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Narzißmus, Intersubjektivität und Anerkennung* - Martin Altmeyer

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Die »narzißtische Störung« hat zwar inzwischen Aufnahme in die<br />

deskriptiven Symptomlisten des DSM III: Diagnostisches <strong>und</strong><br />

statistisches Manual psychischer Störungen, <strong>und</strong>, in erweiterter <strong>und</strong><br />

variierter Form, in die Nachfolgeversionen DSM III-R <strong>und</strong> DSM IV<br />

gef<strong>und</strong>en, ohne daß damit aber eine präzise differentialdiagnostische<br />

Abgrenzung gegenüber anderen Störungen wenigstens anhand ihrer<br />

klinischen Merkmale möglich wäre. So muß in der deutschen<br />

Ausgabe eines von Kernberg herausgegebenen Sammelbandes<br />

Narzißtische Persönlichkeitsstörungen (1988) wiederum festgestellt<br />

werden, daß die psychoanalytische <strong>Narzißmus</strong>-Konzeption »eine<br />

recht verwirrende Vielfalt aufweist oder – kritisch formuliert –<br />

unvereinbar unterschiedliche Phänomene bzw. Genesen schildert«. 4<br />

Für diese kritische These liefert der Band selbst eine Fülle von<br />

Belegen. Statt einer Definition wird eine breite Palette<br />

unterschiedlichster Erlebens- <strong>und</strong> Verhaltensweisen aufgeführt, die<br />

eine »narzißtische Störung« ausmachen sollen. Auch der Versuch<br />

einer weiteren Profilierung der DSM-Merkmale der narzißtischen<br />

Persönlichkeit von Akhtar (im gleichen Band) wirkt in seiner<br />

mitunter skurrilen Konsequenz nicht sonderlich überzeugend. 5 Nach<br />

dem Muster der klassischen Eigenschafts-Psychologie wird der<br />

<strong>Narzißmus</strong> in den DSM-Profilen so behandelt, als ob er sich einer<br />

Person als Merkmal zuordnen ließe. Die zugr<strong>und</strong>eliegende<br />

Vorstellung eines abgegrenzten Organismus, dessen psychische<br />

Oberfläche sich empirisch beschreiben <strong>und</strong> mit Fragebögen erfassen<br />

lassen könne, verfehlt aber nicht nur die dynamischen <strong>und</strong><br />

Tautologie von <strong>Narzißmus</strong> <strong>und</strong> Trieb steigert. – Bei der zweiten Variante eines<br />

triebtheoretisch f<strong>und</strong>ierten <strong>Narzißmus</strong> liegt die Sache anders. Grunberger hat mit seiner<br />

psychobiologisch nachvollziehbaren Ableitung des <strong>Narzißmus</strong> aus der intrauterinen<br />

Situation an Ferenczi angeknüpft. Er stattet aber den zunächst umweltverb<strong>und</strong>en<br />

konzipierten <strong>Narzißmus</strong> – auch hier leider Ferenczi folgend – mit einer eigenen<br />

triebhaften Tendenz aus. Die Umwandlung einer potentiell intersubjektiven Perspektive<br />

in ein hochspekulatives energetisches Modell, an dem auch Chasseguet-Smirgel mit<br />

ihrer regressiven Deutung der psychosexuellen Phasen als Rückkehr zur »Ur-<br />

Verschmelzung« mitgearbeitet hat, trägt beiden zu Recht den Vorwurf der<br />

Triebmythologie ein (vgl. auch Benjamin, 1988, oder auch das Psychoanalytische<br />

Seminar Zürich 1981).<br />

4 Es handelt sich dabei um ein Geleitwort von A.-E. Meyer.<br />

5 So finden wir zur Kennzeichnung einer narzißtischen Persönlichkeit solch<br />

schillernde Merkmale wie: »Tendenz, Briefe nicht zu beantworten«, »offensichtlichen<br />

Enthusiasmus für sozialpolitische Belange«, »Unehrerbietigkeit gegenüber Autoritäten«<br />

»Benutzung von Sprache <strong>und</strong> Sprechen zur Regulation des Selbstwertgefühls« (ebd.,<br />

S. 18 f.)<br />

PSYCHE - Z PSYCHOANAL 54 (2000), 142–171 7

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