Narzißmus, Intersubjektivität und Anerkennung* - Martin Altmeyer
Narzißmus, Intersubjektivität und Anerkennung* - Martin Altmeyer
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Zunächst zeichne ich die Widersprüche nach, in die ein<br />
monadologisch verstandener <strong>Narzißmus</strong>-Begriff geraten <strong>und</strong> bis<br />
heute verfangen geblieben ist, der auf den Annahmen der<br />
Triebtheorie <strong>und</strong> der Trennung von Subjekt <strong>und</strong> Objekt basiert (I).<br />
Neben diesem cartesianischen Erbe des Libido-Modells ist bei Freud<br />
bereits ein – wenn auch vernachlässigter – intersubjektiver Ansatz<br />
zu finden, der eher an Hegel angelehnt ist <strong>und</strong> <strong>Narzißmus</strong> als<br />
Geliebt-werden definiert (II). Als Bezugsrahmen einer<br />
Reformulierung des <strong>Narzißmus</strong>-Begriffs wird dann das<br />
<strong>Intersubjektivität</strong>sparadigma in den Humanwissenschaften geprüft,<br />
das über die Philosophie <strong>und</strong> die Sozialwissenschaften inzwischen<br />
auch die Neurobiologie <strong>und</strong> die Psychoanalyse erreicht hat (III). In<br />
der Auseinandersetzung mit den Bef<strong>und</strong>en der Säuglingsforschung<br />
läßt sich zeigen, daß primäre <strong>Intersubjektivität</strong> <strong>und</strong> primärer<br />
<strong>Narzißmus</strong> keineswegs, wie behauptet, miteinander unvereinbare<br />
Konzepte sein müssen, wenn wir den <strong>Narzißmus</strong> selbst<br />
intersubjektiv definieren (IV). Diese Sichtweise erlaubt den<br />
Anschluß an eine objektbeziehungstheoretische Traditionslinie des<br />
psychoanalytischen Diskurses, in der das <strong>Narzißmus</strong>-Konzept als<br />
monadologischer Ursprungsmythos <strong>und</strong> »Amöbensage« (Balint)<br />
immer schon abgelehnt worden ist: Anerkennung ist das Thema des<br />
<strong>Narzißmus</strong>, das sich auch in der narzißtischen Störung als<br />
unbewußter »Kampf um Anerkennung« ausdrückt (V). Am Ende<br />
formuliere ich meinen Vorschlag einer intersubjektiven Definition<br />
des <strong>Narzißmus</strong> <strong>und</strong> stelle einige Thesen auf, die zur Diskussion<br />
auffordern sollen (VI).<br />
I. Die Monade als Hauptmetapher des <strong>Narzißmus</strong><br />
Seit seiner »Einführung« (1914c) hat der <strong>Narzißmus</strong>-Begriff die<br />
verschiedenen Revisionen der Freudschen Metapsychologie<br />
überlebt. Bei der Ablösung der ersten durch die zweite Triebtheorie<br />
(1920g), der Weiterentwicklung der Topik von unbewußt <strong>und</strong><br />
bewußt zur Strukturtheorie (1923b) <strong>und</strong> der Reformulierung der<br />
Angsttheorie (1926d) hat die <strong>Narzißmus</strong>-Theorie zwar Pate<br />
gestanden, ist aber durch diese weitreichenden Veränderungen selbst<br />
kaum berührt worden (vgl. Teicholz, 1978). Die monadologische<br />
Definition des <strong>Narzißmus</strong> als libidinöse Besetzung des Selbst oder<br />
präziser: der Selbstrepräsentanz durch Hartmann (1964) wurde<br />
PSYCHE - Z PSYCHOANAL 54 (2000), 142–171 4