Stadtschulzen, einem
landesherrlichen Beamtenzu: Klingebiel,Weserfranzosen(wieAnm. 3), S. 32.- Im Laufe
der Beratungendes Artikels 11wurden dem Stadtschulzen,der als Rechtsnachfolgerdes
Satdtvogtes fiber weitreichende exekutive Befugnisse verffigte, im Rahmen der
Kolonierechtspflegebei Fluchtgefahrzus_itzlicheAufgaben iibertragen.
25

W_ihrend das 'Erlanger Privileg' mit dem parit_itisch besetzten, gemischten
Gericht ('Conseil de Justice') in der Neustadt Christian-Erlang nur ein
Rechtsprechungsorgan vorsah, wurden die Franzosen der Hamelner Kolonie
in zivilrechtlicher Hinsicht also je nach den Umst_inden verschiedenen
Gerichten unterstellt. Die Geheimen R/ite d/irften sich f/ir dieses zusammen-
gesetzte Modell entschieden haben, weil es erlaubte, die Kolonierechtsprechung
mit der gewachsenen, komplexen Gerichtsverfassung Hamelns zu
verkn_pfen, ohne die bestehenden gerichtsherrlichen Rechte beschneiden zu
miissen. 7s Dadurch gelang es ihnen auflerdem, den Hamelner Rat aus den
Beratungen des Kolonieprivilegs herauszuhalten und politische Weiterungen
zu vermeiden. 76
Da die Geheimen Rate ihre Beratungen offenbar in der zweiten Aprilh_ilfte
abgeschlossen und das iiberarbeitete Reinkonzept abgezeichnet hatten, ware
nun auch bereits die Drucklegung m6glich gewesen. Dazu kam es jedoch
nicht: Obgleich das von den Geheimen R_iten _ezeichnete Konzept nicht
beanstandet, sondern sp_iter ohne substanzielle Anderung als Druckvorlage
verwendet wurde, z6gerte der Landesherr mit der Ausfertigung des Privilegs.
Die Griinde fiir die dfeimonatige Verz6gerung lassen sich aus den Akten nicht
erheben. Sicher ist, daft technische Probleme oder Schwierigkeiten bei der
Herstellung der franz6sischen Fassung keine entscheidende Rolle spielten. 77
So darf man wohl annehmen, daft politische Erw/igungen die Verlegung des
Drucktermins bewirkt haben. Dabei ist weniger an eine auflenpolitische
R_icksicht gegeniiber Frankreich zu denken, 7s als vielmehr an eine Zur/ickhaltung
gegeniiber der Markgrafschaft BrandenburgoBayreuth: Die Beziehungen
zwischen Bayreuth und Hannover waren infolge der hugenottischen
75 Klingebiel,Weserfranzosen(wieAnm. 3), S. 135f.,160ft.
76 Stdlungnahmen des Ratesin der Beratungsphasedes Kolonieprivilegsliegen nicht vor.
Angesichtsder trtimmerhaften Oberlieferungsowohlaufder Magistrats-alsauch aufder
Regierungsseitemug offenbleiben,ob der Ratnicht doch versucht hat, eine Beteiligung
zu erreichen. Indessen kam es dazu, diesen Schlufl legen die bei den Kolonieaktenzu
findenden Ratsschreiben nahe, nicht: NHStA Hannover, Cal. Br. 8, Nr. 576,
Stadtschultheifl,Biirgermeisteru. Rat an GeheimeR_ite,Hameln, 1690IV 11.
77 Die erstefranz6sischeFassungwar wohlvon Ponnier selbstverfafltworden.Sp_iterlieflen
die Geheimen R_iteden Franzosen Viviers, einen Vertrauten von dem Bussches, die
Korrekturen iibersetzen: NHStA Hannover, Cal. Br. 8, Nr. 575 I, Protokoll vom 30.
September 1690(Randnotiz).- Viviersist m6glicherweiseidentisch mit dem bei l_euleke
(wieAnm. 1), Nr. 773 verzeichnetenArzt.
78 Die GeheimenR_it ersetztenzwarWendungen wie,aus FrankreichvertriebeneFamilien"
dutch ,,entwichene Familien", doch handelte es sich dabei ja auch um eine sachlich
begriindete Pr_izisierung.Hannover empfing allerdings im Jahre 1690/91 franz6sische
Subsidien in H6he von 500.000 Reichstalern,doch die Gegenleistungwurde auf ganz
anderem Gebieterbracht:Vgl.Schnath (wieAnm. 7), Bd. 1, S.339, 555.
26

Abwanderung aus den fr/inkischen Kolonien so sehr belastet, daft die Ver6ffentlichung
eines Privilegs, das der 'Erlanger Deklaration' stark/ihnelte, nicht
opportun schien.79Ein weiteres, in denselben Zusammenhang geh6rendes
Motiv mochte gewesen sein, daft die hannoversche Regierung Ponniers
Werbet/itigkeit in Franken und der Schweiz nicht f6rdern, sondern den
Zustrom der Hugenotten auch wegen der wachsenden Unterbringungsprc_
bleme in Hameln drosseln wollte.8°
In der Tat trug die verz6gerte Publikation des 'Hamelner Privilegs' dazu bei,
daft einige vertraglich schon gebundene Hugenotten den Weg in die Weserstadt
nicht beschritten, sie erzeugte aber auch unter den bereits eingetroffenen
Franzosen Unruhe. sl Zwar handelten die in Hameln eingesetzten landesherrlichen
Beamten gem_iflden Bestimmungen des noch nicht gedruckten Privilegs,
doch beim Aufbau der kirchlichen wie der iibrigen korporativen
Einrichtungen entstand nicht zuletzt wegen der anhaltenden Rechtsunsichero
heit Streit. Zur Verunsicherung trug zudem bei, daft viele Hugenotten
monatelang auf die Erfiillung der ihnen individuell zugesagten finanziellen
und sachlichen Leistungen warren muflten, s2 So geriet Ponnier, dessen
Glaubwiirdigkeit unter den Franzosen zunehmend angezweifelt wurde, in
eine peinliche Lage, aus die ihn erst die Publikation des Privilegs befreiteY
Indessen sah sich der Koloniedirektor bald nach der Lektiire des publizierten
Privilegientextes veranlaflt, den Geheimen R/iten eine M/ingelliste zuzuleiten:
Ponnier, der weder an der Fertigstellung der dem Druck zugrundeliegenden
Fassung noch an der Obertragung der Korrekturen in die franz6sische Version
beteiligt worden war, hatte bemerkt, daft man die nebeneinander abgedruckte
deutsche und franz6sische Fassung des 'Hamelner Privilegs' inhaltlich keineso
wegs durchgehend harmonisiert hatte.84Wohl im Auftrag des im Mai durch
Urwahl 8sgebildeten Presbyteriums der Hamelner Hugenottengemeinde, be-
79 W/ihrend des Sommers wurde auch Coburg, der Ort, von dem aus Ponnier zu operieren
pflegte, in die Auseinandersetzungen hineingezogen: NHStA Hannover, Cal. Br. 8, Nr.
572 I/II. - Bayerisches Staatsarchiv Bamberg, Rep. C 29c Nr. 255. -MarkgrafChristian-Ernst
beschwerte sich noch am 14./24. September 1690 bei der hannoverschen Regierung fiber
Ponnier.
80 Klingebiel. Weserfranzosen (wie Anm. 3), S. 45f., 100ff.
81 ebd., S. 46ff.
82 Die von Ponnier geschlossenen Vertr_igewurden endgiiltig erst am 29. November 1690 von
der hannoverschen Regierung anerkannt: NHStA Hannover, Cal. Br. 8, Nr. 572 III.
83 Zur sich wandelnden Rolle Ponniers in den Sommermonaten des Jahres 1690 vgl.
Klingebiel. Weserfranzosen (wie Anm. 3), S. 50ff.
i4 Es ist nicht zu kliiren, ob dieser Mangel den Geheimen R_iten oder dem Ubersetzer
anzulasten ist. Offenbar hat rich niemand fiir die Schluflredaktion verantwortlich geftihlt.
27

miihte sich-Ponnier zun_ichst um die Anerkennung der noch im franz6sischen,
nicht aber mehr im deutschen Text des 3. Artikels enthaltenen Befugnis
des Kirchenrats bzw. des Collo.ques, Pfarrer nach eigenem Ermessen auswechseln
und absetzen zu k6nnen. 86Dieses Gesuch wurde yon Grote und Hugo
ebenso abgelehnt wie die For&rung, das Wort ,,irregularit+" im 2. Absatz des
3. Artikels zu streichen und die im 9. Artikel gewShrte Zeugnisbefreiung fiir
Pfarrer aufdie 'anciens' auszudehnen. 87Dagegen wollten die Geheimen R_ite
die Anregung Ponniers, alle gem_ifl Artikel 15 dem Fiskus zufallenden
Erbschaften dem Hospital zuzuwenden, dem Landesherrn vortragen. Eine
weitere Bitte, die ebenfalls die Finanzierung des Hospitals betraf, schlugen sie
wiederum ab: Die einschr_inkende Wendungs?quand cette colonie sera bien
&ablie" im 7. Artikel wurde nicht gestrichen. 8
Widersprtiche enthielt das Hamelner Privileg, wie die Monita Ponniers zeigen,
aber nicht nut im Hinblick auf die kirchlichen Bestimmungen, die sp_iter
tibrigens yon der Regierung im Sinne der franz6sisch-reformierten Kirchenordnung
behoben wurden. 89 Mehr noch besch_iftigte die Nachfolger
Grotes und Hugos zu Beginn des 18. Jahrhunderts der mit_liche Umstand,
dab die von den Geh'eimen R_iten im deutschen Text des Artikels 12 eingefiigte
Beschr_inkung auf den Handel mit selbstverfertigten Waren nicht in die
franz6sische Fassung iibertragen worden war. 9°Trotz der zahlreichen, durch
Setzfehler vermehrten M_ingel verzichtete die Regierung aber auf eine Neuauflage
des auch _iut_erlich pr_ichtig gestalteten Privilegs, das neben dem
fr_inkischen Mutterprivileg fast allein den durch Genese, Form und Gegenstand
unterscheidbaren Typus des Hugenottenprivilegs repr_isentierte. 91
85 Klingebiel,Weserfranzosen(wieAnm. 3), S. 70£
86 NHStAHannover, Cal. Br.8, Nr. 575 I.,Protokoll (aufgenommenim HauseHugos), 1690
IX30.
87 ebd.- Die Geheimen R_itegaben Ponnier aber zu verstehen, im Konfliktfall im Sinne der
franz6sisch-reformiertenKirchenordnungentscheidenzu wollen. Sieboten zudem an, die
ebenfallsim 9. Artikel genannten ,,sujets"zu streichen.
88 Dieeinschr_inkendeWendung hatte keine Bedeutung,denn ab Oktober 1690empfingdie
Hugenottengemeinde50Reichstalerj_ihrlichf(ir den Unterhalt desHospitals: Klingebiel.
Weserfranzosen(wieAnm. 3), S. 77f.
89 Das Privileghatte (Artikel 1 und 3) die hugenottischeKirchenordnung grunds_itzlichals
Gemeindeverfassunganerkannt. Infolgedessenwurde der Hamelner Hugenottengemeinde
sp_itergestattet,zusammen mit den Nachbargemeindeneinen Synodalverbandzu bilden.
S.unten Abschnitt III.
90 Klingebiel,Weserfranzosen(wieAnm. 3), S. 152f.
91 Bereits das erste vorliegende Konzept erfiillt alle fbrmalen Anfbrderungen tines
6ffentlich-rechflichen,den Ausstellerauf Dauer bindenden Privilegs.Anders als etwaim
NovemberediktdesJahres 1685fehlt auch die P6nformelnicht. Esenth_iltzudem diebis
28

Neue, zur Zeit der Koloniegriindung nicht ins Auge gefaflte Entwicklungen
erzwangen im Jahre 1706 indes eine Erg/inzung des Hamelner Privilegs:
Nachdem die anfangs in Kasernengeb_iuden der Festungsgarnison untergebrachten
Hugenotten in Hameln seit 1696/97 eine grofle Zahl von Biirgerh/iusern
erworben hatten, 92 versuchte der st_idtische Magistrat zun_ichst
vergeblich, wenigstens die dinglichen Abgaben von den exemten, auf zehn
Jahre yon Steuern befreiten Franzosen zu erheben. Daraufhin strebte der Rat
eine grunds/itzliche L6sung an und betrieb konsequent die Eingliederung der
seinem Zugriff entzogenen Koloniemitglieder in den Btirgerverband. 93Da
unter den Hugenotten ebenfalls die Einsicht wuchs, daft allein der Eintritt in
die Hamelner Btirgergemeinde einen fiir die Kolonie sch_idlichen Dauerkono
flikt zwischen Deutschen und Franzosen verhindern konnte, erliefl die
hannoversche Regierung am 14. Juni 1706 ein 'Koloniereglement' (Dokument
Nr. 8), das die Aufnahme der franz6sischen Zuwanderer in die
Biirgerschaft regeln und die Beziehungen zwischen Stadtgemeinde und Kolonie
auf einen neuen Furl stellen sollte. 9a
Bei dem Koloniereglement "handelt es sich "im Kern um einen Vergleich
zwischen dem Magistrat und der Kolonie, den die Regierung vermittelt,
durchgesetzt und garantiert hatte. 95W_ihrend die hausbesitzenden oder eine
biirgerliche 'Nahrung' treibenden Hugenotten in die Biirgerschaft eintreten
und sich verpflichten muflten, die gew6hnlichen Abgaben und Leistungen zu
erbringen, 96schenkte ihnen der Magistrat nicht nur das Btirgerrecht mit allen
Gerechtsamen, 97 sondern fand sich fiirs erste 98auch zu einem Kompromifl
ins DetailberiicksichtigteGemeinwohlbindungund eineGarantieder RechteDritter. Vgl.
zu den Kriterien: Mohnhaupt, Privileg (wieAnm. 4), S. 44. - Oberlegungen zu einer
vorl_iufigenTypologieder Hugenottenprivilegienfinden sich unten Tell IV.
92 Der Erwerbvon H/iusernwurdeden Hugenottendurch spezielle,im Jahre 1696geschaffene
Bauprivilegien (Dokument Nr. 7) erleichtert, die, gestaffelt nach dem Anteil der
Eigenleistungen,zus_itzlicheFreijahre,vor allemaber eine sechsj/ihrigeProlongation des
Riickzahlungstermins ftir Kammerkredite gew_ihrten:Klingebiel. Weserfranzosen (wie
Anm. 3), S. 105f.,123ff.
93 ebd., S. 125ff.
94 Stadtarchiv Hameln: Protokollbuch des Hamelner Koloniegerichts Bd. II, S. 52-59
(Kopialbucheintrag).
95 In Hameln gab es mit dem inJahre 1661entstandenenVergleichzwischenStadt und Stift
eineauf/ihnliche Weisezustande gekommene,durch den Landesherrnin die Form eines
Transakts gebrachtelDbereinkunft:NHStA Hannover, Hann. 75, Nr. 1455,1661April 27
(Abschrift).
96 Art. 1 bzw. 3 und 10, Koloniereglement.
97 Art. 4, ebd.
29

hinsichtlich der Jurisdiktion bereit: In Ankniipfung an den 11. Artikel des
Kolonieprivilegs wurde im 5. und 6. Artikel des Reglements festgelegt, daft
kiinftig das 'Judicium mixtum' auch dann zust/indig war, wenn beide Parteien
Franzosen, aber Biirger oder doch wenigstens Hausbesitzer waren. Der
Kompetenzgewinn des 'Judicium mixtum' wurde vom Hamelner Rat mit
gemischten Gefiihlen aufgenommen, denn er ging zu Lasten nicht nur des
Kolonie-, sondern auch des Magistratsgerichts, dessen bisher unangefochtene
Zust/indigkeit bei elementaren Belangen der Biirgerschaft durch die erzwungene
Zusammenarbeit mit landesherrlichen Beamten unterh6hlt zu werden
schien. 99
Das Koloniegericht behielt zwar die Personal- und Gewerbejurisdiktion iiber
die Koloniemitglieder und deren Gesellen, Lehrlinge und Hausbedienten.
Gleichzeitig war aber festgelegtworden, daft alle Franzosen, die ein in Hameln
heimisches, ziinftiges Handwerk ausiibten, den Gilden und Ziinften beitreten
sollten) °°Zur Kolonie z_ihlten kiinftig also nur noch die Strumpf-, Tuch- und
Spezialmanufakturen, die auf diese Weise in eine, der Magistratsjurisdiktion
weiterhin entzogene Gewerbekorporation neuen Typs unter direkter landesherrlicher
Aufsicht "umgewandelt wurde. TM Bei der Trennung der exportabh/ingigen
Koloniemanufakturen yon den am Nahrungsprinzip orientierten
Handwerksbetrieben griffen die Geheimen R_te offenbar auf dieselben
Grunds_itze zuriick, nach denen seit 1688 in Hameln zwischen dem Magistrat
und dem landesherrlichen Stadtschulzen die Gewerbeaufsicht aufgeteilt worden
war.TM Begrifflich hatten die Geheimen R_itedes Jahres 1690 die Unterscheidung
des Koloniereglements bereits vorweggenommen, indem sie im
deutschen Text 1°3des Kolonieprivilegs mehrfach das Wort ,,Franzosen" in
98 Art. 8, ebd. (Das 'Iudicium mixtum' wird zun_ichst nur auf 10 Jahre eingerichtet;
Revisionsklausel).
99 Der Einflufl der Regierung aufdie inneren Angelegenheiten der Weserstadt wurde seit 1705
dadurch enorm gest/irkt, daft sie die Ausiibung aller landesherrlichen Gerechtsame und
Befugnisse (Stadtschulzenamt, Stadtvogtei, Koloniedirektorium) einem einzigen Beamten
iibertrug: Klingebiel. Weserfranzosen (wie Anm. 3), S. 135f.
100Artikel 5 (Koloniegericht) bzw. 1und 2, Koloniereglement.
101 Die Umwandlung der Kolonie zur reinen Gewerbekorporation erfolgte nach den
Grunds/itzen des Gildenreglements yon 1692: Klingebiel. Weserfranzosen (wie Anm. 3),
S. 128£
102Zur Hamelner Stadtverfassung und Verfassungswirklichkeit: Klingebiel. Weserfranzosen
(wie Anm. 3), S. 32 und 145ff. (mit weiterer Literatur).
103Im franz6sischen Text des Art. 11, Kolonieprivileg, ist gegeniiber der Vorlage: Art. 12,
Erlanger Privileg, keine Ver_inderungvorgenommen worden: Hier ist weiterhin nur von
,,francois et allemands" die Rede.
3O

offensichtlich einengender Absicht durch ,,franz6sische Manufacturiers"
ersetzten.l°4
Insgesamt mut_ man das Koloniereglement des Jahres 1706 mehr als eine
durch den Erwerb yon biirgerlichen Immobilien und Rechten notwendig
gewordene Erg_inzung und Priizisierung denn als Korrektur des Kolonieprivilegs
yon 1690 betrachten. Eine Ausnahme bildete allerdings die Aufhebung
der Zunftffeiheit fiir einen Tell der hugenottischen Gewerbetreibenden) °s Mit
dem Koloniereglement holte man jedenfalls nach, was sich im Jahre 1690
nicht auf Anhieb hatte regeln lassen und folglich bewuflt offengelassen
worden war.l°6Durch die Beteiligung des Magistrats an dem aufder Grundlage
des Kolonieprivilegs errichteten Koloniereglement wurde auch die Hamelner
Biirgergemeinde nachtr_iglich an das Werk des Jahres 1690 gebunden. So
erreichte die hannoversche Regierung des Jahres 1706 einerseits, daft die
Funktion der Koloniemanufakturen als Ausbildungsbetriebe fiir deutsche
Lehrlinge und Gesellen erhalten blieb, und andererseits, dat_ die im Interesse
des Stadtfriedens unaufschiebbare rechtliche Eingliederung der Franzosen in
den Hamelner Biirgerverband unter fiir beide Seiten akzeptablen Bedingungen
vollzogen werden k0nnte. Dies aber war die Voraussetzung dafiir, dat_ die
Franzosen allm_ihlich zu Deutschen wurden und die Kolonie mit einem
wachsenden Anteil deutscher Mitglieder bis zu ihrer Aufhebung irn Jahre
1827 (Dokument 9) als Gewerbekorporation zu iiberleben vermochte. 1°7
III. Die Gemeindeprivilegien der Jahre 1699-1705
(Celle,Hannover, Braunschweig)
-Die Wirkung des Hamelner Privilegs blieb nicht auf die Weserstadt beschr_inkt.
Zwar vermochten die Hugenotten, die sich in anderen St/idten der
welfischen Territorien niedergelassen hatten, keine korporativ verfatgten Kolonien
mit eigener Jurisdiktion und Polizei zu bilden, sondern lebten als
104Art. 11,Kolonieprivileg0urisdiktionsbestimmungen).
105Art. 14,Kolonieprivileg(Zunftfreiheit).
106NHStAHannover, Cal. Br.8, Nr. 572 I.- In der _ilterenEingabefindet sich diezus_itzliche
Forderung nach einem auf fiinfJahre zinsloszu gew_ihrendenVorschuflim Umfang yon
2000Livresfiir eine Hutfabrik.
107NHStA Hannover, Hann. 80 Hannover I Cc Nr. 7, 1827Mai 19.
31

Individuen .zumeist in den vor allem mit Hilfe von Bauprivilegien gef6rderten
neust/idtischen Quartieren. 1°8 Doch im Laufe der Jahre gelang es den in
Residenzst_idten wohnenden, kirchlich zu den Gliedern der reformierten,
konfessionell aber oft indifferenten Hofgemeinden z/ihlenden Hugenotten,
wenigstens einen Teil der Hamelner Kirchenrechte zum Aufbau eigener,
selbst_indiger Gemeinden in Anspruch zu nehmen. Die Bildung von Gemeinden,
die rechtlich auf die franz6sisch-reformierte Kirchenordnung gegr(indet
waren, hatte fiir die Hugenotten, die keiner franz6sischen Kolonie angeh6rten,
eine um so gr6flere Dringlichkeit, als sie fiber gar keinen institutionellen
Riickhalt verftigten, der ihnen in der Fremde Hilfe und Geborgenheit bieten
konnte. Verglichen mit einer Kolonie war die Gemeinde fiir die Hugenotten
des Refuge in jedem Fall wichtiger, denn sie gew_ihrte nicht nur die oft lange
entbehrten seelsorgerischen und diakonischen Leistungen, sondern bot wenigstens
den franz6sischen Hausv/itern auch den gewohnten institutionellen
Rahmen fiir eine elementare gemeinschaftliche und politische Bet_itigung. 1°9
Es waren die Hugenotten in Hannover, die als erste franz6sische Gemeinschaft
in den welfischen Landen auflerhalb Hamelns damit begannen, gemeindliche
Institutionen gem_ifl den Grunds/itzen der franz6sischreformierten
Kirchenordnung ('Discipline eccl6siastique') zu schaffen: Im
Januar des Jahres 1697 wurde yon den Hausv/itern durch Urwahl ein
Presbyterium ('consistoire') errichtet, ein Vorgang, der nach der hugenottischen
Kirchenordnung als Gr/_ndungsakt einer selbst_indigen Gemeinde zu
gelten hat. 11°Die Konstituierung der Hannoveraner Gemeinde erfolgte zwar
im Einklang mit den kirchlichen Privilegien der Hamelner Kolonie, der eine
grofle Zahl der Hannoveraner Hugenotten zuvor angeh6rt hatten, doch ohne
ausdr/_ckliche landesherrliche Genehmigung. Eine solche Genehmigung war
vorerst auch nicht erforderlich, denn der Konstitutionsakt betraf zun_ichst
nur die innere Struktur der Gemeinde. Ihrer rechtlichen Stellung nach blieb
sie einstweilen eine Hofgemeinde, deren Unterhalt und Fortbestand an die
Person der reformierten Herzogin-Kurfiirstin Sophie gekn/ipft war. TM In den
108Vgl.die Aufstellung bei l_euleke(wieAnm. 1).- Die hugenottischen Manufakturisten in
Celle oder Hannover schlossen in der Regelwie die Hamelner Franzosenindividuelle
Vertr_igemit den Landesregierungen.
109Klingebiel.Weserfranzosen(wieAnm. 3), S. 79ff.
110Die Urwahlfand am 17.Januar 1697start:Archivder Evangelisch-reformiertenGemeinde
Hannover: Presbyterialprotokolle der franz6sisch-reformierten Gemeinde Hannover
(1697-1712),2 Bde., hier Bd. 1, S. lff. - Vgl. hierzu auch: Frauke Geyken. Die
Hugenottengemeindein Hannover. Studien zu einer Hofgemeindeim deutschen Refuge
(1697-1819), Magisterarbeit, G6ttingen 1992, hier S. 49ff.
111 ebd., S. 13ff., 64f.
32

folgenden Jahren erwarb die Hannoveraner Gemeinde jedoch unter dem
schiitzenden Schirm des immer mehr zur Rechtsfiktion werdenden Status
einer Hofgemeinde allm_ihlich auch an _iut_erer Selbst_indigkeit: Bereits am 9.
Dezember 1699112befreite Kurf_irst Georg Ludwig (1660-1727) die aufeinem
vom Presbyterium angekauften Grundstiick am Rande der Hannoveraner
Neustadt eingerichtete Hugenottenkirche samt Pfarrh_iusern von allen Abgaben
(Dokument 12). Anl_itglich der Einweihung des neuen Hugenottentempels
hatte das Hannoveraner Presbyterium wenige Wochen zuvor, am 13.
November 1699, gemeinsam mit den Vertretern der franz6sisch-reformierten
Gemeinden Hamelns, Celles und Biickeburgs eine Unionsakte unterzeichnet,
die den Grundstein fiir den im Jahre 1703 (Dokument 10) vollendeten
institutionellen Bau der 'Nieders_ichsischen Konf6deration' legte. 113Mit der
Unionsakte wurde aber nicht nur das synodale Element der hugenottischen
Kirchenverfassung wiederbelebt, sondern die Hugenottengemeinden zumal
Celles und Hannovers setzten auch darauf, ihre yon der lutherischen Landeskirche
bestrittene kirchenrechtliche Selbst_indigkeit durch den Zusammenschlufl
mit der privilegierten Hamelner Kirche festigen zu k6nnen. TM
W_ihrend es der Hannoveraher Gemeinde auf diese Weise gelang, die rechtlichen
Fundamente ihrer Selbst_indigkeit zu verst_irken, vermochte sich die
alternde Kurfiirstin, die nicht nur zu den Baukosten des Hugenottentempels
beigetragen hatte, sondern im Jahre 1712 auch noch einen Fonds errichtete,
aus dessen Zinsen die Geh_ilter zweier Pfarrer bestritten werden konnten, auf
die Rolle der Stifterin (,,fondatrice") zuriickzuziehen) is Eine nicht ganz so
gliickliche Hand bei der Entlassung ihrer Gemeinde in die Selbst_indigkeit
bewies Sophies Schw_igerin Eleonore, die Schutzherrin der Celler Hugenotten.
116Zwar entwickelte sich die Hugenottengemeinde Celles unter _ihnlichen
Bedingungen wie ihre Hannoveraner Schwesterkirche zun_ichst im Schatten
eines Welfenhofes und dann im neust_idtischen, der landesherrlichen Juris-
112NHStA Hannover, Cal. Br. 8, Nr. 1075(Konzept). - Eine Abschrift findet sich bei den
cellischenAkten: Celle Br.48, Nr. 65, fol. 43r-44r.
113Archiv der Evangelisch-ReformiertenGemeinde Hannover: Presbyterialprotokolleder
franz6sisch-reformiertenGemeindeHannover (1697-1712),Bd. 1,S.59-64.-Ein Transkript
der Unionsakte von F. H. Bronde_ist abgedruckt in: Geschichtsbl_itterdes Deutschen
Hugenotten-Vereins.Zehnt V,Heft 10,Magdeburg 1896,S. 34f.
114ebd.- DieHamelner Kirche,,quia la permission de leconvoquerpar lesfavorablesEdits_',
sollte laut Unionsprotokoll auch die ersteSynodaltagungeinberufen.
115Die Herzogin wurde yon den Hannoveraner Franzosenauch als ,,lam_re et la tutrice de
cettepauvre petite _glise"bezeichnet:Geyken(wieAnm. 110),S. 13.
116Zu Eleonore, die nach dem im Jahre 1705erfolgtenTode ihres GemahlsGeorg Wilhelm
ihren Witwensitzin L_ineburgbezog, s. oben Anm. 8.
33

diktion unterstehenden Quartier einer Residenz, doch ihre kirchenrechtliche
Stellung blieb fast auf Dauer prek_ir.117Der entscheidende Grund daflir war,
daft die 1/ineburgische Landeskirche, die sich bereits im Zusammenhang mit
dem geplanten Liineburger Ansiedlungswerk in aller Sch/irfe gegen eine
Privilegierung nichtlutherischer Konfessionen ausgesprochen hatte, ns in den
folgenden Jahren gemeinsam mit den/ibrigen Landst/inden erneut gegen die
rechtliche Gleichstellung ,,fremder Religionen" Einspruch erhob. 119
Indessen kamen die Celler Hugenotten, die inzwischen zwar ein - freilich
nicht ordnungsgem/ifl nominiertes - Presbyterium besaflen,lz° aber ihre gemeinschaftlichen
Interessen vornehmlich yore Pfarrer Louis Suzannet de la
Forest 121in Abstimmung mit der Herzogin Eleonore wahrnehmen lieflen, im
Jahre 1699 mehrfach um eine landesherrliche Privilegierung ihrer Gemeinde
ein. 12zMit ihren beiden, den cellischen Geheimen R_ten Ende Februar oder
Anfang M_irz 1699 zugestellten Suppliken baten die Vertreter der Celler
Gemeinde, die ihren reformkrten Gottesdienst bisher in einer Kammer der
Herzogin gehalten hatte, zun_ichst einmal um die Erlaubnis, eine eigene
Kirche einrichten zu diirfen. 123Verkniipft war damit freilich sofort auch die
Frage des 6ffentllchen Religions-Exercitiums. Die Hugenotten begriindeten
117 Zur Celler Hugenottengemeinde: NHStA Hannover, Celle Br. 48, Nr. 65 sowie Hann. 113
KIII Nr. 27. - Vgl. H. Tollin. Geschichte der hugenottischen Gemeinde yon Celle, in:
Geschichtsbl_itter des Deutschen Hugenotten-Vereins. Zehnt II, Heft 7/8, Magdeburg 1893.
118 Vgl. Mogk, Lfineburg (wi¢ Anm. 7), S. 386ff.
119Im Jahre 1695 nahmen die Landst_inde etwa die Tiitigkeit eines Jesuiten zum Anlafl, den
Herzog unter Hinweis auf das Hildesheimer Testament seines Vaters Georg (1641 Miirz
20) daran zu ¢rinnern, daft ergehalten sei, das lutherische Landesbekennmis zu schiitzen:
NHStA Hannover, Celle Br. 48, Nr. 65, fol. 14r-15v(Stellungnahme der Landst_nde zur
Frage der fremden Religionen, Celle, 1695 Dezember 4), ebd., fol. 16r-20v (Supplik der
Landst_inde zum selben Thema an Landesherrn, Celle, 1695 Dezember 4). Es handelt sich
iibrigens bei beiden Schriftstiicken jeweils um das gezeichnete und gesiegelte Original.
120Vgl. Beuleke (wie Anm. I), Nr. 800, 813. - Tollin. C¢[le (wie Anm. II7), S. 3f. Eine
ordendiche Urwahl erfolgte nicht, denn die Anciens wurden am 20. Dezember 1688 yon
der Herzogin nominiert.
121 Zu de Ia Forest aus Mauz_/Poitou, der seit dem Friihjahr 1686 in GeIIe wirkte und dort
auch im Jahre 1703 starb: Beuleke (wie Anm. 1), Nr. 695.
122 Die Suppliken des Jahres 1699 unterzeichneten neben dem Pfarrer die Kirchen_iltesten
Robert Scott (gest. 1714), Leibarzt Geor_ Wilhelms, Daniel Caulier (gest. 1709), Leibbarbier
und Kammerdiener des Herzogs, Jean I Estocq (gest. 1732), Leibchirurg, Charles du Verger
de Monroy (gest. 1718), ein Kammerjunker, Etienne Maxuel de la Forti&re(gest. 1714), der
Grof_falkner und Inspekteur des Kaninchengeheges, und Gabriel de Villars-Malortie (gest.
1736), Hofmeister zu Ahlden. - Vgl. zu diesen Personen: l_euleke (wie Anm. 1), Nr. 800,
813, 682, 673, 691,705. - S. zum folgenden auch Tollin. Celle (wie Anm. 117), S.24ff.
123 NHStA Hannover, Ce|le Br. 48, Nr. 65, foe 2Ir-22r bzw. fol. 23r-24v, Celle, o. D. (vor 1699
M_irz23).
34

ihre Bitten mit dem Hinweis auf den im September 1697 geschlossenen
Frieden yon Rijswijk, der ihnen den Riickweg nach Frankreich endgiiltig
verwehrt habe. Angesichts dessen, so fiihrten sie welter aus, k6nnten sie sich
nicht mehr mit den provisorischen Verhiiltnissen zufriedengeben, die sie als
Fliichtlinge einstweilen gem ertragen h/itten, ,,comme ils n'ont abandonn_
leur patrie, leurs parens, et leurs commodites temporelles, que pour chercher
dans les pals etrangers la libert_ de servir Dieu selon les mouvemens de leur
conscience". 124
Bei der Bitte um eine Kirchenbaugenehmigung handelte es sich freilich
weniger um eine Reaktion auf den inzwischen fiber achtzehn Monate
zurtickliegenden Friedensschlut_ von Rikswijk, als vielmehr um einen strateo
gischen Schachzug, denn auch die Hannoveraner Gemeinde hatte fast gleichzeitig
mit der Beseitigung der das kirchliche und gemeinschaftliche Leben
1/ihmenden Abh_ingigkeit vom Welfenhof begonnen, indem sie ein eigenes
Kirchengeb/iude erwarb. Die Bemiihungen beider Hugenottengemeinden
wenigstens um ein h6heres Marl an faktischer Selbst/indigkeit darfman zudem
als einen gewichtigen Beitrag zur Vorbereitung der im November 1699
eingeleiteten Grtindungsphase der 'Nieders_ichsischen Konf6deration' betrachten.
In Celle war die landesherrliche Regierung des Jahres 1699 trotz der
friiheren Mahnungen der Landst/inde geneigt, das Gesuch der Hugenotten
im Kern zu bewilligen. Taktisch klug und iuristisch korrekt entschieden die
Geheimen R_te jedoch nicht allein fiber die erbetenen kirchlichen Rechte,
sondern setzten das Thema auf die Tagesordnung des Landeskonsistoriums,
das am 23. M/irz 1699 dariiber befand. 12sW/ihrend der Generalsuperintendent
Eichfeld sich erneut strikt gegen eine Erweiterung der reformierten Gemeinderechte
aussprach, nahm der Konsistorialrat Bohnstedt eine vermittelnde
Position ein und nannte zwei Faktoren, die ihn veranlassen k6nnten, der
Gew_ihrung des 6ffentlichen reformierten Religions-Exercitiums zuzustimmen:
Zum einen die christliche 'Compassion', die man den yon der Heimat
abgeschnittenen protestantischen Brtidern nicht verweigern diirfe; zum ano
dern das pers6nliche Verhalten des Hugenottenpfarrers de la Forest, der sich
gegentiber den Lutheranern bisher vorziiglich benommen h_itte. Am Ende
124 ebd., fol. 23r.
125ebd., fol. 25ro28V.- Das cellische Landeskonsistorium setzte sich zusammen aus den
Geheimen Riiten, dem Generalsuperintendenten und den Hof- und Stadtpredigern Celles:
Ph. Meyer, Die Pastoren der Landeskirchen Hannovers und Schaumburg-Lippes seit der
Reformation, Bd. 1, G6ttingen 1941, S. 160. - Vgl. hierzu die korrekturbediirftige
Darstellung bei Tollin. Pastoren (wie Anm. 7), S. 16ft.
35

kam man daher iiberein, der Hugenottengemeinde den 6ffentlichen Gottesdienst
unter Auflagen zu gestatten. 126
Dieser mittleren Linie folgend, arbeiteten die Konsistorialr/ite im Frfihjahr
1699 eine die Rechtsstellung der Celler Hugenottengemeinde umfassend
beschreibende Verordnung aus, die am I2. August I699 (Dokument 11)
ausgefertigt wurde, lz7 Das neue Celler Gemeindeprivileg gew_ihrte jedoch
nicht nur die erbetenen, elementaren Gemeinderechte (freier Gottesdienst in
franz6sischer Sprache, eigene Kirche in der Neustadt, Pfarrerwahl), lzssondern
enthielt auch einen Katalog von sorgf_ltig formulierten Klauseln, die diese
kirchlichen Freiheiten sogleich wieder einschr/inkten, ja strangulierten: So
wurden die Celler Hugenotten in konfessioneller Hinsicht auf die Beschliisse
der Dordrechter Synode verpflichtet, nicht auf die 'Confession de foi' und
die 'Discipline eccl6siastique' der franz6sisch-reformierten Kirche. 129Auflerdem
untersagte man ihnen jegliche, gegen die orthodox lutherische Landeskirche
gerichtete theologische Polemik. 13° Hinsichtlich der kirchlichen
Jurisdiktion unterstanden die Celler Hugenotten dem landesherrlichen Konsistorium,
in Ehesachen hatten sie sich nach der landeskirchlichen Ordnung
zu richten. TM Alle'Kasualien (Yau'fen, Eheschlieflungen, Beerdigungen)
mugten den zust_indigen lutherischen Geistlichen iiberlassen oder wenigstens
angezeigt werden. Die Stolgebiihren und sonstige Abgaben waren aber in
jedem Fall zu entrichten. 132
126 NHStA Hannover, Celle Br. 48, Nr. 65, foe 26v (Generalsuperintendent), 27r (Bohnsted0.
- Es handelt sich bei dem Generalsuperintendenten um Franz Eichfeld, der yon 1691-1707
amtierte. Er war zuvor Pastor archidiaconus in Celle. - Konrad Henning Bohnstedt geh6rte
zu den geistlichen Mitgliedern des Konsistoriums. Er war 1661 als Sohn eines Ratsherrn
in Hildesheim geboren, hatte nach dem Studium zun_ichst als Prediger in Helmstedt
gewirkt, um im Jahre 1696 die vierte Pfarrstelle in Celle zu iibernehmen. I701 wurde er
Pastor archidiaconus, 1707 ist er gestorben. S. hierzu Meyer (wie Anm. 125), S. 160-164.
127 Die Verordnung yore 12. August 1699 ist abgedruckt in: Chur-Braunschweig-
Liineburgische Landesordnungen und Gesetze, Liineburgischen Theils, Bd. 1, Liineburg
1739, S. 1144-1148. - Das handschriftliche Original des Gemeindeprivilegs findet sich in:
NHStA Hannover, Celle Br. 48, Nr. 65, fol. 31r-37v.-Angeschlossen ist der unterschriebene
Revers de la Forests: fol. 38r. - Der Aussteller bezieht sich im Anfangsprotokoll der
Verordnung ausdriicklich auf das bereits yon Bohnstedt (wie Anm. 126) angezogene
,,christliche Mitleiden" als bestimmendes Motiv der Privilegierung.
128 Punkt 2 (indirekte Genehmigung der Pfarrerwahl) und Abschnitt nach Punkt 8 der
Verordnung vom 12. August 1699 (wie Anm. 127). - Es wurde allerdings ausdriicklich
untersagt, dem Tempel die Form eines Kirchengeb_iudes zu geben.
129 Punkt 3, ebd. Damit wurden die Celler Hugenotten zugleich auf den 'Heidelberger
Katechismus' verpflichtet, den die deutschen Reformierten benutzten.
130 ebd.
131 Punkt 4 und 5, ebd.
36

Mit der Verordnung vom 12. August 1699 gelang es der Celler Hugenottengemeine
zwar, sich aus dem unmittelbaren Wirkungsfeld des Holes zu
entfernen, doch sie geriet sogleich unter den stadtkirchlichen Parochialzwang.
Kirchenrechtlich betrachtet, befand sich die Gemeinde folglich in einer
h6chst prek/iren Lage, deren Gefahren zun_ichst aber durch die enge Bindung
an das Herrscherhaus gebannt werden konnten. Doch wenige Jahre nachdem
die Celler Gemeinde am 28. Dezember 1702 vom greisen Heideherzog noch
ein Privileg ffir die inzwischen vor dem Westerceller Tor errichtete Kirche
empfangen hatte, m starb Georg Wilhelm und seine Witwe siedelte nach
Liineburg fiber. TM Die darauflain erfolgte Wiedervereinigung der beiden
welfischen Territorien wirkte sich ffir die Celler und Hannoveraner Hugenottengemeinden
indessen keineswegs vorteilhaft aus: Die Celler Gemeinde
wurde nicht etwa nach dem Vorbild der Hannoveraner Schwesterkirche yon
manchen Fesseln befreit, sondern die Hugenotten in der Hauptstadt sahen
sich umgekehrt Angriffen auf ihre teils verbrieften, teils nur ausgefibten
Rechte ausgesetzt. Am 18. Februar 1705 hatte die Regierung bereits eine neue
Verordnung erlassen (Dokument Nr. 13), die der Hannoveraner Hugenottengemeinde
nach Celler Vorbild kfinftig ebenfalls auferlegte, Stolgebfihren
an die lutherischen Pfarrer zu entrichten. Die franz6sisch-reformierten Pre-
diger durften zudem keine gemischtkonfessionellen Paare mehr trauenJ 3s
Gegen diese Einschr_inkung ihrer kirchlichen Freiheiten wehrten sich die
Hannoveraner Hugenotten mit aller Macht, doch eine Aufhebung der
Verordnung erreichten sie trotz wiederholter Anl_iufe w_ihrend der folgenden
Jahrzehnte nicht. Immerhin begnfigte sich die lutherische Geistlichkeit Hannovers
bald mit dem blotgen Rechtstitel und verzichtete auf die Zahlung der
Gebfihren. 136
132Punkt 6-8, ebd. - Ungeachtet der die Gemeindeprivilegienfast wieder aufhebenden
Konditionen der Verordnung, baten dieLandst_indeden Herzog noch am 23. September
1699darum, sienicht in schriftlicherForm zu gew_ihren:NHStA Hannover,CelleBr.48,
Nr. 65, fol. 39r-42r.
133NHStA Hannover, CelleBr. 48, Nr. 65, fol.45r-46v(Abschrift).
134Georg Wilhelm starb am 28. August 1705. Mit Eleonore zog auch der franz6sische
Personenkreis ihrer engeren Umgebung nach Lfineburgum. Vgl. Mogk, Liineburg (wie
Anm. 7), S.390£
135Gedruckt in: Chur-Braunschweig-LiineburgischeLandesordnungen und Gesetze,
CalenbergischenTheils,Bd. 1, G6ttingen 1739,S. 1022f.-DieAkten zum Vorgangfinden
sich: NHStAHannover, Hann. 113KIII, Nr. 68.
136NHStA Hannover, Hann. 113K III, Nr. 71.- Vgl.Geyken(wieAnm. 110), S. 68f.
37

Wie es scheint, ist es in spCiteren Jahren auch den Celler Hugenotten
wenigstens zeitweilig gelungen, die Zahlung der Stolgebiihren zu umgehen} 37
Keinen Erfolg hatten die Celler und Hannoveraner Gemeinden dagegen in
der fiir ihren Fortbestand in der Diaspora zunehmend wichtiger werdenden
Mischehenfrage: Es stand weiterhin allein den lutherischen Geistlichen zu,
gemischtkonfessionelle Paare zu trauen und deren Kinder zu taufen. 13s
Infolgedessen verloren die franz6sischen Gemeinden im Zuge des Assimilao
tionsprozesses fortlaufend jtingere Glieder an die lutherische Kirche. Dieser
auszehrende Mitgliederschwund wurde durch die versp/itete Vereinigung mit
den deutsch-reformierten Schwestergemeinden nut aufgehalten, nicht aber
r/_ckg_ingiggemacht} 39
So ergibt sich ein rechtsgeschichtlich h6chst widersprtichliches Bild der Celler
und Hannoveraner Hugenottengemeinden: Einerseits waren sie als Gliedkirchen
der fast allein auf die Privilegien der Hamelner Gemeinde gegriindeten
'Nieders/ichsischen Konf6deration' Teilhaberinnen einer gegen(iber der Landeskirche
selbst_indigen, selbstverwalteten reformierten Kirche, andererseits
vermochten sie sich auf lokaler Ebene rechtlich nicht vom stadtkirchlichen
Pfarrzwang zu befrei'en, sondern waren dazu verurteilt, im abh/ingigen Status
einer Fliichtlings- oder Fremdenkirche auszuhalten. Ihre vor allem durch die
beiden reformierten Herzoginnen-Stifterinnen vermittelte, urspriingliche
N_ihe zum Welfenhaus und die ihr weiterhin anhaftenden Eierschalen einer
Hofgemeinde trugen zwar gelegentlich zur Stabilisierung ihrer rechtlich
unzureichend gesicherten ¢iuflerenGestalt bei, doch zumal die Celler Gemeino
de hatte oft auch Miihe, die Grunds_itze der franz6sisch-reformierten Kirchenordnung
bei internen Angelegenheiten, etwa gegen den von der Herzogino
witwe Eleonore mit Sonderrechten ausgestatteten Hofprediger Jaudouin
durchzusetzen. 14°
137NHStAHannover,Hann. 113 K III, Nr. 27, Resolutionder GeheimenRiitebetr.
Stolgebfihren, Hannover,1745September17.
138Vgl.nur das kurffirstlicheReskriptvom 30. M_irz1711, abgedruckt in: Chur-
Brandenburgisch-Liineburgische Landesordnungen undGesetze,L(ineburgischen Theils,
Bd.1,Lfineburg1739,S.1148f.
139Geyken(wieAnm.110),S.69£
140NHStAHannover,Hann.113KIII,Nr.27(KonfliktzwischenGemeindeundHofprediger
Jaudouin1722ff.).-ZuJaudouin(gest.Celle1750)s.l_¢uleke(wieAnm.1),Nr.859.
38

Einige Jahre sp_iter, aber unter vergleichbaren rechtlichen Bedingungen wie
in Celle und Hannover entstand und entwickelte sich schliel_lich auch eine
Hugenottengemeinde in Braunschweig, der Hauptstadt Braunschweig-Wolfenbiittels,
des kleineren der beiden welfischen Territorien. TM Hier hatten sich
zwar ebenso wie in Helmstedt und Wolfenbiittel bereits seit 1689 neben den
an Hof und Universit_it besch_iftigten katholischen Franzosen auch Hugenotten
niedergelassen, 142doch kam es erst im Jahre 1704 zur Bildung einer
deutsch-reformierten und im Jahr darauf zur provisorischen Gr_ndung einer
franz6sisch-reformierten Gemeinde. 143 Bis dahin waren die reformierten
Franzosen seelsorgerisch vom brandenburgischen Hofprediger Sandrart im
benachbarten Halberstadt betreut worden. TM Die am 28. M_irz des Jahres 1705
durch Herzog Anton Ulrich (1633-1714) vorgenommene Privilegierung (Dokument
Nr. 14) einer Hugenottengemeinde in Braunschweig erfolgte nach
einer im Text selbst zu findenden Angabe aus Anlat_ eines Gesuchs der
reformierten Franzosen, ihnen eine Kollekte zu bewilligen. 14s Zu dieser
Kollekte, die Mittel far den Aufbau fester Gemeindeeinrichtungen beschaffen
sollte, wollten offenbar nicht nut die Schwestergemeinden der 'Nieders_ichsischen
Konf6deration', sondern auch Mitglieder des Welfenhauses, in jedem
Fall aber die immer engagierte Kurfarstin Sophie beitragen. 146Die nach der
franz6sisch-reformierten Kirchenordnung far die Gemeindebildung notwendige
Wahl eines Presbyteriums fand aber erst drei Jahre sp_iter statt, und zwar
wenige Wochen bevor die neue Hugenottengemeinde die landesherrliche
Genehmigung erhielt, an den Synodalversammlungen der konf6derierten
Kirche teilnehmen zu dtirfen. 147
141 Eine umfassendeDarstellungder BraunschweigerHugenottengemeindehat W. Beuleke
verfat_t.Sie ist als vierteiligeAufsatzserieunter dem Titel 'Die Hugenottengemeinde
Braunschweig'(I-IV)im BraunschweigischenJahrbuchBd. 42 (1961),S. 99-124, Bd.43
(1962),S. 102-130,Bd.44 (1963),S. 85-118undBd.46 (1965),S.24-77,erschienen.-Vgl.
auch F. H. Brandes,Die Hugenotten-Koloniein Braunschweig,in: Geschichtsbl_itter des
DeutschenHugenotten-Vereins.ZehntVI,Heft 9, Magdeburg1897.
142Beuleke(wieAnm. 141),TeilI, S. 103ff.
143ebd. -Brandes.Braunschweig(wieAnm. 141),S.4f.
144Beuleke(wieAnm. 141),Tell1, S. 103.
145Der Textistbei Brandes.Braunschweig(wieAnm. 141),S. 6f. abgedruckt.- Inwieweitsich
Anton Ulrich bei der Privilegierung der Reformierten im Jahre 1705 von seinen
unionspolitischenAbsichtenleitenlieg, kann hier nichtweiterverfolgtwerden.
146Brandes.Braunschweig(wieAnm. 141),S. 3£
147Beuleke(wieAnm. 141),Tell II,S. 110(Urwahlam 1.Juli, Einfiihrungder)idtestenam 4.
November 1708).- Brandes.Konf'6deration(wieAnm. 7), S. 8 (GenehmigungAnton
Ulrichs vom 20. August1708).- Die Freiheitender reformiertenGemeindenwurden in
spiiterenJahrenzugunstendesstadtkirchlichenParochialzwangswiedereingeschr_inkt: L.
F. Fredersdorff,Promtuarium der FiirsflichBraunschweig-WolfenbiittelschenLandes-
39

Mit der Privilegierung der Gemeinde erfiillte Herzog Anton Ulrich indessen
nicht nur einen Wunsch seiner Brieffreundin Sophie, sondern er suchte durch
die F6rderung der franz6sischen Gemeinschaft zugleich die Messefunktion
Braunschweigs zu st_irken)48Die Braunschweiger Messen wurden n_imlich
seit der Wende zum 18. Jahrhundert von einer wachsenden Zahl hugenottischer
Kaufleute und Manufakturisten aus den welfischen, brandenburgischen
und nordhessischen Kolonien, aber auch aus den Hansest_idten besucht) 49
Dadurch vermochte Braunschweig wenigstens zur Messezeit die Rolle einer
Drehscheibe und Nachrichtenb6rse des deutschen Refuge zu iibernehmen.
Die zentrale Funktion Braunschweigs ffir das Refuge veranlat_te wiederum
eine Reihe von hugenottischen Gesch_ifisleuten, sich in der Okerstadt niederzulassen.
So schien es Braunschweig-Wolfenbiittel, das ungeachtet seiner bis
ins 16. Jahrhundert zuriickreichenden Tradition einer aktiven Gewerbepolitik
is° bisher nicht als Aufnahmeland hervorgetreten war, nach dem Abschlufl
der eigentlichen hugenottischen Wanderungszeit doch noch zu gelingen,
tiichtige R_fugi& aus anderen Kolonien des deutschen Refuge nach Braunschweig
zu zi.ehen. Wie ein weiteres, am 26. M_irz 1708 ver6ffentlichtes
Privileg TMzeigt, alas franz6sischen 'marchands-manufacturiers' und Handwerkern
giinstige Niederlassungsbedingungen bot, orientierte sich die wolfenbiittelsche
Regierung aber keineswegs am Vorbild der grof_en Aufnahmeprivilegien,
sondern aktualisierte lediglich die erprobten Bestimmungen der
eigenen, auf die Erzielung eines relativ begrenzten, gewerblichen
lS2
und fiskali-
schen Zwecks gerichteten Stadtf6rderungsprivilegien. Obgleich diese sp_iten
Konzessionen und Verordnungen des kleineren welfischen Territoriums
zugunsten einer hugenottischen Gemeinde oder einzelner Manufakturisten
ausgestellt wurden, sind sie zu den Hugenottenprivilegien im engeren Sinne,
verordnungen, Bd. IV, Braunschweig 1785, S. 136£
148 P. AlbreCht. Die F6rderung des Landesausbaus im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbiittel
im Spiegel der Verwaltungsakten des 18. Jahrhunderts. 1671-1802 (Braunschweiger
Werkst/icke 58), Braunschweig 1980, S. 37Off., hier S. 373 (Wiedereinfftihrung der Messe
1681), S. 394 (wachsender Erfolg der Messe Anfang des 18.Jahrhunderts).
149Beuleke (wie Anm. 141), Tell I, S. 108f£ (Hugenottische Messebesucher).
150Busch (wie Anm. 11), S. 100f.
151 13euleke(wie Anm. 141), Teil I, S. 104. - Die im Privileg genannten Bestimmungen waren
freilich nicht fiir hugenottische Gewerbetreibende reserviert, sondern konnten auch yon
deutschen Reformierten in Anspruch genommen werden: Fredersdorff (wie Anm. 147),
Bd. II, Braunschweig 1777, S. 532-539. - Korporative Rechte einer Kolonie erhielten die
Reformierten in Braunschweig nicht: s. ebd. Bd. IV, Braunschweig 1785, S. 357£
152Vgl. etwa die 'Privilegia ftir Fremde evangelisch-lutherischer Konfession, die sich in
Braunschweig-Wolfenbiittel niederlassen wollen', 1747Juni 5, in: Fredersdorff (wie Anm.
147), Bd. I, Braunschweig 1777, S. 239-243.
4O

die ja eine Ansiedlwng von st_indeiibergreifenden Gemeinschafien, nicht nur
von einzelnen Berufsgruppen begriindeten, nicht zu rechnen. Sie bilden
folglich bereits den rechtsgeschichtlichen Epilog des kurzlebigen Typus der
Hugenottenprivilegien in den welfischen Territorien.
IV. Schluflbetrachtung
Die selbst angesichts der fiberschaubaren Sammlung welfischer Stiicke festzustellende
Vielfalt der Hugenottenprivilegien in formaler wie materieller
Hinsicht erschwert den systematischen Zugriff, fordert ihn aber zugleich auch
heraus. Ein erhebliches Problem bildet dabei zun/ichst der Umstand, daft die
Hugenottenprivilegien keine systematischen Merkmale aufweisen, die nur
ihnen zuzurechnen sind: Da gibt es einerseits Spezialprivilegien fiir einzelne
Personen und Soziet_iten mit einer dominierenden privatrechtlichen Komponente,
andererseits aber die in eine 6ffentlich-rechtlich verbindliche Form
gebrachten Gemeinde- und Kolonieprivilegien, die in aller Regel sowohl Ziige
der 'privilegia gratuita' wie der 'privilegia conventionalia' tragen) s3Erg_inzt
werden zumal die Generalprivilegien immer wieder durch erl/iuternde, pr/izisierende
und korrigierende Verordnungen und Resolutionen, so daft regelrechte
,,Privilegienfamilien" zu erheben sind.
Muff man also den rechtsdogmatisch ohnehin zweifelhaften Versuch, die in
sich h6chst differenzierten Hugenottenprivilegien typologisch zu definieren,
abbrechen oder lassen sich zus_itzliche Gesichtspunkte einf_ihren, die es
erlauben, ihren rechtsgeschichtlichen Ort etwas genauer zu bestimmen? In
der Tat lohnt es sich, einen Blick auf den Entstehungszusammenhang der
Hugenottenprivilegien zu werfen. Es wird dabei deutlich, daft die in den
Generalprivilegien vor allem derJahre nach 1685klar hervortretende Vertragskomponente
keineswegs nur auf standardisierten, das Gemeinwohl in legitimatorischer
Absicht zitierenden Rechtsformeln beruht, sondern sehr wohl
eine wechselseitige, aus Verhandlungen zweier Parteien erwachsene Verpflichtung
bezeugt. Von Bedeutung ist dabei zudem, daft die Hugenotten im
Hinblick aufihre 6ffentlich-rechtliche Stellung nicht als Individuen, sondern
als Gemeinschaft kontraktierten) s4Sie forderten und empfingen daher je
nach den Umst_inden mehr oder weniger weitreichende korporative Freihei-
153Vgl. hierzuMohnhaup_Privatrecht(wieAnm.4),S.58,64.
154 ebd.,S.60.-Vgl.auchD61¢meyer. Aspekte(wieAnm.4),S.25ff.
41

ten und Rechte, die es ihnen nicht nur gestatteten, ihr konfessionelles und
kulturelles Eigenleben fortzusetzen, sondern zeitweilig auch erlaubten, sich
als Nutzniefer eines neuen, yon Gott gestifteten und yon Menschen vollzogenen
Bundes zu fiihlen, xss
Von anderen Privilegien sind die Hugenottenprivilegien also nut aufgrund
der typischen, aus dem gemeinsamen Entstehungszusammenhang herriihrenden
Gewichtung bestimmter, die rechtliche Substanz des Privilegienensembles
pr/igender Merkmale zu unterscheiden. Dazu z_ihlen - abgesehen yon den
materiellen Spezifika - die starke Dominanz der 6ffentlich-rechtlichen Komponente,
der urspriingliche Vertragscharakter und die korporative Berechtigung
der teils als Kirchengemeinde, teils als Koloniegesellschaft auftretenden
Empf_ingergruppe. Diese spezifischen Merkmale sind freilich nicht in allen
Privilegien zu finden, die man unter der Sammelbezeichnung 'Hugenottenprivilegien'
aufzufiihren pflegt. Ein Grund dafiir diirfte sein, daft man
privatrechtliche und 6ffentlichrechtliche Gegenst_inde so weit als m6glich in
getrennten Privilegien regelte. So geh6ren etwa Spezialprivilegien privatrechtlichen
Zuschnitts dann auch zu den Hugenottenprivilegien im engeren Sinne,
wenn sie eine k0mplement_re Funkfion fiir jene grofen Privilegien gehabt
haben, die in den verschiedenen Territorien jeweils den Kern einer Privilegienfamilie
bildeten, ls6Alle jene fiir Hugenotten ausgestellte Privilegien aber,
die auf_erhalb des Wirkungskreises eines Generalprivilegs entstanden und
nach landes- oder ortsiiblichen Vorbildern abgefaft sind, k6nnen daher nur
im weiteren Sinne als Hugenottenprivilegien gelten.
!55 Vgl. Kretzer (wie Anm. 50), S. 400£
156 Neben dem Potsdamer Edikt (1685) und dem Erlanger Privileg (1687) sind hierzu
insbesondere das Hamelner Privileg (1690) und das hessische Dezember-Privileg des Jahres
1685 zu rechnen.
42

DOKUMENTENTEIL
43

44
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Editorische Vorbemerkung
Bei der editorischen Bearbeitung der im anschliet_enden Tell abgedruckten
Dokumente sind neben den yon Johannes Schultze zusammengestellten
Richtlinien £_ir die _iut_ere Textgestaltung bei Herausgabe yon Quellen zur
neueren deutschen Geschichte auch die erg_inzenden Empfehlungen vom
Arbeitskreis ,,Editionsprobleme der £r_ihen Neuzeit" herangezogen worden,
die im Jahre 1981 im Archly fi_r Reformationsgeschichte ver6ffentlicht
wurden, is7 Allerdings war es aus sachlichen und technischen Gr/_nden erforderlich,
in manchen Punkten yon den Vorgaben der Richtlinien abzuweichen.
So lief_ es sich zwar nicht umgehen, nach M6glichkeit jeweils die gedruckte,
rechtsgeschichtlich wirksame Uberlieferungsform der Privilegientexte in die
Edition aufzunehmen, doch erschien eine buchstabengetreue, germanistischen
Anspriichen gen_igende Wiedergabe einschliet]lich etwa der Umlautzeichen
ebenso entbehrlich, wie die Beibehaltung der wahllos gesetzten, die
Syntax des ohnehin schwer lesbaren Text zus_itzlich st6renden Interpunktionszeichen
und der willk_irlichen GrotL und Kleinschreibung. Bei der Gestaltung
des deutschen Textes der gedruckten Privilegien ist stattdessen auf die
in aller Regel welt modernere Schreibweise und Zeichensetzung der erhaltenen
Konzepte zur_ckgegriffen worden.
Im Hinblick auf die Bearbeitung der franz6sischen Texte schien es dagegen
angebracht, die vorgefundene Gestalt der gedruckten Fassungen weitgehend
zu erhalten. Lediglich kleinere Setzfehler sind stillschweigend korrigiert
worden. Es handelt sich bei den ffanz6sischen Texten zumeist um Uberset-
zungen deutscher Konzeptvorlagen. Anhand der beispielsweise bei den Hamelner
Akten zu findenden Konzepte lassen sich sogar mehrere, yon
unterschiedlichen Ubersetzern ange£ertigte Bearbeitungsschichten nachweisen,
die auch im gedruckten Text noch erkennbar sind, in£olge einer Modernisierung
jedoch kfinstlich harmonisiert und damit unkenntlich gemacht
werden wi_rden. Der beigegebene kritische Apparat hat vornehmlich die
Funktion, Textvarianten nachzuweisen, die geeignet sind, die Entstehung und
inhaldiche Entwicklung des ausgew_ihlten Privilegs zu dokumentieren. Auf
den Nachweis inhaltlich belangloser Sprachvarianten im Zuge einer Korrektur
syntaktisch gebotener Umstellungen und kleinerer Verbesserungen ist
folglich verzichtet worden. Sachliche Anmerkungen sind nur dann aufgenommen
worden, wenn sie inhaltlich nicht bereits im Einfiihrungsteil Berficksich-
157J. Schultze in: Bl_itterf(ir deutsche Landesgeschichte98, 1962, S. 1-11. -Archly fiJr
Reformationsgeschichte,72.Jg., 1981,S.299-315.
45

tigung gefunden haben. Mit Blick auf die in den welfischen Landen im
Februar 1700 vorgenommene Kalenderreform sei darauf hingewiesen, dan
eine Umformung der Daten alten Stils nicht erfolgt ist, sondern die in den
Akten angegebenen Daten wiedergegeben werden.
Im umfangreichen Apparat des Hamelner Privilegs werden fortlaufend je zwei
deutsche und franz6sische Konzepte (Konzept 1 bzw. 2) zitiert. Die Chronologie
der Konzepte kann nur aufgrund einer Kombination inhaltlicher
Merkmale und _iuflerer,aus zus_itzlichen Aktenstiicken zu erhebender Hinweise
erschlossen werden. Demnach ist Konzept 1 des deutschen Textes als
die _iltesteVersion des Hamelner Privilegs zu betrachten. Es diirfie vor April
1690, sp_itestens also im M_irz 1690 auf der Grundlage eines noch _ilteren,
nicht erhaltenen Entwurfs entstanden sein, der wohl im Dezember 1689 yon
Ponnier verfaflt worden ist.m Konzept 2 des deutschen Textes zeigt dagegen
eine im April 1690 formulierte Weiterentwicklung des 1. Konzepts. Es bietet
zusammen mit den yon den Geheimen R_iten unter der redaktionellen
Leitung von Vizekanzler LudolfHugo ein_efiigten Erg_inzungen und Korrekturen
den Text des gedruckten Privilegs.15
Die beiden Konzepte in franz6sischer Sprache sind nicht parallel zu, sondern
nach den beiden deutschen Handschriften entstanden. Sie sind beide Ubersetzungen
des 2. deutschen Konzeptes, keine eigenstiindigen Privilegienentwiirfe.
Das 1. franz6sische Konzept, yon Ponnier offenbar Anfang Mai 1690
in Coburg verfal_t,16°bietet eine (3bersetzung der unkorrigierten Fassung des
2. deutschen Konzepts. Das 2. franz6sische Konzept stellt dagegen eine
Uberarbeitung dieser 1. Handschrift dar, und zwar unter Einbeziehung des
gr6flten Teils der im 2. deutschen Konzept yon den Geheimen R_iten
eingefiigten ]lnderungen. Es war offenbar als Druckvorlage ftir den franz6sischen
Text des Privilegs vorgesehen, wurde dann aber - wohl infolge weiterer,
am 2. deutschen Konzept vorgenommener Korrekturen - wahrscheinlich im
Hochsommer 1690 doch noch einmal durch Einschiibe er#inzt. 161
158NHStAHannover,Cal.Br.8,573,Ponnieran Dubruc,Hannover,1689XII14.- EinTeil
der BeschreibungHamelns,die im BriefPonniersan Dubrucenthaltenist,findetsichdurchgestrichen-
nochim 1.franz6sischenKonzeptamAnfangdes1.Artikels.
159NHStAHannover,Cal. Br. 8, 575I. HugosHand zeigt sich uniibersehbarbei den
KorrekturendesjurisdiktionellenArtikelsI1.
160NHStAHannover,Cal. Br.8, 575..III,RelatioUrbich,1690V22.Urbichzufolgehatte
PonnierAnfangMaiim ZugederUbersetzungsarbeiten seinenvollenTitel'conseillerde
commerce'in denfranz6sischenTexteingeffigt.
161Die Bearbeitungdes 2. franz6sischenTextesdiirftede Viviersbesorgthaben:NHSt.A
Hannover,Cal.Br.8,575I,Protokoll,aufgenommenim HauseHugos,1690IX30.
46

Dokumente
Nr. 1 Liineburger Privileg
Celle, 1684 August 9.
(Druck)
Archly der Evangelisch-Reformierten Gemeinde Celle.
NHStA Hannover: Celle Br. 55 Nr. 202.
Gedruckt auch unter dem Titel ,,Verordnung wegen der Frantz6sisch-Refugir-
'ten Freyheit zu Lfineburg" in: Chur-Braunschweig-Liineburgische Landesordnungen
und Gesetze Liineburgischen Theils, Bd. III, Liineburg 1743, S.
521-527.
Literatur: W. Mogk, Zur Geschichte der Evangelisch-Reformierten Gemeinde
in Liineburg vom 17. bis zum 19. Jahrhundert, in: Nds. Jb. 55, 1983, S.
381-394.
Wir Georg Wilhelm, yon Gottes Gnaden Herzog zu Braunschweig und
Liineburg, entbieten allen denen, so dieses vorkommen m6chte, Unsern
respective Gruff, Gunst und gn_idigstenWillen. Und fiigen hiermit zu wissen,
welchergestalt Uns fiirbracht und bekand gemacht worden, wie dat_verschiedene
Au_l/indische der Reformirten Religion zugethane Familien und Persohnen
ihr Vaterland zu quitiren und in Teutschland sich niederzulassen
entschlossen, in specie auffUnsere Haubt-Stadt Liineburg det_fals ihr Absehen
gerichtet a und in selbiger mit Unser gn_idigsten permission und gegen
Ertheilung gewisser Privilegien und Freyheiten, sich wohnhaft nieder zulassen
und darin allerhand Manufacturen anzurichten, auch Trafiquen und Commercia
zu treiben gewillet w_iren. Wann Wir nun zeit Unser gefiihrten
Regierung Unsere Sorgfalt fiirnemIich darauffmit gewand, wie die yon Gott,
dem Allerh6chsten, Uns verliehene Lande mehr und mehr volckreich gemacht
und beneficirt werden m6gten; so haben Wir nach reifer der Sachen Erwegung
allen denjenigen Ausl_indern, die in gedachter Unser Haubt-Stadt Liineburg
sich &abliren und dahin zu wohnen begeben wollen, nachfolgende Immunit_iten,
Privilegia und Freyheiten, welche Wir gestalten Sachen nach bey ein
oder andern en particulier auch zu verbessern geneigt seyn, hiemit gn_idigst
ertheilen und publiciren lassen wollen.
In derfranz6sischenFassungdesPrivilegsheigtesbiszudiesemPunkt:,,Commeonnous
a donn6/tconnoitrequ'ilyavoitungrandnombredepersonneset famillesetrangeresde
laReligionReform&quietoientdansledesseind6seretirerenAllemagne, etqu'unebonne
partiedesiroients'&ablirdans NosDuchezet Pais,et avoientfairchoixde n6treVille
CapitaledeLunebourg...".
47

1. Nehmen Wir die ankommende und in Unser Stadt L/ineburg sich h_iufllich
niederlassende augl_indische, der Reformirten Religion zugethane Familien
und Persohnen, von was Nation selbige seyn m6chten, sampt bey sich
habenden oder ihnen sonst zustehenden Wahren, Giitern, Sachen und
Mobilien in Unsere General-Protection, also daft sie sicher kommen und
abreisen, negotiiren und handeln m6gen und von niemand, unter was pra:text
solches auch geschehen m6chte, desfals molestiret, angefochten, behindert,
arr&tiret und angehalten werden, sondern gleich andern Unsern angebohrnen
natiirlichen Unterthanen sich Unsers Schutz, Schirmes und Vertretung
festiglich zu versichern haben, dahingegen aber Uns mit dem gew6hnlichen
Homagial-Eyde sich verwandt zu machen schuldig und gehalten seyn sollen.
2. Wird denen ankommenden Reformirten die Freyheit ihrer Conscientz und
das Exercitium der reformirten Religion, sowol 6ffentlich in dem bey
Zunehmung der Gemeine ihnen hiernegst anzuweisenden publiquen Orte
und Geb_iudeals auch privatim in denen von ihnen bewohnten H_iusern ihren
Gottesdienst ohngehindert zu treiben verg6nnet, a
3. Bleibt sothanen in Unser Stadt Liineburg rich &ablirenden Familien frey
und bevor, Uns zwey der Reformirten Religion zugethane Persohnen zu ihren
Predigern zu benennen und fiirzuschlagen, welche sodann zu solcher Function
gn_idigstconfirmiret, auch zu ihrer bessern Subsistentz und Unterhalt die
ersten zweyJahr durch, von negstkiinfftigen Michaelis an zu rechnen, j_ihrlich
400 Reichsthaler ihnen hergegeben werden sollen, nach Verlaufsolcher 2Jahre
aber werden besagte Familien ihren Predigern den ben6htigten Unterhalt
allein zu verschaffen bedacht seyn.
4. Zu Erzieh- und Unterrichtung ihrer Kinder m6gen mehrermelte Familien,
da sie wollen, in der Stadt Lfineburg eine Schule anrichten und einige
Pr_eceptores und Schulmeistere dabey bestellen und annehmen. Jedoch alles
solches der Uns als Landes-Herren in Ecclesiasticis competirenden Ober-Auffsicht
und Direction ohnpr_ejudicirlich.
5. Wollen Wir bey Biirgermeister und Raht Unserer Stadt Liineburg die
gn_idigsteVersehung thun, daft denen ankommenden aufll_indischen Famili-
a DerArtikel2 lautetinderfranz6sischenFassung: ,,Lalibert_deconsienceseraaccord&
tous ceuxdelaReligionreform&,ilspourrontdanslescommencemens fairel'exercisede
leur Religion priv_mentdans une de leurs maisons,et lors que le nombre sera
considerablementaugment_on leur assigneraun b_timentet lieu public,ainsile libre
exercisede leurreligionleurserapermispriv_mentet publiquement,sansquepersonne
lespuisseinquieteroutroubleren manierequecesoit."
48

en und Persohnen das Biirger-Recht daselbst frey und ohn eintzig Entgeld
ertheilet werden und selbige sothanen Bfirger-Rechts und demselben anklebenden
Freyheit- und Gerechtigkeiten gleich andern dasigen Biirgern zu
geniessen haben m6gen, jedoch, dan sie zufoderst den gew6hnlichen Biirger-
Eyd abstatten und besagter Stadt und dem Magistrat daselbst sich dadurch
geh6rigermassen verwandt machen sollen.
6. Denen ankommenden und sich in vielbesagter Stadt niederlassenden
frembden Kauff- und Handwercks-Leuten, auch Manufacturiers, ist verg6nnet,
zu negotiiren, trafiquiren, manufactures zu machen, auch sonst jedes an
sich zul/issiges und und ohnverbotenes Commerce, Gewerbe, Nahr- und
Handthierung eigenes Gefallens und ohne daft die Gilden und Z/inffte in der
Stadt Lfineburg einige Hinder- oder Sperrung ihnen darunter zuzuziehen
Macht haben sollen, zu treiben. Dafern aber ein oder ander sothaner
Aufl_inder mit den Lfineburgischen Bfirgern einzutreten und in deren
Ziinffte und Gilde sich mit zu begeben Lust haben solte, werden Wir die
Verffigung thun, dan der oder diejenige gegen ein leydliches darinn recipiret
werden sollen.
7. Wofern ein oder ander yon denen ankommenden Aufl/indern zu Vermehrund
Befoderung der Commercien, auch Etablir- und Anrichtung einiger
Manufacturen in Unser Stadt Liineburg Ffirschl_igezu thun wiiste, wollen
Wir durch Unsere Geheimbte R/ihte denselben nicht allein gerne h6ren lassen,
sondern auch zu Effectuir- und Bewerckstelligung des Proponirten allen
m6glichen Fiirschub und Befoderung erweisen.
8. Falls zu Anricht- und Verfertigung der Manufacturen eigene Werck-H_iuser
n6htig seyn und verlanget werden m6chten, sol denen Ankommenden auch
darunter der Billigkeit nach prospiciret und an Hand gegangen, nicht weniger
auch dem oder denjenigen, so dergleichen in Unser Stadt Lfineburg _tabliren
wollen, arme Kinder, deren jeder, es sey Knab oder M_idgen, sieben Jahr in
solchen Dienst und zu Erlernung sothaner Hand-Arbeit gegen Essen, Trincken
und Kleidung oder wie der Anf'_ingerdes Wercks mit der Kinder Eltern,
Vormfindern und Verwandten darunter accordiren m6chte, aufzuhalten und
zu verbleiben schuldig seyn sollen, verschaffet und angewiesen werden.
9. Damit auch dergleichen Entreprenneurs und Manufacturiers, umb so viel
mehr und gewissern Debits und Abgangs der yon ihnen gemachten Manufacturen
und Sachen sich zu versichern haben m6gen, wollen Wir nicht allein
bey Unser Hoffstatt mit denen in Unser Stadt Lfineburg verfertigten ffir denen
aus andern K6nigreich- und Landen kommenden Sachen und Wahren Uns
providiren, sondern auch, dan von Unser Militz und iJbrigen s_imptlichen
Unsern Angeh6rigen und Unterthanen zu ihrem Behueff, auch weiterer
49

Verhandelung, dergleichen geschehen m6ge, gn_idigstanordnen und verffigen.
10. Sollen die in Unser Stadt Lfineburg sich niederlassende oder sonst einiges
Commercium oder Manufacturen darinnen anrichtende Familien und Persohnen
bey allen Unsern Land- und Wasser-Z611en, in specie auch zur
Haarburg (blot_ die beyden oberhalb der Stadt Liineburg belegene und also
diejenige, welche aus der See auff besagte Stadt traficquiren wollen, nicht
touchirende Erb-Z611ezu Hitzacker und Schnackenburg, als wovon jemand
zu eximiren gewisser Respecten halber Uns bedencklich gefallen, aut_genommen),
der Zoll-Freyheit, so wol der yon ihnen ein- als aut_fiihrenden und
ihnen zugeh6rigen Wahren, Gfiter, Sachen, Mobilien und Manufacturen, in
perpetuum zu geniessen haben, nicht weniger auch auff zwantzig Jahr lang,
yon Ostern negstkfinfftigen 1685stenJahrs an zu rechnen, yon Contribution
und insgemein allen andern Beschwerden, An- und Aufflagen, ordinar und
extraordinar, auch Einquartierung, Biirger-Wercke und Wachten frey seyn
und bleiben; jedoch dat_ sie die Accise und Imposten, auch die dem Magistrat
zu Lfineburg c0mpetirende Niederlags-, Kauff-, Haut_-, Graben- und Gassen-
Gelder, welches _illes"jedoch yon geringer Importantz ist, abstatten und
entrichten.
11. Wit wollen ferner bey dem Magistrat der Stadt Liineburg die Verffigung
thun, dat_die ankommende Familien und Persohnen mit Abgebung des sonst
allda j_ihrlich zu entrichtenden ordinar und extraordinar Schosses, auch
det_fals abzuleistenden SchoffEydes, innerhalb obigaccordirten zwantzig
Frey-Jahren verschonet werden sollen. Damit jedoch aber dutch sothane
Exemption bey der fibrigen Btirgerschafft umb so weniger Beschwerde und
Mit_vergnfigen erwecket, sondern zwischen selbiger und denen ankommenden
Frembden gutes Vernehmen und Vertraulichkeit gestifftet werden m6ge,
werden sothane Neuankommende anstatt ermeldten Schosses besagte 20
Frey-Jahr fiber j_ihrlich eine freywillige und ertragliche, jedoch ihrem Stande
und Verm6gen (welches gleichwol specific_ zu profitiren und anzumelden,
sie so wenig schuldig seyn als ihnen solches angemuhtet werden sol) einigermassen
proportionirte Recognition mehrbesagtem Magistrat zu entrichten,
sich nicht entziehen.
12. Weil Wir auch behueffLogirung der Garnison zu Lfineburg mit nechsten
Baracques erbauen und dadurch die Bfirgere und Einwohnere daselbst der in
ihren H_iusern bit_hero gehabten Einquartierungs-Last entheben zu lassen in
. Gnaden entschlossen, sowerden kfinfftig, und wenn sothane Baracques fertig,
die Neuankommende solcher Commodit_it mit zu geniessen haben. Immittelst
abet, und ehe solches zum Stande, sollen dieselbe gleichwol einige
wfirckliche Einquartierung zu fibernehmen nicht verbunden seyn, jedennoch,
5O

damit die iibrige Bfirgerschafft durch solche Befreyung nicht zu sehr graviret
werden m6ge, ein gewisses an Gelde, und zwar die Helffte dessen, womit sonst
andere Bfirger die wfirckliche Einquartierung redimiren und abhalten, monahtlich
beytragen und erlegen.
13. In Fallen, da ein oder ander der ankommenden Frembden und deren
Angeh6rigen Justitz zu suchen gen6htiget seyn m6chte, sol solche dem- oder
denjenigen prompth und ohn einigen Auffenthalt administriret werden.
14. Warm einer oder ander yon denen ankommenden Persohnen und deren
Nachkommen sich absonderlich meritiret machen oder auch sonst einige
Civil- oder Militar-Chargen zu bedienen capable seyn wird, wollen Wir auff
den oder dieselbe nicht weniger als auff Unsere angebohrne Unterthanen
darunter gnadigste Reflexion nehmen, auch sonst deren Meriten und Uns
geleistete Dienste wiircklich recompensiren.
15. Dafern ein oder ander publiquer lediger Platz, dessen das Publicum fiiglich
entrahten k6nte, in Unser Stadt Liineburg vorhanden seyn wiirde, sol derselbe
demjenigen, welcher von denen Ankommenden solchen zu bebauen Lust
haben m6chte, umb einen civilen Preit_iiberlassen und eingeraumet werden;
der Erbauer ratione sothanen neuen Hauses auch, wofern es so lange in sein
oder seiner Erben Eigenthumb und Handen bleibt, derjenigen Freyheit, deren
Articul 10.Meldung geschehen, zu geniessen haben, in specie auch yon denen
zu solchen HautLBau employrenden Bau-Materialien an Holtz, Kalck, Steinen
und dergleichen einigen Zoll oder ander Ungeld abzugeben nicht
schuldig seyn.
16. Wiirde aber jemand der Neuankommenden ein vor dem bereits erbautes
und unter denen Oneribus stehendes Haut_ oder sonst andere ohnbewegliche
pflichtbahre Giitere erhandeln und an sich bringen, mut_ die in sothanem
Hause oder ohnbeweglichen Gfitern radicirte Gebfihrnit_ dem Publico nach
wie vor davon abgestattet und entrichtet werden.
17. Im fibrigen stehet einem jeden frey, innerhalb denen accordirten zwanzig
Frey-Jahren sich von Lfineburg weg-und anderswohin zu begeben, seine Giiter
und was ihm zugeh6ret, sowol beweg-als unbewegliche, nichts davon aut_beschieden,
zu veralieniren, zu transportiren oder mit sich wegzufiihren, ohne
dat_er de_fals einige Arr_tir- oder Behinderung zu befahren oder auch deRfals
einigen Abschot_ oder sonst einige Reconnoissance, und wie es Nahmen
haben m6chte, an jemand zu geben obligiret seyn sol. Wiirde aber jemand
bach Ablauffder 20 Frey-Jahre sothane Retirade und Mutation ffirzunehmen
Gefallen tragen, sol dem oder denenselben solches ebenwol ohnverwehrt seyn,
und wollen Wit alsdenn (des in Unsern Landen in dergleichen Fallen sonst
0177585 51

gew6hnlichen Abschosses halber) sothane Moderation treffen lassen, da/_die
Wegziehende zur Ungebfihr darunter nicht graviret werden, noch sich einiger
Iniquitfit de/_fals zu beschweren Ursach haben sollen. Uhrkundlich Unser
eigenhandigen Unterschrifft und hierunter gedruckten Cantzley-Siegels. Geben
auff Unser Residentz Zelle den 9ten Augusti Anno 1684.
(L.S.) Georg Wilhelm.
52

Nr. 2 Hannoveraner Aufnahmeedikt
Hannover, 1685 November 21.
(Druck)
NHStA Hannover: Cal. Br. 23b B I 1685
Literatur: s. oben Einftihrung, S. 12ff.
Von Gottes Gnaden, Wir Ernst Augustus, Bischoff zu Ognabriick, Herzog
zu Braunschweig und Liineburg etc.
Ffigen hiemit jederm_inniglichen zu wissen: Nachdemahlen Wit in Erfahrung
kommen, was gestalt verschiedene der Reformirten Religion zugethane Personen
und Familien yon andern Ohrten her hin und wieder, theils auch in
der Nachbarschafft sich h_iufllich niederlassen, mithin einige derselben in
Unsere Fiirstenthfimer und Lande sich zu begeben und darin zul_issige
Handel- und Handthierung zu treiben Vorhabens seyn und Wir dann Unsere
Landesv_iterliche Sorgfalt dahin unter andern vielf_iltig gehen lassen, wie
gemeiner Handel und Wandel befodert und die Handwercke und Manufactuten
in besseren Stand gebracht und der Vorzug, welchen die Situation Unserer
Lande und der leidliche Preifl, der so wol zum Lebens-Unterhalt, als zu
besserer Fortsetzung der Commercien und Manufacturen diensahmen
Nothwendigkeiten geben, recht zu Nutze gemachet werden m6ge, als haben
Wit beydes zu Unser Lande, wie auch der darin sich niederlassenden frembden
Reformirten Persohnen und Familien, Auffnahm und Besten, nachfolgendes
offene Edict publiciren - und zu m_innigliches Wissenschaft bringen zu lassen
in Gnaden gut befunden:
1. Und zwar sollen 1. alle und jede der Reformirten Religion zugethane
Persohnen, von was Ohrte oder Nation sie seyn, ohne Zahlung einiger Z611e
oder Imposten vor sich und ihre'mitbringende Wahren, Haabseligkeit und
Gereitschafft, auffUnsere ihnen zu solchem Ende ertheilende Passein Unsere
Ffirstenthfimer und Lande auff- und angenommen werden, und zu ihrer Wahl
und Beliebung stehen, wound an welchen Ohrten sie sich setzen und ihre
Handthierung treiben wollen.
2. Wir wollen 2. dieselben sampt ihren Weibern, Kindern und Gesinde, auch
bey sich habenden Giitern und Sachen in Unsern besonderen Schutz und
Schirm nehmen, derogestalt und also, daft sie und die ihrige weder an Leib,
Gut, noch sonsten yon niemand wiederrechttich angefochten, bekfimmert
oder betriibet werden sollen.
53

3. Es sol ihnen ferner nicht allein ihre Gewissens-Freyheit und das Exercitium
Religionis privatim und in ihren H_iusern ohne eintzige Eintracht und
Behindernisse gn_idigst zugelassen und verstattet werden.
4. Sondern Wir wollen auch 4. sobald die Anzahl derselben ein oder andern
Ohrts bifl auff einhundert Persohnen angewachsen, ihnen einen eigenen
Prediger auff Unsern Kosten (Nil demselben vonder Reformirten Gemeine
selbst behufiger Unterhalt ffiglich wird geschaffet werden k6nnen) halten.
5. Auch 5. Ihnen die Anricht- und Haltung einer Schule, zu Erziehung der
Jugend verg6nnen und dazu allen gn_idigsten Vorschub thun lassen.
6. Es sollen dieselben ferner von allen so wol ordinar- als extraordinar
Oneribus und Beschwerungen, sie haben Nahmen wie sie wollen, beydes vor
ihre Person auch ihre Nahrung und Gfiter (die Accise oder Licent allein
auflgenomen) auf zwantzig Jahre befreyet seyn.
7. Da sie auch einige dinckpflichtige und denen Oneribus unterworffene
H_iuser in Bestand-nehmen und bewohnen wollen, sollen dieselben auff
unsere besondere gn_idigsteVoranstalt- und Verffigung zehen Jahre fiber von
allen Oneribus frey gemachet und siedieserwegen aller Beschwerden enthoben
werden.
8. Diejenigen aber, so selbsten Wohn- oder WerckMuser bauen werden, sollen
vor sich und solche yon ihnen erbauende H_user auff ffinff und zwantzig
Jahr vorber/_hrter Freyheit und Exemtion yon allen Oneribus geniessen.
9. An denen Orthen, wo sie sich niederlassen, wollen Wir ihnen vor sie und
die ihrige das Bfirgerrecht schencken oder ihnen solches ohne einigen ihren
Kosten frey machen und verschaffen, jedoch dan Sie uns als dem Landes-
Herrn den Huldigungs-Eyd und der mittelbahren Obrigkeit jeden Orths den
gew6hnlichen Bfirger-Eyd leisten und sich selbigem gemef_bezeigen.
10. Von Haltung der Ambts-, Gilden- und Handwercks-Gebr_iuche und
Gewohnheiten sollen sie allerdings befreyet und ohne einiger Innunge, Gilde
oder Zunfft Einrede und Hindernifl, ihren Handel, Nahrung und Gewerbe
zu treiben befugt, insonderheit auch an keine gewisse Anzahl Gesellen und
Lehrjungen verbunden, sondern derselben so viel zu halten, zu setzen und zu
leeren, als sie wollen, bem_ichtiget seyn. Da aber ein oder ander in die Gilden
auffgenommen zu werden verlangen solte, wollen Wir gn_idigste Verffigung
thun, daI_ihnen die Reception nicht zur Ungebfihr schwer gemachet werden,
sondern gegen ertr_igliche pr_estanda wiederfahren sol.
54

11. Was sonsten 11. zu besserer Fortsetzung ihrer Nahrung und zum Vertrieb
der machenden Manufacturen fiber voriges wird gereichen k6nnen, dazu
wollen Wir, dem Befinden nach, gleichfals allen gn_idigsten Vorschub thun,
und durch die Unsrigen thun lassen.
12. In Gerichts- und Klag-Sachen wollen wir ihnen, gleich Unsern angebohrnen
Unterthanen schleunige ohnpartheyische Justitz wiederfahren lassen.
13. Auch, wenn Sie es verlangen werden, jemanden ihres Mittels, so dazu
genugsahm qualificiret seyn wird, gn_idigstautorisiren und bestellen, welcher
die unter ihnen etwa entstehende Irrungen und Differentien, nach Summarischer
Verh6r, durch Gfite oder rechtliche Entscheidung beyzulegen; jedoch
demjenigen, so sich darfiber beschweret befindet, sein Recht bey Unseren
hohen Gerichten weiter zu suchen in alle Wege vorbehaltlich.
14. Es sol auch einem jeden von seinen ins Land einbringendem oder darin
erwerbendem Gute inter vivos oder mortis causa zu disponiren, frey und
unbenommen seyn, dafern auch jemandes ohne dergleichen Verordnung
verstfirbe, sein Guht dem nechsten Erben, denen gemeinen Rechten und
Landes Gebrauch nach, ohne einige Hindernisse heimbfallen und bleiben,
und sie allerdings darunter auch sonsten in allem Unseren angebohrnen
Unterthanen gleich gehalten werden.
15. Da auch schliefllich jemand in oberwehnten Frey-Jahren sich aus Unseren
Landen wieder weg und anderswohin begeben wolte, sol ihm solches ohnverwehret
seyn und ein freyer ohngehinderter Abzug mit Weib, Kindern und
Gesinde, auch seinem Haab und Guht verstattet, weniger nicht auch nach
Ablauff solcher mehrerwehnter Frey-Jahre ihnen der Emigration halber
allerdings gleiche Freyheit, deren andere Unsere Unterhanen hierinnen sich
gebrauchen m6gen, geg6nnet werden.
Uhrkundlich Unser eigenh_indigen Unterschrifft und untergedruckten Geheimen
Cantzley-Sigels. So geschehen und geben in Unser Residentz-Stadt
Hannover den 21. Novembris 1685.
(L.S.) Ernst Augustus
55

Nr. 3 Konzession f'tir Planque etc.
Hannover, 1689 August 10.
(Reinkonzept; Kopialbucheintrag).
NHStA Hannover, Cal. Br. 8, 572 I.
Stadtarchiv Hameln, Protokollbuch des franz6sischen Koloniegerichts, Bd.
II, S. 1-3 (Kopialbucheintrag).
Konzept: NHStA Hannover, Cal. Br. 8, 572 I.
Literatur: Klingebiel, Weserfranzosen, S. 33ff.
Dem hochwfirdigsten durchleuchtigsten Ffirsten und Herrn Herrn Ernest
Augusto, Biscboffenzu Oflnabriigk, Hertzogen zu Braunscbweig und Liinebur_
unsermgnddigstenFiirstenundHerrn aist Etienne Cr_gut und Anthoine Planque
ffir sich und nahmens anderer der Religions-Verfolgung halber auft Frankreich
entwichenen Tuch-, Rasch- und Huetmacher, gethanes unterth_inigstes
Suchen gehorsamstb referiret worden; und gleichwie h6chstggedachte Ihre
Durchlaucht gn_idigstverstatten, daft Supplikanten sambt ihren Familien und
Mit-Meistern in diese Lande unter Dero Schutz sich begeben, sich zu Hameln
setzen und ihre Handtierung allda treiben m6gen, also haben auch selbige,
insonderheit auff die unterth_inigst eingereichte Puncta, folgender gestalt
gn_idigst resolviret:
ad 1. Wollen Ihre Durchlaucht ihnen einen eigenen frantz6sisch-reformirten
Prediger setzen und solange besolden, bift die Gemeinde yon dem Verm6gen
und [der] Anzahl sein wird, daft sie selbst auft ihren Mitteln denselben
unterhalten k6nnen.
ad 2. Wollen Ihre Durchlaucht ihnen die auff 5 Jahre ohne Interesse zum
Vorschuft begehrte 2000 Reichsthaler verschaffen, jedoch solches gegen einen
verbindlichen Revers, welchen Impetranten der Wiedererstattung halber yon
sich aus zustellen.
ad 3. Wegen Lieferung der Tiicher ftir die Miliz kan man vorderhand, da man
nicht weift, von waft Gfite und Preift die Tiicher sein werden, nichts gewiftes
determiniren, dafern sie aber gut und eines billigmeftigen Werths befunden
wiirden, wird man sich deren soviel [als]m6glich gebrauchen, und diejenigen,
so man behalten wird, sogleich baar bezahlen.
a So im Kopialbucheintrag. Fehltim Reinkonzept.
b ImReinkonzept:gn_idigst;im Konzept:geh[orsam]st.
56

ad 4. Soil bifl aufanderweite gn_idigsteVerordnung zu ihrer Manufactur und
Wohnung ein Theil der neuen Barraquen zu Hameln angewiesen werden.
ad 5. Wollen Ihre Durchlaucht denenselben aufihr unterthenigstes Ansuchen
behueff der Aufzugs-Kosten 500 livres oder 166 Reichsthaler, 12 Mariengroschen
aug ffirstlicher Liberalitet schencken.
ad 6. Auch ihnen eine Walckmfihlen bauen, wie nicht weniger
ad 7. alles zu ihren Werckstetten ben6tigte Hohz ohne Entgelt liefern laflen.
ad 8. Concediren Ihre Durchlaucht mehrgedachten ouvriers, daft fie fiber die
in genere denen reformirten Flfichtlingen accordirte Freyheit und Privilegien
auch in specie zehen Jahre lang yon Zeit ihrer Ankunfft ihre verfertigende
Tficher, Stoffen, Decken, Hfite pp. m_inniglich ungehindert stfick- und
dutzend- oder ellen- und einzelnerweise, so gut sie immer m6gen, in Ihrer
Durchlaucht Ffirstenthfimbern und Landen verkauffen m6gen, ohne davon
einigen Zoll oder anderes Ungelt zu erlegen, inmaflen fie dann gemelteJahre
fiber von allen anderen bfirgerlichen Oneribus (auflgenommen, daft sie sowoll
von Hfiten und Strfimpfen alg von anderen accisbaren Dingen die Consumtions-
und andere Accise gleich allen Ihro Durchlaucht Bedienten und
Unterthanen mit ertragen und abffihren) befreyet sein sollen, zu Urkund
dessen haben h/Schstgedach'te Ihre Durchlaucht dietges eigenh_indig unterschrieben
und Dero Ffirstliches Siegel vordrficken lassen. So geschehen
Hannover, den 10.ten Augusti 1689
57

Nr. 4 Bestallung Ponniers
Hannover, 1689 November 26.
(Unbeh_indigtes Original mit ReversPonniers).
Cal. Br. 8, Nr. 572 I.
Literatur: Klingebiel, Weserfranzosen, S. 36f.
Wir, von Gottes Gnaden Ernst August, Bischoff zu Oflnabr/.ick, Hertzog zu
Braunschweig und Liineburg p.
Thuen hiemit kundt und bekennen, daft Wir aufl besonderer gn_idigster
Consideration und Bewegn/is den ehrbahren Johann Peter Ponnier zu Unsern
Commertzien-Raht und Commissario in Gnaden angenommen und bestellt.
Thuen solches auch hiemit und krafft dieses also und dergestalt, daft Unfl er
soll getreu, hold- und gewartig, auch in Raht und Thatt nicht seyn, da wider
Unfl und Unser Interesse geredet oder gehandelt werden wolte, sondern
vielmehr Unser Bestes wissen, rahten und befordern, Schaden und Nachtheill
hingegen seinem Verm6gen nach wehren und abwenden. Insonderheit abet,
nachdem Wir in Unser Stadt Hameln einige auflwertige Manufacturiers zu
Verfertig- und Vertreibung allerhand Wahren zu establiren resolviret, dar_ber
unter der Oberaufsicht Unserer Geheimbten R_ithe die Aufsicht und das
Directorium fiihren, guthe erfahrene und fleiflige Manufacturiers anhandt
schaffen, darauf sehen und befodern, daft die Wahren guth, aufrichtig und
tauglich verfertiget, die dazu ben6thigte Materialien in Zeithen und beh6riger
Menge herbeygebracht und sothane Faktur und Commercium in seinen Standt,
Aufnahme und Flor gebracht werde, zu dem Ende er dan mit allen behuefigen
Inventionen, treuen Einrath und diensamen Erinnerungen anhandt gehen, wo
er einige Mangell oder Untrefi verspiihren wird, davon beizeiten Unfl selbst
oder Unsern Geheimbten R_ihten zeitige Er6ffnung und zu der Remedyrung
guthe Vorschl_ige zu thun, die ihme yon Unfl oder demselben in Unserm
Nahmen aufgebende Commissiones willig zu iibernehmen und mit beh6rigem
Fleifl und Eyfer zu verrichten, und sich in allem dergestalt zu erweisen, wie
einem verst_indigen Commercien Rath, Commissario und getreuen Diener
zustehet und gebiihret, allermaflen Uns er deswegen mit Ayd- und Pflichten
verbunden und seinen schriftlichen Revers auflgestellet.
Dagegen und wegen solcher seiner Bedienung wollen Wir ihme, Unserm
Commercien Raht zur jehrlichen Besoldung und Vermachnus vierhundertt
Reichstaler, halb aufMichaelis und halb aufOstern, von dem negstkommenden
an zu rechnen, auch auf zwey Pferde Futter bezahlen und reichen laflen, auch
sonsten ihn wegen dieser seiner Bestallung und seinen Pflichten nach thuende
Verrichtungen allerdings noth- und schadlos halten und fiirstlich schiitzen und
vertreten, endlich auch, da in Unsern Diensten l_ingerzu stehen ihme oder auch
58

Uns nicht beliebig seyn solte, ihm denselben auf vorhergehende halbj_ihrige
Aufkiindigung in Gnaden erlaflen.
Geben in Unser Residentz-Stadt Hannover, den 26.ten Novembris 1689.
(L.S.) Ernest Augusts
Ponniers Revers
Ich Endes unterschriebener bekenne hiemit: Nachdem des Hochwiirdigsten,
Durchleuchtigsten Fiirsten und Herrn, Herrn Ernesti Augusti, Bischoffen zu
Oflnabriick, Hertzogen zu Braunschweig und Liineburg p. Durchlaucht mich
zu Dero Commercien Raht und Commissario in Gnaden angenommen und
bestellet, mir auch dariiber eine schrifftliche Bestallung auflantworthen laflen,
welche lautet wie folgt [s.o.],daft mich dagegen hiemit verpflichte und reversire,
dieselbe in allen Puncten und Clausuln, so i,iel mich betrifft und mir m6glich
ist, ohnauflgesetzet zu geleben und nachzukommen, auch dawieder nichts
vorzunehmen, zu thuen, zu gestatten, noch auch zu unterlaflen. Allermaflen
ich mich dazu mittels abgestatteten corporalen Eydt anheisig und verbiindlich
gemachet, auch zu mehrer Urkundt deflen diesen von mir eigenh_indig unterschriebenen
Revers auflgestellet. So geschehen, Hannover, den 26.ten Novembris
1689.
(Siegel) JP ponnier mpp.
59

Nr. 3 Kontrakt des Franqois Gervais
Coburg, 1690 April 22.
(Ponniers Original)
NHStA Hannover, Cal. Br. 8, Nr. 572 I.
Literatur: Klingebiel, Weserfranzosen, S. 38f., l12f., 188f.
Je soubsigne Franqois Gervais maistre chamoiseur et blancher declare avoir
trait_ et arrest_ avec Monsieur Ponnier, conseiller et commissaire de S.A.S.
Monseigneur le duc de Bronseviq Lunebourg Hanovre en vertu de l'ordre et du
pouvoir, qu'il en a de sadite Altesse Serenissime de m'establir dans ses estats et
d'y exercer ma profession dans toute l'estandue quy me sera possible au
conditions suivantes.
Scavoir, que je jouiray de toutes les graces, privileges, franchises et immunit_
accord_ dans la declaration de sadite Altesse Serenissim_ et qu'il me sera donne
une tanerie propre et commode avec le logement necessaire pandant le temps
de dix ann_es sans en pej_ aucun droit ny louage et pour les advances il m'a
este accord_ la somrrre de quatre cens escus pour six ans sans intheret avec
promesse, que lors que sadite A. S. ou son ministere reconoistra la fidelit_ avec
laquelle je promet de faire all_ ma fabrique elle aura la bont_ d'aumant_ lesdits
advances le cas le requerant et pour d'autant mieux la souteny moyenant ce que
dessus j'ay fait et sign_ le presant engagement tant pour moy que pour celuy
que je pourrois m'asoci_, duquel dit engagement a est_ fait double confirmer
par mondit Sieur Ponnier contre sign_ par luy et par les tesmoins en bas
nommes. Fait a Cobourg le vingtdeuzieme avril 1690.
F. Gerveys Po.
Receu en dixtraction de la somme susd. le 22e. avril 1690 celle de deux cens
livres, pour emploje a faire venir ma famille ou pour mon vojage ou l'entretien
de trois personnes que sommes icy.
6O
F. Gerveys Po.

DECLARATION
¢rCX PRIV1LEGIEN lntb
_rcp6¢itcn/_¢1c_¢rhie_rant_bf.Reformir¢¢ _lfid_tli_
9¢in0enen_litftl.._nabr. _raunfd)ro._ncburflif._tir_¢t_
tMmb¢_nunb £anbcn/unb infor_
ba_eit 8u
.amcfn
_firfl_ un_ifire_a_tommm,tt,
tBrlf¢ffCtl.
DECLARATION
Des immunit6s et Privileges accord_s
et dont joiiiront
dansles tcrresde fon Alteff, Sereniff/med' Ofnabrac ec
deBronfvic Lunebourg
Ec aommcmen¢dartsl_ villcd=
HAMELN
Les Franqois refugi_s
qui voudronts'y ef_ablirEux e¢leursftzcce_eurs
perpetuitY.
ANNO _69o.
Frontispiz des Hamelner Privilegsvom 1. August 1690
61

Nr. 6 Hamelner Privileg
Hannover, 1690 August 1.
(Druck, unpaginiert)
NHStA Hannover: Cal. Br. 8, Nr. 575 I (mit Konzepten).
Cal. Br. 8, Nr. 574 (Rest der Auflage aus dem Jahre 1690). Einzeldrucke in:
Hann. 113 KIII, Nr. 58. - Archly der Miinsterkirche St. Bonifatius - Hameln,
171.1.
Wieder abgedruckt in: Chur-Brauschweig-Liineburgische Landesordnungen
und Gesetze Calenbergischen Theils, Theil I, G6ttingen 1739, S. 1004-1022.
Literatur: S. oben Einfiihrung, S. 20ff.
Von Gottes Gnaden, Wir Ernest August, Bischoff zu Of_nabrfick, Hertzog zu
Braunschweig und Ltineburg, fiigen hiermit m_inniglich zu wissen: Nachdemahln
sich verschiedene der Religion halber aus Franckreich entwicbeneaFamilien
und Persohnen allhier eingefunden, welche sich in Unsern Fiirstenthiimern
und Landen niederzulassen und unter Unsern gn_digsten Schutz und Schirm,
benebest freyer Ubung ihrer reformirten Religion, allerhand Manufacturen und
Gewerbe anzurichten und zu treiben willens sind, und dannenhero Uns umb
Ertheilung einer besondern Concession, insonderheit abet um eine 6ffentliche
Declaration ihrer in geist- und weltlichen Dingen zu geniessenden Freyheiten,
welche ihnen und ihren b Nachkommen zu ewigen Zeiten in Unsern Landen
geg6nnet werden solten, unterth_inigst und inst_indigst nachgesuchet; dat_Wir
sowohl aus eigener gn_idigster Bewegnit_,als auch auff solches ihr ziemliches
Suchen, ihnen in Gnaden stattgethan. Thun dasselbe auch krafft dieses derogestalt
also, dat_dasjenige, was gemelten frantz6sischen reformirten Fliichtlingen,
auch deren Erben und Nachkommen in folgenden Puncten und Articuln
zugestanden und versprochen wird, von Uns und Unsern Nachfolgern an der
Regierung denenselben steifund lest gehalten werden, und solches ihnen,jedocb
daft sieauch ihrerseitsdemjenigen,was sie versprochenund iibernommen,gelebenund
nacbkommenc, als ein unwiederruffliches, ewigesEdict seyn und gelten solle.
a Im Konzept2 korrigiertaus:,,vertriebene".
b In dasKonzept1wareingefiigt:Erbenund.Fehltim 2. Konzept
c Eingeffigtindas2. Konzept.
62

Nous par la grace de Dieu, Erneste Auguste, E%que d'Osnabrug, Duc de
Bronsvic et Lunebourg, certifions et faisons s_:avoir_ tous ceux qu'il appartiendra:
Plusieurs familles et personnes sortiesa de France pour la Religion estant
arriv_es icy, _ dessein d'y demeurer, et de s'habituer dans Nos l_tats, pour y
_tablir leur commerce et manufactures, en jo/iissant sous Nftre Protection d'une
entiere Libert_ de conscience, et Nous ayants suppli_ tres instamment, de leur
vouloir accorder une ample declarationbde toutes les graces et privileges, dont
jo/iiront tant pour le temporel que pour le spirituel Eux, leurs heritiers et
successeurs _ perpetuitY; Que conformementA leurprierec, et encore de Nostre
propre mouvement et grace speciale Nous avons defer_ _ icellesd,ainsi que Nous
le faisons par la presente declaration, en sorte que ce que Nous avons accord_
dans les articles suivants aux dits Francois refugi_s et _ leurs heritiers et
successeurs _ l'avenir, leur sera inviolablement tenu et gard_ par Nous et Nos
Successeurs _ la Regence, et que cette declaration leur servira d'Edit perpetuel
et irrevocable, _ condition pourtant qu'eux reciproquement de leur part
s'acquitteront de leur devoir et de ce qu'ils Nous ont promis.
In das2. Konzeptffirdashinter,,deFrance"stehende,,persecut6es" eingefiigt.
b Konzept1:,,declarationformelle".
c" Eingef/igtin Konzept1beiUmstellungdesSatzbaus.
d In das1.Konzeptfiir,,leursprieres"eingeffigt.
63

1. Es sollen dieselbe, die sich in Unserer Stadt Hameln (welchen Ohrt Wir dessen
guten Situation, gesunden Lufft und Wolfeiligkeit wegen an Victualien und
allerhand Lebens-Nothurfft, insonderheitwas das Commerciuman sichselbstbetrifft_,
for andern erwehlet) allbereits niedergelassen oder noch weiter besetzen und
daselbst ihre Handthierung treiben werden, bey der Reformirten Religion und
Gewissens-Freyheit nicht allein allerdings gelassen, sondern auch in specie ein
frey ungehindertes 6ffentliches Exercitium ihrer Religion nach Art und Gebrauch
der Frantz6sisch-Reformirten Kirchen denenselben verstattet, und zu
Haltung solchen ihres Gottesdienstes, zu welchen Sie mit 6ffentlichem Glokken-Gel/lute
ihre Gemeinde zusammenruffen m6gen, solange eine teutsche
Kirche auffgewisseMarie angewiesenbwerden, bifl nach diesemcselbige Gemeinde
auffihren Kosten eine eigene Kirche gebauet haben wird, worzu Wit ihnen den
Platz in- oder nechst ausserhalb Hameln wie auch die ben6thigte Materialien
an Holtz, Kalck und Steinen schencken wollen. Und soll alsdann solche Kirche
von allem Anspruch, Auflagen und Beschwerden g_intzlich eximiret und
befreyet seyn.
a Einfiigtin das2.Konzept.
b BeiderKorrekturdes1.Konzeptseingefiigtfiir,,daselbsteinger_iumet".
c Hierfolgteim 1.Konzept:,,beyVermehrungund Anwachflderfrantz6sischreformirten
Gemeinden".
64

1. En premier Lieu; que tous ceux qui sesont deja _tablis ou qu?voudront s'&ablir
l'avenir dans nostre ville de Hameln (laquelle Nous avons choisie et trouv_e
la plus commode de toutes celles qui sont dans nos Etats, tant _ cause de sa
situation et cornrnodit_du lieu,b que parceque le climat et l'air y est fort sain et
temper+, et que les vivres et autres cbosesnec_ssairespour la vie de l'bomme et pour
les manufacturesCy sont _ fort bon march_) ne seront pas non seulement troubles
dans leurs libert&, mais joiiiront encore de l'exercice public de leur Religion
suivant l'usage et la prattique des _glises reform&s de France, pour les quelles
causes Nous leur avons assign6 un temple dans la dite ville, dans lequel Nous
leur perrnettons d de s'assembler ° aux heures marqu&s au son de la cloche, pour
y faire leur exercice de piet6 jusqu' _ ce que la colonie soit en estat de pouvoir
faire bastir un temple h ses frais et depens, pour le quel Nous leur ferons assigner
une place dans la ville, ou tout proche d'icelle et leur ferons fournir en put don
tousles materiaux necessaires, comme du bois, pierres et chaux, le quel temple
sera ex+mt _ perpetuit+ de toutes charges et impositions quelconques.
Eingef_igtin das 1. Konzept.
b Eingefiigtin das 1. Konzept.
Eingef/.igtin das 1. Konzept.
.d Die anschlieflende Sequenz ,,d'y faire aux heures marqu&s" wurde im 1. Konzept
gestrichen.
Die anschlieflendenW6rter ,,lepeuple" wurden irn 1. Konzept gestrichen.
65

2. Zweytens sollen gemelte frantz6sische reformirte Familien undPersohnen aauch
ihren Kirchen-Raht und Disciplin, wie unter ihnen hergebracht und iiblich,
behalten und in Geistlichen Sachen vor Unserm Consistorio oder einigen
andern Geistlichen Gerichten zu stehen und Recht zu geben oder zu nehmen
auff keinerley Weise gezwungen werden, selbige aber auch hierin sich also
betragen, datg sie ruhig seyn und niemand ,_rgernitg geben; zu dem Ende sie
auch unsere Fest-Tage, so ihnen Tages vorher angezeiget werden sollen, mit zu
f _Tg_l.b
3. Der Kirchen-Raht, sosie auff das Fundament ihrer Reli_4on anordnen miigenc,soll
Macht haben in Dingen, so ihr Kirchenwesen angehen, frey zu schalten und zu
walten, Consistoria eoder Colloquia unter sich anzustellen und zum Ministerio
an der abgegangenen Stelle andere Prediger, Leser oder S_inger zu beruffen und
zu erwehlen; jedoch dalg sie die Erwehleten Uns oder in Unserm Abwesen
Unsern Geheimbten R_ithen zur Confirmation unterh_inigst vorstellen, welche
Confirmation fordersambst nach beschehenem Ansuchen Wir gn_idigst ertheilen
wollen, damit der Confirmatus ohne Verzug sein Ambt antreten und
verrichten k6nne.
a In das 1. Konzepteingesetztfiir ,,Fliichtlinge".
b Im 1. Konzeptstand ,,mitfeyern".Nach ,,mitfeyern"wurdezudem eingefiigt:,,undt del_fals
kein ErgerniRgeben".Dieser Zusatzist nicht ins 2. Konzept fibernommen worden.
c In das 1. Konzept eingeffigt.
d In beiden Konzepten steht:,,angehet".
e Im 1. Konzept folgtehier ursprfinglich,,Synodos".
66

En second lieu, les dits Frangois refugi_s auront leur consistoire et l'exercicede
leur_discipline en la maniere qu'il a est_ tousjours observ_ parmy eux dans leurs
_glises et ne seront pas obliges de reconnoistre aucun autre consistoire ou
gouvernement Ecclesiastique, que celuy de leur discipline, _icondition qu'ils se
gouverneront sagement et ne donneront aucun scandale fi personne, et cils
chommeront nos jours de f_tes, qui leur seront indiqu_es le jour d'auparavant.
3. Le consistoiree que les Frangois refugi_s auront estabh_ conformement Af/eur
discipline, aura une libre disposition et pleinpouvoir sur tout ce qui concerne
les affaires de l'Eglise, et nommement de convoquer des colloques_ et des assembliesh,
de choisir et elire d'autres pasteurs fi la place de ceux, qui seroient ou morts,
change_ ou destituez, h comme aussi de recevoir des proposants au ministere,
condition, que les ministres, qui auront _t_recks,h Nous seront present,s, et en
Nostre absence fi Nostre conseil privY, pour avoir N6tre confirmation, la quelle
Nous leur donnerons incessament, afin qu'ils puissent exercer sans aucun
retardement leur ministere.
Eingefiigtin das 1. Konzept
b Im 1. Konzept folgt hier ,,qu'ils".
c Im 1. Konzept steht an dieser Stelle,,auqueleffect".
d In das 1. Konzept fiir ,,senatecclesiastique"eingesetzt.
Im 1. Konzept aus ,,pourront fonder" bzw.,,instituer" verbessert.
f In das 1. Konzept f_ir,,selon"eingefiigt.
g Im 1. Konzept ge_indertaus:,,pourront instituer des synodes,des colloques".
h Eingefiigtin das 1. Konzept.
67

Was aber die Cognition und Bestraffung der Laster und Verbrechen solcher
Geistlichen Persohnen betrifft, behalten Wir, als Hohe Landes-Obrigkeit_, Uns
und Unserer Justitz-Cantzeley solches bevor: derogestalt, daft bey dergleichen
Vorfallenheit der Frantz6sische Kirchen-Raht sich diesfals nichts anzumassen,
sondern an Uns oder Unsere Cantzley davon zur Remedirung der Gebiihr zu
referiren.
4. Zu Begrabung ihrer Todten sol denen frantz6sischen Reformirten zu Anfangs
der Soldaten Kirchhoffverbleiben. Wann abet nach diesem der Raurn zu enge
fallen wiirde, ein besonderer Gottes-Acker ihnen angewiesen werden. Und
m6gen dieselbe die Begfiibnisse zu aller Zeit und Stunde, mit und ohne
Procession m_nniglich ohngehindert 6ffentlich verrichten. Gestalten, fals jemand
sie hierin zu turbiren sich geliisten lassen wiirde, derselbe darumb nach
Verdienst angesehen werden soll.
5. Wir verg6nnen auch denenselben, dag sie fiir dieJugend Schulen haben und
halten und ohne jemands Hinderung dieselbe in der Gottesfurcht, freyen
Kfinsten und guten Sitten unterweisen. Wie nicht weniger
6., daft sie auffihre Kosten ein eigen Haufl zum Collegio auffbauen und darin
die Jugend in Sprachen und anderen h6hern Wissenschafften zu Dienst und
Nutzen UnsersLandes und der Gemeineselbst,insonderbeitbzu Wiederersetzung der
vacirenden Stellen bey dem Ministerio, wann Sie zu solcbenInformationen
a In das 1.Konzept eingeffigt.
b Eingefiigt in das 1. Konzept.
68

Et en cas qu aucune personne Ecclesiastique tombast dans quelque crime ou
irregularitY, acomme Souverain, Nous Nous en reservons et fi Nostre Conseil de
justice la connoissance et la punition, auquel effet le Consistoire Franqois fera
seulement instruire la procedure et Nous en donnera son avis, ou fiN6tre conseil
de justice, pour en juger definitivement.
4. Pour l'enterrement des morts, Nous leur permettons de le faire dans le
cimetiere qui leur est assignS, et en cas qu'il ne suffise pas, on leur en donnera
un autre _ l'endroit que l'on leur fera marquer, lesquels enterrements ils
pourront faire publiquement et librement _ toute heure, suivant leur discipline,
et en casque quelq'un vint files troubler ou inquieter, il en sera puni selon qu'il
l'aura merit&
5. Nous leur accordons encore d'avoir et tenir des &oles pour y instruire leur
Jeunesse tant,! lire, _crire,qu'aux bonnes moeurs,b sans que qui que ce soit leur
puisse apporter aucun empechement.
6. De m_me ils pourront b_tir fileurs depens un college, queNous leurpermettons
et accordonspar cespresentes,afin d'enseignerAleur JeunessetouteslesSciencesdivines
ou humainesc tant au bien et avantage de nostre pals, que de la colonie,
principalement pour remplir les charges vacantes du ministere, lorsqu'ils en
Eingeffigt in das I. Konzept.
b Im 1. Konzept verbessert aus: ,,l'ecriture dans la pietY, sciences et bonnes moeurs".
c Im 1.Konzept aus einer kfirzeren Fassung korrigiert, die als Lehrinhalt ,,langues et autres
sciences " nannte.
69

_°
tiichtigen und genugsamen qualificirten Persohnen gelangen kSnnen a, unterrichten
lassen m6gen. Und wollen Wit ihnen das Baw-Holtz zu solchem Baw, jedoch
dat_ Sie es aus dem Walde auff ihren Kosten abholen lassen, alsdan verehren,
annebenst gleiche Exemptionen auff sothanes Collegium, wie yon der neu zu
erbauenden Kirche oberwehnet, so denn auch die Freyheit, tiichtige Lehrmeister
dazu zu beruffen und zu bestellen, hiermit versprochen und zugestanden haben.
7. Ferner verstatten Wir denenselben, auf ihren Kosten ein Arm-Hau/g oder
Hospital aufzubauen, worzu Wir nicht allein die ben6thigten Baw-Materialien,
jedoch ohne die Fuhren, gleichfals hergeben, sondern auch, wann diese Colonie
im Stande s_n wird, b 1000 Reichstaler Capital darauff gniidigst stifften und
verehren wollen, umb best_indiglich zu Unterhaltung der Armen eine j_ihrliche
Giilte yon 50 Reichstalern darvon zu heben. Und sollen dieselbige so wenig als
die anderen Verm_ichtnisse oder Stifftungen, so yon Privat-Persohnen hierzu
geschehen m6chten, auff einigerley Weise oder Schein davon ab und zu einem
andern Gebrauch verwendet werden; im iibrigen auch der Orth und das
Armen-Hautg an sich selbst yon allen Oneribus publicis, wie selbige Nahmen
haben m6gen, giintzlich enthoben seyn.
a Eingefiigtin das 1. Konzept.
b Eingef/.igt in das 2. Konzept. Daneben findet sich die Randnotiz: ,,Dieser Punct
insonderheit Ser[enissime]erst zu referiren."
70

seront trouv_s capables. Et Nos leur donnerons en pur don le bois, dont ils
auront besoin pour la construction du dit College, lequel bois les dits Franqois
r_fugi_s feront couper, travailler a et porter _ leurs frais et depens. Q_ant aux
immunit6s, il en jofiira de m_me que le temple, et pour les personnes qui devront
enseigner dans le dit College, le Consistoire Franqois aura pouvoir de nommer
celles, qu'il jugera capables, suivant l'ordre prescript dans leur discipline,b
7. De plus Nous leur permettons de b_tir un h6pital _ leurs frais et depens,
pour la construction du quel Nous leur promettons de donner en pur don les
materiaux necessaires qu'ils feront porter _ leurs frais, et outre cela quand cette
colonie sera bien _tablie,c Nous leur donnerons 1000 _cus pour faire und fonds
inalienable,/a quelle somme sera miseea interest, pour en estre retir_ annuellement
la somme de 50 _cus applicable Alia subsistance des pauvres, g le quel fonds aussi
bien que touts les legs, qui pourroient estre faits en suite audit h6pital, ne
pourront estre alienez sous quel pretexte que ce soit, et sera le dit h6pital exempte
de toutes sortes d impositions et charges publiques etparticulieres."
Fehltim 1. Konzept.
b Eingef'tigtin das 1. Konzept.
c Eingefiigtin das 2. Konzept.
d Fehlt in beiden Konzepten.
In beiden Konzepten steht hier: ,,qui seront mis".
f In beiden Konzepten steht hier nur: ,,pour".
In beiden Konzepten folgt an dieserStelle:,,qu'ilsy pouront avoir".
h Eingefiigtin das 1. Konzept.
71

8. Die Priester m6gen frey und ungehindert in solch Armen-Hautg ein- und
auflgehen, die Armen und Krancken reformirter Religion, gleich wie auch in
denen Gele_ingnissen die Gefangenen besuchen, tr6sten und sonsten alles
dasjenige frey verrichten, was ihr Ambt mit sich bringet; insonderheit auch die
etwa zum Tode verdammte Persohnen ihrerReligionazur Gerichtsst_itte begleiten
und mit lauter Stimme denenselben durch Gebeth und Vermahnungen beystehen.
9. In Sachen, welche bey dem Frantz6sischen Kirchen-Raht oder Consistorio
vorkommen, sollen die Predigerb ffir der Justitz als Zeugen zu deponiren, es
w_iredann, daft es Unsere Hohe Persohn oder UnserFiirstlichesHauf_ und Unsere
Stadta und Land und Leute betr_iffe,nicht gehalten, in Justitz- und Policey-Sachen
oder anderen Begebenheiten abeff Zeugnisse zu geben schuldig seyn,jedoch
soll das Examen vor UnsererJustitz Cantzley oderauff dero Verordnung yon einem
absonderlichenCommissariogeschehen, f
10. Weiter sollen die frantz6sische Reformirte allerdings als Unsere angebohrne
Unterthanen gehalten und unter denenselben und ihnen kein Unterscheid
gemactit, i%lglich sie, frantz6sische Reformirte, auflgenommen diejenigen
Privilegien, welchedie Stddte beyBestdlung desMagistrats in particulierhaben,galler
a Eingefiigt ins 1. Konzept.
b Im 1. Konzept folgt (durchgestrichen) an dieser Stelle ,,oder Kirchenalten".
c Eingefiigt ins 1. Konzept.
d In beiden Konzepten steht an dieser Stelle ,,Unseren Staat".
e An dieser Stelle folgt (durchgestrichen) im 1.Konzept: ,,und wann man die Wahrheit nicht
anders evinciren k6nnte, auch fiir der Mediat-Obrigkeit".
f Eingefiigt in das 1. Konzept.
g Eingefiigt in das 2. Konzept.
72

8. il sera libre et permis aux ministres d'aller exhorter, consoler, faire des prieres
et tout ce qui depend de leur ministere aaux pauvres et aux malades de leur religion,
qui se trouveront tant dans l'h6pital que dans les prisons ou autres endroits de
la ville, b pourront en outre conduire au supplice les personnes de leur religion
reform_e condamn_es a mort et leur departir les consolations necessaires _ haute
voix,faire prieres publiques et chanter lespsa_mes, c
9. Pour les choses qui se passeront dans le consistoire, les pasteur¢ ne seront
pas tenus de repondre devant la justice en qualitb de t6moins, si ce n'est pour
des causes qui concerneront Nostre Personne _, Nostre Serenissime famille,
Nostre estat ou Nos Sujets. Et dans les autres affaires de justice ou de police, ils
seront obliges de venir deposer devant Nostre Conseil de justice ou devant un
Commissaire qui sera nomm_ pour cet effet.
10. Les Franqois r_fugi_s seront traitt_sf sans aucune distinction comme nos
anciens sujets et joiiiron_ dans nos Etats des memos honneurs, privileges,
prerogatives, immunit_s, charges et fonctions tant militaires que civiles selon
qu'ils seront jug,s capables, saufs lesprivileges particuliers des villes d l'3gard de leurs
a Eingef_igtin das2. Konzept.
b Hier folgt noch im 1. Konzept:,,ou qu'ils puissent estre".
c Eingefiigtin das 1. Konzept.
d Im 1. Konzept wurden die hier folgendenW/Srter:,,ou anciensd'eglise"gestrichen.
In den Konzepten folgt an dieserStelle,,ou".
f In beiden Konzepten:,,reconnus".
g In beiden Konzepten: ,,pour jouir".
73

Dignit_iten, Aembter und so Civil- als Militair-Bedienungen f_ihig geachtet und
in soweit ein- oder der ander darzu geschickt, darzu befordert, auch hierauff
bey ihren Bedienungen gegen m_inniglich geschiitzet werden.
11. Damit auch in Justitz-Sachen allerhand sonsten zu besorgende Confusiones
und Weiterungen verhfitet werden, ordnen und wollen Wir hiemit, daft a
jedesmahl Unser Commercien_'Raht und Director dieser Colonie, benebenst
noch andern Persohnen,c welche Wir specialiter darzu benennen werden, die
vorkommende Klagden annehmen, und zwar
1. wann die streitende Theile beyderseit Frantzosen a und Manufacturiers _ sind,
solche fiir rich allein abhandeln; wann aber
2. Biirgd und frant_sische Manufacturiersggegeneinander Klage h_itten, jemanden
aus Mittel des Raths mit zuziehen. Gleich wie auch, wann
3. Zwischen frantziisische Manufacturiers h und Frembden, welche unter desStadt-Rahts
zu Hameln Jurisdiction nicht gesessen, Streit vorfiele und der Frembde Kliiger ware,
selbiger der durchgehenden Observantz nach Forum reifolgen, mithin J_r Unserm
a An dieser Stellefolgt (durchgestrichen)im 1. Konzept:,,in Civil-Sachen".
b Im 2. Konzept gestrichenund sogleichwiederhergestellt.
c Im 2. Konzept ge_indertaus ,,einerandern Person".
d In das 1. Konzept wurde an dieser Stelle eingefiigt:,,oder aber Teutsche, so unter den
Stadtrath zu Hameln nicht gesessenund Frantzosen".
e Eingefiigtin das 2. Konzept.
f In das 1. Konzept fiir ,,Teutsche"eingefiigt.
g Im 2. Konzept anstelle,,Frantzosen" eingesetzt.
h Anstelle,,Frantzosen"in das 2. Konzept eingefiigt
74

magistratures a, voulant, qu'au surplus ils ne puissent estre troubl_s ny inquiet_s
dans la fonction de leurs charges.
11. Afin d'eviter toute sorte de confusion dans les affaires de justice, Nous
voulons que N6tre Conseiller bet Directeur de la Colonie conjointement avec
les autres personnes que Nous nommerons, administre la justice dans la maniere
suivante:
1. Quand il surviendra cquelque different de Franqois _ Franqois, ils le jugeront
seuls.
2. Lors qu'il y aura different d'Allemand _ Franqois ou de Francois _ Allemand
les dits Juges appelleront au jugement quelq'un du senat de la ville de Hameln.
3. En cas qu'il y efit quelque different entre un Franqois r_fugi_, et un l_tranger
qui ne seroitd pas de la jurisdiction du Magistrat de Hameln, alors si l'Etranger
est demandeur, il suivra le tribunaldu deffendeureselon rusage prattiqu_ par tout,
Eingefiigtin das 2. Konzept.
b Die anschliei_endenW6rter ,,de commerce"sind im 1. Konzept durchgestrichen.
c Im 1. Konzept ,,yaura".
d -tm 1. Konzept:,,sera".
Im 1. Konzept korrigiert aus ,,forum rei".
75

Commercien-Raht und Commissario auch_-Bqygeordneten stehen und Recht suchen, da
aber im Gegentheil der Frembde Beklagter wire, die Sache vor Unserm Stadt-Schultheifl
daselbst angebracht werden und derselbe Unsern Commercien-Rath und den yon Uns
Zugeordneten mit zur Cognition der Sache ziehen,b
Ratione loci auch diejenige Streitigkeiten, so zwischen Biirgern und Frantzosen
oder Frantzosen und Frembden vorkommen, auff dem Rahthause, die andern
aber in des Commercien-Rahts und Directorisc Behausung, bit_ etwan nach
diesem ein besonderer Ohrt darzu destiniret worden, vorgenommen und
er6rtert werden sollen.
Auffdiese Masse m6gen bey diesem Gerichte alle Civil-Klagden, so unter ihnen
entstehen k6nnen, definitive abgethan werden, und soll, wann die Summa litis
unter 30 Reichstaler,d dei_wegen keine Appellation statthaben, in h6hern Summen
aber dem gravirten Theil zu appelliren verstattet, jedoch sothaner Appellation
ungehindert von dem Judice gesprochen und die Sententz, wann der
gewinnende Theil genugsame Caution der Erstattung dessen, was sowol in der Haubtsache
als wegen Kosten und Schaden erkant werden ma,_ leisten kan, _ vollzogen,
sonsten aber, wie auch wann UnsereJustitz-Cantzel(y darin gestalten Sachen nach
Inhibition thut, mit der Execution eingehaltbn und im iibrigen sowol in ersterals zweyter
Instantz die Sache auffs beste rechtlicher Weise befordert werden, f Daferne auch in des
Commercien-Raths g oder dessen Adjuncti Abwesenheit Sachen vorfielen, so
keinen Verzug litten, sollen solche yon denen noch Anwesenden auff
a Eingef/.igtin das 2. Konzept.
b Dieser 3. Absatzfehlt im 1. Konzeptganz. Im 2. Konzept lauteteder Schluflteilzun/ichst:
,,Wenn...derFrembdeBeklagterw_ire,der Stadtschultheifldaselbstin Unserm Nahmen mit
beiwohnen".
c Eingefiigtin das2. Konzept.
d Im 1.Konzept: 100Reichstaler.
e In das2. Konzept eingefiigt.
" f In das 2. Konzept eingefiigt.
g In das 2. Konzept sind andieser StelledieW6rter ,,und Commissarii"eingefiigtworden.
76

et par ainsi il portera sa plainte contre le Frangois r_fugi_ devant les dits
Conseiller aet Adjoints, et si au contraire le Frangois est le demandeur, il accusera
l'_tranger devant le Stadt-Schoultheis ouMaire du dit lieu,ble quel conjointement
avec le dit Commissaire et Ajoints jugeront du dit different.
Quant au lieu de l'administration de la justice, Elle se tiendra, lots qu'il s'agira
d'Allemand/, Frangois comme aussi de Frangois _ l_tranger, _ l'H6tel de ville,
mais lors qu'il s'agira de Frangois _ Frangois, dans la maison de N6tre
Conseiller c et Commissaire jusqu' _ ce que l'on ait assign_ a une maison
particuliere pour y administrer la justice.
Suivant ce que dessus pourront les susdits Juges juger definitivement de toutes
les causes civiles jusqu' _ la somme de 30 _cus, au dessous de la quelle il n'y
aura pas d'appel, et s'agissant de plus grandes sommes pourra la partie gre%e
appeller devant N6tre Conseil de justice, et la sentence donn_e _ sera execut_e
non obstant l'appel, d condition que la partie, en faveur de la quelle cette sentence
aura est_ prononce, donnera une caution su_r_ante de rendre ce qui sera jug_ dam
rinstance d'appeL tant la somme Frincipale que lesfrais et dommages soufferts; mais si
la partie ne pouvoit donner une caution vMable, ou que Nostre Conseil de Justice
accordast des deffenses expresses,l'execution en sera suspendiie,f Que si dans l'absence
du Commissaire ou de quelq'un des autres juges il arrivoit des cas Extraordinaires,
et qui nepussent g &re differ_s, celuy ou ceux qui se trouveront sur le lieu,
en connoistront seuls dans la maniere susdite, mais si l'affaire ne requerroit pas
a Die anschlieflendenW6rter ,,decommerce"sind im 1. Konzept durchgestrichen.
b Eingeffigtin das 1. Konzept.
Die anschlieflendenW6rter ,,decommerce"sind im 1. Konzept gestrichenworden
d Eingef/igtin das 1. Konzept fiir ,,donn_".
Fehlt in beiden Konzepten.
f Eingeffigtin das 2. Konzept. Dort hiefl es in der Schluflsequenzzun/ichst:,,que Nostre
. Conseil de Justicey portoit defens expresse".
g In beiden Konzepten: ,,puissent".
77

obbeschriebene Ahrt untersuchet und decidirt, sonsten aber bis zu des andern
Wiederkunfft gewartet werden. Was die peinliche Leibeso und Lebens Straffe
oder auch Relegation meritirende Sachen belanget, gleich wie dieselbe immediate
fiir Unsere Justitz Cantzley geh6ren, also hat auch in dem Fall, wo Metus
fugue vorhanden, Unser Stadt-Schultheisse zu Hameln den Delinquenten apprehendiren
oder handfest machen zu lassen, jedoch, wann esdieZeit leidet,aUnserm
Commercien-Rath und Comraissario b, auch Zugeordneten Communication darvon
zu thun und mit denenselben vorhero die Sache zu iiberlegen, auch folglich c
fordersambst an gemelte Unsere Cantzley zu berichten.
Endlich in Commercien-Sachen lassen Wir gn_idigst geschehen, datg die Frantz6sische
Gemeinde j_ihrlich 4 Kaufleute von ihnen erwehlen und Uns unterth_inigst
vorschlagen, um 2 davon zu confirmiren, welche bey solchen Begebnissen,
so das Commercium berfihren, mit beywohnen und ihr Gutdfincken vorbringen,
auch eydliche Angelobung deflhalber thun sollen.
Ubrigens sollen die bey diesemJudicio fallende Geldbussen ingemeinen undnicht
inpeinlichen Sachenazur Helffte fiir Uns, die andere Helffte ffir die Frantz6sische
Gemeinde selbst_ berechnet werden.
a In das 2. Konzept eingeffigt.
b Fehltin beiden Konzepten.
c In das 2. Konzept eingef_gt.
d In das 1. Konzept eingefiigt.
e In den Konzepten:,,daselbst".
78

celeritY, on la remettra jusqu' _ l'arriv_e de rabsent. A l'_gard des affaires
criminelles ou il _cherra peine de mort ou inflictive et qui dependent immediatement
de n6tre haute justice, en cas qu'il y air _ craindre, que le criminel nea
vint _ s'evader, n6tre Stadt-Schultheis de Hameln le fera arr_ter; toutesfois si le
terns leperraet il ne lefera b qu' avec participation de n6tre conseiller et Ajoints,
qui en feront conjointement l'instruction, lacuelle ils Nous enverront c avec leur
sentiments.
Finalement pour le commerce Nous voulons, que la Colonie choisisse annuellement
4 Marchands d'entre Eux, qu'ils Nous presenteront, a pour en confirmer
deux, lesquels assisterontedans les affaires concernant le commerce et diront leurs
sentiments apres avoir au preallable pr4t6 le serment en tel casrequis et accoustum£ f
Au sur plus pour ce qui concerne les amendes, qui _cherronP clans les affaires
civiles, la moiti4 Nous en fipartiendra, et l'autre moiti6, ,_ la Colonieh Francoise.
Im 1. Konzept gestrichen.Fehlt auch im 2. Konzept.
b Eingeffigtin das 2. Konzept;war abet bereitsTell des 1. Konzepts.
c In beiden Konzepten:,,pour qu'ils nous l'envoyent".
d Im 1. Konzept aus ,,proposeront" ge/indert.
Steht in beiden Konzepten hinter ,,lecommerce".
f Fehlt in beiden Konzepten.
g -Eingeffigtin das 1. Konzept fiir,,seront donn_es".
h Im 1. Konzept im Zuge der Ubersetzung korrigiertaus ,,auxpauvresde la Colonie".
79

12. Wir concediren zum Zw61ften gemelten frantz6sischen Reformirten, a daft
Sie in Unsern Ffirstenthumen und Landen ins StOck und ins Kleine bm_inniglich
ungehindert, c und zwar 10 Jahr lang _ dato an, ibregemacbte Wabren verhandeln
m6gen,d welche Zeit fiber sie yon allen Z611en, Contributionen und Imposten,
wie solche Nahmen haben m6gen, allein die Consumtions-Accise auflgenommen,
g_intzlich eximiret und befreyet seyn sollen, allermassen solehes Unsere
vormahls ertheilte Concessionen mit mehrem besagen.
13. Die Prediger" der frantz6sischen Reformirten Kirche, wie auch diejenige
Persohnen, welche in obgedachtem Judicio sitzen, sollen gleichm_ssiger Ehre
und Vorzugs zu geniessen haben als die Prediger_ Unserer Confession und die
Richter und Beysitzer in dergleichen anderen Judiciis erster Instanz haben und
geniessen; sollen auch, so lange sie das Ambt versehen, wie auch deren Wittiben,
dabey gelassen werden.
14. Die frantz6siscben f Handwercker, welche sich also zu Hameln h_iufllich
niederlassen wollen, sollen nicht gezwungen seyn, nach Gewohnheit des Landes
die Zfinffte zu gewinnen, sondern ihnen freystehen, ihre Handthierungen so
gut sie k6nnen zia tr_iben und eine solche Anzahl Lehr-Jungen oder Gesellen
zu setzen, als sie wollen. Da sie abet in die teutsche Zfinffte eingenommen zu
werden verlangten, sollen sie darin auffgenommen und g gleich andern Unsern
Unterthanen gehalten werden.
a Das hier folgendeWort ,,Flfichtlinge_wurde im 1. Konzept gestrichen.
b An dieser Stellefolgenim 1.Konzept diedurchgestrichenenW6rter: ,,gleichallen andern
Unseren angebohrenen Unterthanen".
c Es folgenim 1. Konzept die durchgestrichenenW6rter: ,Handel und Wandel treiben_.
d In das 1. Konzept eingefiigt.
e Im 2. Konzept aus ,,Priester"korrigiert.
f In beiden Konzepten steht an dieser Stelle:,,Diejenige".
g Eingefiigtin das 1. Konzept.
8O

12. Nous permettonsa aux susdits r_fugi_s de negotier, et trafiquer clansl'[tendiie
deslieux de notreobgissanceben gros et en d&ail, en la m_me maniere que peuvent
faire Nos sujets naturels c sans y &re empech&, et cela sous la bonne roy des
franchises pendant dix ans, durantd lesquels ils seront exemts de toutes sortes
de droits, peages, imposts et autres charges, _ la reserve du droit des accises,
conformement _ Nos precedentes declarations.
13. Nous voulons, que lespasteurs des dits Franqois r_fugi_sjofiisssent de m_mes
honneurs, prerogatives, immunit& et autres avantages qui sont accord_s aux
pasteurs de n6tre confession, et fil'_gard des Juges Franqois qui seront &ablis,
ils seront traites _galement comme les autres Juges de la premiere instance dans
nosEtatse et joiiiront de m_mes privileges et droits tant qu'ils occuperont cette
charge, comme aussi leurs vefives.
14. Les r_fugi_s qui s'&abliront dans la dite ville, ne seront obliges d'entrer dans
aucune mMtrise salonlescoutumesdu piiis,f mais ils exerceront leurs mestiers en
tout_ libert_ sans &re troubles en faqon quelconque et pourront entretenirautantg
d'fiprentifs ou compagnons que bon leur semblera, et en cas que quelqu'un
d'eux voulust entrer dans les maistrises des Allemands, il y sera requ et traitt_
comme Nos autres suiets.
Im I. Konzept: ,,accordons".
b Eingefiigt in das 1.Konzept ffir: ,,tousles lieux de Nos etats".
c Im 1. Konzept finder sich der Zusatz ,,et hereditaires".
d Eingefiigt in das 1. Konzept fiir ,,pendant".
Im 1. Konzept korrigiert aus: ,,nostre pals".
f Im 1. Konzept heiflt es: ,,abbaye, maistrise ny coustume de pals".
g Im 1. Konzept steht: ,,tenlr tel hombre".
81

15. Gemelte frantz6sische reformirte Flfichtlinge m6gen nach ihrem freyen
Willen und Belieben von allen und jeden ihren Giithern und Haabseeligkeiten,
beweglich- und unbeweg|ichen, unter Lebendigen und um Sterbens willen
disponiren, durch Testamenta, Verm_ichtnisse, Codicillen und dergleichen,
jedoch dam# selbigebestehenk6nnen, ein Testamentyon 7Zeugen und ein Codicillyon
5 Zeugen unterschreibenund bekriifftigenlassen,a Wfirde aber jemand ab intestato
versterben, soll dessen Verlassenschafft dem nechsten Erben gefolget, wann aber
kein Erbe vorhanden oderdernechsteErbein solchenLanden wohnha_, auswelchen
in dieseLande keine Erbschafftgefolgetwird, falt die VerlassenschafftUnsermFisco
anheimb,b
16. Ob Wir Uns zwarten g_intzlich versehen, mehrgedachte franz6sische R4fugi6s
in Betracht der vielf_ltigen Gnade, Hulde und angewandter, auch noch
ferners anzuwendenden grossen Kosten, Uns die Proben ihrer w/ircklichen Erk_intnisse
verspiihren lassen und zu Erhaltung des abgezielten Zwecks, nemlich
zu Festsetz- und Beforderung der Manufacturen zu Hameln, allen treuen Flei£
anwenden und zu dem Ende ihr Lebenlang in Unsern Landen verbleiben
a So im 2. Konzept.Im 1. Konzeptstehtan dieserStelle:,,wiesolchesbeyihnenfib-und
gebr_iuchlichundin derbestenForm,alsesunterihnenbestehenkann.
b Uberarbeitete, ins2. KonzepteingeffigtePassage.
82

15. Les Francois reform_s pourront aussi disposer en toute libert_ fi la vie et
la mort de leurs biensa tant meubles et immeubles, par donations, testaments,
codicilles, legats, et autres voyes de droit, neantmoins letestamentpour _trevalableb
sera sign_ par 7 t_moins, et le codicille par 5. Et en casque quelqvun vint
deceder ab intestat, tous sesbiens generalement appartiendront aux plus proches
parents, mais lorsqu'il n'_yen aurapoint du tout,ou quesesplus prochesheritiersseront
dans despais _trangers,desquelsil ne luy estpas permis de sortir ny de transporterses
biens,c alors l'heritage restera entre les mains de n6tre Procureur fiscal, pour le
garder jusques fice que celuy qui seraappell__ila succession, dvienne habiter dans
Nos Etats.
16. Bien que Nos ne doutions aucunement, que les Francois R_fugi_s en
consideration des gracesspeciales, e qu'ils ont regues ou recevront de Nous, et de
plusieurs depenses que Nous • havons faites et ferons • A l'avenirf,ne , veuillentg nous
donner des preuves essenttellesde leur reconnolssance et s employer de tout leur
pouvoir _ll'avancement et fila perfection des manufactures de Hameln, comme
c'est N6tre principal but, et par consequent qu'ils resteront toute leur
Hier folgt im 1. Konzept: ,,en fonds et autres".
b Im 1. Konzept heil_t es an dieser Stelle: ,,toutes fois qu'un testament pour estre valable".
c Neufassung eines inhaltlich fihnlichen Passus, eingefiigt in das I. Konzept. Der Schlu_
lautete hier noch: ,,desquels il n'est pas permis de faire sortir les effects et biens".
d Eingefiigt in das 1. Konzept.
Eingefiigt in das 1. Konzept.
f In das 1. Konzept fiir ,,encore" eingefiigt.
g "Im 1. Konzept heit_t es: ,,voudront bien".
h Im 1. Konzept: ,,reelles".
83

werden, so wollen Wir nichtsdestoweniger, wann jemand von hinnen wieder
hinwegziehen awoke, ihn mit Weib und Kindern, Hauflgenossen und allen seinen
Gfitern unauffgehalten fortziehen lassen, jedoch mit Beding, daft er vorhero
denenb Conditionen, worzu er sich verbunden, genug thue und seine Schulden
bezahle,c gestalten auch diejenigen, welche rich nach den genossenen 10 Frey-
Jahren wieder yon dannen begeben, sich deft in Teutschland und Unsern Landen d
recipirten Rechtens, welches Wir Uns in diesem Punct hiermit reserviren, nicht
entschfitten k6nnen.
17. Um das Commercium desto mehr in Auffnahm zu bringen, setzen und
ordnen Wit hiemit, dat_ diejenigen Schulden, so in Unsern Landen yon denen
frantz6sischen R[fugi[s _ gemachet werden, denen in Franckreich und anderen
_ilteren Schulden, sie m6gen privilegirt seyn als sie wollen, ja selbst caus_e doffs,
wann die Heurath ausserhalb Unserer Landen gemachet und dos in difl Land
nicbt gebracbt,¢ vorgezogen und gfiltiger seyn, folglich solche neue in Unseren
Landen contrahirte Schulden jenen prafferiret werden sollen.
18. Sonsten m6gen gemelte Rdfugils g in Unsern Ffirstenthfimbern und Landen
gleich andern Unsern Unterthanen freye und unfreye Gfiter kauffen, besitzen
und die nahmentIiche Freyheit, Gerechtsahme und Pra_rogativen darauffgeniessen,
als der vorige Besitzer ingehabt und besessen.
a In beiden Konzepten: ,,wiederumwegziehen".
b In beidenKonzepten:,demjenigen".
c In das2. Konzept eingeffigt.
d Im 2. Konzept aus ,,allgemein"korrigiert.
e Im 1. Konzept aus ,,Flfichtlinge"korrigiert.
f In das 1. Konzept eingeffigt.
g Im 1. Konzept ,,Flfichtlinge".
84

vie dans nos Estats; Toutes fols s 11yen avolt quelq un qm eust_dessem de se
retirer des Nos Estats, nous luybaccordons la libert_ de s'en aller avec sa femme,
enfans, et domestiques et emporter avec luy tous ses effets, _ condition qu'il ayt
pour un preallable rempli les conditions de son engagement et satisfait ceux
quiil pourroit devoir, et que ceux qui se retireront apr_s les 10 ann&s de
franchise, ne seront aucunement exemts du droit generalement requ dans nos
Etats, comme dans tout l'Empire, ce que Nous Nous reservons particulierement.
17. Pour faciliter le commerce dans Nos Estats, Nous voulons, que toutes les
d&es, qui seront contract&s entre les r_fugi_s, soient anterieures et preferables
toutes celles, qui ont est_ contract&s en France et ailleurs, quelques privilegi&s
qu'elles soient, m_me aux dotes de femmes, dont les mariages auront este
contract,s hors de Nos Etats en cas que la dote n'y ait pas est_ apport&.
18. Les Frangois reform&s pourront acheter dans Nos Duch+s et Etats comme
tous Nos autres sujets toutes sortes de bienstant nobles que rureaux, des quels
ils joiiiront sous les m_mes charges, honneurs,droitsetprerogativescqu'en ont joiii
les vendeurs.
Im 1.Konzeptaus:,,auroit"korrigiert.
b Im 1.Konzeptsteht:,,leurs".Entsprechendheigtesdortim folgenden:,,femmes"usw.
Eingefiigtin das1.Konzept.
85

19. Die 10 Frey-Jahr fiber sollen dieselbe yon aller Pflege und Curatel, auch
Sequestern fiber Unsere angebohrne Unterthanen und deren Gfiter befreyet
seyn.
20. Schliefllich ratificiren und confirmiren Wir alle und jede in Unsern
hievorigen Resolutionen und Concessionen enthaltene Puncte, insoweit dieselbe
dieser Unserer Declaration nicht zugegenlauffen, behalten Uns auch bevor,
selbige inskfinfftige zu mehrerm Auffnehmen der Frantz6sischen Reformirten
Gemeinde zu Hameln nach Befinden zu vermehren. Und damit desto vester
darob gehalten werde und niemand sich mit der Unwissenheit entschuldige,
haben Wit dieses in offenen Druck geben und publiciren lassen.
Befehlen hierauffallen und jeden Unsern Civil- und Militair-Bedienten, Beambten,
Magistraten in den St_idten,Unterthanen und Angeh6rigen, daft selbige ob
diesem allen vestiglich halten und mehrgemelte frantz6sische Manufacturiersa
dabey kr_ifftiglich schfitzen und handhaben sollen. Bey Vermeydung Unserer
Ungnade und anderer willkfihrlichen harten Bestraffung.
Urkundlich dessen haben Wires eigenh_indig unterschrieben und mit Unserm
Geheimbten-Rahts4nsigel betrucken la_sen. Geschehen Hannover, den 1. Augusti
1690.
(L.s.)
a Im 1.Konzeptaus,,Fliichtlinge"korrigiert.
86

19. Pendant les 10ann_es de franchise Nous voulons que les Franqois reform_es
ne puissent estre tuteurs, curateurs ny _tablisa sequestres depersonneset biens deb
Nos sujets naturels.
20. Finalement Nous confirmons et ratifions tout ce qui est contenu dans les
resolutions et declarations cy devant donn_es, entant qu'elles ne seront pas
contraires _ la presente; Nous reservant d'augmenter Nos graces en faveur et
pour l'avantage de la dite Colonie Fran_oise Reform_e de Hameln. Pour plus
grande seuret_, et afin que le public en soit informS, Nous l'avons fait imprimer
et publier.
Enjoignants _itous Nos officiers tant civils que militaires, Baillifs et Magistrats
dans lesvilles de tenir la main _il'execution de cette presante Declaration comme
aussi generalement fi tous Nos sujets et habitans, de s' y conformer ponctuellement
sous peine de N6tre disgrace et autres peines arbitraires.
Donn_ sous N6tre grand sceaudu Conseil pri% fiHannovre le 1. d'Aoust. 1690.
Ernest August.
"a Fehltim I.Konzept.
b An dieserStellestehtim 1.Konzeptnur:,,par".
87

Nr. 7 Hameln_r Bauprivileg
Hannover, 1696 September 10.
(Druck)
Chur-Braunschweig-Lfineburgische Landesordnungen und Gesetze Calenbergischen
Theils, Theil III Cap. IV, G6ttingen 1740, S. 95-98.
Literatur: Klingebiel, Weserfranzosen, S. 105f., 123ff.
Von Gottes Gnaden, Wir Ernst Augusts, Hertzog zu Braunschweig und Lfineburg,
des Heiligen R6mischen Reichs Churfiirst, Bischoff zu Ofnabriick, etc.
Demnach Wir gn_idigstbewogen worden, zu Wiederanbauung derer in der Stadt
Hameln sich findenden wiisten Stellen und Reparirung der bauf_illigen H_iuser,
auch besserer und best_indiger Etablirung der Franz6sischen Colonie daselbst,
nachfolgende Verordnung ergehen zu lassen, und die darinnen enthaltene
Begnadigung denenselben, welche entweder neue H_iuserzu bauen oder alte zu
repariren Vorhabens seyn, zu ertheilen. So haben Wit solches hiermit denenselben,
und wem es sonst zu wissen n6thig ist, kund und zu wissen thun wollen.
1. Vors erste soll derselbe von Unseren B/.irgern, Unterthanen und jedweden
Fremden, auch der Frantz6sischen Colonie in Hameln, welcher eine wiiste Stelle
mit einem tiichtigen Hause, und wenigstens von zwey Stockwercken dergestalt
bebauen wird, daf vonder Bau=St_itte,so weit dieselbe an der Gasselieget, nichts
unbebauet liegen bleibet, oder aber ein altes bauf;illiges Haus repariret, und
wenigstens 100 Reichstaler an gantz nohtwendiger Reparation wendet und
Biirger werden wird, im Fall er die Biirgerschafft noch nicht haben solte, von
jedem 100 Reichstaler der wiircklich angewandten Bau-Kosten funffzehen
Reichstaler an baarem Gelde zu empfangen haben.
2. Zum andern sollen demselben iiberdem 15 Reichstaler von jedem Hundert
der Bau-Kosten an der von seiner Consumtion und Gewerbe abzufiihrenden
Accise nach und nach gut gethan werden.
3. Da aber solche Befrey- und Begnadigung sich aufden eigentlichen Wehrt der
angebaueten und reparirten H_iuser gr/.indet, und dann vor allen Dingen dahin
zu sehen, daf hierunter keine Unterschleiffe vorgehen: Als sollen die Commissarii
des Licents mit Vorwissen und Zuthun Biirgermeister und Rahts, auch, da
der Neuanbauender von der Colonie ist, mit Zuziehen des Commissarii
derselben Colonie zwey verst_indige Btirger (welche best_indig als Taxatores zu
-_ gebrauchen) mit einem c6rperlichen Eyde belegen, daft sie nach ihrem Christlichen
Gewissen und bestem Verstande auch unpartheyisch die also erbauete
und reparirte H_iuser in Anschlag bringen wollen; dutch dieselben so dann in
ihrer Gegenwart mit Zuziehung eines Zimmer- und Mauer-Meisters auch
88

Tischlers, Glasers und Kleinschmiedes die Taxe verrichten lassen, die also
angeschlagene Summe unter ihrer Hand anhero zu Geheimter Rahts-Stube
einsenden, damit die Freyheit darnach reguliret und das Geld dem Neuanbauenden
gereichet werden k6nne. Weil aber die beyden Taxatores und die dazu
gezogene Handwercker solche Arbeit umsonst zu verrichten nicht angehalten
werden m6gen, sollen die Neuanbauende gehalten seyn, von jedweden hundert
Reichstaler der Bau-Kosten 18 Mariengroschen Taxations-Gebiihr zu erlegen,
welches denen Taxatoribus und dazu gebrauchten Handwercks-Leuten zu
reichen und unter ihnen gleich zu vertheilen.
4. Da nun dem zu Folge die Befreyung vom Licent bey w/ircklicher Antretung
des Baues den Anfang nehmen soll, so m/issen die Licent-Einnehmer einem
jeden Neuanbauenden ein absonderlich Buch geben, und darinnen nicht allein
die frey genossene St/icke und den Ertrag des davon geh6rigen Licents verzeichnen,
sondern auch dasselbst unter einen besondern Capite von Consumtion
der Neuanbauenden hinten in das Accis-Manual eintragen. Und wann die Taxe
geschehen und ihnen zukommen, m/issen sie die Abrechnung: Was denen
Neuanbauenden nach solcher Taxe an Freyheit geb_hre; was sie daraufin einem
jeden Monat genossen; undwas ihnen dieserwegen noch zu gut kommen m/isse,
monatlich mit denen ordentlichen Licent-Extracten zu Geheimter-Raht-Stube
entsenden und damit so lange continuiren, bis die nach obigem Fundament
anzuschlagende Summe erf/illet und abgethan.
5. Fiinfftens sollen die Neuanbauende und diejenige, welche wenigstens 200
Reichstaler zu nohtwendiger Reparation eines alten bauffilligen Hauses anwenden,
von der Einquartierung, Rahts- und Bauschofl und insgemein allen
Beschwerden und Neben-Anlagen, wie die Nahmen haben m/Sgen, ausser den
Consumtions-Licent und was zu Kirchen und Schulen und deren Diener
gegeben werden mus, auf fiinffJahr g_intzlich befreyet seyn. Dasjenige aber, was
jemand zu seiner Commodigit oder zum Ornament des Hauses bauet und,
anwendet, ist zu denen in diesen Articuln enthaltenen Befrey-und Begnadigungen
nicht mit zu ziehen.
6. Sechstens sollen die Neuanbauende und diejenige, welche vorbesagtermassen
alte und baufiillige H_iuserrepariren, derjenigen Begnadigungen, so in dem sub
dato Hannover den 10. Octobris 1691 publicirten Edict, welches zu jedermans
Nachricht hinwieder hinter diese Verordnung hergedrucket, enthalten, gleichergestalt
und so weit solche in denen vorhergesetzten Artikuln und Puncten nicht
erl_iutert oder restringiret seyn, zu geniessen haben.
"7.Insonderheit sind sie nach dem 6. solches Edicts dem Publico anheimgefallene
w/iste Stellen und H_iuser ihnen Inhalts solcher Verordnung auf die
darinnen enthaltene Conditiones zuzuschlagen. Dafern aber niemand ein altes
89

Haus, welches noch wiircklich bewohnet, oder wenigstens bewohnet werden
kan, an sich zu erhandlen gemeynet w_ire,kan ihm zu dem Kauffpretio zwar
nichts zu Hfilffe gegeben werden: So ferne er aber nohtwendige Reparations-
Kosten und wenigstens 100Reichstaler daran wendete, hat er die in vorgesetzten
Artikuln befindliche Befrey- und Begnadigungen zu geniessen.
8. Da auch ferner einige Frantzosen und andere ausser I.andes sich befinden
solten, welche Lust h_itten in Unsere Lande, und insonderheit nach Hameln
sich zu begeben und allda sich niederzulassen: So soll denenselben, wenn sie
durch allbereits hier eingesessene Frantzosen oder andere Unsere Unterthanen
zul_ingliche Caution stellen, dan sie alsofort bey ihrer Ankunft ein neu Haus
zu bauen oder ein altes zu repariren anfangen und zur Perfection bringen, auch
sich dutch eigene Mittel v611igetabliren und in Nahrung setzen wollen, zu
Transportirung ihrer Familie, nachdem dieselbige gros oder klein ist, 20, 30 bis
50 Reichstaler gereichet werden, sie auch obstehnder Befrey-und Begnadigung
in allen Puncten und Articuln zu geniessen haben. Uhrkundlich Unsers
Chur-Fiirstlichen Hand-Zeichens und neben gedruckten Geheimten Cantzley-
Secrets, Hannover den 10. Sept. 1696.
(L.S.) Ernst Augusts,
Churffirst.
90

Nr. 8 Hamelner Kolonie-Reglement
Hannover, 1706Juni 14.
(Kopialbucheintrag)
Stadtarchiv Hameln, Protokollbuch des franz6sischen Koloniegerichts, Bd. II,
S. 52-59.
Literatur: Klingebiel, Weserfranzosen, S. 127ff.
Von Gottes Gnaden Georg Ludewig, Hertzog zu Braunschweig und Liineburg,
des Heiligen R6mischen Reichs Churf/irst.
Demnach wegen der Jurisdiction fiber die zur Frantz6sischen Colonie zu
Hameln geh6rigen Personen in unterschiedenen F_illenbisher viel Streit entstanden,
so haben Wir, nach vorhergegangener Communication mit der
dasiegen Stadtobrigkeit, dieserhalb nachfolgendes gn_idigstes Reglement und
Verordnunge zu machen gn_idigstgut gefunden, undt werden sich beyde Theile
inskfinfftige darnach zu richten und dem also gebfihrend nachzuleben wissen.
Zum ersten, sollen die Frantzosen, welche kfinftig in die Colonie sich begeben,
wenn sie biirgerliche Unbewegliche Giither an sich bringen oder biirgerliche
Nahrunge, die nicht zu denen Manufacturen geh6ren, treiben, auch der
biirgerlichen Huedweide und Holtzungen genieflen wollen, die Biirgerschaft
gewinnen, damit man aber
zweytens wissen m6ge, waft unter die Manufacturen zu reihen und also yon den
oben bemeldeten biirgerlichen Nahrungen unterschieden seyn sollen, so wirdt
hiermit determiniret, daft dazu geh6ren sollen:
1. die Zeug- und Tuchmachereyen
2. das Huetmachen
3. das Bandt- und Posamentenwircken
4. die Strumpfwirckerei und Strumpfweberei
5. das Linnen- undt Wollweben zum Verkauff, nicht aber vor Lohn, und
geh6rt demnach zur biirgerlichen und Stadt-Nahrung, warm das Garn
dem Leineweber gegeben und vor Geldt Linnen oder Woll gemacht wirdt
6. die Arbeit in Mefling und Stahl
7. das Lederbereiten
8. die Kammachereyen
9. das Uhrmachen
10. das Handtschuhmachen
11. das Wollkratzen und Wollkammacherey
12. die Verfertigung der Strumpfstfihle oder metiers a bas und aller dahin
sowoll als zur Wollenweberey geh6rigen Instrumente und Werckzeuge
13. das Perruquenmachen
91

14. alles was zum Verkauf ins groft [!] und zur Verschickung aufterhalb
Landes fabriciret und gemacht wirdt. Wann auch die Manufacturiers auf
Messen und Jahr-M_irckten gen6thiget werden sollten, ihre fabricirte
Waren gegen andere Kauffmanswaren zu vertauschen oder in Bezahlung
anzunehmen oder auch Gelegenheit finden, vor ihr gel6setes Geldt etwas
zu erhandeln, womit sie ihren verg6nneten Profit machen k6nten, soll
ihnen erlaubet sein, sothane vertauschte oder in Bezahlung angenommene,
auch wohl vor bares Geldt gekauffte Wahren zu Hameln en gros,
keinerleyweise aber en detail und ellenweise zu verhandeln, wann
drittens jemandt vonder Colonie ein biirgerlich Hauft an sich bringer, auch in
obigen F_illenundt obiger Ursachen halber Biirger werden miiftte, soll derselbe
auch nach Endigung der Frey-Jahre von seinem Haufte und seiner Nahrunge
gleich einem anderen mit ihm in gleiche Classem geh6rigen Btirger sowohl an
Unft als an die Stadt-Obrigkeit die Onera publica abgeben; jedoch daft der
jedesmahlige Commissarius und Richter vonder Colonie, nebst zwey von
denen frantz6sischen Bfirgerauffdie Weise, wie die Vorsteher und Lohn-Herren
zu der Eintheilung gezogen werden, welche sodann mit Fleift dahin zu sehen
haben, daft solche Repartition equaliter und nach einem gleich durchgehenden
proportionirlichen Principio gemacht werde.
Viertens sollen diejenigen vonder Colonie, welche die Biirgerschafft gewinnen,
aller Gerechtigkeiten und Freiheiten in Holtz, Weide und anderen biirgerlichen
Emolumentis gleich denen h/imelschen Biirgern zu genieften und derselben sich
zu erfreuen haben.
Wann fiinftens zwey Colonisten untereinander Streit haben, bleiben dieselben
in personalibus und denenjenigen Sachen, welche ihre Profession und fabricirte
Waaren angehen, unter ihrer bisherigen Obrigkeit allein, und wirdt die Sache
yon derselben cognosciret und entschieden. Und geh6ren unter die Colonisten
nicht allein die Chefs de famille, sondern auch ihre Gesellen und Lehr-Jungen
und die sonst in ihrem Brodte sein. Wann sie abet Biirgern, Soldaten, Weibern
und Kindern etwas zu arbeiten geben, vor einen gewissen Lohn, sindt solche
Leute nicht zu ihrer famille zu rechnen. Fals aber
sechstens ein Coloniste mit einem h_imelschen Biirger zu streiten hat, er sey
Actor oder Reus, es sey die Actio realis oder personalis, oder wenn zwey
Colonisten, im Fall sie beyde das Stadtbtirgerrecht gewonnen oder H_iuser und
unbewegliche Gfither haben, wiedereinander zu klagen h_itten,soll einJudicium
mixtum formiert werden und von Seiten der Colonie der zeitige Commissarius
und Richter, yon Seiten der Stadt zwey vorn Raht aus ihrem Mittell dazu
deputirte Personen die Sache cognosciren und entscheiden. Falft aber in
solchem Judicio mixto paria vota vorhanden sein solten, werden die in der
92

Sache ergangenen Acta zu Unserer Justitzt-Cantzeley ad decidendum eingesandt.
Siebendes soil dieses Judicium mixtum alle Mittwochen, und zwar auff der
Rahts-Commissions-Stube yon 9 bis 11Uhr gehalten werden, und fals einer von
denen vier Deputirten ausbleibet, werden die vorbeschiedenen Parteyen von
denen Anwesenden allein vorgenommen undt damit ordnungsm_ifig verfahren.
Wann aber, entweder von des Rahts oder yon der Colonie wegen, beyde zu
diesem Gericht Deputirte nicht da w_ihren, wird zwar vor das Mahl nicht
vorgenommen, diejenige abet, welche temere ausgeblieben, sind ihrer Vers_iumnif
halber zur Verantwortung zu ziehen und da es mehrmahlen geschieht, zu
Unserer Geheimbten Rahts-Stube davon zu berichten. Die Protocolla und
Concepta werden von allen gegenwertigen Deputatis unterschrieben.
Achtens soll diesesJudicium mixtum vorerst auffzehnJahre und also bis Ostern
1716 restringiret sein, inzwischen der Stadt ihre Jura bevor [?] bleiben, undt
wollen Wir nach Ablauffsolcher zehnJahre nach Befinden und vorkommenden
Umbst_inden die Nothdurfft weiter verordnen.
Neuntens bleibt es wegen der peinlichen Leibes- und Lebens-Straffe bey der
Declaration derer denen Colonisten ertheileten Privilegien de anno 1690,
[Artikel] 11. Es stehet Biirgermeister und Raht abet frey, dieserhalb ihre
Befugnife binnen denen nechsten zehn Jahren bey Unserer Justitz-Cantzeley
einzubringen und sodann rechtlicher Verordnunge zu erwarten.
Wann zehntens nach Inhalt der Stadt-Feuer-Ordnunge oder sonst in gemeinen
Stadt- oder Policey-Sachen Visitationes der H_iuser angestellet werden m_fen,
auch wegen Reinigung der Gafen Veranstaltunge geschieht, mfifen die Colonisten
denenselben sich schlechterdinges unterwerffen, well dergleichen Sachen
keinen Vorzug leiden, wann abet die Colonisten gegen diese und dergleichen
Anordnungen sich opponiren und darwieder handeln und die Sache eine
Cognition erfordert, geschieht solches in vorgemeldetem Judicio mixto.
Elfftens geschiehet die Einsamlunge undt Collectirunge aller Landes- und
Stadt-Onerum respective yon Cammerer und denen dazu bestellten ordinairen
Stadt-Collectoribus, fall aber eine Execution n6thig ist, wirdt solche binnen
denen nechsten zehn Jahren von dem Judicio mixto angeordnet.
Zw61fftens sind Wir gn_idigst zufrieden, daft Bfirgermeister und Raht denen
Colonisten, wenn sie Bfirger werden wollen, in diesen zehn Jahren vorerst das
Bfirgerrecht schencken, den Feuer-Eimer aber muf ein jeder, der zum Bfirger
angenommen wirdt, in natura lieffern.
93

Dreyzehendes, die Gilden betreffendt, geben diejenigen, welche nach dem Inhalt
der des Bauens halber ergangenen Verordnungen ein neues Haus bauen oder
ein altes repariren, vor die Brauer-Gilde 12Reichsthaler 18Mariengroschen, die
iibrigen aber miissen davor 25 Reichsthaler erlegen. Wann aber jemandt eine
von denen anderen Gilden zu gewinnen verlanget, soil Biirgermeister und Raht
sich angelegen sein lassen, die Gilde dahin zu bewegen, daft sie denselben vor
ein gar leydliches annehmen und wegen der /ibrigen Prestandorum keine
unn6thige Difficult_iten machen m6gen. Daferne sie aber dariiber sich nicht
vergleichen k6nten, ist davon an Unsere Geheimbde Rath-Stube zu berichten,
welche sodan die Nothdurfft verordnen und determiniren wird, was vor die
Gilde zu erlegen.
Undt Iassen Wir es wegen der Morgensprache dabey bewenden, daft die
Gilde-Meister sich erkl_iret, die Frantzosen auff die Mafle davon zu befreyen,
daft ihnen frey stehen solle, auff die Einladunge zu erscheinen oder nicht. Im
iibrigen miissen sie sich in numero der zu haltenden Gesellen und Jungen
schlechterdings denen hiesigen Gilde-Ordnungen und Gewohnheiten accomodiren.
Wegen Annehmunge der Lehrjungen aber und Declaration eines Jungen
zum Gesellensotlen'sie an die hiesigeh Gilde-Gebr_iucheund Ceremonien nicht
gebunden sein.
Zum viertzehenden sollen zu dem obigen Judicio mixto die Commercien undt
Manufactur-Sachen nicht gezogen werden, sondern Wit behalten Uns vor,
deswegen nach dem Inhalt derer Privilegien mit nechsten besondere gn/idigste
Verfiigunge zu thun und damit zum
fiinffzehenden die Colonie Nachricht habe yon denen kiinfftig zu publicirenden
Verordnungen, wirdt die Verfiigunge bey Unflerer Cantzeley geschehen,
daft dieselben in k_nftig dem Commissario Rechtern zur Publication in der
Colonie zugeschicket werden m6gen. Wie dann auch Biirgermeister und Raht,
wann derselbe in Policey- und Collecten-Sachen ein oder andere Veranstaltunge
der B/irgerschaft zu publiciren hat, solche Verordnunge dem Commissario
Rechtern zuzuschicken hat, damit dieselbe denen Colonisten gleichergestalt
publiciret werden k6nne. Wornach sich also hinkiinftig ein jeder zu achten,
Hannover, den 14.ten Junii 1706.
94
G.L.
Churfiirst Hattorf

Nr. 9 Aufhebung des Hamelner Privilegs
Hannover, 1827 Mai 19.
(Abschrift bei Drosteiakten)
NHStA Hannover: Hann. 80 Hann. I Cc Nr. 7.
Nachdem die seit dem Jahre 1690 mit besonderen Privilegien versehene,
gewesene Colonie der franz6sischen reformirten Fliichtlinge zu Hameln in
neueren Zeiten in ihrer Anzahl dergestalt abgenommen hat, dab dieselbe
insoweit schon als stillschweigend aufgehoben betrachtet worden, als nach dem
Abgange des Colonie-Commissairs Avenarius ein Co|onie-Commissair und
Colonie-Richter iiberall nicht wieder ernannt worden; bei solcher Gelegenheit
jedoch fiber das, nach den eingangs gedachten Privilegien bisher bestandenen
Judicium mixtum und Colonie-Gericht etwas namentliches nicht verfiigt
worden; dermalen abet ffir n6thig befunden worden ist, die Jurisdictions-Verh_iltnisse
der noch vorhandenen Colonisten definitiv zu reguliren: So bestimmen
und verordnen Wir hierdurch, dat_ die wegen des fraglichen
Colonie-Gerichts und Judicii mixti ergangenen Privilegien hiemit zurfickgenommen
seyn sollen, und _tattdessen die noch vorhandenen Mitglieder der
vormaligen Colonie in Ansehung des Gerichtsstandes, sowohl in Civil- als
Criminal-F_llen andern Hamelischen Einwohnern gleich, der dort bestehenden
Verfassung und den gemeinen Rechten kfinftig zu folgen haben. Der Magistrat
wird hiedurch beauftragt, solches sfimmtlichen Mitgliedern der vormaligen
Colonie zu er6ffnen, und hat sich zugleich den Inhalt dieses Rescripts in
vorkommenden F_llen zur Mehrachtung dienen zu lassen.
Hannover, den 19ten Mai 1827
95

Nr. 10a Unionsakte
der franz6sisch-reformierten Gemeinden von Celle, Hameln, Hannover, Liineburg
und Biickeburg sowie der deutsch-reformierten Gemeinden yon Biickeburg
und Hannover, 1. Synodaltagung der Nieders_ichsischen Konf6deration,
Hameln, 1703 Juli 18.-23.
(Abschrift)
NHStA Hannover, Hann. 113 K III Nr. 59 fol. ll0r-v.
Gedruckt: Geschichtsbl_itter des Deutschen Hugenotten-Vereins. Zehnt IV, Heft
10, Magdeburg 1895, S. 64f.
Literatur: Klingebiel, Weserfranzosen, S. 112f. - _ Die Konf6deration
Reformierter Kirchen in Niedersachsen (Geschichtsbl_itter des Deutschen Hugenotten-Vereins,
Zehnt VI, Heft 1 und 2), Magdeburg 1896. - Hugues, S. 17f.
Acre d'union
Nous soussign_s Pasteurs et Anciens des Eglises franqoises Reform&s de Zell,
de Hannover, de Hameln, de Lunebourg et de Buckembourg et des Eglises
allemandes dudit Buckembourg et dudit Hannover, et desirants d'entretenir au
milieu de nous la puret_ de la doctrine et des moeurs, nous avons trouv_ a
propos de faire le present acre d'union ecclesiastique, par lequel nous promettons
d'observer inviolablement la Confession de foy et la Discipline eccl_siastique
des EglisesReform&s de France, deux sacresd_pots, qui nous ont &_confi&
par nos p_res, de nous secourir mutuelment les uns les autres, nous considerant
d'une mani_re tres particulli_re comme les membres d'un m_me corps; et en
consequence de cette confederation ecclesiastique de compozer un m_me
synode ou collque, que nous t_cherons de convoquer touts les ans, etant certain
qu'il est dangereux, que chaque _glise particuli_re se gouverne par ses propres
Lumi&es, puisque (comme le remarque le Synode national de Charenton en
1644) si cela avoit lieu et se pouroit former, autant de Religions que de paroisses.
Enfin nous promettons, conformement _ila dite Confession de Foy, d'&re sujets
et fidelles aux souverains, qui nous ont receuillis dans leurs &ats avec une
tendresse chretienne et veritablement paternelle, y &ant oblig& non seulement
par les Principes inviolables de n6tre Religion, mais aussi par des sentimens de
reconnaissance pour tant de graces, dont ils nous ont combl&.
96

Nr. 10b Unionsakte
der franz6sisch-reformierten Gemeinden in Celle, Hameln, Hannover und
Btickeburg.
Hannover, 1699 November 13.
(Kopialbucheintrag)
Archiv der Evangelisch-Reformierten Kirchengemeinde Hannover, Protokollbuch
der franz6sisch-reformierten Gemeinde Hannover (1697-1712), S. 59-64.
Gedruckt in: Geschichtsbl_itter des Deutschen Hugenotten-Vereins. Zehnt V,
Heft 10, S. 34f.
Literatur: Klingebiel, Weserfranzosen, S. 112f. - Brandes, Die Konf6deration
Reformierter Kirchen in Niedersachsen (Geschichtsbl_itter des Deutschen
Hugenotten-Vereins, Zehnt VI, Heft 1 und 2), Magdeburg 1896. - Hugues, S.
17f.
Acte d'union des Eglises franqoises Reform& de Zell, d'Hannovre, d'Hameln
et de Buckembourg, pass_dans cette ville d'Hannovre le 13. de Novembre 1699.
Nous soussign& Pasteurs et Anciens des Eglises franqoises Reform&s de Zell,
d'Hannovre, d'Hameln et d_ Buckembourg,'&ant venus icy pour assister fi la
dedicace du Temple, que nos fr_res du dit Hannovre ont fait batir par la
permission de S. A. E. de Brunswich etc. et desirans d'entretenir au milieu de
nous lapuret_ de la doctrine et des moeurs, nous avons trouv_ apropos de faire
le present acte d'union Ecclesiastique, que nous communiquerons fi nos Eglises
pour le leur faire approuver et ratifier; par lequel nous promettons d'observer
inviolablement la confession de foy et de la Discipline Eccl_siastique des Eglises
Reform&s de France, deux sacr& d_pots, qui nous ont &_confi_s par nos P_res,
de nous secourir reciproquement les uns les autres, nous considerant d'une
mani_re tres particuli_re comme les membres d'un m_me corps; et un cas qu'il
arrive dans quelqu'une des dites Eglises des differents, qui ne puissent point
&re terminus par le Consistoire du lieu, on consultera sur ce sujet les autres
Eglises, qui seront oblig&s non seulement de donner leurs avis, mais m_me s'il
est necessaire d'envoyer des deputes de leurs Corps dans l'Eglise ou sera la
contestation, pour la terminer amiablement et avecun esprit de charit& jusqu'/_
ce que la providence Divine nous donne les moyens de tenir un Synode ou un
Colloque. Pour cet effet l'Eglise d'Hameln, qui a la permission de le convoquer
par les favorables Edits de S. A. E., est charg& de faire ficet Egard les diligences,
qu'elle trouvera a propos, et d'&rire aux Eglises de Hambourg, de Bremen et
de Lunebourg pour entrer avex nous dans cette Confederation Ecclesiastique,
_tant certain, qu'il est dangereux que chaque Eglise se gouverne par ses lumi&es
particuli_res sans aucune d_pendance des Colloques et des Synodes, puisque
comme le remarque le Synode national de Charenton en 1644. (Si cela avoit
lieu et se pouvait former, autant de Religions que de paroisses.) Enfin nous
promettons, conformement fi la dite Confession de Foy, d'&re sujets et fidelles
97

aux souverains, qui nous ont receuillis dans leurs Etats avec une tendresse
Chretienne et veritablement Paternelle, y &ant oblig& non seulement par les
Principes inviolables de notre Religion, mais aussi par des sentimens de
reconnaissance pour tant de graces, dont ils nous ont combl_s. Fair et arr&e le
jour et an que dessus.
(sign.) De la Forest, Pasteur de l'Eglise Frangoise
Reform& de Zell, m. pr.
Cr_gut, Pasteur de la cour de S. E. Monseigneur
le Comte de la LippeoSchaumbourg et de l'Eglise
Fran_oise Reform& de Biickebourg.
Quinquiry, Pasteur de l'Eglise Franqoise d'Hameln
La Bergerie, Pasteur de l'Eglise Fran_oise Reform&
d'Hannovre.
De la Porte, Pasteur de l'Eglise Francois Reform&
d'Hameln.
De Sacetot, ancien de l'Eglise Frangoise Reform&
d'Hannovre. "
Pierre Valescure, ancien de l'Eglise Fran_oise
Reform& d'Hameln.
98
Francois Gervais, ancien d l'Eglise etc. d'Hameln.
De la Rose, ancien de l'Eglise etc. d'Hannovre.
Quenouault, ancien de l'Eglise etc. d'Hannovre.
Bouquet, ancien de l'Eglise etc. d'Hannovre.
Raisson, ancien de l'Eglise etc. d'Hannovre.
Montquibert, ancien de l'Eglise etc. d'Hannovre.

Nr. 11 CeUer Gemeindeprivileg
Celle, 1699 August 12.
(Druck)
Archiv der Evangelisch-Reformierten Gemeinde Celle. -Wiederabgedruckt:
Chur-Braunschweig-L_ineburgische Landesordnungen und Gesetze - Liineburgischen
Theils, Bd. I, Liineburg 1743, S. 1144-48.
Literatur: s. oben Einffihrung, S. 33ff. (mit weiterer Literatur).
Wir Georg Wilhelm, von Gottes Gnaden Hertzog zu Braunschweig und
Liineburg, thun kund und bekennen hiemit fiir Uns, Unsere Erben und
Successores auch Nachkommen an der Regierung.
Demnach bey Uns die der Religion halber, mit Verlassung des Ihrigen aus
Franckreich und andern Orten zu weichen gen6htigte Reformirte, welche eine
zeithero Unsers Schutzes und unter demselben zugleich des Exercitii ihrer
Religion alhier genossen, unterth_inigst Ansuchen gethan, daft well ihnen dutch
den letzten, mit der Cron Franckreich getroffenen Friedens-Schlufl, alle Hoffnung
benommen wo1"den,ohne Aenderung der Religion wieder nach ihrem
Vatterlande zu kehren, Wir in Gnaden geruhen m6gten, sie und ihre Nachkommen
nicht nur in Unsern Schutz zu behalten, sondern ihnen auch ferner das
freye Exercitium ihrer Religion an diesem Orte zu verstatten, und well der Platz,
den sie bisher zu Verrichtung ihres Gottes-Dienstes gebrauchet, wegen Zunehmung
ihrer Gemeinde hinffihro zu enge dazu fallen wolle, gn_idigstzu erlauben,
daft sie einen andern bequemen Ort dazu aptiren, und zu dem Ende an sich
erhandeln m6gen; daft Wit demnach aus Christlichen Mitleiden gegen dieselbe,
und den elenden Zustand, in welchen sie durch die Verfolgungen, so sie der
Religion halber in gedachten ihren Vaterlande leiden miissen, derentwegen
ihnen dann billig ihre Zuflucht an andere Orte zu nehmen geg6nnet wird, auch
well sie sich bishero solchergestalt, so wohl in Ansehen Unserer, als sonsten
bezeiget, datg Wir mit ihnen in Gnaden zufrieden seyn k6nnen, ihrem untero
h_inigsten Gesuch, jedoch mit folgenden ausdriicklichen Conditionen start
gethan, daft
1. Uns und Unsere Nachkommen an der Regierung, sie gleich andern Eingesessenen
und Unterthanen Unser Fiirstenthume und Lande als ihren natiirlichen
Landes-Herrn einig und allein erkennen, Uns getreu, gehorsam und hold
seyn, auch so offte es erfordert wird, den gew6hnlichen Huldigungs-Eyd
abstatten,
99

2. wann ein neuer Pastor oder Prediger bey ihrer Gemeine zu bestellen, Uns die
Person, welche sie dazu verlangen, denominiret, und Unsere gn_idigste Approbation
und Confirmation derentwegen erwartet werde,
3. alle und jede sowoll gegenw_rtige als zukfinfftige Prediger und Pastores ihrer
Gemeinde, ehe und bevor sie ihr Amt antreten, sich zu der Anno 1571zu Emden
gemachten und aufdem Synodo zu Dortrecht Anno 1619approbirten und yon
den General Staaten, als ein Symbolisch Buch der niederl_indischen Reformirten
Kirche confirmirten und hernach Anno 1651 im Haag bey Erneurung des
Bundniisses der vereinigten Niederlanden abermahl best_ittigten Glaubens-Confession,
wie solche diesem Unserm Begnadigungs-Briefe beygefiiget ist (jedoch
daft Wir sie zu dem, was Art. XVIII. derselben de electione fidelium absque ullo
respectu und Art. XXXV.de modo pr_esentia:corporis & Sanguinis Dominici
in Sacra Coena hinzu gethan wird, keineswegs obligiret oder diese passus
hiedurch approbiret haben wollen), vermittelst ihres Nahmens Unterschrifft
und Untersiegelung bekennen; des Elenchi nominalis & realis wieder die
Dogmata Unserer, der Augspurgischen Confession zugethaner Kirchen g_intzlich
enthalten; nichts, so iztgedachter Confession und deren Apologie, auch
iibrigen Libris Symbolicis der Kircheri Unserer Fiirstenthiime und Lande
zuwieder, in ihren Predigten oder sonst 6ffentlich anfiihren, mithin von den
Capitibus, darin sie yon der Lehre gemeldter Unserer Kirche dissentiren, zu
handeln entweder g_intzlich unterlassen oder, da ja die Gelegenheit des Textus
mit sich bringen solte, daft davon gelehret werden miiste, allein die Thesin in
gantz generalen Terminis, mit christlicher Bescheidenheit und Enthaltung yon
allen hitzigen und gehiifligen Expressionen, vortragen.
4. Alle und jede, welche yon ihrer Gemeinde sind, sowohl Geist- als Weltliche,
ohne eintzigen Unterscheid, unserm Geistlichen Consistorio in den dahin
geh6rigen Sachen unterworffen seyn. Insonderheit, wann unter ihnen lites Circa
matrimonium sich er_iugnen solten, ihnen selbige pro matrimonio giitlich zu
vergleichen zwar unbenommen bleiben, daferne aber solche eine Untersuchung
und rechtliche Entscheidung erfordern, sie dieselbe blofl an gedachtes Unser
Consistorium zu remitiren, auch, was in solchen F_illenvon ihnen gehandelt,
obschon dieselbe in Giite verglichen und also beygeleget seyn m6gen, demselben
anzuzeigen schuldig seyn.
5. Die unter ihnen in den Stand der Ehe treten wollen, sich nach Llnserer
Kirchen-Ordnung achten, sonderlich in hiesiger Unserer Stadt-Kirche von
Unseren Ober-Superintendenten oder demjenigen, der dessen Stelle vertritt,
publice proclamiren und aufbieten lassen, wobey ihnen doch ein gleiches auch
in ihrer Versammlung zu thun, frey gelassen wird.
100

6. Die fibrige Actus Ministeriales, als Tauffung der Kinder und Einsegnung der
Eheleute, allemahl vom demjenigen Unserer hiesigen Stadt-Prediger, so die
Woche hat oder dem sonst die Ordnung trifft, verrichtet werden.
Wann aber die dabey interessirte Personen verlangen, daf solche Actus durch
ihre Prediger verrichtet werden, sie jedesmahl umb dessen Erlaubnifl bey
Unserem Ober-Superintendenten anhalten und solcher Erlaubnif gegen
Entrichtung der sogenanten Jurium Stola: oder davor vermachten Accidentien
(derentwegen doch mit den UnvermSgenden in die Gelegenheit gesehen werden
wird) erw_irtigen.
7. Mehrgedachtem Unserem Ober-Superintendenten das demselben vermachte
Opffer-Geld oder der so genannte Vierzeitenpfennig, gleichwie von allen andern
Einwohnern hiesiger Stadt und fibriger allhier eingepfarreter Orte geschiehet,
als auch yon denen, die zu ihrer Gemeinde gehSren, alle viertel Jahr erleget
werden, und endlich
8. sie mit Beerdigung ihrer Todten nach unserer Kirchen- und andern desfals
hergebrachten Ordnungen sich richten, und sonderlich die vorfallende Begr_ibnissen
Unsern hiesigen-Stadt-Predigern,in specie demjenigen, der die Woche
hat, jedesmahl anzeigen sollen und wollen; thun das auch und verwilligen Krafft
diese gen_idigst, daft Eingangs ermeldte Reformirte und deren Nachkommen
das Exercitium ihrer Religion ohngehindert Unserer und Unserer Successoren,
auch sonst jederm_inniglich, unter obigen Conditionen allhier fortsetzen, einen
ihnen gelegenen Ort, den sie zugleich, nebst dessen Einwohnern, die keine
biirgerliche Nahrung treiben, frey von allen und jeden Personal- und Realoneribus,
wie die immer Nahmen haben, und entweder bereits eingefiihret sind
oder noch eingefiihret werden m6gen, zu besitzen haben sollen, in einer der
hiesigen Vorst_idte an sich bringen und zu Verrichtung ihres Gottesdienstes,
wiewol nicht in der Form eines Kirchen-Geb_iudes aptiren lassen, ihre G0ttesdienst
auch auf Art und Weise, wie in andern Reformirten Kirchen gebr_iuchlich,
in FrantzSsischer Sprache, und in aller Stille, wiircklich darin verrichten
m6gen.
Gestalt Wir denn sie und ihre Nachkommen, wenn sie angeffihrten Conditionen
ein Geniigen thun, sich auch sonst, als guten Christen und getreuen und
gehorsamen Unterthanen gebiihret, bezeigen werden, dabey kr_ifftigstschiitzen
wollen und Unsere Nachkommen an der Regierung sollen. Zu mehrer Urkund
haben Wir diese Begnadigung und Concession mit Unserer eigenh_indigen
Unterschrifft bekr_ifftigetund Unser Fiirstliches Insiegel daran h_ingen lassen.
So geschehen auf Unser Residentz Celle, den 12ten Augusti Anno 1699.
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Nr. 12 Privileg fiir die Kirchengeb_iude der
franz6sisch-reformierten Gemeinde Hannover,
Hannover, 1699 Dezember 9.
(Abschrift)
NHStA Hannover, Cal. Br. 8, Nr. 1075.
NHStA Hannover, Celle Br. 48, Nr. 65, fol. 43r-44r.
Literatur: Geyken, S. 1lff., insbesondere 14f.
Von Gottes Gnaden, Wir Georg Ludewig, Hertzog zu Braunschweig und
L/ineburg, des Heyligen R6mischen Reichs Churffirst p.
Ffir Uns, Unsere Erben undt Nachkommen an der Chur, uhrkunden hiemit
undt bekennen: Demnach bey Uns Unsere liebe, getreue Prediger und Anciens
der hiesigen Reformirten Gemeine nahmens selbiger gantzen Gemeine unterthiinigst
angehalten, Wir wolten gn/idigst geruhen, die Hausstelle auf
hiesiger Neustadt, welche sie yon Unserm Zimmer-Meister Dietrich Heimsohn
gekauffet undt theils zu einer reformirten Kirche, theils zu einer
Predigerwohnung aptiret, yon denen Oneribus publicis zu eximiren, als
haben Wir autg sonders gniidigsten Bewegnis undt in Betracht yon solcher
Hausstelle, welche besagter Unser Zimmer-Meister auf seine Kosten ausgeteichet,
noch nie einige Onera publica gekommen, sothanen Suchen deferiret
und stattgetahn.
Thun solches auch hiemit undt krafft dieses Brieves also undt dergestalt, datg
vorgedachte jenige reformirte Kirche und Predigerhaus, samt dem Grundt
und Boden, worauf selbiges erbaut, solang eine reformirte Gemeine hier seyn
und sich sothaner Geb_iudezur Kirche und Predigerwohnung bedienen wirdt,
nebest dazu geh6rigen Hoeff undt Garttenraum zu ewigen Zeiten yon allen
undt jeden gemeinen herrschafftlichen undt Landes Oneribus, Auflagen und
Praestandis, ingleichen yon denen Ausgaben, denen sonst die auf hiesiger
Neustadt stehenden Hiiuser behuef der dohrtigen Gemeine unterworffen
seyn, sie m6gen seyn jetzig oder zukiinfftig, ordinar oder extraordinar oder
sonst Nahmen haben wie sie wollen, allerdings frey undt eximiret seyn undt
bleiben sollen, ausgenommen jedoch, daft yon mehrbesagtem Predigerhause
die behueff der 6ffentlichen Briichten angelegte Gelder, als welcher Ausgabe
alle sonst freye H_iuser mit unterworffen seyn, werden gegeben werden
miissen.
Auch verstehet sich, dan in solchen Predigerhause wohnende Persohnen den
in Unsere Lande jetzo eingefiihreten Consumptions-Licent gleich allen anderen
Unsern Unterthanen werden abzutragen haben. Zu dessen Uhrkundt
haben Wir dieses eigenhandig unterschrieben undt Unser gr6sseres Insiegel
wissendlich daran hangen lassen. So geschehen undt geben in Unserer
Residentzstadt Hannover, den 9.ten Decembris Anno 1699.
Georg Ludewig
Churffirst J. Hattorf
102

Nr. 13 Hannoveraner Gemeindeverordnung
Hannover, 1705 Februar 18.
(Druck)
Chur-Braunschweig-Lfneburgische Landesordnungen und Gesetze Bd. 1,
G6ttingen 1739, S. 1022£ - Erneuert am 16. Februar 1717, in: ebd., S. 1024£
Literatur: Geyken, S. 68f£
Georg Ludewig Churfiirst etc. Demnach Wir denen allhier wohnenden
Teutschen (Franz6sischen) Reformirten vor einiger Zeit aufgewisse Masse ein
Exercitium ihrer Religion, und zu dessen Behuef einen Prediger zu beruffen
und zu erhalten in Gnaden verstattet haben; dabey aber bisher nicht reguliret
worden, wie weit solcher reformirter Prediger Freyheit und Macht haben solle,
in Verrichtung der Actuum sacerdotalium, und insonderheit des Kind-Tauffens
und der Ehe Copulationen zu gehen.
Als verordnen Wir hiermit gen_idigstund wollen, daft wann in hiesiger Alteno
oder Neu-Stadt ein Kind zu tauffen oder ein Paar Verlobte priesterlich zu
copuliren vorf_illt und beyderseits Eltern, denen das zu tauffende Kind
zugeh&et, oder beyderseits Verlobte, die priesterlich copuliret Zu seyn verlangen,
reformirter Religion seyn, alsdann die Tauffe und Copulation zwar yon
einem der hiesigen reformirten Prediger verrichtet werden m6ge, jedoch also
und anderer gestalt nicht, als daft mit demjenigen der hiesigen Hoff-Stadtoder
Guarnison Predigere, denen sonst ihrer Pfarr-Gerechtigkeit nach die
Verrichtung des Actus der Tauffe und der Copulation zukommen wiirde,
wegen der ihnen yon dergleichen Actibus geb/.ihrenden Jurium Stolz vergniiglicher
Abtrag vorher zu machen. Wann aber der Mann oder die Frau, denen
das alhier zu tauffende Kind zugeh6ret, wie auch wann der Br_iutigam oder
die Braut, welche allhie priesterlich copuliret seyn wollen, der reformirten
Religion nicht zugethan seyn; so ist der Actus yon dem hiesigen Prediger der
Pfarre, dem es sonst, wenn keine reformirte Predigere allhier w_iren,oder wenn
beyderseits Eltern oder Verlobte der Augspurgischen Confession zugethan
w_iren, gebiihren wiirde, zu verrichten, und haben die reformirte Predigere
sich dessen allerdings zu enthalten.
Es erstrecket sich auch obige denen hiesigen Reformirten Predigern ertheilte
Vergfinstigung, Kinder zu tauffen und Priesterliche Copulationen zu verrichten,
nicht weiter, als aufdie hiesige Alte- und Neu-Stadt; inmassen ausserhalb
dererselben aufdem Lande die hiesige reformirten Prediger sich im geringsten
keiner Kindtauffen oder Priesterlichen Copulationen anzumassen haben, es
m6gen beyderseits Eltern oder Verlobte reformirter Religion seyn oder nicht.
Hannover, den 18. Februar 1705.
Georg Ludewig,
Churfiirst.
103

Nr. 14 Braunschweiger Gemeindeprivileg
Braunschweig, 1705 Marz 28.
(Gedrucktes Transkript)
F. H. Brandes, Braunschweig, in: Geschichtsbl_itter des Deutschen Hugenotten-Vereins,
Zehnt VI, Heft 9, S. 6£
Nachdem der Durchlauchtigste F/irst und Herr, Herr Anthon Ulrich, Hertzog
zu Braunschweig und Liineburg, auf unterthanigstes Ansuchen einiger
Frantz6sischen R6fugi+sgnadigst resolviret, diejenigen, so sich von ihnen in
Dero Landen und sonderlich allhier in Dero Stadt Braunschweig hauslich
niederlassen und daselbst ihre Handthierung treiben wollen, nicht allein in
Dero Gnadigsten Schutz aufzunehmen und ihnen alle Vortheile, die Dero
eingebohrene Unterthanen zu geniessen haben, gleichfalls auch, wenn ein
oder anderer eine besondere neue Manufaktur oder andere importante
Handlung etabliren wollte, demselben noch einige extraordinaire Avantages
wiederfahren zu lassen, sondern auch allen Reformirten Frantzosen insgesambt
das freie Exercitium ihres Gottesdienstes zu verstatten. Und dann
albereit einige derselben sich alhier eingefunden und Ihro Durchlaucht
unterthanigst vorgestellet, was massen sie bedacht waren, ihr Kirchwesen
ordentlich einzurichten, dabey aber, well Ihnen, bey Ihrer annoch geringen
Anzahl, zu schwer fallen wolte, die dazu erforderten Kosten unter sich allein
auffzubringen, gesonnen waren, bey einigen auswartigen ihrem Glauben
zugethanen hohen Standes-Personen und andern ihren Mit-Briidern eine
Beysteuer zu suchen und zu deren Sammlung gewisse Manner auss ihrem
Mittel zu deputiren: Dannenhero unterthanigst gebeten, Ihre Durchlaucht
wolten gnadigst geruhen, zu Bef6rderung ihrer guten Intention und damit
solchen ihren Abgeordneten v611iger Glauben beygemessen werden m6ge,
dieselbe mit einem glaubhaften Attestato und Dero gn_idigster Intercession
zu statten zu kommen. Und dann h6chstgedachte Ihre Durchlaucht solch
ihrem unterthanigsten Suchen gnadigst referiret, so gelanget hiermit an alle
und jede hohe und niedrige Standes-Personen, denen dieser Brieff wird
vorgezeiget werden, denenselben respective dienstfreundlich und gnadiges
Gesinnen, Sie wollen nicht allein denen Vorzeigern v611igenGlauben geben,
sondern auch aus Christlichen Mitleiden gegen dieses arme vertriebene Volk
daselbst in seinem guten Vorhaben kr_ifftiglich secundiren und mit einer
milden Beysteuer erfreyen und also zugleich den gewfinschten Effect dieser
Ihrer Durchlaucht Vorschrift demselben wirklich angedeyen lassen. Welches
dieselbe gegen manniglich, Standesgebiihr nach, mit Danck zu erkennen und
in dergleichen und anderen Fallen hinwieder es also zu halten und ermangeln
wollen. Urkundlich offt h6chstgedachter Ihro Durchlaucht eigenhandigen
Unterschrift beygedrucktem fiirstlichen Insiegel. Geben in Dero Stadt Braunschweig,
den 28ten Marty 1705.
104

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
I. Ungedruckte Q.uellen
Nieders_ichsisches Hauptstaatsarchiv Hannover (NHStA)
Cal Br. 8, Nr. 572 I-VI, Nr. 573, Nr. 574, Nr. 575 I-XII, Nr. 576, Nr. 1075
CaLBr. 23b, B I, 1685
Cal. Br. 24, Nr. 1757-63
Celle Br. 44, Nr. 74
Celle Br. 48, Nr. 65
Celle Br. 55, Nr. 202, Nr. 206
Celle Br. 91, Nr. 41, Nr. 46
Hann. 74, Hameln Nr. 3265-68
Hann. 75, Nr. 1455
Hann. 80, Hannover I Cc Nr. 7.
Hann. 113 K III, Nr. 20, Nr. 26, Nr. 27, Nr. 58, Nr. 59, Nr. 68, Nr. 71
DEP 7 B Nr. 858£, Nr. 996, Nr. 1020-22, Nr. 1612f.
Bayerisches Staatsarchiv Bamberg
Rep. C 29c, Nr. 252-255
Archiv der Evangelisch-Reformierten Kirchengemeinde Celle
Gemeindeprivilegien (Einzeldrucke)
Archiv der Evangelisch-Reformierten Kirchengemeinde Hannover
Kirchenbticher der franz6sisch-reformierten Gemeinde Hannover
(1697-1825)
Presbyterialprotokolle der franz6sisch-reformierten Gemeinde Hannover, 2
B_nde (1697-1712)
Stadtarchiv Hameln
XXXII,6 Franz6sische Kolonie
XXXVII,6 Protokollbficher des Koloniegerichts I-Ill
Archly der Miinsterkirche St. Bonifatius, Hameln
Sign. 171.1
Archly der Evangelisch-Reformierten Gemeinde Hameln
Kirchenbiicher der franz6sisch-reformierten Gemeinde, 1690-1854 (MII)
Archiv der Niedersiichsischen KonfBderation, G6ttingen
IV Moderatoren-Journal
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Chur Braunschweig-Lfineburgische Landesordnungen und Gesetze Calenbergischen
Theils, G6ttingen 1739/40; - L/ineburgischen Theils, Bd. III, LOneburg
1743.
F. Fredersdorff, Promtuarium der Ffirstlich Braunschweig-Wolfenb/ittelschen
Landesverordnungen, Bd. IV, Braunschweig 1785, S. 136£
Th. Kiefner, Die Privilegien der nach Deutschland gekommenen Waldenser,
2 Bde., Stuttgart 1990.
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in: Geschichtsbl_itter des Deutschen Hugenotten-Vereins, Zehnt VIII, Heft 2,
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111

112
GEORGE GUILLAUME
par la grace de Dteu, Ducdc Bron
fvvm & Lunebourg.
_. _,'_.t_¢_.._= _Tous ceux _ qu, ilap..o,_mendraSah,r ; Com..
:"G_" r_ f ,", . -
_._r._.-_^'_ me on nous a donnea connoztre qu d y'auo,t
_i_l_/_ f_c_ ,un g_nd nombte de pertonn_ & Fam,lles E-
_.-_r._ [rrxngeres de ta Re!i_,ion reform& qui &oient
-_.___ :dans ledeffemde fe re:ireren Al[emagne,-&
" | "e • ,_ _ . t -
[_'Duchez &-_is, 8: auoicm fair choix de
]_.,_. inotre ViUe Ca _kale de Lunebour%_pour y &ablir
[eur Domicilc,y mcroduire routes tortes de manufa&ures,& y faire
commerce & trafic de Marchandif_s, mo_ennat_t qu" on leur endonn_t
LapermiNon, & qu" on lear voulfit accorder qudques Franchifes
& privileges. Apres attoir rneuremenr deliber_ fur cette affaire, Noui
auons :rouve qu d e-olt du bten & de t m_erei_cdes pais & fulets que
1D;.",7X;ous a eon_ez, ¢.'._our :ace.offe.'r.....:_.e.que,sNousauons
pris de tout terns grand f'oin, d' accorder 4 tom & un chacun de ceux
•
qm voudront
,r •
s erabhr
_ .-
dans notre _' die de Lunebour_,
- •
les pnmlcgcs
qut ionc c_-apres fFeczfies, lesquels Nous augmencerons Iors qu' d fera
neceffaire _ chactln cn part_calier'pour
lear _:abliffement,
_¢ili_ert_.¢omme,_,'_',,aenLd0..
z. Nous prenotas generalement en n&re prot¢cq,'ion, routes les t'ami/lc_
& perfonnesErrangeresqui voudroat &ablir lear domiciledam n&reVilleda
Lunebourgfaifanr prof¢ffion de la Religio,, reform&, de quelquena.tionqt_
e!lespuiffem&re,auecleum hardes, biera, citers,meubles,&tout cequapoarra
lear appartenir; Leur declaraneqa"elles pourron¢aller&venir, negocier, &
=afiquer,fins que perfonne,fous quetque pre_exrequecepuifle&re,leurdonr_
le moindreempefchcmem, mais plficol'tdies auront_tjouirde n6tre proce-
&iotadem_me que tous nos aurre_fuiecsnacurels,&dies peuvencmcsmes'aflurerqueNous
lesmainciendronscontre routes lesinfukes&le tort qu'on voa_
droMeur fatre, ramsaulli dies nous preteroat la roy &1_homma_eamfiqu t_
eli uflrden cesf_rtes d' oecurenees,
=. La Iiberc_de confcience_ra accord'& a cousce'axde la Religionrefor,
m&, lls pourron_ dans les commencemens faire ['exercicede leur Religion.
priu_metatdam uu¢ de leurs maifons, &lors que!ehombreferaconfiderablgme-.taugment_
on leur afligne.,-aun b_:iment & lieupublic, ainfilefibreexe_c/c.-de
leurreligion leur ferapermJspriu_men¢& publiquemenG fansquepea'..
Io,,,,.,..,_iffg m._c:er ou troubleretamaniereque cefoi¢.
LfineburgerPrivileg,franz. Fassung

Geschichtsbl_itter des Deutschen Hugenotten-Vereins e.V.
Begrfindet yon Henri Tollin 1890
Band XX H. 5-6 Barbara D61emeyer • Die hessen-homburgischen Privilegien
ffir franz6sisch-reformierte Glaubensfl/ichtlinge.
Homburg, Neustadt, Friedrichsdorf und Dornholzhausen.
16,80 DM
Band XX H. 7-10 Ursula-Marianne Mathieu • Hugenottische Familiennamen
in Deutschland. Teil 2. 24,80 DM
Band XXI Jochen Desel • Hugenottenkirchen in Hessen-Kassel
ISBN 3-9802515-6-X 22,80 DM
Band XXII Johannes E. Bischoff • Lexikon deutscher Hugenottenorte..
Beigffigt ist eine Mappe mit 7 Karten.
ISBN 3-9802515-8-6 38,00 DM
Band XXIII Thomas Klingebiel • Die Hugenotten in den welfischen
Landen. Eine Privi.[egiensammlung.
ISBN 3-9802515-%4 26,00 DM
In Vorbereitung:
Band XXIV Fritz Galle • Die Mecklenburgischen Privilegien f/Jr
franz6sisch-reformierte Glaubensfl/ichtlinge.
Sand XXV Barbara D61emeyer u. Jochen Desel • Deutsche Hugenotten-
und Waldenser-Medaillen